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Landtag

Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

16/15

16. Wahlperiode

29.11.2012

15. Sitzung

Düsseldorf, Donnerstag, 29. November 2012

Mitteilungen der Präsidentin. 985

Änderung der Tagesordnung. 985

1   Hochschulbevormundung statt Hochschulfreiheit

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/1545

In Verbindung mit:

Gesetz zur Stärkung der Wissenschaftsautonomie

Gesetzentwurf
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/1255

erste Lesung

Und:

Finger weg von der Hochschulautonomie – Positionspapier der Hochschulratsvorsitzenden nutzen

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/1190. 985

Dr. Stefan Berger (CDU) 986

Karl Schultheis (SPD) 987

Angela Freimuth (FDP) 988

Dr. Ruth Seidl (GRÜNE) 990

Dr. Joachim Paul (PIRATEN) 992

Ministerin Svenja Schulze. 993

Klaus Kaiser (CDU) 995

Nadja Lüders (SPD) 997

Marcel Hafke (FDP) 999

Dr. Ruth Seidl (GRÜNE) 1000

Dr. Joachim Paul (PIRATEN) 1001

Dr. Stefan Berger (CDU) 1002

Ministerin Svenja Schulze. 1003

Ergebnis. 1004

2   Gesetz zur Stärkung der kommunalen Demokratie

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/1468

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/1557

erste Lesung. 1004

Hans-Willi Körfges (SPD) 1004

Mario Krüger (GRÜNE) 1006

Ralf Nettelstroth (CDU) 1008

Kai Abruszat (FDP) 1008

Frank Herrmann (PIRATEN) 1010

Minister Ralf Jäger 1011

Michael Hübner (SPD) 1012

Peter Biesenbach (CDU) 1013

Ergebnis. 1015

3   GEMA-Tarife müssen bezahlbar bleiben

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/1275

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/1561. 1015

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU) 1015

Alexander Vogt (SPD) 1016

Martin-Sebastian Abel (GRÜNE) 1017

Thomas Nückel (FDP) 1018

Frank Herrmann (PIRATEN) 1019

Minister Garrelt Duin. 1020

Ergebnis. 1021

4   Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutz von Nichtraucherinnen und Nichtrauchern in Nordrhein-Westfalen (Nichtraucherschutzgesetz NRW – NiSchG NRW)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/125

Änderungsanträge
der Fraktion der PIRATEN
Drucksachen 16/1549,
16/1551 und 16/1552

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Arbeit, Gesundheit und Soziales
Drucksache 16/1493

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/1558

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/1559

zweite Lesung. 1022

Dr. Roland Adelmann (SPD) 1022

Peter Preuß (CDU) 1024

Arif Ünal (GRÜNE) 1025

Susanne Schneider (FDP) 1026

Kai Schmalenbach (PIRATEN) 1027

Ministerin Barbara Steffens. 1029

Hendrik Wüst (CDU) 1031

Reiner Priggen (GRÜNE) 1033

Dr. Joachim Stamp (FDP) 1033

Kai Schmalenbach (PIRATEN) 1035

Ministerin Barbara Steffens. 1035

Karl-Josef Laumann (CDU) 1036

Norbert Römer (SPD) 1037

Ergebnis. 1038

Namentliche Abstimmung
Änderungsantrag
Drs. 16/1551
siehe Anlage 1

Namentliche Abstimmung
Beschlussempfehlung
Drs. 16/1493
siehe Anlage 2

Erklärung gem. § 46 Abs. 2 GeschO
siehe Anlage 3

     Tagesordnungspunkt 5 abgesetzt.

6   NKF-Gesamtabschluss – Die Landesregierung muss endlich Transparenz schaffen und ihre rechtswidrige Duldungspraxis beenden

Gesetzentwurf
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/1472

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/1591. 1039

Kai Abruszat (FDP) 1039

Andreas Becker (SPD) 1040

Ina Scharrenbach (CDU) 1041

Mario Krüger (GRÜNE) 1042

Dietmar Schulz (PIRATEN) 1043

Minister Ralf Jäger 1044

Ergebnis. 1045

7   Mieterinnen und Mieter von der Maklercourtage entlasten

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/1470. 1045

Sarah Philipp (SPD) 1045

Daniela Schneckenburger (GRÜNE) 1046

Klaus Voussem (CDU) 1047

Holger Ellerbrock (FDP) 1048

Simone Brand (PIRATEN) 1049

Minister Thomas Kutschaty. 1050

Ergebnis. 1051

8   Die Landesregierung muss endlich ihre Hinhaltetaktik aufgeben und für Klarheit, Transparenz und Rechtssicherheit im Stärkungspakt sorgen

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/1476. 1051

André Kuper (CDU) 1051

Michael Hübner (SPD) 1052

Mario Krüger (GRÜNE) 1053

Kai Abruszat (FDP) 1054

Dietmar Schulz (PIRATEN) 1054

Minister Ralf Jäger 1055

Ergebnis. 1056

9   Gesetz zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Schwangerschaftskonfliktgesetz

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/749

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Familie, Kinder und Jugend
Drucksache 16/1463

zweite Lesung. 1056

Ergebnis. 1056

     Tagesordnungspunkt 10 unter Tagesordnungspunkt 1 behandelt.

11 Gesetz zur Weitergeltung des Gesetzes über die Ablieferung von Pflichtexemplaren und ausführender Vorschriften (Pflichtexemplarweitergeltungsgesetz)

Gesetzentwurf
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/1274

erste Lesung. 1056

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU) 1056

Andreas Bialas (SPD) 1057

Oliver Keymis (GRÜNE) 1057

Ingola Schmitz (FDP) 1057

Daniel Schwerd (PIRATEN) 1058

Ministerin Ute Schäfer 1059

Ergebnis. 1060

12 Herausforderungen des doppelten Abiturjahrgangs annehmen – Wo sind die Konzepte der Landesregierung?

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/1477. 1060

Klaus Kaiser (CDU) 1060

Dietmar Bell (SPD) 1060

Dr. Ruth Seidl (GRÜNE) 1061

Angela Freimuth (FDP) 1063

Oliver Bayer (PIRATEN) 1064

Ministerin Svenja Schulze. 1065

Ergebnis. 1066

Anlage 1. 1067

Namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag Drucksache 16/1551 (TOP 4 – Nichtraucherschutzgesetz)

Anlage 2. 1075

Namentliche Abstimmung über die Beschlussempfehlung Drucksache 16/1493 (TOP 4 – Nichtraucherschutzgesetz)

Anlage 3. 1083

Zu TOP 4 – Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutz von Nichtraucherinnen und Nichtrauchern in Nordrhein-Westfalen (Nichtraucherschutzgesetz NRW - NiSchG NRW) – gemäß § 46 Abs. 2 GeschO zu Protokoll gegebene Erklärung

Anlage 4. 1085

Zu TOP 9 – Gesetz zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Schwangerschaftskonfliktgesetz – zu Protokoll gegebene Reden

Regina Kopp-Herr (SPD) 1085

Ina Scharrenbach (CDU) 1085

Josefine Paul (GRÜNE) 1086

Marcel Hafke (FDP) 1087

Daniel Düngel (PIRATEN) 1087

Ministerin Ute Schäfer 1087

Entschuldigt waren:

Minister Johannes Remmel      
(bis 13:30 Uhr)

Helene Hammelrath (SPD)

Markus Töns (SPD)

Regina van Dinther (CDU)

Hubertus Fehring (CDU)

Dr. Marcus Optendrenk (CDU)

Stefan Engstfeld (GRÜNE)

Herbert Franz Goldmann (GRÜNE)

Marc Lürbke (FDP)


Torsten Sommer (PIRATEN)     
(ab 16:00 Uhr)

Robert Stein (PIRATEN)


Beginn: 10:03 Uhr

Präsidentin Carina Gödecke: Guten Morgen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu unserer heutigen, 15. Sitzung des Landtages von Nordrhein-Westfalen. Wie immer gilt mein besonderer Gruß den Gästen auf der Zuschauertribüne und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich neun Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Wir haben heute zwei Mitglieder unter uns, die Geburtstag feiern. Beide gehören der Fraktion der SPD an und beide werden 52 Jahre alt. Ich gratuliere ganz herzlich im Namen des gesamten Plenums den Kollegen Falk Heinrichs und Rüdiger Weiß. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!

(Allgemeiner Beifall)

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten habe ich einige Mitteilungen zu machen, die den Ablauf des heutigen Plenartages und die Tagesordnung betreffen, weil sich einiges geändert hat und zwischen den Fraktionen verabredet wurde.

Der erste Hinweis betrifft die Aktuelle Stunde unter Tagesordnungspunkt 1. Im Zusammenhang mit der Aktuellen Stunde sollen ebenfalls beraten werden der Gesetzentwurf und der Antrag, die ursprünglich unter Tagesordnungspunkt 10 ausgewiesen wurden.

Es handelt sich dabei um den Gesetzentwurf der Fraktion der Piraten „Gesetz zur Stärkung der Wissenschaftsautonomie“ Drucksache 16/1255 und den Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP „Finger weg von der Hochschulautonomie – Positionspapier der Hochschulratsvorsitzenden nutzen“ Drucksache 16/1190.

Der Antrag und der Gesetzentwurf werden nach Vorlage der Beschlussempfehlungen des Ausschusses hier im Plenum abgestimmt werden.

Da wir hier jetzt eine neue verbundene Debatte haben, haben sich die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer darauf verständigt, dass es aber insgesamt keine Redezeitverlängerung gibt, sondern wir bei der ausgedruckten Redezeit für die Aktuelle Stunde bleiben.

Der zweite Hinweis betrifft den Tagesordnungspunkt 4, die zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zum Nichtraucherschutzgesetz. Da sind bereits namentliche Abstimmungen angekündigt, gegenwärtig sowohl von der Fraktion der CDU als auch von der Fraktion der Piraten. Gegenwärtig gehen wir davon aus, dass es sich um zwei namentliche Abstimmungen handelt. Ich hörte aber, dass man noch miteinander im Gespräch sei.

Der dritte Hinweis betrifft den Tagesordnungspunkt 5, den Antrag der Fraktion der Piraten Drucksache 16/1466 „Verwaiste Werke von im Nationalsozialismus Verfolgten, Vertriebenen und Getöteten – staatliche Rechtewahrnehmung umsetzen, öffentlichen Zugang erleichtern“. Der Antrag wurde von der Fraktion zurückgezogen. Damit entfällt dieser Tagesordnungspunkt heute.

Der vierte und letzte Hinweis betrifft den Tagesordnungspunkt 9. Das ist die zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung Drucksache 16/749 „Gesetz zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Schwangerschaftskonfliktgesetz“. Bei dieser zweiten Lesung haben sich die Fraktionen zwischenzeitlich darauf verständigt, die Redebeiträge sämtlich zu Protokoll zu geben.

Widerspruch zu dem Vorgetragenen ergibt sich nicht. Es war auch, wie gesagt, zwischen den Fraktionen verabredet. Wir können also so verfahren.

Wie sich das auf die Tagesordnung und die Dauer des Plenartages auswirkt, können Sie selbst noch einmal nachvollziehen respektive auch im Laufe des Tages mitbekommen.

Mit diesen Vorbemerkungen können wir dann in die Beratung der heutigen Tagesordnung eintreten.

Ich rufe auf:

1   Hochschulbevormundung statt Hochschulfreiheit

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/1545

In Verbindung mit:

Gesetz zur Stärkung der Wissenschaftsautonomie

Gesetzentwurf
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/1255

erste Lesung

Und:

Finger weg von der Hochschulautonomie – Positionspapier der Hochschulratsvorsitzenden nutzen

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/1190

Die Fraktion der CDU hat mit Schreiben vom 26. November dieses Jahres gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner vonseiten der antragstellenden Fraktion der CDU Herrn Kollegen Berger das Wort.

Dr. Stefan Berger (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Schulze, ich wende mich auch direkt an Sie. Sie haben in den vergangenen Tagen, in den vergangenen Wochen Ihre Eckpunkte zu einem Gesetz vorgelegt, in dem das Wort „Zukunft“ vorkommt. Nach intensiver Lektüre Ihrer Eckpunkte komme ich, ja kommt jeder zu dem Schluss, der Ihre Eckpunkte mit Verstand gelesen hat,

(Zurufe von der SPD)

dass Ihre Pläne mit Zukunft so viel zu tun haben wie die Schuldenpolitik Ihrer Landesregierung mit einem ausgeglichenen Haushalt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ihre Eckpunkte sind von der Idee durchtränkt, dass Sie es besser wissen als die Hochschulen vor Ort. Sie planen ein Hochschulentmündigungsgesetz und nichts anderes.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, all das wäre nicht nötig.

(Nadja Lüders [SPD]: Was haben Sie gelesen, Herr Berger?)

Unser schwarz-gelbes Hochschulfreiheitsgesetz hat sich an vielen Stellen bewährt.

(Zuruf von der SPD: Aber nicht an allen!)

Mehr und mehr Exzellenz ist in Nordrhein-Westfalen entstanden – in Köln, in Aachen und in Bochum.

(Beifall von der CDU – Nadja Lüders [SPD]: Nordrhein-Westfalen besteht nicht aus drei Hochschulen!)

Lassen Sie mich aus einem Brief der Landesrektorenkonferenzen der Fachhochschulen und Universitäten vom Mai 2010 zitieren, die feststellten: Durch die gewachsenen Handlungsspielräume stehen die NRW-Hochschulen heute national und international gestärkt und wettbewerbsfähiger da. Die Aussagen, dass Nordrhein-Westfalen und die Wissenschaftspolitik besser dastehen, ziehen sich durch jede Anhörung und jedes Statement der Hochschulen, die wir seitdem in diesem Hause gehört haben.

Sind wir mal ehrlich, Frau Schulze: Sie reden nicht seit zweieinhalb Jahren mit den Hochschulen, weil Sie mit dem am längsten verhandelten Gesetz ins Guinness-Buch der Rekorde kommen wollen. Die Wahrheit ist, dass Sie nach zweieinhalb Jahren keinen ernst zu nehmenden Verbündeten für Ihren Gesetzentwurf gefunden haben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Schlimmer noch: Jetzt verlängern Sie den Dialog in der Hoffnung, weitere Unterstützer für das „Hochschulentmündigungsgesetz“ zu finden. Sie machen das, weil die Hochschulen mit Zähnen und Klauen gegen Ihre Pläne kämpfen. Denn das Hochschulfreiheitsgesetz gibt Freiheit, und niemand außer AStA-Funktionären und Gewerkschaftsvertretern würde auf die abwegige Idee kommen, Spielräume vor Ort ohne Not aufzugeben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Frau Schulze, Sie behaupten – ich beziehe mich auf Ihren Sprechzettel –, dass bei den Hochschulen ein Blindflug der Mittelverwendung drohe. Sie führen jetzt den Begriff der Transparenz ein, um ein Alibi zu haben, in die Haushalte der Hochschulen vor Ort eingreifen zu können. Aber um Einblicke in die Haushalte der Hochschulen zu bekommen, bedarf es keines neuen Gesetzes, da ziehen Sie nur ein Alibi heran.

Mit genau derselben perfiden Argumentation verfahren Sie bei den Hochschulräten. Sie behaupten – ich beziehe mich erneut auf Ihren Sprechzettel –, dass sich die Konzeption der Hochschulräte in der Praxis nicht bewährt habe. Ich frage Sie: Wo ist der Beweis, dass sich die Hochschulräte in der Praxis in Nordrhein-Westfalen nicht bewährt haben? Den Beweis bleiben Sie schuldig. Sie setzen einfach eine Behauptung in die Welt. In den Hochschulräten an unseren Universitäten engagieren sich zahlreiche Persönlichkeiten von nationalem und internationalem Rang. Ihre Aufgabe als Wissenschaftsministerin wäre es doch, noch mehr solcher Persönlichkeiten für eine fruchtbare und wertvolle Mitarbeit an nordrhein-westfälischen Hochschulen zu gewinnen. Sie aber machen das Gegenteil.

(Beifall von Klaus Kaiser [CDU])

Sie degradieren die Hochschulräte, wodurch das Interesse an einem Engagement der Hochschulräte logischerweise dauerhaft Schaden nehmen wird. Damit sind Sie – historisch gesehen – die erste Wissenschaftsministerin in Nordrhein-Westfalen, die ohne Not auf wertvolles Expertenwissen verzichtet. Frau Schulze, Sie sind die erste Wissenschaftsministerin, die nicht auf Qualität setzt, sondern der Degeneration Nordrhein-Westfalens Tür und Tor öffnet.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, in einer globalisierten Welt müssen logischerweise mehr denn je Entscheidungen getroffen werden. Gute Entscheidungen für Hochschulen werden aber schwerlich oder gar nicht zustande kommen, wenn in Zukunft alleine im Senat vier Gruppen und dazu noch die Hochschulleitung, der Hochschulrat, die neu zu gründende Hochschulkonferenz und das Ministerium beispielsweise über die Berufung eines Professors oder die strategische Ausrichtung einer Hochschule entscheiden. An der Stelle wird überdeutlich klar: Ihre Eckpunkte sind eine Mischung aus Verkomplizierung, Bürokratie, Bevormundung und Misstrauen.

(Beifall von der CDU und Marcel Hafke [FDP])

Das wird auch deutlich, wenn man sich einige Überschriften in den Medien ansieht. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ schreibt: SPD-Ministerin will Hochschulen schwächen und die Universitäten wieder stärker überwachen. WDR-Online titelt: „Mehr Staat an der Uni“. Die „Aachener Zeitung“ zitiert Sie, Frau Schulze, mit den Worten: „Es ist die Aufgabe der Landesregierung, die Fächer einzurichten, die wir brauchen.“ Ehrlicher wäre der Satz: Es ist die Aufgabe der Landesregierung, die Fächer einzurichten, die ich – Frau Schulze – will. Darum geht es Ihnen. Das ist der Kern des Gesetzes und der Eckpunkte.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Für den außenstehenden Betrachter ist doch grundsätzlich vollkommen unklar, weshalb am Ende einer Entscheidungskette das Ministerium und Frau Schulze in Person stehen sollen. Ich frage alle Abgeordneten von Rot-Grün: Ist es wirklich Ihre tiefere Absicht, die vielfältigen, die schwierigen Entscheidungen in unseren Hochschulen bei dieser Ministerin enden zu lassen? Wollen Sie, dass die Entscheidungen der Wissenschaftspolitik am Ende dieses Gesicht bekommen?

(Zuruf von der SPD: Ja!)

Wir glauben, wenn Frau Schulze am Ende einer Kette steht, wird daraus für Nordrhein-Westfalen keine Wertschöpfungskette.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion der SPD spricht Kollege Schultheis.

Karl Schultheis (SPD): Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Berger, Ihre Einlassungen liegen genau auf dem Niveau, das wir sowohl im Ausschuss als auch im Parlament immer wieder erfahren. Ich hatte gedacht, weil Kollege Lienenkämper den Antrag zur Aktuellen Stunde unterschrieben hat und der letzte Satz lautet, diskutieren zu wollen, dass das ein Angebot sein soll, in den Dialog einzutreten. Aber Ihre Äußerungen und Ihre teilweise demagogischen und ideologischen Ausrichtungen …

(Beifall von der SPD und den PIRATEN – Widerspruch von der FDP – Lachen von Marcel Hafke [FDP] – Zurufe von der CDU: Ui!)

– Herr Dr. Berger, diejenigen – das ist in Ihrer Fraktion sehr verbreitet –, die anderen Ideologie vorwerfen, sind immer die größten Ideologen. Deshalb muss man da besonders vorsichtig sein.

Ich will jetzt nicht auf Einzelheiten eingehen, über die wir im weiteren Prozess sicherlich noch miteinander diskutieren werden. Aber ich weiß nicht, wie Sie zu solchen Feststellungen kommen, dass beispielsweise die Berufungsverfahren wieder im Ministerium durchgeführt werden sollen. Das steht nirgendwo in den Eckpunkten; das ist auch nicht diskutiert worden. Sie wollen hier einfach nur Misstrauen säen, was nicht angebracht ist.

Das Leitmotiv dieser Eckpunkte und der Überlegungen, die bisher in den Mehrheitsfraktionen hierzu angestellt worden sind, bewegen sich entlang des Leitmotivs, Freiheit und Verantwortung zusammenzuführen.

(Lachen von Marcel Hafke [FDP])

Das ist das Leitmotiv, und hier ist erheblicher Reparaturbedarf.

Es geht um die Verantwortung des Landes gegenüber den Hochschulen sowie um die Verantwortung der Hochschulen gegenüber ihren Beschäftigten und Studierenden, aber auch gegenüber dem Gewährträger Land. Diese Verantwortung, die wir gemeinsam wahrnehmen müssen und wollen, bedarf einer Anpassung. Wenn Sie, wie wir das auch tun, Gespräche mit Hochschulräten, mit Rektoraten, mit Präsidien, mit Studierenden, auch mit Personalräten führen, wird deutlich, welcher Verbesserungsbedarf dort besteht. Viele Argumente, die wir in der Anhörung zum jetzt gültigen Hochschulgesetz angeführt haben, finden sich jetzt in den Kritikpunkten der Beteiligten wieder.

Wir haben als Haushaltsgesetzgeber eine Verantwortung gegenüber den Hochschulen. Das beinhaltet aber auch, dass wir unsere Funktion hinzuschauen, wirklich wahrnehmen können. Es ist ein Problem, dass die Landesregierung keinen rechtlichen Zugriff auf die Wirtschaftspläne unserer Hochschulen hat. Einzelne Hochschulen haben es sich in der Vergangenheit versagt, solche Pläne zur Verfügung zu stellen.

Wir müssen sicherstellen, dass für gleiche Arbeit gleiches Geld bezahlt wird. Dazu bedarf es auch der Möglichkeiten über das Parlament und die Landesregierung. Wir müssen die Beschäftigungsverhältnisse in den Hochschulen betrachten. Wir stellen fest – das wird von den wissenschaftlichen, aber auch den nichtwissenschaftlichen Personalräten immer deutlich gesagt –, dass es zu einer Stückelung der Verträge kommt, die die Wissenschaftsfreiheit beschädigt.

Das waren einige Punkte, bei denen es darauf ankommt, sie neu zu justieren.

Wir stellen auch an einzelnen Beispielen fest, ohne die konkreten Zahlen in Händen zu haben, dass die Tendenz in unseren Hochschulen dahin geht, dass die Häuptlinge immer mehr und die Indianer immer weniger verdienen. Das kann nicht gute Wissenschafts- und Hochschulpolitik in Nordrhein-Westfalen sein.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Sie sprachen die Sicherung der Fächer an. Das ist ein Thema, das wir im Ausschuss schon vor mehreren Jahren beraten haben und bei dem es bisher keine Handhabe gibt, individuelle Entscheidungen der Hochschulen mit den landesplanerischen Interessen abzugleichen. Wir können es uns als größtes Bundesland nicht leisten, dass gerade im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften ganze Bereiche stillgelegt werden, weil sie ökonomischen Interessen untergeordnet werden. Das geht nicht; auch da ist Anpassungsbedarf.

Das Gleiche gilt für den Ausbau der Studienangebote. Das Land Baden-Württemberg – nicht unter Rot-Grün oder Grün-Rot, sondern noch unter Schwarz-Gelb – hat dazu einen Masterplan aufgelegt. Da haben wir als Sozialdemokraten immer gesagt: Das ist ein Weg, eine vernünftige Struktur der Studienangebote zu schaffen. Der Meinung sind wir nach wie vor.

Es geht auch darum, die Qualität und die Rahmenbedingungen für das Studium zu sichern. Sie erinnern sich an die Bildungsstreiks der jungen Leute in unserem Land, aber nicht nur in Nordrhein-Westfalen, was die Auswirkungen der Bologna-Reform angeht. Auch hier ist Anpassungsbedarf, was etwa Prüfungsbedarfe oder Anwesenheitspflichten angeht. Da müssen wir für gleichwertige Verhältnisse an all unseren Hochschulen sorgen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das Wort „Bürokratie“ steht ebenfalls in Ihrem Antrag zur Aktuellen Stunde. Bürokratie war auch bei der Anhörung zum jetzigen Hochschulgesetz Thema. Die Experten haben sich sehr deutlich dazu geäußert, dass Ihr Gesetz nicht weniger Bürokratie bringt, sondern mehr. Das ist auch der Fall. Die Verwaltungen unseren Hochschulen sind nicht kleiner geworden. Der bürokratische Aufwand im Binnenverhältnis von Hochschulräten und Hochschulleitungen ist erheblich angestiegen. Wir kennen Forderungen seitens der Hochschulräte an die Hochschulleitungen, die es vom Ministerium gegenüber den Hochschulleitungen nie gegeben hat. Zu behaupten, die Bürokratie sei weniger geworden, ist absoluter Unsinn. Die Bürokratie ist angewachsen. Es gilt, den richtigen Rahmen und einen angemessenen Umfang zu finden.

Meine Damen und Herren, schon in der Anhörung zum jetzigen Hochschulgesetz hat es Kritik an den Strukturen und den Organen unserer Hochschulen gegeben, insbesondere von Frau Professorin Wintermantel, der damaligen Vorsitzenden der Hochschulrektorenkonferenz. Frau Wintermantel hat schon zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens für das jetzige Hochschulgesetz gesagt: Es ist falsch, dass der Vorsitzende des Hochschulrats Dienstvorgesetzter des Rektors oder des Präsidenten bzw. der Präsidentin ist. – Es gibt also Kritikpunkte, die es jetzt abzuarbeiten gilt. Darum geht es hier. Ich darf Sie nur bitten, auf den Teppich zurückzukommen. Sie sehen ja: Der Antrag der Piraten und Ihre Anträge sind sozusagen die Pole. SPD und Grüne bewegen sich in der Mitte …

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Nein, das ist links von der Mitte!)

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit!

Karl Schultheis (SPD): … und werden ein Hochschulgesetz für NRW formulieren, das auch eine Wahlperiode übersteht, weil es pragmatisch an den Problemstellungen ausgerichtet ist, die wir zu lösen haben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schultheis. – Für die Fraktion der FDP hat Kollegin Freimuth das Wort.

Angela Freimuth (FDP): Guten Morgen! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schultheis, zum Stichwort „Ideologie“: „Man kann eine Idee durch eine andere verdrängen, nur die der Freiheit nicht.“ Das sollte man vielleicht einmal allgemein beherzigen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich darf mich zu Beginn bei den Antragstellern und beim Präsidium für die Genehmigung dieser Aktuellen Stunde bedanken, bietet sie doch die Möglichkeit, dass wir hier an prominenter Stelle die Bevormundungspolitik von Frau Ministerin Schulze und der Koalition auch im Hochschulbereich thematisieren können.

Als im Jahr 2006 unter der Verantwortung des liberalen Innovationsministers Prof. Andreas Pinkwart die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen zum 1. Januar 2007 so viele Gestaltungsmöglichkeiten bekommen haben wie sonst nirgendwo in Deutschland, ist ein Ruck durch die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen gegangen.

Die Hochschulen haben die Freiheiten und die darin liegenden Chancen auch erfolgreich genutzt, um im nationalen und internationalen Wettbewerb eine Profilierung und Profilschärfung zu erreichen, um die Lehre zu verbessern und um die Herausforderungen, zum Beispiel durch den starken Anstieg der Studierendenzahlen, zu meistern. Unsere Hochschulen haben bewiesen, dass sie sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sind und mit den ihnen eingeräumten Freiheiten auch dieser Verantwortung entsprechen.

(Beifall von der FDP)

Bislang wurden zwar nur Eckpunkte zu einer Novelle des Hochschulgesetzes vorgestellt. Ich sage aber auch ganz offen: Mehr muss gar nicht sein. Allein Sprache und Wortwahl zeigen überdeutlich, dass SPD und Grüne den Hochschulen diese Verantwortung absprechen. Maxime ist die Steuerung der Hochschulen und damit die Rückabwicklung der beispielgebenden und wegweisenden Hochschulfreiheit.

Die vorgestellten Eckpunkte offenbaren Regelungswut, Bürokratie und tiefstes Misstrauen gegenüber den Hochschulen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD: Ach!)

Die Rede ist von neuen Steuerungsinstrumenten und der Bindung an die ministerielle Interpretation von Rahmenvorgaben für Etats und Personal. Entscheidungsgremium sollen umstrukturiert werden – mit dem Risiko einer Lähmung der bisherigen Entscheidungsstrukturen.

(Karl Schultheis [SPD]: Lassen Sie uns doch den Landtag auflösen!)

Die Ministerin will statt der bisherigen Rechtsaufsicht künftig wieder in wesentlichen anderen Feldern fachlich befehligend eingreifen.

Das Instrument der Ziel-Leistungs-Vereinbarungen, bei dem sich Beteiligte auf Augenhöhe begegnen und das die individuellen Vorstellungen und Planungen der Hochschule einerseits und die im Staat organisierten Vorstellungen der Zivilgesellschaft andererseits kooperativ miteinander verbindet, wird von Ihnen völlig negiert.

Statt an einer Weiterentwicklung zu arbeiten, droht die Landesregierung kurzerhand mit einer rigorosen Rückabwicklung. Herr Kollege Schultheis hat es ja gerade auch mehr als deutlich gesagt. Rot-Grün will die Hochschulen unter ihre politische Kontrolle bekommen und sie wieder an die Kandare nehmen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das ist nicht nur rückwärtsgewandt, sondern wird auch dem Innovationsstandort schaden. Das ist Ihnen auch bewusst; denn die kognitiven Fähigkeiten, dies zu erkennen, sind bei Ihnen ganz sicher vorhanden. Sie haben auch lange mit den Eckpunkten hinterm Berg gehalten. Sie rechnen mit massiven Widerständen – und das zu Recht.

Ein kluger Mann – das sage ich nicht nur, weil er einen tollen Nachnamen trägt –, Prof. Axel Freimuth, Rektor der Universität zu Köln und Vizepräsident der Landesrektorenkonferenz, lässt sich im „Kölner Stadt-Anzeiger“ vom 22. November 2012 mit folgender Bewertung einiger Ihrer Änderungsvorschläge zitieren: „völlig daneben“. Besser kann man es wohl kaum auf den Punkt bringen.

(Karl Schultheis [SPD]: Der hat schon vieles kommentiert!)

Das Regelwerk soll nach Ihren Plänen zum Wintersemester 2014/15 in Kraft treten.

Erzählen Sie hier bitte auch nichts von Dialogprozess, Herr Kollege Schultheis; denn die gesamten Eckpunkte weisen mehr als deutlich darauf hin, dass es Ihnen überhaupt nicht um einen Dialogprozess mit den Hochschulen geht.

(Karl Schultheis [SPD]: Sie haben die Pressemitteilung schon herausgegeben, als die Eckpunkte noch gar nicht vorlagen!)

Hat denn irgendeine Hochschule Ihnen gesagt, sie wolle über ministerielle Interpretationen von Rahmenvorgaben von oben gesteuert werden?

(Beifall von Dr. Stefan Berger [CDU])

Oder hat auch nur eine Hochschule darum gebeten, wieder Rede und Antwort stehen zu müssen, wenn ein Labor eingerichtet werden soll oder eine Personalberufung stattfinden soll? Wenn Hochschulen erst fragen müssen, ob sie berufen dürfen, ist der Schritt zu der Frage, wen sie denn berufen dürfen, nur noch ein ganz kleiner.

Ihnen geht es nicht um Diskussion, sondern um Diktat.

(Lachen von der SPD)

Die rot-grüne Bevormundungspolitik – diesen Vorwurf müssen Sie sich leider gefallen lassen – erreicht mit dem, was hier bisher vorgestellt wurde, auch die Hochschulen. Sie fürchten offensichtlich eigenständige Hochschulen und wissenschaftliche Entfaltung durch gestalterische Freiheit.

(Karl Schultheis [SPD]: Wer sind die Hochschulen? – Gegenruf von Dr. Stefan Berger [CDU]: Lassen Sie die Hochschulen doch machen!)

Jonathan Swift hat einmal den Ausspruch geprägt: „Was nützt die Freiheit des Denkens, wenn sie nicht zur Freiheit des Handelns führt.“

Ich kann deshalb nur an Sie appellieren: Lassen Sie uns überlegen, wie wir das Hochschulfreiheitsgesetz weiterentwickeln können; aber streifen Sie den Umhang der Bevormundung ab, und lassen Sie den Hochschulen auch die Freiheit des Handelns.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Unsere Hochschulen wollen und müssen nicht umgekrempelt werden. Sie brauchen auch keine Experimentierklauseln, sondern verlässliche und adäquate Rahmenbedingungen.

Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zu den Hochschulräten, die wir heute im Plenum nicht en détail diskutieren; das werden wir im Ausschuss und anschließend nach der Rücküberweisung tun. Sie wollen ihnen zugunsten eines viertelparitätisch besetzten Senats Befugnisse entziehen. Ich halte das für nicht zielführend.

(Karl Schultheis [SPD]: Das hängt von dem Ziel ab, das man verfolgt!)

Entscheidungen dürften dann wieder langgezogene Prozesse sein, und der Senat dürfte wieder zum Schauplatz alter ideologischer Grabenkämpfe werden. Das hilft keinem weiter.

(Beifall von der FDP)

Es ist nicht so – das sage ich in aller Ausdrücklichkeit –, dass sich die FDP-Landtagsfraktion Weiterentwicklungen und Verbesserungen entzieht, wie sie die Hochschulratsvorsitzenden selber angeregt haben und wie sie auch aus anderen Bereichen gekommen sind. Aber, lieber Kollege Schultheis – da unterscheiden wir uns eben fundamental –: Hochschulräte sind ein wichtiger Bestandteil der autonomen Hochschulen. Ich halte es für wichtig, dass wir diesen vielen herausragenden Persönlichkeiten – Nobelpreisträger, Leibniz-Preisträger, internationale Wissenschaftler, Unternehmensführer, Gewerkschaftsführer, Wissenschaftsjournalisten und sogar ehemalige Minister gehören dazu – die Kompetenzen geben, ihre Erfahrungen, ihre unterschiedlichen Aspekte zum Wohle der Hochschule einzubringen. An anderen Stellen begrüßen Sie ja Diversity.

Präsidentin Carina Gödecke: Ihre Redezeit.

Angela Freimuth (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich komme zum Schluss.

Wir sind auch offen für Veränderungen, um zum Beispiel Missbrauch im Zusammenhang mit Kettenverträgen zu vermeiden. Überhaupt kein Thema! Ich bekenne mich auch zur Mitbestimmung der Studierenden. Aber wir müssen doch die Fragen, die sich dadurch stellen, dass es bei Studentenparlamentswahlen eine Beteiligung von nur 14 % oder weniger gibt, anders beantworten, als das bislang der Fall ist.

Präsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin, Ihre Redezeit!

Angela Freimuth (FDP): Meine Damen und Herren, ich will nicht, dass unsere Exzellenzen hier in Nordrhein-Westfalen keinen Platz mehr finden, ihre Talente in einem freiheitlich geprägten Wissenschaftsland Nordrhein-Westfalen einbringen zu können. Deswegen freue ich mich auf die weiteren Debatten, die wir an anderer Stelle noch führen werden. Das, was bisher vorgelegt worden ist, kann nicht unsere Zustimmung finden.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Freimuth. Frau Kollegin Freimuth, Sie haben Ihre vorgegebene Redezeit von sieben Minuten um eine Minute und neun Sekunden überzogen. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Dr. Seidl für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Ruth Seidl (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Freimuth, Sie tragen seit 2006 einen Mythos vor sich her: den Mythos, dass Sie, insbesondere die FDP-Fraktion, die Erfinder der Hochschulfreiheit in Nordrhein-Westfalen seien.

(Beifall von der FDP)

Dabei ist es mit dem sogenannten Hochschulfreiheitsgesetz in Ihrer Regierungszeit zu einer höchst umstrittenen politischen Weichenstellung gekommen. „Weniger Staat und mehr Wettbewerb“ hieß die Devise. Und seitdem war nicht mehr klar, wer eigentlich für eine vernünftige Landesplanung zuständig ist. Das fand im Übrigen auch der damalige Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz, Herr Prof. Ronge, der im Rahmen der Anhörung zum HFG sagte – ich zitiere –:

Man muss sich überlegen, ob wir überhaupt noch von einer Hochschullandschaft in Nordrhein-Westfalen sprechen können; denn wir haben dann eine Vielzahl von Hochschulen, deren integratives Element, das bisher durch den Staat geleistet worden ist, entfallen ist. Dann haben wir viele Hochschulen, aber nicht mehr eine Landesstruktur des NRW-Hochschulwesens.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus meiner Sicht ist es unerklärlich und unverantwortlich, wie man sich in einem Land, das die größte Dichte an Hochschulen in ganz Europa besitzt, so aus der gesamtstaatlichen Verantwortung zurückziehen konnte.

(Beifall von den GRÜNEN – Marcel Hafke [FDP]: Ist doch lächerlich!)

Inzwischen gibt es in Nordrhein-Westfalen 69 Hochschulen. Und es ist politische Aufgabe, die groben Ziele der Landesplanung zu definieren: Wie viele Studienplätze brauchen wir? Wie muss perspektivisch die Fächerentwicklung für ein zukunftsfähiges Nordrhein-Westfalen aussehen? Wie gelingt die inhaltliche und strukturelle Reform des Bologna-Prozesses? Wie können wir einen höheren Anteil an Frauen in Spitzenpositionen der Wissenschaft bringen? Oder: Wie gehen wir mit den im Mittelbau zunehmenden prekären Beschäftigungsverhältnissen um?

Ihr Ansatz war immer: Die einzelnen Hochschulen werden das schon machen. – Unser Ansatz ist: Die Hochschulen brauchen dazu unsere Unterstützung und eine vernünftige landespolitische Steuerung.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, wollen wir gesetzlich verankern, dass uns das MIWF künftig eine für die gesamte Hochschullandschaft verbindliche strategische Planung des Landes in einem Landeshochschulentwicklungsplan vorlegt, dessen Eckpunkte in regelmäßigen Abständen fortgeschrieben und vom Landtag beschlossen werden.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind sehr dafür, den Hochschulen mehr Autonomie und Gestaltungsfreiheit zu geben. Der Staat hat sich weitestgehend aus der Detailsteuerung der Hochschulen herauszuhalten. Deshalb ist es absoluter Blödsinn, zu behaupten, Herr Berger, Rot-Grün wolle die Hochschulen wieder zu nachgeordneten Behörden des Landes bzw. Landeseinrichtungen machen, damit das Ministerium wieder über unmittelbare Durchgriffsrechte verfüge. Das ist Populismus pur!

(Beifall von den GRÜNEN)

Um Ihr Geschichtsbewusstsein aufzubessern, sage ich Ihnen Folgendes: Die Hochschulen in NRW sind dank der rot-grünen Hochschulreformen in den vergangenen Jahren so frei wie nirgendwo sonst in Deutschland. Wir haben die Berufung von Professorinnen und Professoren sowie die Einrichtung von Studiengängen vollständig an die Hochschulen delegiert. Das erfolgte ja noch unter der damaligen Wissenschaftsministerin Kraft. Auch die Einführung der Globalhaushalte geht auf die rot-grüne Regierungszeit zwischen 2000 und 2005 zurück. Daran geknüpft wurde eine moderne Hochschulsteuerung über Ziel- und Leistungsvereinbarungen und eine staatliche Finanzierung, welche ein Teil der Mittel nach Kriterien leistungsorientiert vergibt.

Seit 2000 haben wir diesen Prozess kontinuierlich nach vorne gebracht. Im Übrigen haben wir die Verselbstständigung als Körperschaft, die Sie ja dann eingeführt haben, vom Grundsatz her nicht abgelehnt. Aber wir haben von Anfang an darauf hingewiesen, dass wir dann auch ein neues Steuerungsmodell brauchen, das die Belange der Hochschullandschaft als Ganzes in den Blick nimmt.

(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])

Das, Herr Dr. Berger, sind wir nicht zuletzt den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern schuldig, denn schließlich gehen Jahr für Jahr mehr als 4 Milliarden € an die Hochschulen und die Universitätsklinika in Nordrhein-Westfalen. Dafür tragen wir, das Parlament, der Haushaltsgesetzgeber, die Verantwortung.

(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])

Ihr Hochschulfreiheitsgesetz geht in der Tat eindeutig einen Schritt zu weit, was den Rückzug aus der staatlichen Verantwortung angeht. Das ist aber nicht mit einem Mehrwert von zusätzlicher Freiheit gleichzusetzen. Vielmehr haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb, mit einem starken externen Hochschulrat einen neuen Player eingeführt, auf den Kompetenzen sowohl vom Ministerium als auch von den Gremien der Hochschule übertragen wurden. Das Ergebnis war nicht mehr, sondern eher weniger Freiheit für Forschung und Lehre.

(Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Entsprechend negativ fiel damals das Echo der Hochschulen aus.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen weiteren Mythos ausräumen: Wir als Grüne haben uns im Parlament nie grundsätzlich gegen die Konstruktion von Hochschulräten ausgesprochen. Aber wir haben sehr deutlich gemacht, dass ein solches Gremium keinen Verlust von Mitbestimmungsrechten für Professorinnen und Professoren, für Studierende und Mitarbeiterinnen bedeuten darf.

Die Hochschulen können sehr wohl von einem gesellschaftspolitischen Input und einer gesellschaftspolitischen Vernetzung profitieren. Auch ich bin der Meinung, dass eine Hochschule nicht im eigenen Saft schmoren sollte und es gut tut, wenn der Blick von außen auf die Organisation fällt. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Eingriff externer Hochschulratsmitglieder, die sich mehr oder weniger regelmäßig in der Hochschule treffen und die nicht zur wissenschaftlichen Community gehören, in das Kerngeschäft der Hochschulen ist aus unserer Sicht nicht zielführend.

Deshalb brauchen wir eine neue Diskussion über die Zusammensetzung, den Status und die Aufgaben der Hochschulräte in Nordrhein-Westfalen. Die jetzt vorliegenden Eckpunkte der HG-Novelle sind das Ergebnis der ersten Beratungsrunde mit den Hochschulen und gesellschaftlichen Gruppen. Auf dieser Grundlage werden wir jetzt in einen breiten Dialog und Konsultationsprozess gehen. Denn wer könnte die Auswirkungen des HFG wohl besser bewerten als die betroffenen Statusgruppen selber?

Für eine Evaluierung des HFG werden wir darüber hinaus eine wissenschaftliche Expertise einholen. Die Ergebnisse beider Bewertungsphasen fließen dann in den Gesetzentwurf und das parlamentarische Verfahren ein.

Mit Blick auf Ihren Beitrag, Frau Freimuth, kann ich nur sagen: Ihr Gejammer über die verlorene Hochschulfreiheit wirkt vor dem Hintergrund der Diskussion ein wenig wie Phantomschmerz,

(Marcel Hafke [FDP]: Alle Rektoren!)

wie der Wehmut über den Untergang der FDP und ein Freiheitsverständnis, das die Menschen in diesem Land überhaupt nicht mehr akzeptieren. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Seidl. – Für die Piraten spricht Herr Dr. Paul.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Menschen auf den Zuschauerrängen und im Netz! Herr Minister Jäger – leider ist er heute nicht da – hat gestern so etwas wie eine parlamentarische Initiative gestartet: Mehr Latein im Parlament. – Da sind wir Piraten dabei. Denn es gibt viele lateinische Zitate, die Bezüge zum Heute haben und vieles in seltener Schönheit und Klarheit zum Ausdruck bringen.

Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich: „Entia non sunt multiplicanda praeter necessitatem.“ Auf Deutsch: Die Dinge sollen nicht komplizierter gemacht werden als sie sind. – Das ist William von Ockham zugeschrieben. Das ist der berühmte Rasierer.

Der Name „Hochschulfreiheitsgesetz“ stellt in der Tat eine Verkomplizierung der strukturellen Verhältnisse dar, eine überflüssige Hinzufügung gepaart mit einer Verschleierung – oder vielleicht sollte ich sagen Klitterung. Das bestehende Hochschulfreiheitsgesetz hat mit der Freiheit der Hochschulen ebenso viel zu tun wie eine Milchkuh mit Bierbrauen. Eigentlich müsste es heißen: Hochschulratsfreiheitsgesetz.

Universitäten – das ist wohl unzweifelhaft, und ich denke, wir stimmen da alle überein – sind Einrichtungen der Gemeinnützigkeit, die dem Gemeinwohl dienen sollen und daher der Gesellschaft als einem Ganzen und dem Staat als seinem Gewährsträger verpflichtet sind.

Man kann im Zusammenhang mit dem bestehenden Gesetz fünf Problemfelder isolieren. Das erste Problemfeld möchte ich einmal mit „Sachkompetenz“ bezeichnen. Die Zusammensetzung der Hochschulräte weist ein Ungleichgewicht zugunsten von Unternehmensführern auf – vor allen Dingen von größeren Unternehmen. Schon allein aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten …

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Reine Behauptung von Ihnen!)

– Herr Berger, das ist keine Behauptung. Das lässt sich belegen. In fast allen Fällen sind in den HR große Unternehmen überrepräsentiert. Dabei wissen wir doch heute, dass Innovation eigentlich aus der Garage kommt.

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Rechnen Sie das mal nach!)

Ich möchte Ihnen ein Beispiel für die betriebswirtschaftliche Kompetenz im Erkennen von Innovationen und Marktpotenzialen geben: Als IBM vor einigen Jahrzehnten vor der Frage stand, die Xerox Corporation zu kaufen, gab es eine Beratungsanfrage an die älteste Unternehmensberatung der Welt, Arthur D. Little. Deren Urteil hieß: Finger weg! Der Markt für Fotokopierer weltweit beträgt etwa 5.000 Stück.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich möchte wirklich nicht wissen, was in Baton Rouge auf den Vorstandsetagen los gewesen ist, als der Börsenwert von Xerox im Jahr 1974 3,4 Milliarden US-Dollar betrug. In Konsequenz dessen hat ein weiteres Großunternehmen – Sony – bei der Einführung des Walkman 1979 auf Marktanalysen verzichtet. So viel zum Thema Sachkompetenz. Ich denke, die Geschichte spricht ihre eigene Sprache.

Das Problemfeld Nummer zwei, das ich herausarbeiten möchte, ist „systemisch-strukturell“. Das Management über die Steuerung durch Hochschulräte entspricht einem veralteten Top-down-Konzept des Managements, mit dem sich komplexe Probleme der Zukunft nicht mehr lösen lassen werden. Empfohlen ist ja ein Konzept der Selbststeuerung. Das ist auch das, was wir unter Freiheit verstehen. Denn Freiheit nach Ihrer Auffassung ist eine Fremdsteuerung über den Markt.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Doktrin des New Public Management ist auf Hochschulen nicht zu übertragen und mit der grundgesetzlichen Freiheit von Forschung und Lehre nicht in Einklang zu bringen. Das Hochschulfreiheitsgesetz ist Teil dieser Strategie des New Public Managements. Es geht von der Gleichheit – oder doch großen Ähnlichkeit – von Staat und privatem Sektor aus. Das ist weder inhaltlich noch systemisch gegeben. Hier werden Äpfel zu Birnen gemacht. Unis sind keine Unternehmen!

(Beifall von den PIRATEN)

Das Problemfeld Nummer drei beschäftigt sich mit „Pluralität und Legitimation“. Wir haben durch das aktuelle Gesetz eine Verschiebung der Verantwortung zulasten der klassisch-parlamentarischen Repräsentation der gesellschaftlichen Interessen und zu Ungunsten der Selbstverwaltung. Was heißt eigentlich „Freiheit der Hochschulen“ erlebt? Die marktkonforme Hochschule nach aktuellem Hochschulgesetz hat mit Demokratie und Wissenschaftsfreiheit nichts zu tun.

Das Problemfeld Nummer vier bezeichnet die „Intransparenz der Hochschulhaushalte“. Diese sind vor dem Hintergrund der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung der Hochschulen ein politisch und gesellschaftlich untragbarer Zustand.

(Beifall von den PIRATEN)

Das Problem Nummer fünf ist ein Verstoß gegen das Grundgesetz, und zwar gegen die Wissenschaftsfreiheit, die im Grundgesetz in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 verankert ist. Das betrifft vor allen Dingen die in § 17 Abs. 3 Satz 2 des Hochschulgesetzes NRW normierte Möglichkeit des Hochschulrates, die vom Senat versagte Zustimmung für die Wahl der Hochschulleitung mit einer Zweidrittel- bzw. Dreiviertelmehrheit zu ersetzen. Ich verweise hier auf das Rechtsgutachten von Thomas Horst. Im Übrigen noch einen schönen Gruß von Ihrem Genossen Wolfgang Lieb, den ich sehr schätze und der natürlich auch in der Anhörung dabei war!

Eine Alternative zur Aufhebung dieser Verwerfung bietet unser Gesetzentwurf zur Stärkung der Wissenschaftsautonomie, zu wirklicher Wissenschaftsautonomie. Ich sage es ganz deutlich: Die Wirtschaft darf und soll mitreden – jawohl –, aber bitte in einem Beirat.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Von den Grünen hieß es im Update-Programm zur Landtagswahl 2012 – ich zitiere –:

„Wir wollen das Hochschulgesetz novellieren und damit landesweite Regelungen für mehr Mitbestimmung und Partizipation in Arbeit und Studium an den Hochschulen umsetzen… Die Hochschulräte wollen wir abschaffen.“

Bei der SPD hieß es im Wahlprogramm 2010:

„Wir stehen für lebendige Hochschulen“.

– Wir Piraten übrigens auch. – Weiter im SPD-Wahlprogramm:

„Für uns ist dabei die demokratische Selbstverwaltung Ausdruck der Wissenschaftsfreiheit. Deshalb werden wir die Hochschulräte wieder abschaffen.“

Jetzt muss ich mir doch die Frage stellen, liebe rot-grüne Parlamentarier, liebe Landesregierung: Fehlt euch der Mut? Frau Schulze, wovor haben Sie Angst? Vor der Rektorenlobby, vor den Medien? Sprechen Sie einmal mit Leuten im Mittelbau. Die würden Ihnen in Scharen hinterherlaufen, wenn Sie die Hochschulräte abschafften.

(Beifall von den PIRATEN)

Fest steht auch: Der Versuch, das Modell des Aufsichtsrates eines Unternehmens eins zu eins auf Hochschulen zu übertragen, hat sich in der Praxis nicht bewährt. – Das ist eine Aussage von Frau Schulze.

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Das ist eine Behauptung!)

– Herr Berger, ich bitte Sie. Diese verbalen Stützkorsette aus Gütersloh – was bringt denn das?

(Beifall von den PIRATEN)

Die Konsequenz muss einfach sein: Das aktuelle Hochschulgesetz ist ein versalzenes Bananensoufflee. Es war ein netter Versuch, hat sich nicht bewährt, wird daher nicht gebraucht und kann in die Mottenkiste. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Schulze das Wort.

Svenja Schulze, Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe gestern Abend hier gesagt, es gäbe Themen, bei denen es sich nicht lohne, darüber zu streiten. Deshalb sollten wir aufpassen, welche Diskussionen wir führen. Bei diesem Thema lohnt es sich aber wirklich, zu diskutieren.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Herr Berger, wir tun das in einem anderen Stil als Sie. Das Hochschulfreiheitsgesetz ist innerhalb von kürzester Zeit durch das Parlament gegangen – ohne Diskussionen. Wir knüpfen an die alten Traditionen an. Es ist nämlich guter Stil, so ein Gesetz, das wirklich für große Veränderungen sorgt, länger mit den Betroffenen und Beteiligten zu diskutieren. Das haben wir im Jahr 2000 so gemacht, das haben wir 2004 so gemacht, und das werden wir auch jetzt so machen. Das ist ein neuer Stil, an den Sie sich aber gewöhnen werden.

Was war der Hintergrund für Ihr Gesetz? Sie sind davon ausgegangen, die Hochschulen befinden sich im internationalen Wettbewerb, sie sind auf den Markt geschmissen, und auf dem Markt wirkt Adam Smith, die unsichtbare Hand, die schon dafür sorgen wird, dass auch bei den Hochschulen aus 37 Hochschulen irgendwie am Ende ein Landesinteresse entsteht.

Herr Berger, so funktioniert das nun einmal nicht. Die Hochschulen sind keine Unternehmen, die Wissenschaft ist kein Markt, und Adam Smith wirkt da genauso wenig wie auf den anderen Märkten.

Sie wissen das eigentlich doch auch. Sie wissen doch, dass ein Viertel der Studierenden Lehrerinnen und Lehrer werden wollen, und zwar nicht in China, nicht in Singapur, sondern beispielsweise in Duisburg, in Menden, hier in Nordrhein-Westfalen. Sie wissen doch auch, welche Schwierigkeiten wir heute haben. Wir haben viel zu wenig Berufskolleglehrer. Wenn 37 Hochschulen das tun, was für sie gut ist, dann entsteht eben nicht am Ende das Landesinteresse.

Übrigens auch nicht im Bereich „gute Arbeit“. Wenn Sie schon in die Unternehmen sehen. dann müssten Sie eigentlich wissen, dass die Arbeitsbedingungen heute ein ganz wichtiger Wettbewerbsfaktor sind. Was haben wir denn an den Hochschulen? Wir haben einen Rückfall in Arbeitsbedingungen ganz früher Zeiten. Das ist letztes Jahrhundert, was wir da haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deswegen brauchen wir neue Steuerungsmöglichkeiten. Wir müssen die Hochschulen auch in diesem Bereich für den Wettbewerb zwischen den Hochschulen fit machen. Wir brauchen Rahmenbedingungen, die dafür sorgen, dass wirklich die besten Leute nach Nordrhein-Westfalen kommen, weil sie hier sehr gute Arbeitsbedingungen vorfinden, weil sie nicht Befristungen von drei bis sechs Monaten haben, weil sie familienfreundliche Hochschule vorfinden, weil wir uns um Diversity kümmern. Das alles muss von Landesseite passieren.

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Warum schaffen Sie dann den Wettbewerb ab?)

Was tun Sie jetzt hier in der Debatte? Sie bauen Pappkameraden auf. Diese Pappkameraden erlegen Sie dann mit Heldengeste in öffentlicher Diskussion. Ich sage Ihnen voraus, dass Sie damit in der Debatte nicht durchkommen werden.

(Beifall von der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP, eines sage ich hier ganz deutlich: Wir brauchen von Ihnen keine Belehrungen in Sachen Hochschulfreiheit und keine Belehrungen in der Frage der Autonomie.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Autonomie der Hochschulen hat Hannelore Kraft auf den Weg gebracht. Die Autonomie der Hochschulen ist eine zutiefst sozialdemokratische Idee, die dort nach vorne gebracht wurde, und kein Thema der FDP.

Wenn Ihnen das so viel wert ist, liebe Abgeordnete der FDP, dann diskutieren Sie doch einmal mit ihrem Minister Heubisch in Bayern. Der beruft noch jeden einzelnen Professor an den Hochschulen in Bayern.

(Beifall von der SPD)

Da waren wir schon seit vielen Jahren weitaus weiter.

Was wollen wir nun? Wir gehen davon aus, dass man dann, wenn man Autonomie an den Hochschulen hat, selbstverständlich auch Transparenz braucht. Dazu ist doch Ihr Gesetz auf halber Strecke steckengeblieben. Ich verstehe übrigens nicht, warum Sie sich plötzlich gegen Transparenz wehren. Ich kann mich noch gut an eine Debatte um Abgeordnetenbezüge erinnern, in der Sie für vollständige Transparenz waren. Bei vier Milliarden, die wir an die Hochschulen geben, sagen Sie: Nein, da gucken wir nicht hinein, das wollen wir nicht wissen. – Das kann doch wohl nicht sein!

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Schauen Sie sich doch einmal den Monitoringbericht zum doppelten Abiturjahrgang an! Eine Hochschule hat sich geweigert, uns Auskünfte zu geben. Ich kann jetzt hingehen und sagen, ich sperre der Hochschule den Haushalt, wenn sie mir den Bericht nicht gibt. Aber das ist wirklich kein feines Instrument. Deswegen brauchen wir Rahmenvorgaben beim Haushalt und Rahmenbedingungen beim Personal. Das ist gut so, und das werden wir auch so auf den Weg bringen.

Jetzt zu Ihrem Pappkamerad „Hochschulrat“: Es lohnt sich, wenn man ab und zu einmal dazu Gespräche führt. Reden Sie doch einmal mit Frau Wintermantel. Frau Wintermantel hat vor vielen Jahren hier bei der Anhörung im Landtag gesagt – damals noch als Vorsitzende der HRK …

(Christian Lindner [FDP] spricht zu Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.)

– Sollen wir das jetzt im Dialog weiterführen? Aber das geht in einer Aktuellen Stunde nicht.

(Christian Lindner [FDP]: Ich rede mit Ihrer Chefin!)

– Gut.

Frau Wintermantel hat damals gesagt, sie fände es falsch, die Funktion der Aufsicht und der Beratung mit der Dienstvorgesetztenfunktion beim Hochschulrat zusammenzubringen. Das hat Frau Wintermantel übrigens im November, als sie in den Hochschulrat in Aachen berufen wurde, noch einmal gesagt. Mir haben auch viele Hochschulräte gesagt, dass das nicht zusammenpasst, Dienstvorgesetzter zu sein und Aufsicht und Beratung zu haben. Sie haben versucht, das Modell des Aufsichtsrates eins zu eins auf die Hochschulen zu übertragen. So funktioniert das aber nicht.

(Zuruf von der CDU: Alles Behauptungen!)

Deswegen wollen wir die Dienstvorgesetztenfunktion für das Rektorat wieder zum Land zurückholen. Der Beweis, Herr Berger, weil Sie danach immer rufen: Reden Sie einmal mit den Hochschulräten! Die haben mir im Detail dargelegt, dass das so nicht funktioniert.

Was ist das Zweite, was wir beim Hochschulrat ändern wollen? Es gibt ein Gerichtsurteil vom Verfassungsgericht in Hamburg, das sagt: Wir dürfen das Rektorat nicht allein im Hochschulrat wählen und im Senat bestätigen. Das geht so nicht mehr. Deswegen werden wir das auch ändern. Ein solches Gerichtsurteil ist bindend. Sie können ja die Augen zumachen und es nicht wahrnehmen, aber wir nehmen dieses Urteil ernst und werden es im neuen Gesetz umsetzen.

Meine Damen und Herren, zwischen der Heiligsprechung des jetzigen Gesetzes und des symbolhaften Immer-wieder-Sagens, das sei das Nonplusultra, und dem, was die Piraten machen – das ist, glaube ich, ein bisschen „copy and paste“, wenn Sie sich einmal das Gesetz der Linken aus der letzten Runde ansehen –, bewegt sich das, was wir jetzt als Landesregierung vorlegen; dazwischen bewegen sich die Eckpunkte.

Ich glaube, dass wir da auf einem sehr guten Weg sind. Es geht um die Weiterentwicklung der Hochschulen. Es geht darum, wie wir weiterhin dafür sorgen, dass junge Menschen dort wirklich gut ausgebildet werden und wie wir die besten Rahmenbedingungen für Forschung in Nordrhein-Westfalen auf den Weg bringen.

Das werden wir mit der Diskussion um die Eckpunkte jetzt in aller Ruhe tun. Wir werden das auch hier im Parlament noch mehrfach diskutieren. Denn das ist wirklich eine Debatte, die sich lohnt. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Kaiser das Wort.

Klaus Kaiser*) (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Zunächst möchte ich meiner Gelassenheit Ausdruck verleihen: Auch in zehn Jahren, in zwanzig Jahren oder in hundert Jahren wird es Wissenschaft und Forschung geben – selbstverständlich auch bei uns in Nordrhein-Westfalen. Die menschliche Neugier und das Bedürfnis nach Wahrheit lassen sich nicht unterdrücken.

(Karl Schultheis [SPD]: Dann lass uns das doch schon mal beschließen! – Heiterkeit von der SPD und den GRÜNEN)

Doch im Augenblick haben es Wissenschaft und Forschung in Nordrhein-Westfalen schwer. Sie müssen leiden.

(Ministerin Svenja Schulze: Ach! Deshalb sind sie exzellent?)

Sie werden durch eine Ministerin angegriffen, die mit ihrem staatsgläubigen Kaderdenken, das noch nicht so richtig über das Niveau einer AStA-Vorsitzenden hinausgekommen ist,

(Beifall von der CDU und der FDP – Widerspruch von der SPD und den GRÜNEN)

die Freiheit von Wissenschaft und Forschung torpediert.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Wären Sie mal AStA-Vorsitzender gewesen! Dann würden Sie anders mit den Menschen umgehen! – Weitere Zurufe)

Die vorgelegten Eckpunkte des angestrebten Hochschulentmündigungsgesetzes sind Ausdruck dieses Denkens.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Kader kennen grundsätzlich die Wahrheit und wollen diese, ihre Wahrheit durchdrücken.

(Widerspruch von der SPD)

Genauso handelt auch Frau Svenja Schulze. Aus ideologischen Gründen will sie ihre Kaderdenke den Hochschulen aufdrücken.

(Beifall von der CDU – Widerspruch von der SPD und den GRÜNEN sowie von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

– Sie glauben mir nicht? Ich werde es Ihnen belegen. Denn was in einem Gesetz nur indirekt zum Ausdruck kommt, wird an anderer Stelle umso deutlicher. In einem von ihr persönlich verfassten Artikel in der Sonderbeilage der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 30.10.2012 fordert Frau Svenja Schulze mit Nachdruck – ich zitiere – einen „Kulturwandel in Wissenschaft und Forschung“.

(Zustimmung von der SPD)

Zunächst spricht sie davon, dass der Wissenschaftsstandort Nordrhein-Westfalen mit seinen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen – ich zitiere wieder – „auf europäischem Spitzenniveau“ wissenschaftliche Exzellenz bildet. Da hat Sie recht.

(Karl Schultheis [SPD]: Wo ist das Problem? – Gegenruf von Nadja Lüders [SPD]: Das Kaderdenken! – Heiterkeit von der SPD)

Unsere Hochschulen konnten durch das bundesweit anerkannte Hochschulfreiheitsgesetz mit der notwendigen Autonomie ihre Arbeit auf ein exzellentes Niveau steigern.

(Beifall von der CDU – Sigrid Beer [GRÜNE]: Du solltest bei Schule bleiben, Klaus! – Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

– Liebe Sigrid Beer, wenn Frau Löhrmann ein solches Grundverständnis von Schule hätte, wie es Frau Schulze in ihrem Artikel in der „FAZ“ offenbart, hätte es keinen Schulkonsens in Nordrhein-Westfalen gegeben.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Karl Schultheis [SPD])

Doch man reibt sich verwundert die Augen; man mag es nach dieser Einleitung kaum glauben, was die weiteren Ausführungen betrifft. Denn sie sind ein eklatanter Widerspruch, das exakte Gegenteil zu den einleitenden Bemerkungen. Man wundert sich gerade auch deshalb, weil Frau Svenja Schulze

(Karl Schultheis [SPD]: Sie meinen aber die Ministerin, oder?)

den Wissenschaften Vorschriften machen will. In den Wissenschaften sollten allerdings Exaktheit und klare Begrifflichkeiten die Grundlage des Arbeitens und Forschens sein.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Es geht um gesellschaftliche Verantwortung! Das ist doch Quatsch!)

Das dürfte man von einer angeblichen Wissenschaftsförderungsministerin auch wohl erwarten.

Frau Svenja Schulze ist trotz Exzellenz unzufrieden mit den wissenschaftlichen Leistungen, die die Wissenschafts- und Forschungslandschaft in Nordrhein-Westfalen hervorbringt. Denn Frau Schulze behauptet, Wissenschaft und Forschung in Nordrhein-Westfalen zeichneten sich durch das – ich zitiere – „stereotype Anwenden sogenannter ,klassischer‘ Instrumentarien“ aus.

Offensichtlich ist noch viel schlimmer, dass die Wissenschaften – ich zitiere erneut aus dem Artikel – „dem Mainstream einer Forschungsphilosophie“ folgten. Nebenbei bemerkt: Man fragt sich, was eigentlich ein solcher Mainstream ist, dem alle Wissenschaften folgen.

(Zuruf von den PIRATEN: Das kann ich Ihnen sagen!)

Nicht nur, dass an einer Universität viele unterschiedliche Fächer mit jeweils unterschiedlichen Methoden und Ausrichtungen arbeiten, die ihrem Forschungsgegenstand nach gar keinen vergleichbaren Ansatz haben können.

(Karl Schultheis [SPD]: Was für eine Erkenntnis!)

Schon die Forschungsphilosophie zweier unterschiedlicher Forscher in demselben Fach, beispielsweise in der Germanistik, ist unterschiedlich. Das sollte Frau Schulze als Germanistin sicherlich wissen. Doch davon will Frau Svenja Schulze nichts wissen.

(Karl Schultheis [SPD]: Meinen Sie die Ministerin?)

Vielmehr folgt nun der Frontalangriff auf Wissenschaft und Forschung,

(Zuruf von Minister Johannes Remmel)

denn sie – ich zitiere erneut – erwartet „anderes von den Wissenschaften“. Sie fordert einen Kulturwandel. Diese Argumentation muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Die Wissenschaftsministerin dieses Landes ist zufrieden mit der Exzellenz, die unsere wissenschaftlichen Einrichtungen in den letzten Jahren hervorgebracht haben.

Was wäre bei einer solchen Einsicht politisch zu tun? Als Ministerin müsste sie die Hochschulen und Institute weiter in dieser Arbeit unterstützen.

(Nadja Lüders [SPD]: Das tun wir!)

Aber nein, sie will einen Wandel, einen „Kulturwandel“. Das bedeutet bekanntlich einen tiefgreifenden und grundsätzlichen Wandel.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Es geht um gesellschaftliche Verantwortung!)

Anders ist der Begriff „Kultur“ in diesem Zusammenhang nicht zu verstehen – es sei denn, Frau Schulze wüsste nicht um die Bedeutung des Begriffs „Kultur“, was wir natürlich nicht infrage stellen.

Durch diese grundsätzliche Änderung im Wissenschaftsverständnis sollen Forschungsergebnisse möglich sein, die – ich zitiere erneut – andere Disziplinen und auch die Gesellschaft wesentlich öfter und stärker einbeziehen.

Mit anderen Worten: Frau Schulze will Wissenschaft und Forschung in eine bestimmte Richtung lenken und ihnen vorschreiben, was und wie sie zu arbeiten haben.

Wie weit nun das staatsgläubige Kaderdenken von Frau Schulze geht, wird dann endlich deutlich: Denn entsprechend diesem kulturell gewandelten Verständnis von Wissenschaft und Forschung, das der breiten Öffentlichkeit ein Mitspracherecht zugesteht, will die Wissenschaftsministerin auch zukünftig ihre finanzielle Förderung ausrichten. Das ist aber der sogenannte goldene Zügel und das Gegenteil von dem, was bei unseren Hochschulen für Qualität und Exzellenz gesorgt hat.

Wir wissen nun, was Frau Schulze mit ihrem „Hochschulentmündigungsgesetz“ beabsichtigt: die massive Beschneidung der wissenschaftlichen Freiheit im Sinne ihres Funktionalismus und Kaderdenkens. Es geht ihr um Gängelung im Sinne einer besserwisserischen Ideologie.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Frau Schulze, Ihnen ist ein anderes Denken fremd. Sie wollen die Hochschulen an die Kandare nehmen.

(Zurufe)

Meine Damen und Herren, trotz aller Gelassenheit mit Blick auf die langfristige Perspektive: Für den Augenblick wird mir angst und bange um die Freiheit von Forschung und Lehre in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Karl Schultheis [SPD]: Eben waren Sie noch gelassen!)

Präsidentin Carina Gödecke: Ihre Redezeit!

Klaus Kaiser*) (CDU): Ich bin gleich fertig. – Sollte sich dieser Wandel so vollziehen, wie es Frau Schulze formuliert, so lässt dieses „Hochschulentmündigungsgesetz“ Schlimmstes befürchten. Wir kommen weg von einer Kultur hin zu einer bevormundenden Kultur. Davor mögen wir bewahrt werden. – Schönen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Kaiser. – Herr Kollege Kaiser, da Sie auch schon länger dem Landtag von Nordrhein-Westfalen angehören, wäre ich Ihnen sehr verbunden, würden Sie, wenn Sie die Ministerin meinen, sie mit Ministerin anreden, und würden Sie, wenn Sie die Abgeordnete Schulze meinen, sie mit dem Namen anreden.

(Beifall von der SPD – Lutz Lienenkämper [CDU]: Das reicht aber! Jetzt ist es wirklich gut! Das kann doch wohl nicht wahr sein! – Zuruf von Karl-Josef Laumann [CDU] – Lutz Lienenkämper [CDU]: Die Ministerpräsidentin hat Ihnen das gesagt! – Weitere erregte Zurufe und Gegenrufe)

– Ich bitte Sie, sich etwas zu mäßigen. Sie kennen die Regeln. Wir können an anderer Stelle gerne noch einmal darüber reden, aber nicht während der laufenden Sitzung.

(Anhaltende Zurufe von der CDU)

– Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Lüders das Wort.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Sie müssen sich dieses Maßregeln gefallen lassen! – Lutz Lie­nenkämper [CDU]: Sie sind ein Bevormundungspolitiker! – Anhaltende Zurufe von der CDU – Gegenrufe von der SPD)

Ich hatte die nächste Rednerin aufgerufen.

(Weitere anhaltende erregte Zurufe von der CDU und Gegenrufe von der SPD)

– Frau Lüders, kommen Sie hierhin. Die Kollegen, die sich da gerade anbrüllen, diskreditieren sich alle selbst, vor allem gegenüber dem Publikum.

(Beifall von der SPD und den PIRATEN)

Frau Kollegin Lüders hat jetzt das Wort. Sie hat ein Recht darauf, gehört zu werden. Bitte schön.

Nadja Lüders (SPD): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne! Liebe Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir gerade von Kultur gesprochen haben, Herr Kaiser, dann war das gerade ein Ausbruch von Kultur, den ich hier nicht erleben möchte.

(Beifall von der SPD und den PIRATEN)

Ich möchte auch nicht erleben, dass wir hier eine Rezension eines Zeitungsartikels erfahren, zu dem wir alle unterschiedlicher Meinung sein können – das mag sein, das gehört mit zur Meinungsfreiheit, die wir in unserem Land pflegen. Aber dass Sie vielleicht einmal einen Satz zu Ihrem Antrag zur heutigen Aktuellen Stunde gesagt hätten, das hätte mich ein wenig erfreut, um überhaupt auf irgendetwas, was Sie gesagt haben, reagieren zu können.

(Zuruf von der CDU: Das ja gar kein Antrag!)

Mit Zustimmung der Präsidentin möchte ich gerne mit einem Zitat anfangen. Da heißt es:

Im Frühjahr 2011 wurde vonseiten des Ministeriums durch die Initiierung eines offenen Dialogprozesses eine grundsätzlich gute und taugliche Grundlage für eine effektive Gestaltung geschaffen. Die erste Phase dieser Fachgespräche diente dabei der Bestandsaufnahme und Bewertung der Wirkung des geltenden Hochschulrechts.

Jetzt raten Sie einmal, von wem dieses Zitat ist. Es ist von keiner Gewerkschaft – was man uns nahelegen könnte – und auch nicht von irgendeinem Personalrat. Nein, es ist von dem Sprecher der Kanzlerinnen und Kanzler der Universitäten in unserem Lande.

Wovor haben Sie eigentlich Angst, meine Herren und Damen von der CDU und FDP? Wovor haben Sie Angst, wenn wir uns in einen Dialogprozess begeben, um einfach einmal zu evaluieren?

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Sie fordern immer diese Evaluation. Allerdings legen wir sie anders an. Wenn man zu dem Begriff der Evaluation kommt – was bedeutet er? –, dann heißt das einfach nichts anderes als die Beurteilung von Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin.

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Wir fordern das ja!)

– Ja, Sie fordern es nur anders. Sie wollen eine wissenschaftliche Evaluation. Die wollen wir auch, keine Frage, aber wir beteiligen alle, die mit diesen Maßnahmen Ihres Hochschulfreiheitsgesetzes tagtäglich umgehen müssen. Wir binden sie in unseren Prozess ein. Nichts anderes als die ersten Erkenntnisse dieses Dialogprozesses sind die Eckpunkte unserer Ministerin Svenja Schulze.

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Das ist eine Behauptung!)

– Das ist keine Behauptung. Sie hätten ja an diesem Dialogprozess teilnehmen können. Anscheinend unterhalten Sie sich, Herr Berger, nur mit einer Personengruppe aus den Hochschulen. Die Hochschule ist jedoch vielfältig aufgestellt.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])

Wenn Sie immer von Behauptungen und dem sprechen, was Sie erwarten: Ich vermute, die erwartete Zustimmung Ihrerseits ist eher eine Erwartung, die nicht nur nicht wahrscheinlich, sondern mit absoluter Sicherheit nicht erfüllt wird; denn in den Eckpunkten ist das klare Bekenntnis zur Verselbständigung der Hochschulen enthalten.

Ich weiß gar nicht, was Sie daran zu meckern haben und wovor Sie dabei Angst haben. Oder ist es der Freiheitsbegriff, den Sie hier immer so hoch halten. Denn Verselbständigung bietet Freiheit ja, aber Freiheit hat immer da ihre Grenzen, wo sie auch nur ansatzweise die Grenzen anderer tangiert. Und das ist dann der Fall, wenn wir wie heute gehört haben: Wir geben mehr als 4 Milliarden € – Karl Schultheis hat es Ihnen, Herr Berger, zugerufen. Bei jedem noch so kleinen Verein in unserem Land fordern wir einen Verwendungsnachweis für jede noch so kleine Zuwendung. Aber bei unseren Geldern, die wir den Hochschulen geben, sollen wir einfach sagen: „Das ist gut so“, und das war es dann? – Das ist keine ordentliche Politik, Herr Berger.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])

Sie von der CDU haben hier gestern Morgen noch von Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit getönt.

(Zurufe von der CDU)

An dieser Stelle müssen Sie mir erklären, wie Sie das bei 4 Milliarden € jährlich den Bürgerinnen und Bürger erklären.

(Beifall von Norbert Römer [SPD])

Wir sind jedem einzelnen Steuerzahler verpflichtet.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Lachen und Zurufe von der FDP)

Zu Rahmenbedingungen und Rahmenvorgaben malen Sie Gespenster an die Wand.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Das sind Ihre eigenen Gespenster, weil Sie Angst davor haben, damit umgehen zu müssen.

(Karl Schultheis [SPD]: Haben Sie mal in den Spiegel geguckt?)

– Genau. – Sehen wir doch einfach einmal der Realität ins Gesicht.

(Lachen und Beifall von der CDU und der FDP)

Frau Ministerin Schulze hat das beim Monitoring zum doppelten Abiturjahrgang angesprochen. Wir kommen heute unter Tagesordnungspunkt 12 noch einmal darauf zurück. Es war nicht nur der einzige Grund, dass Sie die Hochschulen nicht darauf vorbereitet haben, als Sie den doppelten Abiturjahrgang eingeführt haben. Nein, es ist auch ein Grund, dass wir überhaupt keine Handhabe haben, auch nur Daten abzufragen. Das geht völlig an der Realität vorbei. So kann man nicht weiter planen.

Ihr Gesetz hat auf halber Strecke schlappgemacht.

(Lachen von der CDU)

Es ist so, wie Frau Ministerin Schulze gesagt hat: Es hat schlappgemacht, weil es nicht weitergedacht wurde.

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Lächerlich! Lächerlich! Lächerlich! – Gegenruf von Karl Schultheis [SPD]: So ist es aber!)

Denn Freiheit ist ein hohes Gut. Dafür lohnt es sich, immer wieder einzustehen. Aber das beinhaltet auch Pflichten, die Sie auf halber Strecke vergessen haben. Ihre Begründung im Antrag zur Aktuellen Stunde weist einzig und allein das Mantra auf, das Sie immer vor sich hertragen „Privat vor Staat – alles regelt der Markt“. Aber Bildungseinrichtungen haben mit einem Markt überhaupt nichts zu tun. Das ist unsere Verantwortung.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Gott sei Dank wird das bei Bildungseinrichtungen und hoffentlich auch in Ihren weiteren Diskussionen klar werden.

Herr Berger, …

(Werner Jostmeier [CDU]: Kollege Berger! – Lutz Lienenkämper [CDU]: Dr. Berger!)

– Oh. – Wie breit sind wir denn im nationalen und internationalen Bildungswettbewerb aufgestellt – ich bleibe bei Ihrer Wortwahl –, wenn einige und womöglich bald alle Hochschulen einzelne Studienfächer abschaffen und wir überhaupt kein Regulativ haben, da einzugreifen? Sagen wir unseren jungen Leuten dann, wie es immer heißt: „Dann macht doch einfach etwas mit Medien“? – Das geht doch nicht. Da können wir doch nicht tatenlos sehen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin, Ihre Redezeit.

Nadja Lüders (SPD): Ja. – Ich komme noch zu einem Punkt, Herr Berger. Sie stimmen immer das Mantra der Hochschulräte an. Wenn man Ihre Pressemitteilung genauer liest, fragt man sich: Welches Bild haben Sie denn von Hochschulräten,

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Ein gutes! Ein sehr gutes!)

wenn Sie sagen, sie zögen sich aus ihrem Engagement zurück, weil wir ein Gremium umstrukturierten? – Man kann sich für eine Sache einsetzen, ohne einem Gremium eine bestimmte Wertigkeit zuzufügen.

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Das ist nicht die Realität der Menschen!)

– Doch, das ist die Realität, die Sie wie eine Monstranz vor sich hertragen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Nadja Lüders (SPD): Noch einmal zu Ihrer viel beschworenen Freiheit.

(Dietmar Brockes [FDP]: Redezeit!)

Sie ist beschränkt. Die freie Entfaltung ist immer dann beschränkt, wenn sie viele andere tangiert. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Lüders. – Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Hafke.

Marcel Hafke (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erinnere mich noch sehr gut an die Debatten in der letzten Legislaturperiode zu diesem Thema. Das heißt, eine Debatte war es eigentlich nicht, sondern der Versuch, gegen die Lächelblockade der Ministerin anzukommen.

Im ganzen Land herrschte Verunsicherung. Wir haben Sie im Landtag mehrfach aufgefordert, offenzulegen, in welche Richtung Ihre Pläne gehen. Sie, Frau Ministerin, haben sich dem völlig verweigert. Ihre Worte vom ergebnisoffenen Dialog hatten wirklich etwas Tragikkomisches.

In der denkwürdigen Fragestunde dazu haben Sie das mit einer Beharrlichkeit wiederholt, die wohl in diesem Parlament unerreicht bleiben wird.

(Ministerin Svenja Schulze: Danke!)

Erinnern Sie sich noch, wie oft Sie in dieser Fragestunde „offener Dialogprozess“ als Universalantwort gegeben haben? 43-mal! 43-mal „offener Dialogprozess“ – null Mal eine Antwort. Was für eine Kommunikationskultur!

(Beifall von der FDP und Lutz Lienenkämper [CDU])

Aber jetzt ist endlich klar, wohin die Reise gehen wird. Es ist genau das, was wir befürchtet hatten. Vielleicht ist es noch schlimmer. Ihre Eckpunkte sind die Rückabwicklung der Hochschulfreiheit. Sie legen die Hochschulen rückwärtsgewandt wieder an die Ketten der staatlichen Kontrolle.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Damit gefährden Sie in Nordrhein-Westfalen die Freiheit von Wissenschaft und Forschung.

(Karl Schultheis [SPD]: Erzählen Sie das doch einmal den Bayern!)

– Herr Schultheis, beim ersten Lesen war ich wirklich entsetzt, mit welcher Deutlichkeit und Vehemenz Sie da vorgehen. „Steuerung der Hochschulen“ ist Ihre Maxime. Das lässt keinen Zweifel aufkommen, dass ein massiver Eingriff geplant ist.

(Beifall von Karlheinz Busen [FDP])

Dann geht es weiter: „strategische Steuerung“, neue „Steuerungsinstrumente“, die „strategische Budgetierung“, die Bindung an die „ministerielle Interpretation“ von Rahmenvorgaben. Frau Schulze, da bleibt doch kein Zweifel an Ihrer Haltung. Da führt Ihr offener Dialogprozess diejenigen, mit denen Sie reden, in die staatliche Kontrolle zurück. Da kann Ihr Dialogprozess nicht ganz so offen gewesen sein.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Frau Ministerin, Sie haben das durchgesetzt. Sie diktieren das den Hochschulen. So ist das Verfahren. Oder wollen Sie uns wirklich erzählen, die Hochschulen hätten darum gebeten, endlich wieder an die Leine zu kommen?

(Heiterkeit von der FDP – Zuruf von Karl Schultheis [SPD])

Das ist natürlich völliger Quatsch. Die Hochschulen sagen uns auch, dass sie die Freiheit behalten wollen.

(Nadja Lüders [SPD]: Mit Freiheit muss man auch umgehen können!)

Ihre Formulierungen legen ganz klar offen, dass ein massiver Eingriff geplant ist. Es geht nicht um wohlüberlegte Änderungen einzelner Strukturen, sondern um Ihre Lust an der Steuerung. Ihre Eckpunkte sind gerade ein Dokument für den sogenannten Kontrollfetischismus.

(Karl Schultheis [SPD]: Au! Au! Au!)

Glauben Sie denn im Ernst, dass es eine gute Idee ist, dass der Staat den Hochschulen vorschreibt, welche Fächer sie anbieten? Sie haben Ihre Bank in Nordrhein-Westfalen vor die Wand gefahren, weil Sie geglaubt haben, der Staat sei der bessere Banker. Jetzt haben wir statt der guten WestLB eine Bad Bank und zahlen, zahlen, zahlen.

(Zuruf von Dennis Maelzer [SPD])

Da wollen Sie auch noch Wissenschaft betreiben? Glauben Sie wirklich, dass das gutgeht? Frau Ministerin, wir glauben das nicht. Die Hochschulen glauben das nicht. Die Experten glauben das nicht.

Wenn wir uns anschauen, wie unsere Hochschulen arbeiten, dann wird doch eines klar: Es geht gar nicht ums Glauben. Es ist belegt: Unsere Hochschulen leisten eine hervorragende Arbeit.

(Beifall von der FDP)

Frau Ministerin, Sie sagen das bei den aktuellen Debatten ja selbst immer wieder, Stichwort: Studierendenansturm. Immer wieder betonen Sie selbst, welch gute Arbeit unsere Hochschulen leisten.

Die Universitäten und Fachhochschulen profilieren sich mit exzellenter Forschung, mit guter Lehre, mit eigenen Schwerpunkten. Sie brauchen dafür keine Leinen und auch keine Leitplanken, wie Sie immer gesagt haben.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Um das klarzustellen: Leitplanken brauchen wir auf den Autobahnen für den Fall, dass ein Auto nicht die Spur hält. Aber unsere Hochschulen halten die Spur. Sie drohen auch nicht, in den Gegenverkehr zu geraten. Der einzige Gegenverkehr, den sie zu befürchten haben, ist Ihre Kontrollpolitik.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Frau Ministerin, Ihre Eckpunkte sollen ja nun weiter diskutiert werden. Und wie? Ich nehme an, in einem „offenen Dialogprozess“. Da bleibt die Hoffnung, dass noch ein wenig Spielraum besteht, Ihre massiven Einschränkungen zumindest abzumildern. Alles andere wäre für unsere Hochschulen eine Katastrophe. – Auf Wiederhören.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Hafke. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Dr. Seidl.

Dr. Ruth Seidl (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier heute eine sehr interessante Gemengelage. Auf der einen Seite fordern Sie, CDU und FDP, eine bedingungslose Hochschulfreiheit, ohne sich der Verantwortung für die große Hochschullandschaft in Nordrhein-Westfalen zu stellen. Auf der anderen Seite haben wir die Piraten, die alle Autonomieansätze eigentlich im Kern wieder zerschlagen wollen.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Nein! Falsch verstanden!)

Vor diesem Hintergrund ist es gut, dass Rot-Grün einen Mittelweg einschlagen will.

Wenn heute von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, behauptet wird, es gäbe überhaupt keinen Nachbesserungsbedarf am Hochschulfreiheitsgesetz und es gäbe auch überhaupt keine Kritik aus den Hochschulen, dann würde ich Ihnen gerne noch einmal in drei Punkten zusammenfassen, was in den vergangenen Jahren die durchgängige Kritik relevanter Persönlichkeiten aus den Hochschulen am Hochschulfreiheitsgesetz war.

Erstens. Kritisiert wurde die Entdemokratisierung der eigentlichen Gremien der Hochschulen.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN – Beifall von Karl Schultheis [SPD])

Zweitens. Kritisiert wurde die Verlagerung von Entscheidungs­kompetenzen des Ministeriums und des Senats auf einen mit wenig Sachkenntnis ausgestatteten Hochschulrat.

Drittens. Kritisiert wurde der Rückzug von gesamtstaatlicher Verantwortung für die Gestaltung der Hochschullandschaft als Ganzes.

So hat Prof. Hellermann, Rechtswissenschaftler an der Universität Bielefeld, zum Thema „Entscheidungsbefugnis des Senates“ bei der Anhörung zum HFG am 24. August 2006 wie folgt Stellung genommen – ich zitiere –:

„Auch im Übrigen verbleibt dem Senat als einzige echte Entscheidungsbefugnis der Erlaß der Grundordnung und weiterer Ordnungen der Hochschule ... Ein derart weitgehender Entzug von originären Entscheidungskompetenzen gegenüber den Gremien der akademischen Selbstverwaltung unter Verlagerung auf Externe gefährdet die Wissenschaftsfreiheit strukturell und ist daher mit der Verfassung nicht mehr vereinbar.“

Ja, was war denn das für ein Hochschulfreiheitsgesetz, wenn es noch nicht mal mit der Verfassung vereinbar war?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wenn Sie stattdessen lieber die Stimme der Hochschulrektorenkonferenz hören wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen – das ist heute schon mehrfach gesagt worden –, möchte ich sie noch einmal zitieren. Frau Prof. Wintermantel moniert Folgendes:

„Uns leuchtet aber nicht ein, warum der Hochschulratsvorsitzende oder die Hochschulratsvorsitzende Dienstvorgesetzte oder Dienstvorgesetzter der hauptberuflichen Präsidiumsmitglieder sein soll.“

Und jetzt noch eine dritte Gruppe! Ganz besonders kritisch bewertet der Hochschullehrerbund die Einführung eines Hochschulrates mit weitgehenden Rechten. Ich zitiere:

Die Mitglieder des Hochschulrates werden Entscheidungen treffen, für die sie weder die Sachkompetenz besitzen noch die Folgen persönlich tragen müssen.

Das Versagen von Aufsichtsräten deutscher Aktiengesellschaften muss davor warnen, Externen Entscheidungsrechte einzuräumen.

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Aber Frau Schulze kann es besser, nicht!)

Das Grundprinzip der Einheit von Aufgaben, Verantwortung und Entscheidungskompetenz wird durch die Einführung des Hochschulrates eklatant durchbrochen. Die damit verbundenen negativen Auswirkungen auf die Motivation der Professorinnen und Professoren lassen sich in ihrem ganzen Ausmaß bisher nur erahnen. Es ist kaum nachvollziehbar, dass diejenigen, die letztlich für den Erfolg der Hochschule Verantwortung tragen und gleichzeitig Kernkompetenz verkörpern, nicht auch nachhaltig die wesentlichen Entscheidungen treffen sollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind die Stimmen der Hochschullehrer in Nordrhein-Westfalen.

Um es abzurunden: Benedikte Winterstein von der Landespersonalrätekonferenz der wissenschaftlich Beschäftigten an den Hochschulen und Universitätsklinika in Nordrhein-Westfalen, eine große Gruppe im Mittelbau. Zitat:

Eine Hochschule hat sich einmal die Mühe gemacht, die Dienstaufgaben der obersten Dienstbehörde – Hochschulrat – zusammenzustellen. Dabei kam ein eng beschriebenes siebenseitiges Papier heraus. Bei den meisten Punkten stand daneben: nicht delegierbar. – Wir fragen uns wirklich, wie das funktionieren soll. Infolgedessen ist ja insbesondere in Bochum, aber auch an anderen Hochschulen die Tendenz nicht zu übersehen, dass der Hochschulrat, der häufig aus hochwohlgeborenen Persönlichkeiten besteht, die furchtbar wenig Zeit haben, diese Aufgaben gerne wieder loswerden möchte.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD und den PIRATEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Stellungnahmen – ich wollte sie heute noch mal zitieren, weil Sie hier heute sozusagen die Gegenstellungnahmen zitiert haben – unterscheiden sich natürlich gegebenenfalls auch von denen der Präsidenten und Kanzler. Sie zeigen aber auch, dass es eine große Unzufriedenheit gibt bei den Lehrenden, bei den Studierenden, bei den wissenschaftlichen und nicht­wissenschaftlichen Beschäftigten an unseren Hochschulen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Eine Hochschule funktioniert aus unserer Sicht nur als demokratische Gemeinschaft, in der vor allem – das sage ich hier auch noch mal ganz deutlich – die Freiheit von Wissenschaft und Forschung Vorrang hat. In diesem Sinne wollen wir eine andere Kultur. In der Tat: Wir wollen das Hochschulgesetz neu gestalten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Dr. Seidl. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Dr. Paul.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Raum und im Netz! Im Antrag zu dieser Aktuellen Stunde der Kolleginnen und Kollegen von der Union hieß es, Hochschulen brauchen Verlässlichkeit und Freiräume.

Am 06.03.2012 hieß es zum NRW-Haushalt in der „WAZ“:

„Drei Wochen vor der Entscheidung im Landtag über den Haushalt 2012 hat die CDU-Opposition ein eigenes Sparkonzept vorgelegt. Das sieht neben Stellenstreichungen auch die Wiedereinführung von Studiengebühren und den Wegfall ... vor.“

Am 02.04.2012 hieß es bei „RP-Online“:

„Die CDU will nach einem Sieg bei der Landtagswahl keine neuen Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen einführen. Das versicherte ihr Landesvorsitzender Norbert Röttgen am Montag in Düsseldorf.“

Liebe Kollegen von der CDU, nennen Sie das verlässliche Politik?

(Beifall von den PIRATEN und von Karl Schultheis [SPD])

Liebe Frau Seidl, ich kann Ihnen auch nicht durchgehen lassen, dass Sie sagen, wir wollten das mit unserem Gesetzentwurf wieder zerschlagen. Und auch Herr Schultheis sprach im Ausschuss von einer Rolle rückwärts. Darum geht es nicht. Wir sind Piraten, und unser zweiter Vorname heißt Wissenschaftsautonomie. Das ist so.

(Lachen von der CDU und der FDP – Beifall von den PIRATEN)

Frau Ministerin Schulze, ich konnte am vergangenen Montag einer beeindruckenden Veranstaltung beiwohnen – noch einmal Danke für die Einladung –: Drei Kolleginnen und Kollegen haben den Innovationspreis des Landes Nordrhein-Westfalen erhalten. Und mich als Naturwissenschaftler hat besonders gefreut, dass einer der Preise an eine Geisteswissenschaftlerin ging. Positiv gesprochen: Die Spitze des Eisbergs der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit unseres Landes.

Mir geht es aber auch um diejenigen, die in den Fachbereichen harte Kärrnerarbeit in der Lehre und in der Forschung leisten, die gar nicht damit rechnen, dass es vielleicht irgendwann einmal einen Preis gibt. Ich kann auch nicht verstehen, Herr Hafke, dass Sie und auch Frau Freimuth immer von „die Hochschulen“ sprechen. Wer sind denn „die Hochschulen“? Das sind nicht nur die Hochschulräte. Das ist auch der Mittelbau. Ich frage mich wirklich, warum ich mehrere Dutzend Professoren persönlich kenne, die beim aktuellen Gesetz vor Wut aus der Hose springen.

Es geht um Selbststeuerung von Hochschulen, um Autonomie und nicht um Fremdsteuerung. Das kann doch nicht sein, dass man eine Fremdsteuerung, nämlich die des Staates, durch die des Marktes ersetzt. Das ist vom Regen in die Traufe. Deswegen muss an diesem Gesetz etwas geändert werden.

(Beifall von den PIRATEN und Karl Schultheis [SPD])

Ich möchte noch konstruktiv hinzufügen: Ich freue mich auf die Diskussion in den Ausschüssen.

Wir leben in einer Zeit, in der es möglich ist, dass didaktisch aufbereitete Medien und Informationen zu jeder Zeit und an jedem Ort verfügbar sind. Wenn Sie mich jetzt fragen, was die größte Bildungseinrichtung des Landes Nordrhein-Westfalen ist, dann muss ich Ihnen sagen: Das Land Nordrhein-Westfalen selbst ist diese Bildungseinrichtung. Und wir müssen in Zukunft über Vernetzung nachdenken.

(Beifall von den PIRATEN)

Das hat auch mit Autonomie zu tun.

Es gibt allerdings ein paar Umstände, die ich nicht so ganz verstehe. Vielleicht bin ich ja zu blöd dazu, das weiß ich nicht. Ich verstehe zum Beispiel nicht, warum der erfolgreiche Karstadt-Manager Middelhoff in Münster im Hochschulbeirat – Freud‘sche Fehlleistung; das ist genau das, wo wir hin wollen –, im Hochschulrat sitzt. Das ist mir unerklärlich.

Mir ist auch nicht erklärlich, dass man hier immer nur von „den Hochschulen“ spricht, wo es darum geht, großunternehmensgeleitete Interessen in die Hochschulen hineinzubringen. Das soll so sein, aber bitte in ausgewogenem Maße. Deswegen fordern wir wieder mehr Mitbestimmung und vor allen Dingen Autonomie, wirkliche Autonomie der Hochschulen und nicht die Autonomie derjenigen, die das, was in Hochschule geschieht, von außen bestimmen wollen.

Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die CDU-Fraktion spricht Dr. Berger.

Dr. Stefan Berger (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Paul, nur noch zwei Sätze zu den Piraten. Sie haben jetzt hier mehrfach die Hochschulräte in eigentlich unzulässiger Weise diskreditiert. Sie haben über Hochschulräte die Behauptung aufgestellt, sie würden Interessen verfolgen, deren Belege Sie nirgendwo, an keiner Stelle liefern könnten. Ich bitte Sie einfach: Lassen Sie die Unterstellungen gegenüber den Hochschulräten, welche Interessen sie vertreten. Das sind verdiente Wissenschaftler.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie sind doch selber stolz darauf, dass Sie auch Wissenschaftler sind. Sie sehen sich ja so. Das sind Ihre Kollegen, in der Mehrzahl Professoren, von denen keiner irgendwelche angeblich finsteren Interessen vertritt, deren Schimäre Sie hier hochziehen.

Ich sage Ihnen noch etwas: Sie haben einen Gesetzentwurf zu den Hochschulräten vorgelegt. Dieser Gesetzentwurf ist in weiten Teil 1:1 copy and paste von dem Antrag übernommen worden, den die Linken in der letzten Periode vorgelegt haben.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Und?)

Sie sind in der Tat Linke mit Internetanschluss. Das ist so.

(Beifall von der CDU – Zurufe von den PIRATEN: Ooh!)

In der ganzen Debatte, Herr Schultheis, Frau Schulze, Frau Seidl, verfahren Sie doch immer nach folgendem Schema: Sie bauen eine Schimäre auf, Sie sagen, die Hochschulräte funktionieren nicht. Sie bleiben die Beweise schuldig. Sie sagen: Wir wollen die Finanzen der einzelnen Hochschulen sehen. – Natürlich, Sie haben sie in den letzten Jahren doch gesehen! Was haben Sie denn sonst in Ihrem Amt als Ministerin gemacht? Natürlich wissen Sie, wofür die einzelnen Hochschulen ihre Gelder ausgeben.

(Karl Schultheis [SPD]: Eben nicht! – Nadja Lüders [SPD]: Woher denn?)

Sie wollen eingreifen, sehen können Sie es auch jetzt. Sie wollen eingreifen! Das ist der Punkt.

(Beifall von der CDU)

Wenn es Ihnen darum geht, beispielsweise den einen oder anderen landesplanerischen Aspekt in die Hochschullandschaft einbringen zu wollen, dann können Sie als Ministerin das doch sicher einmal tun, wenn Sie denn wirklich einen Plan – und Sozialdemokraten lieben ja Pläne – aufstellen wollen. Dazu bedarf es aber doch keines neuen Gesetzes. Das zeigt wiederum: Sie wollen mit diesem Gesetz eingreifen, vorschreiben! Und das nutzen Sie als Rechtfertigung, um hier ein Gesetz vorzulegen.

(Beifall von der CDU – Zuruf von der SPD: Sie haben Ihr Gesetz noch nicht gelesen!)

Zwei Dinge noch: Was ich überhaupt nicht begreife, ist, dass Sie jetzt den Hochschulrat ersetzen wollen durch ein Gremium, einen Senat, den Sie darüber hinaus auch noch viertelparitätisch besetzen. Wenn wir dieses Modell auf eine Schule übertragen würden,

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Drittelparität haben wir da!)

dann hätten wir ein Gremium in einer Schule, zusammengesetzt aus Schülern, Lehrern, Referendaren und Hausmeistern, die den Direktor einer Schule wählen würden. Dass man damit keine zukunftsfähige Bildungspolitik betreiben kann, ist diesem Haus doch wohl klar.

(Beifall von der CDU)

Ein letzter Punkt, da Sie die Kompetenz und die Hochschulräte immer in Zweifel ziehen: Wir haben die Auswahl. Wer entscheidet über die Ausrichtung einer Hochschule? Wer hat Einfluss,

(Karl Schultheis [SPD]: Allerletzte Schublade!)

auf der einen Seite die Hochschulräte oder auf der anderen Seite Frau Schulze? Ich sage Ihnen ganz klar: Die CDU wählt die Hochschulräte.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Dr. Berger. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Schulze.

Svenja Schulze, Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kaiser, ich freue mich zunächst einmal sehr, dass Sie den „FAZ“-Artikel gelesen haben. Das war, wie ich finde, ein guter Artikel. Einen Pappkameraden brauchen Sie wirklich nicht aufzubauen, nämlich die Wissenschaftsfreiheit. Die ist grundgesetzlich garantiert und wird grundgesetzlich garantiert bleiben.

(Beifall von der SPD und den PIRATEN)

In dem „FAZ“-Artikel habe ich mich positiv auf eine ganz besondere Quelle bezogen, nämlich den Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, und zwar ganz genau das Heft „Ökonomie neu denken, aber wie?“. Das ist das zweite Heft in diesem Jahr gewesen. Ich hoffe, Sie kennen den Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Das ist das „Who-is-who?“ der deutschen Wirtschaft. Die haben am Beispiel der Wirtschaftswissenschaften massiv eingefordert, dass es diesen Kulturwandel gibt. Darauf habe ich mich positiv bezogen, weil ich das richtig finde.

Wenn sich ein solcher Verband mit derart renommierten Vertreterinnen und Vertretern ein Fach wie die Wirtschaftswissenschaften vornimmt und sagt, dass das so nicht weitergeht, weil die keine Hinweise auf die Finanzkrise geliefert haben, keine Lösung angesetzt haben, sondern sich wirklich nur im Mainstream bewegt und mit alten Methoden gearbeitet haben, dann sollten auch Sie, Herr Kaiser, sich über die Kritik aus diesem Munde einmal Gedanken machen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das Heft ist wirklich interessant.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Das ist doch Kaffeesatzleserei!)

Die Kritik geht sehr weit und ist sehr hart. Ich selber würde nicht so weit gehen, habe das aber zur Basis des „FAZ“-Artikels gemacht und gesagt: Ja, ich stimme zu, wir brauchen einen Kulturwandel.

Es gibt übrigens noch jemanden, der das fordert, nämlich der „Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen“. Der sagt nämlich, dass wir es heute mit so großen gesellschaftlichen Herausforderungen wie dem Klimawandel, der älter werdenden Gesellschaft, der sozialen Spaltung und der Knappheit der Ressourcen zu tun haben, dass man darauf nicht mehr nur mit einer Disziplin antworten kann. Wir brauchen interdisziplinäre Diskussionen. Dort geht man sogar noch weiter: Wir brauchen transdisziplinäre Diskussionen, wir müssen den Sachverstand aus der Praxis einbeziehen.

Dazu brauchen wir einen Kulturwandel im Wissenschaftssystem. Interdisziplinäres Arbeiten und womöglich noch transdisziplinäres Arbeiten werden im derzeitigen Wissenschaftssystem nicht belohnt, sondern Sie werden belohnt, wenn Sie streng in einer Disziplin unterwegs sind. Das hilft uns aber angesichts der großen gesellschaftlichen Herausforderungen nicht. Deswegen: Ja, wir brauchen diesen Kulturwandel!

Wenn Sie der Bundesregierung und mir sowie der gesamten Wirtschaft in Deutschland vorwerfen, das sei ein Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit, sitzen Sie ziemlich alleine in dieser Runde.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Als Zweites will ich noch einmal die Frage der Transparenz ansprechen. Ich wundere mich wirklich ein bisschen über die Diskussion. Wenn die Frage der Transparenz über 4 Milliarden € – es geht nicht um Millionen –, die dieses Parlament jedes Jahr genehmigt, schon eine derartige Aufregung hervorruft, werde ich Sie an anderen Stellen, wo es um viel geringere Fragen der Transparenz geht, einmal daran erinnern. Es geht hier um moderate Rahmenvorgaben für die Bereiche „Personal“ und „Haushalt“. Zu sagen, es handele sich um einen Eingriff in die Autonomie, wenn wir wissen wollen, wo 4 Milliarden € hingehen, können Sie draußen wirklich niemandem erklären.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Sie bauen einen Popanz auf. Ich fühle mich übrigens bestätigt, habe ich doch angeboten, dass ich die Sprecherinnen und Sprecher informieren möchte. Am Tag der Veröffentlichung, am Mittwoch, habe ich Sie alle unmittelbar eingeladen. Eine Viertelstunde nach Beginn dieser Diskussion war Ihre Pressemitteilung schon draußen. Ich hatte mein Papier noch gar nicht zu Ende vorgestellt, aber Sie hatten es schon bewertet. Ich glaube, mit der Art und Weise der Diskussion kommen wir nicht weiter. Ich will eine wirkliche und ideologiefreie Diskussion haben. Da hilft es nichts, Pappkameraden aufzubauen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Da mir keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, schließe ich die Aktuelle Stunde.

Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zum einen über den Gesetzentwurf und zum anderen über die Drucksache 16/1190.

Wir stimmen zunächst ab über den Gesetzentwurf der Fraktion der Piraten Drucksache 16/1255. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft und Forschung. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisung mit den Stimmen aller Fraktionen erfolgt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 16/1190. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft und Forschung. Beratung und Abstimmung sollen nach Vorlage der Beschlussempfehlung im Plenum erfolgen. Wer auch dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist auch diese Überweisung einstimmig erfolgt.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt

2   Gesetz zur Stärkung der kommunalen Demokratie

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/1468

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/1557

erste Lesung

Ich eröffne die Beratung und erteile für die SPD-Landtagsfraktion Herrn Kollegen Körfges das Wort.

Hans-Willi Körfges (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer im Saal und anderswo! Ich will hier heute Morgen zunächst meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, dass wir mit dem, was wir heute einleiten, die Wiederinstandsetzungsarbeiten an unserem kommunalen Wahlrecht – nach dem, was 2007 passiert ist – abzuschließen beginnen. Ich glaube, das ist gut für Nordrhein-Westfalen, ist gut für die kommunale Demokratie, ist gut für die vielen Menschen in unserem Lande, die sich ehrenamtlich in den Dienst der Allgemeinheit stellen und vor Ort kommunalpolitische Verantwortung wahrnehmen.

Die gemeinsame Verantwortung von Rat und Verwaltung für die kommunale Selbstverwaltung in unserem Land, liebe Kolleginnen und Kollegen, gehört so ziemlich zum Besten, was uns die britischen Freunde nach dem Krieg in Nordrhein-Westfalen hinterlassen haben. Die Kommunalverfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, die ja im Wesentlichen in der Gemeindeordnung geregelt ist, hat sich den Grundsatz der demokratischen Selbstverwaltung zu Eigen gemacht. Das findet in § 40 seinen Ausdruck.

Dort wird ausdrücklich festgestellt, dass die Verwaltung der Gemeinde ausschließlich durch den Willen der Bürgerschaft erfolgt. Daran schließt die Bestimmung an, dass dies gleichermaßen durch Rat und Bürgermeister geschieht.

Diese Verantwortungsgemeinschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat sich in Nordrhein-Westfalen über Jahrzehnte hinweg gleich, wie die politischen Mehrheitsverhältnisse im Lande waren, bewährt. Da wollen wir auch wieder hin. Sportlich ausgedrückt, liebe Kolleginnen und Kollegen: Never change a winning team.

Denn alle Verbesserungen und Veränderungen, die wir immer als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auch mit größtmöglicher Zustimmung in diesem Hause zu versehen versucht haben, wie zum Beispiel die Direktwahl der Hauptverwaltungsbeamtinnen und Hauptverwaltungsbeamten oder aber auch die Einbeziehung direkt demokratischer Elemente, haben diese Gemeinsamkeit gestärkt und ergänzt.

Sowohl Hauptverwaltungsbeamte als auch die Mitglieder kommunaler Vertretungsorgane werden in demokratischer Wahl bestimmt. Diese kommunale Verantwortungsgemeinschaft wurde bis 2007 auch durch einen gemeinsamen Wahltermin zum Ausdruck gebracht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Wir wollen die damals eingeleitete Fehlentwicklung heute korrigieren und die seinerzeit eingeleitete Entkopplung der Wahlen wieder rückgängig machen. Ich glaube, das ist für die kommunale Familie in unserem Land gut und vorbildlich.

(Beifall von der SPD)

Die Koalitionsfraktionen haben sich auf ein auf den ersten Blick nicht einfaches Vorgehen verständigt. Es gilt da der Grundsatz: Es ist ganz offensichtlich einfacher, ein funktionierendes System kaputtzumachen, als das nachher zu reparieren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Denn da sind ja Dinge geändert worden, die nachhaltig auch fortwirken werden.

Deshalb will ich ausdrücklich anerkennen, dass ein Teil derjenigen, die seinerzeit 2007 diese Entwicklung eingeleitet haben, zwischenzeitlich offensichtlich gemerkt hat, dass das fehlerhaft war, und zu neueren Erkenntnissen gekommen ist. Das halten wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten für gut und richtig.

Wenn man sich bei grundsätzlichen Fragen kommunaler Demokratie um eine größtmögliche Einigung und Einigkeit bemüht, sollte man auch Oppositionsfraktionen mit in den Entscheidungsfindungsprozess einbinden. Dazu sind wir bereit, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das freundliche Kopfnicken bei der FDP lässt da auch Hoffnung zu, aber ich glaube, keine sehr große, wenn ich mir Ihre Statements vorab anschaue, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens ist es wichtig, dass wir es rechtswirksam hinbekommen, so schnell wie möglich wieder Räte und Hauptverwaltungsbeamtinnen und Hauptverwaltungsbeamte an einem Tag wählen zu lassen. Das ist nicht nur aus den von mir erwähnten prinzipiellen Gründen vernünftig. Wir gehen davon aus, dass auch die Wahlbeteiligung steigt. Es ist für die demokratische Legitimation aller, also der Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamten und der Räte, wichtig, dass die demokratische Legitimation durch eine höhere Wahlbeteiligung gestärkt wird.

Wir gehen auch davon aus, dass es da zu einer Kostenersparnis kommen wird, weil wir – das gilt sicherlich für die kommunalen Gebietskörperschaften am intensivsten – uns einen zusätzlichen Wahltermin und zusätzlichen Wahlgang sparen können.

Unser Gesetzentwurf, unser Vorschlag sieht vor, dass wir spätestens 2020 wieder gemeinsam wählen. Wir werden dazu die Ratswahlperiode einmalig verlängern, und zwar die von 2014 bis 2020, und die Wahlzeiten für die Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamten dauerhaft wieder auf fünf Jahre reduzieren. Damit werden wir in aller Regel wieder eine gemeinsame Wahl erreichen können.

Jetzt komme ich zu der Besonderheit an dem Vorschlag der Koalitionsfraktionen. Wir wollen die Möglichkeit schaffen, dass überall da, wo Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamte freiwillig ihr Amt vorzeitig niederlegen, schon im Jahre 2014 wieder gemeinsam gewählt werden kann. Ich glaube, das ist vernünftig und dient auch der Arbeit vor Ort, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Wir gehen davon aus – das ist ein wichtiger Punkt in dem Zusammenhang, weil ich nicht von vorneherein andere Gedankenansätze hier vollkommen infrage stellen will –, wir gehen nach eingehender rechtlicher Vorüberlegung und Prüfung davon aus, dass das auch einer von wem auch immer gegebenenfalls angestrebten rechtlichen Überprüfung standhalten kann.

Ich will an der Stelle sagen, dass wir uns bei dem Thema zum Beispiel, welche Versorgungsansprüche wie erworben werden, intensiv darum bemüht haben, da zu einer vernünftigen und auskömmlichen Regelung zu kommen, damit denjenigen, die von der Möglichkeit Gebrauch machen, kein Schaden – nicht bezogen auf aktive Bezüge, sondern bezogen auf ihre Pensions- und Ruhegehaltsbezüge – entsteht.

Nur – da komme ich jetzt zu einem eigentlich sehr spannenden Punkt –: Das Thema mit den Versorgungsbezügen und der Attraktivität des Amtes ist ja nicht neu. Was Sie da seinerzeit, Schwarz-Gelb, mit uns veranstaltet haben, war ja eine ziemliche Echternacher Springprozession. Wir sind in den gesamten Vorgang reingeworfen worden vor dem Hintergrund der Frage: Wie macht man die Hauptverwaltungsbeamtinnen- und ?beamtenposition für alle Bürgerinnen und Bürger so attraktiv, dass sich auch nicht beamtete Menschen auf so ein Amt bewerben?

(Zuruf von Kai Abruszat [FDP])

Da haben die Versorgungsansprüche, Herr Kollege, eine Rolle gespielt. Damit ist immer argumentiert worden. Was ist dabei herausgekommen? – Eine Regelung, die das überhaupt nicht gelöst hat. Denn an den sechs Jahren, die seinerzeit beschlossen worden sind, hat das substanziell nichts verändert. Also war das insoweit zumindest nicht hinreichend überlegt.

Ich sage Ihnen jetzt einmal gerade in Richtung des Kollegen Abruszat und der FDP: Wir halten es für vollkommen falsch, jetzt zu sagen, dann verlängern wir eben noch einmal und machen eine achtjährige Wahlperiode. – Meine Damen und Herren, das würde jeden Rahmen der demokratischen Kontrolle der Menschen vor Ort sprengen. Damit sind wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht einverstanden.

Ich biete aber ausdrücklich an, dass wir uns an anderer Stelle, zum Beispiel im Rahmen der Dienstrechtsreform, über die Frage der Versorgungsbezüge auch für Menschen, die nicht vorher als Beamtinnen und Beamte gearbeitet haben, unterhalten werden. Denn wir finden es gut und richtig, dass alle Menschen gleichermaßen die Möglichkeit haben, sich für ein Amt an der Verwaltungsspitze vor Ort zu bewerben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD und der CDU)

Ich will an der Stelle dann auch zu den Vorschlägen der Kolleginnen und Kollegen der kommunalpolitischen Vereinigung der CDU etwas sagen. Prinzipiell gilt insbesondere im Hinblick auf eine christliche Partei Lukas 15,7: Im Himmel ist mehr Freude über einen reuigen Sünder als über 99 Gerechte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir finden es ganz toll, dass Sie bei dem Thema „gemeinsamer Wahltermin“ wieder bei uns, bei der Vernunft und bei der Mehrheit der Menschen in unserem Lande sind.

(Beifall von der SPD)

Ihren Vorschlag würden wir gar nicht so schwierig finden, wenn er rechtlich in Ordnung wäre.

Was die neuere Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs angeht – ich hatte seinerzeit als Vertreter der Opposition das Vergnügen, der Verhandlung über die Verlängerung und Verkürzung von Wahlperioden vor dem Verfassungsgerichtshof NRW lauschen zu können; das kann man auch nachlesen –, haben wir mit auf den Weg bekommen, dass die Legitimation gewählter Vertretungskörperschaften und gewählter Einzelbewerberinnen und ?bewerber mit dem Ende der vorgegebenen Wahlperiode erlischt und man nur in ganz besonderen Ausnahmefällen für geringfügige Über? oder Unterschreitungen der Wahlperioden sorgen kann. Uns wurden damals aus besonderem Anlass maximal drei Monate genannt.

Bei der Verlängerung einer Wahlperiode um ein ganzes Jahr, wie es der KPV-Vorschlag hergibt, liebe Kolleginnen und Kollegen, wäre ich sehr skeptisch, ob sie tatsächlich die verfassungsrechtlichen Hürden – in dem Fall, dass sich jemand juristisch dagegen wendet, was absehbar ist – überstehen würde. Trotzdem biete ich ausdrücklich an, der Frage im Rahmen der Beratung über das Gesetz noch einmal nachzugehen. Ich bin allerdings – das sage ich ganz offen und ehrlich – nicht sehr optimistisch, dass wir den formal einfacheren, aber inhaltlich womöglich riskanteren Weg im Ergebnis gemeinsam gehen können.

Andererseits sehen Sie an der Einleitung, die die Koalitionsfraktionen gewählt haben, dass wir bezogen auf den politischen Stil größten Wert darauf legen, eine Gemeinsamkeit in diesem Haus hinzubekommen; denn Wahlsysteme, Wahlfragen betreffen sozusagen das Betriebssystem der Demokratie. Daher ist es nicht mehr als vernünftig und im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger, den größtmöglichen Konsens erreichen zu wollen. Sonst würde sich das ergeben, was wir im Augenblick haben: mit knappen Mehrheiten durchgepeitschte, vor parteipolitischen Eigeninteressen womöglich vernünftige Regelungen, die aber den Praxistest innerhalb kurzer Zeit nicht bestehen und in der kommenden Wahlperiode wieder aufgehoben werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das nenne ich Echternacher Springprozession. Deshalb werben wir für eine breite Zustimmung und sind für alternative Vorschläge in der Frage durchaus offen.

Eins will ich allerdings ganz deutlich machen: Für Vorschläge, die das Verhältnis zwischen Räten auf der einen Seite und Hauptverwaltungsbeamtinnen und ?beamten auf der anderen Seite noch mehr aus dem Gleichgewicht bringen, stehen wir nicht zur Verfügung. Wir wollen ganz bewusst die Gemeinsamkeit vor Ort stärken – auch über andere gemeinsame Aktivitäten in diesem Hause – und verhindern, dass die Hauptverwaltungsbeamtinnen und ?beamten quasi eine präsidiale Stellung erhalten und die Räte demgegenüber zu Reklamationsabteilungen verkommen. Wir wollen das Element der ehrenamtlichen Kommunalpolitik stärken. Wir wollen helfen, Kosten zu sparen, und wir wollen die Wahlbeteiligung erhöhen.

In dem Zusammenhang hoffen wir auf breite Zustimmung und gute Diskussionen. Wir gehen davon aus, dass es uns am Ende des Prozesses gelingen wird, die Gemeindeordnung in Nordrhein-Westfalen nicht nur wieder in Ordnung gebracht, sondern auch ein Stück weit verbessert zu haben. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege Krüger.

Mario Krüger (GRÜNE): Guten Morgen, meine Damen und Herren! Willi Körfges, du machst es mir nicht leicht. Alle Themen, alle Argumente sind abgeräumt. Wir sollten uns bei Gelegenheit einmal tauschen.

(Heiterkeit von Britta Altenkamp [SPD] und Hans-Willi Körfges [SPD] – Michael Hübner [SPD]: So ist er!)

Ich will aber noch das eine oder andere zusätzlich ausführen, insbesondere auf die Entscheidungen eingehen, die seit 2007 getroffen worden sind, und die Begründungen anführen, die in dem Zusammenhang Auslöser gewesen sind, jetzt zu sagen: Das müssen wir wieder ändern.

Die Anhebung der Wahlzeiten von fünf auf sechs Jahre, die Entkopplung der Wahltermine zwischen Bürgermeisterwahlen zum einen und Ratswahlen zum anderen – so in den Protokollen nachzulesen – sollte dazu dienen, die Funktion der Hauptverwaltungsbeamten zu stärken. Was bedeutet es, die Position der Hauptverwaltungsbeamten zu stärken? – Das heißt nichts anderes, als die Position der Räte zu schwächen. Das wollen wir wieder zurückholen. Warum? – Dazu gibt es eine nette Begründung, nachzulesen auf Seite 15 der Drucksache 16/1468. Da heißt es:

„Eine ‚präsidiale‘ Stellung der Hauptverwaltungsbeamten, losgelöst und unabhängig von der politischen Willensbildung in der jeweiligen Vertretungskörperschaft, entspricht weder der Aufgabenstellung noch dem Bild eines Hauptverwaltungsbeamten nach nordrhein-westfäli­schem Kommunalverfassungsrecht.“

Wir im Ruhrgebiet reduzieren das Ganze und sagen: Wir brauchen keine Monarchen, wir brauchen keine Sonnenkönige,

(Beifall von der SPD)

sondern wir wollen ein gleichberechtigtes Miteinander zwischen dem Rat zum einen und Bürgermeistern, Oberbürgermeistern, Landräten zum anderen. Daher ist es gut, dass der Weg jetzt gegangen wird.

Wir sprechen nicht von einer ersten, sondern von einer zweiten Reparatur. Eine Reparatur ist mit der Abschaffung der Stichwahl bereits im Jahre 2011 vorgenommen worden. Mit der zweiten Reparatur wollen wir jetzt die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Bürgermeister? und die Ratswahlen zumindest 2020 zusammengelegt bzw. gemeinsam durchgeführt werden können.

Willi Körfges hat es gerade schon ausgeführt: Natürlich haben wir uns auch Gedanken darüber gemacht, inwieweit bereits 2014 gemeinsam gewählt werden kann. Das war nicht ganz einfach, dazu hat es entsprechende Expertisen gegeben. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg und haben es den jetzigen Amtsinhabern ermöglicht, bereits für 2014 eine Situation herzustellen, dass gemeinsam gewählt werden kann.

Warum? – Nicht nur, um zwischen Rat und Bürgermeister bzw. Oberbürgermeister die Ungleichgewichte abzustellen, sondern auch der Tatsache geschuldet, dass alleinige Bürgermeisterwahlen in der Regel zu schwachen Wahlbeteiligungen führen. Wir haben es vor Kurzem in Duisburg erlebt: Im ersten Wahlgang lag die Beteiligung bei 32 %. Wir wissen, dass in keiner Stadt, in der der Bürgermeister in einem separaten Wahlgang gewählt worden ist, Wahlbeteiligungen von mehr als 50 % erreicht worden sind, sie alle schwanken zwischen 30 bis 42, 43 %. Das ist nicht gut, das wollen wir ändern. Insofern macht es Sinn, die Rats? und Bürgermeisterwahlen wieder zusammenzufassen.

Wir steigen ein, wir wollen alle mitnehmen. Insofern ist es auch erfreulich, Herr Laumann – er ist heute mal nicht da oder kommt etwas später –, …

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Da ist er doch – unübersehbar!)

– Ja, da ist er. –

… wenn Sie wie in der „Rheinischen Post“ vom 1. August 2012 ausgeführt haben:

„Wir haben dazugelernt. Die Union schlägt vor, die bestehende Wahlperiode der Räte einmalig auf sechs Jahre zu verlängern, sodass Räte und Bürgermeister 2015 an einem Tag gewählt werden können.“

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Abruszat zu?

Mario Krüger (GRÜNE): Gerne.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, bitte schön.

Kai Abruszat (FDP): Ganz herzlichen Dank, Herr Kollege Krüger. – Ich würde Sie gerne zu den von Ihnen dargelegten Argumenten der Wahlbeteiligung fragen: Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die Wiedereinführung der Stichwahl, bei der es doch in der Regel noch weniger Wahlbeteiligung gegeben hat, zu der Sie ausdrücklich stehen?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Abgeordneter, bitte schön.

Mario Krüger (GRÜNE): Ich glaube, wir sind nicht gut beraten, auch wenn wir wissen, dass die Wahlbeteiligung im Rahmen der Stichwahlen in der Regel abbricht – in Duisburg von 33 % auf 28 % –, wenn wir im ersten Wahlgang jemanden wählen, der möglicherweise noch nicht einmal die Mehrheit derjenigen, die gewählt haben, hinter sich hat bzw. lediglich ein Wahlergebnis von 33 oder 35 % erzielt hat. Das ist nicht gut für die Stellung des Bürgermeisters.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Kai Abruszat [FDP]: Ja, deswegen haben wir die Wiedereinführung nicht mitgemacht!)

Insofern kann ich durchaus mit dem Nachteil umgehen, dass eine Stichwahl in der Regel zu einer geringeren Wahlbeteiligung gegenüber dem eigentlichen Hauptwahlgang führt.

(Kai Abruszat [FDP]: Wir haben die Stichwahl mit eingeführt!)

– Wir haben es geändert; das war auch ganz gut so.

Ich knüpfe noch einmal an meine Ausführungen gegenüber Herrn Laumann an: Wir freuen uns, dass Sie diesen Weg mitgehen wollen, glauben aber nicht – dazu haben wir uns noch entsprechende Rechtsexpertisen eingeholt –, dass zum jetzigen Zeitpunkt die Wahlzeiten der bestehenden Räte auf sechs Jahre verlängert werden können. Setzen Sie sich damit noch einmal auseinander! Vielleicht kommen wir zu einem gemeinsamen Weg, wie er in dem Gesetzentwurf beschrieben worden ist.

Ich freue mich auf die Diskussion in den entsprechenden Ausschüssen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Krüger. – Für die CDU-Landtagsfraktion spricht Herr Abgeordneter Nettelstroth.

Ralf Nettelstroth (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf soll erstmals 2020 wieder die Zusammenlegung der Oberbürgermeister-, Bürgermeister- und Landratswahlen mit den allgemeinen Kommunalwahlen erreicht werden. Zu diesem Zweck soll die Wahlperiode der Rats- und Kreistagsmitglieder einmalig auf sechs Jahre verlängert und die Wahlperiode der Hauptverwaltungsbeamten auf fünf Jahre verkürzt werden.

Angesichts der Erfahrungen mit den isoliert durchgeführten Wahlen der Oberbürgermeister und Landräte sind auch wir der Auffassung, wieder in einer Wahl über die Zusammensetzung der Räte und Kreistage sowie der hauptamtlichen Verwaltungsspitzen zu entscheiden. Bei Wahlbeteiligungen von 25 bis 33 % bei den letzten Wahlen von Hauptverwaltungsbeamten erhebt sich zunehmend die Frage nach der demokratischen Legitimation, wenn der jeweils erfolgreiche Bewerber letztlich nur noch 13 bis 18 % der Stimmen der Wahlberechtigten auf sich vereinigen kann.

Im weiteren Beratungsverfahren werden wir den Vorschlag unserer kommunalen Familie einbringen, ab dem Jahr 2020 die sodann gemeinsamen Wahlen nicht alle fünf Jahre, sondern alle sechs Jahre durchzuführen und damit die einmalige Übergangsregelung für die Räte und Kreistage zu einer dauerhaften Regelung bis 2020 umzuformen. Dies ist vor dem Hintergrund der positiven praktischen Erfahrungen mit der Amtszeitverlängerung bei den Hauptverwaltungsbeamten auf sechs Jahre eine angemessene Verlängerung und dient letztlich der Stärkung der Räte.

Damit folgen wir dem Beispiel des Landes Bayern, wo eine gemeinsame sechsjährige Amtszeit bereits gute, langjährige Praxis ist. Letztlich wird die kommunale Selbstverwaltung in den Räten gestärkt, weil durch die längere Amtszeit ein Mehr an Fachkenntnissen erreicht wird und für die Umsetzung politischer Ziele ein längerer Zeitraum zur Verfügung steht, der sodann von den Bürgern in den Wahlen besser bewertet werden kann. Damit würde auch die Wahl an sich an Bedeutung gewinnen. Daneben würde die Verlängerung der Wahlperiode mit einer gemeinsamen Wahl die finanziellen Belastungen der Kommunen für die Wahldurchführung erheblich verringern.

Außerdem werden wir in das Beratungsverfahren als weiteren Vorschlag einbringen, wieder eine angemessene Sperrklausel von 3 % einzuführen. Nach dem Wegfall der 5-%-Sperrklausel bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen im Jahre 1999 besteht in den Räten und Kreistagen die Gefahr der Funktionsunfähigkeit. Bei der vergangenen Kommunalwahl mussten wir feststellen, dass eine zunehmende Zersplitterung der Parteienlandschaft zu verzeichnen war und immer mehr Parteien, Wählergemeinschaften und Einzelbewerber Sitze in den kommunalen Vertretungen erlangten.

Die Anzahl der Fraktionen in den Räten und Kreistagen erhöhte sich insbesondere in einigen kreisfreien Städten auf bis zu 13 Fraktionen. Auch die Anzahl der Einzelmandatsträger erhöhte sich seit dem Wegfall der Sperrklausel 1999 um mehr als das Vierfache. In kleineren Kommunen reichten teilweise rund 160 Stimmen für den Einzug in den Rat aus, während andere Bewerber weitaus höhere Stimmergebnisse erzielen mussten. In Nordrhein-Westfalen sind 1,2 % bis 3 % der Stimmen für einen Sitz in einer kommunalen Vertretung erforderlich.

Mir selbst sind auch Fälle bekannt, bei denen aufgrund dieser ungleichen Sitzzuweisung die Mehrheit der abgegebenen Stimmen nicht durch die Mehrheit der Sitze in den jeweiligen Vertretungen abgebildet wird. Diese Ungleichheit im Erfolgswert der Stimmen würde durch eine einheitliche 3-%-Sperrklausel behoben.

Ferner wird durch die Erhöhung der Anzahl der Fraktionen in den Räten und Kreistagen die Mehrheitsbildung empfindlich gestört. Die Folge davon ist, dass kommunale Parlamente immer weniger aktionsfähig sind. Die Fragmentierung der Räte führt zu geringerer Effizienz und zu einem Stillstand der Entscheidungen in den kommunalen Parlamenten. Dies wiederum führt zu einem Verlust an Attraktivität des kommunalen Ehrenamts, auf das wir alle so sehr angewiesen sind.

Die Einführung der 3-%-Sperrklausel führt zu kürzeren Sitzungen, schnelleren Entscheidungen und funktionierender Gremientätigkeit sowie einer besseren Vereinbarkeit des kommunalen Ehrenamtes mit der beruflichen Tätigkeit. Dadurch gelingt es auch, den Nachwuchs und breitere Arbeits- und Gesellschaftsschichten anzusprechen und für die kommunale Ratstätigkeit zu gewinnen. Im Ergebnis ist es daher sehr wünschenswert, dass ein neues Kommunalwahlrecht auf eine möglichst breite Zustimmung aufbauen kann und damit dem politischen Streit entzogen wird. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Nettelstroth. – Für die FDP-Land­tagsfraktion spricht Herr Kollege Abruszat.

Kai Abruszat (FDP): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst das aufgreifen, was der Kollege Körfges gesagt hat. Ja, es ist richtig; das Wahlrecht in unserer kommunalen Demokratie hat eine enorm hohe Bedeutung. Deswegen müssen wir sorgfältig darüber diskutieren. Ein größtmöglicher Konsens ist in der Tat anzustreben. Ich darf daran erinnern, dass wir in der letzten Wahlperiode bei der Wiedereinführung der Stichwahl auch entsprechend mitgewirkt haben.

(Michael Hübner [SPD]: Richtig! Sie können hier auch mitmachen!)

Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf nimmt für sich in Anspruch, beim Thema „Bündelung von Wahlterminen“ etwas zu tun. Schauen wir es uns einmal genau an. Ist das eigentlich eine Bündelung von Wahlterminen? Nach dem bisherigen Szenario führen wir im Juni 2019 die Europawahl und die Kommunalwahl durch. Nach dem zukünftigen Szenario führen wir 2019 die Europawahl und 2020 die allgemeine Kommunalwahl sowie die Wahl der Hauptverwaltungsbeamtenwahlen und zwei Wochen später eine Stichwahl durch. Dass das, was Sie hier vorgeschlagen haben, eine Bündelung ist, kann ich jedenfalls nicht erkennen. Dieses Argument sollten Sie also nicht mehr verwenden.

(Beifall von der FDP)

In der Tat haben seinerzeit gute Gründe dazu Veranlassung gegeben, getrennte Wahlen von Bürgermeistern einerseits und Räten andererseits vorzunehmen.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Der Zustand der FDP!)

Diese Gründe will ich Ihnen gerne noch einmal erläutern.

Erstens. Die Entkopplung stärkt die Ratsmitglieder. Warum?

(Lachen von der SPD)

Es ist sachgerecht, wenn wichtige Wahlen zu Stadtrat und Kreistag eben nicht von den Showkämpfen um ein Oberbürgermeister- oder Landratsamt überlagert werden, sondern wenn das normale Ratsmitglied auch für seine eigenen Interessen in den Bürgerdialog treten kann, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Zweitens. Natürlich stärkt eine Entkopplung auch die Bürgermeister. Das wollen Sie offensichtlich nicht, obwohl Bürgermeister, Landräte und Oberbürgermeister eine enorm hervorgehobene Stellung in unserer Kommunalverfassung haben. Sie sind oberste Repräsentanten unserer Kommunen und zugleich im besten Sinne die Verwaltungsmanager. Sie sind eben nicht die Doppelspitze alter Prägung, sondern vereinen unterschiedliche wichtige Synergien in einer Person.

Diese hervorgehobene Stellung rechtfertigt eine eigenständige Auseinandersetzung mit diesem Amt und damit auch die Beibehaltung der bisherigen Entkopplung. Eigenständige Wahlen von Bürgermeistern gehen zulasten der Parteidominanz – und damit haben wir kein Problem, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Es ist übrigens sehr erfreulich, zu sehen, dass immer mehr unabhängige Köpfe ihre Kompetenzen im Amt des Hauptverwaltungsbeamten einbringen. Sie wollen offensichtlich durch die Zusammenlegung wieder die Macht der Parteien stärken. Wir wollen das Amt des Bürgermeisters aufwerten.

Lassen Sie uns deswegen auch über die Amtszeiten der Hauptverwaltungsbeamten reden. Wir wählen Kreisdirektoren und Beigeordnete für acht Jahre. Warum diskutieren wir nicht in der Tat, Herr Kollege Körfges, die Amtszeiten auch an dieser Stelle zu verlängern?

Sie wollen offensichtlich pflegeleichte, parteiabhängige Kandidaten. Wir wollen unabhängige, kompetente, bürgernahe Fachkräfte – die übrigens nicht immer nur aus dem öffentlichen Dienst kommen müssen.

(Beifall von der FDP)

Ein wesentlicher Punkt der Kritik betrifft das freiwillige Niederlegungsrecht für Bürgermeister. Meine sehr geehrten Damen und Herren, um die angebliche Bündelung zu erreichen, brechen Sie diese Regelung übers Knie.

Da gibt es zunächst die politische Kritik. Das freiwillige Niederlegungsrecht führt zu doppelten Personalkosten für betroffene Kommunen. 2014 zahlen die Städte dann Pensionszahlungen für den freiwillig zurückgetretenen Bürgermeister und gleichzeitig aktive Beamtenbezüge für den neu gewählten Bürgermeister. Das müssen Sie erst einmal erklären, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von der FDP – Widerspruch von der SPD)

Und jetzt hören Sie bitte ganz genau zu, weil das ein Argument ist, das wir Ihnen in dieser Frage noch lange vorhalten müssen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Es gibt nämlich auch erhebliche rechtliche Kritik, insbesondere verfassungsrechtliche Kritik. Der Kollege Körfges hat das hier in seinem Wortbeitrag auch in schonungsloser Offenheit und Klarheit angedeutet, indem er sinngemäß gesagt hat: Wir wollen versuchen, dass wir das verfassungsfest machen können.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Wir haben das geprüft! Es ist verfassungsfest!)

Erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken stehen Ihrem Vorhaben entgegen. Wir haben große Zweifel, ob diese Variante mit dem freiwilligen Niederlegungsrecht mit dem sich aus unserer Landesverfassung und dem Grundgesetz ergebenden Demokratieprinzip vereinbar ist.

Was ist 2009 denn gewesen? Die Bürgerinnen und Bürger, der oberste Souverän, das Wahlvolk, haben eine Wahlentscheidung in Bürgermeisterwahlen getroffen. Das haben sie 2009 unter einer ganz klaren Gefechtslage getan. Diese souveräne Entscheidung des Volkes bezog sich ausdrücklich auf das Votum für die Dauer von sechs Jahren, also bis 2015. Jetzt wollen Sie als Landesgesetzgeber eine Rücktrittsmöglichkeit schaffen, die unmittelbar in diese kommunale Demokratie eingreift und sich über den Legitimationsgeber stellt, der 2009 gewählt hat.

Dann nennen Sie Ihren Entwurf auch noch „Gesetz zur Stärkung der kommunalen Demokratie“! Auf diese Idee muss man erst einmal kommen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Nun ist es ja nicht so, dass ich mit dieser Kritik alleine stehe. Sie haben doch selbst als Landesregierung Gutachter dazu befragt. Ein Gutachter – übrigens ein Gutachter, den Sie sonst auch öfter bemühen, insbesondere wenn es um die Parlamentskommission und ähnliche Dinge geht; ich rede von Prof. Morlok – kommt zu dem Schluss, dass diese gesetzliche Neuregelung, also das freiwillige Niederlegungsrecht, deutlich Gefahr läuft, vor dem Verfassungsgerichtshof zu scheitern. Was macht die Landesregierung dann? Man beauftragt noch einen zweiten Gutachter. Aber auch er kommt zu der Aussage, dass es sich nicht vorhersagen lässt, wie sicher das Ganze vor dem Verfassungsgerichtshof gerichtsfest zu machen ist.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Meine Damen und Herren, wir können uns über die unterschiedlichen Auffassungen in Bezug auf die Amtszeiten unterhalten. Wir können leidenschaftlich über die Frage streiten, wann welche Wahl stattfinden soll und inwiefern Wahlen sinnvollerweise zusammengelegt und gebündelt werden können. Aber wenn man hier im Landtag einen Vorstoß zu einem neuen Kommunalwahlrecht behandeln und verabschieden lässt, obwohl bereits jetzt erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel mindestens an einem Teil dieses Gesetzgebungsvorhabens bestehen, ist das etwa so, als ob man sehenden Auges aufs Geratewohl nach dem Motto handelt: Es wird schon gut gehen.

Eine für die Demokratie in Nordrhein-Westfalen so wichtige Frage erfordert von Ihnen mehr Sorgfalt im Gesetzeshandwerk, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Das Gleiche gilt natürlich für die Frage, wenn dieses freiwillige Niederlegungsrecht am Ende nicht verfassungsfest ist, was mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern passiert, die auf der Grundlage eines möglicherweise rechtswidrigen Gesetzes freiwillig ihr Amt niedergelegt haben. Ich bin gespannt, wie Sie dann die Versorgungsproblematik dieser Personen lösen wollen.

Herr Minister, Sie haben gestern Ihren Wortbeitrag auf Latein begonnen. Ich möchte meinen Wortbeitrag auf Latein beenden:

„Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.“

Sie haben sich gestern als alter Lateiner erwiesen. Deswegen wissen Sie, was das heißt:

„Was auch immer du tust, tue es klug und bedenke die Folgen.“

Das sollten Sie tun bei dem, was Sie tun. – Danke schön.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Die Bildungsministerin war einverstanden mit dem Zitat. Das habe ich gerade ihrer Geste entnommen.

(Ministerin Sylvia Löhrmann: Ich habe kein Latein gehabt!)

Die Hauptsache ist, es gibt in diesem Landtag kein Jägerlatein.

(Heiterkeit)

Vielen Dank, Herr Abruszat. – Als Nächstes spricht für die Fraktion der Piraten der Kollege Herrmann. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frank Herrmann (PIRATEN): Verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Besucher auf der Tribüne und am Stream! Das Kommunalwahlrecht in NRW wurde in den letzten Jahren immer wieder Reformen unterzogen. Wie wir heute schon mehrfach gehört haben, verabschiedete die damalige schwarz-gelbe Koalition 2007 das Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, das Gemeindeordnungsreformgesetz. Teile dieser Reform wurden bereits wieder zurückgenommen, zum Beispiel die Abschaffung der Stichwahl bei den Bürgermeisterwahlen, was wir im Übrigen nicht begrüßt haben.

Heute wird ein rot-grüner Gesetzentwurf beraten, mit dem ein Kernelement der schwarz-gelben Reform von 2007 zurückgenommen werden soll, die Entkoppelung der Bürgermeister- und Landratswahlen von den Wahlen der kommunalen Vertretungen. Die grundlegenden Argumente sind ausgetauscht. Die gemeinsame Wahl ist sicher zu bevorzugen. Denn eines kann man doch festhalten: Die Behauptung, dass durch die Entkoppelung die demokratische Beteiligungsmöglichkeit der Bürger ausgebaut würde, ist falsch. Das zeigen doch die Erfahrungen in den anderen Bundesländern klar: Die Wahlbeteiligung sinkt durch entkoppelte Wahltermine.

Vor dem Hintergrund der Stärkung der kommunalen Demokratie muss ich über den CDU-Vorschlag einer 3-%-Hürde bei der Kommunalwahl mein Unverständnis zum Ausdruck bringen. Herr Nettelstroth möchten Sie dem Wähler mitteilen, dass nur große Parteien gewählt werden dürfen? Dem würden wir sicherlich nicht zustimmen.

Für eine echte Stärkung der kommunalen Demokratie sehen wir noch ganz andere Themen entscheidend, die im vorliegenden Gesetzentwurf leider nicht berücksichtigt sind. Da wären die Wahlverfahren und die Schaffung von weiteren Möglichkeiten für die Bürger, sich zu beteiligen. Ich weiß, Sie haben schon in der letzten Wahlperiode über das Wahlverfahren „Panaschieren und Kumulieren“ geredet. Obwohl sich dieses System in nahezu allen Bundesländern bewährt hat, haben Sie vor einem Jahr gegen den Vorschlag der FDP gestimmt, dieses Wahlverfahren einzuführen. Aber jetzt sind wir mit frischen Argumenten da. Wir hoffen, dass wir gemeinsam mit Ihnen ein Wahlrecht in NRW schaffen, das die Menschen mitnimmt und beteiligt. Das Panaschieren und Kumulieren der Wählerstimmen kann dazu einen guten und wichtigen Beitrag leisten.

Uns fällt es auch schwer, nachzuvollziehen, warum seit Jahrzehnten in NRW lebende Bürger kommunal nicht mitwählen dürfen. Wieso sollten Menschen nicht dort wählen dürfen, wo sie ihren Lebensmittelpunkt haben? Als EU-Bürger darf man kommunal wählen. Warum ermöglicht man das zum Beispiel Menschen mit türkischem Migrationshintergrund nicht?

(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)

Wir möchten, dass sich NRW im Bundesrat um eine entsprechende Änderung im Grundgesetz bemüht.

Schon Anfang nächsten Jahres bekommen Sie, meine Damen und Herren, eine weitere Gelegenheit, einen eklatanten Fehler im Kommunalwahlrecht zu beheben. Wir fordern mit unserem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kommunalwahlrechts, dass das aktive Wahlrecht dem passiven Wahlrecht gleichgestellt wird. Warum sollte das Wählerverzeichnis im Falle einer Wiederholungswahl aktualisiert werden, das Angebot an zur Wahl stehenden Personen jedoch nicht? Dafür gibt es keinen Grund.

Wir empfehlen weniger Klein-Klein. Packen wir das Wahlrecht richtig an. Schaffen wir eines, was nachhaltig und beständig ist und den Anforderungen an moderne Demokratie gerecht wird. Wir freuen uns auf die Beratungen im Ausschuss. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Kollege Herrmann. – Nun spricht für die Landesregierung der zuständige Minister, Herr Jäger.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der umfangreichen Einführung von Herrn Körfges zum Inhalt dieses Gesetzentwurfs will ich mich eigentlich nur auf einige wenige Punkte beschränken, die sich im Rahmen dieser Debatte ergeben haben und in der Tat erörterungswert sind.

Ich beginne mit Herrn Abruszat. Ich finde es gut, dass wir gegenseitig auf Latein rezitieren. Man lernt immer dabei. Vielleicht würde dies auch dazu beitragen, dass meine damalige, nicht gerade berauschende Abschlussnote beim großen Latinum angehoben werden könnte. Das hoffe ich.

(Beifall von Dr. Joachim Paul [PIRATEN])

Wenn man schon zitiert, und zwar nicht nur auf Latein, sondern auch aus Gutachten von Verfassungsrechtlern über die Frage der Verfassungsfestigkeit dieses Gesetzentwurfs, und jemand anderen mangelnde Sorgfalt unterstellt, Herr Abruszat, dann muss man Folgendes feststellen: Gäbe es eine internationale Ratingagentur für die Bewertung von verfassungswidrigen Gesetzen, Herr Abruszat, die alte Landesregierung hätte dabei Triple A erlangt. Sie können davon ausgehen, dass wir mit größter Sorgfalt diesen Gesetzentwurf geprüft haben.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Schon vorher!)

Es gibt immer verfassungsrechtliche Risiken. Das gebietet allein schon der Respekt vor dem Verfassungsgerichtshof, der gelegentlich zu anderen Beurteilungen kommt als der Gesetzgeber, die Landesregierung. Aber hier bewegen wir uns, glaube ich, auf der sicheren Seite.

Ich finde, dass die Anmerkungen von Herrn Nettelstroth zu der Frage der Sperrklausel in der Tat erörterungsbedürftig sind. Wir leben in einer Zeit, in der wir feststellen müssen, dass vor dem Hintergrund, dass die Kolleginnen und Kollegen, die in den Räten und Kreistagen sitzen, in ihrer Berufs- und Arbeitswelt, in ihren Familienleben immer stärker gefordert sind, dort tätig zu sein, ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement in den Kommunen kaum noch möglich ist. Ich ziehe vor jedem den Hut, der ehrenamtlich dort tätig ist.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN, der CDU, der FDP und den PIRATEN)

Ziel einer solchen Debatte kann durchaus sein, zu sagen, dass die Situation in Räten – Sie hatten das Beispiel genannt; da zählt auch meine Heimatstadt mit 13 Fraktionen zu – Beratungsverfahren erfordert, die ehrenamtlich und bürgerschaftlich kaum noch darstellbar sind. Das ist das eine.

Auf der anderen Seite wollen wir, wenn wir diese Diskussion führen, aber auch, dass Demokratie nicht geschliffen wird und kleine Parteien keine Chance haben – das kann nicht das Ziel sein –, sondern dass eine solche Regelung – wenn wir diese diskutieren – vor allem verfassungsfest sein muss.

Wir haben Hinweise darauf, dass der Verfassungsgerichtshof den bloßen höheren Aufwand der Beratung in den Räten nicht als eine Begründung durchgehen lassen wird, sondern als eine Einschränkung der Funktionsfähigkeit von Räten und Kreistagen nachzuweisen ist.

Trotzdem finde ich es lohnenswert – an die Kolleginnen und Kollegen der CDU gerichtet –, dass wir eine solche Diskussion führen. Ob sie zu einem tatsächlich verfassungsfesten Ergebnis führt, das ist offen. Nichtsdestotrotz ist es immer gut, dass man sich über solche Themen miteinander austauscht.

Den zweiten Punkt, den ich gerne aufgreifen würde, ist folgende Frage: Sollte man Wahlperioden für Hauptverwaltungsbeamte, Räte und Kreistage auf sechs Jahre verlängern? – Ja, das kann man diskutieren. Ich als Vertreter der Landesregierung möchte das einmal deutlich machen: Dem steht – zumindest zurzeit noch – eine andere gesetzliche Regelung entgegen. Diese lautet: Die Kopplung der Kommunalwahl an die Europawahl. Deshalb ist es, wenn man eine solche Diskussion führt, nur schwer möglich – das als technischer Hinweis –, dies im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf zu tun, weil es an einer anderen Stelle des Gesetzes geregelt ist. Dies bedürfte eines eigenständigen Verfahrens, aber man könnte es sicherlich diskutieren.

Im Endeffekt muss es im Ergebnis immer darum gehen: Wie stärken wir das bürgerschaftliche und ehrenamtliche Engagement von Kommunalpolitkern, und wie sichern wir eine breite kommunale Demokratie und Selbstverwaltung? – Unter diesem Gesichtspunkt, denke ich, kann man auch in den nächsten Jahren über das ein oder andere gerne diskutieren.

Ich habe im Übrigen auch großen Respekt davor, dass dieser Gesetzentwurf hier im Landtag von einer Fraktion positiv diskutiert wird, die noch vor wenigen Jahren anderer Auffassung war oder anderer Auffassung sein musste. Ich finde es gut, dass man auch als ehemaliger Gesetzgeber erkennt: Da waren Fehler drin, da war Murks drin und das muss man jetzt wieder geradeziehen.

Ich glaube, dass es sich bei der schon in der Diskussion genannten Verfassungstradition in Nordrhein-Westfalen bei den Räten und Hauptverwaltungsbeamten um eine Gemeinschaft handelt. Wie das Wort Gemeinschaft schon sagt, muss dort auch etwas zusammengehören und sich dies auch in einem gemeinsamen Wahltermin, an dem man sich gemeinsam dem Votum der Wählerinnen und Wähler stellt, widerspiegeln. Es ist gut, aus diesen Fehlern gelernt zu haben und diese Verantwortungsgemeinschaft wieder zusammenzuführen.

Zu guter Letzt – es ist fast alles gesagt worden – glaube ich, dass wir mit diesem Gesetzentwurf einen Beitrag dazu leisten, dass in den Kommunen Geld gespart wird, Herr Abruszat, weil dadurch eine zusätzliche Wahl überflüssig werden könnte, und wir als Landesgesetzgeber gut beraten sind, eine Ermöglichung zur Niederlegung in das Gesetz aufzunehmen. Es gibt dazu keinen Zwang, aber gleichwohl ist es ein attraktives Angebot an bereits gewählte Hauptverwaltungsbeamte, für sich zu überprüfen, ob man der eigenen Kommune 2014 und 2015 gleichermaßen Kommunalwahlen zumuten könnte. Deshalb findet dieser Gesetzentwurf eine große Zustimmung der Landesregierung. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Minister Jäger. – Jetzt spricht für die SPD-Fraktion Herr Kollege Hübner.

Michael Hübner (SPD): Herr Keymis! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ralf Jäger hat jetzt noch das ein oder andere Argument, das wir in der Debatte haben, abgeräumt. In der Summe bin ich ganz dankbar, dass wir eine halbwegs konstruktive Diskussion haben.

In der Tat ist es richtig, dass man auch darüber debattieren muss, welches Verhältnis wir zu Sperrklauseln in dem Gesetzentwurf entwickeln sollten. Ich freue mich auch, dass sich die CDU jetzt auf den Weg begeben möchte, dies auch durchaus ernsthaft mit uns zu diskutieren.

Sie werden sich daran erinnern, dass wir die Diskussion über dieses Thema zuletzt im Jahre 2009 im Landtag hatten. Da war ich zwar noch nicht Mitglied des Landtags, aber ich habe mich auf Ihrer Internetseite über Ihre Positionswechsel informiert. Mit Erlaubnis des Präsidiums möchte ich zitieren:

„Die CDU-Landtagsfraktion hat ein hohes Interesse daran, die Räte in den Kommunen handlungsfähig zu halten.“

– Das haben Sie heute auch dargestellt.

„Doch eine Sperrklausel, die auch wir für wünschenswert hielten, haben die Verfassungsrichter eindeutig abgelehnt. Dabei ist völlig unerheblich, ob wir eine 5-, 3- oder 2,5-%-Hürde reden.“

– So ihr damaliger kommunalpolitischer Sprecher Rainer Lux.

Von daher verwundert es mich, dass Kollege Laumann über die „Rheinische Post“ ganz massiv vermeldet hat: Wir müssen die Debatte damit jetzt ergänzen und sagen, dass das alles kein Problem ist. Kollege Biesenbach hatte übrigens bereits im Jahre 2007 unseren damals eingebrachten Vorschlag, zumindest darüber nachzudenken, empört abgelehnt. Sie haben den Vorschlag der SPD damals – ich zitiere Sie da – als „dünn und substanzlos“ abgelehnt.

Ich möchte kein Gift in die Debatte bringen, weil aus Ihren Beiträgen deutlich geworden ist, dass Sie jetzt erkennen, dass Sie doch eine Kommunalverantwortung haben, auch gegenüber Ihren Kommunalvertretungen vor Ort, die gerade auch von Ralf Jäger benannt worden sind. Denn es sind eben keine einfachen Tätigkeiten, die wir vor Ort in den Räten zu bestehen haben. Ich freue mich über die Wendung. Aber – so viel Zeit muss sein – diese 180-Grad-Wendung sollte man dann auch bei der CDU deutlich benennen.

Herr Abruszat, ein Hinweis noch – hier hat Herr Jäger auch schon das Richtige gesagt –: Ich wäre sehr verwundert, wenn wir im Land Nordrhein-Westfalen Bürgermeistern hätten, die in einem Jahr Millionenbeträge verdienen. Wenn es zu einer Verkürzung kommt, dann sparen Sie aber genau diese Millionenbeträge bereits in einer Stadt. Ich meine mich zu erinnern, dass für einen Wahlgang in Dortmund – eine kleine Spitze am Rande: die haben ja große Erfahrung mit der Durchführung von Kommunalwahlen in den letzten Jahren gehabt – Millionenbeträge eingestellt werden müssen, um zu einem separaten Wahltermin zu kommen. Das, Herr Kollege Abruszat, erreichen Sie nicht mit der Versorgung.

Auch wenn Sie hier den Eindruck erwecken wollen, ist es nicht so, dass man für ein Versorgungsjahr – Sie wissen das auch, da Sie ja selbst als Kommunalpolitiker tätig waren, jetzt aber von Ihrem Kreistagsmandat auch zurückgetreten sind, komischerweise geht es offensichtlich auf kommunaler Ebene – riesige Aufwendungen machen muss, denn ein Versorgungsjahr für einen Bürgermeister bedeutet mal 25 € oder 80 € in der zukünftigen Versorgung. Denn wir haben Bürgermeister, die von A 13 bis B 11 besoldet sind. Vor dem Hintergrund Ihrer Tätigkeit wissen Sie dann auch, was ein Versorgungsjahr ausmacht. Versorgung heißt eben nicht – weil das in dem einen oder anderen Fall schon einmal vorgekommen ist, wie ich in der Debatte gehört habe –, dass die Bürgermeister weiter Gehalt beziehen für ein Jahr, in dem sie nicht tätig sind. Das gibt es auf keinen Fall. Das wird auch eindeutig klargestellt, auch in den Gutachten, die Sie gerade genannt haben.

Es geht vielmehr um die Altersversorgung von Bürgermeistern. Wenn die 2009 einen Anspruch darauf hatten, für eine Amtszeit gewählt zu werden, dann ist es auch legitim, diesen Versorgungsanspruch bis zum Jahr 2015 im Falle des freiwilligen Rücktritts zu gewähren.

Ich bedanke mich noch einmal ganz herzlich für die konstruktive Debatte. Herr Biesenbach, ich weiß, dass Sie noch einen Auftritt haben und dass Sie sich noch daran abarbeiten können, was Sie damals gesagt haben und wie Sie das Thema heute sehen. Ich danke auch für die Internetseite der CDU-Landtagsfraktion, die die konträre andere Position, die sie bisher eingenommen hat, deutlich gemacht hat. – Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Hübner. – Nun spricht für die CDU-Fraktion Kollege Biesenbach.

Peter Biesenbach (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Hübner, bevor Sie ans Rednerpult traten, habe ich gedacht, was für eine tolle Debatte. Ich erinnerte mich noch an gestern und an Tagesordnungspunkt zum GFG, wozu die Debatte völlig anders gelaufen ist. Und ich hätte beim Vergleich zu gestern Herrn Körfges gefragt, wie das mit den Sündern ist und wo die sitzen, auf die man sich im Himmel freuen könnte.

(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Ganz so weit wie Sie, Herr Körfges, ist Herr Hübner noch nicht. Er ist noch das berühmte Tier, das nach hinten schaut, um zu sehen, wo es Gras abgrasen kann. Nur, lieber Herr Hübner, Sie hätten vielleicht den Zusammenhang, in dem die Zitate gestanden haben, die Sie uns vorhalten, sehen sollen.

Dazwischen gab es nämlich einen ganz einschneidenden Vorgang. Wir hatten eine Kommunalwahl. Das Verfassungsgericht hat bei seiner Entscheidung seinerzeit die Funktionsunfähigkeit nicht feststellen können. Nur haben wir seit 2009 aufgrund der geänderten Lage schon eine andere Situation. Vielleicht ist daran erkennbar, wie variabel und flott wir uns auf Situationen einstellen können, wenn sie denn eintreten.

Dann noch zu sagen, liebe Kollegen, ich gucke einmal, was früher war, ist eigentlich nichts anderes als Polemik. Nehmen Sie sich die Zeit, reden Sie mit Herr Körfges, und kommen Sie auf dessen Stand.

Herr Körfges, ich möchte mit Ihnen weiter machen, um deutlich zu machen, dass wir hier etwas weiter sind. Ich finde an unserer Debatte einiges schon richtig spannend, und zwar deshalb, weil wir die verfassungsrechtlich zu klärenden Fragen in den Vordergrund stellen und nicht versuchen, uns gegenseitig mit unseren Positionen totzuschlagen.

Es ist völlig richtig, zu fragen, ob die vorgeschlagenen Regelungen verfassungsrechtlich haltbar sind. Das macht gerade die Spannung aus. Ich will Herrn Jäger gern da zustimmen, dass es nicht darum geht, danach zu sehen, was wir verändern können, sondern dass es darum geht, wie wir Räte funktionsfähiger machen. Wir erkennen doch, dass es heute ausgesprochen schwer ist, neue Interessenten zu finden, die bereit sind, für Räte und Kreistage zu kandidieren. Wir erkennen weiter, dass es zumindest in dem Bereich, den ich übersehen kann, schwer ist, junge Menschen für die Ratsarbeit zu interessieren.

Ehrliche Frage: Wer hat denn auch Lust auf Ratssitzungen, wenn sie um 15:00 oder 16:00 Uhr beginnen und dann bis 24:00 Uhr dauern? Entschuldigung, ab 7 Uhr oder 8 Uhr abends ist die Geduld zu Ende. Wenn zu einem Thema sieben oder acht Fraktionen reden, dann hört doch keiner mehr hin.

Also muss die Frage heißen, wie es uns gelingt, Ratsarbeit und kommunale Arbeit so zu gestalten, dass Debatten stattfinden, über die Fragen, die wichtig sind. Dazu ist auch entscheidend, welche Bürgermeister und Landräte wir haben. Ich habe Bürgermeister und Landräte erlebt, die es liebten, Ihren Stadtrat oder ihren Kreistag mit Details totzufüttern. Da gab es so viele Kleinigkeiten zu entscheiden, dass zu den wirklich wichtigen Punkten am Ende der Tagesordnung jeder nur noch den Finger hob, weil alle fertig werden wollten.

Wir brauchen Bürgermeister und Landräte, die bereit sind, zu sagen, die Alltagsarbeit übernehme ich ohne Debatte, aber lasst uns einmal die Richtungsentscheidungen für Entwicklung, Investitionen oder auch für das Leben einer Kommune gemeinsam tragen.

Dann ist nicht danach zu fragen, wer macht das Ganze, da ist nicht mehr danach zu fragen, ob ich getrennte Wahlkämpfe brauche, ob ich einen starken Rat oder einen starken Bürgermeister bzw. Landrat habe. Ich möchte einen Landrat oder einen Bürgermeister haben, der bereit ist, kooperativ mit seinen Fraktionen zu arbeiten, um auf breiter Basis Entscheidungen zu bekommen.

Lieber Hans-Willi, lasse mich hier einen Namen nennen, den ich deshalb erwähnen möchte, weil er das nämlich macht. Ich meine unseren früheren gemeinsamen Kollegen Hagen Jobi, der zeigt, wie man das hinbekommt. Das würden auch die Oppositionsfraktionen bei uns deutlich unterstützen. Wir versuchen, diesen gemeinsamen Stil zu entwickeln.

Wenn ich solche Menschen an der Spitze einer Verwaltung habe, die sagen, wir haben die dienende Funktion, es umzusetzen, wir haben die dienende Funktion, die Fakten zu liefern und Entscheidungen vorzubereiten, um gemeinsame Entscheidungen durchzuziehen, ist es unsere Aufgabe, das Wahlrecht dafür zu schaffen, dass wir solche Arbeit ermöglichen können.

Darauf geht auch der Gedanke zurück, dass wir sagen, bitte sechs Jahre, damit nicht immer wieder gewählt werden muss. Wir sparen auf Dauer eine Kommunalwahl und geben den Räten und Kreistagen damit die Möglichkeit, das hinzubekommen.

Herr Minister, Sie haben Recht, wenn Sie sagen, wir müssten die Entkopplung von den Europawahlen bedenken.

Das müssen wir ohnehin. Denn auch nach den Vorschlägen der Koalition hätten wir ab 2019/2020 getrennte Wahlen. Ob wir das ein Jahr früher oder später bekommen, ist eine andere Überlegung.

Ich finde ganz spannend – das ist kein Vorwurf –, dass wir gesagt haben, wir gehen mit den offenen Fragen in die Anhörung. Wir möchten einer breiten Schar von Experten die Gelegenheit geben, ihre Positionen darzulegen. Das gilt für die Idee unserer kommunalpolitischen Vereinigung, die sagt, möglichst früh, prüft doch einmal, ob es nicht möglich ist, die Wahlzeit zu verlängern. Natürlich gibt es unterschiedliche Meinungen. Wir werden uns nachher fragen müssen, welche Argumente überzeugen uns denn am stärksten.

Das Risiko einer Auseinandersetzung vor dem Verfassungsgericht haben wir immer. Hätten wir das Risiko nicht, bräuchten wir nicht zu arbeiten. Wenn wir immer nur das verabschieden wollen, was nicht Gefahr läuft, in Münster zur Entscheidung vorgelegt zu werden, sollten wir gar nicht mehr arbeiten, weil wir dann so eingeengt wären, dass wir auch keine Entwicklung mehr bekommen. Also das haut hin.

Das gilt auch bei der 3-%-Klausel. Ich habe gesagt, dass wir funktionsfähige Räte und Kreistage wollen. Lassen Sie uns einmal gemeinsam überlegen, ob wir in der Lage sind, nach der Formulierungsunfähigkeit nach der Wahl 2009 in manchen Räten, und ob wir überzeugend belegen können, dass wir mit einer Klausel funktionsfähigere kommunale Vertretungen erreichen können.

Von daher nehmen wir das Dialogangebot gerne an, wobei es ein Dialog sein soll, bei dem nicht wir sagen, ihr macht bei uns mit oder umgekehrt, sondern in den nächsten Wochen und Monaten einmal gemeinsam hinterfragen, wie wir denn eine möglichst große Überzeugung hinbekommen, Entscheidungen zu treffen, die verfassungsrechtlich haltbar sind, die aber auch nach draußen belegen, dass wir niemanden verhindern, aber etwas stärken und die Arbeit vor Ort regeln wollen.

Eine Bitte habe ich noch; sie betrifft die Versorgungsbezüge und den freiwilligen Rücktritt. Wir werden noch einmal intensiv überlegen müssen, ob das Sinn hat. Ich würde mich in meiner Kommune schon fragen, ob ich denselben Bürgermeister wiederwählen soll, der ein Jahr vorzeitig zurücktritt, damit er sich mit der Wahl zum Rat erneut zur Wahl stellen kann. Ich würde schon fragen: Warum trittst du zurück, wenn du wiedergewählt werden willst? – Da müsste noch ein bisschen Überzeugungsarbeit geleistet werden.

Aber auch im Gesetzentwurf habe ich eine Lücke bei der Versorgung entdeckt. Sie schreiben nämlich: Wenn er ein Jahr früher zurücktritt, soll er dieses Jahr versorgungsmäßig angerechnet bekommen. Aber es steht nicht drin, dass es nicht angerechnet wird, wenn er wiedergewählt wird.

(Minister Ralf Jäger: Das ergibt sich aus dem Beamtenrecht!)

– Okay, das klären wir. Das schaffen wir. Es kann damit keine Addition geben. Das bekommen wir geregelt.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Kein Rücktrittsbonus!)

Es gibt also eine Fülle von Fragen. Ich finde es sehr schön, dass wir untereinander abgesprochen haben, dass wir auch Fragen, die sich nicht aus dem Gesetz ergeben, als Fragen in die Anhörung bringen können, damit wir Meinungen erhalten, um nachher auf breiter Datenbasis arbeiten zu können.

Lassen Sie uns anfangen und schauen, dass wir möglichst fundierte Arbeit leisten, damit in den Räten hinterher die Arbeit mehr Spaß macht und wir viele neue Interessenten für Räte und Kreistage haben.

(Beifall von der CDU, der SPD, den GRÜ­NEN und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herzlichen Dank, Herr Biesenbach. – Damit sind wir am Ende der Beratung über Tagesordnungspunkt 2.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/1468 an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Wer stimmt der Überweisung zu? – Stimmt jemand dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig überwiesen.

Wir kommen zu:

3   GEMA-Tarife müssen bezahlbar bleiben

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/1275

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/1561

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Herrn Prof. Dr. Dr. Sternberg das Wort.

(Zuruf von der CDU: Der ist noch nicht da!)

– Er ist noch nicht da?

(Zuruf von der SPD: Erwischt!)

Kommt er noch, oder?

(Ilka von Boeselager [CDU]: Machen Sie weiter! Nehmen Sie den Nächsten! – Gegenruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Wir können nicht weitermachen! Sie sind die Antragsteller! – Prof. Dr. Thomas Sternberg [CDU] betritt eilig den Plenarsaal.)

– Ganz langsam bitte, Herr Kollege Sternberg. Sie brauchen sich nicht zu hetzen. Wir sind nämlich vor der Zeit. Es ist jetzt 12:33 Uhr; der Punkt war für 12:45 Uhr angesetzt. Es kann schon einmal vorkommen, dass wir etwas zügiger im Ablauf sind, wenn wir etwas schneller beraten. Ihr Skript haben Sie dabei. Sie haben das Wort, Herr Kollege. Bitte schön.

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Das war jetzt wirklich etwas überraschend.

(Der Redner ist außer Atem. – Zuruf von den PIRATEN: Erst einmal durchatmen! – Karl Schultheis [SPD]: Holen Sie erst einmal Luft!)

– Das versuche ich gerade.

(Allgemeiner Beifall)

Wir haben einen Antrag zur GEMA vorliegen. Meine Frage an Sie lautet: Haben Sie in Ihrer Jugend auch einmal Ihre Plattensammlung oder die Kassetten mit den Aufnahmen der letzten WDR-Hitparade unter den Arm genommen, um damit eine Fete im Pfarrheim zu machen? Wäre das ungesetzlich, wenn man das heute machte? Oder fielen dafür hohe Kosten an? Müsste man mit Zahlungen an die GEMA rechnen?

Meine Damen und Herren, die Digitalisierung hat viel verändert. Es ist ein sehr großer Unterschied, ob ich für ein Produkt wie eine Schallplatte oder eine CD einen Marktpreis aushandele und festsetze oder ob ich Nutzungsentgelte bekomme. Nutzungslizenz und Preis sind fundamentale Unterschiede. Sie werden verhandelt und eingeholt für die Urheberrechtsfragen von den Vertretungsgesellschaften, wie wir sie für Musik von der GEMA, für Texte in der VG Wort und für Bilder in der VG Bild haben.

Diese Verwertungsgesellschaften sind richtig und wichtig. Selbstverständlich haben Künstler einen Anspruch auf die Honorierung ihrer geistigen Arbeit. Insofern sind diese Gesellschaften notwendig.

Aber unser Urheberrecht wird von zwei Seiten her gefährdet, meine Damen und Herren: auf der einen Seite durch Raubkopien und eine Umsonst-Mentalität und auf der anderen Seite auch durch einen überzogenen Verwertungsabgabeneinzug. Digitalisierung ermöglicht nämlich nicht nur den Missbrauch, Digitalisierung ermöglicht auch bessere Kontrolle. Die wird seit einiger Zeit sehr viel strenger durchgeführt, als das früher der Fall war – ein bisschen getreu dem amerikanischen Motto: E-Book is reading you.

Es geht bei dem, was im Moment mit der GEMA passiert, im Grunde genommen um eine tarifrechtliche Auseinandersetzung mit kommerziellen Anbietern. Das ist aber nicht unser Thema. Denn diese Auseinandersetzungen der GEMA mit dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband, DEHOGA, bewerten wir nicht. Der DEHOGA ist ein zentraler Tarifpartner – so sieht das die GEMA selbst. Sie erarbeiten ein neues, gerechtes Tarifmodell.

In diese Tarifautonomie mischen wir uns als Politik nicht ein – selbst wenn auf beiden Seiten mit harten Bandagen gekämpft wird. Es ist auch ein Schlichter benannt worden, nämlich die Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt. Die Verfahren sind zurzeit anhängig. Wir werden uns hüten, in die laufenden Verfahren einzugreifen oder andere einzuschalten.

Wir sehen das Vorgehen der GEMA bei der Vorbereitung der neuen Tarifstruktur allerdings sehr kritisch. Wir sehen mit großer Sorge, wie die neue Tarifstruktur viele Vereine, Jugendinitiativen und andere bürgerschaftliche Organisationen in einem erheblichen Maße verunsichert.

Wer, so frage ich, hat eigentlich einen Nutzen davon, wenn zum Beispiel ein Laienorchester, das einen zeitgenössischen Komponisten aufführen will, bei dem das Eintrittsgeld gerade die Unkosten deckt, wegen der hohen, mindestens aber unklaren GEMA-Gebühren vor einer Aufführung zurückschreckt?

Unvergessen die Aktion der GEMA vor zwei Jahren: Da hatte man zum Martinsfest nach Medienberichten 36.000 Kindergärten in Deutschland angeschrieben und darauf aufmerksam gemacht, dass sie für Kopien von urheberrechtlich geschützten Liedern Lizenzierungsgebühren zahlen müssten. Damit wurde nicht nur die Vorfreude auf einen Feiertag getrübt; vielmehr wurden Zehntausende von Kindergärtnern, Kindergärtnerinnen und Eltern sehr verunsichert.

Warum wird das eigentlich verschärft? Die Erträge der GEMA sind in den letzten Jahren keineswegs gesunken, sondern haben sich von 810 auf 825 Millionen € in den letzten zehn Jahren moderat pro Jahr erhöht. Zwar gibt es mittlerweile eine Vereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden, wie es jetzt auch Rahmenverträge mit Schützenbruderschaften und Karnevalsvereinigungen gibt. Aber die nichtkommerziellen Veranstalter sind dennoch höchst verunsichert, insbesondere die vielen Vereine, Jugendinitiativen, konfessionell und sportlich orientierten Organisationen.

Meine Damen und Herren, nun liegen zwei Anträge vor. Sie sind ziemlich gleich, kann man feststellen. Aber so geht das nun, wenn man einen Antrag richtig findet, aber partout jeden Anschein vermeiden möchte, mit der Opposition gemeinsam zu stimmen.

Es sind heute übrigens erste Anträge im Komplex eines Megathemas. Die Revolution von Privatleben, Gesellschaft und Recht durch die Digitalisierung haben wir noch nicht ansatzweise verarbeitet. Wir fassen jetzt die ersten Zipfel dieses Komplexes. Wir haben noch die Pflichtabgabe von Druckwerken heute auf dem Programm, wo es auch um Digitalisate geht. Schade, dass die Piraten den Tagesordnungspunkt „Verwaiste Werke“ zurückgezogen haben. Ich hätte mich gerne dazu geäußert. Ich halte den Punkt für sehr wichtig.

Zurück zur GEMA – ich komme zum Schluss –: Die Landesregierung muss Gespräche aufnehmen, damit die nichtkommerziellen Veranstalter aus den Bereichen Kultur, Sport, Jugend und Alter gleichermaßen nicht zu sehr belastet und nicht verunsichert werden. Es darf nicht zu einer völligen Monetarisierung und Ökonomisierung aller Lebensbereiche kommen.

Wir möchten, dass auch künftig Jugendliche zu einer Fete mit ihrer Musik einladen können, ohne Angst zu haben, damit etwas Ungesetzliches zu tun. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Prof. Dr. Sternberg. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Kollege Vogt.

Alexander Vogt (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Kalter Krieg im Klub“, „Prominente auf den Barrikaden“, „Plötzlich Stille“ – all dies sind Überschriften aus Zeitungen der letzten Wochen und Monate, die sich mit dem Thema GEMA-Reform befassen.

Welches Ausmaß hat die vorgeschlagene Tarifreform? Die GEMA vertritt als größte deutsche Verwertungsgesellschaft die Rechte beispielsweise von Musikern, Komponisten, Textdichtern und Verlegern. Sie ist ein von den Künstlern selbst organisierter Verein mit mehr als 64.000 Mitgliedern. Die Gebühren, die die Musiknutzer zahlen, werden zwischen GEMA und verschiedenen Spitzenorganisationen von Verbänden ausgehandelt.

Wenn wir uns ansehen, wer derzeit mit der GEMA verhandelt, dann finden wir da den DEHOGA genauso wie den Bund Deutscher Karneval, die Schützenbünde, den Deutschen Olympischen Sportbund und die kommunalen Spitzenverbände. Die Verhandlungen laufen ähnlich einer Tarifverhandlung ab. Und die Aufsicht führt das Deutsche Patent- und Markenamt.

Zur vorgeschlagenen Tarifreform: Die von der GEMA vorgeschlagene neue Tarifstruktur soll für Veranstaltungen mit Livemusik und Tonträger-Wiedergabe gelten. Eigentlich sollte das Ziel sein, die Tarife zu vereinfachen, gerechter und nachvollziehbarer zu machen. Aus elf Tarifgruppen sollten zwei werden.

Aber wie ist nun der aktuelle Stand? Bei der von der GEMA vorgeschlagenen Reform werden einige Gebührenzahler entlastet, beispielsweise kleinere Klubs. Andere Gebührenzahler werden erheblich stärker belastet. Hierzu zählen große Diskotheken.

Insgesamt kann man festhalten, dass das Vorgehen und die Kommunikation der GEMA große Unsicherheit bei den betroffenen Verbänden und Unternehmen ausgelöst hat. Aktuell haben einige Verhandlungen – Professor Sternberg hat es schon angesprochen – zu Einigungen geführt. So einigte sich die GEMA mit dem Bund Deutscher Karneval mit 5.000 Mitgliedsvereinen. Auch die Schützenbünde haben einen Kompromiss erzielen können. Sie haben immerhin 2,5 Millionen Mitglieder. Diese Einigung begrüßen wir ausdrücklich.

Durch die Bundesvereinigung der Musikveranstalter, den DEHOGA, also für die Diskothekenbetreiber, ist ein Schiedsstellenverfahren eingeleitet. Die Diskussion über eine gerechte Tarifstruktur und darüber, wie Künstlerinnen und Künstler gerecht entlohnt werden können, ist wichtig. Die SPD-Fraktion hatte das Thema schon vor diesem Antrag aufgegriffen und ein großes Werkstattgespräch hier im Landtag veranstaltet. Bereits im letzten Monat diskutierten hier eine Vielzahl von betroffenen Vertretern von GEMA, DEHOGA, Verbänden und Künstlern.

Auch diese Diskussion hat gezeigt: Ein Verwertungssystem für Künstlerinnen und Künstler ist wichtig und wird auch zukünftig gebraucht. Gleichzeitig müssen wir aber die Sorgen der Gebührenzahler ernst nehmen. Durch Tarifänderungen dürfen keine ehrenamtlich organisierten Veranstaltungen verhindert oder wirtschaftliche Unternehmen gefährdet werden. Letzteres gilt für uns insbesondere für die Arbeitsplätze im Veranstaltungsbereich.

Für die SPD-Fraktion gilt: Sollte nach Ende der Verhandlungen nach Abschluss des Schiedsstellenverfahrens weiterhin eine Situation bestehen, die ehrenamtlich organisierte Veranstaltungen gefährdet oder wirtschaftliche Existenzen bedroht, muss die Politik handeln. Dies gilt sowohl für die Bundesregierung als auch für die Landesregierung im Bundesrat.

Nochmal zur GEMA: Wenn für ein Verwertungssystem wie die GEMA Akzeptanz in der Bevölkerung vorhanden sein soll – Alternativen zum bestehenden System werden gerade auf europäischer Ebene schon diskutiert –, dann hat die GEMA die Pflicht, offener und frühzeitiger zu kommunizieren, sensibler im Umgang mit den betroffenen Gebührenzahlern zu sein und insbesondere Transparenz darüber zu schaffen, wie das eingenommene Geld unter den Mitgliedern verteilt wird.

Meine Damen und Herren, uns geht es um einen fairen Interessensausgleich. Herr Professor Sternberg, so weit sind wir bei den beiden Anträgen nicht auseinander. Vielleicht kommen wir bei der Diskussion im Ausschuss zu einer gemeinsamen Positionierung und zu einem gemeinsamen Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herzlichen Dank, Herr Kollege Vogt. – Nun spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unser neuer Kollege Martin-Sebastian Abel. Ich freue mich, dass er heute seine erste Rede hier halten kann. Bitte schön.

(Allgemeiner Beifall)

Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine Veränderung der Tarifgestaltung bei der GEMA ist geplant. Viele würden sagen: Sie droht. Denn wie bereits gehört, werden erhebliche Mehrbelastungen befürchtet. Sollte alles wie geplant eintreten, werden nicht nur Clubs in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht, sondern insbesondere die Berechnungsgrundlagen „Größe des Veranstaltungsorts“, „Zuschauerzahl“ und „Dauer der Veranstaltung“ würden auch nichtkommerzielle Veranstaltungen massiv gefährden.

Davor warnt der Deutsche Landkreistag ebenso wie der Städte- und Gemeindebund. Auch der Deutsche Olympische Sportbund hat jüngst in einer Pressemitteilung vom 19. November die Tarifsteigerungen wortwörtlich als „nicht ansatzweise tragbar“ bezeichnet.

Als Beispiel und stellvertretend für die vielen Stimmen aus dem Sport möchte ich die Bedenken des Deutschen Tanzsportverbands vortragen. Für die oft in großen Hallen stattfindenden Tanzturniere wird mit einer Erhöhung der Gebühren von derzeit etwa 1.500 € pro Veranstaltung auf bis zu 33.000 € gerechnet.

Meine Damen und Herren, angesichts der aufgezeigten Dimensionen sollten wir die Bedenken gegenüber der Tarifreform ernst nehmen und uns als Parlament zu diesen Verhandlungen äußern, auch wenn es eigentlich nicht die Aufgabe von Politik ist, in Tarifverhandlungen einzugreifen. Aber wir können bei solchen existenzbedrohlichen Dimensionen nicht untätig zuschauen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das Thema der Tarifstruktur geht uns als gewählte Abgeordnete sehr wohl an. Deswegen ist der Antrag von der CDU, genauer gesagt, Ihr Antrag, Herr Kollege Sternberg, richtig. So haben bereits die Landtage in Hessen und Rheinland-Pfalz entsprechende Beschlüsse gefasst. Letzterer scheint Inspirationsquelle für den vorliegenden Antrag der CDU gewesen zu sein. Zum Teil wurde der Text wortwörtlich übernommen. Aber an dieser Stelle ist es richtig. Aber da wir über Urheberrecht reden, sollte das erwähnt werden. Sie sprechen in diesem Antrag viele, auch aus unserer Sicht richtige Punkte an.

Ich will Ihnen kurz begründen, warum wir Ihnen dennoch unseren Entschließungsantrag vorgelegt haben. Wir fordern die Verbesserung der Aufführungsbedingungen für nichtkommerzielle Veranstaltungen wie Bürgerfeste oder ehrenamtliche Vereinsveranstaltungen. Aber wir wollen für den Fall, dass nach Abschluss des Schiedsverfahrens unsere Bedenken nach wie vor bestehen, im Bundesrat eine Änderung des Urheberrechts initiieren, sodass auch geeignete aufsichtsrechtliche Maßnahmen gegenüber der GEMA möglich sind.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aus unserer Sicht gehört in die Debatte um die GEMA unbedingt – das ist der zentrale Punkt unseres Antrags –, ausgehend von einem gesellschaftlichen Konsens … Oder anders: Ich hoffe, dass in diesem Haus außer Frage steht, dass Künstlerinnen und Künstler einen fairen Anteil am Verkauf und der Vermarktung ihres Werkes erhalten sollen. Jedenfalls kann ich das für meine Fraktion so feststellen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ob das jetzige Vergütungssystem diesem Anspruch allerdings gerecht wird, ist seit längerer Zeit Gegenstand einer Kontroverse quer durch die kreative Szene, durch die Politik und die Parteien. Ich will stellvertretend für viele kritische Künstlerinnen und Künstler die Worte der Musikerin Zoe.Leela aus der „Süddeutschen Zeitung“ vom 19. September zitieren:

„Der ganzen Struktur der Gema haftet der Ruch des Undemokratischen an. Unter anderem, weil nur die fünf Prozent beitragstärksten Mitglieder überhaupt Stimmrecht haben. … Die Verteilung von Geldern ist völlig unübersichtlich … Es gibt keinerlei unabhängige Kontrolle über das komplexe System Gema.“

Daher schließt Zoe.Leela für sich:

„Ich werde immer für meine Freiheit kämpfen und nie die Rechte an meinem Werk an andere abtreten.“

Dieser Auszug fasst, so finde ich jedenfalls, die vorgebrachte Kritik am gegenwärtigen GEMA-System sehr prägnant und sachlich zusammen.

Wir greifen diese Punkte in unserem Antrag auf und fordern, einfache und nutzerfreundliche Modelle zu entwickeln, damit es einen fairen Interessenausgleich zwischen den Rechten der Künstlerinnen und Künstler sowie den Nutzerinnen und Nutzern gibt. Dazu gehört die Transparenz über die Verteilung der Einnahmen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir wollen, dass Veranstaltungen von Ehrenamtlichen, Sport- und Vereinsveranstaltungen mit Musik nicht unter den überzogenen Gebührenerhöhungen leiden müssen. Wir wollen unsere lebendige Kulturszene, zu der eben auch die Clubs gehören, erhalten. Da sind wir so weit nicht auseinander.

Es wäre gut – lassen Sie mich das zum Abschluss sagen –, wenn wir im Landtag eine möglichst breit getragene Positionierung finden könnten. Wir haben mit unserem Entschließungsantrag unsere Vorschläge präsentiert. Er wird mit Ihrem Antrag in den Kultur- und Medienausschuss überwiesen. Ich freue mich auf eine konstruktive Debatte. – Danke.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herzlichen Dank, Herr Kollege Abel, und herzlichen Glückwunsch zur ersten Rede, die mit 4:59 Minuten auch noch zeitlich eine Punktlandung ist.

(Allgemeiner Beifall)

Nun geht Herr Kollege Nückel von der FDP-Fraktion ans Rednerpult. Bitte schön, Herr Nückel, Sie haben das Wort.

Thomas Nückel (FDP): Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ist die GEMA nun ein gieriger Vampir oder doch nur ein Geld spendender Engel? Das ist freilich eine Frage des Standpunkts.

Der Ruf der GEMA wie auch der GEZ liegt für die meisten Menschen höchstwahrscheinlich auf dem Niveau von Jack the Ripper oder Nosferatu. Umgekehrt ist aber auch für viele Künstler, auch „kleine“ Künstler, bei allem Verteilungsärger innerhalb der GEMA die harsche Kritik nichts weiter als ein Angriff von kleinen Blutsaugern mit großen Beißern, auf denen „Darf nix kosten“ eingraviert ist, also ein Angriff auf ihre künstlerische Existenz.

Über die Grundidee einer Verwertungsgesellschaft lässt sich kaum streiten. Der Auftrag lautet, das Geld für Texter und Komponisten einzusammeln, das andere mit der Arbeit der Künstler direkt oder indirekt verdienen. Es geht also um die Lebensgrundlage von Künstlern. Ob die GEMA da noch up to date ist, davon später.

Die Befürchtungen der Branche, dass die neuen Gebühren existenzgefährdend sind, sind natürlich ernst zu nehmen, ebenso die weiter gehenden Konflikte wie die Kritik am Verteilungsverfahren oder die Frage der Sinnhaftigkeit der GEMA-Vermu­tungsregel. Wir hoffen, dass die GEMA und zum Beispiel die Clubbesitzer eine einvernehmliche Lösung finden. Denn scheitert die und kommen in Nordrhein-Westfalen im Frühling 2013 zum Rauchverbot auch noch die massiven Erhöhungen der GEMA-Gebühren auf die Clubs und Kneipen zu, erleben deren Betreiber und die Gäste höchstwahrscheinlich einen Alptraum unter dem Motto: Rauchen vor musiklosen Tanzschuppen.

(Beifall von der FDP und Dr. Joachim Paul [PIRATEN] – Minister Guntram Schneider: Mein Gott!)

Aber ich will nicht so tun, als gäbe es eine einfache Lösung. Dass Musiker mehr von dem Geld wollen, das andere durch das Abspielen ihrer Musik verdienen, kann ich gut verstehen. Also müssen Kompromisse gefunden werden. Wenn die GEMA transparenter wäre und wenn sie ihre Mitglieder gleichberechtigt behandeln würde, wären die Verhandlungen sicherlich einfacher. Aber es gibt hier nicht nur die Guten und die Bösen.

Die Intention der Anträge ist klar: Sie wollen einen fairen Ausgleich der Interessen aller Beteiligten in diesem Prozess der GEMA-Gebühren. Okay. Jetzt kommt das kleine Aber: Ich halte es für schwierig, wenn im Unions-Antrag zum Beispiel von einer grundsätzlichen Ablehnung eines Verhaltens der Beteiligten gesprochen wird, man andererseits aber genau darüber zu einer Lösung kommen will. Die Frage ist: Beschäftigt sich Politik da mit einem Problembereich oder mit der öffentlichen Wahrnehmung eines Problembereichs? Darf sich Politik direkt oder indirekt in die Verhandlungen zweier Tarifparteien einmischen? Ich sage: Nein! Sie unterstützen das ja, allerdings mit Abstrichen.

Sie machen damit im Grunde genommen, was Sie eigentlich nicht machen dürfen: Sie wecken Illusionen, und Sie drohen. Das ist ja schon ein Eingriff. Der weitgehend appellierende Charakter der Anträge erscheint mir dann ein wenig so, als wüssten Sie bereits, dass Sie so tun, als könne man damit jetzt Trüffel in der Sahara finden.

Die Forderung zum Beispiel nach staatlichen Aufsichtsregeln im Falle des Worst Case – wenn die Einigung also nicht so ist, wie Sie sich das wünschen – wird erst mal nicht helfen; denn die finanzielle Grundfrage für die Urheber werden Sie damit nicht lösen.

Sicher: Die GEMA wirkt auf viele Menschen, als habe sie die Digitalisierung und neue Konzepte fürs Internet verschlafen. Hat sie wohl auch! Mir scheint, der GEMA fehlte die Konkurrenz. Das ist eben das Problem mit Monopolen. Aber da tut sich ja etwas.

Künstler wollen eine eigene Verwertungsgesellschaft mit europäischer Dimension bilden – Name: Cultural Commons Collecting Society, kurz: C3S –, und zwar als Genossenschaft, die auf Basis von Creative-Commons-Lizenzen arbeiten will. Also: Künstler wollen selber entscheiden, wofür sie wie viel Geld verlangen.

Der Zulassungsantrag der Genossenschaft wird höchstwahrscheinlich 2013 auf dem Tisch des Patent- und Markenamtes landen. Das macht die GEMA nicht überflüssig, soll es auch gar nicht, aber es wird frischen Wind ins Verwertungsgesellschaftsgeschehen bringen. Die Entwicklung bleibt also spannend.

Bei der GEMA verändert sich was. An dem Mangel an Kommunikation und Offenheit arbeiten die ja. Man redet zum Beispiel wieder. Es sind auch Einigungen außerhalb des Schiedsstellenverfahrens möglich. Und das ist gut so. Die anstehenden Gespräche zwischen LiveKomm, dem Verband der Musikspielstätten in Deutschland, und der GEMA, aber beispielsweise auch der rhetorische Frontalangriff einer verdienten Varietégröße auf die in diesem Fall völlig unschuldige Ministerpräsidentin haben ja zur Blitzeinigung geführt.

Fest steht sicher auch: Bei vielen anderen Betroffenen im gemeinnützigen und ehrenamtlichen Sektor und im Vereinswesen, bei den Organisatoren von Straßenfesten, aber selbst bei den deutschen Schaustellern herrscht immer noch große Unsicherheit. Die Proteste und Sorgen der Clubszene sind also kein isoliertes Nischenproblem.

Deswegen stimmen wir selbstverständlich der Überweisung der Anträge in den Ausschuss zu – verbunden mit der Anregung, die Beratungen eventuell mit einem Expertengespräch anzureichern. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und Prof. Dr. Thomas Sternberg [CDU])

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Kollege Nückel. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Herrmann.

Frank Herrmann (PIRATEN): Verehrter Herr Präsident! Liebe Menschen im Publikum und am Stream! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Wir sind hier im Parlament! Das ist keine Show!)

Erst einmal muss ich meinen Respekt gegenüber den Fraktionen der CDU, der SPD und der Grünen und auch Herrn Nückel zum Ausdruck bringen: Das ist ein durchaus positives Signal, dass hier über die GEMA nachgedacht wird.

Ich sehe in Ihren Anträgen, dass wir uns im Grunde doch sehr einig sind – einig darin, dass eine kollektive Rechtewahrnehmung künstlerischer Werke über Verwertungsgesellschaften eine sinnvolle Einrichtung ist.

Beide Anträge fordern einerseits faire und bezahlbare Tarife von der GEMA, damit auch in Zukunft die Ausrichtung von Brauchtumsfesten und nichtkommerziellen kulturellen Veranstaltungen ohne große finanzielle Hürden möglich ist.

Andererseits ist von fairem Interessenausgleich zwischen den Nutzern und den Urhebern die Rede. Alle sind sich einig, dass wir für diesen fairen Interessenausgleich Verwertungsgesellschaften brauchen. Aber Sie reden wie selbstverständlich nur von der GEMA und akzeptieren damit ihre Monopolstellung im Bereich der Rechtewahrnehmung für Musikdarbietungen im öffentlichen Raum.

Die Forderungen nach fairem Interessenausgleich sind schon alle umgesetzt und stehen im Urheberrechtswahrnehmungsgesetz. Wir brauchen hierfür keine Gesetzesänderung, sondern wir brauchen etwas ganz anderes. Herr Nückel, Sie haben mir da ein bisschen die Show gestohlen, ich wollte nämlich auch auf eine Konkurrenzsituation zu sprechen kommen.

Dazu eine vergleichende Situation aus dem frühen 20. Jahrhundert in den USA: In den 1930er-Jahren wurde das Radio als Quelle neuer Musik und Unterhaltung immer wichtiger. Das schien den Verkauf von Schallplatten zu schwächen und die Existenz von kommerziell ausgerichteten Liveshows zu bedrohen. Es hat sich dann die Organisation ASCAP, vergleichbar mit der GEMA, gegründet. Die Radiostationen mussten Pauschalgebühren abführen. Diese Einnahmen wurden dann – wie hier von der GEMA – an die Künstler ausgeschüttet.

Dann passierte Folgendes: Im Jahr 1939 war große Depression, die Einnahmen der Künstler waren eingeschränkt, das Geld wurde knapp. Die ASCAP erhöhte die Gebühren um 400 %. Was ist passiert? Die Radiostationen gründeten eine eigene, kostengünstigere Non-Profit-Alternative zu ASCAP, die BMI, und spielten deren Repertoire. Durch diese Konkurrenzsituation hat die ASCAP die Erhöhung dann Stück für Stück zurücknehmen müssen. Mittlerweile gibt es in den USA drei Verwertungsgesellschaften für Musikdarbietungen im öffentlichen Raum.

Ich denke, das ist ein Weg. Die Konkurrenz für die GEMA ist schon lange notwendig. Denn viele Künstler finden sich in den starren Regeln, die die GEMA hier anbietet, nicht wieder. Als Mitglied der GEMA müssen Musikerinnen und Musiker für die Aufführung ihrer eigenen Werke Gebühren bezahlen. Sie dürfen ihrem Publikum eigene Stücke nicht frei im Netz zur Verfügung stellen, um etwa für Liveauftritte zu werben. Die Statuten der GEMA verbieten das. Auch neue Lizenzmodelle wie zum Beispiel Creative Commons, die freie private Nutzung erlauben, werden von der GEMA nicht akzeptiert.

In diesem Jahr – Herr Nückel, Sie haben es erwähnt – wurden die Bemühungen der Initiative C3S großflächig bekannt. Die Cultural Commons Collecting Society wird Anfang nächsten Jahres den Antrag auf Zulassung als Verwertungsgesellschaft beim Deutschen Patent- und Markenamt einreichen. Sie soll als europäische nichtgewinnorientierte Verwertungsgesellschaft gegründet werden.

Gerade im Bereich der nichtkommerziellen musikalischen Aufführungen und Nutzungen ist die C3S-Initiative wegweisend. Hier werden Künstler, die ihre Werke unter freier Lizenz veröffentlichen, akzeptiert und unterstützt. Jedoch handelt es sich nicht um eine reine Umsonst-Kultur. Auch unter freien Lizenzen veröffentlichte und aufgeführte Werke müssen angemessen vergütet werden, wenn sie in einem kommerziellen Rahmen benutzt werden.

Daher möchten wir ausdrücklich betonen, dass das Problem mit der GEMA nicht durch die Verwaltung oder Regierung zu regeln ist, sondern auch durch den Markt. Wir müssen eine langfristige Perspektive schaffen. Es gibt kein Gesetz, welches ein Monopol für nur eine Verwertungsgesellschaft garantiert.

Genauso ist eine Oberbehörde zur Aufsicht über die Kontrollfunktionen des Deutschen Marken- und Patentamts – so wie Sie von den Grünen es vorgeschlagen haben – in unseren Augen wenig sinnvoll. Denn eine solche Einrichtung würde zu einem weiteren Kostenanstieg und weniger Flexibilität führen. Das ist nicht im Sinne der Künstlerinnen und Künstler und auch nicht im Sinne des Publikums und der Fans.

Lassen Sie uns doch im Ausschuss überlegen, wie neue Verwertungsgesellschaften gefördert werden können und somit der kulturellen und musikalischen Vielfalt ein der Zeit angemessener fruchtbarer Boden bereitet werden kann. Wir sind sicher, dass das auch Einfluss auf die Tarife der GEMA haben wird. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Herrmann. – Für die Landesregierung spricht nun der Wirtschaftsminister, Herr Duin.

Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk: Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Abgeordneten! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Debatte bezieht sich auf ein Thema, das die betroffenen Branchen, Musikveranstalter, Clubs, Diskotheken, aber eben auch die nichtkommerziellen Veranstalter wie Vereine und Bildungseinrichtungen – Sie haben es selbst in Ihren Beiträgen zum Ausdruck gebracht – seit vielen Monaten bewegt.

Die von der GEMA angekündigte neue Tarifstruktur sorgt aus deren Sicht für mehr Transparenz. Viele Veranstalter befürchten aber einen enormen Gebührenanstieg. Darum ist ein Verfahren zur Klärung der Angemessenheit der Tarife bei der Schiedsstelle nach dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz beantragt.

Insofern kann man allen Rednern und Antragstellern sagen: Das Problem ist zu Recht erkannt, die Analyse stimmt. Und es gibt ja auch – das hat die Debatte bisher gezeigt – ein großes Maß an Übereinstimmung.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)

Die Landesregierung setzt sich im Streit um die GEMA-Tarife bereits seit geraumer Zeit für einen fairen Interessenausgleich zwischen Musiknutzern einerseits und den Produzenten andererseits ein. Für uns sind kulturelle Vielfalt und eine erfolgreiche Musikwirtschaft wichtige Standortfaktoren, die es zu erhalten und zu stärken gilt.

Die Musikwirtschaft spielt in Nordrhein-Westfalen eine bedeutende Rolle. Sie ist erfolgreich. 2011 hat sie ihren Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um rund 10 % auf etwa 1,9 Milliarden € gesteigert. Die Bruttowertschöpfung betrug 644 Millionen €. Diese Zahlen machen deutlich, welche Bedeutung das hat.

Hier bei uns im Land wird knapp ein Drittel des Gesamtumsatzes dieser Branche generiert. Umso wichtiger ist es, dass alle am Erfolg dieses Wirtschaftszweiges Beteiligten zu ihrem Recht kommen: Komponisten, Musiker, Ensembles, aber auch Verlage, Produzenten und Labels sowie die Konzert- und Veranstaltungshäuser bis hin zu den Festivals.

Deshalb müssen die Rechte der gewinnorientierten, aber auch der ehrenamtlichen Musikveranstalter ebenso beachtet werden wie die der Urheber von Musik. Eine ausreichende und faire Vergütung der Autoren und Komponisten ist ebenso wichtig wie der Erhalt der lebendigen Veranstaltungsszene in Nordrhein-Westfalen. Das gilt für den Club in der Großstadt genauso wie für die Disko auf dem Land oder am Stadtrand, wie für das Schützenfest, die Schülerparty oder für die auch schon genannte Karnevalssitzung.

Wir erwarten von dem beim Deutschen Patent- und Markenamt als Schiedsstelle anhängigen Verfahren, dass es diese Ausgewogenheit herstellt. Auch wenn die GEMA die neuen Vergütungssätze bereits im Bundesanzeiger veröffentlicht hat, heißt das eben nicht, dass damit bereits das letzte Wort gesprochen ist. Schließlich hat die Gesellschaft selbst einen Antrag auf Einleitung des Schiedsstellenverfahrens gestellt und unter anderem inzwischen mit dem Bund der Deutschen Karnevalsvereine einen Pilotvertrag mit modifizierten Tarifen abgeschlossen. Das zeigt, es gibt Verhandlungsspielraum, es gibt Bewegung.

Bis zum Abschluss des Schiedsverfahrens sollte die GEMA allerdings ihre mit der Strukturreform verbundene Tariferhöhung aussetzen. Andernfalls ist zu befürchten, dass bei den erheblichen erwarteten Gebührenanhebungen viele Betriebe, die Musik abspielen, durchaus auch in Existenznot geraten. Und wenn die Diskothek oder die Gaststätte erst einmal pleite ist, dann nutzt ihnen auch der Schiedsspruch zu ihren Gunsten im Nachhinein nichts mehr.

Wir sehen – so habe ich die Debatte in allen Reden und Anträgen heute wahrgenommen –, dass wir gemeinsame Zielvorstellungen haben. Diese sind auch durch uns in Arbeit.

Die Länder haben sich in den unterschiedlichen Gremien, etwa im Kreise der Verbraucherschutzministerinnen und -minister, bereits ausführlich mit diesem Thema befasst. Und die Konferenz der Wirtschaftsminister am kommenden Montag und Dienstag in Kiel wird sich bei ihrer Sitzung ebenfalls mit diesem Sachverhalt beschäftigen.

Der Wirtschaftsministerkonferenz liegt ein Beschlussvorschlag vor, mit dem die Justizminister noch einmal gebeten werden, sich für eine Überprüfung des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes einzusetzen, auch mit dem Ziel, einen besseren Interessenausgleich zwischen Urhebern und Nutzern zu erreichen. Ich selbst habe schon im Sommer mit dem Kollegen aus dem Saarland entsprechende Verabredungen getroffen, damit wir Anfang der kommenden Woche entsprechende Beschlüsse fassen können.

Zugleich werden wir am Montag und am Dienstag an die GEMA appellieren, den Vollzug ihrer Tarifreform zum 1. April 2013 auszusetzen, sollte bis dahin im Rahmen der laufenden Schiedsverhandlung keine Einigung mit der Bundesvereinigung der Musikveranstalter über die zukünftige Tarifstruktur gefunden werden. Oberstes Ziel ist für uns eine Existenzsicherung für die von der Tariferhöhung Betroffenen.

Meine Damen und Herren, jedenfalls habe ich die Debatte so wahrgenommen, dass es möglich ist, vielleicht Dinge auch noch zusammenzuschieben und – wie in anderen Landtagen auch – zu einer gemeinsamen Stellungnahme zu kommen. Das würde jedenfalls der Landesregierung bei ihrem Verhalten gegenüber der GEMA wegen ihres Vorgehens gegenüber den Betroffenen deutlich den Rücken stärken. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Wir sind damit am Ende der Beratung dieses Tagesordnungspunktes angelangt und kommen zur Abstimmung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/1275 einschließlich des Entschließungsantrages der Fraktionen von SPD und Grünen Drucksache 16/1561 an den Ausschuss für Kultur und Medien. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Ich darf fragen, wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen möchte? – Gibt es Widerspruch, sprich: Neinstimmen? – Das ist nicht der Fall. Enthaltungen? – Auch nicht. Damit ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Wir treten in den nächsten Tagesordnungspunkt ein:

4   Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutz von Nichtraucherinnen und Nichtrauchern in Nordrhein-Westfalen (Nichtraucherschutzgesetz NRW – NiSchG NRW)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/125

Änderungsanträge
der Fraktion der PIRATEN
Drucksachen 16/1549,
16/1551 und 16/1552

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Arbeit, Gesundheit und Soziales
Drucksache 16/1493

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/1558

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/1559

zweite Lesung

Ich mache darauf aufmerksam, dass der Änderungsantrag Drucksache 16/1550 der Piraten inzwischen zurückgezogen worden ist.

Ich eröffne die Beratung und erteile zunächst für die SPD-Landtagsfraktion Herrn Kollegen Adelmann das Wort.

Dr. Roland Adelmann (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Nichtraucherschutzgesetz liegt Ihnen zur Bearbeitung, Neufassung und Beschlussfassung vor. Nach den Erfahrungen in der Praxis der letzten Jahre war das notwendig geworden.

Der Zusammenhang zwischen aktivem und passivem Rauchen mit Krebshäufigkeit, der Zusammenhang zwischen Rauchen und der Infektanfälligkeit von Kindern, der Zusammenhang von Rauchen und obstruktiven Lungenerkrankungen und der Zusammenhang von Beeinträchtigungen des Herz-Kreislauf-Systems – gerade bei Kindern und Jugendlichen – ist wissenschaftlich eindeutig, klar und sauber nachgewiesen und belegt. Schutz vor passivem Rauchen ist absolut notwendig.

Vor diesem Hintergrund wurde in mehreren anderen Bundesländern ein unterschiedlich stark eingreifendes Rauchverbot beschlossen – so auch in NRW. Das in NRW bestehende Gesetz ist löchrig. Es ist derart lückenhaft und durchlässig, dass von einem wirksamen Kinder- und Jugendschutz nicht die Rede sein kann. Oder wie soll man es sonst nennen, wenn auf Kinderspielplätzen in unserem Land noch geraucht werden darf?

Das Gesetz ist derart lückenhaft und durchlässig, dass diese Löcher mit freiwilligen Selbstverpflichtungen gestopft und das Gesetz darum ergänzt werden musste. Das sind freiwillige Selbstverpflichtungen, die in einigen Gaststätten mit konsequentem Jugendschutz – auch beim Ausschank alkoholischer Getränke – gut umgesetzt wurden.

Diesen lobenswerten Ausnahmen steht ein großer Bereich gegenüber, in dem Raucher- und Nichtraucherräume nicht sauber, geschweige denn lufttechnisch voneinander abgetrennt wurden. Dieser Bereich ist nun klar und gesetzlich unangreifbar zu regeln.

Emotionale Diskussionen zu diesem Thema sind vorprogrammiert. Jeder hier im Saal hat in den letzten Monaten sicherlich ein paar Hundert Mails für oder gegen den Nichtraucherschutz erhalten, teils mit individuellen Begründungen, teils die gleiche Mail noch einmal und noch einmal. Insgesamt ergab sich für mich ein paritätisches Bild.

Hinzu kamen noch Gastwirte, die nicht offen, aber in persönlichen Gesprächen um ein klares und einheitliches Rauchverbot baten. Ihre spezielle Schwierigkeit ist es, dass die Raucherlaubnis von einigen noch als Wettbewerbsvorteil gesehen wird. Rauchen darf aber nicht gegen den Willen der Angestellten oder Gastwirte ein Standortvorteil sein. Ein Umdenken zugunsten der Angestellten ist aus Sicht der Gesundheitsfürsorge dieses Staates gegenüber jedem Mitglied der Gesellschaft geboten.

Also war ein konsequentes Gesetz ohne Wettbewerbsverzerrungen gefordert. Grüne und SPD legen Ihnen heute einen Gesetzentwurf vor, der dem Rechnung trägt.

Wer anderen etwas vorschreibt, muss erst einmal selber mit gutem Beispiel vorangehen. Dieses Haus geht mit gutem Beispiel voran!

(Vereinzelt Lachen)

Im Landtag werden – bis auf unsere Außenrauchbereiche – keine Rauchgelegenheiten oder spezielle Räume zugelassen.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

„Don’t be a MAYBE“ heißt es in der Zigarettenwerbung. Nehmen wir uns das zu Herzen: Ein Maybe, ein Vielleicht in Bezug auf Ausnahmen…

(Anhaltende Zurufe von Marcel Hafke [FDP])

– Ich verstehe Sie von hier vorne aus nicht.

Ein Maybe, ein Vielleicht in Bezug auf Ausnahmen, wird es vor der eigenen Haustüre nicht geben. Das ist mit dem vorliegenden Gesetzentwurf klar geregelt.

Ein Maybe in Bezug auf Ausnahmen in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens wird es auch nicht geben.

Warum? – Es gibt doch viele Freiwillige, die größere Einschränkungen vereinbart haben und Selbstverpflichtungen eingegangen sind.

Die Expertenanhörung zum Thema ergab ganz klar, dass einige dieser Selbstverpflichtungen nicht funktionierten. Lassen Sie mich als Beispiel den Kinderkarneval nennen. Ein wichtiger Verbandsvertreter behauptete, dass dort alles in Ordnung sei. Gleichzeitig wurde uns von einer unabhängigen Forschungsstelle eine Untersuchung vorgelegt, die eindeutig zeigt, dass die Selbstverpflichtung dort überhaupt nicht funktioniert:

Wenn die vom Deutschen Krebsforschungszentrum kontrollierten 21 Festivitäten siebzehnmal nicht rauchfrei waren und die Kinder direktem Rauch ausgesetzt waren, bleibt uns gar nichts anderes übrig, als eine saubere, klare gesetzliche Regelung zu finden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ein Maybe – vielleicht regelt sich das alles noch – hat hier wirklich nichts zu suchen.

Auch das Argument, dass Jugendtanzgruppen nur ganz kurz in den verräucherten Räumen auftreten und auf der Bühne stehen, ist reine Augenwischerei. Ja, diese Jugendlichen und Kinder stehen nur zehn Minuten auf der Bühne. Aber was machen sie in dieser Zeit? – Ruhig auf dem Platz sitzen und etwas trinken wie hundert andere im Saal? – Nein, diese Kinder und Jugendlichen erbringen dort, auf der Bühne, sportliche Höchstleistungen. Die stehen dort oben und atmen nicht nur flach und oberflächlich ein und aus, nein, tief und intensiv. Sie powern sich aus, sie atmen schnell und mehr und intensiver Rauch ein, als jeder andere in diesem Saal. Diese Leistung, dieses massive Ein- und Ausatmen, erbringen sie nicht nur für einen Auftritt, nein, sie vollbringen diese Leistung während einer Session 80, 90,100 Mal oder sogar noch häufiger.

Das ist eine reale Gefährdung. Wer das herunterspielt, macht sich in den Augen eines jeden, der auch nur einen Hauch einer medizinischen Bildung hat, lächerlich.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die SPD fordert daher jeden in diesem Hause zu einem klaren Statement für den Schutz unserer Jugend auf. Rauchen oder nicht rauchen, ein jeder Erwachsener erfüllt auch eine Vorbildfunktion. Das Rauchen einer E-Zigarette ist übrigens ein optisch gleicher Vorgang.

(Zuruf von den PIRATEN: Optisch! Jawohl!)

Nebenbei bemerkt: Eine Raucherentwöhnung mithilfe einer E-Zigarette hat keine höhere Erfolgsquote als eine herkömmliche Entzugsmethode.

(Zuruf von den PIRATEN: Schokoladenzigaretten! Kennen Sie die?)

– Schokoladenzigaretten werden Sie bei mir zu Hause oder bei meinen Kindern nie gefunden haben, fertig.

(Zuruf von der FDP)

Einem vierjährigen Kind ist es egal, ob Sie nun eine E-Zigarette rauchen oder eine echte. Es ist optisch der gleiche Vorgang und erfüllt die Voraussetzungen, ein Werbeträger zu sein. Das ist so einzustufen wie der altbekannte rauchende Cowboy aus der Zigarettenwerbung, und den haben wir bekanntlich nicht umsonst EU-weit verboten.

Zudem sind die Bestandteile des Dampfes nicht einheitlich. Eine Gesundheitsgefährdung besteht durch die Additive. Eventuell unbedenkliche Zusammensetzungen sind noch nicht abschließend getestet. Daraus resultiert definitiv, dass zum jetzigen Zeitpunkt eine Ausnahme nicht erfolgen darf.

Wir sind uns hingegen bewusst, dass es eine Ausnahme für eine ganz persönliche Feier, zum Beispiel eines älteren Menschen, der sich nicht mehr umstellen kann, geben darf.

(Karl-Josef Laumann [CDU]: … Gästeliste schicken oder wie?)

– Ich kann Ihnen da gerne die Sachen schicken, damit Sie ein paar Informationen haben und ein bisschen zum Hintergrund wissen.

Diese Ausnahme wird, wie es in anderen Bundesländern gut funktioniert, auch hier klar geregelt, und es wird unter bestimmten Auflagen erlaubt. Es wird also dem achtzigjährigen Geburtstagskind möglich sein, auf seiner von der Öffentlichkeit abgeschirmten Feier seine ganz persönliche Geburtstagszigarre zu zelebrieren.

Was ist das langfristige Ziel? – Langfristig ist eine möglichst rauchfreie Gesellschaft das Ziel.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Abgeordneter, entschuldigen Sie bitte. Würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schmalenbach von der Piratenfraktion zulassen?

Dr. Roland Adelmann (SPD): Ja, gerne.

Kai Schmalenbach (PIRATEN): Vielen Dank für die Möglichkeit zur Zwischenfrage. – Würden Sie mir zustimmen, dass auch das Trinken von Alkohol ein optischer Vorgang ist, der einen Werbeeffekt hat?

Dr. Roland Adelmann (SPD): Ja.

(Zuruf von der FDP: Das kommt als Nächstes!)

Ich erwarte Ihren Antrag für den Jugendschutz, da Sie das angesprochen haben und auf dem Schirm haben.

(Beifall von der SPD – Zuruf von den PIRATEN: Trinken aus Flaschen verbieten!)

Es geht sehr wohl um Jugendschutz. Im Vergleich zu der Jugendzeit der meisten hier im Raum Anwesenden ist der Anteil von rauchenden Jugendlichen deutlich zurückgegangen. Das ist ein guter Trend. Den gilt es aufrechtzuerhalten und zu verstärken. Öffentliche Shisha-Kneipen sind hier kontraproduktiv und gehören darum nicht als Ausnahme in unseren Gesetzesvorschlag.

Interessanterweise gibt es Untersuchungen, die belegen, dass auch eine Einschränkung der Rauchmöglichkeiten im öffentlichen Raum gleichzeitig positive Auswirkungen auf das Rauchverhalten im häuslichen Umfeld hat. Ältere rauchen nicht nur vermehrt an der frischen Luft auf dem Balkon. Nein, der Gesamtkonsum zu Hause geht zurück. Das war für mich persönlich eine nicht unbedingt zu erwartende Reaktion auf ein öffentliches Verbot. Aber hier können wir also positives Verhalten gerade verstärken und sollten diese Chance im Gesundheitssystem nutzen und die Gesundheitsfürsorge verbessern.

Der Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes hat einen guten Grund. Mancher Rheinländer mag nur froh sein, dass dieser Tag außerhalb der Session liegt. Aber es gibt auch einen wesentlicheren Aspekt. Im Zuge der Diskussion über die letzten Monate war immer wieder festzustellen, dass etliche Gastwirte noch kein Konzept entwickelt haben und noch keine Beratung ihrer Verbände eingeholt haben, wie sie ihren Betrieb nach der Einführung eines konsequenten Nichtraucherschutzes betreiben wollen. Diesen Betrieben wollen und diesen Betrieben werden wir genügend Zeit einräumen, ihr individuelles Konzept zu entwickeln und die entsprechenden Vorbereitungen zu treffen, um in den ersten warmen Frühjahrstagen dann mit einem sanften Übergang neu starten zu können. Das ist ein angemessener Zeitraum, um sich adäquat und existenzsichernd auf ein Gesetz vorzubereiten.

Dieses Gesetz steht übrigens in Einklang mit den Forderungen der Ärztekammern, den Forderungen des Deutschen Krebsforschungsinstitutes, des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte sowie den Forderungen des Deutschen Kinderschutzbundes.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, bedenken Sie bei Ihrer Entscheidung: Wenn Sie ein klares und eindeutiges Gesetz ohne Wettbewerbsverzerrung mit dem Ziel eines konsequenten Schutzes der Angestellten, wenn Sie einen klaren und eindeutigen Jugendschutz wollen, dann stimmen Sie dem Gesetzentwurf zu. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Preuß das Wort.

Peter Preuß (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Adelmann, alles das, was Sie zum Thema „Gesundheitsschutz“ gesagt haben und eingefordert haben, ist seit 2007 in dem von Schwarz-Gelb beschlossenen Nichtraucherschutzgesetz bereits geregelt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Bei dem heute hier in zweiter Lesung zu beratenden Gesetzentwurf geht es längst nicht mehr um mehr Gesundheitsschutz. Hier geht es um ein Stück Kultur. Hier geht es um die Frage, wie wir den Menschen sehen mit seinen individuellen Freiheiten, mit seiner Eigenverantwortung für sich und seiner Verantwortung für die anderen.

(Karl-Josef Laumann [CDU]: So ist das!)

Heute wird sich anhand dieses Gesetzentwurfes einmal mehr zeigen, ob die SPD in der Lage ist, sich wenigstens ein Stück weit dafür einzusetzen, dass eine gewachsene Lebenskultur – dazu gehört auch die Kneipenkultur, dazu gehört die individuelle Entscheidungs- und Lebensfreiheit und die Lebensart in einem selbstverwalteten und verantwortungsvollen Umgang miteinander – erhalten bleibt, oder ob sie sich bedingungslos der Verbotskultur der Grünen unterwirft.

(Beifall von der CDU, der FDP und den PIRATEN)

Jeder, der sich im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens Hoffnungen auf eine Entschärfung des Gesetzentwurfes gemacht hat, ist schwer enttäuscht worden. Alle Versprechungen und Andeutungen, es komme schon nicht so wie ursprünglich im Gesetzentwurf geplant, haben sich als Täuschungsmanöver herausgestellt.

(Christian Lindner [FDP]: So ist es!)

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte von Anfang an und ausschließlich das Sagen und war beratungsresistent. Sie hatten nie die Absicht, irgendetwas an dem Gesetzentwurf zu ändern. Durch die Änderungsanträge kommen nun sogar noch Verschärfungen ins Gesetz.

Die Anhörung der Sachverständigen im September hat keine Gesichtspunkte ergeben, die über die hinreichend bekannten unterschiedlichen Auffassungen hinausgehen und eine Änderung des aktuellen Gesetzes rechtfertigen würden. Je nach Interessenlage und Sachverständigen wurde jedem von uns bestätigt, was er hören wollte. Die eigentliche Aufgabe der Landesregierung aber, einen vernünftigen, fairen Interessenausgleich herbeizuführen, ist anhand des Gesetzentwurfs gerade nicht erfüllt. Da herrscht Fehlanzeige!

(Beifall von der CDU)

Es soll die Vorstellung der Grünen durchgesetzt werden, wie die Leute gefälligst zu leben haben. Dass dies so ist, zeigt sich auch darin, dass die rot-grüne Koalition nicht einmal bereit ist, die Innovationsklausel im Gesetz zu belassen. Den Zukunftspreis gewinnt die Landesregierung des Technologielandes NRW dadurch jedenfalls nicht.

Die E-Zigarette, deren Schädlichkeit gar nicht nachgewiesen ist, vom Rauchverbot auszunehmen oder Shisha-Bars und Raucherlounges, in denen sich ohnehin nur Raucher aufhalten, zu erlauben – nein, alles verboten!

Gesundheitsschutz ist eine staatliche Aufgabe. Es ist nicht die Aufgabe von Gastwirten oder von Vereinsvorständen, den Leuten das Rauchen abzugewöhnen, indem man sie mit der Androhung von hohen Bußgeldern bis hin zum Entzug von Konzessionen dafür verantwortlich machen will, wenn in ihren Geschäftsräumen oder in den Festzelten geraucht wird. Durch die Abschaffung von Ausnahmen wird die Handhabung des Gesetzes nicht einfacher. Das Problem wird nur von der Gaststätte nach draußen auf die Straße verlagert – mit all den neuen dadurch verursachten Störquellen, die dann die Ordnungsämter beschäftigen werden.

Es ist ein großer Unterschied, ob das Ordnungsamt einen konzessionierten Gastwirt, der gewisse Befähigungen und Eignungen nachweisen muss, kontrolliert oder einen Schützenverein, der von einem ehrenamtlichen Vorstand geführt wird.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Nun wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird; das weiß ich selbst. Das Problem sind nicht die Ordnungsdienste, die eher nicht einschreiten würden, sondern – ich nenne es einmal so – total überzeugte Nichtraucher, die die Polizei rufen werden, weil im Festzelt geraucht wird. In der Konsequenz werden wir dann in wenigen Jahren darüber debattieren, ob Vereinsvorstände ein Nichtrauchersicherheitskonzept vorzulegen haben, wenn sie eine Genehmigung für ihre Veranstaltung erhalten wollen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Ist das in Bayern so?)

Was heißt im Übrigen „personengebundene Einladung“? Muss jetzt zu jeder Geburtstagsfeier schriftlich mit einer Gästeliste eingeladen werden?

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Das geben wir Ihnen schriftlich!)

Meine Tante hat kürzlich ihren 80. Geburtstag gefeiert. Das Schöne an der Veranstaltung war, dass viele Überraschungsgäste kamen. Ob das wohl eine kontrollierbare geschlossene Gesellschaft war, habe ich mich gefragt. Was für ein bürokratischer Unsinn!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich fasse zusammen: Das rot-grüne Vorhaben ist keine Verbesserung des Nichtraucherschutzes, aber eine Bevormundung und Gängelung mündiger Bürger.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Es ist eine Einschränkung der Entscheidungsfreiheit der Menschen. Es schadet den Gastwirten. Es ist eine Bedrohung ehrenamtlicher Vereinsvorstände und des Brauchtums. Es ist ein Bürokratiemonster.

(Beifall von der CDU)

Es gibt bereits ein angemessenes und konsequentes Nichtraucherschutzgesetz. Eine Änderung des Gesetzes ist überflüssig. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Preuß. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich nun Herrn Kollegen Ünal das Wort.

Arif Ünal (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein guter Tag für den Nichtraucherschutz in NRW.

(Beifall von den GRÜNEN und Norbert Römer [SPD])

Mit dem neuen Nichtraucherschutzgesetz wird vor allem der Schutz vor dem gefährlichen Passivrauchen ernst genommen. Das bestehende Nichtraucherschutzgesetz bietet keinen ausreichenden Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens; das wissen wir mittlerweile.

Die damalige schwarz-gelbe Regierung hatte 2007 tatsächlich ein Nichtraucherschutzgesetz verabschiedet. Das bestehende Gesetz in NRW hat sich bisher durch viele Ausnahmeregelungen hervorgetan. Häufig wird das Rauchverbot ignoriert oder durch eine geschickte Nutzung der bestehenden Ausnahmeregelungen umgangen.

Deshalb fordern wir – mittlerweile auch sehr viele Wirte – eine konsequente, einfache und lückenlose Regelung, um die heute bestehende Wettbewerbsverzerrung zu beseitigen.

(Beifall von den GRÜNEN)

So würde jeder erneute Versuch, Ausnahmen zu ermöglichen, dazu führen, dass einzelne Wirte vor Gericht zögen, um für sich eine Gleichbehandlung zu erreichen. Deshalb ist für uns klar: Nur durch eine lückenlose Regelung kann ein schrittweises Aufweichen des Nichtraucherschutzes durch die Gerichte verhindert werden.

Meine Damen und Herren, auch die kommunalen Spitzenverbände sehen in dem Gesetzentwurf einen erheblichen Fortschritt, vor allem bezogen auf den Vollzug der Regelungen. Ein konsequentes Nichtraucherschutzgesetz auch im gastronomischen Bereich stellt keine außergewöhnliche Einschränkung dar, wie viele glauben mögen. Dabei geht es nicht darum, das Rauchen zu verbieten – das muss man immer wieder betonen –, sondern darum, die Bevölkerung in öffentlich zugänglichen Räumen wie in Gaststätten vor dem Passivrauchen und seinen gefährlichen gesundheitlichen Folgen zu schützen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ein generelles Rauchverbot in allen gastronomischen Einrichtungen ist in etlichen europäischen Ländern, aber auch auf anderen Kontinenten längst üblich. Deutschland liegt derzeit im internationalen Vergleich mit anderen europäischen Staaten gerade einmal auf Platz 27, wenn es um Nichtraucherschutz geht.

Mit einer Stärkung des Nichtraucherschutzes schaffen wir also in Nordrhein-Westfalen lediglich eine Situation, die in vielen anderen Staaten längst zum Alltag gehört. Erfahrungen aus Bayern, einem Land mit einem konsequenten Nichtraucherschutzgesetz, zeigen, dass bereits nach anderthalb Jahren die Zahl der Herz-Kreislauf-, Krebs- und Lungenerkrankungen der Passivraucherinnen und ?raucher deutlich zurückgegangen ist.

Wie sehen die wirtschaftlichen Auswirkungen aus? Es liegen Studien vor, die zeigen, dass sich die Rauchverbote in Kneipen, Restaurants und Diskotheken deutlich geringer als angenommen auf die Umsatzentwicklung ausgewirkt haben. In Bayern stieg der Umsatz der getränkegeprägten Gastronomie in den ersten neun Monaten des Jahres 2011, in denen konsequenter Nichtraucherschutz existierte, um 7,2 % gegenüber dem Vorjahr.

(Beifall von den GRÜNEN)

In NRW hingegen musste dieser Wirtschaftszweig einen Umsatzrückgang von 2,6 % hinnehmen.

Meine Damen und Herren, ich kann Sie mit Daten und Fakten nicht überzeugen; das weiß ich. Trotzdem versuche ich, Sie mit folgendem Zitat des ehemaligen gesundheitspolitischen Sprechers der CDU-Landtagsfraktion und jetzigen Präsidenten der Ärztekammer Nordrhein zu bewegen, diesen Gesetzentwurf eventuell zu unterstützen:

„Wir“

– die nordrhein-westfälischen Ärztekammern –

„appellieren an die Abgeordneten sämtlicher im Landtag vertretenen Parteien, gemeinsam für ein Rauchverbot ohne Ausnahmen zu stimmen. Tragen Sie dazu bei, dass das bevölkerungsreichste Bundesland Deutschlands vom Schlusslicht zum Vorreiter bei der Prävention des Passivrauchens wird. Ein ‚Gesundheitsland NRW‘ gibt es nur bei einem konsequenten Nichtraucherschutz.“

Dem ist nichts hinzuzufügen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Ünal. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Schneider.

Susanne Schneider (FDP): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei meinen drei Kindern zu Hause erlebe ich tagtäglich, dass unsinnige Verbote eher zu Trotzreaktionen als zur Einsicht führen.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Ich setze daher auch daheim mehr auf Information und Aufklärung als auf ein rigoroses Nein. Im Zusammenhang mit dem Nichtraucherschutz sind wir damit hier in Nordrhein-Westfalen auf einem sehr guten Weg. Die Anzahl der Raucher in diesem Land ist rückläufig. Besonders erfreulich ist: Die Zahl der Jugendlichen, die regelmäßig zur Zigarette greifen, ist ebenfalls rückläufig.

Natürlich ist es wichtig, die Menschen und vor allem unsere Kinder vor Tabakrauch zu schützen. Aber dafür gibt es bereits aus Zeiten der schwarz-gelben Landesregierung ein gutes Gesetz.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Es regelt, dass das Rauchen überall dort, wo sich Menschen aufhalten müssen, also etwa in Behörden, Krankenhäusern, Schulen, verboten ist.

(Beifall von der FDP)

Der Besuch eines Raucherbereichs in der Speisegastronomie oder in der Eckkneipe erfolgt allerdings freiwillig. Am Eingang der diversen Raucher- oder Zigarettenlounges wird darauf hingewiesen, dass dort, wie der Name schon sagt, geraucht wird. Die „Rheinische Post“ berichtete in dieser Woche sehr treffend darüber und schrieb, dass wohl kein Mensch eine solche Raucherlounge betreten würde, um Lasagne zu essen oder einen Kindergeburtstag zu feiern.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Die Gäste wollen einfach eine Zigarette oder Zigarre rauchen, etwas trinken und entspannen.

Frau Ministerin Steffens, wenn wir uns über Gesundheitspolitik unterhalten, betonen Sie immer wieder, wie wichtig Ihnen die Eigenverantwortung der Bürger sei. Aber in diesem Fall wollen Sie uns alle entmündigen, den Menschen vorschreiben, wie und wo sie ihren Feierabend zu verbringen haben.

(Zuruf von den GRÜNEN: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Das ist jedoch Privatsache. Hier hat sich der Staat nicht einzumischen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Dass Sie, Frau Ministerin, und Ihre grüne Partei ein solches Gesetz vorlegen, überrascht mich nicht.

(Ministerin Sylvia Löhrmann: Die Landesregierung!)

Überrascht hat mich vielmehr die Haltung der SPD. Wochenlang beklagten sich die Sozialdemokraten in Städten wie Düsseldorf, Dortmund und Essen über diesen Gesetzentwurf – auch Ihre SPD, Frau Altenkamp, in Ihrem Wahlkreis. In vielen Zeitungen und Radiosendungen wurde darüber berichtet, dass man – und das zu Recht – ein Ende der Kneipenkultur in Nordrhein-Westfalen befürchtete. Und was tut die SPD nun? Die SPD, die sich gerne selbst als Volkspartei bezeichnet, folgt in blindem Gehorsam ergeben dem erhobenen Zeigefinder der grünen Volkserzieher.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Dieses Gesetz diskriminiert die Raucher in unserem Land. Dieses Gesetz bevormundet die Bürger in unserem Land. Und dieses Gesetz raubt den Menschen in unserem Land wieder einmal ein Stück Freiheit. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Ich wollte Sie noch fragen, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen; da waren Sie aber schon unterwegs. Vielleicht ein anderes Mal. – Für die Piratenfraktion hat Herr Kollege Schmalenbach das Wort.

Kai Schmalenbach (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier und auf der Sonnenseite, der technischen! Liebe SPD-Basis, in einer wissenschaftlichen Sendung über das Weltall sagte ein Physiker in etwa Folgendes: Wenn da draußen nicht etwas total Unmathematisches ist, sind wir in unseren Forschungen allein durch unsere eigenen Fähigkeiten limitiert.

Dieser Gedanke schoss mir beim Lesen des Entwurfs für das Nichtraucherschutzgesetz spontan durch den Kopf. Warum? Weil der Entwurf eindrucksvoll die Grenzen der Fähigkeiten derer markiert, die ihn entwickelt und vorgelegt haben.

Wenngleich ich nachvollziehen kann – da stimme ich Herrn Adelmann in Bezug auf die Brauchtumsveranstaltungen absolut zu –, dass es beim Nichtraucherschutzgesetz Handlungsbedarf gibt und kleinere Lücken geschlossen werden müssen, verstehe ich überhaupt nicht, warum der Gesetzgeber hier mit dem Holzhammer kommt. Der Entwurf behebt die genannten Probleme nicht. Er wägt nicht ab. Er verbietet einfach nur. Und er dokumentiert in jeder Zeile: Unsere Fähigkeiten sind begrenzt.

(Beifall von den PIRATEN und Lutz Lienenkämper [CDU])

Lassen Sie mich ein Beispiel nennen. In der Begründung des Entwurfs steht Folgendes – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:

„Ein kleiner, nicht genau bezifferbarer Anteil der getränkeorientierten Kleingastronomie mit einem hohen Anteil an rauchender Stammkundschaft sowie Shisha-Bars werden Nachteile hinnehmen müssen.“

Alleine aus dieser Aussage spricht die pure Arroganz. Nein, die Betreiber werden nicht Nachteile hinnehmen müssen; sie werden gezwungen, ihr Geschäftsmodell komplett zu ändern, oder müssen aufgeben.

Wir hatten ja schon Gelegenheit, über das der Öffentlichkeit vorenthaltene Gutachten zu reden. Es ist schon schlimm genug, ein steuerfinanziertes Gutachten zu verstecken, wenn einem das Ergebnis nicht in den Kram passt. Frau Ministerin Steffens, Ihr Antwortschreiben schlug dem Fass aber den Boden aus. Ich zitiere erneut mit Erlaubnis des Präsidenten aus dem Antwortschreiben an Frau Präsidentin Gödecke:

„Dieses Gutachten wurde im Auftrag des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter von Herrn Rechtsanwalt Prof. Dr. Dahm und Herrn Rechtsanwalt Dr. Fischer erstellt. Die Gutachter tendieren zusammengefasst zu der Einschätzung, den Konsum einer E?Zigarette nicht als ,Rauchen‘ i. S. des NiSchG NRW einzustufen. In Auseinandersetzung mit den Erwägungen der Gutachter ist das Ministerium indes zu einer gegenteiligen Auffassung gelangt.“

(Ministerin Barbara Steffens: Und?)

Das wohl zutreffendste Zitat dazu werde ich, um Sie zu schonen, nicht singen:

„Zwei mal drei macht vier,       
widewidewitt und drei macht neune,
ich mach mir die Welt,  
widewide wie sie mir gefällt.“

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Dieses Gutachten bezog sich übrigens auf einen bemerkenswerten Feldzug der Ministerin, der in diesem Antrag enthalten ist: den Feldzug gegen die E?Zigarette. Erst deklariert die Ministerin sie als Medikament; dann packt sie sie mir nichts, dir nichts in den Antrag zum Nichtraucherschutzgesetz.

Auf welchen Fakten und Tatsachen basiert das, bitte schön? Wir haben nichts gefunden, was diesen Schritt begründen würde; außer vielleicht die Aussage eines Pneumologen, der auf die Frage zu den Auswirkungen des Wasserpfeife-Rauchens Folgendes sagte – ich zitiere erneut –:

„Der Begriff hört sich relativ ungefährlich an, aber bei der Wasserpfeife wird auch Tabak verbrannt. Insofern ist das gesundheitliche Risiko ähnlich zu bewerten. Dasselbe gilt für die E?Zigarette.“

Nun wird in der E?Zigarette aber gar kein Tabak verbrannt. Das könnte man dem Mann ja noch durchgehen lassen. Er ist schließlich Arzt und kein Techniker. Aber wenn Sie in Wikipedia nach dem Stichwort „Pneumologie“ suchen, finden Sie dort als erstes Krankheitsbild: Asthma bronchiale. Und raten Sie einmal, wo da der Bezug ist! Na? Weiß es jemand? Propylenglykol, der Stoff, der in der E?Zigarette verdampft – nicht verbrannt wird –, ist ein handelsüblicher Trägerstoff für Asthmasprays.

Spannend ist auch die Haltung der SPD zum Entwurf des Nichtraucherschutzgesetzes. Da gibt es diverse Statements. Keines vermittelt aber den Eindruck, dass die SPD hinter diesem Antrag steht. Ja, Sie werden dafür stimmen. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass Sie wissen, warum. Okay, aus Koalitionsgründen, fiele mir als Begründung ein. And guess what? Für uns ist genau das keine Begründung.

Ich kenne keinen SPD-Abgeordneten, der diesen Antrag argumentativ verteidigen könnte. Selbst Minister Duin, den ich in den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses wegen seiner Authentizität und Souveränität sehr schätzen gelernt habe, kam bei diesem Thema gewaltig ins Schwimmen.

An dieser Stelle habe gemerkt, wie richtig es war, dass ich mich so vehement gegen Koalitionsaussagen der Piraten gewehrt habe. Klassische Koalitionen tragen zum Verlust der eigenen Glaubwürdigkeit bei.

In unseren Anträgen können die SPD-Abgeordneten, die sich mit dem Thema wirklich beschäftigt haben – ich vermute aber, dass es nicht so viele sind –,

(Marc Herter [SPD]: Sie haben nicht zu beurteilen, wer sich womit beschäftigt hat!)

gut erkennen, dass wir sowohl Antragsinhalte als auch Argumentationen der SPD-Basis kopiert haben.

Ich möchte der SPD-Basis ausdrücklich gratulieren und sie dazu aufrufen, sich von ihrer Parteispitze bei diesem Thema nicht zur Räson rufen zu lassen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vertrauen Sie mir: Den Parteibasen gehört die Zukunft.

(Beifall von den PIRATEN)

Minister Duin wies im Wirtschaftsausschuss ausdrücklich darauf hin, dass man beim Gesetzentwurf zum Ladenschluss mit höchster Priorität daran gearbeitet hat, zwischen den einzelnen Interessengruppen abzuwägen. Warum ist das beim Nichtraucherschutz nicht möglich? Warum setzen wir uns nicht alle zusammen und reden darüber, wie wir ein vernünftiges und alle Seiten berücksichtigendes Nichtraucherschutzgesetz gemeinsam hinbekommen? Ich verspreche Ihnen: Sie bekommen aus dem Kreise der Piraten dafür Anerkennung, Respekt und jede Hilfe, die Sie wollen.

(Beifall von den PIRATEN – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Lassen Sie mich abschließend noch einmal zu dem Gutachten zurückkommen. Dieses Gutachten wurde – darüber werden wir uns hier noch unterhalten; das ist ein Versprechen – lange zurückgehalten. Das ist eigentlich schon bemerkenswert genug. Sie vermögen dem aber noch die Krone aufzusetzen. In Ihrem Anschreiben vom 20. November 2012 offenbaren Sie uns nämlich Folgendes – ich zitiere erneut –:

„Auch würde der Vollzug durch die kommunalen Ordnungsbehörden massiv behindert, wenn diese zwischen herkömmlichen Zigaretten und neuartigen Erscheinungsformen wie der E?Zigarette unterscheiden müssten.“

Frau Ministerin, das ist eine klassische Zigarette, und das ist eine handelsübliche E?Zigarette.

(Der Redner hält zwei deutlich unterschiedliche Zigaretten hoch.)

Als Angestellter einer Ordnungsbehörde würde ich mich nach Ihrem Schreiben freundlichst für die Beleidigung meines Intellekts bedanken. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN und der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Sigrid Beer [GRÜNE]: Was rauchen denn die Piraten vor ihren Reden? – Gegenruf von den PIRATEN: Das wollen Sie gar nicht wissen! – Weiterer Gegenruf von Hendrik Wüst [CDU]: Dasselbe Zeug, was ihr früher geraucht habt!)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Schmalenbach. – Für die Landesregierung erteile ich nun Frau Ministerin Steffens das Wort.

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst einen Hinweis an den Kollegen von den Piraten. Ich dachte, Sie wären so internetaffin. Wenn Sie einmal nach dem Stichwort „E?Zigarette“ googeln, werden Ihnen viele Varianten angezeigt. Für diejenigen, die gerne möchten, dass ihre E?Zigarette genauso aussieht wie eine normale Zigarette, gibt es auch solche Modelle. Insofern war Ihr Auftritt gerade ein Stück weit lächerlich.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie wissen, dass die Angebote der E?Zigarette sehr vielfältig sind. Sie wissen auch, dass wir keinen Kommunalbediensteten für dumm halten würden. Ganz im Gegenteil! Schließlich haben die Kommunalbediensteten uns auf die Probleme hingewiesen. Wir nehmen sie also sehr ernst.

Da bereits in der bisherigen Diskussion einiges klar geworden ist, möchte ich nun etwas ganz Grundsätzliches sagen, und zwar vor dem Hintergrund der Einlassung von Herrn Preuß. Wir reden bei dem Nichtraucherschutzgesetz über Gesundheitsschutz. Sie sind ja Mitglied im Gesundheitsausschuss. Ich glaube, Sie sind sogar gesundheitspolitischer Sprecher Ihrer CDU-Fraktion. Sie haben in Ihrer Rede einen einzigen Satz über Gesundheitsschutz gesagt, und zwar am Anfang, nämlich: Das bisherige Gesetz schützt. – Ich frage Sie ganz im Ernst, wie Sie sagen können, dass das bisherige Gesetz schützt. Ihr CDU-Staatssekretär im Gesundheitsministerium ist damals genau wegen dem unzureichenden Nichtraucherschutzgesetz zurückgetreten und hat als Arzt gesagt, dieses Gesetz kann er als Mediziner mit seinem Gewissen nicht vereinbaren.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Darüber hinaus hat Ihr Bundestagsabgeordneter Rudolf Henke als Vorsitzender der Ärztekammer alle Abgeordneten, auch Sie, aufgefordert, einen konsequenten Nichtraucherschutz umzusetzen. Herr Preuß, an der Stelle sind Sie komplett unglaubwürdig, und da machen Sie sich ein Stück weit lächerlich. Alle sind zu dem Ergebnis gekommen, auch die Experten im Ausschuss, dass wir ein anderes, ein konsequentes Gesetz brauchen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir sollten ehrlich sein. Die FDP ist an der Stelle sehr viel ehrlicher als die CDU.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

– Ich sage Ihnen gleich, warum. – Entweder reden wir über Gesundheitsschutz – alle Experten und Expertinnen kommen zu dem Ergebnis, dass wir einen umfassenden Gesundheitsschutz brauchen –, oder wir sagen: Gesundheit ist ein Gut, das nicht so schützenswert ist, das gegen wirtschaftliche Interessen Einzelner, gegen Interessen von Verbänden, Initiativen, vor allen Dingen gegen Interessen einer Minderheit innerhalb der Bevölkerung abgewogen werden muss. – Die FDP sagt ganz klar: Wir wollen diese Abwägung, und die Abwägung geht in die Richtung, dass der Gesundheitsschutz weniger wert ist. – Uns ist der Gesundheitsschutz aus ganz vielen Gründen viel wichtiger. Er ist ein so hohes, so schützenswertes Gut, dass man hier einfach Konsequenzen ziehen muss.

Ich kann Sie zum Teil verstehen, dass Sie versuchen, mich zu diffamieren.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

– Ach, Herr Laschet. Ich jammere nicht. Sie können gerne eine Runde heulen. Ich heule nicht. Ich kann verstehen, dass Sie so eine schöne Melodie singen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie sagen, ich wäre eine Volkserzieherin, eine Bevormunderin, es gehe um eine Verbotskultur.

(Armin Laschet [CDU]: Ist doch auch so! – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

– Herr Brockes, Ihren Freiheitsbegriff kennen wir ja: Freiheit für alle, aber Rücksichtnahme kennen wir nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich rede aber gerade mit der CDU. Ich kann Ihre Reaktion ja verstehen. Das habe ich ja, als Sie hier vorne standen, genauso gemacht, gerade mit Ihnen, Herr Laschet. Es geht aber um etwas anderes. Uns geht es nicht um Erziehung. Das wissen Sie alle. Jeder darf rauchen.

(Armin Laschet [CDU]: Doch! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

– Jammert wieder eine Runde! Ihr könnt euch ja zu Wort melden. Ihr könnt ja eine Frage stellen. Dann kann ich auch ruhig antworten, sodass die anderen das auch verstehen.

Es geht nicht um ein Verbot. Das wissen Sie. Jeder kann rauchen. Es geht hier um den Schutz derjenigen, die sich nicht von einer Minderheit, die rauchen will, die süchtig ist, ihre Gesundheit ruinieren lassen wollen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dieser Schutz der Gesellschaft ist wichtig. Diesen Schutz zu gewährleisten ist eine staatliche Aufgabe.

Frau Schneider, Sie haben sich hier wunderbar echauffiert, aufgeregt und gesagt, was alles so furchtbar ist. Auch wenn draußen „Raucherclub“ steht und man meint, dort gingen nur diejenigen hinein, die rauchen wollen, dann kann ich Sie nur zum hundertsten Mal fragen: Was ist mit der schwangeren Kellnerin, die dort arbeitet? Soll die kündigen?

(Zurufe von der CDU und von der FDP)

– Dass Ihnen als FDP die Arbeitnehmerinnenrechte völlig egal sind, wissen wir. Das brauchen Sie nicht jedes Mal zu bestätigen.

(Beifall von den GRÜNEN – Dietmar Brockes [FDP]: Unverschämt! – Weitere Zurufe von der FDP)

Machen Sie aus dieser Debatte keine Klamaukdiskussion. Es geht hier um den Gesundheitsschutz. Sie von CDU und FDP sind es doch, die jedes Jahr aufs Neue fragen, warum in bestimmten Regionen die Säuglingssterblichkeit so hoch ist.

(Armin Laschet [CDU]: Ach, du Schande!)

Und wenn man dann sagt, dass es auch da einen Zusammenhang gibt, dann werden solche Sachen negiert. Das Thema „Gesundheitsschutz“ ist nichts für Sonntagsreden. Gesundheitsschutz muss man gegen anderes konsequent abwägen und dann durchziehen. Diesen muss man durchsetzen, weil die Menschen geschützt werden wollen. Ein bisschen Schutz gibt es beim Rauchen nicht, weil der Rauch an den Türen nicht haltmacht, ein Verbotsschild an der Tür ignoriert und sich damit im Raum ausbreitet. Die Gefährdung durch die Inhaltsstoffe war in der Vergangenheit in der Gastronomie massiv.

Ich möchte Ihnen nicht die gesundheitlichen Belastungen aufzeigen – dies hat gerade der Kollege Adelmann gemacht –, aber noch auf einen Punkt eingehen, denn das ist das Lieblingsthema der Piraten, nämlich das Thema „E-Zigarette“. Sie haben diesbezüglich ein Gutachten angesprochen. Wenn Sie alle Gutachten aus den vorherigen Legislaturperioden veröffentlicht haben wollen, dann stellen Sie eine umfassende Anfrage. Dieses Gutachten ist eines aus der letzten Legislaturperiode. Das zum einen.

Das Zweite ist: Ich habe in vielen Gesprächen gesagt, dass wir das juristisch prüfen lassen. Damals waren Sie aber noch nicht im Landtag. Damals haben Sie an der Stelle auch noch nicht zugehört. Und da hat mich auch noch niemand gefragt, ob er es haben kann. Machen Sie also ein bisschen halblang! Kommen Sie runter! Blasen Sie Ihre Backen nicht so auf! Und hören Sie auf, mir etwas vorzuwerfen!

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Welche Arroganz! – Weitere Zurufe)

– Regen Sie sich doch nicht auf!

Wir können hier so wie bei allen anderen Themen vorgehen. Sie fragen, wenn Sie etwas haben wollen, und Sie bekommen das. Ich habe keinen Closed Shop im Haus. Es gibt wahrscheinlich auch noch zahlreiche Gutachten von meinen Vorgängern, die nicht veröffentlicht worden sind. Fragen Sie einfach nach, ob es dazu etwas gibt. In den vorangegangenen Legislaturperioden sind in den Häusern viele Gutachten erstellt worden. Manche kenne auch ich nicht. Fragen Sie nach. Sie können sie gerne haben.

Nun zur E-Zigarette. Auch hier unterstellen Sie mir irgendwelche, nicht gesundheitspolitisch geleiteten Interessen. Mir geht es um den Gesundheitsschutz. Sie wissen, wir haben eine unterschiedliche Auffassung über das Risiko, die Bewertung und die Einstufung der Liquids.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Ministerin, entschuldigen Sie bitte. Herr Abgeordnetenkollege Schatz möchte Ihnen gerne eine Frage stellen.

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter: Ich würde das gerne kurz zu Ende ausführen. Dann kann er seine Frage gerne stellen. Ich möchte nur etwas zum Ablauf dessen und zur unterschiedlichen Einschätzung sagen. Wenn es jetzt passend ist, dann kann er die Frage auch direkt stellen.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Ja, wollen wir die Frage direkt stellen?

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter: Wollen Sie die Frage direkt stellen? – Dann bitte. Ich habe damit kein Problem. Wenn es dazu passt, dann kann er seine Frage zuerst stellen.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Dann machen wir es direkt.

Dirk Schatz (PIRATEN): Frau Ministerin, Sie sagten gerade, wir könnten alle Gutachten anfordern und müssten nur fragen. Kann ich Ihrer Aussage wirklich entnehmen, dass Sie der Ansicht sind – wenn die Landesregierung einen Gesetzentwurf einbringt –, dass das Parlament eine Holschuld hat? – Ich denke eher, Sie hätten eine Bringschuld.

(Beifall von den PIRATEN)

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter: Nein, aber dieses Gutachten ist gar nicht im Zusammenhang mit dem Gesetz erstellt worden, sondern es gab eine grundsätzliche Wissensermittlung zum gesamten Thema „E-Zigaretten“. Von daher sind die Informationen nicht nur im Zusammenhang mit dem Gesetz eingeholt worden, sondern wir haben viele Themen aufgearbeitet. Wir haben auch nicht nur das Gutachten in Auftrag gegeben, sondern auch eine Anfrage – darauf komme ich später noch zu sprechen – bei der Bundesregierung gestellt und die entsprechenden Antworten von ihr jetzt auch erhalten.

Zunächst zurück zum Thema, damit es für Sie vielleicht nachvollziehbar ist: Wir haben eine unterschiedliche Auffassung der Risikobewertung der Liquids. Dies wird vor Gericht ausgetragen. Die letzten Gerichtsentscheidungen – wie Sie wissen – haben mir da geradewegs wieder recht gegeben. Zuletzt gab es auch eine Gerichtsentscheidung zu einem Einzelhändler, dem die Werbung, dass die E-Zigaretten gesundheitlich unbedenklich und weniger schädlich wären, untersagt worden ist. Insofern ist das eine juristische Auseinandersetzung, die wir zu führen haben und auch führen werden und die auch auf europäischer Ebene diskutiert werden wird. Das ist die eine Diskussionsebene, die aber immer wieder gerne vermischt wird. Sie können sich also genauso wenig hinstellen und behaupten: Das ist alles ungefährlich. – Denn auch dazu gibt es eine Reihe von Untersuchungen und Gerichtsurteilen, die Anbietern solche Behauptungen mittlerweile untersagen.

Wir wissen aber, dass von der E-Zigarette eine Gefahr ausgehen kann, und wir wissen auch – das hat das Bundesinstitut bestätigt, weswegen mich auch die Reaktion von der rechten Seite hier verwundert –, dass die Bundesregierung eine ganz klare und eindeutige Einschätzung dazu hat. Der Bundesgesundheitsminister sowie die Staatssekretärin haben deutlich gemacht, dass die E-Zigarette genauso wie eine Zigarette unter das Bundesnichtraucherschutzgesetz fällt.

In einer Abstimmung mit unterschiedlichen Ländern hat die Mehrheit der Bundesländer entschieden, dass es sehr schwierig ist, wenn es in den Ländern unterschiedliche Umgangsweisen gibt – wenn also auf dem Bundesgrundstück die E-Zigarette nicht, auf dem Landesgrundstück aber doch geraucht werden dürfte. Von daher ist klar, dass wir eine einheitliche, gemeinsame Auslegung der Gesetze brauchen. Deswegen haben wir uns in Nordrhein-Westfalen entscheiden – solange die Frage der Zulässigkeit der Liquids noch nicht geklärt ist –, dieses im Nichtraucherschutzgesetz zu beinhalten. Denn wenn letztendlich das Arzneimittelrecht für die Liquids und die E-Zigaretten gelten sollte, dann hätten wir eine ganz andere Ausgangsbasis als heute. Diese juristische Entscheidung steht aber noch an.

Von daher kann ich die Aufgeregtheit von Ihnen an dieser Stelle auch nur in einer einzigen Richtung verbuchen, nämlich dass Sie die Partialinteressen der E-Zigaretten-Anbieter vertreten, statt den Gesundheitsschutz an erste Stelle zu stellen. Das kann ich als Gesundheitsministerin nicht vertreten. Deswegen werden wir die E-Zigarette auch weiterhin klar und deutlich unter dieses Gesetz stellen.

In diesem Sinne hoffe ich, dass das Gesetz so in Nordrhein-Westfalen konsequent umgesetzt wird, damit die eben angemahnten gegebenenfalls notwendigen juristischen und ordnungsrechtlichen Maßnahmen gar nicht greifen müssen. Der Aufschrei um das Sterben der Gastronomie kommt immer wieder nur von bestimmten Teilen. Es gibt viele Gastronomen, die sich darauf freuen, dass sie ihre Gastronomie zukünftig in einem fairen Wettbewerb rauchfrei betreiben können. Auch für die ist das ein wichtiger Schritt.

(Dietmar Brockes [FDP]: Das ist ein Märchen!)

– Das ist kein Märchen, Herr Brockes. Sie sollten vielleicht lieber auch einmal mit den Gastronomen reden,

(Dietmar Brockes [FDP]: Das mache ich im Gegensatz zu Ihnen!)

statt sich mit steuerlichen Fragen der Hoteliers zu befassen. Da gibt es wichtigere Dinge in diesem Land. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Als nächster Redner spricht für die CDU-Fraktion Herr Kollege Wüst.

Hendrik Wüst (CDU): Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die SPD bei der Rede einer eigenen Ministerin auch schon einmal enthusiastischer klatschen sehen.

(Beifall von der CDU, der FDP und den PIRATEN)

Das könnte daran liegen, Frau Steffens, dass das phasenweise doch ziemlich entlarvend war. Sie haben gesagt: Gesundheit ist ein nicht-disponibles, absolutes Gut. – Wenn es so ist, dann dürfen wir uns jetzt im Herbst in der Grippezeit alle nicht mehr gegenseitig die Hände schütteln, nicht mehr Autofahren, kein Bier mehr trinken und kein Fleisch mehr essen.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Ich habe bei Ihnen manchmal den Eindruck, dass Sie genauso denken.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Armin Laschet [CDU] – Weitere Zurufe von der SPD)

Als ob die Säuglingssterblichkeit in der Eckkneipe stattfindet, Frau Ministerin! Dass zu Hause geraucht wird, werden Sie auch mit diesem Gesetz nicht verhindern.

Jedes staatliche Handeln muss verhältnismäßig sein. Da prüft man immer erst – so habe ich es mal im Jurastudium gelernt –, ob mit einer Maßnahme, einem Gesetz das Ziel erreicht wird. Es ist hier zweifelsfrei der Fall, dass Sie da, wo Sie keinen Rauch haben wollen, das Rauchen absolut verbieten.

Die nächste Frage ist, ob das, was Sie tun, um dieses Ziel zu erreichen, notwendig ist. Und da ist Feierabend mit der Prüfung. Denn es gibt mildere Mittel. Das, was Sie tun, ist absolut nicht notwendig und deswegen unverhältnismäßig, denn sonst hätten Sie die Innovationsklausel drin lassen müssen.

Ich habe gestern, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, mit einem langjährigen Sozialdemokraten gesprochen, einem Ingenieur, der mir beschrieben hat, dass er gemeinsam mit dem Textilforschungszentrum Krefeld – einem der renommiertesten europäischen Institute in diesem Bereich – sehr weitgehende Forschung betrieben und anwendungsfertige, gute Filtertechnologie, Drei-Stufen-Filter entwickelt hat. Das könnte man im Rahmen der Innovationsklausel nutzen, um in Spielstätten oder Raucherräumen den Zigarettenqualm herauszufiltern. Die Ministerin verhindert das.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Abgeordneter, würden Sie eine Zwischenfrage des Abgeordnetenkollegen Dr. Adelmann von der SPD zulassen?

Hendrik Wüst (CDU): Selbstverständlich.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Dann bekommt er umgehend das Wort.

Dr. Roland Adelmann (SPD): Eine kurze Frage: Wissen Sie – ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie die Säuglinge angesprochen haben –, was die Hauptgründe für den plötzlichen Kindstod sind?

Hendrik Wüst (CDU): Sicherlich nicht, dass die Kinder in den Eckkneipen verkehren, Herr Kollege Adelmann.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Heiterkeit und Beifall von den PIRATEN)

Wenn es Ihnen um Nichtraucherschutz gegangen wäre, dann hätten Sie die Innovationsklauseln nicht streichen dürfen, sondern hätten die Forschung anregen und innovative Leute ermutigen müssen, daran zu arbeiten, die Nichtraucher zu schützen. Das haben Sie nicht getan.

Im Kern, Herr Ünal – da gehen Sie fehl –, geht es mit diesem Gesetz nicht darum, die Nichtraucher zu schützen, sondern darum, die Raucher immer weiter zurückzudrängen und Rauchen schlussendlich zu verbieten. Dass Sie dafür landesgesetzlich keine Handhabe haben, ist gut, sonst würden Sie das hier auch noch machen.

Wir haben in den letzten Wochen im Ausschuss intensiv über das Gesetz beraten. Immer wieder wurde argumentiert, in Bayern gehe das doch auch. Herr Adelmann hat eben sehr korrekt gesagt, wir hätten alle viele Briefe bekommen. Vielleicht sind Ihnen einige wichtige Briefe durch die Lappen gegangen. Die Brauerei Schneider – ich habe das recherchiert, und es scheint zu stimmen –, die wir alle von Schneider Weiße kennen und die auf dem Land in Bayern relativ gut vertreten ist, sagt, im Großraum München, in den Ballungszentren, ist das kein Problem, wir haben da die großen Bierhallen mit guter Küche und gutbürgerlicher Kost, da bleibt der Umsatz stabil. Aber auf dem Land in den kleinen Kneipen – die sind am ehesten vergleichbar mit unseren Eckkneipen – hätten sie seit dem absoluten Rauchverbot einen Umsatzrückgang von 20 %.

Wer hier jetzt erzählt, dass hätte keine Auswirkungen, hat entweder seine Hausarbeiten nicht gemacht oder will uns für dumm verkaufen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir alle wissen doch, dass wir als Politiker manchmal in einem gewissen Maß an Selbstüberschätzung leiden.

(Unruhe)

Vielen Dank für die Zustimmung. Wir glauben immer, dass ein Problem gelöst sei, wenn wir ein Gesetz machen. Dieses Gesetz wird genauso gebrochen werden wie das alte Gesetz. Man wird dabei genauso Schlupflöcher finden, weil es absurde Einzelfälle natürlich wieder offen lässt. Kein Gesetz ist lückenlos, auch Ihres nicht.

(Vorsitz: Vizepräsident Daniel Düngel)

Ich bin auf einen sehr ernsthaften Sachverhalt aufmerksam gemacht worden, den ich Ihnen zum Schluss noch mitteilen will. Mir wurde von der Caritas berichtet, sie betreibe im Rheinland Drogenkonsumräume, wo Methadon ausgegeben wird. Aber es gibt in Deutschland noch andere Arten von Drogenkonsumräumen. Da werden harte und härteste Drogen oder auch Ersatzdrogen ausgegeben an Menschen, deren kleinstes Problem das Rauchen ist. Dann bekommen die drinnen die harten Drogen, dürfen aber keine Fluppe anstecken – sie dürfen sich einen Schuss setzen, aber keine Fluppe anstecken – und müssen zum Rauchen nach draußen. Die Drogenkonsumräume bleiben bestehen, werden rauchfrei, und die Eckkneipe stirbt.

(Unruhe von den GRÜNEN)

Das ist Ihre Philosophie. Das halte ich für Kokolores. Deswegen stimmen wir diesem Gesetzentwurf nicht zu.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Wüst. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Priggen.

Reiner Priggen (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich bin seit Mai 2000 Abgeordneter in diesem Haus, also seit zwölf Jahren. Damals war Rauchen in den Ausschüssen noch alltägliche Praxis. Seinerzeit wurde unten in der Kantine geraucht und in der Kaffeeklappe. Wir können festhalten, dass es einen sehr starken öffentlichen Bewusstseinswandel in dieser Frage gegeben hat. Ausgangspunkt sind die gewachsenen Erkenntnisse über die gesundheitlichen Schäden vor allen Dingen auch für Passivraucher, für Nichtraucher. Dazu hat es viele Erkenntnisse gegeben. Die vom Rauchen Betroffenen waren nicht mehr bereit, das Risiko gesundheitlicher Schäden hinzunehmen, damit andere ihrem Genuss frönen könnten. Das ist die Grundlage der gesamten Debatte gewesen.

Das Nichtraucherschutzgesetz von CDU und FDP hat es auch deshalb gegeben, weil sich in der Gesellschaft immer mehr die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass es so nicht geht. Das Gesetz hat aber zu viele Mängel. Es schützt eben die Nichtraucher nicht eindeutig genug. Deswegen muss es an dieser Stelle Korrekturen geben. Die nehmen wir mit dem heute zu verabschiedenden Gesetz vor.

Ich habe die Anhörung und die Stellungnahmen im Vorfeld verfolgt. Es ist eine Reihe von sehr guten Stellungnahmen gekommen. Ich will nur einige erwähnen. Das Deutsche Krebsforschungszentrum Heidelberg sagt: Keine andere Berufsgruppe hat ein so hohes Krebsrisiko wie Kellnerinnen und Kellner. Das sind diejenigen, die dann berufsmäßig, weil wir uns ja sehr stark wegen der Gaststätten streiten, davon betroffen sind, dass andere dem Rauchen frönen möchten.

Aus dem Beitrag der Ärztekammer: 25 % weniger Herzinfarkte bei Nichtrauchern und bei der stationären Behandlung von Herzinfarkten 8,6 % weniger, bei Angina Pectoris, einer Vorstufe des Herzinfarktes, 13,3 % weniger.

Das sind, nachdem Nichtraucherschutzgesetze eingeführt worden sind, eindeutige Ergebnisse – messbar und von der Ärztekammer festgestellt.

Am stärksten beeindruckt hat mich die Aussage – der Kollege von der SPD hat das vorhin schon einmal angesprochen – bei der Anhörung am 26. September, wo uns der Vertreter des Brauchtums erzählt hat, es sei doch mit den fairen Vereinbarungen geregelt, dass das auch in dem rheinischen Brauchtum, dem ich wirklich nahestehe, seit ich in Aachen lebe, beachtet wird. Dann kommt aber die Deutsche Krebsforschungsstelle und sagt: Wir haben 21 Kinderkarnevalssitzungen besucht und auf 17 ist geraucht worden, was das Zeug hält. Das heißt, die freiwilligen Vereinbarungen und die Appelle helfen an der Stelle nicht weiter.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege Priggen, ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

Reiner Priggen (GRÜNE): Gut, dann lassen Sie mich noch eine letzte Bemerkung machen: Ich habe es immer so verstanden, dass es eine zutiefst bürgerliche Tugend ist, in Respekt vor dem anderen ihn nicht zu schädigen und zu beeinträchtigen. Wenn Ihnen da der Kompass verloren gegangen ist, dann muss eben diese zutiefst bürgerliche Tugend des Respekts vor dem anderen von Sozialdemokraten und Grünen mit der Änderung des Gesetzes wieder hergestellt werden.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Für die Fraktion der FDP spricht nun der Kollege Dr. Stamp.

Dr. Joachim Stamp (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Priggen, wir sind uns im Hause einig, dass ein umfassender Nichtraucherschutz richtig und wichtig ist.

(Zuruf von den PIRATEN: Aha!)

Wenn es nur darum gegangen wäre, den einen oder anderen Fall, der in der Praxis vielleicht noch nicht optimal gelaufen ist, zu korrigieren, hätten wir hier im Hause eine ganz große Mehrheit gehabt.

Aber darum geht es Ihnen doch im Kern gar nicht. Es geht Ihnen in erster Linie gar nicht mehr um den Nichtraucherschutz. Ihnen geht es um die Umerziehung der Menschen.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN – Widerspruch von den GRÜNEN)

Was Sie selbst für sich als richtig empfinden, müssen in diesem Lande alle anderen auch richtig finden. Das ist die grüne Doktrin. Was kommt denn als Nächstes? Das Alkoholverbot – vorhin ist es schon einmal angeklungen? Fastfoodverbot?

(Armin Laschet [CDU]: Ja!)

Vielleicht das Pizzataxi nur noch bis 20 Uhr, damit es kein fettiges Essen mehr zu später Stunde gibt?

(Karl-Josef Laumann [CDU]: Sehr gut!)

Generelles Tempolimit? Verbot von Heizpilzen und Plastiktüten? Verbot von Motorrollern und Motorrädern?

(Armin Laschet [CDU]: Ja!)

Verbot von Stand-by-Schaltern an Elektrogeräten? Verpflichtender fleischfreier Tag in Kantinen?

(Reiner Priggen [GRÜNE]: Was für ein Unfug!)

Ein Fleischverbot in Kindertagesstätten? Verbot von Grillen in der Öffentlichkeit? All das wird doch bei den Grünen mittlerweile diskutiert.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN – Widerspruch von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Sie waren doch einmal stolz darauf, eine antiautoritäre Partei zu sein.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Heute sind Sie eine Partei autoritärer Moralisten, eine Art ÖDP mit Dienstwagen.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Früher haben Sie sich selbstverliebt als Rock ‘n‘ Roller der Politik inszeniert.

(Zurufe)

Nun sind die Rock ‘n‘ Roller der 60er- und 70er-Jahre allmählich ein bisschen in die Jahre gekommen. Aber nur, weil Sie, wie vielleicht auch Mick Jagger und andere Rocklegenden, jetzt abstinent leben, müssen Sie diese Abstinenz nicht gleich der ganzen Gesellschaft verordnen.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Unsere Gesellschaft braucht Verantwortung und Freiheit, leben und leben lassen. Übertragen auf den Nichtraucherschutz heißt das: Wir brauchen den verantwortlichen Schutz vor Passivrauchen, aber auch die Freiheit zu leben, wie wir wollen, wenn wir keinem anderen schaden.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN – Norwich Rüße [GRÜNE]: Das ist ja der Punkt! Sie haben es noch immer nicht verstanden!)

Frau Ministerin, Sie haben betont, Sie wollen mehr Gesundheitsschutz. So weit, so gut. Was genau ist Gesundheit?

(Minister Johannes Remmel: Das fragt sich die FDP!)

Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO ist Gesundheit ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen, sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen.

Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Dr. Stamp.

Dr. Joachim Stamp (FDP): Fragen Sie doch mal den Malocher in Dortmund, der nach einem langen Arbeitstag in der Eckkneipe zum „Pilsken“ keine mehr rauchen darf, nach seinem sozialen Wohlbefinden.

Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege, würden Sie …

Dr. Joachim Stamp (FDP): Fragen Sie doch mal den Wirt der kleinen Kneipe in Köln, dem Sie gerade seine Existenz zerstört haben, nach seinem sozialen Befinden.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Fragen Sie doch mal den Schützenkönig aus dem Münsterland oder die rheinischen Karnevalsjecken im Festzelt.

Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Klocke zulassen?

Dr. Joachim Stamp (FDP): An dieser Stelle nicht.

All diese Menschen, die ich gerade genannt habe, mögen in Ihrem neoasketischen Weltbild keinen Platz haben.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN – Widerspruch von der SPD und den GRÜNEN)

Aber genau, wie alle anderen, haben sie auch einen Anspruch auf das Prinzip: Leben und leben lassen.

Liebe Frau Ministerin, Sie mögen sich – Sie haben das sehr demonstrativ in Habitus und Gestus gezeigt – als strenge Erzieherin gefallen. Sie mögen auch stolz darauf sein, dass Sie die SPD gegen den Willen weiter Teile ihrer Basis eingefangen haben.

(Zuruf von der SPD: Wir haben wenigstens eine Basis!)

Aber ich sage Ihnen deutlich: Ihr Rigorismus ist in Wirklichkeit das Abbild eines neuen deutschen Spießertums.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Ich appelliere an Sie. Sie brauchen nicht gleich völlig ins Antiautoritäre zurückzufallen, aber lösen Sie sich von diesem Gesetzentwurf.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Lassen Sie uns gemeinsam darüber sprechen, was man in der Praxis verbessern kann. Dann können wir hier gemeinsam zu einem guten Ergebnis kommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Stamp. – Für die Piratenfraktion hat jetzt der Kollege Schmalenbach das Wort. Er hat noch 53 Sekunden.

Kai Schmalenbach (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident! Eigentlich wollte Herr Marsching sprechen, aber ich bin ihm zuvorgekommen. Frau Ministerin, ich bestelle Ihnen schöne Grüße von der Mutter von Herrn Marsching, die sagt: Es geht ihr nicht um Lobbyarbeit. Seit sie die E-Zigarette benutzt, geht es ihr eindeutig besser.

Frau Ministerin, Sie haben mein Wort aufgegriffen, aber nicht komplett aufgenommen, was ich gesagt habe. Ich habe nicht gesagt: Verwerfen Sie den ganzen Quatsch. – Ich habe nicht gesagt: Ihre Ziele sind falsch. – Ich habe nur gesagt: Verwerfen Sie diesen Entwurf. Setzen Sie sich mit uns zusammen! Schaffen Sie eine Abwägung! Ich stimme Ihnen in Ihren Zielen in großen Teilen zu. Ich stimme Ihnen aber nicht Ihrem Weg zu. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Schmalenbach. – Für die Landesregierung möchte Frau Ministerin Steffens noch einmal das Wort haben. Bitte schön.

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter: Herzlichen Dank, Herr Präsident! Herr Stamp, man hätte Ihren Redebeitrag eben eigentlich unter dem Motto abtun können: Das war die erste Demonstration dafür, dass Brauchtum auch rauchfrei geht. Denn Sie haben am Anfang wirklich eine Klamaukrede vom Feinsten dargeboten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will aber trotzdem darauf eingehen, weil der Kern doch sehr ernst ist. Sie haben nach wie vor den Unterschied zwischen Selbstgefährdung und Fremdgefährdung in Ihrem Redebeitrag konsequent negiert.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Den versteht er nicht!)

Sie haben den Freiheitsbegriff des Wirts dargestellt. Sie haben völlig außer Acht gelassen, dass der Schutzbegriff für den größten Teil der Bevölkerung gilt; 77,5 % der Bevölkerung möchten einen konsequenten Nichtraucherschutz, eine rauchfreie Gastronomie.

(Widerspruch von Holger Müller [CDU] und Dietmar Brockes [FDP])

Das ist eine Zahl und eine Dimension, die Sie einfach außer Acht lassen. Auch von denjenigen, die rauchen, will mehr als die Hälfte eine konsequente rauchfreie Gastronomie.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Ihr Freiheitsbegriff, den Sie hier dargestellt haben, bedeutet Fremdschädigung. Das bedeutet Freiheit für diejenigen, die andere schädigen wollen.

(Armin Laschet [CDU]: Da ist doch eine Scheibe!)

Wer mit dem Bier in der Kneipe steht und die Zigarette raucht, ermöglicht es demjenigen, der Asthmatiker ist, der krank ist, der Gesundheitsschutz haben will,

(Widerspruch von Ralf Witzel [FDP])

nicht, in die Kneipe zu gehen. Das heißt gesellschaftliche Teilhabe nur für diejenigen, denen ihre Gesundheit an dieser Stelle egal ist. Kranke und Geschädigte kommen in Ihrem Weltbild nicht vor.

(Armin Laschet [CDU]: Hinter einer Scheibe!)

Herr Stamp, das ist, weiß Gott, nicht mein Freiheitsbegriff.

Mein Freiheitsbegriff ist ein Begriff …

(Anhaltende Zurufe von der CDU und der FDP – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

– Herr Brockes, ich fände es gut, wenn Sie sich einfach zu Wort melden würden. Dann können die anderen auch verstehen, mit welch platten Sprüchen Sie versuchen, dazwischen zu brüllen.

Freiheit kann nicht auf Kosten von anderen gehen. Freiheit darf nicht das Leben von anderen Menschen gefährden. Ihren FDP-Freiheitsbegriff, der immer Minderheiten nach vorne bringt und diejenigen, die geschützt werden müssen, außer Acht lässt, kennen wir. Aber das ist nicht unser Freiheitsbegriff. Freiheit und Selbstbestimmung, aber Schutz für diejenigen, die den Schutz brauchen: Das ist ein Freiheitsbegriff, der in einer solidarischen Gesellschaft einen Wert darstellt. Dass Sie diesen Wert nicht haben, bedaure ich zutiefst.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Der Form halber darf ich Ihnen mitteilen, dass die Landesregierung die Redezeit um 27 Sekunden überzogen hat. Das bringt allerdings der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nichts, da Herr Priggen eben auch schon aus dem Vollen geschöpft hat. – Es stehen noch weitere Redner auf der Redeliste, für die CDU?Fraktion Herr Kollege Laumann.

Karl-Josef Laumann (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als derjenige, der für das bis jetzt geltende Nichtraucherschutzgesetz sicherlich die politische Verantwortung trägt, lege ich Wert darauf,

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Das nicht funktioniert hat, Herr Laumann! – Reiner Priggen [GRÜNE]: Er muss Abbuße tun!)

die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten.

Erstens. Ein konsequenter Nichtraucherschutz hat mit Gesundheitsschutz zu tun und ist deswegen in Ordnung. Deswegen haben wir nach 39 Jahren SPD-Zeit, davon zehn Jahren Rot-Grün, im gesamten öffentlichen Bereich, in Krankenhäusern, in Bahnhöfen, in Straßenbahnen, in Zügen, auf Flughäfen, in Kindergärten überall ein konsequentes Rauchverbot durchgesetzt. Damals durfte dort noch überall geraucht werden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Der zweite Punkt, der uns bei diesem Gesetz geleitet hat, war, dass wir sehr wohl wissen, dass es in diesem Land – Gott sei Dank! – noch Volksfeste gibt und dass wir wissen, dass diese Volksfeste in diesem Land in der Regel nicht staatlich, sondern von Vereinen und Verbänden veranstaltet werden.

Deswegen haben wir gesagt: Wenn Vereine und Verbände Brauchtumsveranstaltungen und Volksfeste organisieren, im Übrigen ein hohes wirtschaftliches Risiko mittlerweile mit der Organisation dieser Feste eingehen, dann will nicht ich als Minister und soll nicht der Staat entscheiden, ob auf der Veranstaltung geraucht wird; dann sollen das auch die entscheiden, die dieses Fest veranstalten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Und das ist Achtung vor dem Ehrenamt. Das ist Wertschätzung des Ehrenamtes.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Wenn ich jetzt in Ihrem Gesetzentwurf lese, dass Sie den Schützenvereinsvorständen, den Karnevalsvorständen drohen, dass man sie, wenn man ihnen nachweisen kann, dass sie auf diesen großen Veranstaltungen das Rauchverbot nicht grundsätzlich durchgesetzt haben, mit 2.500 € bestrafen will, dann kann ich nur sagen: Sie missachten das Ehrenamt. Sie missachten die Menschen, die viel in dieser Gesellschaft tun.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir haben es nicht geregelt, weil wir sagen: In einem Schützenvereinsvorstand, in einem Karnevalsvorstand – wir kennen doch die Menschen in unseren Wahlkreisen alle – sitzen sehr wohl verantwortungsbewusste Menschen, die das für ihren Bereich verantwortungsbewusst entscheiden. Ich glaube, diese Entscheidungen sind dann in der Sache treffsicherer, den Menschen und der Sache mehr zugewandt als das, was Frau Steffens sich in ihrem Ministerium mit grauen Zellen überlegt hat.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dann gibt es den Bereich der Gastronomie. Natürlich müssen Menschen, die nicht rauchen, ein gutes Gastronomieangebot finden. Und das haben sie auch in Nordrhein-Westfalen. In der Gastronomie hat sich in den letzten Jahren Riesiges geändert. Aber dass es auch einen Gast geben kann, der bei einem Glas Bier eine Zigarette rauchen will und deswegen den Raucherraum eines Restaurants aufsucht: Mein Gott, warum muss man das verbieten?

(Beifall von der CDU, der FDP und den PIRATEN)

Wenn es dann noch einen Menschen gibt, der bei uns in den Dörfern oder den Städten eine kleine getränkeorientierte Gaststätte betreibt – wir sind froh, dass wir die Leerstände nicht haben, wir sind froh, dass die Leute, die sonst oft nicht viel mehr haben, kommunizieren können –: Warum wollen Sie diesem Wirt seine Existenz zerstören? Warum gönnen Sie diesen Menschen nicht eine Theke, ein Glas Pils, mit dem man auch noch eine Zigarette verbinden darf?

Ich kann Ihnen sagen: Da unterscheiden wir uns. Da haben wir eine andere Vorstellung von Politik. Gehen Sie Ihren Weg! Wir gehen unseren Weg. Die Menschen wissen schon, was sie davon halten sollen.

(Beifall von der CDU, der FDP und den PIRATEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege Laumann, würden Sie bitte zum Ende kommen.

Karl-Josef Laumann (CDU): Ja. – Wir haben namentliche Abstimmung beantragt, weil wir wollen, dass die Menschen, die Vereinsvorstände, die Leute in den Eckkneipen wissen, wem sie es zu verdanken haben, wenn sie bevormundet werden. – Schönen Dank.

(Beifall von der CDU, der FDP und Dr. Joachim Paul [PIRATEN])

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Laumann. – Für die Fraktion der SPD spricht nun der Kollege Römer. Bitte schön.

Norbert Römer (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Laumann, Sie haben zumindest versucht, sich Ihrer Verantwortung zu stellen, indem Sie darauf hingewiesen haben, dass Sie derjenige Gesundheitsminister – in Anführungszeichen – gewesen sind, der dieses sogenannte Nichtraucherschutzgesetz,

(Zurufe von der CDU)

mit dessen Folgen und Konsequenzen wir uns heute auseinandersetzen müssen, auf den Weg gebracht hat.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dann will ich einmal, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, die Diskussion wieder auf den Kernpunkt, auf die Frage eines konsequenten und rechtssicheren Nichtraucherschutzes, zurückführen. Diejenigen von uns, die in der Anhörung dabei waren, erinnern sich, dass der ehemalige Verfassungsrichter, Dr. Jürgen Brand, sehr klar gesagt hat – ich zitiere ihn –:

„Der Gesetzgeber kann zwei Möglichkeiten ergreifen: Er kann ein striktes Rauchverbot erlassen. Damit ist die Sache klar. Lässt er Ausnahmen zu“

– so Jürgen Brand –,

„dann ist es kein Rauchverbot mehr, das intensiv betrieben wird, sondern es ist durchlöchert. Dann wird es viele Ausnahmen geben, und im Laufe der Zeit wird das Gesetz immer weiter durchlöchert werden.“

So weit Jürgen Brand. – Herr Laumann, genau das ist das Ergebnis Ihres sogenannten Nichtraucherschutzgesetzes: durchlöchert, viele Ausnahmen, kein konsequenter Nichtraucherschutz mehr.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU und von der FDP)

Deshalb, meine Damen und Herren, haben wir in diesem Prozess, auch in der Anhörung, viele zu Wort kommen lassen.

Ich gebe gern zu: Auch wir sind offen in diese Anhörung hineingegangen.

(Widerspruch von der CDU und der FDP – Günter Garbrecht [SPD]: Hört erst mal zu! – Zuruf von der SPD: Flegel! – Weitere Zurufe)

Ich wollte erst einmal wissen: Gibt es von denjenigen, die angehört werden, belastbare Hinweise für rechtssichere Ausnahmetatbestände, zum Beispiel bei Brauchtumsveranstaltungen, für die sogenannten Einraumkneipen, für private Gesellschaften?

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Das ist als einziges übriggeblieben. Schauen Sie sich das Protokoll an:

(Beifall von Josef Neumann [SPD])

Es gab keine belastbaren Hinweise für rechtssichere Ausnahmetatbestände, meine Damen und Herren. Auch das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Weil Sie, Herr Kollege Laumann, ein paar Probleme damit haben, sich richtig an Ihr Gesetz zu erinnern,

(Karl-Josef Laumann [CDU]: Nein, kein Problem!)

will ich Ihnen nur sagen: Sie haben mit dem sogenannten Nichtraucherschutzgesetz noch nicht einmal ein Rauchverbot in Kindertagesstätten hinbekommen.

(Karl-Josef Laumann [CDU]: Das gab es doch! – Gegenruf von Ministerin Barbara Steffens: Nein! – Weitere Gegenrufe)

Herr Kollege Laumann, auch das ist Teil Ihres schludrigen Gesetzgebungsverfahrens.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Stefan Zimkeit [SPD]: Herr Laumann, Sie hätten Ihr Gesetz mal lesen sollen!)

Meine Damen und Herren, selbstverständlich ist es Ihr gutes Recht – wir freuen uns darauf, wir werden dann sehen, wie geschlossen diese Koalition auch bei diesem wichtigen Schutzgesetz für Menschen

(Widerspruch von der CDU)

auftreten wird –, dass Sie eine namentliche Abstimmung beantragt haben. Wir haben uns die Diskussion in unserer Partei und in unserer Fraktion nicht leicht gemacht.

(Karl-Josef Laumann [CDU]: 18 persönliche Erklärungen sprechen Bände! – Weitere Zurufe)

Deshalb wird es auch, meine Damen und Herren, von einer Reihe von Abgeordneten der SPD-Fraktion – das ist ihr gutes Recht – eine Erklärung nach § 46 unserer Geschäftsordnung geben.

(Zurufe von der CDU und von FDP: Oh! – Christian Lindner [FDP]: Hört, hört! Respekt! – Zuruf von der FDP: Das zeigt, wer in der Koalition die Hosen trägt! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

– Das ist das gute Recht dieser Abgeordneten.

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen aber auch das Ergebnis unserer gemeinsamen Diskussion mitteilen. Auch das können Sie nachlesen bei Dr. Jürgen Brand, den ich noch einmal zitieren werde.

(Christian Lindner [FDP]: SPD-Unterbezirkschef! – Zuruf von Karl-Josef Laumann [CDU] – Weitere Zurufe von der CDU und von der FDP)

– Herr Kollege Laumann, das ist für einen ehemaligen Gesundheitsminister, der jetzt lange Zeit auf der Oppositionsbank sitzen wird,

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Ja, ja!)

wichtig. Jürgen Brand hat gesagt:

„Die Frage nach der Verfassungsfestigkeit ist relativ einfach zu beantworten. Das Bundesverfassungsgericht hat 2008 eine grundlegende Entscheidung getroffen und gesagt: Gesundheit und Leben sind überragende Gesellschaftsgüter. Natürlich gibt es auch ein Grundrecht auf Berufsfreiheit und Verhaltensfreiheit der Raucher. Aber das hat zurückzustehen, wenn sich der Gesetzgeber für das große Gut Gesundheit und Leben entscheidet. – Das ist eine“

– so Jürgen Brand –

„sehr lebensnahe Entscheidung.“

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir haben uns für das große Gut Gesundheit und Leben auch in diesem wichtigen Fall entschieden.

Deshalb werden wir gleich diesem Gesetz zustimmen. – Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege Römer, vielen Dank. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind damit am Schluss der Beratungen.

Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen zuerst über den Änderungsantrag der Fraktion der Piraten Drucksache 16/1549 ab. Ich darf Sie fragen, wer für diesen Antrag stimmt. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Änderungsantrag mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP gegen die Stimmen der Piraten bei Enthaltung der CDU abgelehnt.

Wir stimmen zweitens über den Änderungsantrag der Fraktion der Piraten Drucksache 16/1551 ab. Die antragstellende Fraktion hat gemäß § 43 unserer Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung zu dem Änderungsantrag beantragt. Nach Abs. 2 dieses Paragrafen erfolgt die namentliche Abstimmung durch Aufruf der Namen der Abgeordneten. Die Abstimmenden haben bei Namensaufruf mit Ja oder Nein zu antworten oder zu erklären, dass sie sich der Stimme enthalten. Ich bitte nun Herrn Abgeordneten Bolte, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Der Namensaufruf erfolgt. [Abstimmungsliste siehe Anlage 1])

Meine sehr verehrten Damen und Herren, haben alle Abgeordneten ihre Stimme abgegeben?

(Petra Vogt [CDU]: Nein!)

– Nein? – Frau Vogt.

Petra Vogt (CDU): Entschuldigung, ich hatte eben meinen Namen nicht gehört. Ich wollte mit „Enthaltung“ abstimmen.

Vizepräsident Daniel Düngel: Die Enthaltung von Ihnen, Frau Vogt, nehmen wir dann noch dazu. Dann haben jetzt alle ihre Stimme abgegeben? – Das ist der Fall. Damit schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, die Auszählung vorzunehmen.

(Die Stimmenauszählung erfolgt.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie bitten, wieder zur Ruhe zu kommen. Wir haben ein Ergebnis.

Ich gebe Ihnen hiermit das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt: Ihre Stimme abgegeben haben 228 Abgeordnete. Mit Ja stimmten 18 Abgeordnete, mit Nein stimmten 124 Abgeordnete. 86 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. Damit ist der Änderungsantrag Drucksache 16/1551 abgelehnt.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Piratenfraktion Drucksache 16/1552. Ich darf Sie um Handzeichen bitten, wenn Sie diesem Änderungsantrag zustimmen können. – Das sind die Fraktionen der Piraten und der FDP. Wer ist dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Die Fraktion der CDU enthält sich. Damit ist dieser Änderungsantrag ebenfalls abgelehnt.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 16/125. Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 16/1493, den Gesetzentwurf in der Fassung seiner Beschlüsse anzunehmen. Die Fraktion der CDU und die Fraktion der Piraten haben gemäß § 43 unserer Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung zu der Beschlussempfehlung beantragt. Nach Abs. 2 dieses Paragrafen erfolgt die namentliche Abstimmung – das kennen wir mittlerweile schon – durch Namensaufruf der Abgeordneten. Die Abstimmenden haben bei Namensaufruf mit Ja oder Nein zu antworten oder zu erklären, dass sie sich der Stimme enthalten. Das haben wir gerade geübt.

Ich darf um Ruhe bitten und bitte Herrn Abgeordneten Bolte, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Der Namensaufruf erfolgt. [Abstimmungsliste siehe Anlage 2])

(Vorsitz: Präsidentin Carina Gödecke)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Bolte. – Haben alle Kolleginnen und Kollegen ihre Stimme abgegeben? – Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, die Auszählung vorzunehmen.

(Die Stimmenauszählung erfolgt.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Auszählung ist abgeschlossen. Ich kann Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt geben: abgegebene Stimmen 228. Mit Ja haben 124 Abgeordnete gestimmt. Mit Nein stimmten 101 Abgeordnete. Drei Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. Damit ist die Beschlussempfehlung Drucksache 16/1493 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen und der Gesetzentwurf Drucksache 16/125 in zweiter Lesung verabschiedet.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Bevor wir zu der weiteren Abstimmung über zwei Entschließungsanträge kommen, möchte ich Sie noch einmal darüber unterrichten, dass die Erklärung zur Abstimmung nach § 46 Abs. 2 der Geschäftsordnung jetzt offiziell eingegangen ist. 18 Abgeordnete der Fraktion der SPD haben dem Sitzungsvorstand gemäß § 46 Abs. 2 der Geschäftsordnung eine kurze schriftliche Begründung ihrer Abstimmung übergeben. Diese Erklärung wird dem Protokoll wunschgemäß beigefügt. (Siehe Anlage 3)

(Ralf Witzel [FDP]: Vorlesen!)

Damit kommen wir zu den beiden weiteren Abstimmungen, erstens über den Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/1558. Wer dem Entschließungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Die Fraktionen CDU, FDP und Piraten. Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei drei Stimmenthaltungen der Piraten ist der Entschließungsantrag mit dem so festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen.

Ich komme zweitens zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/1559. Wer dem Entschließungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von FDP und Piraten. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – CDU und vier Abgeordnete der Piraten. Damit ist der Entschließungsantrag der FDP mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Wir sind am Ende dieses Tagesordnungspunktes, den ich hiermit schließe.

Ich erinnere noch einmal daran, dass sich der ursprüngliche Tagesordnungspunkt 5 dadurch erledigt hat, dass der Antrag der Piraten Drucksache 16/1466 zurückgezogen wurde.

Ich rufe auf:

6   NKF-Gesamtabschluss – Die Landesregierung muss endlich Transparenz schaffen und ihre rechtswidrige Duldungspraxis beenden

Gesetzentwurf
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/1472

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/1591

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Herrn Kollegen Abruszat das Wort.

Kai Abruszat (FDP): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wissen es, die finanzielle Lage der Kommunen ist alarmierend. Aber wie alarmierend ist sie wirklich? Haben wir einen vollständigen Überblick über die tatsächliche Finanzsituation der Kommunen in Nordrhein-Westfalen? Unser Blick ist schon ein wenig einseitig und wird auch dadurch getrübt, dass wir ständig auf die sogenannten Kernhaushalte schauen. Jedenfalls gibt die verfügbare amtliche Verschuldungsstatistik die Finanzsituation unserer Kommunen nicht umfassend, sondern nur unzureichend wieder.

Das Neue Kommunale Finanzmanagement sollte das Ganze ändern. Das NKF-Gesetz sollte Transparenz, zudem einen klaren Überblick über den Ressourcenverbrauch des Geldes der Bürgerinnen und Bürger in den Kommunen und natürlich auch über die Entwicklung kommunaler Schulden und kommunaler Beteiligungen bringen.

Die Umstellung auf NKF erfolgte im Zeitraum 2005 bis 2009, und dennoch haben 13 % der Kommunen nach offizieller Verlautbarung des Innenministers noch immer keine Eröffnungsbilanz vorgelegt. Dieses Umsetzungsdefizit beim NKF fällt bei den Jahresabschlüssen noch größer aus. So hat für das Haushaltsjahr 2009 noch nicht einmal jede zweite Kommune einen Jahresabschluss vorgelegt. Das hat eine ganz fatale Folge: Kommunale Gesamtabschlüsse liegen bislang nur in Einzelfällen vor.

Unser Antrag, den wir heute im Plenum vorstellen, fordert die Einhaltung der gesetzlichen Regelung, die die heutige Regierung durch ihr eigenes NKF-Gesetz 2004 selbst gesetzt hat. Wir wollen darauf achten und Wert darauf legen – nicht mehr und nicht weniger –, dass die Gesetze, die die Volksvertretung des größten deutschen Bundeslandes beschließt, am Ende auch eingehalten werden.

(Beifall von der FDP)

In diesem NKF-Gesetz ist eindeutig festgelegt, dass die Kommunen spätestens zum Stichtag 31.12.2010 den ersten Gesamtabschluss aufzustellen haben. Das ist zwei Jahre her. Fakt ist: Die Vorgaben werden nicht eingehalten; sie werden nicht vollzogen. Das ist ein klassisches Vollzugsdefizit, und ich sehe bislang leider keine Anzeichen, wie die Landesregierung aktiv werden will, um dieses rechtswidrige Vollzugsdefizit zu beseitigen.

Meine Damen und Herren, uns geht es nicht ums Prinzip. Wir wollen keine Prinzipienreiterei betreiben. Wir wollen nicht, dass die Kommunen Gesamtabschlüsse vorlegen, damit sie vorgelegt werden, sondern wir wollen, dass die Kommunen ihre Gesamtabschlüsse vorlegen, damit wir abseits der bekannten Kernhaushalte endlich einen Überblick über die insbesondere in den großen kreisfreien Städten unseres Landes weit verzweigten Verflechtungen verselbstständigter Aufgabenbereiche in Nordrhein-Westfalen haben.

(Beifall von der FDP)

Tun wir das nicht, haben wir keine korrekte, transparente Darstellung der Finanzsituation.

Wir haben in unserem Antrag deutlich gemacht, zu welchen paradoxen Situationen das führt. Duisburg und Essen droht die Überschuldung. Beide Städte sind bzw. werden Stärkungspaktkommunen. Auf der anderen Seite können sich beide Städte, die als hochverschuldet bezeichnet werden, über ihre weit verzweigten kommunalen Beteiligungen die Mehrheit an einem international tätigen Energieversorgungsunternehmen, nämlich der STEAG, sichern. Da ist es doch verständlich, dass sich andere Kommunen verwundert die Augen reiben. Während einige Kommunen keine unüberschaubaren Beteiligungsgeflechte bzw. Schattenhaushalte vorweisen, gibt es in anderen Kommunen Dutzende von Gesellschaften, Eigenbetrieben, Anstalten und Beteiligungen. Hier müssen wir ansetzen; hier ist Transparenz gefragt.

(Beifall von der FDP)

Ich kann mir vorstellen, dass die Kollegen von der SPD – Kollege Becker spricht wohl heute hierzu – darauf hinweisen, dass wir das NKF-Weiter­entwicklungsgesetz gemeinsam verabschiedet haben und erst die Anwendung dieses neuen Gesetzes abwarten sollen.

Das kann für uns allen Ernstes kein Argument für die bislang fehlenden Abschlüsse – Gesamtabschlüsse und Jahresabschlüsse – sein. Wir dürfen rechtswidrige Verzögerungen der Gesamtabschlüsse nicht dulden. Es widerspricht konsequent jedweder Logik, das eine Versäumnis mit dem anderen Versäumnis zu begründen oder sogar zu rechtfertigen.

Wer der Meinung ist, es müsse erst der richtige Zeitpunkt abgewartet werden, den frage ich: Wann, wenn nicht jetzt, ist der richtige Zeitpunkt gekommen? Denn nur wenn wir mit Mut, Entschlossenheit und dem nötigen Durchsetzungsvermögen von der kommunalen Familie die konsequente und vollständige Beibringung ihrer Haushaltszahlen einfordern, haben wir auch den notwendigen Gesamtüberblick über die kommunalen Finanzen in Nordrhein-Westfalen und können zielgerichteter helfen, die Schieflagen bei den kommunalen Haushalten zu beseitigen. Nur dann gelingt es uns gemeinsam, den kommunalen Finanzen in Nordrhein-Westfalen eine Perspektive zu geben. – Ganz herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die SPD-Fraktion spricht Kollege Andreas Becker.

Andreas Becker (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da der Antrag überwiesen werden soll, wird ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Diskussion im kommunalpolitischen Ausschuss vorhanden sein. Deshalb möchte ich mich angesichts der fortgeschrittenen Zeit auf vier Anmerkungen beschränken und mich sehr kurzfassen:

Erstens. Die FDP spricht in ihrem Antrag ein wichtiges Thema an, lässt aber dabei völlig außer Acht, dass das Neue Kommunale Finanzmanagement für die Kommunen eine erhebliche Neuorientierung im Rechnungswesen mit sich gebracht hat. Der Gesamtabschluss baut auf den entsprechenden Jahresabschlüssen 2010 auf, die, wie wir im Ausschuss gehört haben – Sie haben auch aus dem Bericht zitiert – nur zu 26 % vorliegen.

Zweitens. Mit der FDP gemeinsam haben wir erst im September dieses Jahres – Sie haben die Anmerkung schon vorausgesehen – das Erste Gesetz zur Weiterentwicklung des NKF beschlossen, mit dem fehlende Jahresabschlüsse in einem vereinfachten Verfahren vorgelegt werden. Unsere Bitte ist, die Kommunen erst einmal in Ruhe daran arbeiten zu lassen.

Dritte Anmerkung: Auch wenn man ein wichtiges Thema anspricht, gilt, dass der Ton die Musik macht. Seien wir einmal ganz ehrlich, meine Damen und Herren von der FDP! In der Überschrift Ihres Antrags schreiben Sie: „endlich Transparenz schaffen“ und „rechtswidrige Duldungspraxis beenden“. Da frage ich mich schon: Geht es nicht noch etwas dicker? Auf der anderen Seite bleiben Sie an den Stellen, an denen es interessant wird, unpräzise und unkonkret und sprechen – ich zitiere – von gut informierten Personenkreisen. – Was soll das? Ich erwarte von Ihnen, dass Sie spätestens im Ausschuss zur gebotenen Sachlichkeit zurückkommen.

Vierte und letzte Anmerkung: Ich hoffe sehr, dass Sie bis zu den Beratungen im Ausschuss für Kommunalpolitik auch den zu Beginn Ihres Antrags zum Ausdruck kommenden partiellen Gedächtnisschwund überwinden können. In der dritten Zeile Ihres Antrags schreiben Sie nämlich:

„Aktuelle Zahlen belegen, dass sich die finanzielle Lage unserer Städte, Gemeinden und Umlageverbände in der Zeit der rot-grünen Minderheitsregierung dramatisch verschärft hat.“

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Kundige Thebaner lesen dann gar nicht mehr weiter; es sei denn, dass sie dazu reden dürfen. Kundige Thebaner drehen sich um und fangen an, bitterlich zu weinen, weil Sie von der FDP einmal mehr bewiesen haben, dass Sie nichts, aber auch gar nichts aus der Vergangenheit gelernt und verstanden haben. Kundige Thebaner wissen nämlich, dass es die schwarz-gelbe Koalition war, die den Kommunen in den Jahren ihrer Regierungsverantwortung mehr als 3 Milliarden € vorenthalten oder direkt weggenommen hat.

Aber auch darüber können wir im Ausschuss gerne noch einmal vertiefend reden. – In diesem Sinne danke ich für heute für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Scharrenbach.

Ina Scharrenbach (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! 25 % der Kommunen haben ihren Jahresabschluss zum Haushalt 2008 noch nicht vorgelegt, 55 % den Abschluss für 2009 nicht, und bei 74 % fehlt der geprüfte Haushaltsabschluss für das Jahr 2010. Man benötigt daher keine größere Fantasie, um sagen zu können: Die überwiegende Anzahl der Kommunen wird noch keinen Gesamtabschluss aufgestellt haben.

Wie ist die Situation in den Kämmereien? – Mit der Umstellung von der Kameralistik auf die Doppik hat überwiegend keine Personalverstärkung in den Kämmereien stattgefunden. Die Aufbau- und Ablauf­­­organisation in den Stadtverwaltungen in Bezug auf Jahres- und Gesamtabschlüsse läuft immer noch nicht rund. Immerhin kommen die Stadtverwaltungen mit jedem Jahr ein Stückchen weiter. Zu irgendeinem Zeitpunkt in der Zukunft werden wir sagen können: Ja, jetzt laufen die Arbeiten routiniert ab. – Je mehr Routine in die einzelnen Prozesse kommt, umso schneller können diese auch ablaufen.

Die Kämmereien sind angesichts der zahlreich fehlenden Jahresabschlüsse der Jahre 2008 bis 2010 überwiegend damit beschäftigt, die Jahresabschlüsse zu erstellen und prüfen zu lassen. Parallel sind die Haushaltspläne für das Folgejahr zu erstellen und zu diskutieren. Parallel beschäftigen sich etliche Kommunen damit, ihre Haushaltssicherungskonzepte aufzustellen oder fortzuschreiben. Parallel sind etliche Kommunen noch dabei, die Anforderungen für den Stärkungspakt umzusetzen.

Alle diese Aufgaben werden mit vergleichbarem Personalstamm wie zu Zeiten der Kameralistik durchgeführt. Daher können wir als CDU sagen: Es geht nicht alles. Erst recht geht nicht alles gleichzeitig. – Diese Erkenntnis folgt der Praxis über die Etablierung der doppelten Buchführung in den Städten und Gemeinden. Die entscheidende Frage lautet daher: Welche Schlussfolgerungen ziehen wir denn daraus?

Aus Sicht der CDU-Fraktion hat die Erstellung der Jahresabschlüsse Priorität – auch, um, wie in der vergangenen Sitzung des Ausschusses für Kommunalpolitik diskutiert, zu einer verlässlichen Kommunalberichterstattung zu kommen.

Die CDU-Fraktion hatte Ihnen bereits im Zusammenhang mit der Beschlussfassung über das NKF-Weiterentwicklungsgesetz vorgeschlagen, den Stichtag für die erstmalige Erstellung der Gesamtabschlüsse zu verschieben. Heute können wir bereits ankündigen, dass wir zum Antrag der FDP-Fraktion einen entsprechenden Änderungsantrag einbringen werden, der sich erneut mit der Verschiebung des Stichtags zur Aufstellung der Gesamtabschlüsse beschäftigen wird.

Angesichts der umfangreichen Tätigkeiten der Kämmereien ist es nach Auffassung der CDU-Fraktion an der Zeit, dass sich der Landtag hier eindeutig positioniert und den Kommunen signalisiert: Ja, wir haben eure Probleme verstanden. Wir sind bereit, in puncto Aufstellung dieses Gesamtabschlusses Zugeständnisse zu machen.

Denn: Mit dem NKF-Weiterentwicklungsgesetz wurde nämlich gerade in Bezug auf die NKF-Gesamtabschlüsse noch eine Schippe draufgelegt. Für den Gesamtabschluss haben Sie bestimmt, dass das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz anzuwenden ist. Das bedeutet wieder Schulungsbedarf in den Kämmereien und Anpassungsbedarfe der NKF-Jahresabschlüsse an dieses Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz.

Am Rande bemerkt: Man kann sich sehr wohl darüber unterhalten, ob einzelne Regelungen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes überhaupt Kommu­­nalrelevanz haben.

Zu Recht verweist der Antrag der FDP-Fraktion auf ein anscheinend fehlendes Interesse der Aufsichtsbehörden im Hinblick auf die Nichtvorlage von Gesamtabschlüssen. An dieser Stelle müssen wir aber auch über die Tätigkeit der Aufsichtsbehörden insgesamt im Zusammenhang gerade mit Haushaltssicherung und Überwachung der Haushaltsführung diskutieren.

Abschließend stelle ich fest: Wir freuen uns auf die Beratungen im Fachausschuss und hoffen, dass sich der Landtag mehrheitlich der Positionierung der CDU-Fraktion bezüglich einer Verschiebung des Stichtages zur Aufstellung des Gesamtabschlusses anschließt. Dies wäre ein deutliches Zeichen für die kommunale Familie und für die Kämmereien. Nur wer sein Ziel kennt, findet auch den Weg. Lassen Sie uns den Kommunen das Ziel vorgeben: erst die Jahresabschlüsse, dann die Gesamtabschlüsse. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Scharrenbach. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Krüger.

Mario Krüger (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Herr Abruszat, Ihr Vorgehen ärgert mich, ehrlich gesagt. Wir haben in der vorhergehenden Wahlperiode eine Evaluierung zum Thema „NKF“ vorgenommen. In diesem Rahmen ist mit den Kommunen diskutiert worden: Was muss verändert werden? Wo haben sie Probleme? Wo gibt es Schwierigkeiten? – In diesem Zusammenhang ist relativ deutlich vorgetragen worden, an welchen Punkten Änderungsbedarf besteht bzw. Schwierigkeiten vorliegen, beispielsweise, um einen NKF-Jahresabschluss für die kommunalen Haushalte vorzulegen.

Dann haben wir uns in der letzten Wahlperiode darauf verständigt, dieses Thema anzugehen, und zwar gemeinsam – nicht nur Rot-Grün, sondern auch die FDP-Fraktion. Aufgrund der Ereignisse im Mai 2012, die ich jetzt gar nicht in Erinnerung rufen will, haben wir es nicht zu Ende bringen können. Wir haben es aber erneut angepackt und mittlerweile auch Änderungen verabschiedet.

(Zuruf von Kai Abruszat [FDP])

Ich gehe auch davon aus, dass aufgrund der vorgenommenen Vereinfachungen die entsprechenden Jahresabschlüsse der Kommunen alsbald vorgelegt werden können.

Jetzt packen Sie noch eine Schüppe obendrauf. Sie verweisen auf die entsprechenden Regelungen zu der Frage: Wie geht man mit dem Gesamtabschluss um, also mit der Konzernbilanz, das heißt, einem Jahresabschluss unter Einbeziehung der kommunalen Unternehmen?

Sie werden im Rahmen der Evaluierung, im Rahmen der Gespräche mit den Gebietskörperschaften gehört haben, dass die Umsetzung der Gesamtabschlüsse ein noch größeres Problem darstellt. Zum jetzigen Zeitpunkt bringt es nichts – gerade sind die Zahlen vorgetragen worden –, das einzufordern, wohlwissend, dass die Abschlüsse, auch wenn die Beteiligten vor Ort bemüht sind, noch nicht aufgestellt worden sind.

Sie sagen, das Gebaren der Kommunen sei nicht nur an den Kommunalhaushalten zu messen, sondern spiele sich zum Teil auch in der kommunalen Unternehmensfamilie ab. Da haben Sie sicherlich recht. Aber ich kann mich entsinnen, dass eine ganze Reihe von Mitgliedern der FDP in den Aufsichtsräten sitzt. Ich kann mich auch entsinnen, dass es Beteiligungsberichte gibt. Und ich kann mich auch entsinnen, dass es für die Eigenbetriebe regelmäßig Berichte in den Ratsgremien gibt: zum einen über die jeweilige quartalsweise Situation der Eigenbetriebe, aber auch im Rahmen des Jahresabschlusses.

Wir wollen das zusammenführen – ohne Zweifel. Wir wollen ein Gesamtbild haben bezogen auf die Fragen: Wie sehen die Kommunen im Einzelfall aus? Wie bildet sich die Verschuldung ab? Haben wir Schattenhaushalte, ja oder nein, und wenn ja, in welcher Größenordnung?

Aber das setzt voraus, dass die Kommunen die Möglichkeiten haben und die Zeit erhalten, um beispielsweise die personellen Ressourcen aufzubauen, entsprechende Daten aufzubereiten.

Sie wissen aus den Gesprächen, dass das mit Schwierigkeiten – mit nachvollziehbaren Schwierigkeiten – behaftet war. Nicht ohne Grund haben wir eine Novellierung NKF beschlossen. Insofern verstehe ich Ihr Agieren überhaupt nicht. Oder man erklärt es sich anders: Es geht einfach nur darum, populistisch Informationen mit Blick auf das angeblich unwirtschaftliche Agieren der kommunalen Unternehmungen einzufordern. Dies wird mit Argumenten begründet, die Ihrer Linie „Privat vor Staat“ oder „Wir wollen kein kommunales Engagement“ oder Ähnlichem entsprechen. Das aber ist nicht unsere Herangehensweise.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Krüger, darf ich Sie kurz unterbrechen? Der Kollege Ellerbrock möchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Mario Krüger (GRÜNE): Gut, soll er tun.

Holger Ellerbrock (FDP): Herr Kollege, könnten Sie sich vorstellen, dass die Motivation der FDP, einen solchen Antrag einzubringen, auch darin begründet liegt, dass das Problem immer mehr hervortritt? Zum Beispiel hat der Kollege Abruszat eben deutlich gemacht, dass, wie sich jetzt zeigt, die Rekommunalisierung der STEAG unkalkulierbare Risiken für die Kommunen birgt. Also muss jetzt gehandelt werden. Jetzt muss vom Landtag deutlich gemacht werden, dass das so nicht weitergehen kann. Könnten Sie sich vorstellen, dass das die Motivation ist?

Mario Krüger (GRÜNE): Darauf möchte ich gerne eingehen. Sie sprechen bezüglich des Engagements STEAG von unkalkulierbaren Risiken. Ich kann mich entsinnen, dass das Thema „STEAG“ in allen betroffenen Räten diskutiert worden ist, auch unter Einbeziehung der FDP. Ich kann mich entsinnen, dass es umfangreiche Diskussionen und Einschätzungen gegeben hat bezogen auf die Frage, ob man dort hineingeht oder nicht, und zwar in den Aufsichtsräten, in denen auch Sie vertreten sind. Und ich kann mich entsinnen, dass wir gut beraten waren, unsere Unternehmensbeteiligungen auszuweiten.

Ich frage mich, wie Sie zum heutigen Zeitpunkt zu der Einschätzung kommen, es gäbe unkalkulierbare Risiken bei STEAG. Schauen Sie sich die Ergebnisse aus 2011 an; sprechen Sie mit den Verantwortlichen bezogen auf die Quartalsberichte 2012, und dann werden Sie Ihr Bild korrigieren und ändern müssen.

Wir werden selbstverständlich weitere Verfahren durchführen. Wir werden die entsprechenden Anträge von CDU und FDP in den Ausschüssen beraten. Wie wir darüber entscheiden werden, das können Sie meinen Ausführungen entnehmen. Ohne Zweifel hätten wir gerne die entsprechenden Informationen, aber wir sehen auch, dass es zum jetzigen Zeitpunkt völlig verfrüht ist, die Informationen einzufordern.

Über das Begehren der CDU, darauf zu reagieren, indem man ein neues Datum einsetzt, muss man trefflich streiten. Ich glaube, der Vorschlag hat einiges für sich. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Krüger. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Schulz.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer im Saal und im Stream! Ich stehe heute hier für den erkrankten Kollegen Stein und befasse mich kurzfristig mit dem Antrag der FDP, der sich im Wesentlichen an eine Kleine Anfrage des Kollegen Stein für unsere Fraktion vom 7. November anlehnt. Erbeten wird genau das, auf das alle ganz sehnsüchtig warten, Herr Minister, nämlich die Zahlen, die nicht vorliegen und die Sie möglicherweise nicht vorlegen werden, weil Sie sie nicht vorlegen können, da die Städte und Gemeinden die Zahlen nicht vorgelegt bzw. erarbeitet haben.

Das NKF-Einführungsgesetz ging bereits von einer Übergangszeit von 2004 bis 2009 aus, auch mit Blick darauf, dass die Umstellung von der Kameralistik auf die Doppik problematisch sein würde. Das war bekannt. Es gab auch eine Evaluierung dazu. Auch der vorherige Innenminister Dr. Wolf hatte auf Probleme hingewiesen. In der Tat wurde einiges davon unterschätzt.

Aber eines muss man ganz klar sehen: Wir, die Piraten, versuchten schon in Zeiten der außerparlamentarischen Tätigkeit, nämlich seit 2011, an Zahlen der Gemeinden heranzukommen. Das ist in Bezug auf die Finanzstatistik weitestgehend gelungen. Seitdem werden wir mit dem Hinweis darauf, dass IT.NRW dafür Daten in ausreichender Quantität und Qualität vorliegen müssen, mehr oder weniger vertröstet.

Herr Minister, ich zitiere Sie aus einem Schreiben vom 6. September dieses Jahres: Ich habe daher den Präsidenten der IT.NRW gebeten, die Veröffentlichung der Daten in der Landesdatenbank vorzubereiten und Sie entsprechend zu informieren. – Da bezieht man sich auf die fehlenden Daten, die weder dieses Jahr noch nächstes Jahr, wahrscheinlich aber auch nicht übernächstes Jahr vorliegen werden.

Wenn wir davon ausgehen, dass im Rahmen des Stärkungspaktes ab 1. Januar nächsten Jahres die Schulden der Gemeinden auch noch bilanziell den Schulden des Landes zugerechnet werden, dann kann man sich ungefähr ausmalen, wo das Ganze hinläuft.

Es kann sogar sein – davon müssen wir fast ausgehen –, dass viele Kommunen gar keine Zahlen vorlegen wollen – selbst wenn sie es denn können –, weil – das wurde hier auch schon angesprochen und ist Gegenstand der Begründung des Antrags der FDP – zahlreiche Verflechtungen mit kommunalen Betrieben und Beteiligungen an verschiedenen Unternehmen dazu führen, dass Schulden und Guthaben mal hierhin, mal dorthin geschoben werden. Letztlich dient alles dem Umstand, Nothaushalte aufrechtzuerhalten, um vom Land Nordrhein-Westfalen entsprechende Gelder bekommen zu können.

Frau Kollegin Scharrenbach hatte auch angesprochen, dass dies ein personelles Problem sei könnte. In der Tat bedarf es dazu natürlich auch der Ausstattung der Gemeinden mit mehr Geld. Das ist gemäß unserer Antragsstellung in den Haushaltsberatungen vonseiten der regierungstragenden Fraktionen auch nicht gutgeheißen worden. Damit müssen wir nun leben.

Fakt ist aber: Wir benötigen diese Zahlen, um innerhalb des Parlamentes überhaupt bewerten und beurteilen zu können, wie die Finanzlage des Landes, aber auch der Kommunen tatsächlich aussieht. Dazu bedarf es einer durchgängigen Offenheit und durchgängiger Transparenz aller Zahlen und aller finanziellen Situationen in allen Gemeinden des Landes Nordrhein-Westfalen.

Deswegen möchte ich noch einmal auf unsere Kleine Anfrage Bezug nehmen und darum bitten, Herr Minister, dass diese schnellstmöglich beantwortet wird. Wenn ich das richtig sehe, ist dafür noch eine Woche Zeit. Wenn ich allerdings den Inhalt der Kleinen Anfrage bedenke, wird es sehr schwierig werden, diese zu beantworten – insbesondere angesichts der Tatsache – Frau Kollegin Scharrenbach erwähnte auch schon Zahlen –, dass für 2009 nur 72 %, für 2010 64 % und für 2011 3 % Jahresrechnungen vorliegen, sodass wir davon ausgehen können, dass in absehbarer Zeit nichts weiter geschehen wird. Ich frage mich ernsthaft – und ich frage Sie, Herr Minister –: Wie wollen Sie die Zahlen zur Verfügung stellen, die wir alle so dringend benötigen? – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Präsidentin! Wir haben diesen Sachverhalt im Kommunalausschuss schon ausführlich beraten und werden dies übrigens – wenn das Parlament dem Vorschlag folgt, den Antrag zu überweisen – nochmals tun und erneut die Argumente miteinander austauschen.

In der Tat ist es richtig, dass eine ganze Reihe von Gemeinden in Nordrhein-Westfalen ihren Gesamtabschluss nicht fristgerecht gemäß der gesetzlichen Regelungen aufgestellt hat. Das ist völlig richtig. Es ist auch richtig, dass die Gemeinden dies nachzuholen haben, da die Fristen dazu eigentlich bereits überschritten sind.

Es besteht die Frage: Wie geht man mit einem solchen Sachverhalt um? – Denn die Gemeinden tun dies nicht aus böswilliger Absicht, sondern weil sie mit der Umstellung auf NKF und auch mit technischen Problemen zu kämpfen haben, die eine fristgemäße Abgabe und Aufstellung in großen Teilen unmöglich gemacht haben. Da kann man natürlich – so interpretiere ich den Antrag der FDP – die große Keule herausholen und auf die Kommunen einprügeln.

(Kai Abruszat [FDP]: Eujeujeu!)

Das ist nicht unser Stil, sondern unser Stil ist es, sie nicht zu gängeln, sondern mit Ihnen nach den Ursachen zu suchen.

(Kai Abruszat [FDP]: Dann machen Sie das doch!)

Die Ursachen sind klar definiert worden – nämlich dass mit dem NKF in seiner alten Form diese Jahresabschlüsse nur mit hohem Aufwand aufgestellt werden konnten. Wir haben darauf reagiert. Wir haben – das wissen Sie ja – das NKF mit Wirkung ab September so weit modernisiert, dass diese Jahresabschlüsse und Gesamtabschlüsse in Zukunft deutlich rascher und mit weniger Aufwand zu bewerkstelligen sind. Somit ist – das sage ich auch als Minister – unsere Erwartungshaltung deutlich gestiegen, dass diese Daten jetzt auch zeitnah geliefert werden.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Minister Jäger, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Herr Kollege Abruszat würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Gerne.

Kai Abruszat (FDP): Herzlichen Dank, Herr Minister Jäger, dass Sie mir die Gelegenheit geben, Sie zu fragen. Ich will Ihre Einlassung aufgreifen und Sie fragen, ob Sie bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, dass sich unser Antrag nicht als Keule gegen die kommunale Familie, sondern als Auftrag an die Landesregierung richtet, ein Gesetz, das Sie selbst auf den Weg gebracht hat, umzusetzen und im Zweifel – wenn es notwendig ist – den Kommunen zu helfen und entsprechende Handlungsinstrumentarien an den Tag zu legen?

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Abruszat, lesen Sie den Titel Ihres eigenen Antrages, welchen Duktus dieser enthält? – Dieser Antrag richtet sich übrigens an den falschen Adressaten, nämlich an das Land. Damit ist er eigentlich an die Kommunen gerichtet. Deswegen sage ich mit aller Deutlichkeit: Wir beraten die Kommunen, aber wir gängeln sie nicht. Wir versuchen, mit Ihnen gemeinsam auf Augenhöhe Probleme zu lösen. In diesem Zustand befinden wir uns gerade, Herr Abruszat.

Ich glaube, dass jetzt mit der Veränderung im NKF die Jahres- und Gesamtabschlüsse sehr viel schneller zu erzielen sind. Das Parlament hat insgesamt ein Interesse daran, dass wir in Zukunft auf richtige und nicht auf schnell produzierte Zahlen zurückgreifen können. Da geht Gründlichkeit und Sorgfalt vor Schnelligkeit. Gleichwohl bin ich der Überzeugung, dass mit den veränderten Rahmenbedingungen im NKF in der nächsten Zeit auch fristgerecht Abschlüsse von den Kommunen zur Verfügung gestellt werden können.

Was wir bereits vorliegen haben – das haben wir im Kommunalausschuss bereits erörtert –, wird auch Zug um Zug im Internet veröffentlicht. Es ist nicht so, dass wir aufgrund der fehlenden Abschlüsse keinen Überblick über die kommunale Finanzsituation haben. Diesen haben wir, die Situation ist bitter genug.

Es ist für die Kommunen selbst allerdings ein wichtiges Steuerungselement, die Abschlüsse zu erzielen, und dient weniger der Information des Landes. Es ist eine Eigeninformation, um den kommunalen Haushalt zu steuern. Ich finde, das ist kein Sachverhalt, bei dem man irgendetwas skandalisieren oder falsche Anschuldigungen an die Kommunen richten sollte. Wir stehen in engem Kontakt und haben hohe Erwartungshaltungen. Ich glaube, wir werden das zu einem guten Ende bringen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Weitere Wortmeldungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegen nicht vor, sodass ich die Beratung schließen kann.

Bevor ich zur Abstimmung über den Vorschlag des Ältestenrates, an den Kommunalausschuss zu überweisen, komme, möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass gerade der von Frau Scharrenbach angesprochene Änderungsantrag der CDU Drucksache 16/1591 offensichtlich schon verteilt wird. Da er damit fristgerecht beim Sitzungsvorstand eingegangen ist, kann er gemäß § 79 Abs. 5 auch mit in den Ausschuss überwiesen werden.

Nach dieser Erklärung frage ich, wer der Überweisung des Antrages Drucksache 16/1472 an den Ausschuss für Kommunalpolitik zustimmen möchte. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Beides ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag nebst Änderungsantrag Drucksache 16/1591 an den Ausschuss für Kommunalpolitik überwiesen und wird dort in öffentlicher Sitzung abschließend beraten.

Wir kommen damit zu Tagesordnungspunkt

7   Mieterinnen und Mieter von der Maklercourtage entlasten

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/1470

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion der SPD Frau Kollegin Philipp das Wort.

Sarah Philipp (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Wohnungsmarkt in einigen Städten in Nordrhein-Westfalen ist mehr als angespannt. In einigen Regionen wachsen die Leerstände, in Ballungsräumen wie Köln oder Düsseldorf explodieren die Mietpreise. Bei einer Neu- oder einer Wiedervermietung können Wohnungseigentümer die Höhe ihrer Kaltmiete frei bestimmen. Dadurch steigen proportional auch die Maklergebühren, ohne dass dieser Anstieg irgendwie gerechtfertigt wäre. An der Dienstleistung selbst ändert sich nichts, selbst die Wohnung bleibt die gleiche.

Daher wollen wir, dass die Maklergebühr nach dem Bestellerprinzip bezahlt wird. Wer die Leistung des Maklers in Anspruch nimmt, ganz gleich, ob Vermieter oder Wohnungssuchender, soll bezahlen. Vermittlungskosten dürfen nicht nur auf die Mieter abgewälzt werden.

Wir wollen außerdem eine Qualitätssteigerung in der Wohnraumvermittlung. Nur ausgebildete Immobilienkaufleute sollen als Maklerinnen oder Makler tätig sein dürfen, zumindest muss eine kaufmännische Ausbildung Voraussetzung für den Maklerberuf sein. Wenn Sie jemals in den Genuss gekommen sind, wie in einer mittelgroßen Viehherde von einem Makler durch eine Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung geschleust zu werden und dafür mehrere hundert Euro bezahlen mussten, werden sie unsere Forderung nach klaren Qualitätsstandards verstehen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Szenarien, in denen ein Maklerbüro beauftragt wird, sind in der Regel zwei: Wenn ein Mieter sich nicht selbst durch Internetportale und Zeitungsannoncen kämpfen möchte, um eine Wohnung nach seinen Vorstellungen zu finden, beauftragt er einen Makler. Dann muss er diesen natürlich auch bezahlen. Oder aber ein Vermieter möchte es sich ersparen, selbst nach einem passenden Mieter zu suchen, dann kann auch er einen Makler beauftragen. In diesem Fall sollten diese Leistungen vom Vermieter aber auch bezahlt werden.

Mieterverbände und selbst der Berufsverband der Immobilienberater und Makler zeigen sich offen für eine neue Regelung nach dem Bestellerprinzip. Das ist einfach und logisch. Wer bestellt, der zahlt auch.

(Beifall von der SPD)

In der Regel lauten die Gegenargumente wie folgt: Es werde schließlich niemand dazu gezwungen, eine Wohnung über einen Makler anzumieten. Ich habe mich heute Morgen einmal im Internet auf Immobiliensuche in Köln-Ehrenfeld begeben. Auf einer bekannten Immobilienplattform gibt es 51 verfügbare Wohnungen. Schränkt man die Suche auf Objekte ohne Provision ein, bleiben lediglich 13 übrig. Bei diesem Verhältnis, so meine ich, kann man schon von einer Art Zwang sprechen. Ohne Makler keine Wohnung, zumindest nicht in Köln-Ehrenfeld!

Manche sagen auch, diese gesetzliche Neuregelung führe nur dazu, dass die Vermieter die Maklergebühr auf die Kaltmiete umlegten. Das ist sehr unwahrscheinlich, denn dann würden Vermieter das Risiko eingehen, dass ihr Mietobjekt an Attraktivität verliert. Und: Vermieter werden ihren Preis am Markt erzielen, sie werden immer das nehmen, was die Nachfrage hergibt. Vielleicht vermitteln einige Vermieter ihre Immobilien dann auch wieder selbst.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir erwarten von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, dass sie mobil sind. Die Kosten eines Umzuges – insbesondere für Klein- und Geringverdiener, aber auch für Studenten – stellen eine erhebliche Belastung dar. Wir müssen dafür sorgen, dass die angespannte Lage am Wohnungsmarkt nicht durch die bisherige Regelung weiter verschärft wird. Dreimal umgezogen ist einmal abgebrannt. Das hat schon Benjamin Franklin gesagt. Das gilt heute mehr denn je. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Philipp. Wenn ich richtig unterrichtet bin, war das Ihre erste Rede. Herzlichen Glückwunsch!

(Allgemeiner Beifall)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Schneckenburger.

Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sprechen über ein Thema, bei dem sich die CDU nach ihren bisherigen Verlautbarungen weigert, überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, dass es ein Problem gibt. Wir sprechen nämlich faktisch über die neue Wohnungsnot, und zwar nicht nur in Städten wie Hamburg, Berlin und München, die steigende Wohnungspreise haben, sondern auch auf den Märkten Nordrhein-Westfalens, die insbesondere für Haushalte entsteht, die große Probleme haben, sich mit preisgünstigem und bezahlbarem Wohnraum zu versorgen. Das sind beispielsweise Familien, die eine größere Wohnung brauchen, weil sie Zuwachs bekommen haben, das sind Menschen, die berufsbedingt umziehen müssen und sich in diesen Zentren mit Wohnraum versorgen müssen, das sind Menschen, die nicht in der Lage sind, Höchstpreise zu zahlen.

In dieser Situation tun wir Zweierlei:

Erstens. Wir sorgen als Land dafür, dass die soziale Wohnraumförderung genau an diesen Brennpunkten der Wohnraumversorgung in Nordrhein-Westfalen konzentriert wird.

Zweitens. Wir sorgen für Entlastung der Mieterinnen und Mieter, die sich insbesondere auch auf diesen Märkten bemerkbar machen. Die Kollegin hat das eben schon angesprochen. Wir schlagen vor, ein echtes Bestellerprinzip ins Wohnraumvermittlungsgesetz einzuführen und damit dafür zu sorgen, dass die Kosten der Wohnraumvermittlung – das ist gerade am Kölner Wohnungsmarkt deutlich gemacht worden, und das ist übrigens in anderen Wohnungsmärkten genauso nachvollziehbar – nicht auf die Menschen überwälzt werden, die sich in einer engen Marktlage eine Wohnung suchen müssen und insofern dieser Marktlage hilflos ausgeliefert sind.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wer also die Musik bestellt, der bezahlt sie auch. Das soll die Regel sein. Wenn Mieterinnen und Mieter Makler beauftragen, dann bezahlen sie, wenn der Vermieter den Makler beauftragt, dann bezahlen sie auch die Maklerkosten.

Ich will Ihnen nur einmal sagen, was sich in den vergangenen Jahren bei den Maklerkosten bewegt hat – damit man sich insgesamt klar macht, was für eine Dynamik gerade in Regionen dahintersteckt, in denen die Mietwohnkosten steigen.

Wenn die Mietkosten einer Wohnung in den vergangenen Jahren um 20 % gestiegen sind – so ist es in der gesamten Rheinschiene und in den Druckregionen –, steigt selbstverständlich auch die Maklercourtage an, ohne dass der Makler oder die Maklerin eine andere Leistung erbracht hätte – im Gegenteil: Die Nachfrage ist größer geworden, die Vermittlungsleistung ist einfacher. Schon allein deswegen hat es keinen Sinn, diejenigen, die von hohen Mieten und einem knappen Wohnraumangebot betroffen sind, zusätzlich mit Maklerkosten zu belasten. Das ist der eine Punkt, den wir regeln wollen.

Beim anderen Punkt geht es darum, die Qualifikation von Maklerinnen und Maklern auf sichere Füße zu stellen. Das ist übrigens ein Wunsch, der auch von den Maklern an uns herangetragen wurde – das nur nebenbei bemerkt, weil ich vermute, dass Sie gleich allerhand Gegenargumente bemühen werden, die allerdings einer sachlichen Grundlage entbehren.

(Klaus Voussem [CDU]: Warten Sie mal ab!)

Auch die Makler und Maklerinnen haben gesagt: Wenn es sich um ein echtes Bestellerprinzip handelt, haben wir überhaupt kein Problem damit. Wir sind damit einverstanden, denn unsere Leistung wird in jedem Fall bezahlt. Wenn ihr euch auch noch dafür engagieren könnt, dass unser Berufsstand die entsprechende Qualifikation hat, die man braucht, um sich in einem solchen Segment zu bewegen, sind wir euch ausgesprochen dankbar.

Wir sind mit der Bundesratsinitiative, die wir vorschlagen, auch nicht alleine in der Bundesrepublik. Es gibt andere Bundesländer, die in eine gleiche Richtung gehen, nämlich Hamburg, Berlin und auch Bremen. Hinzu kommen die Regionen, die genau wissen, warum es notwendig ist, für Menschen zu handeln, die bezahlbaren Wohnraum brauchen.

Um zu einem letzten unsinnigen Argument zu kommen, das die Kollegin eben schon genannt hat: Es wird gesagt, wir überwälzten nur Kosten auf die Mieterinnen und Mieter. – Wer in einer Situation wie in Düsseldorf und Köln als Vermieter im freifinanzierten Wohnungsmarkt nicht versucht, das Maximum für sich herauszuholen, geht aus seiner Perspektive mit der Situation auf dem Markt nicht angemessen um. Alle versuchen das. Wo das Maximum vorhanden ist, kommt es für Vermieter nicht darauf an, die Maklerkosten zu überwälzen. Im Gegenteil: Ich glaube, angesichts einer auskömmlichen Miete wäre das für Vermieterinnen und Vermieter durchaus tragbar. Für die Mieter wäre es jedenfalls eine Entlastung.

Insofern bitten wir um Unterstützung für die Mieterinnen und Mieter in Nordrhein-Westfalen in den besonders frequentierten Mietwohnungsregionen. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Schneckenburger. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Voussem.

Klaus Voussem (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon bemerkenswert, Frau Kollegin Schneckenburger, dass Sie sich mit unseren Argumenten auseinandergesetzt haben, ohne Sie erst einmal angehört zu haben. Aber das gehört zum Politikstil in diesem Hause.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich daher auch losgelöst vom Inhalt zunächst einige Worte über die Art und Weise verlieren, mit der die Mehrheit in diesem Haus Politik macht. Rot-Grün stellt immer wieder Anträge, die die Landesregierung zu Bundesratsinitiativen auffordert. Das kann man machen, wenn es in der Sache ernstgemeint ist. Es ist allerdings Klamauk und Show, wenn das eigentliche Ziel wie im vorliegenden Fall nur ist, im Vorwahlkampf Stimmung gegen die Bundesregierung zu machen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von der SPD: Sie machen das doch selbst!)

Was Sie hier beantragen, ist schon vor knapp zwei Jahren im Deutschen Bundestag beraten und abgelehnt worden. Jetzt kommen Sie und füllen lediglich den alten Wein in neue Schläuche. Meine Damen und Herren, das ist keine ernsthafte Politik.

(Beifall von der CDU und der FDP – Widerspruch von Daniela Schneckenburger [GRÜNE])

Sie springen jetzt mit Ihrem Antrag auf einen Debattenzug auf, der bereits auf Bundesländerebene rollt. Das Land Hamburg plant demnach im Frühjahr 2013 eine entsprechende Bundesratsinitiative. Der von Ihnen vorgelegte Antrag ist daher völlig überflüssig.

Überflüssig ist allerdings auch die Bundesratsinitiative selbst. Denn das Timing spricht ausschließlich für Show und Wahlkampfgetöse. Wenn nämlich erst im Frühjahr 2013 eine Bundesratsinitiative gestartet wird, wissen alle, dass diese gar nicht mehr rechtzeitig abgeschlossen werden kann. Alles nur Show und Wortgeklingel.

Auch was nächstes Jahr genau im Bundesrat diskutiert werden soll, ist bis jetzt nicht bekannt. Bekannt ist allerdings schon heute, dass es Bundesländer gibt, die der Idee, die Sie mit Ihrem Antrag verfolgen, kritisch gegenüberstehen.

(Zuruf von der SPD: Wer denn?)

Aus Sicht der CDU-Landtagsfraktion können wir diese Bedenken sehr gut nachvollziehen.

Zum Inhalt. Der Antrag sieht mit Blick auf die Regelung, wer die Maklergebühren bezahlen soll, einen erheblichen, nicht gerechtfertigten Eingriff in die Vertragsfreiheit vor. Es handelt sich also um einen weiteren Beitrag aus der Abteilung „rot-grüner Staatsdirigismus“.

Ihre Forderung ist darüber hinaus auch noch unpräzise und unbestimmt formuliert. Sie schreiben, dass der Vermieter die Kosten für die Vermittlung der Wohnung „in der Regel“ tragen soll. Was soll das? Was heißt denn „in der Regel“? Hier ist der Antrag rechtlich unsauber und damit absolut unzureichend.

Wer zu welchen Teilen die Maklercourtage trägt, ist abhängig von der Region und vom Marktsegment. Köln und Düsseldorf können nicht generell für Nordrhein-Westfalen stehen. Hier kann die Situation – betrachtet man die verschiedenen Regionen in Deutschland – sehr unterschiedlich sein. Das gilt insbesondere auch für Kaufimmobilien.

Die Bedingungen unterliegen außerdem permanenten Veränderungen, die man eben nicht durch eine starre Einheitsregel beseitigen kann. Zudem gibt es für Wohnungssuchende immer umfangreichere und bessere Möglichkeiten, auch ohne Makler eine Wohnung zu finden – man denke nur an die entsprechenden Portale im Internet.

Darüber hinaus kann man Zweifel daran haben, dass die mit dem Antrag intendierte Änderung tatsächlich den Mietern zugutekommt. Würden dem Vermieter kraft Gesetzes die Kosten der Maklercourtage auferlegt, würden diese sehr wahrscheinlich – an dieser Stelle teilen wir Ihre Auffassung eben nicht – über eine entsprechende Erhöhung des Mietzinses letztlich dem Mieter zur Last gelegt. Hier haben Sie zu Recht die Wirkung des Marktes angesprochen, aber die Wirkung des Marktes wird sich in der von mir beschriebenen Weise entfalten.

Im Übrigen gilt schon heute nach den Bestimmungen des Gesetzes zur Regelung der Wohnraumvermittlung, dass von Inhabern eines Wohnberechtigungsscheins vom Makler überhaupt keine Gebühr verlangt werden darf. Der Makler selbst darf im Übrigen auch keine Gebühr verlangen, wenn er sein eigenes Eigentum vermietet.

Im Hinblick auf die Forderung nach klaren Qualitätsstandards sollte man sich unserer Auffassung nach nicht alleine um die Ausübung des Berufes als Makler kümmern. Für viele weitere Berufe ist ebenfalls keine Berufsausbildung erforderlich, beispielsweise für Unternehmensberater, Journalisten, Fotografen, Politessen, Kellner/innen, Verkäufer/innen usw. Es scheint daher sinnvoller, meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Regelung im Gesamtkontext zu treffen und nicht eine Tätigkeit solitär regeln zu wollen.

Bezogen auf die Wohnungswirtschaft kann man sich auch die Frage stellen, wie die Regelungen für Verwalter, deren Verantwortungsbereich durch verschiedene Pflichten immer größer ausfällt, aussehen könnten. Sollte man nicht eher hier über Qualitätsstandards nachdenken? Zu dieser Frage sollte die Landesregierung unserer Auffassung nach ebenso Stellung nehmen wie zu der Frage nach einer Gesamtregelung.

Fest steht, dass die Höhe der Maklergebühren heute schon geregelt ist. Sie darf maximal zwei Monatsmieten betragen. Wir wollen keinesfalls eine Regelung, die zu Mieterhöhungen führt. Genau diese Gefahr muss man bei dem hier vorliegenden Ansinnen jedoch im Auge behalten. Ich habe hierzu gerade etwas gesagt.

Außerdem stelle ich fest, dass eine geänderte Beantwortung der Frage, wer die Maklergebühren zahlt, nicht das generelle Problem des Wohnungsmangels in bestimmten Regionen löst. Hier ist die Landesregierung ebenfalls in der Pflicht, Vorschläge zu liefern.

Sehr geehrter Herr Minister, wir erwarten von der Landesregierung ein langfristiges Konzept zur Lösung dieser perspektivisch wichtigen Frage und keinen Wahlkampfklamauk der regierungstragenden Fraktionen. – Schönen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Ellerbrock.

Holger Ellerbrock (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Philipp, Sie stellen den Problemkreis Maklergebühren meiner Meinung nach in den richtigen Zusammenhang – es ist so von Ihnen intendiert – mit Wohnungsnot. Sicherlich haben wir in Nordrhein-Westfalen Gebiete mit erheblicher Wohnungsnot, insbesondere im Niedrigpreissektor: Rheinschiene, Bielefeld, Aachen, Münster. Wir haben aber auch andere Bereiche, in denen wir teilweise Leerstände oder einen völlig ausgeglichenen Wohnungsmarkt haben.

In den Bereichen, in denen wir Wohnungsengpässe haben, ist es sicherlich richtig, dass viele Personen die Leistungen der Makler als zu gering ansehen, dass sie sich über den Tisch gezogen fühlen. Einzelne schwarze Schafe mag es da sicherlich geben. Das will ich gar nicht infrage stellen. Aber ich glaube, wir sollten vorsichtig sein, dass wir, wenn es um geldwerte Leistungen eines Berufsstandes geht, diese nicht über einen Kamm scheren und einen ganzen Berufsstand diskreditieren. Das sollten wir, glaube ich, nicht tun. Einzelne negative Beispiele wird man immer finden.

(Beifall von der FDP und Klaus Voussem [CDU])

Meine Damen und Herren, wenn Sie jetzt die Wohnraumknappheit ansprechen – Frau Kollegin Schneckenberger hat in beredten, betroffenen Worten versucht …

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Frau Schneckenburger! – Zurufe)

– Ich habe es nicht verstanden!

Präsidentin Carina Gödecke: Die Kollegen machen Sie darauf aufmerksam, dass Sie aus Versehen Frau Schneckenberger gesagt haben und die Kollegin Frau Schneckenburger heißt.

Holger Ellerbrock (FDP): Frau Schneckenburger, ich bemühe mich.

Nachdem wir das geklärt haben, fahre ich fort: Sie hat mit beredten Worten in großer Betroffenheit dargestellt, dass es um die Wohnraumknappheit geht. Wir haben uns nicht nur im Ausschuss, sondern auch schon in den Haushaltsberatungen darüber ausgetauscht, dass zu schwarz-gelben Zeiten die Wohnraumförderung 1 Milliarde € betrug, die übrigens Kollege Grünberg ins Gesetz geschrieben haben wollte. Ich erinnere daran. Sie haben einen deutlich geringeren Beitrag. Lassen wir das einmal weg.

Kollege Voussem, Vertragsfreiheit beachten – sicherlich eine wichtige Sache. Aber die Idee dieses Antrages ist nicht schlecht, indem man sagt: Wer bestellt, bezahlt. Wir nennen das Verursacherprinzip. Nur: Das Gegenteil von gut ist ja nicht schlecht, sondern gut gemeint.

Im Gegensatz zu Ihnen, Frau Schneckenburger, habe ich jetzt festzustellen, dass der Vermieter die zusätzlichen Kosten, die für ihn auftreten – im Übrigen handelt er völlig marktgerecht, wie Sie selbst fordern –, auf die Miete umlegt. Daraus folgt letztendlich, dass der Mieter über einen sehr viel längeren Zeitraum als normalerweise üblich einen erhöhten Mietzins zahlen muss. Das ist marktgerecht und wird auch so laufen. Alles andere wäre widersinnig.

Wir sagen: Wer bestimmt, dass der Vermieter die Kosten der Maklergebühren tragen muss, ist letztendlich dafür verantwortlich, dass der Mieter einen höheren Mietzins zu zahlen hat. Und davor wollen wir den Mieter schützen. Das kann nicht richtig sein.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, zu der Höhe der Miete hat Kollege Voussem auch etwas gesagt. Wenn dem Antrag ein ehrliches Interesse zugrunde gelegen hätte – Konjunktiv! –, dann hätten Sie einen klaren Auftrag, eine klare Vorstellung für einen Bundesratsantrag formuliert. Aber hier geht es einfach nur darum, nach draußen populistisch etwas auszubreiten. Ich hätte gerne mit Ihnen über die Qualifikationen von Maklern diskutiert. Sicherlich kann man darüber reden. Das ist eine ganz vernünftige Sache.

Aber wer hier so einen Antrag einbringt und sofort direkte Abstimmung fordert, der will gar nicht diskutieren,

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

der will, wie Frau Schneckenburger eben schon gesagt hat, ohne Kenntnis der Argumentation der CDU schon eine Bewertung vornehmen, der hat sein fundamentalistisch-missionarisch geprägtes tunnelorientiertes Weltbild vor Augen und ist an einer Diskussion nicht interessiert. Deswegen werden wir diesen Antrag ablehnen. Das ist klar. Schade, über manche Sachen hätte man wirklich reden können. Aber so, auf diese Art und Weise, ist es nicht möglich. – Schönen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Für die Piraten spricht Frau Kollegin Brand.

Simone Brand (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrte Zuschauer! Es gibt einige Berufe, die in der Öffentlichkeit leider keinen so guten Ruf haben: Investmentbanker, Gebrauchtwarenhändler, zuweilen Politiker. Immobilienmakler gehören allerdings auch dazu. Da muss man sich fragen: Warum ist das denn so? Es ist so, weil der geneigte Bürger nicht so ganz verstehen kann, dass er, dass zukünftige Mieter Kosten für einen Makler bezahlen sollen, die eigentlich vom Vermieter bezahlt werden müssten.

Eben wurde es schon erwähnt: das Bestellerprinzip. Es gilt überall. Das sagt die Lebenserfahrung. Nur da scheint es nicht gültig zu sein. Man sieht in einigen Situationen in Scripted Realities im Privatfernsehen wie „mieten kaufen wohnen“ bei VOX, dass der interessierte Mieter zu einem Makler geht. Dann bekommt er Wohnungen vorgestellt.

Das ist Quatsch. Das gibt es so gut wie überhaupt nicht. Wie sieht es in der echten Welt aus? Man schaut sich ein Inserat bei „Immobilienscout“ oder in der Zeitung an und sieht eine interessante Wohnung. Per Mail oder Telefon nimmt man Kontakt auf. Gerade in großen Städten wird man mit Busladungen von Leuten durch diese Wohnungen geschleust. Der Makler hat überhaupt keine Ahnung. Wenn man Glück hat, bekommt man vielleicht einen Grundriss oder vielleicht ein bis zwei Fragen beantwortet.

Auf der anderen Seite darf man sich in der sogenannten freiwilligen Selbstauskunft fast nackig machen. Darin werden Fragen gestellt, wie: Hat man vielleicht geplant, irgendwann einmal Kinder zu bekommen? Hat man einen Goldhamster? Oder hat man vor, tanzen zu lernen? – Für diese vermeintliche Leistung des Maklers soll man als Mieter auch noch zwei Monatsmieten Provision – plus Mehrwertsteuer, versteht sich – bezahlen? Das heißt: Ich bestelle als Mieter nicht nur keine Leistungen vom Makler, sondern ich bekomme auch keine. Bezahlen darf ich das aber trotzdem.

Diesem Umstand wird die Bundesratsinitiative gerecht. Sie ist allerdings nur ein Schritt in die richtige Richtung und nicht die Lösung eines Problems. Ich sehe schon, dass der Versuch gestartet werden könnte, die Kosten zumindest in Teilen auf die zukünftigen Mieten aufzuschlagen. Man muss dann sehr sensibel mit dem Mietspiegel umgehen und ihn weiter beobachten.

In einigen Großstädten braucht man allerdings schon heute keinen Makler, weil ausreichend Wohnungen zur Verfügung stehen. Allerdings steht bezahlbarer Wohnraum nicht zur Verfügung. In Düsseldorf – Sie haben es angesprochen – haben sich die Wohnungsmieten drastisch erhöht. Aus dem Rathaus gibt es die lapidare Auskunft: Dann sollen die Leute halt außerhalb wohnen.

Der Bau sozialverträglicher Wohnungen muss deutlich mehr als bisher gefördert werden. Besonders deutlich wird das zurzeit beim Wohnraum für Studenten. Da greift man lieber auf Kasernen zurück, als vernünftige Studentenwohnungen zu schaffen.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Wir hätten uns allerdings gewünscht, dass Sie Ziffer 2 Ihres Antrags nicht mit hineinpacken, damit nicht das Bestellerprinzip und die Berufsausbildung in einem Antrag stehen und somit jetzt direkt abgestimmt werden. Bezüglich Berufs- und Gewerbefreiheit hätte es sicherlich noch Diskussionsbedarf gerade bei uns in den Ausschüssen gegeben.

Daher haben wir getrennte Abstimmung gefordert. Wir sind ganz ausdrücklich für Ziffer 1. Wir werden gegen Ziffer 2 stimmen, und müssen uns deshalb bezüglich des gesamten Antrags enthalten. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Kutschaty.

Thomas Kutschaty, Justizminister: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit ihrem Antrag sprechen die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen ein wichtiges wohnungsbaupolitisches, aber auch ein wichtiges juristisches Thema an. Deswegen spricht hierzu jetzt der Justizminister. Dieses Thema beeinflusst auch den Wohnungsmarkt gerade in Ballungsregionen in Nordrhein-Westfalen.

Lassen Sie uns einmal von der Frage absehen, ob der Vorwurf, der im Übrigen nicht zutrifft – dazu sage ich Ihnen gleich noch etwas –, Klamauk ist. Was ist denn eigentlich sachlich begründet? Welche Aufgaben nimmt eine Maklerin bzw. ein Makler wahr, wenn er für den Vermieter tätig wird? Der Makler inseriert, er macht Besichtigungen, er prüft die Bonität, er besorgt beim Haus- und Grundeigentümerverband das Mietvertragsformular für den Vermieter und sorgt dann für die Unterzeichnung. Das alles sind eindeutig Vermieteraufgaben. Deswegen ist es sehr gut nachvollziehbar zu sagen: Wenn man die Aufgaben des Vermieters übernimmt, hat dafür auch der Vermieter die Kosten zu tragen.

Wenn wir berücksichtigen, wie hoch die Kosten bei einem Umzug für Mieterinnen und Mieter heute schon sind, ist es nur angezeigt zu überlegen, wie man zu einer gerechten Kostenverteilung kommen kann. Wenn ich die Kosten für den Umzug eines Mieters oder einer Mieterin anspreche, meine ich nicht nur die reinen Umzugs- und Renovierungskosten. Denn neben den beiden Monatsmieten plus 19 % Umsatzsteuer sind heute in der Regel drei Monatsmieten Kaution zu zahlen. Das heißt: Mieter sind erst einmal mit fünf Monatsmieten belastet, ohne einen einzigen Tag in der Wohnung gewohnt zu haben.

Diese hohen finanziellen Belastungen, die dann auf neue Mieterinnen und Mieter zukommen, sorgen dafür, dass die Flexibilität auf dem Wohnungsmarkt, die doch gerade Ihnen von FDP und CDU sehr gelegen sein müsste, nicht mehr gewahrt werden kann, insbesondere wenn wir erwarten, dass die Leute zum Arbeitsplatzwechsel bzw. zur Arbeitsplatzwahl mobiler sind.

Insoweit begrüßt die Landesregierung ausdrücklich diese Initiative. Ich darf Ihnen sagen, dass wir schon Gespräche darüber mit anderen Bundesländern führen.

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

Das wurde gerade schon zu Recht gesagt. In Hamburg hat schon ein Gespräch mit der dortigen Justizsenatorin stattgefunden. Der Kollege Bauminister ist auch im Gespräch mit seinen Senatoren- und Ministerkollegen. Insofern sind wir dabei. Baden-Württemberg hat schon eine Länderabfrage gemacht, wie der Handlungsbedarf dort gesehen wird.

Ich darf Ihnen sagen: Ich schätze die Aussichten ganz gut ein, dass eine entsprechende Bundesratsinitiative erfolgreich sein kann – auch in kürzester Zeit und noch in diesem Jahr. Das spricht im Übrigen für eine direkte Abstimmung. Wenn wir uns noch in einem Verfahren beteiligen wollen, das auch durch andere Bundesländer initiiert wird, wollen wir das natürlich noch vor der Bundestagswahl sicherstellen. Dann muss man im Deutschen Bundestag Farbe bekennen, wo man tatsächlich steht. Die nordrhein-westfälische Landesregierung unterstützt dieses Begehren der antragstellenden Fraktionen auf jeden Fall.

Lassen Sie mich zum zweiten Punkt, der Qualifikation von Maklerinnen und Maklern, kurz Folgendes erwähnen: In Deutschland ist es in der Gewerbeordnung so geregelt, dass man ohne größere Auflagen eine entsprechende Gewerbeerlaubnis bekommen kann, eine Maklertätigkeit auszuüben. Das ist beispielsweise bei den Versicherungsvermittlern oder im Bewachungsgewerbe anders. Dort werden strengere Auflagen gemacht. Wir werden im Rahmen einer Bundesratsinitiative mit überprüfen, ob wir entsprechende Mehrheiten finden können, welcher Regelungsbedarf und welche vernünftigen Handlungsmöglichkeiten dazu bestehen.

Wir danken jedenfalls für die Unterstützung aus dem Parlament. Das ist ein guter Rückenwind für die Bestrebungen der Landesregierung, das gemeinsam mit anderen Bundesländern im Bundesrat schnellstmöglich einzubringen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister Kutschaty. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind damit am Schluss der Beratung und kommen zur Abstimmung.

Die antragstellenden Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt des Antrages Drucksache 16/1470.

Die Fraktion der Piraten hat gemäß § 41 unserer Geschäftsordnung um Einzelabstimmung gebeten, und zwar je über die Ziffer 1 und die Ziffer 2 des Forderungskatalogs. Die antragstellenden Fraktionen haben sich mit diesem Verfahren einverstanden erklärt. Es liegen jetzt also insgesamt drei Abstimmungen vor uns.

Erstens. Ich lasse abstimmen über die Ziffer 1 des Forderungskatalogs. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Somit ist die Ziffer 1 des Forderungskatalogs angenommen worden mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Piraten gegen die Stimmen der CDU- und der FDP-Landtagsfraktion.

(Kai Abruszat [FDP]: Die Piraten haben unterschiedlich gestimmt!)

– Entschuldigung! Hat es Enthaltungen gegeben? – Bei den Piraten gab es also eine Gegenstimme und zwei Enthaltungen. Vielen Dank, Herr Kollege. Das wird im Protokoll festgehalten.

Zweitens. Wir kommen nun zur Abstimmung über die Ziffer 2 des Forderungskatalogs. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Ziffer 2 angenommen worden mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, der Mehrzahl der Abgeordneten der Piratenfraktion bei einigen Nein-Stimmen, bei einigen Enthaltungen gegen die Stimmen von CDU und FDP.

(Zurufe von den PIRATEN: Wir haben dagegen gestimmt!)

– Das wird im Protokoll festgehalten.

Drittens. Wir kommen zur Gesamtabstimmung über den Antrag Drucksache 16/1470. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Antrag angenommen mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU und FDP bei unterschiedlichem Stimmverhalten der Fraktion der Piraten.

(Heiterkeit von den PIRATEN)

Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt


8   Die Landesregierung muss endlich ihre Hinhaltetaktik aufgeben und für Klarheit, Transparenz und Rechtssicherheit im Stärkungspakt sorgen

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/1476

Ich eröffne die Beratung und erteile für die CDU-Landtagsfraktion dem Herrn Abgeordneten Kuper das Wort.

André Kuper (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Der Stärkungspakt ist als Hilfe für überschuldete Kommunen auf den Weg gebracht worden. Hierzu hat es von uns eine Reihe von Kritikpunkten gegeben, die ich an dieser Stelle nicht wiederholen möchte. Wenn ich sehe, welche Fehler bekannt geworden sind, dann muss ich dieses Gesetz allerdings hinsichtlich der Zielerreichung infrage stellen. Ich gehe später noch darauf ein.

Seit Ende letzten Jahres ist der Landesregierung bekannt, dass die Datengrundlage für die Auszahlung der Stärkungspaktmittel Fehler in Millionengrößenordnung enthält. Gleichwohl ist die Auszahlung der Mittel auf dieser Datenbasis erfolgt: für 2011 und noch einmal für 2012. Selbst aktuell werden Sanierungspläne noch mit den alten Zahlen genehmigt, obwohl jeder weiß, dass diese Zahlen Makulatur sind.

Es ist wohl unstrittig, dass sowohl aufseiten des Landes als auch aufseiten der Kommunen Schwierigkeiten und Fehler bei der Datenerhebung vorgekommen sind. In der Zwischenzeit zeichnet sich für eine Vielzahl von kreisangehörigen Kommunen eine erheblich zu gering berücksichtigte strukturelle Lücke ab, mit der Folge, dass auch die Konsolidierungshilfen für diese Kommunen falsch und zu gering ausgezahlt wurden.

So hat beispielsweise die Stadt Schwerte eine strukturelle Lücke von 12,6 Millionen € anstatt eines bisher berücksichtigten Defizites von 845.000 €.

In Remscheid geht man nach Zeitungsberichten davon aus, dass der Stadt zwischen 8 Millionen und 10 Millionen € pro Jahr mehr zustehen als jene 9,8 Millionen €, die aktuell gezahlt werden.

Damit kommt dringend benötigte Hilfe heute in vielen Fällen falsch an.

Das alles wäre ja unerheblich, wenn die ursprünglich im Entwurf enthaltene Bezugsgröße der Jahresabschlüsse verwendet worden wäre. Erst durch den spontanen Änderungsantrag wurde auf das Tabellenwerk von Gutachtern zurückgegriffen. Hier zeigt sich einmal mehr, dass Gesetze eine solide Grundlage benötigen und Spontanregelungen fehleranfällig sind.

(Beifall von Marie-Luise Fasse [CDU])

Vor dem Hintergrund dieser Fehler haben einige der betroffenen Kommunen Klage erhoben. Die Klagen sind ruhend gestellt worden, da das MIK angekündigt hat, die Berechnungsgrundlagen zu überprüfen. Das sollte laut Aussagen aus den Kommunen bis zum 26. Oktober abgeschlossen sein. Ist es aber nicht!

Auf unseren Antrag hat die Landesregierung mit Bericht vom 3. September im Ausschuss für Kommunalpolitik diese Fehler in der Berechnung der strukturellen Lücke bereits bestätigt und eine Überprüfung der Zahlen ebenso. Das war im September, jetzt haben wir Ende November – und es gibt bis heute noch keine verbindlichen Informationen und keine Fortschritte.

Als persönliche Anmerkung gestatten Sie mir: Das ist nicht mal eine Politik der kleinen Schritte. Das ist nichts.

Wenn schon keine konkreten Zahlen vorliegen, dann könnte die Landesregierung zumindest so kommunalfreundlich sein, mitzuteilen, wie sie plant, mit der Neuberechnung umzugehen. Was passiert mit den Jahren 2011 und 2012? Kommt es zu einer Umverteilung, oder wird die Hilfe aufgestockt?

Die Kommunen müssen in diesen Tagen ihre Haushaltspläne für 2013 beschließen, die brauchen Klarheit. Auch für die bereits beschlossenen Sanierungspläne der Stärkungspaktteilnehmer wird Klarstellung benötigt.

Von daher eilt eine Antwort. Ich frage mich und Sie, wie die Bezirksregierungen die zu beschließenden Haushaltssanierungspläne für 2013 behandeln werden und ob frühzeitig Bescheide über Konsolidierungshilfen für 2013 ergehen.

Ich bin gespannt, ob Sie die gesetzlich möglichen Korrekturen auch rückwirkend in Kraft setzen. Bei einer Neuberechnung wird es in jedem Falle Gewinner und Verlierer unter den Stärkungspaktkommunen geben. Beim Verlust wird neuer Sanierungsdruck entstehen.

Meine Damen und Herren, vom Prinzip her möchte ich gute Arbeit von Kollegen gerne anerkennen. Dieses Kriterium erfüllen Sie mit dieser Leistung im Stärkungspakt aber leider nicht im Mindesten. Von daher fordern wir Sie, die Landesregierung, auf, umgehend Klarheit und Rechtssicherheit zu schaffen, die Datengrundlage korrigiert vorzulegen, einen Gesetzentwurf zur Änderung vorzulegen und klarzustellen, wie die Landesregierung mit den bereits getätigten Auszahlungen verfahren will. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kuper. – Für die SPD-Landtagsfraktion spricht der Abgeordnete Hübner.

Michael Hübner (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Herr Kuper, ich bin eigentlich der Auffassung, dass es bei den Verabredungen zum Stärkungspakt und beim letztlichen Gesetzgebungsverfahren so war, dass Sie einer der größten Gegner dieses Stärkungspaktes waren.

Der Antrag, dass man natürlich möglichst schnell Klarheit schaffen will, und dass eine Neuberechnung auch im Interesse der Kommunen ist, geht zumindest in die richtige Richtung. Aber wenn Sie ursprünglich, Herr Kuper, den Stärkungspakt abgelehnt haben, und sich jetzt konstruktiv als Anwalt derjenigen Kommunen, die wir unterstützen wollen, betrachten, dann machen Sie sich zu einem guten Stück unglaubwürdig.

Wir hatten in den letzten zwei Jahren ein großes Maßnahmenbündel – und ich verspreche Ihnen, das wird auch so weitergehen – für die kommunale Finanzsituation geschnürt. Sie haben vielleicht auch mitbekommen, dass das insgesamt und auch im Einzelnen Wirkung erzielt. Wir haben im Dezember 2011 noch 144 Städte im Nothaushaltsrecht gehabt. Wir haben mittlerweile nur noch 26 Städte im Nothaushaltsrecht, weil es so ist, dass die Haushaltssanierungspläne dazu führen, dass wir zurück zu ordentlichen Haushaltsführungen kommen. Und das hat auch etwas damit zu tun, dass wir durch die Änderung des § 76 die Konsolidierungszeiträume auf insgesamt zehn Jahre gestreckt haben. Da greift eins zum anderen. Und das ist ein durchaus erfolgreicher Weg, der beschritten worden ist.

Ihr Antrag greift die Tatsache auf, die niemals vom Ministerium verneint worden ist, dass die Erkenntnisse, die nach Verabschiedung aus verschiedenen Städten, die Sie auch genannt haben – teilweise liegen diese in meinem Wahlkreis, zum Beispiel die Stadt Dorsten, die Stadt Remscheid und andere Städte –, eingegangen sind, Fragen zur strukturellen Lücke aufgeworfen haben, die in dem Gutachten von Junkernheinrich/Lenk und der Ergänzung von Micosatt nicht völlig transparent waren.

Zum Stand des Verfahrens hat der Minister im Ausschuss mehrfach – und nicht erst seit dem Sie dem Ausschuss angehören – berichtet. Sie kennen auch – hoffe ich zumindest – die Grundsystematik, dass wir eine begrenzte Menge Geld an 61 Städte zur Verfügung stellen und wir eine quotale Übernahme der strukturellen Lücke, die wir im Gesetz verabredet haben und die auch Bestandteil des Gesetzes ist, auf den Weg gebracht haben. Wir haben zu jedem Zeitpunkt angekündigt, dass es da zu einer Neuberechnung kommen wird. Diese Neuberechnung wird zu dem Zeitpunkt erfolgen, wenn alle Städte in Zusammenarbeit mit IT-NRW und dem Gutachter Micosatt testiert haben, wie hoch die strukturelle Lücke ist. Sie brauchen aber dafür alle Daten. Aber diese Daten liegen noch nicht vor. Von daher muss man da abwarten. Ich bin mir ganz sicher, dass wir zum frühestmöglichen Zeitpunkt vonseiten des Ministeriums für Inneres und Kommunales informiert werden.

Ich meine, es ist der richtige Weg, auch die Ungerechtigkeiten aufzugreifen, die dadurch entstanden sind, dass manche Zahlen – warum auch immer – nicht immer ganz nachvollziehbar ermittelt worden sind. Das zu korrigieren, ist Aufgabe einer gut arbeitenden und kommunalorientierten Landesregierung. Das haben wir getan.

Ich möchte dazu einen kurzen Einschub machen: Ich kann mich auch noch an Ihre Vorschläge erinnern, dass wir das GFG zusätzlich befrachten sollen, indem wir den Städten, denen es besonders schlecht geht, noch etwas wegnehmen, sodass sie ihre eigene Hilfe selber bezahlen sollen. Als Ablehner des Stärkungspaktes uns jetzt zu Getriebenen zu machen, dass wir mit dem Stärkungspakt ein wohldosiertes, gutes Modell auf den Weg gebracht haben, ist wenig hilfreich. Dass wir natürlich Datenanpassungen vornehmen, wenn die Erkenntnisse vorliegen, ist überhaupt nicht infrage zu stellen. Das sehen die regierungstragenden Fraktionen so und das wird sicherlich auch vom Hause so vorbereitet.

In der Tat müssen wir final die strukturellen Lücken im Gesetz entsprechend anpassen und uns über die quotale Beteiligung des Landes an den Hilfen neu verständigen.

Ich denke, Ihr Antrag geht – wie gesagt – in die richtige Richtung. Wir werden die Beratung dazu im Kommunalausschuss weiterführen. In der nächsten Woche werden wir dazu ja wieder eine Zusammenkunft haben. Sobald neue Erkenntnisse vorliegen – ich habe großes Vertrauen, nicht in das Jägerlatein, aber in unseren Innenminister –, dass er uns das im Kommunalausschuss so vortragen wird –, werden wir dann, wie wir es angekündigt haben, zu Ergänzungen kommen müssen, um die strukturelle Lücke zu verändern.

Dazu ist natürlich auch die FDP wieder herzlich eingeladen, sich an der Gesetzgebung zu beteiligen, so wie Sie es beim letzten Mal getan haben.

Ich danke für die Aufmerksamkeit und hoffe, zum Hintergrund dieses Antrags ein wenig Klarheit geschaffen zu haben, weil die Klarheit, von Ihnen, Herr Kuper, nicht richtig herauszuhören war.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hübner. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Abgeordnete Krüger.

Mario Krüger (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! In einem Punkt stimme ich mit Herrn Hübner nicht überein: Michael Hübner, du hast gerade ausgeführt, der CDU-Antrag gehe in die richtige Richtung. Der Antrag sagt in der Überschrift: Die Landesregierung muss endlich ihre Hinhaltetaktik aufgeben und für Klarheit, Transparenz und Rechtssicherheit im Stärkungspakt sorgen. – Das ist die Zielsetzung des Antrags. Eine richtige Richtung kann ich nicht erkennen. Das werden wir im zuständigen Ausschuss für Kommunalpolitik diskutieren.

(Michael Hübner [SPD]: Lies dir einmal die Beschreibung durch!)

– Ja, man muss den Antrag insgesamt lesen.

(Zuruf von der SPD: Gesamtkunstwerk!)

– Die Aussage dieses Gesamtkunstwerkes ist: Wir – sprich: CDU-Fraktion – sind der Anwalt der kleinen Leute, der Anwalt der Kommunen. Das ist die Aussage. Das ist die Richtung.

(Michael Hübner [SPD]: Neuerdings!)

Aber dann schauen Sie sich einmal an, wie Sie 2005 und 2010 mit den kleinen Leuten und der kommunalen Familie umgegangen sind. Sie werden feststellen: Ein Teil der finanziellen Schieflage ist unter anderem auf die Politik der abgewählten schwarz-gelben Landesregierung zurückzuführen. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.

Wenn ich in alten Protokollen nachlese, wie Sie sich verhalten haben – Herr Hübner hat davon gesprochen –, als Rot-Grün gesagt hat, man müsse etwas tun und einen Stärkungspakt auflegen. Nein, so nicht, haben Sie von der CDU-Fraktion gesagt. Sie haben gesagt: Nein, nicht 350 Millionen €, sondern 700 Millionen € müssen es sein! – Natürlich haben Sie keine Antwort auf die Frage gegeben, wie das finanziert werden kann.

(Michael Hübner [SPD]: Doch, aus dem GFG wollten die das nehmen!)

– Ach, aus dem GFG. Guck mal einer an!

Sie haben gerade einen Hinweis auf die Frage gegeben, wie damit umzugehen ist: Es wird Gewinner und Verlierer geben! – Sie werden die ersten sein, die sagen, es müsse aufgestockt werden. Im nächsten Schritt werden Sie fragen, wie das im Haushaltsgeschehen ausgeglichen werden soll. Dass die Nettoneuverschuldung ansteigt, geht nach Auffassung der CDU-Fraktion auch nicht.

Unterhalten wir uns dann darüber, inwieweit etwa vermögendere Gebietskörperschaften ihren Teil dazu beitragen können – Thema: Abundanz oder Solidaritätsumlage. Sie werden sagen, dass das auch nicht gehe, auch das müsse aus dem Landeshaushalt finanziert werden. Aber in der gleichen Sitzung, in der wir über den Haushalt 2013 abschließend beraten werden, werden Sie sagen, die Neuverschuldung sei zu hoch, NRW müsse den Haushalt herunterfahren. So sieht Ihre Herangehensweise aus.

Sie sollten sich einmal vor Augen führen, wie Rot-Grün – in Teilbereichen von der FDP-Fraktion unterstützt, was auch gut so ist – damit umgeht: Wir versuchen in diesem Zusammenhang, Stück für Stück die Verwerfungen, die es im kommunalen Haushalten gibt, zu beseitigen. Wir geben Hilfestellungen. Wenn wir erkennen, dass bei der Berechnung der strukturellen Lücken Fehler passiert sind, werden wir das korrigieren. Dabei wird niemand hingehalten, sondern alle müssen mitarbeiten. Das setzt natürlich auch voraus, dass die Grundlagen mit den einzelnen Gebietskörperschaften geklärt und diese von ihnen testiert werden.

Wenn noch nicht alle dabei sind, werden die angemahnt. Sie sollten sich einmal umhören, wer in dem Zusammenhang seine Zahlen oder Testate noch nicht zur Verfügung gestellt hat. Möglicherweise finden Sie auch die eine oder andere CDU-geführte Kommune. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Krüger. – Für die FDP-Landtags­fraktion spricht der Kollege Abruszat.

Kai Abruszat (FDP): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will gar nicht erst den Versuch unternehmen, darum herumzureden. Es stimmt: Bei der Verteilung der Konsolidierungshilfe in Höhe von 350 Millionen € gibt es Unstimmigkeiten. Es gibt eine fehlerhafte Datenbasis. Wir müssen feststellen, dass für den Verteilermaßstab Zahlen, Daten und Fakten in Ansatz gebracht worden sind, die zu einem Teil so nicht nachvollziehbar sind. Diese fehlerhafte Datengrundlage bei der Berechnung der strukturellen Lücke einer jeweiligen Stärkungspaktkommune muss geschlossen werden.

Für uns als FDP kommt es dabei nicht darauf an, ob die Kommunen vor Ort Urheber dieser fehlerhaften Daten sind, vielleicht IT.NRW oder eine ministerielle Bürokratie. Meine Damen und Herren, wir wollen nämlich nicht nach dem alten Grundsatz verfahren: Wer viel macht, macht viele Fehler! Wer wenig macht, macht wenig Fehler! Und wer gar nichts gemacht hat, hat am Ende immer Recht! – Das kann nicht der Grundsatz sein, nach dem wir verfahren. Wir haben den Stärkungspakt Stadtfinanzen im Interesse der Kommunen in Nordrhein-Westfalen aufgelegt.

Wenn ein Kind sprichwörtlich in den Brunnen gefallen ist, steht man nämlich nicht am Brunnenrand und lamentiert darüber, wie das passieren konnte, sondern dann greift man beherzt ein, um das zu beheben, was zu beheben ist. Genau diese Überprüfung der Berechnungsgrundlagen wird vorgenommen und ist zum Teil schon vorgenommen worden. Ich bin sicher, diese überprüften Daten werden dem Landtag zugeleitet werden. Das hat die Landesregierung zugesichert. Diese Forderung findet jetzt noch einmal eine Bestätigung durch den hier vorliegenden Antrag. Der Überweisung in den Fachausschuss stimmen wir natürlich zu.

Lassen Sie mich abschließend noch etwas sagen: Das Ganze – auch nicht diese Geburtswehe – ändert nichts daran, dass der Stärkungspakt für die kommunale Familie ein wichtiges Signal bleibt. Dazu standen wir nicht nur bei der Verabschiedung, sondern dazu stehen wir auch heute. Wir lassen dieses Projekt dadurch nicht zerreden. Wir stehen erst recht dazu, wenn eine solide Datenbasis diese Unwuchten aus den Anfängen des Gesetzes korrigiert, und sind sicher, dass wir auf dem richtigen Wege sind. – Ganz herzlichen Dank!

(Beifall von der FDP und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Abruszat. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Schulz.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer im Saal und zu Hause! In dem Fall kann man es einmal kurz machen: Herr Minister, Sie haben vorhin gesagt, man müsse konsensual daran gehen und könne nicht auf die Gemeinden draufhauen und den Bösen spielen. In der Tat wird das hier nicht möglich sein. Fakt ist: Dass die Zahlen­grundlagen und Daten neu berechnet werden müssen, weil ein Fehler passiert ist, ist bedauerlich. Das muss korrigiert werden. Die Kommunen dürfen jedoch nicht die Leidtragenden sein. In dem Fall wird man einfach einmal Gnade vor Recht ergehen lassen müssen.

Gleichwohl sind natürlich Haushaltskonsolidierungspläne vorzulegen. Wenn man bedenkt, dass dies einen Monat vor dem Jahreswechsel stattfindet, müssten die neuen Zahlen eigentlich schon morgen vorliegen. Auch in dem Fall wird man wahrscheinlich davon ausgehen müssen, dass sie vor dem Hintergrund der Basisdaten eben noch nicht fertig sein können und dementsprechend die Behandlung des Antrags der CDU im Ausschuss möglicherweise durch das Handeln der Gemeinden und vielleicht auch der Landesregierung schneller erledigt sein wird, unter Umständen sogar ganz schnell.

Das wäre natürlich im Interesse aller: der betroffenen Gemeinden des kommunalen Stärkungspakts wie auch der Landesregierung und aller hier im Hause vertretenen Fraktionen. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Danke schön, Kollege Schulz. – Für die Landesregierung hat nun Minister Jäger das Wort.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde, dieser Antrag entbehrt nicht einer gewissen Ironie, um ehrlich zu sein. Herr Kuper, dass ausgerechnet Sie diesen Antrag stellen – „sie“ klein geschrieben: die Vertreter der CDU-Fraktion –, als ein Teil derjenigen Landesregierung, die zwischen 2005 und 2010 Kreise, Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen hat finanziell ausbluten lassen, und sich jetzt zum Rächer von Witwen, Waisen und Kommunen aufschwingen,

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

das ist in der Tat eine gewisse Ironie.

(Zuruf von der CDU)

– Vielleicht fällt Ihnen einmal eine intelligente Zwischenfrage ein. Die würde ich Ihnen gerne beantworten. Sie brauchen nicht dazwischen zu rufen.

Meine Damen und Herren, Fakt ist: Diese CDU-geführte Landesregierung hat sich seinerzeit auf Kosten der kommunalen Haushalte bereichert. Das haben Sie damals „Konsolidierung des Landeshaushalts“ genannt und es so verkauft.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister, würden Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kuper zulassen?

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Wenn es eine gute ist, gerne.

André Kuper (CDU): Herr Minister, wer hat denn die Kosten der Grundsicherung auf der Bundesebene und die Kosten der Unterkunft den Kommunen aufgelastet?

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Kuper, auch da können wir gebetsmühlenartig die Argumente miteinander austauschen. Sie haben den kommunalen Haushalten pro Jahr, Herr Kuper – „sie“ klein geschrieben, weil Sie persönlich damals dem Parlament noch gar nicht angehörten –, 300 Millionen € entnommen, den kommunalen Haushalten, jedes Jahr.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass sich in der Verantwortung der schwarz-gelben Landesregierung die kommunalen Liquiditätskredite von 2005 bis 2010 von 10 Milliarden auf über 20 Milliarden mehr als verdoppelt haben. Das ist Ihre Verantwortung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie sollten hier keine Legende betreiben, wer denn da was wo beschlossen hat.

Meine Damen und Herren, wichtig ist auch und Fakt ist auch: Ohne den Stärkungspakt wären viele Kommunen heute finanziell völlig entmündigt und würden überhaupt keine Entscheidungen mehr selbst treffen dürfen. Die Kommunen in unserem Land bringt diese Art von Schaufensteranträgen, wie sie hier gestellt werden, überhaupt nicht weiter. Die finanzielle Krise in den Kommunen ist bedenklich. Sie ist brisant. Sie ruft nach schneller und zielgenauer Hilfe.

Allerdings: Was mich wirklich ärgert, ist, dass Sie unzutreffend behaupten, die Überprüfung der Berechnungsgrundlagen sei abgeschlossen, und hier Dinge beantragen, die Sie ohnehin – so ist es ja auch miteinander vereinbart und angesprochen – bekommen werden.

Ich hätte mir auch gewünscht, dass die Überprüfung der strukturellen Lücke bei den Kommunen schneller gegangen wäre. Aber es geht hier um die Neuberechnung von viel Geld für ein Gesetz, das weitere neun Jahre gelten soll und das auf einer gerechten und gesetzeskonformen Grundlage weiterzuentwickeln ist.

Meine Damen und Herren, Sie wissen auch, dass wir in diesem Stärkungspakt 61 Kommunen haben und dass die strukturelle Hilfe dieser 61 Kommunen berechnet worden ist auf der Grundlage von zwei unterschiedlichen Gutachten, die der Kollege Hübner hier gerade dargestellt hat.

Einige dieser Kommunen haben im Nachhinein festgestellt, dass sie die Daten, die sie weitergemeldet haben für die Ermittlung der amtlichen Statistik, offensichtlich nicht mit der gebotenen Sorgfalt weitergeleitet haben.

Jetzt stellt sich für den Gesetzgeber und die Landesregierung eine Frage: Ignorieren wir das und nehmen in Kauf, dass es in der Tat zu Ungerechtigkeiten in der Verteilung dieser 350 Millionen zwischen diesen 61 Kommunen kommt, oder geben wir den Kommunen noch einmal die Chance, auf einer dann aber realistischen und gerechten Grundlage eine Neuberechnung vorzunehmen?

In der Tat ist es so, dass wir das nicht einfach auf Zuruf uns mitteilen lassen, sondern Gegenstand dieser neuen Ermittlungen jeweilige Testate der Hauptverwaltungsbeamten und des Rechnungsprüfungsamtes sein müssen.

Wir haben Ihnen – eine kleine Gedächtnisstütze, Herr Kuper – inzwischen drei Mal im Kommunalausschuss mitgeteilt: Dieser Prozess läuft. Wir haben bis zum heutigen Tage fast alle dieser Testate, leider noch nicht alle. Mein Haus arbeitet daran, in Absprache und Beratung mit den Kommunen diese letzten Testate zu erhalten. Wir werden dann wieder durch ein finanzwissenschaftliches Gutachten eine Neuberechnung vornehmen. Ich glaube, dass das, wenn alle Testate vorliegen, auch zügig erfolgen kann. Selbstverständlich wird dann der Kommunalausschuss darüber unterrichtet.

Ich darf noch einmal zitieren aus der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 463 vom 15. Oktober dieses Jahres. Herr Kuper, ich zitiere:

„Sobald die aktualisierten Daten vorliegen, wird die Landesregierung dem Landtag eine entsprechend überarbeitete Änderung der Anlage zum Stärkungspaktgesetz zuleiten.“

Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind damit am Schluss der Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/1476 an den Ausschuss für Kommunalpolitik. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisung einstimmig erfolgt.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt:

9   Gesetz zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Schwangerschaftskonfliktgesetz

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/749

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Familie, Kinder und Jugend
Drucksache 16/1463

zweite Lesung

Die Fraktionen haben vereinbart, dass die Redebeiträge hierzu zu Protokoll gegeben werden. (Siehe Anlage 4)

Wir kommen damit direkt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 16/749. Wer der Beschlussempfehlung Drucksache 16/1463 seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist der Beschlussempfehlung zugestimmt, und der Gesetzentwurf ist in der zweiten Lesung verabschiedet.

Tagesordnungspunkt 10 ist durch die Beratung im Zusammenhang mit der Aktuellen Stunde unter Tagesordnungspunkt 1 bereits erledigt.

Wir kommen zu:

11       Gesetz zur Weitergeltung des Gesetzes über die Ablieferung von Pflichtexemplaren und ausführender Vorschriften (Pflichtexemplarweitergeltungsgesetz)

Gesetzentwurf
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/1274

erste Lesung

Ich eröffne die Beratung und erteile für die CDU-Fraktion Herrn Prof. Dr. Dr. Sternberg das Wort.

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Warum bringen wir heute einen Gesetzentwurf mit einem solch monströsen Namen ein, den man kaum aussprechen kann? – Das, was wir vorlegen, ist das Dokument einer Konsensverweigerung; denn eigentlich beschließt man so etwas, was hier auf dem Tisch liegt, im Konsens.

Worum geht es? – Es gibt seit Jahrzehnten eine Pflicht zur Abgabe von Druckwerken in Nordrhein-Westfalen. Diese werden an den drei Universitätsbibliotheken in Bonn, in Düsseldorf und in Münster abgegeben. Das Gesetz über die Ablieferung von Pflichtexemplaren ist am 31. Dezember vorigen Jahres ausgelaufen. Das heißt, seit dem 1. Januar haben wir einen rechtsfreien Raum. Aus diesem Grund hat die Koalition einen Gesetzentwurf eingebracht, der zwar schon ein Jahr alt ist, aber jetzt übers Knie gebrochen werden soll.

Die Problematik an der ganzen Sache ist eine Ergänzung in dem Gesetzentwurf, nämlich dass die Regelungen auch für digitale Werke gelten sollen. So einfach ist das aber nicht. Die Anhörung in der letzten Woche hat gezeigt, wie kompliziert das Ganze ist. Man kann es keineswegs so einfach auf Digitalisate übertragen, denn es ist überhaupt nicht klar, was das Gesetz, diese Vorschrift ausdrücken soll. All das steht im Kontext eines sehr viel größeren Themas.

Nur um anzudeuten, wie kompliziert es ist: Man kann ein Buch zum Beispiel als Buch in der Bibliothek einsehen, man kann es über die Fernleihe erhalten, man kann es verschicken. In dem Moment aber, in dem es ein Digitalisat ist, kann man es nicht mehr herausgeben. Nach diesem Gesetzentwurf kann man es also noch nicht einmal mehr am Arbeitsplatz in der Bibliothek einsehen. Das sind Kuriositäten, die allerdings System haben.

Dazu nur ein paar Meldungen gerade aus diesen Tagen: Gerade heute konnten wir in der Zeitung vom Start der Deutschen Digitalen Bibliothek lesen. Dabei hat der Präsident ganz offen zugegeben, dass im 20. Jahrhundert ein großes Loch besteht, das bis in die Gegenwart hineinreicht. Die „Frankfurter Allgemeine“ schreibt heute dazu:

„Denn natürlich muss sich die Online-Bibliothek nach der hiesigen Rechtslage richten, und da schnappen sämtliche Fallen zu, die das noch immer unreformierte deutsche Copyright gestellt hat.“

Meine Damen und Herren, man könnte so weitermachen. Es gibt jede Menge Dinge, zum Beispiel: Die Exilbibliothek in der NWB hat seit Juli die gesamte Recherche eingestellt. Man kann dort nichts mehr einsehen, weil die Rechtslage ungeklärt ist. Und in Darmstadt hat man den Streit um einen digitalen Leseplatz an den EuGH verwiesen. Es geht also um durchaus Wichtiges.

Was wollen wir jetzt mit dem Gesetzentwurf? – Wir wollen uns Zeit nehmen und deshalb erstens die Weitergeltung des alten Gesetzes, zweitens eine Regelung schaffen, die das Loch 2012 löst, und drittens die Erarbeitung einer tragfähigen Lösung. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Prof. Sternberg. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Bialas. Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Andreas Bialas (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in der Tat zwei Lücken. Die erste Lücke ist wesentlich: Wir haben derzeit kein Gesetz. Die zweite Lücke – auch nicht ganz unwesentlich – bedeutet, dass wir mit dem bisherigen Gesetz, das bereits ausgelaufen ist, einen großen Bereich nicht abgedeckt haben, nämlich die nichtkörperlichen Publikationen.

Für beides müssen wir eine Lösung finden. Daher hat Rot-Grün einen Gesetzentwurf eingebracht, über den auch schon beraten wurde. Dazu hat eine sehr gute Anhörung stattgefunden. An dieser Stelle möchte ich noch einmal denjenigen sehr danken, die sich dafür zur Verfügung gestellt und uns beraten haben. Die Beiträge waren sehr niveauvoll und klug. Wir sind bereits im Prozedere.

Sie haben jetzt einen Antrag eingebracht, der im Grunde nichts anderes sagt, als dass über den Antrag von Rot-Grün nicht abgestimmt, sondern weiter beratschlagt werden sollte, und wir setzen das alte Gesetz erst einmal wieder in Kraft, das aber hinter unseren Gesetzentwurf zurückfällt. – Selbstverständlich werden wir der Überweisung in den Ausschuss zustimmen, dort werden wir ohnehin weiter über das Gesetz beraten. Unserer Ansicht nach haben wir bereits ein weitreichenderes Gesetz eingebracht. Das werden wir thematisch behandeln.

Während der Anhörung haben wir uns mehrere sehr interessante Punkte angeschaut, die für uns besondere Bedeutung haben und über die wir auch weiter in der Diskussion stehen. Sie sind bereits mit dem Ministerium besprochen, um zu prüfen, inwieweit wir darauf eingehen können. Eines sollten wir aber nicht tun, nämlich einen derartig langen Beratungsweg auf uns nehmen, ohne das weitreichendere Gesetz in Kraft zu setzen. Wir haben es mit einer Materie zu tun, die sich permanent ändert, auch in nächster Zeit. Wir müssen zum Teil auch die verschiedenen Ebenen des Rechts betrachten und können leider nicht sämtliche rechtlichen Bedingungen auf Landesebene klären. Wir können unseren Willen zum Ausdruck bringen. Das halte ich auch für bedeutsam. Aber wir können das nicht klären, weil wir auch abhängig von Urheberrechten sind, die auf der Bundesebene gemacht werden. Letztendlich werden wir mit dem Gesetz in den nächsten Jahren in einen dynamischen Prozess gehen müssen.

Wie gesagt, der Überweisung stimmen wir gerne zu. Einzelne Punkte, die möglicherweise eine Änderung unseres Gesetzentwurfs bedeuten können, wurden in der Anhörung vorgebracht. Ich freue mich selbstverständlich auf weitere Beratungen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Bialas. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Keymis.

Oliver Keymis (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Bialas hat gerade schon das Wesentliche gesagt. Wir wollen im Prinzip bei unserem Entwurf bleiben. Wir werden uns noch einmal genau anschauen, was die CDU heute eingebracht hat, und es zusammen mit dem, was wir in der Anhörung erfahren haben, bewerten.

Wir Grüne stimmen der Überweisung zu. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und Christof Rasche [FDP])

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Keymis. – Für die Fraktion der FDP spricht Frau Kollegin Schmitz.

Ingola Schmitz (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Erlaubnis des Präsidenten: „Alle Gesetze sind Versuche, sich den Absichten der moralischen Weltordnung im Welt- und Lebenslaufe zu nähern“, erklärte einst Johann Wolfgang von Goethe. Dazu gehört auch der Versuch, kulturelles Erbe zu erhalten.

Wir diskutieren heute einen Gesetzentwurf der CDU-Fraktion, zu dessen Pendant, dem Gesetzentwurf der Landesregierung, erst in der vergangenen Woche eine Anhörung im zuständigen Kultur- und Medienausschuss stattfand. Diese wird in absehbarer Zeit ausgewertet sein.

Klar ist aber: Gegenstand der Anhörung konnte nur ein bereits eingebrachter Gesetzentwurf sein. Eine Ankündigung der CDU-Fraktion vorab, einen Antrag einbringen zu wollen, ändert daran nichts. Waren auch hehre Ziele die Beweggründe – Schließung von Rechtslücken und Überbrückung von Zeit –, sollte hier erwähnt werden, dass ein solches Vorgehen nicht üblich ist und auch nicht üblich werden sollte. Dies sage ich vor allem im Hinblick auf die angehörten Sachverständigen.

Einig sind wir uns zumindest darin, dass wir in Anbetracht der seit mehr als elf Monaten bestehenden Regelungslücke nicht viel Zeit verstreichen lassen dürfen, um zu einer neuen Regelung zu kommen. Der Sammel- und Bewahrungsauftrag der Bibliotheken ist wichtig und richtig. Hierzu bedarf es rechtssicherer Regelungen bezüglich der Pflichtexemplar­ablieferung.

Wir sind uns auch alle einig, dass der Bereich der elektronischen Werke eine wichtige, erstmalig neu zu regelnde Materie ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein paar Worte zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung sagen. Wir haben, ohne der Auswertung der Anhörung vorgreifen zu wollen, zu diesem Gesetzentwurf der Landesregierung sowohl positive Aspekte als auch einige kritische Anmerkungen gehört. Gerade zum Bereich der unkörperlichen Werke stellen sich wohl noch weitergehende Fragen, zum Beispiel bei Rechteeinräumungen, die die Landesregierung in ihrer Version nicht eindeutig zu beantworten vermag. Über diese kritischen Anmerkungen müssen wir noch weiter diskutieren. Dies werden wir sicherlich in der Aussprache zur Anhörung ausführlich tun.

Wir hätten es begrüßt, wenn der Gesetzentwurf der CDU bereits in der vergangenen Plenarsitzung in das Parlamentsverfahren eingebracht worden wäre. So wäre es uns möglich gewesen, in der Anhörung der Experten auch mehr zum Thema der Wiedereinsetzung und der Rückwirkung des alten Gesetzes zu hören. Das ist uns mangels beratungsfähigen Gegenstands leider nur sehr eingeschränkt gelungen – und dies auch nur, weil einzelne Experten dankenswerterweise doch die eine oder andere Bemerkung zu dem noch nicht eingebrachten Gesetzentwurf gemacht haben. Diese Chance ist somit leider teilweise verpasst worden. Aber wir werden die Diskussion im Ausschuss sicherlich mit entsprechender Akribie führen.

Selbstverständlich stimmen wir einer Überweisung in den Ausschuss zu. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Schmitz. – Für die Piratenfraktion spricht Kollege Schwerd.

Daniel Schwerd (PIRATEN): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Tribüne, an den Bildschirmen, Zuschauer von heute und aus der Zukunft!

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Auf dem Mars, bitte!)

– Die auf dem Mars und die von der anderen Seite des Mondes auch.

Pflichtexemplargesetze sorgen dafür, dass von sämtlichen Schriftstücken, die in diesem Bundesland produziert werden, zumindest ein Exemplar bei einer Bibliothek abgeliefert und dort archiviert wird. Pflichtexemplargesetze sind somit ein wichtiger Baustein für die Bewahrung unseres kulturellen Gedächtnisses. Das alte Pflichtexemplargesetz ist am 31. Dezember letzten Jahres außer Kraft getreten, ohne dass rechtzeitig für Ersatz gesorgt wurde. Für diese Situation kann man nicht mal die Neuwahlen als Ausrede anführen. Ist es möglich – diese Frage richte ich ausdrücklich nicht nur an die Landesregierung, sondern an alle Fraktionen im Hause –, dass dieses Thema schlichtweg verschlafen worden ist?

Immerhin bietet das Außerkrafttreten des alten Gesetzes die Möglichkeit, die Neuauflage des Pflichtexemplargesetzes an das digitale Zeitalter anzupassen. Denn die neuen technischen Möglichkeiten werfen auch in Bezug auf Pflichtexemplare ganz neue Fragen auf. Was ist beispielsweise mit Webseiten? Handelt es sich hierbei auch um Publikationen, die archiviert und abgeliefert werden müssen, und wenn ja, wie kann das funktionieren? Von daher ist es womöglich ganz gut, dass Sie mit der Neuregelung des Gesetzes gewartet haben, bis die Piraten in den Landtag eingezogen sind.

(Beifall von den PIRATEN)

Ohne falsche Bescheidenheit denke ich, dass wir Ihnen auch bei diesen Fragen helfen können.

Der Entwurf für ein neues Pflichtexemplargesetz, den die Landesregierung vorgelegt hat, weist unserer Meinung nach noch ein paar Mängel auf. Dies wurde auch in der Expertenanhörung im Kultur- und Medienausschuss am 22. November 2012 deutlich. So sind im Entwurf der Landesregierung beispielsweise noch zahlreiche urheberrechtliche Fragen ebenso ungelöst wie ganz praktische Fragen zum Umgang mit digitalen Publikationen. Hier gibt es Nachbesserungsbedarf. Trotzdem glauben wir, dass der Entwurf der Landesregierung eine gute Basis darstellt und relativ zügig überarbeitet werden kann, um das neue Pflichtexemplargesetz an die Erfordernisse der heutigen Zeit anzupassen.

Die CDU hat einen Gesetzentwurf vorgelegt  –  um diesen geht es eigentlich bei der heutigen Debatte  –  mit dem das alte, abgelaufene Pflichtexemplargesetz samt seinen Lücken zunächst weitergelten und der rechtlose Zeitraum seit Beginn des Jahres abgedeckt werden soll. Später sollen mit einem Rundumschlag in Form eines eigenen Bibliotheksgesetzes sämtliche Probleme des Bibliothekswesens auf einen Streich gelöst werden  –  inklusive des Pflichtexemplargesetzes. Das erscheint uns sehr ambitioniert. Es birgt die Gefahr, dass bis dahin noch sehr viel Zeit vergeht.

Wir Piraten plädieren daher für eine pragmatische Lösung, nämlich die zeitnahe Überarbeitung und Verabschiedung des Regierungsentwurfs. Wir laden alle Fraktionen dazu ein, mit uns gemeinsam einen Änderungsantrag zu erarbeiten, damit dieses Gesetz dann wirklich Hand und Fuß hat. Die Frage, ob bis dahin die Weitergeltung des alten Gesetzes sinnvoll oder nötig ist, sollen bitte die Juristen beantworten.

Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Ihnen im Ausschuss. – Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Schwerd. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Schäfer.

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat einen Gesetzentwurf zum Pflichtexemplargesetz vorgelegt, der beides ist, sowohl konservativ als auch zukunftsorientiert; denn wir haben die bisherigen Bestimmungen der Durchführungsverordnung in das Gesetz integriert, und gleichzeitig führen wir das Gesetz weiter und schaffen damit Regelungen, die aus unserer Sicht zukunftsfähig sind.

Werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Sie verfolgen nun das Ziel, das alte Pflichtexemplargesetz quasi unverändert wieder in Kraft zu setzen. Das kann ich nicht nachvollziehen – genauso wenig wie einige meiner Vorredner.

Ich kann auch die Begründung für diesen Vorschlag nicht nachvollziehen; denn Sie behaupten, dass die Erweiterung des Sammelauftrags auf sogenannte unkörperliche Medienwerke bzw. Netzpublikationen eine Fülle bibliotheks- und medienrechtlicher Fragen aufwerfe. Sie meinen, diese Fragen könnten im laufenden Gesetzgebungsverfahren nicht mit der gebotenen Gründlichkeit beraten werden.

Dieser Einschätzung stimme ich nicht zu. Es ist zwar richtig, dass es hinsichtlich der dauerhaften Archivierung und Nutzungsmöglichkeiten von elektronischen Pflichtexemplaren noch viele offene Fragen gibt. Diese Fragen betreffen aber weitestgehend das Urheberrecht und liegen damit in der Zuständigkeit des Bundes. Sie werden auch von Experten des Bundes schon seit Jahren diskutiert, ohne dass es tatsächlich erkennbare und zufriedenstellende Lösungen gibt.

Der Bund und einige andere Länder haben ihre Pflichtexemplarregelungen bereits auf Netzpublikationen ausgeweitet. Sie waren trotz der offenen Fragen in der Lage, gesetzliche Regelungen zur Ablieferung von Netzpublikationen in Kraft zu setzen. Diese gesetzlichen Regelungen bieten eine Grundlage, die zum Beispiel für die Deutsche Nationalbibliothek durchaus praktikabel ist.

Die Universitäts- und Landesbibliotheken warten dringend auf eine gesetzliche Regelung für die Sammlung elektronischer Pflichtexemplare. Nur dann können sie auch Erfahrungen im Umgang mit einer solchen Regelung machen.

Möglicherweise werden auf Grundlage dieser Erfahrungen auch wieder Änderungen an unserem Pflichtexemplargesetz nötig sein. Bei der dynamischen Entwicklung der elektronischen Informationsmedien müssen wir uns vermutlich aber ohnehin darauf einstellen, dass wir dieses Gesetz gelegentlich wieder verändern und novellieren müssen. Wichtig ist aber, dass die Landesbibliotheken jetzt auch mit der Sammlung der elektronischen Pflichtexemplare beginnen.

Mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung, dessen erste Lesung hier im Landtag im September dieses Jahres stattfand, sind wir auf einem richtigen Weg, denke ich. Der Gesetzentwurf ist mit den schon existierenden Pflichtexemplargesetzen des Bundes und anderer Länder abgeglichen worden. Die fachlichen Notwendigkeiten und Anforderungen der Landesbibliotheken, die sich schon lange mit dieser Thematik beschäftigen, sind auch in den Gesetzentwurf eingeflossen.

Die in unserem Entwurf vorgesehenen Regelungen sind daher nach meinem Dafürhalten in jeder Hinsicht geeignet, eine verlässliche, praktikable rechtliche Grundlage für die Ablieferung von körperlichen und unkörperlichen Pflichtexemplaren zu schaffen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/1274 an den Ausschuss für Kultur und Medien. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisung einstimmig erfolgt.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt

12       Herausforderungen des doppelten Abiturjahrgangs annehmen – Wo sind die Konzepte der Landesregierung?

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/1477

Ich eröffne die Aussprache. – Das Wort hat der Kollege Kaiser.

Klaus Kaiser*) (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu vorgerückter Stunde stelle ich fest: Der Antrag „Herausforderungen des doppelten Abiturjahrgangs annehmen – wo sind die Konzepte der Landesregierung?“ bringt … Ich muss kurz Luft holen.

(Angela Lück [SPD]: Was haben Sie denn gemacht, Herr Kaiser?)

– Ich hatte bis gerade eine Besuchergruppe und bin ziemlich schnell gelaufen.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Beim doppelten Abiturjahrgang muss man auch durchatmen!)

– So ist das. – In diesem Zusammenhang nimmt die Dramatik, die jetzt auf uns zukommt, zu. Die Unruhe bei Eltern und bei Betroffenen wird größer. Die Antworten bleiben aber unbestimmt und unklar.

Vor diesem Hintergrund haben wir unseren Antrag gestellt, um darzustellen, wie die Unsicherheit genommen werden kann und wie wir dafür sorgen können, dass wir den Betroffenen Sicherheit geben und einen Überblick vermitteln, wie das Ganze im nächsten Jahr gemanagt wird.

In dem Antrag, den wir als CDU eingebracht haben, wird gefordert, anzugeben, welche Kapazitäten an welchen Hochschulen zusätzlich zur Verfügung stehen müssen. Das heißt, wir können uns nicht auf unbestimmte Aussagen verlassen. Wir brauchen Sicherheit. Wir wissen auch, dass an den Hochschulen entsprechende Vorgaben umgesetzt werden. Bisher haben wir aber wenig konkrete Informationen. Deshalb, Frau Ministerin Schulze, möchten wir Sie mit diesem Antrag beauftragen, uns präzise Auskunft zu geben und damit auch allen Betroffenen darzustellen, wie wir das in Zukunft gestalten können.

Wir wissen, dass über 630.000 Menschen bei uns ein Studium absolvieren. Wir wissen, dass die Zahl der Studierenden enorm gestiegen ist – insbesondere auch vor dem Hintergrund der Kompensationsmittel, die zur Verfügung gestellt worden sind. Daraus haben wir deutlich gelernt, dass die bisher geleistete Kompensation alles andere als auskömmlich ist. Es stellt sich also die Frage: Wie reagiert die Landesregierung auf diese größte Herausforderung im schulpolitischen Bereich?

Wir wissen, Frau Löhrmann hat betreffend die Gymnasien insofern reagiert, als die Schulen aufgrund der zusätzlichen Belastung durch den doppelten Abiturjahrgang von der Q 4, von der Qualitätsanalyse, ausgenommen sind und es ihnen überlassen ist, sich dieser zu stellen.

Ich erinnere an die heute Morgen stattgefundene Aktuelle Stunde. Frau Ministerin Schulze, ich weiß nicht, ob es, wenn wir von den Hochschulen eine sehr hohe Flexibilität bei der Schaffung neuer Studienplätze verlangen, hilft, nun ein neues Hochschulgesetz in die Beratungen zu bringen. Vielleicht hätte man auch in dieser Frage dem Vorbild der Schulministerin folgen können. – Wir freuen uns auf die Beratungen im Ausschuss.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Kaiser. – Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Bell.

Dietmar Bell (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Mit Erlaubnis des Präsidenten würde ich gerne mit einem Zitat beginnen:

„Die höhere Anzahl an Studierenden verlangt von allen Verantwortlichen der Universität ein Höchstmaß an Kooperation und Engagement für die jungen Menschen, die in einen wichtigen Lebensabschnitt ihrer beruflichen Karriere eintreten. Wir werden alles dafür tun, dass der doppelte Abiturjahrgang keinen negativen Einfluss auf die Qualität der Lehre haben wird. Die frühzeitig zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel, die bereits existierende und weiter intensivierte exzellente Forschung sowie die stetig verbesserten Rahmenbedingungen der Lehre sollen auch weiterhin dazu beitragen, die Qualität des Studiums zu verbessern.

Gemäß dem im Sommer 2010 zwischen der Universität Paderborn und dem Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung vereinbarten Hochschulpakt II nimmt die Universität in den Jahren 2011 bis 2015 zusätzliche Studierende auf. Im Gegenzug erhält sie bis zum Jahr 2018 ca. 104 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln, um die Qualität der Lehre zu sichern. …

Wann immer Sie ihr Studium bei uns aufnehmen werden – im Sommersemester 2012, im Wintersemester 2012/2013 oder im Sommersemester 2013: Die Universität Paderborn ist bestmöglich auf den doppelten Abiturjahrgang vorbereitet.“

Dieses Zitat ist aus einer Publikation der Universität Paderborn.

Ich frage Sie allen Ernstes: Welches Zerrbild wollen Sie mit Ihrem Antrag in die Öffentlichkeit tragen?

Wir waren mit dem Arbeitskreis Wissenschaft der SPD vor wenigen Tagen an der Fachhochschule Niederrhein. Dort wurde uns definitiv – definitiv! – erklärt, dass sie über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, um den doppelten Abiturjahrgang zu bewältigen, und intensiv dabei ist, entsprechende Verbesserungen herbeizuführen.

Ich sage: Dieser Antrag wird nicht die Unsicherheit und Unruhe bei Eltern und Betroffenen reduzieren, sondern Sie versuchen, genau diese Unruhe herbeizureden.

(Beifall von der SPD)

Sie schaden dem Universitätsstandort Nordrhein-Westfalen mit dieser Art und Weise der Debattenkultur.

Sie hätten sich einfach ein wenig mehr Mühe geben müssen, Herr Kaiser.

(Zuruf von Klaus Kaiser [CDU])

– Das Niveau des Antrags ist wirklich so, dass ich mich nach Dr. Brinkmeier sehne. Das muss ich wirklich sagen. In diesem Antrag ist wirklich so wenig Substanz!

Sie hätten sich die Mühe machen müssen, sich den Monitoringbericht des Ministeriums anzuschauen. Sie sagen, es wäre ein Beobachtungsbericht. Wenn Sie diesen Bericht lesen, werden Sie erkennen, dass nach den Angaben der Hochschulen die Ziele zur Aufnahme zusätzlicher Studienanfänger für die Jahre 2012 bis 2015 aller Voraussicht nach erreicht werden. Und da werden auch die Kapazitäten im Zubau genannt. Zum Beispiel: In den Ingenieurwissenschaften gibt es 37,8 % zusätzliche Plätze im Zubau, in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 24,7 % Zubau, in den Sprach- und Kulturwissenschaften 16 % Zubau.

Ich glaube allen Ernstes, Sie werden der Herausforderung, die hinter dem doppelten Abiturjahrgang steht, und der Verantwortung, der wir uns hier stellen müssen, nicht gerecht. Diese Landesregierung tut das. Deswegen möchte ich mich sehr herzlich bei Ministerin Schulze bedanken.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU)

– Die Reaktion ist genauso müde wie Ihr Antrag. Das muss man einmal deutlich sagen.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)

Die Herausforderung, die jetzt vor uns liegt, ist die, wie wir bei den neuen Diskussionen zum Hochschulpakt wegen der deutlich steigenden Studierendenzahlen zu einer verlässlichen Verabredung mit dem Bund kommen. Selbst das „Handelsblatt“ titelte am 26. November 2012: „Hochschulpakt muss neu verhandelt werden“. – Dem habe ich an dieser Stelle nichts hinzuzufügen.

Ich will aber sehr deutlich machen, dass die Landesregierung, gerade um den Handlungsspielraum der Hochschulen zu erweitern, Mittel aus dem Hochschulpakt von insgesamt 820 Millionen € leistungsbezogen zur Verfügung gestellt hat – ein Drittel mehr als bisher kalkuliert. Das wird die Hochschulen gerade im Zeitraum des doppelten Abiturjahrgangs noch einmal entlasten.

Lassen Sie also Ihre Nebelkerzen sein. Kommen Sie in der Realität der Hochschullandschaft in Nordrhein-Westfalen an. Das wäre besser für die Qualität der Debatte in diesem Hause. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Kollegin Dr. Seidl.

Dr. Ruth Seidl (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kaiser, man hatte eben das Gefühl, dass Sie sich nicht getraut haben, die dreisten Behauptungen, die in diesem Antrag zu finden sind, vorzutragen. Zumindest haben Sie nicht so viel darüber gesprochen.

Ich möchte auf die im Antrag der CDU beschriebene Ausgangssituation zurückkommen, in der die Maßnahmen der damaligen Landesregierung zur Vorbereitung auf den doppelten Abiturjahrgang 2013 dargelegt werden. Ich finde es großartig, dass Sie mir an dieser Stelle die Gelegenheit geben, Ihnen detailliert aufzuzeigen, wie wir Sie fünf Jahre lang regelrecht zum Jagen getragen haben. Es wurde ja behauptet, dass wir überhaupt nichts gemacht und Sie damals eigentlich alles auf den Weg gebracht hätten.

Seit 2006 haben wir kontinuierlich Druck gemacht, um dafür zu sensibilisieren, dass wir mit G8 auch die Konsequenzen im Hochschulbereich tragen müssen.

Ich kann dazu noch einmal die Anträge aufzählen: der erste Antrag vom 5. September 2006 „Zukunftschancen sichern – NRW braucht eine Offensive für mehr Studienplätze“, Antrag vom 27. Februar 2007 „Zugangsbeschränkungen sind keine Lösungen – die NRW-Hochschulen brauchen eine echte Studienreform“, Antrag vom 11. September 2007 „NRW braucht eine Hochschuloffensive gegen den Fachkräftemangel“, Antrag vom 11. November 2008 „Landesregierung versagt bei der Vorbereitung von Hochschulen und Ausbildungsmarkt auf den doppelten Abiturjahrgang“, Antrag vom 9. Dezember 2008 „Nicht versprechen, sondern handeln: Hochschulbauten jetzt sanieren!“, Antrag vom 19. Mai 2009 „Hochschulpakt II darf nicht scheitern – genügend Studienplätze für die nächste Generation schaffen“, der Antrag vom 4. Mai 2007 – auch ein Antrag der SPD-Fraktion – „Weniger Zukunft war nie – Studiengebühren abschaffen – Hochschulpakt umsetzen – Verantwortung übernehmen“ und der Antrag vom 13. November 2008 – auch ein Antrag der SPD-Fraktion – „Abiturjahrgang 2013 braucht eine klare Perspektive – Zweiter Hochschulpakt darf kein zweiter Reinfall für NRW werden.“ – Dies nur, damit Sie einen Eindruck bekommen, wer die eigentlichen Antreiber in Sachen Studienplatzaufbau auch in der 14. Legislaturperiode waren, damit hier kein falsches Bild entsteht.

(Zuruf von Klaus Kaiser [CDU])

Wenn Sie dann noch bei Ihrem historischen Rückblick die Abschaffung der Studiengebühren als ein Dilemma für den Aufwuchs der Studienplätze darstellen – das haben Sie ja eben wieder gesagt –, dann kann ich nur entgegnen, Herr Kaiser: Sie haben es immer noch nicht verstanden – genau wie Ihre Fraktion insgesamt. Die Qualitätsverbesserungsmittel, die zur Kompensation der Studiengebühren an den Hochschulen zur Verfügung gestellt wurden, können gar nicht für den Aufwuchs an Studienplätzen genutzt werden. Sie dienen doch alleine der Qualität der Lehre. Da bringen Sie immer etwas durcheinander. Also hören Sie doch endlich auf, diese Falschnachricht ständig zu wiederholen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es ist auch eine freche Behauptung, dass wir die zwischen 2005 und 2010 auf den Weg gebrachten Maßnahmen jetzt nicht fortsetzen würden.

Natürlich haben wir den Hochschulpakt fortgeführt, und zwar über das mit den Hochschulen bislang verabredete Maß hinaus. Insbesondere im letzten Jahr, in 2011, hat es eine deutliche Aufstockung gegeben, um die Auswirkungen der ausgesetzten Wehrpflicht abzufedern.

Für das stark nachgefragte Studienfach Medizin – darüber haben wir gestern gesprochen – sind wir dabei, kontinuierlich 1.000 zusätzliche Studienplätze aufzubauen, und zwar nur alleine aus unseren Mitteln. Der Bund hat sich da versagt.

Wir setzen den Ausbau der vier neuen Fachhochschulen fort und ziehen auch deren Endausbau zeitlich vor.

Geradezu zynisch ist es, dass Sie heute behaupten – das steht in Ihrem Antrag –, dass wir uns erst jetzt um den Wohnraumbedarf für Studierende kümmern würden und nicht vorher. – Wer hat denn eigentlich in den Jahren zuvor die Zuschüsse an die Studentenwerke im Jahr 2006 um 8 Millionen € – also um sage und schreibe 20 % – gekürzt? – Das waren Sie zu Ihrer Regierungszeit.

Was wir derzeit brauchen – auch vor dem Hintergrund der Demografie – sind in der Tat flexible Lösungen. Deshalb stellt das Land aus dem sozialen Wohnungsbau zusätzliche Mittel bereit, um zum Beispiel quartiersbezogene Konzepte zu unterstützen und auch Impulse für brachliegende Stadtquartiere auszulösen.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Entschuldigen Sie bitte, würden Sie eine Zwischenfrage des Abgeordnetenkollegen Ellerbrock zulassen?

Dr. Ruth Seidl (GRÜNE): Ja, gerne.

Holger Ellerbrock (FDP): Frau Kollegin, darf ich Ihnen in Erinnerung rufen, dass – unabhängig von der Kürzung der Gelder für die Studentenwerke im Jahre 2006; das habe ich zwar nicht mehr präsent, aber ich glaube Ihnen das, wenn Sie das sagen – Schwarz-Gelb 2008, 2009 und 2010 damals mit Flexibilisierung im experimentellen Wohnungsbau gerade auch für Studenten eine Menge getan hat? Hatten Sie das vergessen?

Dr. Ruth Seidl (GRÜNE): Wir haben nicht vergessen, dass es ein umfangreiches Konzept gegeben hat und auch mit Mitteln aus dem Konjunkturpaket II saniert worden ist. Das ist richtig, das fanden wir auch gut. Das haben wir auch unterstützt. Nichtsdestotrotz sind die Mittel verloren gegangen, die wir damals zur Verfügung gestellt haben, damit die Studentenwerke Kredite aufnehmen und zusätzlichen Wohnraum schaffen konnten. Das haben Sie damals zurückgefahren, und zwar massiv.

Unser Ziel ist es, jährlich 750 zusätzliche Plätze zu schaffen. Damit erreichen wir so viel, wie andere Flächenländer auch.

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, es wäre schön, wenn Sie sich in diese Debatte konstruktiv einbringen und anstatt Nordrhein-Westfalen schlechtzureden, sich für eine angemessene Aufstockung des Hochschulpaktes bei Ihrer Bildungsministerin einsetzen würden. Denn die Verantwortung für die Schulzeitverkürzung und den doppelten Abiturjahrgang tragen der Bund und die Länder gemeinsam. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Frau Kollegin Freimuth.

Angela Freimuth (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich rede Nordrhein-Westfalen mit Sicherheit nicht schlecht. Denn es ist eines der tollsten Länder, das ich kenne, und es macht mir – genauso wie Ihnen wahrscheinlich – sehr viel Spaß, mich für die Menschen in diesem Land und für dieses Land zu engagieren.

Frau Kollegin Dr. Seidl, der Antrag der CDU greift natürlich ein für die Menschen in Nordrhein-Westfalen – insbesondere für die jungen Menschen, die im kommenden Jahr ihr Abitur ablegen – wichtiges Thema auf. Denn diese jungen Menschen wollen wissen, ob unser Bundesland darauf vorbereitet ist, ob die Politik die Weichen richtig gestellt hat, ob sie an unseren nordrhein-westfälischen Hochschulen einen Studienplatz bekommen werden und ob sie Studienbedingungen vorfinden, unter denen sie dann auch tatsächlich ihr Studium erfolgreich durchziehen können. Das sind in der Tat alles völlig berechtigte Fragen. Diese müssen auch hier im Plenum diskutiert werden können.

Über die unterschiedlichen Ansätze kann man sicherlich streiten, aber in einem Punkt haben die Kollegen der Union völlig recht: Ein umfassendes Konzept seitens der Landesregierung fehlt. Es werden einzelne Maßnahmen angeschoben und sozusagen in wilder Geschäftigkeit dann auf den Weg gebracht, aber in der Tat ist bisher noch nicht erkennbar – jedenfalls für uns noch nicht –, dass es ein umfangreiches Konzept gibt, und das, obwohl die Hochschulen in unserem Land in beispielhafter Verantwortung ihre Freiheiten nutzen und umfangreiche Konzepte vorgelegt haben, wie sie diesen Herausforderungen begegnen können. Deswegen werden sie auch zu Recht von Frau Ministerin Schulze gelobt. Von uns im Übrigen auch.

Dass die Hochschulen das machen, entbindet die Landesregierung allerdings nicht davon, dies ebenfalls zu tun. Wenn hier eine Landesregierung, die in gewisser Weise seit 2010 Verantwortung trägt, dieser Verpflichtung noch nicht nachgekommen ist, dann, meine Damen und Herren, muss man das auch immer wieder mal ansprechen.

Wir haben das an verschiedenen Stellen getan, sei es bezüglich der Situation bei der BAföG-Bearbeitung, sei es betreffend die Wohnungsnot der Studierenden, insbesondere in den Zuzugsregionen, in denen ohnehin der Wohnungsmarkt sehr angespannt ist.

Auch wenn man solche Einzelprobleme herauspickt, ist gleichwohl die Vorlage einer umfangreichen Konzeption notwendig, wie jungen Menschen Perspektiven aufgezeigt werden können.

Es fehlt auch noch an einer weiteren Maßnahme, nämlich die jungen Menschen, die im nächsten Jahr ihre Abiturprüfung ablegen, auf die Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten im Handwerk und in kleinen und mittelständischen Industriebetrieben als Alternative zum Studium oder sofortigem Studium aufmerksam zu machen.

Kommen wir noch einmal zurück zu den Hochschulen: Dieser doppelte Abiturjahrgang ist kein neues Phänomen. Auch wenn die Aussetzung der Wehrpflicht und der Wegfall des zivilen Ersatzdienstes zu einer vorgezogenen Erhöhung der Zahlen und zu einer zeitlichen Verschärfung der Situation beigetragen haben, müssen wir trotzdem konstatieren, dass die Grundlagen für diesen doppelten Abiturjahrgang in den Jahren 2004/2005 noch von der damaligen rot-grünen Landesregierung gelegt worden sind.

(Sigrid Beer [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

– Nein, Frau Kollegin Beer.

In den Jahren 2005 bis 2010 wurden beispielsweise durch den Ausbau der Fachhochschullandschaft und durch die Kofinanzierung der Bundeshochschulpaktmittel mit 50 % durch das Land bereits einige Vorbereitungen getroffen. Man mag heute darüber diskutieren, ob wir angesichts der überholenden Prognosen – die Zahl der Studienbewerber geht ja noch darüber hinaus – noch mehr hätten machen müssen. Das kann man im Nachhinein vielleicht für notwendig erachten oder auch zugestehen, was mir nicht schwerfällt. Wir sind damals aber alle von anderen Zahlen ausgegangen. Heute muss man aber dennoch konstatieren, dass das, was jetzt ziemlich spontan auf den Weg gebracht wird, für die Studienanfänger im Wintersemester 2013/14 nicht wirksam werden wird.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Dadurch werden die Bedingungen für die Studierenden und die Studienanfänger nicht maßgeblich verbessert werden können.

Zu den gerade angesprochenen 820 Millionen € hätte ich gern gewusst – das werden wir sicherlich gezielt in den Beratungen des Haushalts besprechen –, wie das konkret haushalterisch umgesetzt wird und ob das nicht alles nur eine riesige Luftnummer ist und was in den Folgejahren passieren wird. Wir müssen uns doch damit auseinandersetzen – Sie haben vorhin flexible Lösungen angesprochen –, dass wir eine nachhaltige Lösung finden müssen, die nicht dazu führt, dass wir im Haushalt 2013 zwar jede Menge Geld zur Verfügung stellen, das aber nicht zielgerichtet verwandt werden kann, aber dann in den Folgejahren in die Röhre schauen. Das kann es wirklich nicht sein.

Ich sehe den Beratungen im Ausschuss mit Spannung entgegen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Für die Piratenfraktion erteile ich nun Herrn Kollegen Bayer das Wort.

Oliver Bayer (PIRATEN): Ja, ich würde gerne das Zweischlingen erwähnen, ich würde auch gern noch einmal Brakel erwähnen, aber da gibt es leider keine Uni.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer am Stream, wo gerade erst die beste Sendezeit beginnt! Aufgrund der Demografie, der Aussetzung der Wehrpflicht und der Verkürzung der Schulzeit werden im nächsten Jahr mehr Studienanfänger erwartet als bisher angenommen. Soweit wissen wir Bescheid.

Statt rechtzeitig zu handeln, lautet die Botschaft, die unsere Studierenden derzeit erreicht: Nach dem nächsten Jahr werden noch weniger Leute von euch an die Hochschulen kommen als bisher und somit lohnt es sich gar nicht, beispielsweise neue Studentenwohnheime zu bauen. Deshalb ziehen wir Geld vor, weil wir es nachher nicht mehr brauchen.

Richtig ist an der Annahme: Erstmals sind die Schülerzahlen in Deutschland unter 700.000 gefallen. Aber warum folgern Sie daraus, dass in Zukunft auch weniger Menschen in NRW ein Studium anfangen werden? Ihre eigenen Ziele besagen, Sie wollen einen höheren Anteil der Abiturienten dazu bewegen, ein Studium zu beginnen, Sie wollen für ausländische Studierende attraktive Studienplätze schaffen – Bologna gilt ja wahrscheinlich noch – und Sie wollen die Hochschulen in einen Ort der Weiterbildung umwandeln.

Glauben Sie nicht an Ihre eigenen Ziele? Wir wollen doch gemeinsam aus NRW einen in Europa bekannten und geschätzten Hochschulstandort machen oder ihn noch erweitern. Sind Sie von Ihrer eigenen Politik so wenig überzeugt? Wenn wir einen guten Rahmen setzen, kommen in Zukunft auch zusätzliche Studierende. Einfach davon auszugehen, dass die Zahl der Studierenden wieder abrupt rückläufig wird, lässt eigentlich nur auf eine Bankrotterklärung der Landesregierung schließen.

(Beifall von den PIRATEN)

Der Mehrbedarf an studentischen Wohnungen wird langfristig vorhanden sein, zum Beispiel weil im privaten Sektor mit höheren Mieten zu rechnen ist.

Die Kultusministerkonferenz ist 2009 von 110.000 jungen Menschen ausgegangen, die ein Studium in NRW aufnehmen wollen. Im Februar 2012 musste die Konferenz die Schätzung nach oben korrigieren, und zwar um fast 10 % auf 123.000 Studienanfänger.

Anstatt nun die Initiative zu ergreifen und aktiv zu werden, wartet die Landesregierung seelenruhig auf die Neuverhandlungen über den Hochschulpakt mit dem Bund.

Es geht nicht darum, wie viele Maßnahmen die Landesregierung trifft, sondern es geht darum, wie die Maßnahmen greifen. Sind Maßnahmen bisher wirksam gewesen?

Nehmen wir wiederum den Wohnraum als Beispiel: Derzeit werden nach Angaben des Wissenschaftsministeriums in NRW rund 49.000 Wohnheimplätze für Studierende bezuschusst. Im Bundesvergleich ist das nur Mittelmaß. Es sollen nun zusätzlich 750 Wohnheimplätze pro Jahr geschaffen werden. Diese Maßnahme ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es ist jetzt schon klar, dass die Studierenden an ihrem Studienort lange auf der Straße stehen werden, ob nun mit dem Bus oder mit dem Auto, also lange Pendlerstrecken in Kauf nehmen müssen. In einem komprimierten Bachelor-Studium mit einem 8-Stunden-Aufwand über den Tag verteilt, nicht am Stück, sind Fahrzeiten von 1 bis 2 Stunden schon ein Problem. Deshalb beschweren sich die Studierenden darüber auch zu Recht. Und da haben alle Landesregierungen in den letzten Jahren gepennt.

Bei den Wohnheimen gibt es noch einen weiteren Haken: Studierende sollen die Wohnquartiere aufwerten, später aber wieder verschwinden und für andere Bevölkerungsgruppen Platz machen. Es geht also dann um die altersgerechten Wohnheime. Das nennt man übrigens Gentrifizierung.

(Zuruf von Martin-Sebastian Abel [GRÜNE])

Studenten ansiedeln entspricht der Pionierphase. Ich möchte nur darauf hinweisen; aber das ist der andere Antrag. Ich glaube, kein Student möchte sich dafür einspannen lassen.

Wir können insgesamt feststellen: Sie erkennen das Problem nicht und sitzen es bewusst aus. Insofern ist die Forderung des Antrags nach verlässlichen Zahlen erst einmal nicht schlecht. Insbesondere was die Schaffung von Masterplätzen im Anschluss an den Bachelor betrifft, könnten wir noch ein Zeitfenster von 12 bis 15 Monaten haben. Es ist also noch nicht zu spät, um ähnliche Katastrophen wie beim studentischen Wohnen oder beim BAföG zu vermeiden.

Die Forderung, die Unterstützungsmaßnahmen für jede Hochschule offenzulegen, ist durchaus ein erster Schritt, auch wenn der Antrag an sich natürlich nicht viel Neues bringt. Das haben wir alles schon tausend Mal im Ausschuss, in der Öffentlichkeit und sicherlich auch hier in den vergangenen Jahren besprochen.

Aber der Antrag der CDU sorgt vielleicht dafür, dass wir im Ausschuss nicht häppchenweise an diese Informationen kommen müssen. Ich weiß nicht, ob dafür nicht vielleicht auch eine Kleine Anfrage gereicht hätte, aber jetzt reden wir darüber. Deshalb werden wir den Antrag im Ausschuss weiter behandeln und dann darüber abstimmen. – Ich bedanke mich.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Bayer. – Für die Landesregierung erteile ich nun Frau Ministerin Schulze das Wort.

(Karl Schultheis [SPD]: Bringen Sie ein bisschen Ordnung in die Debatte!)

Svenja Schulze, Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Ihnen zu Beginn ein Zitat aus einem Brief nicht vorenthalten, den ich Anfang der Woche bekommen habe. Ich sage Ihnen am Ende auch die Stadt, aus der er stammt, lese aber zunächst ohne Stadt vor:

„Wer 2013 sein Abitur macht und danach in X ein Studium oder eine Ausbildung aufnehmen will, muss sich keine Sorgen machen. Die Stadt X ist gut gerüstet und stellt sich der Herausforderung eines höheren Aufkommens an hochschul- und ausbildungswilligen jungen Menschen. Diese Herausforderung bietet gleichzeitig Chancen für alle Beteiligten.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Satz stammt aus einem wunderbaren Brief von Dirk Elbers. Die Stadt, die hier genannt wird, ist die Landeshauptstadt Düsseldorf.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich halte das auch für den richtigen Weg. Diesen Weg gehen viele Städte. Diesen Weg gehen auch die Hochschulen. Man macht keine Angst, dass es zu wenig Plätze gibt, sondern man sagt: Wir halten euch einen Platz frei. Unsere Hochschule ist gut gerüstet. – Das ist eben schon von Paderborn zitiert worden. Gleiches machen Bochum und viele weitere Städte, die darauf hinweisen, wie gut wir jetzt auf diesen doppelten Abiturjahrgang vorbereitet sind.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Die Liste des Landes ist lang. Ich freue mich übrigens, dass die FDP jetzt sagt, ich soll doch bitte noch mehr Konzepte vorlegen, als ich bisher vorgelegt habe. Denn ich sehe das als einen Beleg dafür, dass die Eckpunkte des Hochschulzukunftsgesetzes geteilt werden, dass ich mehr Vorgaben machen soll, dass die Rahmensetzung, die ich dort vorhabe, von der FDP noch weitergehend gesehen wird, als ich sie bisher geplant habe,

(Angela Freimuth [FDP]: Frau Ministerin, ich werde Sie gern von diesem Irrtum befreien!)

dass noch Rahmen vorgegeben werden sollen, was denn genau an den Hochschulen angeboten werden soll.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Ministerin, entschuldigen Sie. Frau …

Svenja Schulze, Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung: Nein, ich möchte das gern im Zusammenhang vortragen.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Sie möchten keine Zwischenfrage zulassen?

Svenja Schulze, Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung: Nein, ich würde jetzt gerne keine Zwischenfrage zulassen.

Ich will gerne sagen, was wir alles für diesen doppelten Abiturjahrgang machen. Der Hochschulpakt wird weitergeführt. Wir bezahlen für jeden Studierenden, der an die Hochschulen kommt, wirklich das Geld. Wir haben in der Humanmedizin mehr gemacht. Wir haben den Fachhochschulausbau vorgezogen. Wir haben bei den Studentenwerken wieder erhöht. Wir haben beim studentischen Wohnraum deutlich erhöht. Ich wundere mich, dass die Oppositionsfraktionen sich hier so deutlich aus dem Fenster hängen angesichts der Kürzungen, die Sie zwischen 2005 und 2010 in diesem Bereich zu verantworten haben. Man muss schon eine ordentliche Chuzpe haben, sich hier so hinzustellen.

Um Ihnen ein abschließendes Beispiel zu geben: Wir haben diesen Monitoringbericht auf den Weg gebracht. Jetzt wissen wir erst einmal genau, wie es denn an den Hochschulen aussieht. Ich hatte bei Regierungsübernahme eigentlich erwartet, im Ministerium eine Art Controlling vorzufinden. Nein, unter Ihrer Regierungszeit hat offensichtlich nicht interessiert, wie es an den Hochschulen denn konkret aussieht. Wir haben dieses Monitoring erst auf den Weg gebracht.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Ministerin, ich muss Sie noch einmal unterbrechen. Herr Kollege Ellerbrock lässt sich nicht beirren und unternimmt einen weiteren Versuch.

Svenja Schulze, Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung: Nein, angesichts der fortgeschrittenen Zeit möchte ich das jetzt ausnahmsweise einmal nicht.

(Zuruf von Holger Ellerbrock [FDP] – Gegenruf von Dietmar Bell [SPD]: Dafür habe ich Verständnis!)

– Meine Damen und Herren, wir haben noch ausführlich Zeit, das im Ausschuss miteinander zu diskutieren.

Ich will noch zwei Richtigstellungen für das Protokoll machen. Sie fordern im Antrag hochschulscharfe Prognosen der Studienanfängerzahlen. – Das kann man überhaupt nicht vorlegen. Wie die Hochschulen autonom bleiben, bleibt auch die Wahl der Hochschulbewerberin und des ?bewerbers auto-


nom. Jeder Schüler und jede Schülerin entscheidet selbst, wohin sie gehen will. Es gibt keine Vorgaben und keine landesseitige Planung.

Die Ziel- und Leistungsvereinbarungen, die Sie von mir haben wollen, sind schon lange im Internet abrufbar. Dort werden Sie sie finden.

Das Maßnahmenpaket der Landesregierung ist sowohl über das Portal der Schulministerin als auch über die Internetseite des Hochschulministeriums abrufbar.

Der Monitoringbericht ist im Netz.

Sie finden all diese Informationen nicht nur in den Ausschussunterlagen – ich habe nicht nur dort berichtet, sondern eben auch im Internet, wenn Sie sie finden wollen.

Der Antrag hat aber auch etwas Positives, weil die CDU zum ersten Mal die Schaffung zusätzlicher Studienplätze nicht mit der Forderung nach der Einführung von Studiengebühren verbindet. Das ist ein Lernerfolg, den ich durchaus würdigen möchte.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN – Angela Freimuth [FDP]: Die Studienbeiträge waren für Qualitätsverbesserungen!)

Etwas irritiert hat mich, dass die Kompensationsmittel jetzt für Studienplätze genutzt werden sollen. – Wir waren uns eigentlich einig, dass sie zur Verbesserung der Qualität der Lehre eingesetzt werden und nicht für zusätzliche Studienplätze. Hier müssen wir offensichtlich noch ein bisschen Aufklärungsarbeit leisten.

Meine Damen und Herren, im Kern geht es darum, dass wir für die zusätzlichen Studienanfängerinnen und ?anfänger eine verlässliche Finanzierung brauchen. Dafür gibt es den Hochschulpakt. Er ist bis 2020 vereinbart. Nun müssen die Zahlen nachgebessert werden. A- und B-Länder haben in der letzten Wissenschaftsministerkonferenz – übrigens gemeinsam – erreicht, dass wir jetzt damit anfangen nachzuverhandeln, dass wir das im April nächsten Jahres unterzeichnen wollen, dass wir den Deckel also endlich anheben wollen.

Dabei würde ich mir die Unterstützung von CDU und FDP wünschen. Wir brauchen dieses zusätzliche Geld für die Studierenden hier in Nordrhein-Westfalen. Das kann nicht alleine von NRW bezahlt werden. Es wäre wirklich sinnvoll, wenn wir alle einmal an einem Strang ziehen würden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir sind somit am Ende der Beratung von Tagesordnungspunkt 12 angelangt.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/1477 an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft und Forschung – federführend – sowie an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen möchte, den darf ich um sein Handzeichen bitten. – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Beides ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Damit sind wir am Ende unserer heutigen Sitzung angelangt, meine Damen und Herren.

Bevor ich die Sitzung schließe, möchte ich Ihnen noch den Hinweis geben, dass sich die Fraktionen einvernehmlich darauf verständigt haben, dass die für morgen Vormittag vorgesehene Aktuelle Stunde entfällt, weil nach übereinstimmender Ansicht der aktuelle Anlass entfallen ist. Die Sitzung wird morgen also mit der Diskussion des Sozialberichts beginnen. Bitte stellen Sie sich darauf ein.

Ich berufe das Plenum wieder ein für morgen, Freitag, den 30. November 2012, 10 Uhr.

Ich wünsche Ihnen allen noch einen angenehmen Abend.

Die Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen ist geschlossen.

Schluss: 17:31 Uhr

_______________________________________

*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 96 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.


Anlage 1

Namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag Drucksache 16/1551 (TOP 4 – Nichtraucherschutzgesetz)

 


Lfd.
Nr.


Name des Abgeordneten


Fraktion

Abstimmung


ja


nein

Stimm-
ent-
haltung

1

 Herr Abel

GRÜNE

 

x

 

2

 Herr Abruszat

FDP

 

 

x

3

 Herr Dr. Adelmann

SPD

 

x

 

4

 Herr Alda

FDP

 

 

x

5

 Frau Altenkamp

SPD

 

x

 

6

 Frau Andres

SPD

 

x

 

7

 Frau Asch

GRÜNE

 

x

 

8

 Herr Bayer

PIRATEN

x

 

 

9

 Herr Becker, Andreas

SPD

 

x

 

10

 Herr Becker, Horst

GRÜNE

 

x

 

11

 Frau Beer

GRÜNE

 

x

 

12

 Frau Dr. Beisheim

GRÜNE

 

x

 

13

 Herr Bell

SPD

 

x

 

14

 Frau Benninghaus

SPD

 

x

 

15

 Herr van den Berg

SPD

 

x

 

16

 Herr Dr. Berger

CDU

 

 

x

17

 Herr Berghahn

SPD

 

x

 

18

 Herr Dr. Bergmann

CDU

 

 

x

19

 Herr Beu

GRÜNE

 

x

 

20

 Herr Bialas

SPD

 

x

 

21

 Herr Biesenbach

CDU

 

 

x

22

 Frau Birkhahn

CDU

 

 

x

23

 Herr Bischoff

SPD

 

x

 

24

 Frau Blask

SPD

 

x

 

25

 Herr Börner

SPD

 

x

 

26

 Herr Börschel

SPD

 

x

 

27

 Freifrau von Boeselager

CDU

 

 

x

28

 Herr Bolte

GRÜNE

 

x

 

29

 Herr Bombis

FDP

 

 

x

30

 Herr Prof. Dr. Bovermann

SPD

 

x

 

31

 Frau Brand

PIRATEN

x

 

 

32

 Frau Brems

GRÜNE

 

x

 

33

 Herr Breuer

SPD

 

x

 

34

 Herr Brockes

FDP

 

 

x

35

 Frau Dr. Bunse

CDU

 

 

x

36

 Herr Burkert

CDU

 

 

x

37

 Herr Busen

FDP

 

 

x

38

 Herr Dahm

SPD

 

x

 

39

 Herr Deppe

CDU

 

 

x

40

 Frau van Dinther

CDU

entschuldigt

41

 Frau Dmoch-Schweren

SPD

 

x

 

42

 Frau Doppmeier

CDU

 

 

x

43

 Herr Dr. Droste

CDU

 

 

x

44

 Herr Dudas

SPD

 

x

 

45

 Frau Düker

GRÜNE

 

x

 

46

 Herr Düngel

PIRATEN

x

 

 

47

 Herr Eiskirch

SPD

 

x

 

48

 Herr Ellerbrock

FDP

 

 

x

49

 Herr Engstfeld

GRÜNE

entschuldigt

50

 Frau Fasse

CDU

 

 

x

51

 Herr Fehring

CDU

entschuldigt

52

 Herr Feuß

SPD

 

x

 

53

 Herr Fortmeier

SPD

 

x

 

54

 Frau Freimuth

FDP

 

 

x

55

 Herr Fricke

PIRATEN

x

 

 

56

 Herr Ganzke

SPD

 

x

 

57

 Herr Garbrecht

SPD

 

x

 

58

 Herr Gatter

SPD

 

x

 

59

 Frau Gebauer

FDP

 

 

x

60

 Frau Gebhard

SPD

 

x

 

61

 Herr Geyer

SPD

 

x

 

62

 Frau Gödecke

SPD

 

x

 

63

 Herr Goldmann

GRÜNE

entschuldigt

64

 Herr Golland

CDU

 

 

x

65

 Frau Grochowiak-Schmieding

GRÜNE

 

x

 

66

 Herr Große Brömer

SPD

 

x

 

67

 Herr von Grünberg

SPD

 

x

 

68

 Herr Grunendahl

CDU

 

 

x

69

 Frau Güler

CDU

 

 

x

70

 Herr Haardt

CDU

 

 

x

71

 Herr Dr. Hachen

CDU

 

 

x

72

 Frau Hack

SPD

 

x

 

73

 Herr Hafke

FDP

 

 

x

74

 Herr Hahnen

SPD

 

x

 

75

 Frau Hammelrath, Gabriele

SPD

 

x

 

76

 Frau Hammelrath, Helene

SPD

entschuldigt

77

 Frau Hanses

GRÜNE

 

x

 

78

 Herr Hausmann

CDU

 

 

x

79

 Herr Hegemann

CDU

 

 

x

80

 Herr Heinrichs

SPD

 

x

 

81

 Frau Hendricks

SPD

 

x

 

82

 Herr Herrmann

PIRATEN

 

 

x

83

 Herr Herter

SPD

 

x

 

84

 Herr Hilser

SPD

 

x

 

85

 Herr Höne

FDP

 

 

x

86

 Herr Hovenjürgen

CDU

 

 

x

87

 Frau Howe

SPD

 

x

 

88

 Herr Hübner

SPD

 

x

 

89

 Herr Jäger

SPD

 

x

 

90

 Herr Jahl

SPD

 

x

 

91

 Frau Jansen

SPD

 

x

 

92

 Herr Jörg

SPD

 

x

 

93

 Herr Jostmeier

CDU

 

 

x

94

 Herr Jung

CDU

 

 

x

95

 Herr Kämmerling

SPD

 

x

 

96

 Herr Kaiser

CDU

 

 

x

97

 Herr Kamieth

CDU

 

 

x

98

 Herr Kerkhoff

CDU

 

 

x

99

 Herr Kern, Nicolaus

PIRATEN

x

 

 

100

 Herr Kern, Walter

CDU

 

 

x

101

 Herr Keymis

GRÜNE

 

x

 

102

 Frau Kieninger

SPD

 

x

 

103

 Herr Klocke

GRÜNE

 

x

 

104

 Frau Klöpper

CDU

 

 

x

105

 Herr Körfges

SPD

 

x

 

106

 Frau Kopp-Herr

SPD

 

x

 

107

 Frau Korte

CDU

 

 

x

108

 Herr Kossiski

SPD

 

x

 

109

 Frau Kraft

SPD

 

x

 

110

 Herr Kramer

SPD

 

x

 

111

 Herr Krick

SPD

 

x

 

112

 Herr Krückel

CDU

 

 

x

113

 Herr Krüger

GRÜNE

 

x

 

114

 Herr Kruse

CDU

 

 

x

115

 Herr Kufen

CDU

 

 

x

116

 Herr Kuper

CDU

 

 

x

117

 Herr Kutschaty

SPD

 

x

 

118

 Herr Lamla

PIRATEN

x

 

 

119

 Herr Laschet

CDU

 

 

x

120

 Herr Laumann

CDU

 

 

x

121

 Herr Lienenkämper

CDU

 

 

x

122

 Herr Lindner

FDP

 

 

x

123

 Herr Löcker

SPD

 

x

 

124

 Herr Lohn

CDU

 

 

x

125

 Frau Lück

SPD

 

x

 

126

 Frau Lüders

SPD

 

x

 

127

 Herr Lürbke

FDP

entschuldigt

128

 Frau Lux

SPD

 

x

 

129

 Frau Maaßen

GRÜNE

 

x

 

130

 Herr Maelzer

SPD

 

x

 

131

 Herr Markert

GRÜNE

 

x

 

132

 Herr Marquardt

SPD

 

x

 

133

 Herr Marsching

PIRATEN

x

 

 

134

 Herr Meesters

SPD

 

x

 

135

 Frau Middendorf

CDU

 

 

x

136

 Frau Milz

CDU

 

 

x

137

 Herr Möbius

CDU

 

 

x

138

 Herr Moritz

CDU

 

 

x

139

 Herr Mostofizadeh

GRÜNE

 

x

 

140

 Herr Müller, Hans-Peter

SPD

 

x

 

141

 Herr Müller, Holger

CDU

 

 

x

142

 Frau Müller-Witt

SPD

 

x

 

143

 Herr Münchow

SPD

 

x

 

144

 Herr Münstermann

SPD

 

x

 

145

 Herr Nettelstroth

CDU

 

 

x

146

 Herr Neumann

SPD

 

x

 

147

 Herr Nückel

FDP

 

 

x

148

 Herr Olejak

PIRATEN

x

 

 

149

 Herr Dr. Optendrenk

CDU

entschuldigt

150

 Herr Ortgies

CDU

 

 

x

151

 Herr Dr. Orth

FDP

 

 

x

152

 Herr Ott

SPD

 

x

 

153

 Herr Dr. Papke

FDP

 

 

x

154

 Herr Dr. Paul, Joachim

PIRATEN

x

 

 

155

 Frau Paul, Josefine

GRÜNE

 

x

 

156

 Frau Philipp

SPD

 

x

 

157

 Frau Pieper

PIRATEN

x

 

 

158

 Herr Post

CDU

 

 

x

159

 Herr Preuß

CDU

 

 

x

160

 Frau Preuß-Buchholz

SPD

 

x

 

161

 Herr Priggen

GRÜNE

 

x

 

162

 Herr Rahe

SPD

 

x

 

163

 Herr Rasche

FDP

 

 

x

164

 Herr Rehbaum

CDU

 

 

x

165

 Herr Römer

SPD

 

x

 

166

 Herr Rohwedder

PIRATEN

x

 

 

167

 Herr Rüße

GRÜNE

 

x

 

168

 Frau Ruhkemper

SPD

 

x

 

169

 Frau Rydlewski

PIRATEN

x

 

 

170

 Frau Schäfer, Ute

SPD

 

x

 

171

 Frau Schäffer, Verena

GRÜNE

 

x

 

172

 Frau Scharrenbach

CDU

 

 

x

173

 Herr Schatz

PIRATEN

x

 

 

174

 Herr Scheffler

SPD

 

x

 

175

 Herr Schemmer

CDU

 

 

x

176

 Herr Schick

CDU

 

 

x

177

 Herr Schittges

CDU

 

 

x

178

 Herr Schlömer

SPD

 

x

 

179

 Herr Schmalenbach

PIRATEN

x

 

 

180

 Herr Schmeltzer

SPD

 

x

 

181

 Herr Schmitz, Hendrik

CDU

 

 

x

182

 Frau Schmitz, Ingola Stefanie

FDP

 

 

x

183

 Frau Schneckenburger

GRÜNE

 

x

 

184

 Herr Schneider, Guntram

SPD

 

x

 

185

 Herr Schneider, René

SPD

 

x

 

186

 Frau Schneider, Susanne

FDP

 

 

x

187

 Herr Schultheis

SPD

 

x

 

188

 Herr Schulz

PIRATEN

x

 

 

189

 Frau Schulze

SPD

 

x

 

190

 Frau Schulze Föcking

CDU

 

 

x

191

 Herr Schwerd

PIRATEN

x

 

 

192

 Herr Seel

CDU

 

 

x

193

 Frau Dr. Seidl

GRÜNE

 

x

 

194

 Herr Sieveke

CDU

 

 

x

195

 Herr Sommer

PIRATEN

x

 

 

196

 Frau Spanier-Oppermann

SPD

 

x

 

197

 Herr Spiecker

CDU

 

 

x

198

 Herr Dr. Stamp

FDP

 

 

x

199

 Frau Steffens

GRÜNE

 

x

 

200

 Herr Stein

PIRATEN

entschuldigt

201

 Frau Steininger-Bludau

SPD

 

x

 

202

 Frau Steinmann

SPD

 

x

 

203

 Herr Prof. Dr.Dr. Sternberg

CDU

 

 

x

204

 Herr Stotko

SPD

 

x

 

205

 Frau Stotz

SPD

 

x

 

206

 Herr Sundermann

SPD

 

x

 

207

 Herr Tenhumberg

CDU

 

 

x

208

 Herr Thiel

SPD

 

x

 

209

 Herr Töns

SPD

entschuldigt

210

 Herr Tüttenberg

SPD

 

x

 

211

 Herr Ünal

GRÜNE

 

x

 

212

 Herr Uhlenberg

CDU

 

 

x

213

 Frau Velte

GRÜNE

 

x

 

214

 Herr Vogt, Alexander

SPD

 

x

 

215

 Frau Vogt, Petra

CDU

 

 

x

216

 Frau Voigt-Küppers

SPD

 

x

 

217

 Frau Voßeler

CDU

 

 

x

218

 Herr Voussem

CDU

 

 

x

219

 Frau Wagener

SPD

 

x

 

220

 Frau Warden

SPD

 

x

 

221

 Frau Watermann-Krass

SPD

 

x

 

222

 Herr Weckmann

SPD

 

x

 

223

 Herr Wedel

FDP

 

 

x

224

 Herr Wegner

PIRATEN

x

 

 

225

 Herr Weiß

SPD

 

x

 

226

 Herr Weske

SPD

 

x

 

227

 Herr Wirtz, Axel

CDU

 

 

x

228

 Herr Wirtz, Josef

CDU

 

 

x

229

 Herr Wittke

CDU

 

 

x

230

 Herr Witzel

FDP

 

 

x

231

 Herr Dr. Wolf, Ingo

FDP

 

 

x

232

 Herr Wolf, Sven

SPD

 

x

 

233

 Herr Wüst

CDU

 

 

x

234

 Herr Yetim

SPD

 

x

 

235

 Herr Yüksel

SPD

 

x

 

236

 Frau Zentis

GRÜNE

 

x

 

237

 Herr Zimkeit

SPD

 

x

 

 

Ergebnis

abgegeben: 228

18

124

86


Anlage 2

Namentliche Abstimmung über die Beschlussempfehlung Drucksache 16/1493 (TOP 4 – Nichtraucherschutzgesetz)

 


Lfd.
Nr.


Name des Abgeordneten


Fraktion

Abstimmung


ja


nein

Stimm-
ent-
haltung

1

 Herr Abel

GRÜNE

x

 

 

2

 Herr Abruszat

FDP

 

x

 

3

 Herr Dr. Adelmann

SPD

x

 

 

4

 Herr Alda

FDP

 

x

 

5

 Frau Altenkamp

SPD

x

 

 

6

 Frau Andres

SPD

x

 

 

7

 Frau Asch

GRÜNE

x

 

 

8

 Herr Bayer

PIRATEN

 

x

 

9

 Herr Becker, Andreas

SPD

x

 

 

10

 Herr Becker, Horst

GRÜNE

x

 

 

11

 Frau Beer

GRÜNE

x

 

 

12

 Frau Dr. Beisheim

GRÜNE

x

 

 

13

 Herr Bell

SPD

x

 

 

14

 Frau Benninghaus

SPD

x

 

 

15

 Herr van den Berg

SPD

x

 

 

16

 Herr Dr. Berger

CDU

 

x

 

17

 Herr Berghahn

SPD

x

 

 

18

 Herr Dr. Bergmann

CDU

 

x

 

19

 Herr Beu

GRÜNE

x

 

 

20

 Herr Bialas

SPD

x

 

 

21

 Herr Biesenbach

CDU

 

x

 

22

 Frau Birkhahn

CDU

 

x

 

23

 Herr Bischoff

SPD

x

 

 

24

 Frau Blask

SPD

x

 

 

25

 Herr Börner

SPD

x

 

 

26

 Herr Börschel

SPD

x

 

 

27

 Freifrau von Boeselager

CDU

 

x

 

28

 Herr Bolte

GRÜNE

x

 

 

29

 Herr Bombis

FDP

 

x

 

30

 Herr Prof. Dr. Bovermann

SPD

x

 

 

31

 Frau Brand

PIRATEN

 

x

 

32

 Frau Brems

GRÜNE

x

 

 

33

 Herr Breuer

SPD

x

 

 

34

 Herr Brockes

FDP

 

x

 

35

 Frau Dr. Bunse

CDU

 

x

 

36

 Herr Burkert

CDU

 

x

 

37

 Herr Busen

FDP

 

x

 

38

 Herr Dahm

SPD

x

 

 

39

 Herr Deppe

CDU

 

x

 

40

 Frau van Dinther

CDU

entschuldigt

41

 Frau Dmoch-Schweren

SPD

x

 

 

42

 Frau Doppmeier

CDU

 

x

 

43

 Herr Dr. Droste

CDU

 

x

 

44

 Herr Dudas

SPD

x

 

 

45

 Frau Düker

GRÜNE

x

 

 

46

 Herr Düngel

PIRATEN

 

x

 

47

 Herr Eiskirch

SPD

x

 

 

48

 Herr Ellerbrock

FDP

 

x

 

49

 Herr Engstfeld

GRÜNE

entschuldigt

50

 Frau Fasse

CDU

 

x

 

51

 Herr Fehring

CDU

entschuldigt

52

 Herr Feuß

SPD

x

 

 

53

 Herr Fortmeier

SPD

x

 

 

54

 Frau Freimuth

FDP

 

x

 

55

 Herr Fricke

PIRATEN

 

x

 

56

 Herr Ganzke

SPD

x

 

 

57

 Herr Garbrecht

SPD

x

 

 

58

 Herr Gatter

SPD

x

 

 

59

 Frau Gebauer

FDP

 

x

 

60

 Frau Gebhard

SPD

x

 

 

61

 Herr Geyer

SPD

x

 

 

62

 Frau Gödecke

SPD

x

 

 

63

 Herr Goldmann

GRÜNE

entschuldigt

64

 Herr Golland

CDU

 

x

 

65

 Frau Grochowiak-Schmieding

GRÜNE

x

 

 

66

 Herr Große Brömer

SPD

x

 

 

67

 Herr von Grünberg

SPD

x

 

 

68

 Herr Grunendahl

CDU

 

x

 

69

 Frau Güler

CDU

 

x

 

70

 Herr Haardt

CDU

 

x

 

71

 Herr Dr. Hachen

CDU

 

x

 

72

 Frau Hack

SPD

x

 

 

73

 Herr Hafke

FDP

 

x

 

74

 Herr Hahnen

SPD

x

 

 

75

 Frau Hammelrath, Gabriele

SPD

x

 

 

76

 Frau Hammelrath, Helene

SPD

entschuldigt

77

 Frau Hanses

GRÜNE

x

 

 

78

 Herr Hausmann

CDU

 

x

 

79

 Herr Hegemann

CDU

 

x

 

80

 Herr Heinrichs

SPD

x

 

 

81

 Frau Hendricks

SPD

x

 

 

82

 Herr Herrmann

PIRATEN

 

x

 

83

 Herr Herter

SPD

x

 

 

84

 Herr Hilser

SPD

x

 

 

85

 Herr Höne

FDP

 

x

 

86

 Herr Hovenjürgen

CDU

 

x

 

87

 Frau Howe

SPD

x

 

 

88

 Herr Hübner

SPD

x

 

 

89

 Herr Jäger

SPD

x

 

 

90

 Herr Jahl

SPD

x

 

 

91

 Frau Jansen

SPD

x

 

 

92

 Herr Jörg

SPD

x

 

 

93

 Herr Jostmeier

CDU

 

x

 

94

 Herr Jung

CDU

 

x

 

95

 Herr Kämmerling

SPD

x

 

 

96

 Herr Kaiser

CDU

 

x

 

97

 Herr Kamieth

CDU

 

x

 

98

 Herr Kerkhoff

CDU

 

x

 

99

 Herr Kern, Nicolaus

PIRATEN

 

x

 

100

 Herr Kern, Walter

CDU

 

x

 

101

 Herr Keymis

GRÜNE

x

 

 

102

 Frau Kieninger

SPD

x

 

 

103

 Herr Klocke

GRÜNE

x

 

 

104

 Frau Klöpper

CDU

 

x

 

105

 Herr Körfges

SPD

x

 

 

106

 Frau Kopp-Herr

SPD

x

 

 

107

 Frau Korte

CDU

 

x

 

108

 Herr Kossiski

SPD

x

 

 

109

 Frau Kraft

SPD

x

 

 

110

 Herr Kramer

SPD

x

 

 

111

 Herr Krick

SPD

x

 

 

112

 Herr Krückel

CDU

 

x

 

113

 Herr Krüger

GRÜNE

x

 

 

114

 Herr Kruse

CDU

 

x

 

115

 Herr Kufen

CDU

 

x

 

116

 Herr Kuper

CDU

 

x

 

117

 Herr Kutschaty

SPD

x

 

 

118

 Herr Lamla

PIRATEN

 

x

 

119

 Herr Laschet

CDU

 

x

 

120

 Herr Laumann

CDU

 

x

 

121

 Herr Lienenkämper

CDU

 

x

 

122

 Herr Lindner

FDP

 

x

 

123

 Herr Löcker

SPD

x

 

 

124

 Herr Lohn

CDU

 

x

 

125

 Frau Lück

SPD

x

 

 

126

 Frau Lüders

SPD

x

 

 

127

 Herr Lürbke

FDP

entschuldigt

128

 Frau Lux

SPD

x

 

 

129

 Frau Maaßen

GRÜNE

x

 

 

130

 Herr Maelzer

SPD

x

 

 

131

 Herr Markert

GRÜNE

x

 

 

132

 Herr Marquardt

SPD

x

 

 

133

 Herr Marsching

PIRATEN

 

x

 

134

 Herr Meesters

SPD

x

 

 

135

 Frau Middendorf

CDU

 

x

 

136

 Frau Milz

CDU

 

x

 

137

 Herr Möbius

CDU

 

x

 

138

 Herr Moritz

CDU

 

x

 

139

 Herr Mostofizadeh

GRÜNE

x

 

 

140

 Herr Müller, Hans-Peter

SPD

x

 

 

141

 Herr Müller, Holger

CDU

 

x

 

142

 Frau Müller-Witt

SPD

x

 

 

143

 Herr Münchow

SPD

x

 

 

144

 Herr Münstermann

SPD

x

 

 

145

 Herr Nettelstroth

CDU

 

x

 

146

 Herr Neumann

SPD

x

 

 

147

 Herr Nückel

FDP

 

x

 

148

 Herr Olejak

PIRATEN

 

x

 

149

 Herr Dr. Optendrenk

CDU

entschuldigt

150

 Herr Ortgies

CDU

 

x

 

151

 Herr Dr. Orth

FDP

 

x

 

152

 Herr Ott

SPD

x

 

 

153

 Herr Dr. Papke

FDP

 

x

 

154

 Herr Dr. Paul, Joachim

PIRATEN

 

x

 

155

 Frau Paul, Josefine

GRÜNE

x

 

 

156

 Frau Philipp

SPD

x

 

 

157

 Frau Pieper

PIRATEN

 

x

 

158

 Herr Post

CDU

 

x

 

159

 Herr Preuß

CDU

 

x

 

160

 Frau Preuß-Buchholz

SPD

x

 

 

161

 Herr Priggen

GRÜNE

x

 

 

162

 Herr Rahe

SPD

x

 

 

163

 Herr Rasche

FDP

 

x

 

164

 Herr Rehbaum

CDU

 

x

 

165

 Herr Römer

SPD

x

 

 

166

 Herr Rohwedder

PIRATEN

 

x

 

167

 Herr Rüße

GRÜNE

x

 

 

168

 Frau Ruhkemper

SPD

x

 

 

169

 Frau Rydlewski

PIRATEN

 

 

x

170

 Frau Schäfer, Ute

SPD

x

 

 

171

 Frau Schäffer, Verena

GRÜNE

x

 

 

172

 Frau Scharrenbach

CDU

 

x

 

173

 Herr Schatz

PIRATEN

 

x

 

174

 Herr Scheffler

SPD

x

 

 

175

 Herr Schemmer

CDU

 

x

 

176

 Herr Schick

CDU

 

x

 

177

 Herr Schittges

CDU

 

x

 

178

 Herr Schlömer

SPD

x

 

 

179

 Herr Schmalenbach

PIRATEN

 

x

 

180

 Herr Schmeltzer

SPD

x

 

 

181

 Herr Schmitz, Hendrik

CDU

 

x

 

182

 Frau Schmitz, Ingola Stefanie

FDP

 

x

 

183

 Frau Schneckenburger

GRÜNE

x

 

 

184

 Herr Schneider, Guntram

SPD

x

 

 

185

 Herr Schneider, René

SPD

x

 

 

186

 Frau Schneider, Susanne

FDP

 

x

 

187

 Herr Schultheis

SPD

x

 

 

188

 Herr Schulz

PIRATEN

 

x

 

189

 Frau Schulze

SPD

x

 

 

190

 Frau Schulze Föcking

CDU

 

x

 

191

 Herr Schwerd

PIRATEN

 

x

 

192

 Herr Seel

CDU

 

x

 

193

 Frau Dr. Seidl

GRÜNE

x

 

 

194

 Herr Sieveke

CDU

 

x

 

195

 Herr Sommer

PIRATEN

 

 

x

196

 Frau Spanier-Oppermann

SPD

x

 

 

197

 Herr Spiecker

CDU

 

x

 

198

 Herr Dr. Stamp

FDP

 

x

 

199

 Frau Steffens

GRÜNE

x

 

 

200

 Herr Stein

PIRATEN

entschuldigt

201

 Frau Steininger-Bludau

SPD

x

 

 

202

 Frau Steinmann

SPD

x

 

 

203

 Herr Prof. Dr.Dr. Sternberg

CDU

 

x

 

204

 Herr Stotko

SPD

x

 

 

205

 Frau Stotz

SPD

x

 

 

206

 Herr Sundermann

SPD

x

 

 

207

 Herr Tenhumberg

CDU

 

x

 

208

 Herr Thiel

SPD

x

 

 

209

 Herr Töns

SPD

entschuldigt

210

 Herr Tüttenberg

SPD

x

 

 

211

 Herr Ünal

GRÜNE

x

 

 

212

 Herr Uhlenberg

CDU

 

x

 

213

 Frau Velte

GRÜNE

x

 

 

214

 Herr Vogt, Alexander

SPD

x

 

 

215

 Frau Vogt, Petra

CDU

 

x

 

216

 Frau Voigt-Küppers

SPD

x

 

 

217

 Frau Voßeler

CDU

 

x

 

218

 Herr Voussem

CDU

 

x

 

219

 Frau Wagener

SPD

x

 

 

220

 Frau Warden

SPD

x

 

 

221

 Frau Watermann-Krass

SPD

x

 

 

222

 Herr Weckmann

SPD

x

 

 

223

 Herr Wedel

FDP

 

x

 

224

 Herr Wegner

PIRATEN

 

 

x

225

 Herr Weiß

SPD

x

 

 

226

 Herr Weske

SPD

x

 

 

227

 Herr Wirtz, Axel

CDU

 

x

 

228

 Herr Wirtz, Josef

CDU

 

x

 

229

 Herr Wittke

CDU

 

x

 

230

 Herr Witzel

FDP

 

x

 

231

 Herr Dr. Wolf, Ingo

FDP

 

x

 

232

 Herr Wolf, Sven

SPD

x

 

 

233

 Herr Wüst

CDU

 

x

 

234

 Herr Yetim

SPD

x

 

 

235

 Herr Yüksel

SPD

x

 

 

236

 Frau Zentis

GRÜNE

x

 

 

237

 Herr Zimkeit

SPD

x

 

 

 

Ergebnis

abgegeben:

228

124

101

3


Anlage 3

Zu TOP 4 – Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutz von Nichtraucherinnen und Nichtrauchern in Nordrhein-Westfalen (Nichtraucherschutzgesetz NRW - NiSchG NRW) – gemäß § 46 Abs. 2 GeschO zu Protokoll gegebene Erklärung

Wir, die unterzeichnenden Abgeordneten, erklären zu unserem Abstimmungsverhalten zum „Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutz von Nichtraucherinnen und Nichtrauchern in Nordrhein-Westfalen (Nichtraucherschutzgesetz NRW – NiSchG NRW)“, dass wir grundsätzlich die Intention der Landesregierung teilen, Nichtraucherinnen und Nichtraucher auch in Nordrhein-Westfalen vor den Risiken des Passivrauchens intensiver zu schützen, Regelungslücken im Sinne eines konsequenten Nichtraucherschutzes zu schließen und so die Umsetzung des Nichtraucherschutzes auch wirksam kontrollieren zu können. Denn unstrittig ist, dass der Schutz von Nichtraucherinnen und hier insbesondere von Kindern und Jugendlichen ein gesundheitspolitisches Ziel ist, das Verfassungsrang hat. Diese Auffassung ist politisch und wissenschaftlich unstrittig und eint auch die Raucherinnen und Nichtraucherinnen in NRW.

Gleichwohl haben uns die Anhörung, die zahlreichen Stellungnahmen und Zuschriften zu der Diskussion über die Novelle des Nichtraucherschutzgesetzes aufgezeigt, wie kontrovers die Debatte geführt wird und wie intensiv um den vermeintlich richtigen Weg zum Nichtraucherschutz gerungen wird. Auch wir haben Zweifel, ob die berechtigten Ziele des Nichtraucherschutzes in NRW mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf auch tatsächlich erreicht werden können, und haben Bedenken, ob die nun vorgesehene gesetzliche Regelungstiefe der deutlich gestiegenen Selbstverantwortung im Zusammenleben zwischen Raucherinnen und Nichtraucherinnen gerecht wird.

Diese Zweifel umfassen zum einen die Frage, ob angesichts einer höchst unterschiedlichen und vielfältigen Kneipenszene in Nordrhein-Westfalen durch das Gesetz tatsächlich Wettbewerbsgerechtigkeit in der Gastronomie geschaffen werden kann. Denn nur weil alle Betriebe den gleichen Verboten unterliegen, haben sie noch nicht die gleichen Voraussetzungen. Dies gilt insbesondere für Betriebe, die durch erhebliche Investitionen die nach dem gültigen Gesetz möglichen Ausnahmen genutzt haben und abgetrennte Raucherräume in ihren Gaststätten geschaffen haben. Für diese Investitionen sollten Übergangsfristen gelten über Mai 2013 hinaus.

Für uns ist nicht nur die Gesundheit ein schützenswertes Gut, auch die Einraumkneipen stellen in Nordrhein-Westfalen ein Kulturgut dar, deren Fortbestand wir durch eine entsprechende angemessene Ausnahmeregelung gerne geschützt sehen wollten. Doch leider hat der zuständige DEHOGA bei der Anhörung sehr deutlich gemacht, dass sein Interesse an den Einraumkneipen nur strategischer Natur ist. Damit hat der zuständige Fachverband selber Ausnahmen für diese Betriebe unmöglich gemacht.

Ebenso wie die Kneipenkultur gehören auch die Brauchtumsveranstaltungen gerade in Nordrhein-Westfalen zu gesellschaftlichen Ereignissen, bei denen Ausnahmeregelungen möglich sein sollten, unter der Auflage, dass die Teilnahme Minderjähriger ausgeschlossen ist.

Gespannt werden wir beobachten, wie die kommunalen Ordnungsbehörden auf die Gesetzesnovelle reagieren und den ausnahmslosen Schutz der Nichtraucher konsequent umsetzen. Dabei wird insbesondere darauf zu achten sein, dass es nicht zu übermäßigen Härten hinsichtlich des Lärmschutzes in dichtbesiedelten Stadträumen kommt.

Trotz dieser Bedenken stimmen wir der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landtags Nordrhein-Westfalen zu.

gez.

Britta Altenkamp

Peter Münstermann

Volker Münchow

Brigitte D‘moch-Schweren

Nadja Lüders

Gerda Kieninger

Eva Steininger-Bludau

Stephan Gatter

Ernst-Wilhelm Rahe

Eva Lux

Wolfgang Jörg

Gordan Dudas

Rainer Schmeltzer

Lisa Steinmann

Peter Weckmann

Markus Herbert Weske

Heike Gebhard

Sven Wolf           


Anlage 4

Zu TOP 9 – Gesetz zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Schwangerschaftskonfliktgesetz – zu Protokoll gegebene Reden

Regina Kopp-Herr (SPD):

Das Ausführungsgesetz zum Schwangerschaftskonfliktgesetz regelt die Voraussetzungen der Förderung von Schwangerschaftsberatungsstellen. Dazu sind die Bundesländer durch die Bundesgesetzgebung verpflichtet. In den Beratungsstellen erhalten ratsuchende Frauen konkrete Förderung und Beratung, die dem mittel- oder unmittelbaren Schutz des ungeborenen Lebens dienen.

Der Änderungsentwurf zur Übergangsregelung beinhaltete eine Datenerhebung der Beratungsstellen und der Träger, so wie ihre Arbeit im Jahr 2013.

Die Daten sollen Auskunft über die wirtschaftlichen und betrieblichen Verhältnisse der Einrichtungen geben, aber auch über ihre Angebotspalette, beispielsweise sexualpädagogische Angebote in Schulen, Jugendeinrichtungen, und welche präventiven Auswirkungen diese sexualpädagogischen Angebote im Hinblick auf eine Schwangerschaftsverhütung haben.

Diese Datenerhebung wird die Grundlage für einen Bericht bilden, den das zuständige Ministerium der Landesregierung im Juni 2014 geben wird.

Dieser Bericht – so ist es beabsichtigt – wird die Ausgestaltung neuer Auswahlkriterien ermöglichen und zu einer inhaltlichen Neuregelung führen, die im Januar 2015 in Kraft treten wird.

Mit der Übergangsregelung bis zum Inkrafttreten der Neuregelung wird die Chancengleichheit der jetzt tätigen Beratungsstellen gewahrt; in Ausnahmefällen kann ein neuer Träger Förderung erhalten, sollte ein dringender Bedarf bestehen.

Auch bei den Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen gilt, wie in anderen Fachbereichen auch, Trägerpluralität. Multiprofessionelle Teams in den Beratungsstellen werden ausdrücklich gewünscht!

Es gilt an dieser Stelle festzuhalten: Der Ausschuss für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation hat diese Übergangsregelung mehrheitlich mit einem positiven Votum versehen. Besonders gefreut hat mich, dass der federführende Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend diese Regelung mit einem einstimmigen (!) Votum versehen hat.

Ich gehe davon aus, dass sich meine Freude fortsetzt und der Landtag diesem einstimmigen Votum des A 04 folgen wird.

Ina Scharrenbach (CDU):

Mit dem Gesetz zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Schwangerschaftskonfliktgesetz erhalten die Träger von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen in NRW vorerst Planungssicherheit und Bestandsschutz bis zum 1. Januar 2015. Aber gleichzeitig stellt diese Änderung nur einen Schritt auf dem Weg hin zu einer inhaltlichen Neugestaltung dieses Ausführungsgesetzes dar. NRW hat, wie alle anderen Bundesländer auch, ein ausreichendes Angebot an wohnort­nahen Beratungsstellen sicherzustellen und für die öffentliche Förderung zu sorgen.

Es gilt, bis zum 1. Januar 2015 die gesetzlichen Kriterien für die Neufestlegung der zu fördernden Fachkraftstellen und ihre Verteilung auf die Beratungsstellen zu erarbeiten. Dies kann aus Sicht der CDU-Fraktion nur in enger Abstimmung mit den derzeitigen Trägern der Einrichtungen erreicht werden. Frau Ministerin Schäfer hat im Fachausschuss am 22. November 2012 erklärt, dass es das Ziel sei, die Förderung auf lange Sicht stärker am Bedarf, also an der Nachfrage der Beratungs- und Präventionsangebote der Beratungsstellen, auszurichten.

So sehr dieses Ziel einer bedarfsorientierten Förderung von Beratungsstellen nachvollziehbar ist, ist gleichzeitig ab 2015 sicherzustellen, dass eine wohnortnahe Grundversorgung flächendeckend in NRW erhalten bleibt. Keine Frau bricht eine Schwangerschaft leichtfertig ab – die Schwangerschaftsberatungsstellen bieten für die betroffenen Frauen eine wichtige Unterstützung, verantwortlich und gewissenhaft zu entscheiden. Daher sind die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen auch ein Teil der Daseinsvorsorge in NRW, und deshalb betont die CDU-Fraktion bereits zum jetzigen Zeitpunkt, dass ein flächendeckendes Angebot in NRW sicherzustellen ist.

Im Zusammenhang mit diesem Änderungsgesetz haben uns die Trägervertreter zahlreiche Diskussionspunkte mitgegeben, die bereits auf die inhaltliche Neuausrichtung der Förderung ab 2015 abzielen und die ab der ersten Vorlage der Datenerhebung zum 30. Juni 2013 mitzudiskutieren sind, um zum Start der inhaltlichen Neuausrichtung zum 1. Januar 2015 zu einer verlässlichen Förderung für die Trägerlandschaft zu kommen.

Um den derzeitigen Bestand der Schwangerschaftsberatungsstellen abzusichern und um in eine Datenerhebung mit dem Ziel einer inhaltlichen Neuausrichtung der Förderung ab dem 1. Januar 2015 zu kommen, stimmt die CDU-Fraktion dem Änderungsgesetz zu.

Josefine Paul (GRÜNE):

Mit dem Entwurf des Ausführungsgesetzes zum Schwangerschaftskonfliktgesetz wird die Landesregierung den Vorgaben, die uns das Schwangerschaftskonfliktgesetz aufgibt, gerecht.

Dieses Gesetz wurde bekanntlich geschaffen, um die Aufklärung, Verhütung, Familienplanung, Schwangerschaftskonfliktberatung und Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland zu regeln.

In § 3 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes heißt es: „Die Länder stellen ein ausreichendes Angebot wohnortnaher Beratungsstellen für die Beratung nach § 2 sicher.“ Darüber hinaus verpflichtet § 4 Absatz 1 Satz 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes die Länder, eine an der Einwohnerzahl 1 : 40.000 zu bemessende Beratungskapazität sicherzustellen. Die genaue Ausgestaltung bzw. das „Wie“ hat das Gesetz den Ländern überlassen. In NRW haben wir daher von der Möglichkeit, die Förderung von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen landesrechtlich gesetzlich zu regeln, Gebrauch gemacht.

Die Förderverpflichtung des Landes bezieht sich nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz auf die Leistungen, die dem Schutz des ungeborenen Lebens dienen, wobei ein mittelbarer Bezug als ausreichend zu betrachten ist. Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal deutlich zum Ausdruck bringen.

Bereits jetzt können wir feststellen, dass sich das SchKG im Großen und Ganzen bewährt hat. Dennoch gibt es, wie bei den meisten Gesetzen, inzwischen kleine Korrekturbedürfnisse. Dabei stehen besonders die Bedürfnisse der Frauen, die sich an die Beratungsstellen wenden, im Fokus.

So sieht das Ausführungsgesetz zum Beispiel bisher vor, dass die Anzahl der Fachkraftstellen pro Trägergruppe möglichst gleich hoch sein sollte. Dieses Gießkannenprinzip wollen wir aufheben. Nicht nur weil es unsachgemäß ist, sondern auch weil nur so die Vorgaben des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, ein „plurales Angebot wohnortnaher Beratungsstellen“ anzubieten, gewährleistet werden kann. Darüber hinaus, denke ich, besteht Einigkeit darüber, dass sich sachgerechte Auswahlkriterien an den Bedürfnissen der ratsuchenden Menschen in NRW und nicht an den Bedürfnissen der Träger bzw. Trägergruppen ausrichten müssen. Daher begrüße ich es ausdrücklich, dass zukünftig auch die Nachfrage als Auswahlkriterium herangezogen werden soll, denn nur so können wir der weltanschaulichen Vielfalt in NRW gerecht werden.

Es ist, wie ich bereits betonte, sinnvoll und gesetzlich vorgeschrieben, dass jede Frau in dieser Situation ein qualifiziertes, wohnortnahes Angebot finden muss. Das beinhaltet für mich auch, dass die betroffene Frau die Wahl hat, ob sie sich an einen konfessionellen Träger oder einen freien Träger wendet. Deshalb ist es unsere Aufgabe sicherzustellen, dass kein Träger eine Frau abweisen und zu einem anderen Träger schicken muss, weil Angebot und Nachfrage nicht adäquat geregelt sind. Verteilen wir die Personalstellen nach dem Gießkannenprinzip – wie es die CDU zumindest in der Vergangenheit für richtig hielt – und nicht nach dem Bedarf der Ratsuchenden, werden wir vor der Situation stehen, dass Frauen nicht mehr frei entscheiden können, von wen sie sich beraten lassen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf den ersten Blick mag dies für einige von Ihnen nach einem kleinen Problem aussehen, erwarten wir doch von allen Trägern eine hohe Beratungsqualität! Betrachtet man aber die Praxis, wird schnell deutlich, wo der Hase im Pfeffer liegt: Aus meiner Sicht macht es wenig Sinn, dass beispielsweise eine muslimische Frau bei einer katholischen Beratungsstelle Rat suchen muss, weil diese aufgrund des Personalschlüssels zeitnah einen Termin anbieten konnte. Das ist nur ein Beispiel dafür, warum nicht die Trägerinteressen, sondern die Interessen der Ratsuchenden bei den Verteilungskriterien Berücksichtigung finden müssen.

Um eine sinnvolle Regelung für die Zukunft zu finden, bedarf es aber zunächst einer validen, aktuellen Zahlengrundlage, damit die aktuellen Leistungen gemessen werden können. Dies ist Sinn und Zweck des heute vorgelegten Gesetzes. Nur so kann die Pluralität des Angebots im Sinne der Ratsuchenden, aber auch die Chancengleichheit der Träger gewährleistet werden. Die Grundvoraussetzungen hierfür werden in § 8 AG SchKG geschaffen, und ich bin gespannt, was diese Datenerhebung ergibt.

Lassen Sie mich zum Schluss Folgendes betonen: Im Koalitionsvertrag haben wir festgeschrieben:

     „Wir werden die Förderung der Schwangerenberatung neu justieren und die gesetzliche Förderung des Landes sachgerechter als bisher verteilen. Deshalb streben wir eine Novellierung des Ausführungsgesetzes zum Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) an, nach der die Verteilung der Förderung auch an der Nachfrage der Beratungs- und Präventionsangebote der Beratungsstellen ausgerichtet wird. Dabei sollen die Aufgaben nach den §§ 2 und 5 SchKG einbezogen werden. Damit wollen wir die bisherige Regelung, die eine schematische gleich hohe Förderung alter Trägergruppen vorsieht, ablösen.“

Es freut mich, dass schon wenige Wochen nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages der erste Schritt dazu getan wird, dass dieses Versprechen von der rot-grünen Landesregierung eingelöst werden kann.

Marcel Hafke (FDP):

Die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen leisten – das steht außer Frage – eine sehr wertvolle Arbeit. Für Frauen in Konfliktsituationen ist ein einfühlsamer, kompetenter und neutraler Ansprechpartner besonders wichtig. In der kostenlosen und vertraulichen Beratung steht die einfühlsame Befassung mit der individuellen Geschichte im Mittelpunkt. Gerade weil die emotionale Belastung in Konfliktsituationen ein besonderes Vertrauensverhältnis zu der jeweiligen Stelle erforderlich macht, ist eine plurale Angebotsstruktur wichtig.

Die Anzahl der Beratungsfälle zeigt, wie wichtig gut funktionierende Strukturen in der Schwangerschaftskonfliktberatung sind: Allein in NRW wurden im Jahr 2010 über 34.500 Konfliktberatungen durchgeführt. Dafür stehen erfreulicherweise mittlerweile flächendeckende Beratungsnetzwerke zur Verfügung.

Das Anliegen des Gesetzentwurfs ist es nun, diese Beratungsnetzwerke bedarfsgerecht zu fördern. Dazu sollen die Auswahlkriterien des Ausführungsgesetzes geändert werden. Die 2011 durchgeführte Evaluation hat gezeigt, dass sich das Gesetz in weiten Teilen bewährt hat, jedoch die Auswahlkriterien überarbeitet werden müssen.

Für uns als FDP ist dabei wichtig, dass der Träger- und Angebotspluralismus erhalten bleibt. Dies gilt sowohl für die hier zur Diskussion stehende Übergangsregelung als auch für die Regelung danach. Änderungen dürfen nicht zulasten der kleineren Beratungsinitiativen gehen. Hierauf werden wir im weiteren Beratungsverfahren großen Wert legen.

Alle weiteren Fragen können wir ja dann im Rahmen der Ausschussberatung klären.

Daniel Düngel (PIRATEN):

Die Landesregierung beabsichtigt eine stärkere Ausrichtung der Beratungsförderung am Bedarf. Dazu ist im aktuellen Entwurf zum Ausführungsgesetz zum Schwangerschaftskonfliktgesetz eine umfassende Datenerhebung geplant.

Eine bedarfsgerechte Förderung von Beratungsstellen halten auch wir Piraten für angebracht.

Wir machen dabei auf Folgendes aufmerksam:

–   Wir wissen nicht genau, wie sich die Landesregierung eine Orientierung der Förderung an der tatsächlichen Beratungsleistung vorstellt. Nach welchen Kriterien werden Beratungsleistung und Erfahrung bewertet? Bei beratenden Tätigkeiten ist eine Leistungsbewertung anhand bloßer Zahlen nicht unbedingt aussagekräftig!

–   Wir legen Wert darauf, dass die Landesregierung keine unangebrachten Kürzungen vornimmt, sondern zusätzlich solche Träger von Beratungsstellen in die Förderung einbezieht, die vorher ausgeschlossen wurden.

–   Wir bitten auch die Anmerkungen der Arbeiterwohlfahrt, der freien Wohlfahrtspflege und von Pro Familia nicht nur bei der Datenerhebung, sondern auch bei der Auswertung einzubeziehen.

Wir Piraten unterstützen das Gesetz zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Schwangerschaftskonfliktgesetz unter der Voraussetzung, dass

–   die Anpassung der Förderung dem Bedarf auch tatsächlich gerecht wird und

–   das Vorhaben tatsächlich umgesetzt wird, für alle Schwangeren die Möglichkeit zu schaffen, wohnortnah eine Beratungsstelle aufzusuchen.

Wir sind gespannt auf die Auswertung der Datenerhebung.

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport:

Das Ausführungsgesetz zum Schwangerschaftskonfliktgesetz regelt die Förderung von 217 Schwangerschaftsberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen. Alle Länder sind nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz des Bundes zu einer solchen Förderung verpflichtet.

Die Länder müssen mindestens eine Beratungsfachkraft auf 40.000 Einwohner angemessen fördern. Nach Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts bedeutet das eine Förderung in Höhe von 80 % der Personal- und Sachkosten.

NRW wendet dafür zurzeit 26,7 Millionen € jährlich auf.

Nach den Erhebungen beim Programmcontrolling sind 2010 in NRW 34.500 Konfliktberatungen durchgeführt worden. In weitaus mehr – und zwar über 90.000 – Fällen wurden 2010 aber allgemeine Schwangerschaftsberatungen durchgeführt. Die Einrichtungen leisten hier hervorragende Arbeit, die bis zur Begleitung von jungen Familien reicht.

Wir haben also eine Infrastruktur, die sehr viele schwangere Frauen vor allem in sozialen Fragen berät und sie ganz konkret unterstützt – auch beim Zugang zu finanziellen Hilfen.

Nach dem derzeit geltenden NRW-Ausführungs­gesetz zum Schwangerschaftskonfliktgesetz aus


dem Jahr 2006 wird eine gleichmäßige Verteilung der Förderung unter den Trägergruppen angestrebt. Eine solche Gleichverteilung würde dazu führen, dass einige der geförderten Fachkraftstellen zwischen den Trägern umverteilt werden müssten.

Eine Reihe von Beratungsstellen müsste dann aus rein formalen Gründen Personal abbauen, obwohl sie ausgelastet sind. Das wäre weder fachlich noch wirtschaftlich oder sozial vertretbar und würde die Qualität der Beratung gefährden. Um diesen Effekt zu vermeiden, soll das Ausführungsgesetz nun in zwei Schritten überarbeitet werden.

Der erste Schritt liegt Ihnen heute zur Abstimmung vor. Damit soll der Landesregierung ermöglicht werden, valide Daten der Schwangerschaftsberatungsstellen zu erheben. Um diese Datenerhebung mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen und auswerten zu können, soll die gegenwärtige Verteilung der Förderung bis Ende 2014 verlängert werden.

Nach Auswertung der Daten wird die Landesregierung 2014 als zweiten Schritt einen Vorschlag für die künftige Verteilung der Fördermittel vorlegen. Wir werden diesen Vorschlag im Dialog mit den Trägern der Schwangerschaftsberatungsstellen erarbeiten.

Ziel ist es, die Förderung nach fachlichen Kriterien auszurichten und so ein leistungsgerechtes Angebot für Ratsuchende zu sichern. Dies wird durch einen weiteren Gesetzentwurf geschehen, der die neuen Förderkriterien enthält.

Ziel ist es hier, ab 2015 die gesetzliche Förderung der Schwangerschaftsberatung umzustellen. Wir wollen damit eine Beratungsstruktur dauerhaft stärken, auf die Jahr für Jahr Zehntausende Frauen in existenziellen Ausnahmesituationen angewiesen sind.