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Landtag

Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

16/23

16. Wahlperiode

28.02.2013

23. Sitzung

Düsseldorf, Donnerstag, 28. Februar 2013

Mitteilungen der Präsidentin. 1781

1   Vereidigung der Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen  1781

2   Weiterbildungskonferenz Nordrhein-Westfalen – Ziele und Empfehlungen für die Entwicklung der gemeinwohlorientierten Weiterbildung in Nordrhein-Westfalen

Unterrichtung
durch die Landesregierung. 1782

Ministerin Sylvia Löhrmann. 1783

Klaus Kaiser (CDU) 1784

Marlies Stotz (SPD) 1786

Gudrun Elisabeth Zentis (GRÜNE) 1788

Ingola Schmitz (FDP) 1790

Monika Pieper (PIRATEN) 1792

Ministerin Sylvia Löhrmann. 1794

Gabriele Hammelrath (SPD) 1795

3   Hochschulen am Limit – Was unternimmt die Landesregierung?

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/2187. 1798

Dr. Stefan Berger (CDU) 1798

Karl Schultheis (SPD) 1799

Angela Freimuth (FDP) 1801

Dr. Ruth Seidl (GRÜNE) 1802

Dr. Joachim Paul (PIRATEN) 1804

Ministerin Svenja Schulze. 1806

Klaus Kaiser (CDU) 1808

Nadja Lüders (SPD) 1809

Marcel Hafke (FDP) 1810

Dr. Ruth Seidl (GRÜNE) 1811

Ministerin Svenja Schulze. 1812

Dr. Stefan Berger (CDU) 1813

Karl Schultheis (SPD) 1814

4   Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2013 (Haushaltsgesetz 2013)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/1400

Beschlussempfehlungen und Berichte
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksachen 16/2100 bis 16/2107,
16/2109 bis 16/2115 und 16/2120

zweite Lesung

Und:

Finanzplanung 2012 bis 2016 mit Finanzbericht 2013 des Landes Nordrhein-Westfalen

Drucksache 16/1401

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/2121

In Verbindung mit:

Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2013 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2013 – GFG 2013)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/1402

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/2117

zweite Lesung. 1816

     Einzelplan 02
Ministerpräsidentin. 1816

     Teilbereich
Ministerpräsidentin und Staatskanzlei 1817

Gregor Golland (CDU) 1817

Elisabeth Müller-Witt (SPD) 1818

Angela Freimuth (FDP) 1818

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 1819

Michele Marsching (PIRATEN) 1820

Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren. 1820

     Teilbereich
Landesplanung. 1821

Dr. Günther Bergmann (CDU) 1821

Rainer Christian Thiel (SPD) 1822

Holger Ellerbrock (FDP) 1824

Herbert Franz Goldmann (GRÜNE) 1825

Michele Marsching (PIRATEN) 1826

Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren. 1826

     Teilbereich
Europa und Eine Welt 1828

Werner Jostmeier (CDU) 1828

Markus Töns (SPD) 1829

Holger Ellerbrock (FDP) 1830

Andrea Asch (GRÜNE) 1831

Nicolaus Kern (PIRATEN) 1832

Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren. 1832

     Teilbereich
Medien. 1834

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU) 1834

Alexander Vogt (SPD) 1835

Thomas Nückel (FDP) 1836

Oliver Keymis (GRÜNE) 1838

Daniel Schwerd (PIRATEN) 1839

Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren. 1840

Ergebnis. 1841

     Einzelplan 14
Ministerium für Wirtschaft, Energie,
Industrie, Mittelstand und Handwerk. 1841

     Teilbereich
Wirtschaft, Industrie,
Mittelstand und Handwerk. 1841

Hendrik Wüst (CDU) 1841

Dietmar Bell (SPD) 1843

Ralph Bombis (FDP) 1845

Daniela Schneckenburger (GRÜNE) 1847

Daniel Schwerd (PIRATEN) 1850

Minister Garrelt Duin. 1852

Hendrik Wüst (CDU) 1854

     Teilbereich
Energie. 1855

Thomas Kufen (CDU) 1855

Thomas Eiskirch (SPD) 1856

Dietmar Brockes (FDP) 1857

Wibke Brems (GRÜNE) 1858

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN) 1859

Minister Garrelt Duin. 1860

Ergebnis. 1862

Einzelplan 07
Ministerium für Familie, Kinder,    
Jugend, Kultur und Sport

In Verbindung mit:

Eltern und Kommunen brauchen einen Fonds, um Unstimmigkeiten beim U3-Rechtsanspruch zu bewältigen!

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/2137. 1862

     Teilbereich
Familie, Kinder und Jugend. 1862

Ursula Doppmeier (CDU) 1862

Wolfgang Jörg (SPD) 1864

Marcel Hafke (FDP) 1866

Andrea Asch (GRÜNE) 1867

Daniel Düngel (PIRATEN) 1868

Ministerin Ute Schäfer 1870

     Teilbereich
Kultur 1872

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU) 1872

Andreas Bialas (SPD) 1873

Ingola Schmitz (FDP) 1874

Oliver Keymis (GRÜNE) 1875

Frank Herrmann (PIRATEN) 1876

Ministerin Ute Schäfer 1877

     Teilbereich
Sport 1879

Holger Müller (CDU) 1879

Rainer Bischoff (SPD) 1880

Marc Lürbke (FDP) 1881

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 1882

Lukas Lamla (PIRATEN) 1883

Ministerin Ute Schäfer 1884

Ergebnis. 1885

     Einzelplan 10
Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz  1886

Teilbereich
Umwelt und Naturschutz

Teilbereich
Verbraucherschutz

     Teilbereich
Landwirtschaft 1886

Rainer Deppe (CDU) 1886

Manfred Krick (SPD) 1888

Karlheinz Busen (FDP) 1889

Hans Christian Markert (GRÜNE) 1889

Simone Brand (PIRATEN) 1892

Minister Johannes Remmel 1893

Inge Blask (SPD) 1895

Henning Höne (FDP) 1896

Norwich Rüße (GRÜNE) 1897

Minister Johannes Remmel 1899

Henning Höne (FDP) 1900

Rainer Deppe (CDU) 1900

     Teilbereich
Klimaschutz. 1901

Rainer Deppe (CDU) 1901

Norbert Meesters (SPD) 1902

Henning Höne (FDP) 1904

Wibke Brems (GRÜNE) 1905

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN) 1906

Minister Johannes Remmel 1907

Sigrid Beer (GRÜNE)
(gem. § 29 GeschO) 1908

Lutz Lienenkämper (CDU)
(gem. § 29 GeschO) 1908

Ergebnis. 1908

     Einzelplan 09
Ministerium für Bauen, Wohnen,
Stadtentwicklung und Verkehr 1908

     Teilbereich
Bauen und Wohnen. 1909

Wilhelm Hausmann (CDU) 1909

Andreas Becker (SPD) 1910

Holger Ellerbrock (FDP) 1911

Daniela Schneckenburger (GRÜNE) 1912

Oliver Bayer (PIRATEN) 1913

Minister Michael Groschek. 1914

     Teilbereich
Stadtentwicklung und Verkehr 1915

Bernhard Schemmer (CDU) 1915

Reiner Breuer (SPD) 1916

Holger Ellerbrock (FDP) 1917

Rolf Beu (GRÜNE) 1919

Oliver Bayer (PIRATEN) 1919

Minister Michael Groschek. 1921

Ergebnis. 1923

Ergebnis zu Einzelplan 20. 1923

Schlussabstimmung
zur zweiten Lesung. 1923

5   Schienenproduktion in Duisburg erhalten – Landtag Nordrhein-Westfalen erklärt Solidarität mit den Beschäftigten der TSTG Schienen Technik GmbH & Co. KG Duisburg

Antrag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/2132

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/2216. 1923

Frank Börner (SPD) 1923

Petra Vogt (CDU) 1924

Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE) 1926

Oliver Bayer (PIRATEN) 1927

Dietmar Brockes (FDP) 1928

Minister Garrelt Duin. 1929

Ergebnis. 1930


6   Pferdefleischskandal restlos aufklären – kriminelle Machenschaften in der Lebensmittelbranche im Interesse von Verbrauchern, Landwirten und Lebensmittelproduzenten und ?händ­lern nachhaltig bekämpfen

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/2125

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/2198. 1930

Christina Schulze Föcking (CDU) 1930

Inge Blask (SPD) 1931

Norwich Rüße (GRÜNE) 1932

Henning Höne (FDP) 1934

Simone Brand (PIRATEN) 1935

Minister Johannes Remmel 1935

Ergebnis. 1937

7   Gesetz zur Änderung des Landesforstgesetzes

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD und
der Fraktion der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/2097

erste Lesung. 1937

Reden zu Protokoll
(siehe Anlage 2)

Ergebnis. 1937

Nächste Sitzung. 1938

Anlage 1. 1939

Von Minister Johannes Remmel im Rahmen von TOP 4 – Haushaltsgesetz 2013 (Einzelplan 10 - Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz) – zu Protokoll gegebene Erläuterungen

Anlage 2. 1941

Zu TOP 7 – Gesetz zur Änderung des Landesforstgesetzes – zu Protokoll gegebene Reden

Annette Watermann-Krass (SPD) 1941

Norwich Rüße (GRÜNE) 1941

Rainer Deppe (CDU) 1942

Karlheinz Busen (FDP) 1943

Simone Brand (PIRATEN) 1944

Minister Johannes Remmel 1944

Entschuldigt waren:

Ministerin Sylvia Löhrmann       
(ab 16:00 Uhr)

Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren   
(bis 13:00 Uhr und ab 15:30 Uhr)

Rainer Schmeltzer (SPD)

Eva Steininger-Bludau (SPD)

Tanja Wagener (SPD)

Theo Kruse (CDU)

Daniel Sieveke (CDU)  
(ab 12:00 Uhr)

Bernhard Tenhumberg (CDU)

Horst Becker (GRÜNE) 
(14:00 Uhr bis 17:00 Uhr)

Arndt Klocke (GRÜNE)

Hans Christian Markert (GRÜNE)          
(bis 11:30 Uhr)

Josefine Paul (GRÜNE)
(ab 17:30 Uhr)

Dr. Robert Orth (FDP)

Dr. Ingo Wolf (FDP)

Stefan Fricke (PIRATEN)


Beginn: 10:04 Uhr

Präsidentin Carina Gödecke: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie ganz herzlich willkommen zu unserer heutigen, 23. Sitzung des Landtags von Nordrhein-Westfalen in dieser Wahlperiode.

Mein Gruß gilt unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Ganz besonders heiße ich heute Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen willkommen, die auf der Zuschauertribüne Platz genommen haben, um den Beginn unserer heutigen Sitzung zu verfolgen. Namentlich begrüße ich ganz herzlich den 1. Vizepräsidenten des Verfassungsgerichtshofs, Herrn Johannes Riedel, und die 2. Vizepräsidentin des Verfassungsgerichtshofs, Frau Anne-José Paulsen. Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Für die heutige Sitzung haben sich neun Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden wir wie immer in das Protokoll aufnehmen.

Ein großer Teil der Abgeordneten konnte ja bereits in der Nacht von gestern auf heute die Geburtstagskinder unter uns ganz herzlich beglückwünschen. Ihren Geburtstag feiern heute Herr Dennis Maelzer von der Fraktion der SPD und Herr Rolf Seel von der Fraktion der CDU. Herzlichen Glückwunsch Ihnen beiden im Namen der Kolleginnen und Kollegen! Alles Gute, viel Glück, Gesundheit und Erfolg!

(Allgemeiner Beifall)

Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir in die heutige Tagesordnung eintreten. Ich rufe auf:

1   Vereidigung der Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen

Sehr geehrte Damen und Herren, mit Schreiben vom 19. Februar dieses Jahres hat mir die Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen mitgeteilt, dass die Landesregierung am selben Tag beschlossen hat, Frau Dr. Ricarda Brandts zur Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfa­len zu ernennen.

Im gleichen Schreiben hat sie darum gebeten, die Vereidigung von Frau Dr. Brandts in einer der Plenarsitzungen in dieser Woche vorzunehmen. Dieser Bitte bin ich gerne gefolgt. Ich darf deshalb zu diesem Tagesordnungspunkt Frau Dr. Brandts, die gleich vor dem Plenum den Eid ablegen wird, ganz herzlich im Landtag von Nordrhein-Westfalen begrüßen.

(Allgemeiner Beifall)

Die Vereidigung der neuen Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs gibt mir Anlass, dem bisherigen Amtsinhaber Dank zu sagen. Herr Dr. Michael Bertrams, der heute leider nicht hier sein kann, ist vor wenigen Wochen nach über 18-jähriger Amtszeit in den Ruhestand getreten. Er hat in dieser Amtszeit an vielen wichtigen Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs mitgewirkt, die die Rechte des Landtags, seiner Mitglieder und der Fraktionen gewahrt, aber auch dem Landtag als Gesetzgeber und den jeweiligen Landesregierungen richtungsweisende verfassungsrechtliche Anstöße gegeben haben. Er hat damit als Präsident des Verfassungsgerichtshofs dessen Aufgabe in einer Weise wahrgenommen, wie die Landesverfassung es für dieses Verfassungsorgan vorsieht. Ich darf Herrn Dr. Bertrams auch in Abwesenheit im Namen des Hohen Hauses Dank für die langjährige Arbeit aussprechen und ihm für seinen neu begonnenen Lebensabschnitt alles Gute wünschen.

(Allgemeiner Beifall)

Jetzt darf ich Frau Dr. Brandts zu mir bitten, um den Eid abzuleisten. Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, soweit Ihnen das möglich ist, sich für die Vereidigung von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Abgeordneten erheben sich von ihren Plätzen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach § 5 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen leisten sämtliche Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs, bevor sie ihr Amt antreten, vor dem Landtag den in dieser Vorschrift formulierten Eid, der auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden kann:

„Ich schwöre, dass ich das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können verwalten, Verfassung und Gesetze befolgen und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.“

(Dr. Ricarda Brandts spricht die Eidesformel ohne religiöse Beteuerung nach.)

Sehr geehrte Frau Dr. Brandts, Sie haben den nach dem Gesetz vorgeschriebenen Eid geleistet. Im Namen des Hohen Hauses, im Namen der Kolleginnen und Kollegen und der Landesregierung gratuliere ich Ihnen sehr herzlich und wünsche Ihnen im neuen Amt an der Spitze des Verfassungsgerichtshofs eine glückliche Hand, alles Gute und die Zusammenarbeit, die man mit einem Parlament haben kann, eine gute und gedeihliche, auch wenn die Positionen dann unterschiedlich sind. Herzlichen Glückwunsch, alles Gute, herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall – Die neu ernannte Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs nimmt Glückwünsche und Blumensträuße der Fraktionsspitzen entgegen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, man verpflichtet nicht jeden Tag und nicht jede Woche die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes. Weil das ein besonderer Akt ist, machen wir das, einer guten Tradition entsprechend, so, wie wir es vor 18 Jahren auch getan haben. Nachdem unsere neue Verfassungsgerichtspräsidentin die Glückwünsche der Landesregierung und die Glückwünsche der Fraktionsspitzen entgegengenommen hat, werde ich ihr sehr gerne das Wort für eine ganz kurze Ansprache erteilen. Wir warten gerne diesen kleinen Moment. Das ist mehr als ein Akt der Höflichkeit; das ist eine besondere Form des Willkommenheißens in unserer Mitte. – Frau Dr. Brandts, Sie haben als neue Präsidentin das Wort.

Dr. Ricarda Brandts, Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes für das Land Nordrhein-West­falen: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst danke ich Ihnen, Frau Präsidentin, für die guten Wünsche. Gerne mache ich von der Gelegenheit Gebrauch, einige Wort zu Ihnen zu sprechen.

Aus gutem Grund sieht die Landesverfassung vor, dass die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes ihren Amtseid hier im Landtag leisten. Dadurch kommt die demokratische Legitimation des übertragenen Richteramtes ebenso zum Ausdruck wie die Stellung des Verfassungsgerichtshofs als Verfassungsorgan neben Regierung und Parlament.

Im demokratischen Rechtsstaat des Grundgesetzes geht auch auf der Ebene der eigenstaatlichen Länder alle Staatsgewalt vom Volke aus. Grundgesetz und Landesverfassung beruhen dabei auf der Überzeugung, dass demokratische Willensbildung allein unzureichend ist, damit alle Bürgerinnen und Bürger im Rahmen einer verlässlichen und selbstbestimmten Staatsordnung leben können.

Hinzukommen muss die Rechts- und Verfassungsbindung. Alle staatlichen Repräsentanten sind verpflichtet, die für sie geltenden gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Bindungen einzuhalten. Diese Pflicht bringt etwa ein Amtseid oder für Parlamentsmitglieder eine Verpflichtungserklärung in Erinnerung.

Vor allem die Bevölkerung erwartet zu Recht die Befolgung von Verfassungsnormen. Diese Normen sind von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen. Das gilt nicht nur auf Bundesebene, sondern auch für die Bestimmungen der Landesverfassung.

Änderungen der Verfassung bedürfen bekanntlich einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Mitgliederzahl des Parlaments. Die Verfassung steht damit als rechtlicher Rahmen für das Gemeinwesen nicht zur Disposition des einfachen Gesetzgebers. Auch hierüber wacht im Land Nordrhein-Westfalen der Verfassungsgerichtshof in Münster. Sein Prüfungsmaßstab ist dabei allein die Landesverfassung. Politischer Bewertungen hat er sich zu enthalten.

Daraus ergibt sich aber auch: An die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs dürfen keine falschen Erwartungen geknüpft werden. Antworten auf gesellschaftliche Probleme müssen in erster Linie Sie, das Parlament, und die Regierung geben.

Damit ist der Maßstab für eine gute Verfassungsrechtsprechung gesetzt. Diese bemisst sich gerade danach, ob es ihr gelingt, selbst in hochpolitischen Angelegenheiten rein verfassungsrechtlich zu argumentieren und dabei zugleich den Vorgaben der Verfassung praktisch Geltung zu verschaffen.

Entscheidungs- und Beurteilungsspielräume von Parlament und Regierung sind zu respektieren, damit innerhalb der verbindlichen Verfassungsnormen viel Raum für politische Gestaltung bleibt.

Diese Grenzen stets im Blick zu haben, wird für mich als Präsidentin besondere Verpflichtung sein. Das richtige Maß zwischen notwendiger Kontrolle und gebotener richterlicher Zurückhaltung zu finden, ist eine Herausforderung, die mir als Richterin seit Jahren vertraut ist. Ihr stelle ich mich gern auch im neuen Amt und bin dankbar für das Vertrauen, das dabei in mich gesetzt wird. – Ich danke Ihnen.

(Allgemeiner Beifall)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Präsidentin. Noch einmal herzlichen Glückwunsch und alles Gute!

Wir fahren jetzt in unserer Tagesordnung fort. Ich rufe auf:

2   Weiterbildungskonferenz Nordrhein-Westfa­len – Ziele und Empfehlungen für die Entwicklung der gemeinwohlorientierten Weiterbildung in Nordrhein-Westfalen

Unterrichtung
durch die Landesregierung

Der Chef der Staatskanzlei hat mit Schreiben vom 19. Februar 2013 mitgeteilt, dass die Landesregierung beabsichtigt, zu dem genannten Thema zu unterrichten. Die Unterrichtung erfolgt durch die Ministerin für Schule und Weiterbildung. Ich erteile gerne Frau Ministerin Löhrmann für diese Unterrichtung das Wort.

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Zeit ist geprägt von vielfältigen wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen sowie von zunehmender Globalisierung und Vernetzung von Wirtschaftsprozessen. Dadurch wird lebensbegleitendes Lernen immer wichtiger und gewinnt zunehmend an Bedeutung, sowohl für den Einzelnen als auch für unsere Gesellschaft insgesamt. Diese vierte Säule der Bildungspolitik steht oft nicht so im Fokus, wie es ihr eigentlich gebühren würde.

Mit diesem Gedanken im Hinterkopf habe ich vor etwas mehr als einem Jahr die Verantwortlichen der Einrichtungen und Organisationen der gemeinwohlorientierten Weiterbildung in Nordrhein-Westfalen eingeladen, um gemeinsam eine Strategie für die Entwicklung der Weiterbildung bis in das nächste Jahrzehnt hinein zu entwickeln. Vorbild war die Bildungskonferenz „Zusammen Schule machen für Nordrhein-Westfalen“, die ein Jahr zuvor wegweisende Empfehlungen für die künftige Entwicklung der Schulen unseres Landes verabschiedet hat. Aufgrund des guten Wirkens dieser Bildungskonferenz, die letztendlich den Schulkonsens in Nordrhein-Westfalen vorbereitet hat, gab es die Empfehlung und die Bitte, so etwas auch für die Weiterbildung zu machen.

Auch die Weiterbildungskonferenz hat viel Anklang gefunden. Es haben sich mehr als 50 Repräsentantinnen und Repräsentanten aus Verbänden der Weiterbildung, allen voran aus dem Gesprächskreis für die Weiterbildungsorganisationen in NRW, aus Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, aus kommunalen Spitzen und Kirchen sowie aus dem Verbraucherschutz zusammengefunden. Politikerinnen und Politiker aus allen Landtagsfraktionen waren ebenfalls eingeladen, sich an diesem Gespräch zu beteiligen. Erfreulicherweise sind alle dabeigeblieben, trotz der Unterbrechung, die die Landtagswahl hineingebracht hat.

Am Anfang hat es eine Bestandsaufnahme, eine Sichtung gegeben. In zunächst zwei Arbeitsgruppen haben alle Beteiligten zahlreiche Fragestellungen erörtert und einzelne Themenkomplexe herausgearbeitet.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Diese einzelnen Fragestellungen haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dann in einer weiteren Plenarsitzung im Oktober des vergangenen Jahres beantwortet. Anschließend haben sie diese Empfehlungen an das Land zur weiteren Entwicklung der Weiterbildung in Nordrhein-Westfalen gemeinsam ausführlich diskutiert, mit großer Mehrheit beschlossen und in dem Ihnen allen vorliegenden Empfehlungspapier schriftlich niedergelegt.

Da sich die Empfehlungen der Weiterbildungslandschaft an Landespolitik und Landesregierung richten, haben sich sowohl die Abgeordneten als auch die Vertreter der verschiedenen mit Weiterbildung befassten Ressorts nicht an der Formulierung beteiligt. Mitte Dezember wurden diese Empfehlungen von Herrn Hammelrath und Frau Sandbrink an die Präsidentin – die zwar jetzt nicht anwesend ist, von der wir aber alle wissen, sie ist ein großer Fan der Weiterbildung – und an mich übergeben. Dort gab es die Bitte, den Landtag insgesamt mit dieser wichtigen Zukunftsfrage zu befassen und darüber im Rahmen einer Unterrichtung zu diskutieren.

Meine Damen und Herren, die Weiterbildungskonferenz ist schon wegen des breiten Konsenses ein großer Erfolg. Gleichzeitig ist sie Ausdruck eines neuen Politikverständnisses. Nicht Durchregieren von oben nach unten ist die Devise, sondern gemeinsames Gestalten, das sorgfältig und zielgerichtet die Akteure und Verantwortlichen zusammenführt und einbindet. Das Ergebnis der Weiterbildungskonferenz, das Empfehlungspapier, ist aber auch noch in anderer Hinsicht ein bemerkenswertes Dokument. Es belegt eindrucksvoll die Integrationskraft und Innovationsbereitschaft unserer Weiterbildungsträger.

Wir haben hier tragfähige Vorschläge für ein neues Berichtssystem. Dies soll auch Grundlage für ein Fördersystem sein, welches unter anderem der Landesrechnungshof schon vor einiger Zeit angemahnt hat. Zudem beinhalten die Empfehlungen viele gute Ansätze, von denen ich einige nennen möchte.

Erstens. Sie formulieren den berechtigten Wunsch nach dem Aufbau von Supportstrukturen für die Weiterbildungsträger in Nordrhein-Westfalen und die bei ihnen arbeitenden Akteure.

Zweitens. Sie enthalten Ansätze zur Stärkung der Professionalität der in der Weiterbildung und nachhaltigen Qualifizierung Beschäftigten.

Drittens. Sie äußern sich zu der zentralen Frage, wie Bürgerinnen und Bürger aus bildungsfernen Milieus stärker an Weiterbildung beteiligt werden können.

Viertens. Sie machen Vorschläge zur Weiterentwicklung des zweiten Bildungswegs und zu Alphabetisierung, also zur Grundbildung, die ein größeres Problem in unserer Gesellschaft ist, als wir lange Zeit angenommen haben, wie wir wissen. Wir haben da noch viele Schätze in unserer schrumpfenden Gesellschaft zu heben. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Fünftens. Die Empfehlungen gehen auf die regionalen Bildungsnetzwerke ein und formulieren den Wunsch nach einer intensiveren Beteiligung der regionalen und lokalen Weiterbildungsträger in diesen Netzwerken.

Sechstens. Sie äußern sich zur Weiterbildungsberatung als neue Aufgabe von Weiterbildung insgesamt.

Siebtens. Sie sprechen sich für eine bessere Abstimmung der verschiedenen Ressorts aus, die in der Landesregierung mit der Weiterbildung befasst sind.

Achtens. Sie wollen dem mit der Weiterbildungskonferenz eingeleiteten Partizipationsprozess Nachhaltigkeit geben und schlagen die Einsetzung eines Weiterbildungsbeirates vor, der die zuständige Ministerin und die Politik bei der künftigen Gestaltung dieses Themas beraten soll.

Meine Damen und Herren, um es auf den Punkt zu bringen: Die Empfehlungen sind ebenso zukunftsweisend wie anspruchsvoll.

Natürlich sind der Politik und damit mir als fachlich zuständiger Ministerin bei der Umsetzung dieser Empfehlung Grenzen gesetzt, vor allem dort, wo Finanzen ins Spiel kommen. Wir alle kennen die finanzielle Lage des Landes und wissen, dass wir auf die Einhaltung der Schuldenbremse hinarbeiten. Deshalb sind wir zu Sparsamkeit verpflichtet. Dennoch werden wir uns sicherlich alle dafür einsetzen, dass wir die Empfehlungen ernst nehmen und mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, umsetzen. SPD und Grüne haben mit den Koalitionsverträgen von 2010 und 2012 hierfür einen Rahmen gesetzt.

Meine Damen und Herren, mir ist in diesem Zusammenhang die Aussage sehr wichtig, dass wir nicht bei null anfangen, sondern dabei sind, die regionalen Bildungslandschaften zu stärken und die Weiterbildung dort als gleichberechtigte Partner einzubinden. Möglicherweise haben wir dort Potenziale, die wir gut zusammenführen können. Wir werden uns an der Bundesinitiative zur Stärkung der Alphabetisierung und Grundbildung beteiligen. Wir beginnen in Kürze mit dem Aufbau eines Berichtswesens, das uns alle besser und ausführlicher über die Leistungen der Weiterbildung informieren wird.

Wir werden landesweit wirksame und nachhaltige Supportstrukturen für die Weiterbildung aufbauen, damit die Weiterbildung in Nordrhein-Westfalen ihre Professionalität und Qualität halten und weiterentwickeln kann.

Außerdem versuchen wir bereits, eine Reihe von Fragen aus den Empfehlungen in Innovationsprojekten zu beantworten. Beispiele:

Wie kann eine höhere Weiterbildungsteilnahme erreicht werden? Wie können wir die zweite Chance, also das Nachholen von Schulabschlüssen, ausbauen? Welche Bedeutung hat der deutsche Qualifikationsrahmen für die Weiterbildung? Wie kann Weiterbildung im sozialen Nahraum künftig besser organisiert werden? Welche besonderen Herausforderungen bringen der demographische Wandel und unsere Migrationsgesellschaft für Weiterbildung mit sich?

Meine Damen und Herren, mir ist es wichtig, die Entwicklung der Weiterbildung in Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit dem Parlament, den Verantwortlichen und Beschäftigten in der Weiterbildung sowie im Einklang mit Interessen der Nutzerinnen und Nutzer von Weiterbildung umzusetzen. Daher freue ich mich sehr über die von mir zuletzt genannte Empfehlung, die die Bildung eines Landesbeirats für Weiterbildung vorsieht. Dieser Beirat soll mich und damit die Landesregierung in Fragen der Weiterbildung zukünftig beraten.

Meine Damen und Herren, ich hatte schon angemerkt, dass die Empfehlungen in einem breiten Konsens erarbeitet und beschlossen wurden. Ich hatte auch angemerkt, dass ich dies für einen großen Erfolg halte. Ich füge an: Hier setzt sich eine gute Tradition der nordrhein-westfälischen Weiterbildung fort, die – wie Sie alle wissen – auch die Landespolitik einbezieht.

Bisher war es in diesem Parlament gute Tradition, dass wir uns bei der Behandlung der wichtigen Frage des lebensbegleitenden Lernens seit vielen Jahren über alle Parteigrenzen hinweg geeinigt und auf dieser Grundlage gemeinsam gehandelt haben. Das ist ein hohes Gut. Ich werde alles dafür tun, dass diese gute Tradition beibehalten wird, und denke, dass die Empfehlungen eine hervorragende Anregung für die Gestaltung der künftigen Weiterbildungspolitik in Nordrhein-Westfalen sind.

Ich danke an dieser Stelle allen, die in den Arbeitsgruppen und Plenarsitzungen so intensiv diskutiert und gearbeitet haben. Dabei beziehe ich Herrn Dr. Heinemann mit seinem Team ausdrücklich ein. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses haben immer etwas mehr zu tun, wenn sie ein solches Vorhaben koordinieren und begleiten.

Ich freue mich auf die Debatte und glaube, dass wir eine gute Arbeitsgrundlage nicht nur für die nächsten fünf Jahre haben. – Herzlichen Dank!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Beifall von Klaus Kaiser [CDU])

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Kaiser das Wort.

Klaus Kaiser (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die gesellschaftlichen Megatrends machen es immer deutlicher, dass wir nur in einer Gesellschaft des lebensbegleitenden Lernens die Aufgaben der Zukunft gestalten können. Wer aufhört dazuzulernen, wird auf Dauer aus dieser Gesellschaft ausgegrenzt. Die Herausforderungen der demografischen Entwicklung – wir werden immer weniger, älter und bunter – sind nur dann zu meistern, wenn wir uns zur Bildungsrepublik Deutschland weiterentwickeln.

Der Erwachsenenbildung kommt daher künftig eine noch stärkere Bedeutung zu. Deshalb ist es unverzichtbar, dass wir in Nordrhein-Westfalen die öffentlich verantwortete Weiterbildung so aufstellen, dass sie hilft, auf die gegenwärtigen und die künftigen Fragestellungen im Rahmen eines lebenslangen Lernens Antworten zu finden.

Zunächst sind die sich ständig verändernden Anforderungen im beruflichen Leben zu nennen. Die Veränderungen durch eine digitale Welt erfordern eine moderne Weiterbildung, die entsprechende Anpassungsqualifikationen vermittelt. Das Lernen und Trainieren der Gesundhaltung in einer immer älter werdenden Gesellschaft kann und muss dauerhaft Bestandteil der Erwachsenenbildung sein.

Die immer größere Komplexität gesellschaftlicher Veränderungen in unserer Welt – möglicherweise in Kombination mit den Skandalisierungstendenzen in unserer Medienlandschaft – unterstreicht die Notwendigkeit der politischen Bildung.

Während wir im aufkommenden Computerzeitalter die Sorge um den medialen Analphabeten hatten, müssen wir heute darauf achten, dass die Komplexität der Vorgänge nicht zu politischem Analphabetismus führt. Hier ist die Weiterbildung zukünftig noch stärker gefordert. Die Weiterbildung hat insbesondere auch die Aufgabe der Förderung Bildungsungewohnter und Bildungsbenachteiligter. Da wir wissen, dass Bildung der Schlüssel zu Wohlstand und selbstbestimmtem Leben ist, hat Weiterbildung den Auftrag, Bildungsungewohnten und Bildungsbenachteiligten eine weitere Chance zu geben. Das gilt sowohl für die in einem etablierten Schulsystem Gescheiterten als auch für die Vielzahl nicht zuletzt infolge globalisierter Wanderungstendenzen Zugewanderter.

Für die CDU-Fraktion sind es vor allem drei Punkte, die es im Rahmen der Ergebnisse der Weiterbildungskonferenz herauszustreichen gilt:

Zunächst zeigt der vorgelegte Bericht, dass wir in Nordrhein-Westfalen eine leistungsstarke und innovative Weiterbildungslandschaft haben. Volkshochschulen und freie Träger haben ein gutes Mit- und Nebeneinander.

Die Weiterbildungskonferenz hat gezeigt, dass wir zukunftsfähig aufgestellt sind. Weiterbildung bleibt kommunale Pflichtaufgabe. Anlass der Konferenz war die unter der schwarz-gelben Regierung beauftragte Evaluation, die vom DIE, Deutsches Institut für Erwachsenenbildung, durchgeführt wurde und der Weiterbildung in Nordrhein-Westfalen ein gutes Zeugnis ausstellte und Hinweise auf eine kluge Weiterbildung im System gab. Es geht also um ein Weiterentwickeln und nicht um ein Neuaufstellen. Das ist ganz wichtig festzuhalten.

Dabei geht es zunächst um die Frage der Fördersystematik. Aus Sicht der CDU teilen wir die Ziele der Weiterbildungskonferenz, auch künftig die Förderung an Unterrichtsstunden, Teilnehmertagen und der hauptamtlich pädagogischen Mitarbeiter zu koppeln. Wir teilen auch eine Förderung der Volkshochschulen entsprechend den Einwohnerzahlen. Dabei können wir uns eine Verschiebung der Förderungsanteile zugunsten – wie es beispielsweise diskutiert worden ist – der Hauptamtlichkeit vorstellen. Wie wir alle wissen, ist das Erreichen bestimmter Zielgruppen gerade an Hauptamtlichkeit und Professionalität gebunden.

Für die freien Weiterbildungseinrichtungen ist es leider nicht so einfach, die entsprechenden Parameter zu finden, um die Fördermöglichkeiten zukunftssicher und bei einem sich ausweitenden System zu garantieren. Dort gibt es in der Regel keine örtlichen Zuständigkeiten. Von daher kann man die Einwohnerzahlen nicht als Grundlage nehmen.

Wir müssen deshalb eine intelligentere Lösung finden. Deshalb tragen wir den Vorschlag mit, dass zunächst durch den Aufbau eines einfachen und – das ist ganz wichtig – unbürokratischen Berichtswesens für eine verlässliche Datengrundlage gesorgt wird. Wir sehen dies im Zusammenhang mit der in unserer Zeit eingeführten Forderung nach Koppelung der Förderung an eine entsprechende Qualitätssicherung und eine entsprechende Zertifizierung.

Dieser Prozess ist faktisch abgeschlossen und garantiert, dass eine hohe Innovationsbereitschaft systemisch abgesichert ist. Die Arbeit an neuen Aufgabenstellungen und für neue Zielgruppen wird dadurch erleichtert und ermöglicht.

Wir betonen gleichzeitig, dass wir ein leistungsstarkes und steuerungswirksames Berichtswesen wünschen. Wir wollen jedoch ausdrücklich keine neue Bürokratie aufbauen. Seitens der CDU können wir uns durchaus vorstellen, dass die entsprechenden Daten durch eine Abfragemaske der einschlägigen EDV-Programme erreicht werden können. Es sollte angestrebt werden, dass man wichtige Informationen ohne großen Mehraufwand erhält. Die Vorbereitung im Laufe des Jahres 2013 durch eine Arbeitsgruppe ist unseres Erachtens der richtige Weg.

Das Weiterbildungsgesetz wird deshalb im Konsens getragen – Frau Löhrmann hat darauf hingewiesen –, weil es immer eine starke Tradition des direkten Kontakts zum Parlament gab. Deshalb ist die Weiterbildungskonferenz des Landtags, die im Normallfall regelmäßig einmal im Jahr stattfindet, wenn nicht gerade Wahlen sind oder sich neue Abläufe einspielen müssen, die vom Fachausschuss gemacht wird, ein starkes Bindeglied zwischen der Weiterbildungsszene, der Fachlichkeit und dem Parlament.

Deshalb fordern wir, dass der geplante Weiterbildungsbeirat, den wir als sinnvoll und hilfreich ansehen, auch politikberatend tätig wird und ein direktes Vorschlagsrecht für den Fachausschuss des Landtags bekommt. Frau Ministerin Löhrmann, wir müssen noch einmal darüber diskutieren, ob der Weiterbildungsbeirat nur Sie oder auch uns als Landtag und Fachausschuss berät. Wir sind natürlich in der Tradition dessen, dass er den Landtag insgesamt berät, weil sich das bewährt hat und vielleicht auch konstitutiv für die Konsensbildung ist. Ebenfalls ist die Arbeitsfähigkeit dieses Gremiums wichtig, sodass die Zahl der Mitglieder nicht zu groß sein sollte.

Ein weiterer Aspekt müsste angesprochen werden: die stärkere Einbindung der öffentlichen Weiterbildung in die regionalen Bildungsnetzwerke. Mit der Schaffung der flächendeckend eingeführten regionalen Bildungsnetzwerke durch die schwarz-gelbe Regierung wurde der richtige Grundstein gelegt. Jetzt geht es darum, die Weiterbildungseinrichtungen zu Partnern auf Augenhöhe – das ist wichtig – zu machen. Denn bei den anstehenden umfangreichen Reformbemühungen im Bereich von Schule, sei es als Kooperationspartner für konkrete Bildungsangebote, sei es als Partner für erforderliche Fortbildungen, kann die durch das Weiterbildungsgesetz geförderte Weiterbildung einen wesentlichen Beitrag leisten.

Das unter Schwarz-Gelb eingeführte Programm „Weiterbildung geht zur Schule“ ist ein gelungenes Beispiel dafür. Aber bei der sich verändernden Gesellschaft infolge der demografischen Herausforderungen wird die öffentlich verantwortete Weiterbildung innerhalb der Bildungsnetzwerke zu einem wertvollen Anbieter, gerade für die Welt der Erwachsenen.

Die Angebote für Bildungsbenachteiligte müssen ein wichtiger Bestandteil der künftigen Weiterbildung bleiben. Das Nachholen von Schulabschlüssen oder andere Angebote kompensatorischer Bildung müssen weiterhin gefördert werden. Ich erhebe für die CDU-Fraktion die Forderung, dass auch künftig Mittel aus dem europäischen Sozialfonds für die öffentlich geförderte Weiterbildung für die nächste Förderperiode von 2014 bis 2020 garantiert werden.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Durch die Reservierung von Millionenbeträgen für die WbG-geförderten Einrichtungen sind die qualitativ guten Angebote entwickelt und durch die Agenturen leistungsstarke Supportsysteme aufgebaut worden. Auch diese Infrastruktur ist zu halten und auf Dauer weiter zu finanzieren.

Wir sind der Meinung, dass insbesondere die hauptamtliche Infrastruktur es möglich macht, sich weiteren neuen Zielgruppen zuzuwenden. Es ist sicherlich eine der großen Herausforderungen unserer Gesellschaft, dass der funktionale Analphabetismus in unserem Land – wir rechnen mit mindestens 1 Million betroffener Menschen – bekämpft werden muss. Hier sind erhebliche Anstrengungen zur Inklusion dieser Gruppe in unserer Gesellschaft zu leisten.

Es gibt die Volkshochschulen, sicherlich die größte Expertise, auf die man zurückgreifen sollte. Die zunehmende Individualisierung der Gesellschaft zeigt aber auch, dass die Bildungswege nicht immer geradlinig verlaufen. Im Gegenteil: Immer häufiger sind Umwege und Sackgassen dabei.

Eine qualifizierte Weiterbildungsberatung ist deshalb künftig immer wichtiger, weil das Aufzeigen von beruflichen Perspektiven und von neuen Lebensläufen mit entsprechenden Qualifikationen substanziell ist. Daher ist es auch zu begrüßen, dass die Weiterbildungskonferenz explizit auf die zunehmende Bedeutung der Weiterbildungsberatung hingewiesen wird.

Zusammengefasst heißt das: Die Bildungskonferenz hat gezeigt, dass wir ein leistungsfähiges Weiterbildungsgesetz haben. Es ist immer noch modern und so konstruiert, dass es künftige gesellschaftliche Herausforderungen im Konzept des lebenslangen Lernens bestehen kann. Wir halten eine Revision des Gesetzes aus inhaltlicher Sicht nicht für erforderlich. Wir fühlen uns auf diesem Feld den Einrichtungen als Partner weiter verpflichtet und sehen uns aufgefordert, dieses parlamentarisch zu unterstützen.

Abschließend bedanke ich mich im Namen meiner Fraktion bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus der Weiterbildungsszene, die an der Weiterbildungskonferenz teilgenommen haben. Frau Ministerin Löhrmann hat darauf hingewiesen: Dank auch an Frau Ministerin! Sie werden es, glaube ich, auch wohlwollend sehen, dass wir uns ganz besonders bei Herrn Dr. Heinemann und seinem Team bedanken, die den ganzen Prozess begleitet haben. Ich denke, ohne das wohlwollende Arbeiten im Hintergrund wäre das Ganze nicht so erfolgreich gewesen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU – Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kaiser. – Für die SPD-Fraktion spricht nun die Frau Abgeordnete Stotz.

Marlies Stotz (SPD): Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weiterbildung ist und bleibt ein wichtiger Auftrag in öffentlicher Verantwortung. Ihre gesetzliche Verankerung findet sich in unserem bundesweit beachteten Weiterbildungsgesetz, das nichts an Aktualität verloren hat, wieder. Dieses Gesetz bildet weiterhin die Richtschnur unseres Handelns in der rot-grünen Koalition. Damit ist und bleibt Nordrhein-Westfalen das Weiterbildungsland Nummer eins auch in der Zukunft. Daran wird nicht gerüttelt. Das haben auch meine Vorredner schon zum Ausdruck gebracht.

Wir bekennen uns weiterhin zur kommunalen Pflichtaufgabe Volkshochschule. Gemeinsam mit den Weiterbildungseinrichtungen in anderer Trägerschaft sind die Volkshochschulen für uns wichtige Partner bei der Weiterentwicklung einer kommunalen Bildungslandschaft. Zugleich liefern die Einrichtungen und die Volkshochschulen mit ihren Angeboten einen wertvollen, flächendeckenden Beitrag zur kommunalen Daseinsvorsorge.

Für uns Sozialdemokraten erfüllt die Weiterbildung drei wichtige Ziele.

Erstes Ziel: Weiterbildung unterstützt und fördert die Persönlichkeitsentwicklung jedes Einzelnen und eröffnet damit wichtige Perspektiven für ein selbstbestimmtes Leben.

Zweitens fördert die Weiterbildung das bürgerschaftliche Engagement, die politische Teilhabe und ist damit für uns unerlässlicher Pfeiler für unser demokratisches Gemeinwesen.

Drittens unterstützt und fördert die Weiterbildung, insbesondere die berufliche Weiterbildung, den Erwerb beruflicher Fähigkeiten und Qualifikationen, was bei dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel von wachsender Bedeutung auch für unseren Wirtschaftsstandort ist.

Ich freue mich, dass wir heute im Hohen Haus die Bedeutung und den Stellenwert der Weiterbildung für jeden Einzelnen, für unsere Gesellschaft und nicht zuletzt für den Wirtschaftsstandort in den Mittelpunkt unserer Diskussion stellen. Grundlage für die heutige Debatte bilden die Zielsetzungen und die Empfehlungen der Weiterbildungskonferenz. Frau Ministerin Löhrmann ist schon darauf eingegangen.

Für meine Fraktion und auch für mich persönlich kann ich sagen, dass wir diesen Diskussionsprozess zur Erarbeitung der Empfehlungen sehr gerne begleitet und mit großem Interesse auch die Diskussionen verfolgt haben. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Bevor ich zu einzelnen Empfehlungen komme, möchte ich mich zunächst bei allen Beteiligten, die diesen Diskussionsprozess mit begleitet haben, bedanken. Danke für die durchgängig sachliche, engagierte und von großer Kompetenz getragenen fachlichen Diskussionen.

Insbesondere die spürbare Bereitschaft, sich den Herausforderungen, im Übrigen angesichts des guten Zeugnisses, das der Weiterbildungslandschaft bekanntlich mit dem Gutachten aus dem Jahre 2010 vom Deutschen Institut für Weiterbildung im Grundsatz ausgestellt wurde, zu stellen, begrüßen wir von der SPD-Fraktion ausdrücklich.

Die Herausforderungen, die sich aus der Globalisierung, aus demografischem Wandel und Migration, aus der rasanten Flexibilisierung der Arbeitswelt sowie aus den Veränderungen im sozialen und familiären Zusammenhalt ergeben und dies sich auch an die Weiterbildung stellen, bedürfen einer wohl überlegten Nachjustierung, einer behutsamen Weiterentwicklung des Bestehenden. Ebenso fand die Beanstandung des Landesgerichtshofes, die derzeitige Förderpraxis des Landes zu überprüfen, um ein transparentes, gerechtes und zukunftsfähiges Fördersystem zu entwickeln, in der Konferenz im Grundsatz bei allen Beteiligten Anerkennung.

Die dafür notwendige Innovationsbereitschaft, zum einen den gesellschaftlichen Wandel aktiv und gemeinsam voranbringen zu wollen, zum anderen aber auch die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung in der Fördersystematik anzuerkennen, bildete im Diskussionsprozess nach meiner Wahrnehmung die gemeinsame Plattform für alle Beteiligten. Das ist in der Politik schon einmal ein Wert an sich. Das ist längst nicht selbstverständlich und kommt nicht alle Tage vor. Dafür auch meinen herzlichen Dank!

Danken möchte ich selbstverständlich auch Frau Ministerin Löhrmann, die zu dieser Weiterbildungskonferenz eingeladen hat und mit ihrer Fachabteilung, an der Spitze mit Dr. Heinemann, den gesamten Diskussionsprozess ergebnisoffen begleitet und unterstützt hat. Herzlichen Dank!

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass es unter den Fraktionen ein hohes Maß an Übereinstimmung über den grundsätzlichen Stellenwert der öffentlich verantworteten Weiterbildung gegeben hat. Ich weiß, dass dieser Konsens bei der Weiterbildung Tradition hat. Nach dem, was Herr Kaiser eben ausgeführt hat, bin ich sicher, dass wir das auch in Zukunft fortsetzen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dem Landtag und der Landesregierung liegt nunmehr ein Positionspapier vor, das ganz im Sinne unseres Leitgedankens entstanden ist, nämlich Betroffene zu Beteiligten zu machen. So haben wir im großen Konsens die wichtigen Eckpfeiler und Zielmarken für die Weiterentwicklung in der Weiterbildung erarbeitet. Es war gut und richtig, die Erarbeitung dieser wichtigen Positionen, losgelöst in einer Ruhe und Gründlichkeit, separat von der – ich nenne es einmal so – großen Bildungskonferenz zu organisieren. Sonst hätte die Gefahr bestanden, dass die Themen hinten runtergefallen wären. Das hat der inhaltlichen Diskussion insgesamt sehr gut getan.

Wir Sozialdemokraten begrüßen die nun vorliegenden Empfehlungen im Wesentlichen und werden uns nun zügig an die Arbeit der Umsetzung machen. Das verspreche ich den Weiterbildnerinnen und Weiterbildnern. Dies soll nach unserer Überzeugung weiterhin im engen Austausch mit allen Beteiligten erfolgen.

So gilt es nun, relativ zeitnah die Einrichtung eines Landesbeirats auf den Weg zu bringen. Dieses neue Instrument bedeutet für uns Sozialdemokraten aber nicht den Verzicht auf die jährliche Weiterbildungskonferenz hier im Landtag. Diese halten wir – unabhängig von der Arbeit des Landesbeirates – für weiterhin erforderlich.

Wir haben den Anspruch, dass die Politik beratend beteiligt wird; Herr Kaiser hat es eben ähnlich formuliert. Ich finde, wir haben das in der Weiterbildungskonferenz schon sehr gut hinbekommen.

Darüber hinaus halten auch wir die Entwicklung eines schlanken Berichtswesens für richtig und wichtig; besonders als Grundlage für die Erarbeitung eines neuen und gerechten transparenten Fördersystems.

Ziel muss es dabei sein, keine weitere Bürokratie aufzubauen. Das wollen wir auf keinen Fall; das möchte ich ausdrücklich betonen. Natürlich liegt es uns auch am Herzen, die Hauptamtlichkeit in der Weiterbildung zu stärken.

Mit Sorge sehen auch wir die Entwicklung, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Weiterbildung zu prekären Bedingungen tätig sind. Das kann man nicht akzeptieren. Dem muss Einhalt geboten werden. Hierauf werden wir ein besonderes Augenmerk richten.

Unsere uneingeschränkte Unterstützung signalisiere ich gerne schon jetzt für die Empfehlung, künftig die sogenannten Bildungsbenachteiligten stärker als bisher für Weiterbildungsmaßnahmen zu gewinnen. Das ist ganz im Sinne von Teilhabegerechtigkeit und Inklusion.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Ich freue mich auf den weiteren Austausch und darauf, die Empfehlungen nun im politischen Raum noch intensiver zu diskutieren und sie mit Leben zu füllen.

Auf die weiteren Details wird meine Kollegin Gabi Hammelrath gleich noch eingehen. – Ich danke einstweilen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Stotz. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Gudrun Zentis.

Gudrun Elisabeth Zentis (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Ziel grüner Bildungspolitik ist es, die Weiterbildungsbeteiligung zu erhöhen und insgesamt Angebote der „2. Chance“ nachhaltig zu stärken. Dies ist auch im Koalitionsvertrag so zum Ausdruck gekommen.

Muss ich auch zugeben, dass meine Kontakte in die Strukturen der Träger der Weiterbildungseinrichtungen vor Übernahme meines Mandates im letzten Jahr lückenhaft waren, so kann ich heute den Volkshochschulen und den anderen Trägern von Weiterbildungseinrichtungen nur meine Hochachtung aussprechen vor dem, was dort in großer Vielfalt und mit viel Engagement geleistet wird.

Die Weiterbildung ist der Garant für lebensbegleitendes Lernen mit Angeboten für alle Altersgruppen und für alle Lebensbereiche. Die Ergebnisse der Weiterbildungskonferenz wurden im Oktober letzten Jahres mit großer Einmütigkeit von dieser verabschiedet und sind Anlass und Grund der heutigen Debatte.

Sie wurden Frau Landtagspräsidentin Gödecke und Frau Ministerin Löhrmann im Dezember letzten Jahres übergeben. Stellvertretend für alle Beteiligten an der Weiterbildungskonferenz – Herrn Heinemann, Frau Ministerin Löhrmann – möchte ich insbesondere Frau Sandbrink und Herrn Hammelrath als Sprecherin und Sprecher der Weiterbildungskonferenz danken für ihren Einsatz und die – wie ich in der letzten Sitzung der Weiterbildungskonferenz erlebt habe – nicht immer leichte Aufgabe, die unterschiedlichen Interessen der am Prozess beteiligten Protagonisten verschiedenster Verbändevertretungen einvernehmlich zu bündeln und zu formulieren.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Die konstruktive Arbeit der Weiterbildungskonferenz hat uns, der Politik, Handlungsbedarf und teilweise schon Lösungsansätze aufgezeigt. Wir haben hier gemeinsam einen hohen Anspruch zu erfüllen.

Handlungsbedarf besteht in der Weiterbildung bei der Zielgruppenerreichung aller Bevölkerungsschichten, unabhängig von der Quartierszugehörigkeit. Eine Weiterbildungsberatung für bildungsferne Zielgruppen kann nicht erfolgreich sein, wenn nur diejenigen Personen erreicht werden, die mit einem konkreten Bildungsanliegen den Weg in die Weiterbildungsberatungsstelle finden. Beratungsanliegen müssen dort aufgegriffen werden, wo sie artikuliert werden.

Ein Projekt vom Ministerium für Schule und Weiterbildung, „Weiterbildungsberatung im sozialräumlichen Umfeld“, trägt diesem Anliegen bereits Rechnung. Diese positiven Projektergebnisse haben wir nach einer entsprechenden Auswertung auf unser gesamtes Bundesland umzusetzen.

Handlungsbedarf besteht innerhalb der vorhandenen Strukturen, weil ein altersbedingter Generationenwechsel stattfinden wird. Der große Ausbau der Weiterbildung fand in den 70er-Jahren statt, und die Beschäftigten gehen nun in den wohlverdienten Ruhestand. Diesen Generationenwechsel müssen wir vorbereiten, damit die Kompetenzen weitergetragen werden können.

Die Weiterbildungskonferenz wie auch die Gutachten zur Weiterbildung attestieren mit großer Einigkeit den unterschiedlichen politischen Akteuren dieses Parlaments in der Weiterbildung stets einen breiten Konsens; die Vorredner haben es auch schon betont.

Gleichzeitig hat die Weiterbildungskonferenz Bereiche für ein gerechteres Weiterbildungssystem für alle entwickelt. Rot-Grün wird sich der Aufgabenstellung annehmen, die Weiterbildung im ständigen Dialog mit allen Akteurinnen und Akteuren im weiten Feld der Weiterbildungseinrichtungen zukunftsfähig zu gestalten.

Eines dieser Aufgabenfelder ist die nachhaltige Finanzierung. Welche Bedeutung die Weiterbildung bei Rot-Grün einnimmt, ist daran zu ersehen, dass trotz aller Finanzknappheit im Bereich „Weiterbildung“ keine Mittelkürzung im Haushalt vorgenommen wurde. Dies ist verlässliche rot-grüne Politik.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben Wort gehalten. Wir haben Mittelkürzungen, die unter Schwarz-Gelb erfolgt sind, wieder zurückgenommen. Rot-Grün wird, soweit es die Förderkriterien der EU zulassen, Mittel des ESF ergänzend zur Verfügung stellen.

Bei der Überprüfung der Fördersystematik haben wir auf effiziente Strukturen zu achten, die gerecht, zielführend und mit geringem Aufwand zu verwirklichen sind.

Ergänzende ESF-Mittel sind notwendiges und gut investiertes Geld. Kürzungen wären hier auch deshalb umso schlimmer, weil sie genau den Bereich der Alphabetisierung und Grundbildung treffen. Wir werden die EU hier in die Pflicht nehmen; denn wesentliche Aufgaben der Weiterbildung sind die Alphabetisierung und die Grundbildung.

Gestern habe ich erfahren, dass die Volkshochschulen rund 5.000 Personen jährlich bilden, damit diese nicht nur einzelne Buchstaben erkennen und einzelne Wörter lesen können, sondern auch fähig sind, die Zusammenhänge im Satzgefüge zu verstehen. Das Nachholen von Schulabschlüssen für Menschen, die es in unserem etablierten Schulsystem nicht geschafft haben – aus sozialen oder welch anderen Gründen auch immer – und später ihre Lust am Lernen wiederentdecken und einen höheren Bildungsabschluss anstreben, ist ein wesentlicher Bildungsauftrag an Volkshochschulen, anerkannten freien Weiterbildungseinrichtungen, Weiterbildungskollegs und Abendgymnasien.

Eine Studie hat ergeben, dass rund 14 % unserer erwerbsfähigen Bevölkerung als funktionale An­alphabeten gelten. Auf unser Bundesland bezogen müssen wir erkennen, dass wir nur 5.000 Menschen erreichen und nur ihnen eine größere Teilhabe und eine andere Zugehörigkeit zu unserer Gesellschaft und unserem Arbeitsleben ermöglichen. Mit mehr Bildungsteilhabe und mehr Bildungsgerechtigkeit verhindern wir Armut und Arbeitslosigkeit und minimieren staatliche Unterstützungsleistungen. Das ist also eine gute Investition in unsere Gesellschaft. Dafür benötigen wir auch dringend die ESF-Mittel.

Ein weiteres Aufgabenfeld ist der Aufbau eines landesweiten Supportsystems für die Weiterbildung. Auch das hat die Weiterbildungskonferenz deutlich gemacht. Die Weiterbildung benötigt zur Sicherung ihrer Zukunftsfähigkeit ein Unterstützungssystem. Es geht darum, die vorhandenen Ideen und die guten, innovativen Beispiele aus der Praxis zu bündeln sowie dringend erforderliche Entwicklungsaufgaben anzupacken. Ein Landesinstitut, wie früher in Soest, ist nicht mehr vorhanden. Eine ähnliche Unterstützung ist ratsam und sollte so bald wie möglich umgesetzt werden.

Eine Supportstruktur muss für uns Grüne folgende Ziele verfolgen: erstens die zentrale Unterstützung von Fortbildungs- und Qualifizierungsangeboten sowie das Aufzeigen inhaltlich-pädagogischer Perspektiven zur Weiterentwicklung, zweitens die Entwicklung innovativer Formate und zielgruppengerechter Angebote für nicht erschlossene Zielgruppen und drittens beim Generationenwechsel die Sicherung des Know-hows und der Best-Practice-Beispiele, um neue Stellen betreuen zu können.

Sehr geehrte Damen und Herren, von allen Beteiligten gewünscht ist ein schlankes, transparentes Berichtswesen, welches verlässliche Daten liefert und nicht unnötig Ressourcen bindet. Im Jahr 2000, bei der letzten größeren Änderung des Weiterbildungsgesetzes, gab es hierzu bereits einen Vorschlag des Gesprächskreises für Landesorganisationen der Weiterbildung in NRW. Vielleicht kann dieses noch hilfreich sein und zur schnellen Umsetzung noch in diesem Jahr beitragen. Mit einem effektiven Berichtswesen ist nicht nur eine finanzielle Grundlage für die Weiterbildung zu ermitteln. Vielmehr kann damit auch die institutionelle Entwicklung dokumentiert werden und als Grundlage für weiteres Handeln dienen.

Ferner mangelt es bisher am Aufbau einer flächendeckenden und mobilen Weiterbildungsberatung. Das Gutachten des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung testiert Entwicklungsbedarf der Weiterbildungsberatung. Eine landesweite Grundversorgung durch trägerneutrale Beratungsinfrastruktur ist dringend erforderlich, wenn wir den Vergleich mit den europäischen Nachbarländern im Bereich der Weiterbildung nicht mehr scheuen wollen. Der Ausbau von Beratungsstellen für den Bildungsscheck und die Bildungsprämie sowie eine trägerübergreifende, ganzheitliche, flexible Beratung zur Weiterbildung sind für mehr Bildungsgerechtigkeit und mehr Bildungsteilhabe erforderlich.

Nicht erschlossene Zielgruppen erreichen wir nur durch Innovation der Weiterbildungsberatung und durch aufsuchende mobile Beratung. Dazu gibt es an Einrichtungen der Weiterbildung heute schon hervorragende Praxisbeispiele, die gebündelt und für die Fläche nutzbar gemacht werden sollten. Das wäre ebenfalls eine Aufgabe der dringend erforderlichen Supportstelle für Weiterbildung.

Auch der Generationenwechsel ist nur durch die Erschließung neuer Zielgruppen zu erreichen, die ihre Aufgabe in der Weiterentwicklung der Weiterbildungsinstitutionen sowie in ihrem Selbstverständnis der fachlich-didaktischen Arbeit und der strategischen Ausrichtung sehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich verspreche mir viel von dem Wunsch der Weiterbildungskonferenz, einen Landesbeirat einzurichten. Ich halte es für sinnvoll und zielführend, hier ein Expertengremium aus Vertretern aller Weiterbildungsträger einschließlich der kommunalen, gesetzlich verankerten Volkshochschulen und eventuell eine Vertretung zur Beratung der Verbraucher zu haben.

Die Beteiligung eines Landesbeirats der Weiterbildung ist auch ein Zeichen für Bürgernähe und Transparenz rot-grüner Politik. Ein solcher Landesbeirat sollte mit einer Geschäftsstelle ausgestattet sein und Empfehlungen an das Parlament geben können. Darin sind wir uns alle einig, glaube ich.

Die Einbindung der Weiterbildungseinrichtungen in der regionalen Bildungslandschaft muss verstärkt werden. In Kürze wird ein vom Land geförderter Handlungsleitfaden des Gesprächskreises für Landesorganisationen der Weiterbildung vorliegen, mit dem die Zusammenarbeit zwischen den regionalen Bildungsnetzwerken und der Weiterbildung entwickelt und gestaltet werden kann.

Weiterbildung ist lebensbegleitendes Lernen. Eine Beschränkung auf die Bildungseinrichtungen der Kindertagesstätten, der allgemeinbildenden Schulen, der Hochschulen bzw. Universitäten und der beruflichen Bildungseinrichtungen entspricht nicht mehr den Anforderungen, die an die Menschen dieses Jahrhunderts gestellt werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Auf Basis der Ergebnisse der Weiterbildungskonferenz werden wir mit dieser rot-grünen Landesregierung zu mehr Bildungsteilhabe und zu einer nachhaltigen Weiterbildung gelangen, die den anstehenden Generationenwechsel helfend begleiten wird.

Weiterbildung wird nur so unser demokratisches Gemeinwesen weiter stabilisieren und durch mehr Bildungsgerechtigkeit Armut verhindern bzw. Wohlstand sichern. Ganzheitliche Bildung und lebensbegleitendes, lebenslanges Lernen durch Weiterbildung ist Zielmarke grüner Politik. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Zentis. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Frau Abgeordnete Schmitz.

Ingola Schmitz (FDP): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Aus Sicht der FDP reden wir heute über einen zentralen Eckpfeiler unserer Bildungslandschaft. Wer lebenslanges Lernen für richtig und notwendig erachtet, muss insbesondere auch die Weiterbildungslandschaft in Nordrhein-Westfalen in den Blick nehmen.

Es ist sehr erfreulich, dass wir eine so qualitativ hochwertige und breitgefächerte Weiterbildungslandschaft in Nordrhein-Westfalen aufweisen können. In diese erfolgreiche Landschaft beziehen wir als FDP auch bewusst kommerzielle Anbieter ein.

Sehr geehrte Damen und Herren, die gemeinwohlorientierte Weiterbildung erstreckt sich unter anderem von der Familienbildung über die politische Bildung, von Alphabetisierungskursen bis hin zum nachträglichen Erwerb von Schulabschlüssen.

Nichts verdeutlicht stärker als diese Vielfalt der Angebote und Aufgaben, dass Weiterbildung ganzheitlich verstanden werden muss. Daher finden wir Liberale es richtig und angemessen, im Landtag auf diese bedeutende Stütze unseres Bildungssystems ein ausführliches Augenmerk zu richten.

Allerdings möchte ich vorab zwei kurze kritische Anmerkungen machen, um mich dann auf die Empfehlungen der Weiterbildungskonferenz zu konzentrieren:

Erstens. Ich wundere mich sehr, dass diese Unterrichtung in diese Plenarwoche gelegt wird. Ich weiß, dass nicht ich alleine den Verdacht hege, dass diese Unterrichtung heute angesetzt wurde, um die für Rot-Grün verständlicherweise unangenehmen Haus­halts­beratungen zeitlich nach hinten zu verschieben. Das finde ich schade

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Was ist das denn für ein Quatsch? – Rolf Beu [GRÜNE]: Verschwörungstheorie!)

Zweitens. Jemandem, der an der Abschlusssitzung der Weiterbildungskonferenz teilgenommen hat, ist diese noch sehr präsent. Mir erschienen der zwischenmenschliche Umgang und Ablauf der Veranstaltung optimierbar. Mich hat es schon gewundert, dass Sie, Frau Ministerin bezüglich der kritischen Positionen des Städte- und Gemeindebunds und des Landkreistags derartig die Contenance verloren hat.

(Lachen von der SPD)

Dass man nicht alle kritischen Positionen anderer Beteiligter teilen muss, ist unbestritten. Auch können Diskussionen anstrengend sein. Aber Beteiligte mit anderer Meinung im scharfen Ton zu schulmeistern und zu maßregeln, hat mich persönlich irritiert.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Meine Güte!)

Sehr geehrte Damen und Herren, abgesehen von diesen kritischen persönlichen Eindrücken möchte ich nun zu den Empfehlungen der Weiterbildungskonferenz kommen.

Die FDP-Fraktion hat an den Gesprächen der Weiterbildungskonferenz als interessierter Beobachter teilgenommen. Auch wenn wir uns nicht alle Forderungen des Papiers zu eigen machen, finden sich aus FDP-Sicht in den Empfehlungen sehr interessante und umsetzungswerte Anstöße, über die wir in den nächsten Jahren intensiv sprechen müssen.

Die FDP erachtet die Unterstützung der gemeinwohlorientierten Weiterbildung als eine wichtige Aufgabe im Interesse der gesamten Gesellschaft. Über die Frage der Finanzierung der Weiterbildung ist in den vergangenen Jahren umfangreich diskutiert worden. Wir finden es richtig, dass die gemeinwohlorientierte Weiterbildung nach dem Weiterbildungsgesetz in Nordrhein-Westfalen auch im Vergleich der Bundesländer eine umfassende und kontinuierliche finanzielle Unterstützung erhält.

Zu Beginn der vorletzten Legislaturperiode musste im Zuge der allgemeinen Konsolidierungsbemühungen ein Kürzungsbeitrag erbracht werden. Da FDP und CDU in allen Bildungsbereichen die Mittel massiv angehoben haben, waren diese Kürzungen gerade für Bildungspolitiker sehr schmerzhaft. Die FDP hat bereits verdeutlicht, dass sie den nun vollzogenen Aufwuchs der Mittel in diesem Bereich als positiv erachtet.

Allerdings auch betont werden, dass die vorherige rot-grüne Landesregierung bereits massiv bei der Weiterbildung gekürzt hatte. Zurückgenommen wurde der Konsolidierungsbeitrag unter Schwarz-Gelb, nicht die Kürzungen unter Rot-Grün. Das gehört auch zur Wahrheit hinzu.

Frau Ministerin Löhrmann, Sie haben im Zuge der Weiterbildungskonferenz erklärt, dass es keinen weiteren Aufwuchs der Mittel geben werde. Daher müssen wir insbesondere darüber beraten, wie wir auf der bestehenden finanziellen Basis sinnvolle Maßnahmen ergreifen.

Sehr geehrte Damen und Herren, zukünftig werden wir vor allem auch ausführlich über die Struktur der Förderung sprechen müssen. Dass eine weitgehende Stärkung der Hauptamtlichkeit gewünscht wird, ist nachvollziehbar. Allerdings muss abgewogen werden, um sachangemessene Entscheidungen zu treffen. Daher begrüßen wir es, dass die Weiterbildungsträger überwiegend neben den HPM-Stellen zum Beispiel auch die Unterrichtsstunden und den Teilnehmertag als Fördergrundlage betont haben.

Die FDP teilt ebenfalls die Kritik vieler Weiterbildungsträger an den Vorschlägen des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung zur Finanzierung der Weiterbildungseinrichtungen in anderer Trägerschaft. Die vorgeschlagene Fördersystematik muss auch aus liberaler Sicht hinterfragt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr erfreulich ist es aus unserer Sicht, dass die Weiterbildungsträger bei allen nachvollziehbaren Wünschen überwiegend sehr viel Augenmaß bewiesen haben. Bei aller Notwendigkeit der Sicherung flächendeckender Weiterbildungsstrukturen, auf die auch wir selbstverständlich nicht verzichten wollen, müssen auch sinnvolle und notwendige Kooperationen und Fusionen im Auge behalten werden.

Selbstverständlich kann sich auch die Weiterbildungslandschaft nicht von demografischen Entwicklungen abkoppeln. Die bereits langjährige Bereitschaft, sich auf sich ändernde Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Prozesse einzustellen, zeichnet die Weiterbildner in hohem Maße aus und verdient große Anerkennung. Ähnliches gilt für die hohe Wertschätzung qualitativer Nachweise, wie etwa der Zertifizierungsprozess verdeutlicht.

Uns alle verbindet die Überzeugung, dass wir versuchen müssen, die in der Weiterbildung unterrepräsentierten sogenannten bildungsfernen Schichten stärker zu gewinnen und zu motivieren. Gerade Weiterbildung kann einen entscheidenden Beitrag zur gesellschaftlichen Teilhabe eröffnen.

Hier möchte ich nur ein Thema ansprechen, das mir in diesem Zusammenhang ganz besonders am Herzen liegt und das erfreulicherweise in den Empfehlungen der Konferenz einen breiten Raum einnimmt. Uns alle hat die vor nicht allzu langer Zeit veröffentlichte „leo. Level-One-Studie“ betroffen gemacht, wonach vom Analphabetismus im engeren Sinne mehr als 4 % der erwerbsfähigen Bevölkerung betroffen sind. Kumuliert mit funktionalem Analphabetismus, betrifft dies sogar mehr als 14 % der erwerbsfähigen Bevölkerung.

Ich begrüße es sehr, dass die Bundesregierung auf diesem Feld zusätzliche Anstrengungen ergriffen hat. Gleichzeitig kann die Weiterbildungslandschaft gerade auf diesem Gebiet einen zentralen Beitrag leisten. Bei allen Schwierigkeiten, die mit dieser wichtigen Aufgabe einhergehen, ist diese Schwerpunktsetzung ausdrücklich zu befürworten.

Bei aller Notwendigkeit der Konzentration auf diese wichtige Zielgruppenarbeit ist es aus Sicht der FDP aber ebenso unverzichtbar, dass sich die gemeinwohlorientierte Weiterbildung an alle Menschen in diesem Land richtet. Wir alle verfolgen gemeinsam das Ziel einer Steigerung der Teilnehmerquote auf 50 %. Eine staatlich unterstützte Weiterbildungslandschaft muss daher allen Gesellschaftsschichten Angebote eröffnen.

Es ist daher zu begrüßen, dass eine Art der Quotierung der Mittel, die zeitweise von rot-grüner Seite im Raum zu stehen schien, offenbar vom Tisch ist. Dies unterstreicht letztlich auch die Konferenz mit der Aussage, dass eine Verständigung über das gemeinwohlorientierte Themenspektrum in einem diskursiven Prozess unter Beteiligung der Weiterbildungslandschaft erfolgen solle.

Sehr geehrte Damen und Herren, es gibt viele weitere wichtige Fragen, zum Beispiel in Bezug auf E-Learning-Konzepte für Berufstätige, interkulturelle Kompetenz, seniorengerechte Angebote, das Weiterbildungsmarketing oder auch die Weiterbildungsberatung.

Drei zeitnahe Herausforderungen möchte ich kurz ansprechen.

Erstens nenne ich das Berichtswesen. – Die FDP unterstützt die Etablierung eines schlanken Berichtswesens. Ein solches Berichtswesen kann einen Beitrag zur zielgenaueren Steuerung leisten sowie eine gesteigerte Effizienz der eingesetzten öffentlichen Mittel und eine Leistungsbilanz der Weiterbildung ermöglichen. Es muss sich aber um ein unbürokratisches Berichtswesen handeln.

Zweitens nenne ich den Landesbeirat. – Die FDP steht einer sich bisweilen selbst reflektierenden Beiratskultur oftmals skeptisch gegenüber. Ein solcher Beirat ist dann sinnvoll, wenn er einen Beitrag zur Innovation, zu Synergieeffekten und zu Qualitätsgewinnen durch Vernetzung erbringen kann. Allerdings wird dies nicht zuletzt von der Zusammensetzung des Beirats, also den jeweiligen Mitgliedern, abhängig sein. Hierüber wird gesprochen werden müssen. Den Fachpolitikern sind diesbezüglich die Meinungsunterschiede bekannt. Selbstverständlich muss klar sein, dass es sich hierbei nicht um kostenintensive Zusatzstrukturen handeln kann.

Mit der Vernetzung komme ich zum dritten Thema, der Einbindung in die regionalen Bildungsnetzwerke. – Die Bildungsnetzwerke haben in der Regierungszeit von FDP und CDU einen wichtigen Schub erhalten. Neben sehr gut funktionierender Vernetzung gibt es auch Regionen, in denen Potenzial nach oben besteht.

Durchlässigkeit und Anschlussfähigkeit braucht die Weiterbildung. Zum lebensbegleitenden Lernen zur Entfaltung eines selbstbestimmten Lebens kann die Weiterbildung einen wichtigen Beitrag leisten. Daher halten wir die Unterstützung der Weiterbildungsträger bei einer sinnvollen Integration in die regionalen Bildungsnetzwerke für ein Gebot der Stunde.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Fraktionen haben in der Vergangenheit das Ziel geteilt, die Weiterbildungspolitik gemeinsam zu gestalten. Dies ist unter wechselnden Mehrheiten auch überwiegend gelungen. Die FDP ist auch weiterhin an einer konstruktiven Zusammenarbeit zur Begleitung und Stärkung der nordrhein-westfälischen Weiterbildungslandschaft interessiert. Das bedeutet natürlich nicht, dass Rot-Grün einfach Forderungen auf den Tisch legt und wir zustimmen.

Dies gilt zum Beispiel für die Aufnahme von Auszubildenden in das AWbG: Erstens besuchen Auszubildende bereits berufliche Schulen. Zweitens würde eine Freistellung vermutlich zulasten der Praxisphasen in den Betrieben gehen. Seitens der FDP-Fraktion möchte ich daher deutlich machen, dass wir einer Aufnahme der Auszubildenden in das AWbG kritisch gegenüberstehen.

Abgesehen von diesem Beispiel, erwarten wir wie auch in der Vergangenheit unter Schwarz-Gelb einen dialogischen Prozess, sodass sich alle Beteiligten wiederfinden können. Bei einem solchen fairen Miteinander bin ich zuversichtlich, dass wir dort fraktionsübergreifend gemeinsame Lösungen erarbeiten können und werden. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Schmitz. – Für die Fraktion der Piraten spricht nun Frau Abgeordnete Pieper.

Monika Pieper (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erstmals habe ich jetzt die Gelegenheit, zur Weiterbildung zu sprechen. Ich tue dies sehr gerne, denn die Weiterbildung ist für uns ein wichtiges Thema.

Bildung ist eine zentrale Bedingung für gesellschaftliche Teilhabe in der Informationsgesellschaft. Weniger als jemals zuvor kann man mit dem Lernen aufhören, wenn Schule, Berufsausbildung oder ein akademischer Abschluss geschafft sind. Lebenslanges Lernen ist eine Notwendigkeit, der nachzukommen der rasche gesellschaftliche Wandel uns allen abverlangt. Deshalb hat die Weiterbildung eine zentrale Bedeutung.

Drei Punkte dazu.

Erstens. Weiterbildung bietet die Möglichkeit, das nachzuholen, was in Schule und Ausbildung versäumt wurde. Zweitens. Weiterbildung macht Angebote, Kenntnisse zu vertiefen sowie Fertigkeiten und persönliche Kompetenzen zu erweitern. Drittens. Weiterbildung hilft uns, mit den gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen Schritt zu halten, und zwar dadurch, dass man Neues und auch neu Entwickeltes kennenlernen kann.

Die Bedeutung des lebenslangen Lernens für die Wirtschaft in unserer wissensbasierten Ökonomie ist offensichtlich, doch sie erschöpft sich nicht in ihr. Auch für die soziale und politische Entwicklung ist sie wichtig.

Deshalb liegt uns auch die gemeinwohlorientierte Weiterbildung sehr am Herzen. Wir befürworten die Förderung des Landes in diesem Bereich ausdrücklich.

Hieraus ergeben sich auch Anforderungen an die Weiterbildung.

Zunächst ist es unabdingbar, dass der Zugang zu den Angeboten der Weiterbildung für möglichst alle einfach ist. Die Angebote müssen noch stärker gerade für die barrierefrei werden, die bisher keinen guten Zugang zur Bildung gefunden haben. Es darf keine hohen Schwellen geben, die vor allem diejenigen abschrecken, die von den Angeboten am meisten profitieren würden.

Ermöglicht werden soll ein vielfältiges Angebot, das unterschiedliche Lebensumständen und flexiblen Arbeitszeiten gerecht wird. In diesem Zusammenhang unterstützen wir auch die Bereitstellung von Materialien zur selbstgesteuerten Weiterbildung vor allem im Netz.

Außerdem müssen weitere Konzepte entwickelt werden, wie die selbstgewonnen Kompetenzen angemessen durch Zertifikate bestätigt werden können.

Im Herbst des vergangenen Jahres haben wir die letzte Phase der Weiterbildungskonferenz noch miterlebt. Es hat mich beeindruckt, wie konzentriert dabei um einzelne Worte gerungen wurde, um möglichst umfassende Empfehlungen im Konsens zu formulieren. Allen Beteiligten an der Weiterbildungskonferenz möchte ich dafür herzlich danken.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Die Zusammenfassung der Ziele und Empfehlungen für die gemeinwohlorientierte Weiterbildungspolitik, die Sie uns an die Hand gegeben haben, ist eine sehr gute und wichtige Grundlage für die weitere Diskussion und die Weiterentwicklung.

Zu einigen Punkten möchte ich ein paar Anmerkungen machen.

Zunächst zur Bedeutung des einheitlichen Berichtswesens. Ich würde es sehr begrüßen, hätten wir bald auf einer verlässlichen Datenbasis vergleichbare Informationen zur Förder- und Leistungsbilanz der Weiterbildungseinrichtungen. Da­durch gäbe es auch mehr Transparenz bei der Verwendung von öffentlichen Mitteln in diesem Bereich.

Die Einrichtung eines Landesbeirats zur Weiterbildung halten wir für sinnvoll – vor allem, wenn dieser dann eng mit dem Ausschuss für Schule und Weiterbildung zusammenarbeiten würde. Zum einen würde das Parlament gestärkt, zum anderen trüge es dazu bei, dass das Thema „Weiterbildung“ mehr in den Fokus der Diskussion und der Außenwahrnehmung rücken würde.

Die Vernetzung der Bildungseinrichtungen ist elementar wichtig. Mehr Kooperationen zwischen Schulen, Universitäten, Volkshochschulen und anderen Einrichtungen der Weiterbildung sind nicht nur wünschenswert, sondern notwendig. Wir brauchen eine stärkere Öffnung und Vernetzung für mehr Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Bildungseinrichtungen. Auch eine stärkere Einbeziehung der Weiterbildung in die regionalen Bildungsnetzwerke fände ich gut. Die Vernetzung der Bildungseinrichtungen vor Ort ist wichtig. Eine intensivere und systematisierte Kooperation der Schulen mit den Trägern der Weiterbildung ist wünschenswert. Wir sind für eine stärkere Öffnung und Vernetzung sowie für mehr Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Bildungseinrichtungen.

Wenn die Jugendlichen bereits in der Schulzeit mehr über die Bildungsangebote und die Fördermöglichkeiten erfahren würden, wäre das ein schöner Nebeneffekt.

Wichtige Arbeit leisten die Weiterbildungsträger – vor allem die Volkshochschulen – bei der Alphabetisierung und Grundbildung. Wir alle wissen, dass zu viele Jugendliche die Schule mit nur unzureichender Bildung und/oder ohne Abschluss verlassen. Von funktionalem Analphabetismus sind noch viel zu viele Menschen betroffen. Für die Betroffenen sind die Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe sehr beschränkt.

Es ist richtig, hier die Chancen und die Möglichkeiten einzuräumen, in Weiterbildungseinrichtungen und auf dem zweiten Bildungsweg Versäumtes nachzuholen – vor allem, weil der Schulerfolg immer noch zu sehr von der sozialen Herkunft abhängt. Der Zugang zur Bildung und dadurch zu mehr gesellschaftlicher Teilhabe muss gerade denen ermöglicht werden, die, aus welchen Gründen auch immer, die Schule mit zu geringer Bildung verlassen haben. Dies ist eine zentrale Aufgabe der Bildungspolitik und damit auch der Weiterbildung. Dazu bedarf es der notwendigen Mittel.

Darüber hinaus ist der Aufbau einer trägerneutralen Weiterbildungsberatung erstrebenswert. Dies kann dazu beitragen, die Beteiligung gerade bei den Gruppen zu verbessern, die man bisher noch zu wenig erreicht hat. Dabei ist Wert darauf zu legen, die Angebote der gemeinwohlorientierten Weiterbildung zu berücksichtigen. Der Fokus darf nicht allein auf der beruflichen Weiterbildung liegen.

Beratung setzt Information voraus. Im Web ist das Informationsangebot des Landes auf verschiedenen Plattformen verteilt und dadurch unübersichtlich. Ein Weiterbildungsportal – wie zum Beispiel das in Baden-Württemberg – ist ein gutes Beispiel dafür, was machbar ist. Dazu gehört auch eine E-Learning-Plattform, die Kursmaterialien vorhält.

Ich komme zum Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz. – Der Anspruch auf Weiterbildung auch für Auszubildende ist für uns unumstritten. Im Koalitionsvertrag machen sich die Regierungsfraktionen für diesen Anspruch stark. Ich finde auch, dass der Vorschlag, Azubis ins Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz einzubeziehen, wert ist, ernsthaft diskutiert zu werden.

Für die politische Bildung, die Persönlichkeitsentwicklung und die Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung kann die Weiterbildung gerade bei Jugendlichen eine maßgebliche Rolle spielen. Das ist meiner Meinung nach durchaus auch von Nutzen für die Arbeitgeber.

In den Empfehlungen der Weiterbildungskonferenz sehe ich viele gute Vorschläge. Wenn die Landesregierung den einen oder anderen Punkt aufnimmt, ist das zu begrüßen.

Zur Information über die Angebote und zur Bereitstellung von Weiterbildungsmedien haben wir sicherlich noch weitergehende Vorstellungen und Ideen. Diese werden wir hier im Landtag noch genauer darlegen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Pieper. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Löhrmann.

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich mache zwei ganz kurze Vorbemerkungen. Danach will ich an drei Komplexen auf die Debatte eingehen. Zunächst möchte ich mich für die überwiegend sachliche und konstruktive Debatte bedanken. Ich denke, sie ist im Sinne der Sache.

Die Vorbemerkungen beziehen sich darauf, warum das hier heute diskutiert wird. – Ich schon von mir gesagt, haben die Träger eine Unterrichtung des Landtags durch die Landesregierung gewünscht. Wann und wie diese stattfindet, entscheiden selbstverständlich die Parlamentarischen Geschäftsführer und letztlich der Ältestenrat. Das geht also nicht auf irgendeine Intervention – oder was auch immer – der Landesregierung zurück. Ihren Verfolgungswahn sollten Sie an dieser Stelle vielleicht schlicht und ergreifend nicht ausleben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich hatte den Eindruck, dass es auch Wunsch der CDU ist, über die Weiterbildung gerade auch an prominenter Stelle zu diskutieren.

Der andere Punkt ist Ihre Einschätzung meiner Rolle als Leiterin der letzten Plenarsitzung der Weiterbildungskonferenz. Mit Ihrer Interpretation meiner Rolle stehen Sie ziemlich allein, Frau Schmitz.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meines Erachtens ist es mir gelungen, zum einen eine tiefgreifende Divergenz der kommunalen Spitzenverbände zu verhindern – im Übrigen mit tatkräftiger Unterstützung von Herrn Kaiser –, und zum anderen dazu beizutragen, dass an diesem Tag die Empfehlungen verabschiedet werden konnten, was die Sprecher der Landesorganisationen ausdrücklich wollten. Sollte jemand Näheres dazu wissen wollen, könnten wir das gerne ausführlich entfalten. Aber ich glaube wirklich, dass mein Verhalten eher deeskalierend und ergebnisorientiert war.

(Christof Rasche [FDP]: Was Sie gerade haben, wir wollten das!)

– Die Landesregierung wollte sehr gerne die Unterrichtung vornehmen und hat sie angemeldet.

(Ralf Witzel [FDP]: Aber auch an dieser Stelle vor den so wichtigen Haushaltsberatungen? – Zuruf von Ingola Schmitz [FDP])

– Die Unterrichtungen haben in der Regel hier an erster Stelle stattgefunden. Trotzdem ist es abschließend eine Entscheidung des Ältestenrates, verehrter Herr Kollege Witzel.

(Anhaltend Zurufe von der FDP)

– Der Chef der Staatskanzlei meldet es an; das ist doch üblich. Ich kann mich an viele Unterrichtungen der Regierung Rüttgers erinnern, die wann auch immer stattgefunden haben; ich habe an der Sitzung des Ältestenrats nicht teilgenommen.

(Zuruf von der CDU: Das war die Einlassung der Kollegin Schmitz!)

– Ja, gut. – Ich komme zur Sache zurück. Ich halte es für richtig, dass die vierte Säule der Bildungspolitik in diesem Hohen Hause angemessen diskutiert wird.

Was die administrativen Fragen angeht, sollten wir sehr schnell Klarheit schaffen, wann was wie von den Empfehlungen umgesetzt werden soll, welche Beiräte es geben soll und wie sie administrativ angebunden werden sollen, damit wir dann in die fachliche Arbeit einsteigen können.

Was das Berichtswesen betrifft, liegt auch der Regierung – das ist völlig selbstverständlich – an einem schlanken Berichtswesen, das einem Zweck folgt: der Rechenschaftslegung über die Arbeit der Einrichtungen und über die Verwendung der Mittel.

Zum Geld: Ich sehe es als meine Pflicht an, hier keine Illusionen zu wecken, was alles an zusätzlichen Möglichkeiten im Zuge der Haushaltsberatungen noch drin wäre. Ich habe eben schon darauf hingewiesen, dass wir, SPD und Grüne und die Regierung, eine Kürzung zurückgenommen haben. Dies ist jetzt in der Tat der finanzielle Rahmen, der die Grundlage für die weitere Arbeit in dieser Legislaturperiode bildet.

Herr Kaiser, an einem Punkt habe ich natürlich Probleme. Sie möchten, dass die Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds hier weiterhin in kompletter Höhe zur Verfügung stehen und die Träger so viel Geld bekommen wie vorher. – Das ist allerdings, wenn die Bundeskanzlerin in Europa eine Verknappung dieser Mittel vorsieht, wenn also der Kuchen kleiner wird, schwierig. Diese Verknappung haben die Kanzlerin und damit auch Ihre Partei maßgeblich mit auf den Weg gebracht. Dann aber müssen Sie bitte auch mit Ihren Europa-Abgeordneten darauf hinwirken, dass die Mittel angehoben werden, damit wir in gleicher Weise davon für unsere Politik partizipieren können.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich fand es interessant, dass Sie das gesagt haben. Es geht ja allerdings nur eines, nicht wahr?

Dann möchte ich noch einmal auf zwei zentrale inhaltliche Fragen zu sprechen kommen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Ministerin, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kaiser zu?

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Gerne.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege Kaiser, bitte schön.

Klaus Kaiser (CDU): Frau Ministerin Löhrmann, ich habe jetzt diese Wahlkampfpassage zur Kenntnis genommen. – Erinnern Sie sich daran, dass die Reservierung der ESF-Mittel für die WBG-geförderte Weiterbildung aus anderen Ressorts zugeschnitten worden ist und damit eine Prioritätensetzung der Regierung Rüttgers war? Genau diese Prioritätensetzung hat auch weiterhin stattzufinden. Teilen Sie meine Meinung?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Ministerin, bitte schön.

Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Ich teile die Auffassung, dass die verschieden Regierungen großen Wert darauf gelegt haben, hier etwas für die Weiterbildung zu reservieren; das ist völlig richtig. Das ist ja auch über längere Zeit fortgeschrieben worden.

Ganz unschuldig sind Sie von CDU und FDP in der Frage der Höhe der Mittel auch nicht; darauf habe ich ja schon in der Konferenz hingewiesen. Aber entscheidend ist und bleibt trotzdem Folgendes, lieber Herr Kaiser:

Im Moment wird ausgehandelt, wie viel Geld in den europäischen Fonds für die Mitgliedstaaten zur Verfügung steht. Wenn diese Mittel weniger werden, dann wird natürlich die Rechnung nicht aufgehen können, dass alle ihr Stück vom Kuchen behalten werden. Wenn der Kuchen kleiner wird, werden die Stücke kleiner, es sei denn, man schafft jetzt noch mit vereinter Kraft eine Ausweitung des bisher vorgesehenen Rahmens. Wenn wir mehr Mittel für dieses Feld auch für Nordrhein-Westfalen wollen, dann ist unser Partner dafür das EU-Parlament. Das hat mit Wahlkampf nichts zu tun, sondern mit der nackten Not, da wir einen Ausfall europäischer Gelder als Land nicht werden kompensieren können. Diese Illusion habe ich jedenfalls nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Jetzt komme ich noch einmal auf die Zielsetzungen zu sprechen. – Wie bei allen bildungspolitischen Themen ähnlich geht auch bei der Weiterbildung die Arbeit – in diesem Falle der Weiterbildungskonferenz – über die Bildungsfrage hinaus. Vielmehr stecken in diesem Themenfeld auch eine sozialpolitische Frage, eine wirtschaftspolitische Frage sowie integrations- und inklusionspolitische Fragen. Zudem müssen wir wegkommen von einer defizitorientierten Herangehensweise und uns einer potenzialorientierten Herangehensweise zuwenden. Wenn wir die Zielgruppen von Menschen, die bis heute nicht in der Lage sind, gleichberechtigt an der Gesellschaft teilzuhaben, weiter erschließen wollen, dann müssen wir versuchen, diese Teilhabe besser umzusetzen; dies haben alle Kolleginnen und Kollegen gesagt. Es gibt es keinen Königsweg für die Weiterbildung, um einen niedrigschwelligen Zugang zu den bildungsfernen Gruppen zu finden. Weil dies schwierig ist, haben wir beschlossen, uns diese Bildungsnetzwerke anzuschauen und uns mit dieser Fragestellung hier zusätzlich beschäftigen.

Das ist eindeutig im Sinne der Weiterbildungseinrichtungen; das ist aber auch in unserem Sinne und im Sinne der Kommunen, weil wir hier Potenzial ansonsten nicht nutzen. Es gelingt natürlich in den Bildungsnetzwerken besser, die Zivilgesellschaft in dieser wichtigen Frage mit zu aktivieren und alle gesellschaftlichen Akteure mit ihren jeweiligen Angeboten mit einzubinden.

Wir fangen auch da nicht bei null an. Online steht jetzt eine Handreichung zur gemeinwohlorientierten Weiterbildung des Gesprächskreises mit dem Ministerium zur Verfügung, in der gerade die Frage der Bildungsnetzwerke schon einmal aufgefächert worden ist. Es lohnt sich also, sich das anzugucken, damit wir hier sehr schnell zu konstruktiven neuen Wegen kommen und unser Ziel erreichen, die Mitwirkung von mehr Persönlichkeiten aus unserer Gesellschaft und unserem Wirtschaftsleben zu gewinnen. Daran gemeinsam zu arbeiten, ist der Mühe aller wert. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Frau Kollegin Hammelrath.

Gabriele Hammelrath (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Gäste! Wie viele meiner Vorrednerinnen und Vorredner möchte ich mich zunächst ganz herzlich bedanken – bedanken bei den Beteiligten an der Weiterbildungskonferenz, die mit der Vorlage ihrer Empfehlungen und Forderungen mit hoher Sachkenntnis und mit Augenmaß wichtige Schwerpunktsetzungen vorgenommen haben. Das ist nicht selbstverständlich angesichts des immer noch sehr geringen Anteils der Weiterbildung am gesamten Bildungshaushalt von sehr deutlich unter 1 %.

Bedanken möchte ich mich auch für die konstruktive und nach vorne gerichtete Haltung – diese war zwar erprobt, aber nicht selbstverständlich –, in der diese Arbeit geleistet wurde. Hier waren immerhin unterschiedlichste Einrichtungen mit ebensolchen Interessen, Ausgangsbedingungen und Verortungen beteiligt und dennoch mit einer großen Gemeinsamkeit hinsichtlich der Unterstützung des lebenslangen Lernens. Zumindest konnte diese Gemeinsamkeit sehr lange erhalten werden – bis zu dieser letzten Sitzung, über die eben schon gesprochen wurde.

An dieser Stelle muss ich als Beteiligte Frau Schmitz noch einmal sehr deutlich widersprechen: Es mag sein, dass Sie die Bedeutung dieses Vorfalls nicht richtig einschätzen konnten. Ich weiß nicht, wie lange Sie in diesem Thema unterwegs sind. Es hat hier ein einzelner Mitarbeitender des Städte- und Gemeindebundes in einer äußerst unangemessenen Weise einen Konsens aufgekündigt, einen Konsens, den eigentlich wir alle – und auch die FDP – über lange Zeit gehalten haben. Der Konsens heißt: Wir haben ein wunderbares Weiterbildungsgesetz. Es ist eines der fortschrittlichsten in ganz Deutschland, und wir werden dieses Weiterbildungsgesetz nicht antasten.

Er hat in dieser Sitzung dieses Weiterbildungsgesetz infrage gestellt, und er hat ebenso unsere Inhalte von gemeinwohlorientierter Weiterbildung infrage gestellt. Das hat die Aufregung verursacht – allerdings nicht bei der Ministerin, der ich nach dieser Sitzung noch einmal ausdrücklich meine Anerkennung ausgesprochen habe für die Contenance, die sie bewahrt hat und die einige von uns nicht bewahren konnten.

Es war eine Diskussion, die an dieser Stelle eskaliert ist. Der Widerspruch kam von Herrn Kaiser – das ist dankenswerterweise schon erwähnt worden –, der sehr genau wusste, worüber da gesprochen wurde, und vom Deutschen Städtetag. Weiterhin ist bemerkenswert, dass sich in der Zwischenzeit der Deutsche Städte- und Gemeindebund und der Landkreistag ausdrücklich und nachhaltig von dieser Einzelposition distanziert und sich wieder in die Gemeinsamkeit eingereiht haben. Das zeigt, wie dieser Vorfall zu bewerten ist. Das bitte ich zu beachten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Gemeinsamkeit ist Gott sei Dank nicht beeinträchtigt worden.

Diese große Einigkeit – ich hoffe, wir können sie uns erhalten – bei allen Fraktionen dieses Hauses ist ein großer Schatz. Das ist eine sehr wertvolle Basis für die Weiterbildungsarbeit.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Es könnte aber auch – und an dieser Stelle lassen Sie mich eine kleine Drehung machen – eine Gefahr werden, weil es heißen könnte, dass kein Beratungsbedarf bestehe. Dann könnte es heißen, alles sei in Ordnung, alle seien zufrieden, und dann wäre das Thema durch. Für die Weiterbildung legen keine Mitarbeitenden die Arbeit nieder, stehen keine Teilnehmenden mit Transparenten vor den Türen der Rathäuser oder hier vorm Landtag, und es reden sich Parlamentarier in der Regel auch nicht die Köpfe heiß. Heute taten sie dies übrigens interessanterweise nicht wegen der Inhalte, sondern wegen der Formalia. Das finde ich sehr spannend.

Aber wie leicht könnte diese inhaltliche Zufriedenheit zur Selbstzufriedenheit oder – schlimmer noch – zur Friedhofsruhe werden? Das wäre fatal. Denn lebenslanges Lernen – wir haben es heute mehrfach gehört – ist ein wichtiges Thema, und zwar nicht nur für Sonntagsreden, sondern auch an einem solchen Donnerstagmorgen. Es ist ein Thema mit großer Bedeutung für jeden Einzelnen und für unsere Gesellschaft und eine mögliche Antwort auf eine ganze Reihe von drängenden Fragen.

In sozialdemokratischen Grundsatzpapieren zur Bildungsarbeit und auch in unserem gemeinsamen Koalitionsvertrag von Rot-Grün nimmt das Thema „Prävention“ zu Recht eine wichtige Position ein, und in den Debatten um Prävention – ob in der Politik oder bei Fachveranstaltungen, und zwar auch bei denen, die sich eigentlich ausschließlich mit Weiterbildung befassen – gehen wir gerne im Schnelldurchgang rückwärts durch die Bildungsbiografie und stellen fest: In der Schule – besser noch in der Kita und optimal noch früher – müssen wir präventiv ansetzen. Sogar die Weiterbildnerinnen und Weiterbildner sehen das dann ein. Dennoch: Prävention zieht sich durch ein ganzes Leben.

Nun erspare ich Ihnen und mir die häufig schon genannten und sehr richtigen Stichworte „Fachkräftemangel“, „demografischer Wandel“, „Migration“ und „überalterte Gesellschaft“. Ich konzentriere mich auf einige wenige zentrale Themen der Prävention, die die Weiterbildungskonferenz in ihrem Entschließungspapier benannt hat.

Ein ganz wichtiges ist die sogenannte zweite Chance – auch das wurde schon erwähnt –, also das Nachholen von Schulabschlüssen. Diese Möglichkeit gibt es aktuell an 90 von insgesamt 130 Volkshochschulen unseres Landes. 2011 haben insgesamt 3.500 Menschen erfolgreich den Hauptschulabschluss nachgeholt – ein wichtiger Präventionsansatz für junge Erwachsene. Denn der Schulabschluss ist ausschlaggebend für ihren Einstieg in die Berufswelt, und er bietet darüber hinaus eine Grundlage für ihr ganzes Leben. Es sind 3.500 junge Menschen, die wir nicht zurücklassen, die eine Chance erhalten und erlebt haben, dass sich ihre persönliche Leistung für sie lohnen kann.

Aber wenn wir uns dann vor Augen halten, dass im gleichen Jahr noch 2.500 junge Menschen auf den Wartelisten der Volkshochschulen standen und nicht versorgt werden konnten, dann wird auch hier der Handlungsbedarf offensichtlich. Hier machen sich junge Erwachsene auf den Weg, unternehmen trotz ihrer Erfahrung des Scheiterns erneut einen Anlauf, wollen endlich nicht nur den Schulabschluss nachholen, sondern ihrem Leben einen neuen Schub geben. Aber diese 2.500 Menschen müssen zurückgewiesen werden. Das können wir nicht akzeptieren. Hier müssen wir gemeinsam – wirklich alle gemeinsam – die Voraussetzungen schaffen, damit unsere Weiterbildungseinrichtungen ihren Aufgaben in ausreichendem Maße nachkommen können.

Ein zweites großes Thema – auch das ist schon benannt worden – ist die Alphabetisierung und Grundbildung; die Hamburger leo.-Studie ist hier schon zitiert worden. 14 % aller Erwachsenen haben keine ausreichenden Kenntnisse der Schriftsprache, und das sind die deutschen Erwachsenen und auch diejenigen, die erwerbsfähig sind. Das heißt, wir sprechen hier nicht über einzelne separierte, segregierte Randgruppen, sondern das sind Menschen aus der Mitte unserer Gesellschaft.

Auf NRW umgerechnet bedeutet dies – das muss man sich vor Augen führen, denn das ist eklatant – eine Größenordnung von zwischen 300.000 und 400.000 Menschen. Auch hier sind es fast ausschließlich Volkshochschulen, die dieser Aufgabe nachkommen, hier Angebote zu machen, 2012 Angebote für 5.000 Teilnehmer. Frau Zentis hat es schon gesagt.

Das ist eine große Kraftanstrengung. Diese Kurse sind aufwendig. Sie sind teuer. Aber es ist auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Hören Sie sich die Relationen dessen an, was wir machen, und der Aufgabe, die noch vor uns liegt.

Wenn wir doch alle wissen, dass ohne entsprechenden Schulabschluss oder ohne ausreichende Kenntnisse der Schriftsprache das Risiko, arbeitslos zu werden oder langfristig auf Transferleistungen angewiesen zu sein, um ein Vielfaches steigt, dann wird klar, dass auch hier wichtige Präventionsleistungen zu erbringen sind und dass diese nicht aus den laufenden Mitteln erbracht werden können, sondern dass zusätzliche Ressourcen bereitgestellt werden müssen.

Hierzu muss ich auch, auch wenn das immer wieder umstritten ist, auf die ESF-Mittel verweisen. Denn nur das sind die Mittel, die für diesen Bereich noch einigermaßen zur Verfügung stehen könnten. Wir wissen alle, wie der Haushalt ansonsten begrenzt ist.

Wir sind auch dankbar, dass das Arbeits- und Sozialministerium hier ein konstruktiver Partner war und ist.

Diese Mittel wurden übrigens einmal eingesetzt als Kompensation für die wegfallenden regelmäßigen Mittel. Das sind also keine Mittel, die der Weiterbildung zusätzlich geschenkt worden sind, sondern das sind Mittel, die tatsächlich als Kompensation sozusagen für die Weiterbildung reserviert sind. Da kann man ja vielleicht noch einmal einen Ansatz machen, dass hier ein bisschen schonender mit uns umgegangen wird.

Beide genannten Arbeitsbereiche der Weiterbildung sind sozusagen Nachsorge. Hier werden Versäumnisse früherer Bildungsinstitutionen ausgeglichen. Das führt schon mal dazu, dass die Weiterbildungseinrichtungen als Reparaturbetriebe diskreditiert werden.

Selbstverständlich muss unser aller Anliegen sein, in Zukunft durch bessere frühe Förderung Aufgaben zu reduzieren. Aber sie werden uns noch viele Jahre begleiten. Denn wir können es uns nicht leisten, Menschen der jetzigen Erwachsenengeneration zu verlieren. Auch diese Generationen haben unsere Aufmerksamkeit und haben Bildungseinrichtungen, die für sie da sind, verdient.

Wenn diese beiden Beispiele insbesondere in der Weiterbildungsarbeit der Volkshochschulen eine Rolle spielen, will ich doch nicht versäumen, auch andere wichtige Präventionsthemen in allen gemeinwohlorientierten Weiterbildungseinrichtungen zu benennen, hier nur exemplarisch die Angebote zur Elternbildung, zur Gesundheitsvorsorge, zur politischen Bildung, zur Seniorenbildung, zum Ehrenamt. Hier werden Fähigkeiten gestärkt und Kompetenzen vermittelt, die für jeden Einzelnen und für die Gesellschaft positiv und nachhaltig wirken, weil sie die Menschen länger aktiv, gesund und in der Mitte der Gesellschaft halten. Wie gut also, liebe Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen, dass wir uns einig sind in der Unterstützung der Weiterbildung!

Wir werden gemeinsam dafür sorgen müssen, dass dieses wichtige Thema die ihm gebührende Aufmerksamkeit bekommt, dass wir konkret und konsequent im Gespräch bleiben und nicht zuletzt dass wir die notwendigen Ressourcenvoraussetzungen sicherstellen. Es ist noch einiges zu tun. Lassen Sie uns gemeinsam dranbleiben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Hammelrath. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen zum Tagesordnungspunkt 2 mehr vor. Wir sind damit am Schluss der Aussprache über die Unterrichtung der Landesregierung.

Ich rufe auf:

3   Hochschulen am Limit – Was unternimmt die Landesregierung?

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/2187

Die Fraktion der CDU hat mit Schreiben vom 25. Februar 2013 gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner vonseiten der antragstellenden Fraktion der CDU Herrn Dr. Berger das Wort.

Dr. Stefan Berger (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum kommenden Wintersemester wird in Nordrhein-Westfalen der doppelte Abiturjahrgang erwartet. Dann werden mehr als 630.000 Studierende an unseren Hochschulen lernen. Alle diese Studienanfänger treffen bedauerlicherweise auf denkbar ungünstige Umstände.

Am 31. Januar titelte die „Westdeutsche Allgemeine“: Mangel an Studienplätzen ist größer als erwartet. – Heute titelt die „WAZ“: Zahl der Studenten überfordert Professoren. – Am 19. Februar war zu lesen, dass an der Universität Köln von 140 Studiengängen nur fünf nicht zulassungsbeschränkt sind. In Duisburg-Essen werden im kommenden Semester von 117 Studiengängen nur noch sechs zulassungsfrei sein. Die Landesrektorenkonferenz der Universitäten stellt fest: Die Zahl der Studierenden steigt. Die Grundfinanzierung sinkt. Der Ausfall von Studiengebühren wird nicht vollständig kompensiert.

Rot-Grün hat konsequente Hilfestellung bisher nicht geleistet. Das wird auch klar, wenn man sich die Zahlen weiter ansieht. In Nordrhein-Westfalen werden ganze 593 Wohnheimplätze gebaut. In Baden-Württemberg sind es über 3.000. Nicht einmal 7 % der Kölner Studenten fanden einen Platz in einem Studentenwohnheim. In den kommenden Jahren wird sich die Lage noch verschärfen. Das sage nicht ich, das sagt Peter Schink, Geschäftsführer des Kölner Studentenwerks.

Aber nicht nur bei den Wohnheimplätzen sieht es für Studienanfänger schlecht aus. Nordrhein-Westfalen hat das schlechteste Professoren-Studierenden-Verhältnis in Deutschland, übrigens auch nach den Zahlen des Landeswissenschaftsministeriums. In Baden-Württemberg kommen 47 Studierende auf einen Professor. In Bayern kommen 51 Studenten auf einen Professor. Im Schnitt in der Bundesrepublik kommen 56 Studierende auf einen Professor. In Nordrhein-Westfalen kommen 70 Studierende auf einen Professor.

(Jochen Ott [SPD]: Haben Sie jetzt bei sich selbst abgeschrieben von gestern?)

Auf diese Art heißen Sie, Rot-Grün, die Studienanfänger in Nordrhein-Westfalen willkommen. Rot-Grün verhindert einen guten Start ins Studienleben.

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

Sie kommen ja aus Köln, Herr Ott.

(Jochen Ott [SPD]: Gut erkannt!)

Dann könnten Sie sich auch einmal darum kümmern, dass mehr als 7 % der Kölner Studenten einen Wohnheimplatz bekommen, anstatt hier im Landtag herumzubrüllen.

(Jochen Ott [SPD]: Sie haben überhaupt keine Ahnung! Das Studentenwerk hat ihnen die angeboten! Die nehmen sie nicht!)

– Ja, sie nehmen sie nicht. Sagen Sie das den Studenten in Köln!

Aber es geht noch weiter. Wir alle wissen, ein Numerus clausus wirkt in allererster Linie ausgrenzend. Ich stelle fest, Herr Ott – wir bleiben bei Ihrem Köln –, an der Universität Köln kann man NC-freie Studiengänge an einer Hand abzählen. Das wirkt selektiv. Wer in Köln BWL studieren möchte und keinen Schnitt von 1,2 vorweist, muss bereits jetzt bis zu vier Jahre warten. Die Wartezeit an der Uni Bielefeld für das Fach Psychologie beträgt bis zu 14 Semester.

Der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen, Prof. Sternberg, sagt, dass bereits heute viele Fachhochschulen mit 140 % ausgelastet sind.

(Karl Schultheis [SPD]: Das gibt es doch gar nicht!)

– Herr Schultheis, ich sage es Ihnen, auch wenn Sie es nicht hören wollen, Rot-Grün lässt die Studierenden beim Thema „Zugang zu Studiengängen über den NC“ im Stich. Sie verhindern Bildungschancen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir sind in Nordrhein-Westfalen selbst für die Schaffung von Studienplätzen verantwortlich. Frau Schulze, Sie sind für die Schaffung von Kapazitäten verantwortlich. Was tun Sie, was tut Frau Schulze, was tut Rot-Grün? Sie zeigen auf Berlin und wollen die Bundesregierung für ihre Zeche zahlen lassen. Ich bin gespannt, wie lange es gleich dauert, bis die Redner von Rot-Grün das Wort „Berlin“ in den Mund nehmen, um die Verantwortung wieder auf die Bundesregierung abzuschieben.

(Ministerin Svenja Schulze: Wir haben einen Vertrag!)

Genauso wie Sie für die Schaffung von Studienplätzen verantwortlich sind, sind Sie auch für die Qualität der Lehre verantwortlich. Unser schwarz-gelbes Modell der Studienbeiträge hat die Qualität der Lehre in Nordrhein-Westfalen entscheidend verbessert.

(Zuruf von der SPD: Wann war das?)

Sie, Rot-Grün, verzichten auf Studienbeiträge. Sie ersetzen nur 249 Millionen. Sie müssten nach dem alten Modell über 300 Millionen ersetzen, sodass Sie den Hochschulen 50 Millionen € pro Jahr vorenthalten. Vor dem Hintergrund des doppelten Abiturjahrgangs wiegt das umso schwerer. Rot-Grün hat damit ein Wahlversprechen, das der vollständigen Kompensation, gebrochen und sich gegen intakte Lerninfrastrukturen entschieden. Rot-Grün torpediert Lernerfolge an unseren Universitäten.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Jochen Ott [SPD])

– Na gut, sie hätten 50 Millionen mehr, aber das wissen Sie eigentlich. Sie sprechen aber auch gern davon, dass 10 Milliarden € in die Hand genommen werden, um die Situation an den Hochschulen zu verbessern.

Ich sage Ihnen: Politisch verantwortlich für das außerordentliche Hochschulmodernisierungsprogramm, politisch verantwortlich für das außerordentliche Fachhochschulausbauprogramm und politisch verantwortlich für die Realisierung des Hochschulpakts II, politisch verantwortlich für alle positiven Maßnahmen, die unsere Hochschulen in den letzten Jahren vorangebracht haben, waren FDP und CDU.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Was Rot-Grün – Svenja Schulze ist schon seit drei Jahren im Amt – zusätzlich zu diesen Maßnahmen auf den Weg gebracht hat, um diese Probleme zu lösen, ist nichts, gar nichts. Frau Schulze, Sie lassen Studienanfänger im Stich.

(Beifall von der CDU – Norbert Römer [SPD]: Deshalb sind Sie in der Opposition!)

Ich wusste gar nicht mehr, mit welchen Zeitungsartikeln ich anfangen sollte – die Überschriftenliste der letzten Wochen ist so lang –, die die Probleme beschreiben, die aufgetaucht sind. Aber Sie erzeugen noch weitere. Unsere Hochschulen sind jetzt am Limit. Um den doppelten Abiturjahrgang zu handhaben, brauchen sie Freiheit – Freiheit zum Handeln, Freiheit zum Entscheiden. In dieser schwierigen Situation für alle will Frau Schulze das erfolgreiche Hochschulfreiheitsgesetz auch noch abschaffen

(Jochen Ott [SPD]: Total erfolgreich!)

und durch ein Hochschulentmündigungsgesetz ersetzen. Dabei benötigen die Hochschulen jetzt Freiheit und Vertrauen. Sie, Rot-Grün, und Sie, Frau Schulze, misstrauen Hochschulen

(Beifall von der CDU und der FDP)

und fallen ihnen damit in den Rücken. In der vergangenen Woche hat die Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen den Plänen zum Hochschulentmündigungsgesetz eine Absage erteilt. Ich habe es gestern schon gesagt, Frau Schulze, das war eine deftige öffentliche Ohrfeige.

(Jochen Ott [SPD]: Sie haben es gestern schon gesagt, genau! Ich kenne Ihre Rede von gestern!)

– Es war aber trotzdem eine deftige öffentliche Ohrfeige. Es gibt keinen ernst zu nehmenden Hochschulverband, der Ihren Vorschlägen folgen möchte.

Sie sagen, Sie wollen mehr Einfluss auf die Mittelverwendung vor Ort. Ich sage Ihnen: Sie wollen politische Kontrolle. Denn jeder hier im Hause weiß doch, dass Hochschulen vor Ort viel besser wissen, wofür sie ihre Mittel verwenden wollen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, Ihre Redezeit.

Dr. Stefan Berger (CDU): Ich komme zum Ende. – Für alle Beobachter ist unverständlich, dass Sie jetzt ein System errichten, das zum Abbau der Leistungsfähigkeit der Hochschulen führt. Sie tragen dazu bei, dass die dichteste und größte Wissenschaftslandschaft Europas Schritt für Schritt degeneriert.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege!

Dr. Stefan Berger (CDU): Ich komme zum Ende. – Ich fasse zusammen: Wir haben in den letzten drei Jahren keine Akzente gesehen, die unsere Hochschulen vorangebracht haben. Die Bilanz von drei Jahren Svenja Schulze im Amt besteht aus zu wenigen Studienplätzen, zu wenigen Wohnheimplätzen, und als Ausrede zeigen Sie nach Berlin. Die Leidtragenden sind die Studierenden und die Hochschulen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Berger. – Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Schultheis.

(Andreas Bialas [SPD]: Das Schlimme ist, er glaubt das!)

Karl Schultheis (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Berger, ich hatte ohnehin Probleme, mir die Aktualität dieser Aktuellen Stunde zu erschließen.

(Beifall von der SPD)

Aber nach Ihrem Redebeitrag ist mir klar, dass Sie ein Eigenplagiat vorführen und das, was Sie schon gestern an Unsinnigkeiten verbreitet haben, noch einmal vertiefen wollten.

(Beifall und Heiterkeit von der SPD)

Es gibt Unsinnigkeiten, die man gar nicht vertiefen kann, weil sie schon so tief angelegt sind.

(Jochen Ott [SPD]: Das ist so flach!)

Zur Sache selbst: Es geht um eine Vermengung von Themen, deren Aktualität sehr fraglich ist. Denn der doppelte Abiturjahrgang ist von der schwarz-gelben Landesregierung, die Sie indirekt nach wie vor mit vertreten wollen, beschlossen worden.

(Werner Jostmeier [CDU]: Das stimmt nicht! Das haben Sie beschlossen!)

– Nein, G8 haben Sie beschlossen.

(Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

Sie haben das beschlossen und sowohl im Schulbereich als auch im Hochschulbereich sehr dilettantisch umgesetzt.

Allerdings hat Herr Prof. Pinkwart im Hochschulbereich bessere Leistungen erbracht als seine Kollegin, die damals Schulministerin war. Das will ich gerne zugestehen.

Aktuell ist das nicht. Das ist eine schwere und schwierige Aufgabe, die das Land, die Landesregierung und das Parlament zu erledigen haben. Frau Ministerin Schulze hat gestern nochmals sehr deutlich gemacht, welche Ergebnisse bisher erzielt worden sind. Dass an vielen Stellen weitergearbeitet werden muss, ist doch eine Selbstverständlichkeit.

SPD und Grüne haben im Übrigen in der Wahlperiode, in der Schwarz-Gelb die Landesregierung gestellt hat, sehr oft Anträge gestellt und darauf hingewiesen, dass wir uns ganz genau anschauen müssen, in welchen Fächern der Ausbau an den Hochschulen stattfinden soll und ob dies an Universitäten oder an Fachhochschulen geschieht. Wir haben damals auf den Masterplan in Baden-Württemberg hingewiesen. Aber das haben Sie abgelehnt. Sie haben den Hochschulen ermöglicht, beim Hochschulpakt I Mittel in Anspruch zu nehmen, ohne dass dafür neue Studienplätze geschaffen worden sind. Daran muss man auch einmal an dieser Stelle erinnern.

Sie sehen: Freiheit und Autonomie geben Sinn und sind wichtig, auch für die Motivation. Aber die Begleitung durch die politisch Verantwortlichen, durch das Parlament, das die Finanzmittel bereitstellt, macht genauso Sinn. Eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit ist für die diejenigen, die Hochschule benötigen, nämlich für unsere Gesellschaft und für die Studierenden, am besten. Ganz im Gegenteil haben Sie bei den Studentenwerken die Mittel jedes Jahr durchweg um 20 % gekürzt. Das war eine der Großtaten zu Beginn der Wahlperiode von Schwarz-Gelb.

(Jochen Ott [SPD]: Hört, hört!)

Das schlug natürlich auf den studentischen Wohnheimbau durch.

(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])

– Ja, Sie müssen Ihr Gedächtnis schulen, Herr Dr. Berger.

(Zuruf von der SPD: Das kann er nicht!)

Dann wird manches einfacher.

Ich sage noch einmal, hier sind große Fehler gemacht worden. Die jetzige Landesregierung wird 50 Millionen € bereitstellen, um im studentischen Wohnungsbau neue Akzente zu setzen.

(Beifall von der SPD)

Ich bin insbesondere dem Kollegen Ott dankbar dafür, dass wir wirklich facharbeitskreisübergreifend sinnvolle Lösungen gesucht haben.

Sie haben die Nummer mit den Studiengebühren wieder vorgetragen. Ist Ihnen eigentlich klar, was Sie im Haushalts- und Finanzausschuss beschlossen haben? Nein, Sie haben einen Antrag gestellt. Wir haben den natürlich nicht unterstützt. Das wäre auch ziemlich unsinnig gewesen. Sie wollen den Haushalt um 249 Millionen € kürzen.

(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])

– Ja, das sind doch Mittel, die den Hochschulen im Jahr 2013 nicht zur Verfügung stehen.

Im Übrigen ist dieser Antrag auch noch gesetzeswidrig, weil die 249 Millionen € für unsere Hochschulen gesetzlich gesichert sind. Darüber hinaus haben Sie noch 10 Millionen € an Forschungsmitteln für unsere Hochschulen kürzen wollen. Beim Genderprogramm wollten Sie auch noch einmal rund 2,5 Millionen € absetzen. Das sind Ihre Einsparungen.

Sie stellen sich jetzt hierher und behaupten, wir tun zu wenig für die Hochschulen. Was soll so etwas? Sie müssen in Ihrem Handeln schon Konsequenz zeigen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Das versteht kein Mensch.

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Sie nicht, aber die Hochschulrektoren schon! Die sagen es auch! – Gegenruf von Jochen Ott [SPD])

– Herr Dr. Berger, ich nehme regelmäßig an den Rektorenkonferenzen gerade der Fachhochschulen teil. Es ist mir ein großes Anliegen, unsere Fachhochschulen im System zu stärken und eine vernünftige Kommunikation walten zu lassen. Was Sie hier beschreiben, findet dort nicht statt. Natürlich gibt es auch Kritik und andere Vorschläge. Das ist gar keine Frage. Aber dass die Hochschulen wegen eines Hochschulzukunftsgesetzes auf den Barrikaden wären, das es noch gar nicht als Gesetzesvorlage gibt, sondern wo wir nur über Eckpunkte diskutieren, stimmt einfach nicht. Das bestimmt auch nicht die Realität an den Hochschulen. Ich selbst komme von einem sehr starken Hochschulstandort, nämlich von der RWTH Aachen, und führe dort regelmäßig Gespräche mit dem Rektor, Herrn Prof. Schmachtenberg.

(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])

Wir können sehr vernünftig miteinander umgehen. Ich habe mir einmal die erste Senatsvorlage für eine Stellungnahme zu den Eckpunkten angeschaut, die auf den Weg gebracht worden ist. Herr Prof. Schmachtenberg als Rektor der RWTH Aachen will dadurch erreichen, dass die Personalräte, der AStA und der Senat gemeinsam eine Position zu den Eckpunkten erarbeiten. Da steht sehr viel Sinnvolles drin, was Frau Ministerin Schulze auch so formuliert hat. Insofern glaube ich, dass wir nach dem Motto „Fürchtet euch nicht!“ und „Keine Panikmache“ zu einem guten Ergebnis kommen werden, meine Damen und Herren.

Sie haben die Aktuelle Stunde mit der Überschrift „Hochschulen am Limit“ betitelt. Ich muss Ihnen sagen, Sie sind schon seit längerer Zeit absolut am Limit.

(Beifall von der SPD – Zuruf von der SPD: Er ist schon drüber!)

Sie haben den Gipfelpunkt der Unmöglichkeiten schon lange überschritten. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Abgeordnete Freimuth.

Angela Freimuth (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Schultheis, an der Stelle gebe ich eine kleine Hilfe für Ihre Erinnerung. G8 wurde 2004/2005 von Rot-Grün auf die Agenda und ins Gesetz gebracht.

(Beifall von der FDP und der CDU – Werner Jostmeier [CDU]: Sehr richtig!)

Da können Sie sich gern bei Frau Kollegin Schäfer erkundigen, deren Ausführungen ich sehr wohl noch im Ohr habe.

Zum Thema der heutigen Aktuellen Stunde muss man unstreitig feststellen, dass die Auslastung an unseren Hochschulen sehr hoch ist und wir durch den doppelten Abiturjahrgang hier in Nordrhein-Westfalen zum Wintersemester 2013/2014 voraussichtlich noch einmal ein Rekordniveau erreichen werden.

Es ist eine Freude, dass so viele junge Menschen die Fähigkeit und die Zulassung zu einer akademischen Hochschulausbildung haben und die sich daraus ergebenden Chancen nutzen wollen. Aber das bringt natürlich enorme Herausforderungen für unsere Hochschulen mit sich. Ich glaube, das ist genauso unstreitig. Man muss der Fairness halber konstatieren, dass unsere Hochschulen dem in vorbildlicher Weise Rechnung tragen und sich darauf vorbereiten.

Denn angefangen bei den Aufnahmekapazitäten und sich daraus wegen des höheren Numerus clausus ergebenden Zulassungsbeschränkungen – das Beispiel wurde gerade schon erwähnt – über Raum- und Lehrplatzmangel, verschlechterte Betreuungsrelationen bis hin zu einem Mangel an studentischem Wohnraum, Mensakapazitäten und allem, was wir sonst noch in diese Liste aufnehmen könnten, handelt es sich um enorme Herausforderungen, vor denen die Hochschulen stehen.

Unsere Hochschulen stellen sich diesen großen Herausforderungen. Allen Beteiligten sind großer Dank und Anerkennung zu zollen. Das gilt im Übrigen auch für die Kommunen, die das Glück haben, Hochschulen zu beherbergen, die wegen der hohen Studierendenzahlen große Herausforderungen zu bewältigen haben.

(Karl Schultheis [SPD]: Sie haben vergessen, der Landesregierung zu danken!)

Angesichts dieser großen Herausforderungen müssen wir natürlich auch fragen dürfen, ob wir als Landesgesetzgeber oder ob die Landesregierung die Rahmenbedingungen so setzen, dass die Hochschulen den Herausforderungen weiterhin erfolgreich begegnen können, ohne dass vor allen Dingen die Qualität der Hochschulausbildung darunter leidet.

In der Vergangenheit wurden in dem Zusammenhang viele wichtige und richtungsweisende Entscheidungen getroffen. Ich darf beispielsweise den durch Innovationsminister Pinkwart auf den Weg gebrachten Fachhochschulausbau erwähnen, der gerade schon genannt wurde. Mit den neuen Fachhochschulen und ihren Standorten wurden zusätzliche, qualitativ hochwertige Studienangebote geschaffen. Diese Konzeption war richtungsweisend und vorausschauend.

Ich glaube, wir sind uns auch darin einig, dass pragmatische Ansätze – zum Beispiel Vorlesungen in Kinosälen oder leerstehenden Baumärkten – allenfalls eine Übergangslösung sein können, aber keinesfalls Maßstab für gute Qualität werden.

Der Vorgriff auf die verabredeten Hochschulpaktmittel kann, meine Damen und Herren, auch hier nicht die einzige Antwort sein. Wichtig ist es ganz ohne jeden Zweifel, den Hochschulen, die zur Bewältigung der höheren Studienanfängerzahlen wegen des doppelten Abiturjahrgangs angedachten Mittel tatsächlich zur Verfügung zu stellen und insbesondere die verabredete Kofinanzierung des Landes zu leisten.

Gestatten Sie mir aber schon ein paar Anmerkungen zu einigen vorgestellten Vorhaben der Landesregierung. Zur Ankündigung der Schaffung von 750 zusätzlichen Wohnheimplätzen: Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei 20.000 neuen Studienanfängern können wird das ganz sicher kaum als ausreichend oder als mehr als einen Tropfen auf den heißen Stein bezeichnen.

(Karl Schultheis [SPD]: Sie haben fünf Jahre gekürzt!)

Ein studentisches Wohnraumförderungsprogramm muss ebenfalls erst noch anlaufen und ist ebenso nicht geeignet, die Situation der Studienanfänger kurzfristig und damit rechtzeitig zu entlasten. Im Zusammenhang mit den Problemen mit den BAföG-Anträgen haben Sie auch erst reagiert, nachdem es an allen Ecken brannte. Gerade in einer Situation, in der angesichts der Sorgen und Fragen der aktuellen und zukünftigen Studierenden Konzeptionen, Lösungskompetenz und Besonnenheit gefordert wären, lässt die Landesregierung das leider nicht erkennen. Die jungen Menschen sind verunsichert.

Meine Damen und Herren, ich bin der festen Überzeugung: Das kann und darf so nicht bleiben. Ausgerechnet beim doppelten Abiturjahrgang ist ein so oft beschworener präventiver Ansatz bei dieser rot-grünen Landesregierung nicht erkennbar.

(Beifall von Klaus Kaiser [CDU])

Seit fast drei Jahren regieren Sie, Frau Ministerin Schulze. Damit müssen Sie sich auch diesen eigenen Versäumnissen stellen. Der ständige Ruf nach Berlin überzeugt nicht.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Denn gerade die Gespräche mit Berlin würden doch umso besser untermauert, unterlegt und unterstützt werden, wenn Sie in Nordrhein-Westfalen Ihre eigenen Hausaufgaben machten. Ich will nur auf Folgendes hinweisen: Die Lockerung des Kooperationsverbots insbesondere für den Hochschulbereich ist insbesondere von den rot-grün-geführten Bundesländern blockiert worden.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Meine Damen und Herren, die Hochschulen sind uns an der Stelle Gott sei Dank einige Schritte voraus. Sie haben sehr wohl gezeigt, dass sie mit der Verantwortung, die ihnen im Hochschulfreiheitsgesetz eingeräumt wurde, sehr besonnen und verantwortungsvoll umgehen. Sie haben in Ihrem Monitoring-Bericht letztes Jahr selber hervorgehoben, dass die Hochschulen ihrer Verantwortung in besonderer Weise entsprechen.

Aber bei aller Anerkennung dafür, dass die Hochschulen sehr eigenverantwortlich und verantwortungsbewusst mit ihren Freiheiten umgehen und so die Möglichkeiten nutzen, diesen großen Herausforderungen entgegenzutreten, statt darauf zu warten, dass von oben irgendwie eine Direktive erlassen wird, sondern stattdessen freiheitlich-eigen­verant­wortlich die Möglichkeiten nutzen, bedeutet es eine Verhöhnung dieser Leistung und Verantwortung, wenn Sie ausgerechnet in diesem Moment mit Ihren Eckpunkten für ein Hochschulentmündigungsgesetz die Botschaft senden: Meine Güte, Ihr könnt das ja alles nicht! – Damit kommt Misstrauen zum Ausdruck. Es wird angezweifelt, dass die Hochschulen diesen Herausforderungen entsprechen können.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Leider ist die Redezeit an dieser Stelle immer zu kurz. Liebe Kolleginnen, es gäbe noch vieles anzusprechen.

(Die Abgeordnete hält ein Blatt Papier hoch.)

– Ein solcher Zeitungsartikel mit der Überschrift „Zahl der Studenten überfordert Professoren“, Texte wie „Betreuungsrelationen von 1:100“ – gemeint sind Professoren und Studierende –, können doch für uns nicht Maßstab sein, liebe Kolleginnen und Kollegen, und das in einem Land, das den Anspruch erhebt, immer noch Innovationsland Nummer eins zu sein und im europäischen Wettbewerb mitzuspielen, wenn es um die Gewinnung von Exzellenzen für unser Land geht. Wir leben davon, dass junge Menschen ihre Innovationskraft hier einsetzen und ihre Chancen in dieser Gesellschaft nutzen und einbringen können.

Deshalb kann es nicht unser Maßstab sein, sehenden Auges die Verschlechterung der Qualitäten in Kauf zu nehmen und darüber hinaus landesseitig nicht auf die großen Anforderungen zu reagieren. Diese Versäumnisse müssen Sie sich leider vorhalten lassen. – Vielen Dank!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Freimuth. – Nun spricht für die grüne Fraktion Frau Dr. Seidl.

Dr. Ruth Seidl (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch noch einmal zu Ihrer Erinnerung, Frau Freimuth: In der Tat ist G8 unter Rot-Grün beschlossen worden. Das haben wir damals als Wahloption beschlossen. Vielleicht erinnern Sie sich auch daran.

(Widerspruch von Klaus Kaiser [CDU])

Das heißt: Die Schulen hätten sich für G8 oder G9 entscheiden können.

Sie haben das 2005 anders umgesetzt. Die Schulen haben es anders machen müssen.

(Klaus Kaiser [CDU]: Nein, nein!)

Wir hätten heute ganz andere Zahlen gehabt, als die, die jetzt auf die Hochschulen zukommen.

Wir haben gestern auch über den Landeshaushalt 2013 für die Hochschulen diskutiert. Und wir haben bei nüchterner Betrachtung festgestellt, dass wir noch nie so viel Geld in die Hochschulen gesteckt haben wie heute.

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Wir hatten noch nie so viele Studenten!)

Für die Ausweitung und Verbesserung des Studienangebots stehen – ich wiederhole es, weil das eine Riesenzahl ist – Mittel von mehr als 1 Milliarde € zur Verfügung.

Das sind zusätzliche Mittel, die wir in die Zukunft der jungen Menschen und erst recht in den doppelten Abiturjahrgang in diesem Jahr 2013 investieren. Dass Sie das nicht gern wahrhaben wollen und heute hier lieber ein Horrorszenario von überfüllten Hörsälen oder verschimmelten Seminarräumen aufmachen möchten

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Wollen Sie das bestreiten? – Zuruf von Angela Freimuth [FDP])

– das gehört doch in die Schublade „Oppositionslyrik“ –, hat überhaupt nichts mit einer konstruktiven Aufgabenbewältigung von Ihrer Seite aus zu tun.

Ich habe mich bei Ihrem Vortrag, Herr Berger, gefragt: Was sind eigentlich Ihre guten Vorschläge, die Sie als Oppositionspartei noch anzubieten haben? Ich kann nur sagen: Ich habe nichts gehört; es gibt keine.

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Studienbeiträge!)

Auf ganzer Linie Getöse und Plattitüden, die an Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten sind.

(Beifall von den GRÜNEN)

So will ich Ihnen auch gleich den Wind aus den Segeln nehmen, was die Situation der mit einem NC belegten Studiengänge angeht, weil Sie das jetzt ständig vor sich hertragen.

Heute – hören Sie gut zu – haben 48 % der Fächer in Nordrhein-Westfalen einen Numerus clausus. Im Wintersemester 2006/2007 unter der Regierung Rüttgers/Pinkwart waren es noch 50 %.

(Gabriele Hammelrath [SPD]: Hört, hört!)

Während Pinkwart in seiner Amtszeit den Anteil der NC-Fächer – wir haben uns das genau angeschaut – so gut wie gar nicht senken konnte, ist es uns gelungen, ab 2010 trotz steigender Studierendenzahlen und der ersten Belastungen durch den Doppeljahrgang aus Niedersachsen den Anteil der zulassungsfreien Fächer sogar noch zu erhöhen.

Die Situation hat sich offensichtlich nicht verschärft.

(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])

Das wird noch einmal durch das Interview Ihres ehemaligen Wissenschaftsministers untermauert, das am 14. Januar 2013 im Bonner „General-Anzeiger“ zu lesen war. Denn er sagte – ich zitiere –:

„Ich teile die Einschätzung meiner Nachfolgerin, dass die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen gut auf den doppelten Abiturjahrgang vorbereitet sind.“

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das war Pinkwart in Bonn. Da kann ich nur sagen: So ein Pech, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, dass ausgerechnet Ihr ehemaliger Wissenschaftsminister uns als rot-grüne Landesregierung vor Angriffen Ihrer Partei in Schutz nimmt.

(Angela Freimuth [FDP]: Einen Aktionsplan sollten Sie auf den Tisch legen!)

Aber wo er recht hat, hat er recht.

Ich will hier nichts schönreden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Natürlich wissen alle, dass der doppelte Abiturjahrgang eine riesengroße Herausforderung ist und es an den Hochschulen auch eng wird, genauso wie in Bayern und Niedersachsen, die den Peak der Studentenwelle schon überschritten haben und deren Studierende wir übrigens im vergangenen Jahr teilweise mitbetreut haben.

Aber wir nehmen auch zur Kenntnis, dass uns alle Hochschulen sagen: Es wird eng, wir müssen manchmal improvisieren, aber wir sind im Großen und Ganzen auf den doppelten Abiturjahrgang gut vorbereitet.

So Aloys Krieg, der Prorektor für Lehre der RWTH – ich zitiere –:

„Wir sind wirklich gut vorbereitet und relativ optimistisch, dass wir das gut hinkriegen.“

Übrigens: Auch bei den Fachhochschulen, die Sie eben zitiert haben, gibt es neben verhaltenem Optimismus durchaus Lob für die Vorbereitungen der Landesregierung auf den doppelten Abiturjahrgang.

In einem Interview der „Rheinischen Post“ vom 23. Januar dieses Jahres sagt der Präsident der Fachhochschule Niederrhein, Herr von Grünberg, auf die Frage, ob die Hochschulen für den doppelten Abiturjahrgang gut gerüstet sind – ich zitiere –:

 „Ja, wir haben im Rahmen des Hochschulpaktes wirklich außerordentlich viel Geld bekommen, und das Geld ist rechtzeitig gekommen; insofern gilt der oft gescholtenen Politik einmal ein großes Lob. Damit konnten wir erheblich mehr Professuren einrichten: Ausgehend von 215 Professoren im Jahr 2010 haben wir derzeit 250 Professoren, Ende 2013 sind es dann gar 262 Professoren. Und wir bauen sehr viel. Dazu gehört etwa das Modulgebäude im Krefelder Süden für 15 Millionen Euro. Baubeginn ist Frühjahr 2013 … Wir haben aktuell 12 600 Studenten und rechnen für 2013 mit 13 400 Studenten – die Kapazität ist da, um ihnen ein vernünftiges Studium zu ermöglichen.“

Das ist ein Beispiel von vielen Rückmeldungen, die uns derzeit bei unseren Hochschulbesuchen erreichen.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier wird doch sehr deutlich, dass die Hochschulen im Großen und Ganzen sehr sachlich, sehr unaufgeregt mit den wachsenden Studierendenzahlen umgehen, weil sie in der Tat gut und langfristig vorgearbeitet haben.

Das Wissenschaftsministerium begleitet die Hochschulen eng bei der Bewältigung des doppelten Abiturjahrgangs in einem landesweiten Monitoring-Verfahren zum Austausch über den jeweils aktuellen Stand der Vorbereitungen, auch unter Einbeziehung der Studentenwerke.

Die Zielvereinbarungen über die Aufnahme zusätzlicher Studierender im Jahr 2011 wurden eingehalten, und auch für die Jahre 2012 bis 2015 werden die vereinbarten Ziele aller Voraussicht nach erfüllt werden. Viele Hochschulen planen sogar den Aufbau von weiteren zusätzlichen Studienmöglichkeiten. Für 2013 sind es 6,3 % über der vereinbarten Zahl. Das heißt, grobe Planungsmängel sind hier also keineswegs erkennbar.

Im Ergebnis planen die Hochschulen den Kapazitätsaufwuchs analog zu den bisherigen Fächergruppen, wobei die Zahl der zusätzlichen Studienanfängerinnen, insbesondere in den Ingenieurwissenschaften, wo wir auch mehr Plätze brauchen, deutlich steigen soll.

Vor diesem Hintergrund wäre es schön, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wenn wir die anstehenden Herausforderungen auf einer sachlich seriösen Grundlage diskutieren könnten. Es wäre auch hilfreich, wenn Sie uns – ich sage das jetzt noch einmal – konstruktiv unterstützen könnten bei den Verhandlungen mit dem Bund, der sich bislang hartnäckig geweigert hat, den Finanzdeckel des Hochschulpakts aufzuheben.

Natürlich muss man an dieser Stelle den Bund immer wieder benennen. Denn er ist schließlich der Partner im Hochschulpakt. Wenn wir in Nordrhein-Westfalen unsere Hausaufgaben machen, dann muss der Bund das gleichermaßen tun.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir stellen den Hochschulen im Jahr 2013 mit dem Hochschulpakt 820 Millionen € zur Verfügung. Damit können Sie ihre Kapazitäten deutlich ausweiten und zusätzliches Lehrpersonal einstellen. Dies führt unmittelbar wieder zu höheren Zulassungszahlen, unabhängig davon, wie viele NC-Studiengänge es gibt.

Also: Das Märchen von den Massen von Studierenden, die wegen des doppelten Abiturjahrgangs draußen vor den Türen der Hochschulen bleiben, gehört eher in die Kategorie „Trivialliteratur“

(Dr. Stefan Berger [CDU]: In einem Jahr reden wir noch einmal darüber!)

und ist sachlich nicht nachvollziehbar. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Frau Dr. Seidl. – Nun spricht für die Piratenfraktion der Fraktionsvorsitzende, Herr Dr. Paul.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Eine Debatte über die nordrhein-westfälische Hochschulpolitik ist sicher immer richtig und wichtig. Aber die Art und Weise, wie die Union das hier eingestielt hat, immer inflationär und mantramäßig ihre Wettbewerbslogik wiederholend, ist unerträglich.

(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)

Sie merken wohl selbst nicht mehr, dass Ihre jahrelange staatsdiffamierende Politik eine Hochschullandschaft in Nordrhein-Westfalen produziert hat, die mittlerweile von großen Gräben geprägt ist. Ihr Begriff von Freiheit der Wissenschaft offenbart einen einzigen Rausch der Ahnungslosigkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Sie spielen sich immer nur als Anwälte der Hochschulrektoren auf. Diese wurden aufgrund Ihrer katastrophalen marktradikalen Politik von Gremien ohne jegliche demokratische Legitimation ins Amt gehoben. Dass die jetzt schreien und auf die Barrikaden gehen, weil ein klein bisschen von ihrer Macht weggenommen wird, ist doch klar. Wer einen Sumpf austrocknen will, fragt auch nicht die Frösche.

(Beifall von den PIRATEN)

Aber Hochschulen bestehen eben nicht nur aus Rektoren. Es sind gerade junge und jung gebliebene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die unter chronisch unterfinanzierten Bedingungen Menschen bilden und ausbilden dürfen und müssen. Der Antragstext beschreibt an der Stelle die aktuelle Situation. Allerdings sind Ihre Schlussfolgerungen mehr als dürftig. Vor allen Dingen schmeißen Sie mehrere Sachverhalte komplett durcheinander.

Schauen wir uns einmal Ihre krude Argumentationskette im Antrag an! Man kann natürlich darauf kommen, dass die hiesigen Hochschulen strukturell unterfinanziert sind. Aber die Beteuerung, dass noch nie so viele Mittel an die hiesigen Hochschulen geflossen seien, ist nur in absoluten Zahlen richtig. Wenn man strukturell die Hochschulen am Limit fahren lässt, relativiert sich diese Zahl recht schnell.

Was ist Ihre Antwort? Sie beantragen im Haushaltsverfahren, dass den Hochschulen noch die Kompensationsmittel der zum Glück abgeschafften Studiengebühren weggenommen werden sollen.

(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])

Das ist unverantwortlich und inkonsistent. Warum sind Sie nicht so ehrlich und setzen sich für eine höhere Kompensation ein, wenn Sie doch so ein Herz für die Hochschulen haben?

Studiengebühren – das wissen wir – haben ausgedient. Es trifft die Falschen. Es wurde hier schon einmal erwähnt. Sie sind völkerrechtswidrig.

(Lachen von Dr. Stefan Berger [CDU])

Gebühren für Bildung können grundsätzlich nicht sozialverträglich sein. So viel steht fest. Vielleicht noch einmal als Tipp – das ist gestern auch schon gefallen –: Wenn Sie sich zu diesem Thema einmal an Ihre Kolleginnen und Kollegen im Bundesland Bayern!

Weiter mit der Ihnen eigenen Logik im Antrag: Sie verweisen auf die Aussage der Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen, die von der flächendeckenden Einsetzung des Numerus clausus reden. Ich verstehe Ihre Aufregung nicht. Sie sind doch diejenigen, die sich konsequent in allen Bereichen für Selektion und Chancenungleichheit im Bildungssektor einsetzen. Ihrer Comedy-Logik folgend, ist es ein erklärtes Ziel, dass nicht jeder Hinz und Kunz an die Hochschule kommt. So gesehen kann man sagen: Ihr Engagement für die Studierenden in diesem Land ist geheuchelt.

(Beifall von den PIRATEN)

Selbstverständlich ist auch die Landesregierung in der Pflicht. Sie hat leider noch keine Rezepte, um die nächste Hürde, das heißt, den Eintritt für die Hochschulen in die digitale Welt – wir reden von Vernetzung der Hochschule – in Angriff zu nehmen. Dort haben wir gemeinsam sicherlich noch viel zu leisten.

Aber Ministerin Schulze zu unterstellen, sie würde nichts für die Vorbereitung des Studierendenansturms aufgrund des doppelten Abiturjahrgangs tun, ist absurd.

(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])

– Herr Berger, diese Oppositionsrolle des gebetsmühlenartigen Wiederholens ist noch nicht einmal eine Oppositionsrolle. Sie verletzen permanent das elfte Gebot: Du sollst nicht langweilen!

(Beifall von den PIRATEN)

Lassen Sie sich bitte etwas Neues einfallen! Was Neues wäre zum Beispiel, den Anspruch und die Wirklichkeit des Bologna-Prozesses auf den Prüfstand zu stellen. Ihre Freunde von McKinsey sind mit den Ergebnissen und der Realität des Bologna-Prozesses auch nicht einverstanden. Das stand mehrfach in der Presse. Herr Hippler hat es selber vor einiger Zeit gesagt. Es mag sein, dass das Ihre Auffassung von Politik ist. Darüber möchte ich mich nicht auslassen.

Dass Kinosäle und alte Baumärkte keine adäquate Lehr- und Lernatmosphäre bieten können, ist selbst erklärend. Aber das war auch schon unter Innovationsminister a. D. Andreas Pinkwart so. Als Tipp: Verbal abrüsten wäre angesagt!

(Heiterkeit von der CDU – Josef Hovenjürgen [CDU]: Das sagt der Richtige!)

Weiter im Antragstext: Da wird es völlig wirr. Ungeachtet der Frage, ob eine Hochschulgesetznovelle nötig ist – wir sagen ja –, hat die Ministerin schon einige Male erklärt, dass sie die Novelle nach der Bewältigung des doppelten Abiturjahrgangs vorlegen will. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Wir halten den Zeitpunkt der Hochschulgesetznovelle für zu spät. Auch inhaltlich haben wir viele Kritikpunkte sowie Anregungen.

Warum halten Sie, Frau Ministerin, an den demokratisch nicht legitimierten Hochschulräten fest, wenn Sie die Abschaffung selber in Ihr Wahlprogramm geschrieben haben? Man könnte da von Wählerbetrug sprechen.

(Beifall von den PIRATEN)

Sie haben die Möglichkeit, unserem Gesetzentwurf zur Stärkung der Wissenschaftsautonomie zuzustimmen. Das wäre ein Schritt hin zur Abschaffung dieses Gremiums, das sowieso niemand braucht. Frau Ministerin, Sie konnten bis heute die Frage nicht beantworten, was Sie beim Umgang mit den Hochschulräten befürchten.

Noch einmal eine Anmerkung zum Zeitpunkt: Andreas Pinkwart hatte das Hochschulfreiheitsgesetz mitten in den Umstrukturierungsmaßnahmen zur Einführung des Bachelors und Masters an den NRW-Hochschulen durchs Parlament gepeitscht. Ein Argument, bei diesen Umbruchmaßnahmen nicht behindern zu wollen, ist ein wenig schwach. Wenn Sie das nicht so tun möchten, ist das vielleicht löblich. Aber jeder Tag an einer Hochschule mit Hochschulrat ist ein schlechter Tag für die Wissenschaft.

Autonome Hochschulen sind sehr wichtig. Jedoch sollte die Rahmensteuerung dem Parlament obliegen. Und das, Herr Berger, ist kein Widerspruch. Sie haben mit Ihrem Hochschulfreiheitsgesetz ein Politikentmündigungsgesetz eingeführt. Sie möchten einfach nicht wahrhaben, dass die Zeit der marktradikalen New-Public-Management-Strategie vorbei ist, dass sie ein historischer Fehler war. Wissenschaft ist weit mehr als ein künstlich angeregter Wettbewerb unter Hochschulen. Diese konnten und werden auch nie unter gleichen Startbedingungen konkurrieren. Das hat schon mit der sozialen Umgebung der Hochschulen zu tun.

Wird dieser völlig deplatzierte Marktmechanismus weiter forciert, so werden die Bedingungen für gute Lehre und Forschung bald nur noch an wenigen Hochschulen möglich sein. Aber vielleicht ist das ja Ihr Ziel.

Ihnen, Frau Ministerin, wünsche ich ein bisschen mehr Mut, sich auch mit den Rektoren anzulegen. Auch die sind nur ein Rädchen im Wissenschaftsbetrieb. – Herzlichen Dank für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit!

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Dr. Paul. – Nun spricht die Wissenschaftsministerin, Frau Schulze.

Svenja Schulze, Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Debatte und in dem Antrag geht einiges fröhlich durcheinander. Deswegen möchte ich das hier sortieren.

Ich möchte gerne eine Bemerkung vorweg machen. Das Land und die Hochschulen sind auf diesen doppelten Abiturjahrgang vorbereitet. Daran haben übrigens mehrere Landesregierungen gearbeitet, Herr Abgeordneter Berger, unter anderem auch eine, die von Ihrer Partei geführt wurde. Mich wundert es ein bisschen, dass Sie diese Vorarbeiten jetzt negieren.

(Beifall von der SPD)

Ich will einsteigen über ein Zitat. Es lohnt sich in dieser Geschichte, den Kontakt zur kommunalen Familie zu haben, vor Ort zu hören, wie denn die Leute das dort sehen.

Ich will Sie mit einem Zitat des Düsseldorfer Oberbürgermeisters erfreuen, der mir geschrieben hat:

„Wer 2013 sein Abitur macht und danach in Düsseldorf ein Studium oder eine Ausbildung aufnehmen will, der muss sich keine Sorgen machen.“

Das schreibt der Oberbürgermeister von Düsseldorf – soweit ich weiß, kein SPD-Mitglied.

Zitate dieser Art gibt es viele, von Hochschulrektoren, von Oberbürgermeistern, von Hochschulstädten, von Runden Tischen vor Ort – übrigens quer durch alle Parteien und durch alle Funktionen.

Im Rahmen meiner Hochschultour besuche ich im Moment alle Hochschulen des Landes. Bei den vielen Terminen und den vielen Projekten habe ich mir all die Maßnahmen angeschaut, die von den Hochschulen vor Ort ergriffen werden.

Ich kann Ihnen nur empfehlen, dies auch zu tun. Das Spektrum der Maßnahmen reicht von der Einstellung von zusätzlichem Personal für Lehre über Baumaßnahmen seitens der Studentenwerke, über Sanierung und Neubau in den Hochschulstädten bis zur Schaffung von zusätzlichem Wohnraum.

Sie mokieren sich hier über einen umgebauten Baumarkt. Ich habe mir das Projekt gemeinsam mit dem CDU-Bürgermeister der Stadt Paderborn angesehen und kann Ihnen nur sagen: Das ist ein ganz hervorragender Seminarraum. Natürlich kann man einen Baumarkt so umbauen, dass daraus Seminarräume entstehen. Dort werden 370 Sitzplätze geschaffen. Man geht übrigens sehr intelligent vor; denn wenn der Raum nicht mehr als Seminarraum gebraucht wird, wird daraus anschließend ein Gebäude für den Hochschulsport. Ich finde, dies ist eher ein Beispiel dafür, wie man moderne Universitäten führen kann.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich erfahre vor Ort auch, wie man gegensteuern kann. Die Zahlen aus der gestrigen Haushaltsberatung will ich Ihnen nicht noch einmal vorlegen. Aber Sie wissen doch, dass wir den Ansatz im Haushalt über 11 % steigern.

In allen Bereichen fordern Sie Streichungen. Sie streichen die 249 Millionen €, die wir den Hochschulen für die Verbesserung der Qualität der Lehre zusätzlich geben. Nur an diesem Punkt sagen Sie, 11,5 % mehr reichten noch lange nicht aus.

Ich finde, hier sollten wir in der Debatte ein wenig ehrlicher sein. Jetzt hier immer nur Panik zu machen, hilft doch überhaupt nicht. Es wäre jetzt an der Zeit, wirklich Mut zu machen und zu sagen: Wie die anderen Bundesländer, werden wir es auch in Nordrhein-Westfalen schaffen. Warum denn auch nicht? Wir nehmen deutlich mehr Geld in die Hand als die anderen Länder; wir haben uns deutlich intensiver vorbereitet als die anderen. Warum sollte das Ganze ausgerechnet hier jetzt nicht gelingen?

Das sieht übrigens auch der Oberbürgermeister von Aachen so, der sich mit der Aussage zitieren lässt: „Wir heißen alle Studienanfänger herzlich willkommen.“ Das hat er mir ausdrücklich auch noch einmal gesagt.

Zum zweiten Punkt. Herr Abgeordneter Berger, Sie versuchen ja immer, fehlende Sachkenntnis durch Rüpelei zu ersetzen. Ich bin eigentlich etwas enttäuscht, dass Sie als Mitglied des Wissenschaftsausschusses über den NC so wenig Bescheid wissen. Sie sollten eigentlich wissen, wie der NC funktioniert.

Ich stelle das aber gerne noch einmal klar: Es wird keinen „flächendeckenden NC“ geben. Wir erwarten an den Fachhochschulen 250 zulassungsfreie Bachelorstudiengänge. Selbst in den Studiengängen mit NC – das können Sie sich zum Beispiel in Gelsenkirchen oder in Bielefeld anschauen – sind all diejenigen, die sich um einen Studienplatz beworben haben, auch genommen worden.

Insofern ist der NC kein Instrument, um Studierende auszuschließen; vielmehr sollen mit ihm die Studierenden über das Land verteilt werden. Ich finde, an dieser Stelle sollten Sie den Hochschulen einmal vertrauen;

(Beifall von der SPD)

denn sie wissen sehr genau, wo die Nachfrage liegt. Genau in diesen Bereichen werden zusätzliche Studienkapazitäten aufgebaut.

Wenn Sie schon die Pressekonferenz der Fachhochschulrektoren zitieren, dann sollten Sie auch den Sprecher der Fachhochschulkanzler zitieren. Heinz-Joachim Henkemeier hat es sehr deutlich gesagt: Die Absolventinnen und Absolventen des doppelten Abiturjahrgangs müssen sich nicht auf einen schärferen NC einstellen. Die Zahl der zulassungsbeschränkten Studiengänge hat wenig Aussagekraft. Man muss da schon etwas genauer hingucken.

Der Name „Freimuth“ hat einen guten Klang hier im Parlament. Ich möchte Herrn Axel Freimuth zitieren – ich glaube, nicht verwandt –, der gesagt hat:

„Wir haben die Hochschulpaktmittel, die Qualitätsverbesserungsmittel und andere Mittel sehr zielgerichtet für die Schaffung von Studienplätzen, die Einstellung von Lehrpersonal und die weitere Verbesserung der Studienbedingungen genutzt. Dadurch war es zum Beispiel möglich, die Betreuungsrelation deutlich zu verbessern.“

Meine Damen und Herren, hierüber haben wir im Ausschuss ausführlich diskutiert. Sie wissen doch, warum die Betreuungsrelation in Nordrhein-Westfalen anders ist als in anderen Bundesländern.

Wir sind nämlich sehr stolz darauf, dass die einzige deutsche Fernuniversität in NRW angesiedelt ist. Diese Fernuniversität mit den vielen Studierenden – derzeit sind es mehr als 70.000 – wird in den Schlüssel mit einbezogen. Dass Studierende an einer Fernuniversität einen anderen Betreuungsschlüssel haben als an einer Präsenzuniversität, das ist, glaube ich, selbstverständlich.

Bei dem dritter Punkt, dem Hochschulzukunftsgesetz, geht es nicht um eine Abrechnung, sondern darum, die Hochschulen für die Zukunft fit zu machen. Es gibt ein Hochschulzukunftsgesetz. Im Kern geht es darin um mehr Transparenz. Ich verstehe gar nicht, dass man sich als Parlamentarier gegen etwas mehr Transparenz wehren kann.

(Beifall von der SPD und den PIRATEN)

Ich kann es auch nicht verstehen, dass Sie sich der Verantwortung, die wir als Land tragen, entziehen wollen. Wir müssen doch dafür sorgen, dass beispielsweise Berufskolleglehrer ausgebildet werden; die fehlen uns an allen Ecken. Wir sind doch als Industrieland in der Verantwortung, Fachkräfte auf den Markt zu bringen.

Dieser Verantwortung kann man sich nicht entziehen. Wir müssen sie wahrnehmen. Das werden wir mit dem Gesetz voranbringen. Nach Ihrer Logik dürfte es in Bayern keine einzige Exzellenzhochschule geben,

(Karl Schultheis [SPD]: In der ganzen Republik!)

ebenso wenig Exzellenz in der Forschung.

Dies alles müsste im doppelten Abiturjahrgang eigentlich untergegangen sein; denn dort werden die Professorinnen und Professoren sogar noch durch das Ministerium berufen. Nach Ihrer Logik dürfte das alles eigentlich gar nicht funktionieren.

(Zuruf von der CDU)

So weit wollen wir in Nordrhein-Westfalen übrigens nicht gehen.

Ich habe zum Schluss noch einen Appell an Sie: Dieser Hochschulpakt ist eine Vereinbarung, die der Bund mit allen Ländern geschlossen hat. Diese Vereinbarung haben wir unterschrieben; auch Andreas Pinkwart hat die unterschrieben.

Wir in Nordrhein-Westfalen halten uns an die Vereinbarung. Wir haben den Aufwuchs der Studierendenzahl in unsere mittelfristige Finanzplanung aufgenommen. Wir werden unseren Teil am Hochschulpakt einhalten.

Die Sorge ist jedoch, dass sich der Bund nicht an die Vereinbarung hält. In der Finanzplanung des Bundes ist der Aufwuchs nicht eingeplant.

(Zuruf von der CDU)

Von daher ist es gut und richtig, dass wir hier immer wieder darauf hinweisen, dass auch der Bund sich an seinen Teil der Vereinbarung halten muss.

(Beifall von der SPD und den PIRATEN)

Dabei, meine Damen und Herren von der CDU, könnten Sie helfen. Sie könnten mit der neuen Ministerin reden und uns helfen, dass wir, so wie alle anderen Bundesländer, auch in Nordrhein-Westfalen die Hilfe des Bundes erhalten, die vereinbart ist.

Mehr wollen wir nicht. Den Rest schaffen wir alleine. Aber das, was vereinbart ist, muss hier auch erfolgen. Da könnten Sie wirklich einmal helfen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Frau Ministerin Schulze. – Nun spricht für die CDU-Fraktion Herr Kollege Kaiser.

Klaus Kaiser (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin Schulze, die Jugendlichen, die in den nächsten Wochen ihre Abiturarbeiten schreiben, müssen täglich lesen, dass für sie alles da ist, nur keine Sicherheit. Das müssen Sie sich einmal vorstellen.

Mein lieber Herr Kollege Schultheis, zu dieser Aktuellen Stunde habe ich einmal meine Heimatzeitung, die „Westfalenpost“, mitgebracht. Als Aufmacher steht dort auf Seite 1: „Mehr Studenten, weniger Professoren“. Weiter heißt es dort:

„Das Betreuungsverhältnis an den Universitäten verschlechtert sich zusehends. Nordrhein-Westfalen schneidet im Vergleich der Bundesländer nicht gut ab.“

Wenn das kein Anlass ist, darüber aktuell zu diskutieren, dann weiß ich nicht, wann es ein aktuelles politisches Thema gibt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Herr Kollege Schultheis, wenn es Ihnen gelingt, die Sorgen und Nöte angehender Studierender, die jetzt vor dem Abiturstress stehen, mit keinem Wort in Ihrer Rede zu erwähnen, dann zeigt das auch, wo Sie stehen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sehr geehrte Frau Ministerin, was ist Ihnen vorzuwerfen? Hier wird immer eingefordert, wir als Opposition sollten Vorschläge machen. Seit einem Jahr weisen wir regelmäßig in Pressemeldungen und Anträgen immer wieder darauf hin, dass es durch den doppelten Abiturjahrgang mehr Andrang auf die Studienplätze gibt. Gesellschaftlich hat sich die Zahl der Studierenden gegenüber der Regierungszeit von Schwarz-Gelb erheblich erhöht. Das heißt, dass sich in Bezug auf die Zahlen, die wir für unsere Planung zugrunde gelegt haben – Sie haben eben richtigerweise dargestellt, dass die Vorbereitungen von uns sehr gut vorgenommen worden sind –, eines geändert hat: Die Zahl derjenigen, die auf die Universitäten zugehen, hat sich nämlich erhöht. Auf diese erhöhten Zahlen reagieren Sie nicht. Diesen Vorwurf können wir Ihnen nicht ersparen.

(Beifall von der CDU – Karl Schultheis [SPD]: Das stimmt gar nicht! – Dietmar Bell [SPD]: Sie hören überhaupt nicht zu!)

– Lautstärke ersetzt jetzt auch nicht die Argumente. Es ist doch klar, dass das wichtig ist. Seit einem Jahr weisen wir immer wieder darauf hin, dass hier Handlungsbedarf besteht.

Den nächsten Vorwurf muss man Ihnen machen, wenn man sieht, wie die Hochschulen an die Zeitungen herantreten. Wenn man gegenwärtig Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer trifft, braucht man gar nicht nach dem eigentlichen Thema zu fragen; denn sie sind sofort auf dem Baum, weil sie sich über Ihr Hochschulentmündigungsgesetz aufregen,

(Beifall von der CDU)

mit dem die Freiheit der Hochschulen eingeschränkt werden soll. Sie wollen sie wieder an die Kandare nehmen. Wir persönlich sehen das politisch ganz anders. Sie können das ja politisch, Ihrer Ideologie verpflichtet, entsprechend betreiben. Man muss Ihnen aber Folgendes vorwerfen: Anstatt alle Kräfte zu bündeln, damit wir den doppelten Abiturjahrgang in den Griff kriegen, leisten Sie sich einen Großkonflikt mit den Hochschulen über deren zukünftige Organisationsformen. Was Sie da machen, ist irre.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sehr geehrte Frau Ministerin, alleine diese Konfliktsituation macht deutlich, dass Sie die Interessen der Jugendlichen, die jetzt vor den Toren der Hochschulen stehen, nicht ernst nehmen. Schon alleine daran wird das deutlich.

(Dietmar Bell [SPD]: Blödsinn!)

Wenn Sie davon sprechen, das über Baumärkte und Räume zu machen, sind das doch Ablenkungsmanöver.

Das Gleiche gilt für Ihre Wahlkampfplattitüden, Berlin müsse mehr liefern. Wir wissen doch genau, dass aus Berlin die Unterstützung zum Bau von Gebäuden kommt. Wenn Sie heute fordern, Berlin müsse mehr liefern, wissen Sie ganz genau, dass Sie die Lösung zum 1. Oktober 2013 damit nicht schaffen können. Das wissen Sie ganz genau. Insofern spielen Sie mit der Uninformiertheit. Sie spielen mit den berechtigten Interessen der Jugendlichen.

(Karl Schultheis [SPD]: Bei Hochschulbau geht es nicht darum!)

Außerdem muss Folgendes gesagt werden: Wenn die Universität Dortmund in den Bildungswissenschaften den NC erhöht – nebenbei: die Universität Dortmund bildet auch Förderschullehrerinnen und Förderschullehrer aus –, geht es nicht darum, ob zusätzliche Räume oder Gebäude bis zum 1. Oktober 2013 errichtet werden, sondern darum, ob am 1. Oktober 2013 zusätzliche Lehrkräfte da sind, die die jungen Studierenden unterrichten können. Das ist einzig und allein Sache des Landes Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Seit einem Jahr haben wir stetig gefordert, dass Sie da bitte endlich handeln und die Sorgen der Menschen ernst nehmen.

(Dietmar Bell [SPD]: Das ist echt „Kaiser ohne Kleider“!)

Wer immer herumgeht und weihevoll erklärt, dass er niemanden zurücklässt,

(Karl Schultheis [SPD]: Ja, das tun Sie! Melden Sie sich doch in Rom beim Konklave an!)

der macht hier deutlich, dass er unter nachhaltiger Sozialpolitik nichts anderes versteht, als die eigene grobe Verschuldungspolitik zu legitimieren.

(Beifall von der CDU)

Es wird nämlich sehr deutlich, dass Sie die Interessen der Schülerinnen und Schüler des doppelten Abiturjahrgangs nicht ernst nehmen.

Die Sozialpolitik nehmen Sie auch nicht ernst, weil Sie gestern beschlossen haben und umsetzen wollen, dass die PTA-Schülerinnen künftig höhere Schulgelder, also Studiengebühren, bezahlen, während die Apotheker ihre Ausbildung umsonst bekommen. Das macht deutlich: Ihre soziale Schulpolitik bzw. Ihre soziale Bildungspolitik ist eine Farce.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Außerdem wollen Sie das Wahlalter auf 16 Jahre heruntersetzen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des doppelten Abiturjahrgangs haben genau verstanden, wofür sie gut sind: nicht dafür, dass ihre Interessen wahrgenommen werden, sondern dafür, dass sie im Prinzip zu reinen formalen Dingen herangezogen werden sollen. Das ist meines Erachtens nicht richtig.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Welches Demokratieverständnis haben Sie denn?)

– Frau Beer, wir kommen ja ganz schnell zusammen.

(Karl Schultheis [SPD]: Bitte nicht!)

Wenn wir wollen, dass unsere Demokratie auf Dauer stabil ist, haben wir die Pflicht und Schuldigkeit, dass wir gegenüber den angehenden Studierenden das halten, was zugesagt worden ist. Und da sind Sie sehr, sehr säumig, Frau Ministerin.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Kaiser. – Nun spricht für die SPD Frau Kollegin Lüders.

Nadja Lüders (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Eigentlich muss man der CDU noch dankbar sein, eine aktuelle Stunde ohne Aktualität zu beantragen, damit man vielleicht Ihnen im wiederholten Maße das erklären kann, was Sie bis heute nicht verstehen und wahrscheinlich nie verstehen werden.

Insbesondere Sie, Herr Kaiser, haben gerade wiederholt deutlich gemacht, nicht verstanden zu haben, welche Mittel wir eingestellt haben, wie sich Mittel verteilen und woher sie kommen. Für den Hochschulbau stellt der Bund keine Mittel bereit. Es geht bei dem Hochschulpakt um die Schaffung von Studienplätzen im Zusammenhang mit dem doppelten Abiturjahrgang.

Und noch einmal: Wir erhöhen den Ansatz gerade bei den Hochschulpaktmitteln auf 831 Millionen €. Herr Berger, Sie zeigen schon mit dem Daumen nach oben. Super, gut dass Sie da an unserer Seite sind.

(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])

Ich hoffe, dann würden Sie Ihre Rede – es ist angeklungen, es war ja die Wiederholung von gestern – einmal vergegenwärtigen. Sie fordern mehr Mittel, wollen sie aber gleichzeitig, weil die Qualitätsmittel zu gering sind, streichen, anstatt einen Antrag auf Erhöhung der Gelder zu stellen. Nein, Sie streichen sie ganz und argumentieren immer damit, dass sie als Kompensation die Studiengebühren wieder einführen wollen. Wollen reicht da nicht. Legen Sie einen Antrag zur Gesetzesänderung vor. Dann würden Sie da draußen vorgeführt werden. Aber wir lassen Ihnen an dieser Stelle das Alleinstellungsmerkmal für die einzige Partei in diesem Lande, die CDU, die noch Studiengebühren fordern will.

Sie fordern weiter, dass wir mehr Mittel brauchen, setzen das aber in einen Zusammenhang mit der Schuldenbremse und sagen: Sehen Sie zu, wie Sie das hinbekommen.

Herr Berger, bei einer Aktuellen Stunde gibt es keine Zwischenfragen, das sollten Sie eigentlich wissen.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)

 – Sie hampeln doch da vorne so herum. Und dabei sagt man Ihnen jetzt nur einmal die Wahrheit.

(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])

Sie sagen alle: Wir sollen damit weiter machen, mehr tun. Dann sagen Sie uns bei Ihrem Vorwurf doch bitte immer auch, wie wir unsere angebliche, ach so große Schuldenpolitik regeln sollen.

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Das ist doch Ihre Sache!)

– Ach, das ist unsere Sache! Fordern und einen Popanz aufbauen, um irgendwelche …

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Dann machen Sie doch etwas!)

– Das ist sehr einfach. Dann komme ich zu der Vermischung in Ihrem Antrag auf eine Aktuelle Stunde zum Hochschulzukunftsgesetz. Da sagen Sie: Wir wollen eine Bevormundung der Hochschulen. Dann lese ich Ihnen einfach man Ihren Haushaltsantrag vor, den Sie gestellt haben, wenn es um den Fortschritt NRW geht. Da sagen Sie: Die Verausgabung von Steuergeldern muss jedoch nach transparenten und wissenschaftlich nachvollziehbaren Leistungskriterien erfolgen. Daher kürzen wir den Ansatz. Sie wollen also genau das, was wir mit dem Hochschulzukunftsgesetz verfolgen: Transparenz, um als Parlament nachvollziehen zu können, wo unsere Mittel eingesetzt werden. Wir haben es ja jetzt schriftlich auf der Hand, und dann können Sie demnächst Ihre Argumente vielleicht selber durchlesen. Wo Sie immer meinen, Sie wären auf der sicheren Seite, haben Sie in Ihrer eigenen Argumentation eine Volte geschlagen.

Noch einmal: Wir tun sehr viel. Ich weiß nicht, wie oft wir es Ihnen noch erzählen müssen, um gerade für den anstehenden doppelten Abiturjahrgang Sicherheiten für die Studenten zu schaffen. Komischerweise, an jeder Universität, an jeder Fachhochschule in unserem Land wird dort dies so vertreten, dass die Hochschulen selber sagen, sie seien gut aufgestellt und vorbereitet. Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Erkenntnisse ziehen. Es lässt sich nur durch Medienberichterstattungen belegen, die vielleicht auch selber provoziert worden sind, Herr Dr. Berger. Vielleicht sollten Sie sich da einmal an die eigene Nase fassen.

Wir können das jetzt gerne an jedem Plenartag wiederholen. Beantragen Sie Aktuelle Stunden zu dem Thema. Es soll ja allgemeine Meinung sein, wenn man die Zahlen öfter wiederholt, dass es dann vielleicht auch andere irgendwann einmal verstanden haben, vielleicht dann auch Sie, Herr Dr. Berger. Die Hoffnung gebe ich an der Stelle nicht auf. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Kollegin Lüders.- Jetzt spricht für die FDP-Fraktion Kollege Hafke.

Marcel Hafke (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Titel dieser Aktuellen Stunde ist zwar plakativ, aber auch richtig – Hochschulen am Limit. Während wir als Opposition die Sorgen der Studierenden und der Hochschulen ernst nehmen und hier und heute über gute Lösungen sprechen wollen, stelle ich bei den Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den Grünen eigentlich nur fest, dass sie sich vollkommen von der Realität entfernt haben.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Jemand, der solche Presseartikel, die heute in den Medien zu lesen sind, vollkommen leugnet und ignoriert, kann die Probleme und Sorgen der Hochschulen und der Studierenden nicht ernst nehmen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Meine Kolleginnen und Kollegen, es geht noch weiter. Die Ministerin hat in den letzten Tagen ein Interview gegeben. Darin erklärt sie, dass Kinosäle doch auch schöne Hörsäle darstellen, die gut gepolsterten Sitze seien doch prima für die Studierenden und die Lernatmosphäre. Also, Frau Ministerin Schulze, da ist man ja als Leser schon etwas irritiert. Keine Frage, wir brauchen pragmatische Lösungen. Das kann im Zweifelsfall auch ein Kinosaal sein. Aber das als Wohlfühllösung zu verkaufen, ist wirklich dreist.

Aber das passt auch zu Ihrer Strategie, die Sie hier im Hause fahren. Probleme kleinreden, weglächeln und immer den anklagenden Zeigefinger nach Berlin richten.

(Dietmar Bell [SPD]: Den anklagenden Zeigefinger kennen wir nicht!)

Irgendwann wird aus dem anklagenden Zeigefinger dann auch die aufgehaltene Hand und der Ruf nach dem Bund. Aber im gewissen Umfange ist es ja auch richtig. Der Bund ist natürlich in seiner Pflicht. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, lieber Herr Schultheiß, dann müssen Sie auch ehrlich sein. Dann bitte ich auch darum, hier endlich mit dieser Doppelmoral aufzuhören. Die Deckelung beim Hochschulpakt im Bund aufzuheben zu fordern, ist das eine. Aber hier in Nordrhein-Westfalen die Deckelung bei der Kompensation der Studienbeiträge nicht aufzuheben, ist eine unvernünftige Politik, weil das zulasten der Hochschulen und der Studierenden geht.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Karl Schultheis [SPD])

Herr Schultheis, Frau Ministerin Schulze stellt sich dann noch hier vor den Landtag in Nordrhein-Westfalen und verspricht den Hochschulen 830 Millionen € vom Land. Das klingt natürlich gut. Mit dieser großen Summe haben Sie es dann ja auch in alle Zeitungen geschafft. Herzlichen Glückwunsch dazu!

Das Problem ist nur, dass das nicht stimmt. Tatsächlich kommt von den 830 Millionen € über die Hälfte, nämlich 432 Millionen €, vom Bund. Das dann als tolle Leistung dieser Landesregierung zu verkaufen, ist schlichtweg Wählertäuschung.

(Beifall von der FDP und der CDU – Nadja Lüders [SPD]: Es geht um das gesamte Maßnahmenpaket!)

Frau Ministerin Schulze, Ihr Glück hierbei ist, dass wir in Nordrhein-Westfalen so exzellente Hochschulen haben. Immerhin haben Sie sich hier richtig verhalten und die Hochschulen für die großen Anstrengungen gelobt, die sie unternehmen. Wenn die steigenden Studierendenzahlen halbwegs gut abgefangen werden, dann ist das das Verdienst der Hochschulen und nicht das Ihre. Das erkennen wir auch ausdrücklich an.

Was macht man, wenn man etwas anerkennt und möchte, dass weiterhin gute Arbeit geleistet wird? Man unterstützt, man hilft, man hört auf die Betroffenen. Das wäre vernünftig. Was macht unsere Hochschulministerin? In einer Zeit, in der Hochschulen unter enormem Druck stehen, in der sie am Limit operieren, knüppeln Sie mit der Abschaffung der Hochschulfreiheit dazwischen.

(Beifall von Klaus Kaiser [CDU])

Ihnen geht es nicht um eine vernünftige Weiterentwicklung; darüber könnte man ja reden. Ihnen geht es schlichtweg um Steuerung, um Durchgriff. Das ist schlichtweg Kontrolle, und sie ist falsch.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Frau Ministerin, Ihr Gerede vom offenen Dialogprozess – das konnten wir in den letzten Wochen auch wieder öfter hören – ist im Ergebnis eine Farce. Ihre Pseudopolitik mit einer wirklich nur peinlichen Online-Befragung hat das in den letzten Wochen gerade noch einmal gezeigt. Es muss uns allen doch darum gehen, allen Studierenden, die jetzt an die Hochschulen kommen, eine gute Ausbildung zu garantieren. Darauf müssen Sie Ihre Anstrengungen richten.

Die jungen Menschen interessieren sich nicht für ministerielle Interpretationen, wie Sie so schön schreiben. Sie interessieren sich nicht für Steuerungsmöglichkeiten der Landesregierung. Die jungen Menschen wollen in diesem Land eine gute Ausbildung. Wenn dafür auch auf einen Kinosaal zurückgegriffen wird, kann man das akzeptieren. Was man aber nicht akzeptieren kann, Frau Ministerin, ist, dass Sie sich quasi noch darüber lustig machen und gepolsterte Sessel loben.

(Beifall von der FDP)

Sorgen Sie dafür ...

(Zuruf von Karl Schultheis [SPD])

– Nein, Herr Schultheis, so sieht das nämlich wirklich aus.

(Nadja Lüders [SPD]: Sie sind im falschen Kino!)

Es kann nicht sein, dass man so etwas als ein tolles Interview bezeichnet und die Äußerung, die Kinosäle wären jetzt der richtige Weg, als eine tolle Lösung hinstellt.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sorgen Sie endlich dafür, dass jeder Student in diesem Land auch eine vernünftige Ausbildung hat, lesen Sie die aktuellen Presseartikel, sprechen Sie mit den Rektoren. Haben Sie in der letzten Woche eigentlich die aktuellen Meldungen der Fachhochschulrektorenkonferenz zur Kenntnis genommen?

(Karl Schultheis [SPD]: Wir haben das sehr wohl zur Kenntnis genommen!)

– Dann würden Sie ja feststellen, wie die Situation in unserem Land aussieht.

(Nadja Lüders [SPD]: Ja, eben!)

Ich erwarte von der SPD und von den Grünen, die ja die Mehrheit in diesem Haus stellen, dass sie anständige Politik machen und die Hochschulen unterstützen, dass sie ihnen aber nicht noch Knüppel zwischen die Beine werfen. Das wäre eine richtige Politik.

(Karl Schultheis [SPD]: Genau das machen wir!)

– Das machen Sie eben nicht. Ansonsten hätten wir ja nicht diese Medienmeldungen. Ansonsten hätten wir auch nicht die Probleme, hätten wir nicht so schlechte Betreuungsqualitäten und hätten wir eine vernünftige Ausfinanzierung.

(Karl Schultheis [SPD]: Wir bilden für Bayern die Ingenieure aus!)

– Herr Schultheis, was machen Sie denn gerade beispielsweise mit den PTA?

(Karl Schultheis [SPD]: Sagen Sie das Ihren Apothekern!)

Das ist eine vollkommen unseriöse Politik, die Sie hier an den Tag legen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Machen Sie endlich einmal das, wofür Sie hier gewählt wurden.

(Zuruf von Nadja Lüders [SPD])

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Meine Redezeit ist leider zu Ende; aber wir können diese Diskussion im Ausschuss fortsetzen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herzlichen Dank, Herr Kollege Hafke. – Nun spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Dr. Seidl.

Dr. Ruth Seidl (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Hafke, es ist schon unterirdisch, was Sie hier in der Sache zu dieser Debatte beitragen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie ignorieren komplett diese eine Milliarde Euro, über die wir gestern hier im Zusammenhang mit dem Haushalt diskutiert haben. Sie ignorieren das gesamte Maßnahmenpaket im Verlauf des Monitoring, den Aufbau von Studienplätzen, die Qualität der Lehre. Sie ignorieren das einfach und meinen, dann könnten wir hier gemeinsam eine vernünftige und sachliche Debatte führen. Das geht so nicht.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte noch einmal auf das Thema Hochschulfreiheit zu sprechen kommen, das insbesondere der FDP am Herzen liegt. Ich halte es für eine Frechheit, zu behaupten, wir belasteten die Hochschulen, während sie mit der Aufgabenstellung des doppelten Abiturjahrgangs beschäftigt sind, mit der Umsetzung einer weiteren Gesetzesnovelle.

(Klaus Kaiser [CDU]: Ja, klar!)

Das neue Hochschulgesetz tritt bekanntlich im Wintersemester 2014/2015 in Kraft und lässt insofern genug zeitliche Spielräume, sich in aller Ruhe mit dem notwendigen Erneuerungsbedarf in der Hochschulgesetzgebung auseinanderzusetzen. Das würde ich mir heute auch hier wünschen.

Wenn Sie nicht andauernd Anträge zu dem Thema stellten, liebe Kolleginnen und Kollegen, und entsprechend auch zeitaufwendige Anhörungen beantragten, die wir jetzt wieder vor uns haben, dann ersparten Sie den Hochschulangehörigen eine Menge Zeit, Arbeit und auch unnötige Stellungnahmen.

(Klaus Kaiser [CDU]: Das ist ja unglaublich!)

– Ja, wir machen das doch schon zum dritten Mal auf der Grundlage Ihrer Anträge. Mit anderen Worten: Sie sind es doch, die die Unruhe in die Hochschulen hineintragen, die diese Zeitungsartikel provozieren und die zurzeit permanent die Ängste schüren.

Wir haben hier im Landtag das Thema Hochschulautonomie mehrfach diskutiert. Es muss jetzt auch einmal klar sein, dass wir tatsächlich Erneuerungsbedarf sehen, wenn es nämlich darum geht, die Hochschulautonomie weiterzuentwickeln und dabei auch zu neuen, innovativen Formen demokratischer Beteiligung zu kommen. Darüber denken Sie ja gar nicht nach.

Wir wollen insbesondere den Senat und auch die Rolle des Landesparlaments wieder stärken, wenn es um die Entwicklungsperspektiven für die bundesweit dichteste Hochschullandschaft geht. An dieser Stelle ist Ihr Gesetz einfach stehen geblieben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir wollen die Schwachstellen des unter Ihrer Regierung, Herr Berger, konzipierten Gesetzes beseitigen, und wir wollen, dass das Land wieder mehr Verantwortung für die Hochschulen übernehmen kann.

Autonomie und Verantwortung gehören bekanntlich eng zusammen. Genau das unterscheidet uns. Während Sie seit dem sogenannten Hochschulfreiheitsgesetz die Hochschulen sich selbst überlassen, wollen wir wieder Gewährleistungsverantwortung als verlässlicher Partner hier in Nordrhein-Westfalen übernehmen.

Ich kann verstehen, dass es bei der FDP-Fraktion einen solchen Reflex gibt, das Hochschulfreiheitsgesetz Ihres ehemaligen Ministers heiligzusprechen. Aber es muss auch darum gehen, Fehler zu korrigieren und den gesellschaftlichen Aufgabenkatalog der Hochschulen neu zu definieren. An diesem Prozess sollen in der Tat alle relevanten Hochschulakteure beteiligt werden, aber in aller Ruhe und über einen angemessenen Zeitraum.

Wenn Sie jetzt hier heute mit viel Theater und Tamtam Ihre Verschwörungstheorien in Anträge gießen, dann zeigt das doch, dass Sie in der Hochschulpolitik – über Herrn Kaiser möchte ich, ehrlich gesagt, erst gar nicht reden; bleiben Sie besser bei der Schulpolitik – einfach gar keine Ideen haben und keine eigenen Akzente setzen können

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

und dass Sie vielleicht auch davon ablenken wollen, dass Sie beim einzigen Thema, das Sie mit der Wiedereinführung der Studiengebühren hier in den Landtag eingebracht haben, jetzt ganz allein auf weiter Flur stehen.

Das ist doch ein Treppenwitz, über den ganz Deutschland lacht – übrigens vielleicht auch Herr Seehofer in Bayern, der am Wochenende zusammen mit den Kollegen von der FDP sogar grünes Licht für die Abschaffung der Campus-Maut gegeben hat. Denn während die gesamte Republik die Studiengebühren abschafft, träumen Sie hier in Nordrhein-Westfalen immer noch davon, diese wieder einzuführen. Mit dieser bildungspolitischen Insellösung machen Sie sich zur bundespolitischen Lachnummer, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Man muss sich tatsächlich fragen: Ist die CDU hier in Nordrhein-Westfalen tatsächlich noch konservativer als ihre kleine Schwesterpartei in Bayern? Offensichtlich ja. Träumen Sie schön weiter. Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Dr. Seidl. – Nun spricht für die Landesregierung die Ministerin Frau Schulze.

Svenja Schulze, Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt einen zentralen Unterschied zwischen dem, was die CDU-geführte Regierung getan hat und was Rot-Grün jetzt macht. Wir lassen die Hochschulen mit dem doppelten Abiturjahrgang nicht alleine.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Widerspruch von der CDU und von der FDP)

Wir übernehmen da Verantwortung. Das, was Sie hier heute alles wissen, wissen Sie, weil wir ein Monitoring nach vorne gebracht haben, weil wir die Hochschulen begleiten und ganz genau nachfragen, was denn eigentlich passiert und wie das Land unterstützen kann.

Sie müssen sich in Bezug auf die Strategie schon entscheiden. Auf der einen Seite kritisieren Sie, dass zu wenig Geld an die Hochschulen geht, auf der anderen Seite werfen Sie mir hier vor, dass die über 830 Millionen €, die wir in 2013 an die Hochschulen geben, zu viel Geld seien. Ich finde, Sie sollten sich bei Ihrer Argumentation einmal entscheiden.

Herr Abgeordneter Kaiser, der Hochschulpakt ist so gestrickt, dass alle Maßnahmen finanziert werden können, die dazu dienen, zusätzliche Studienanfängerinnen und -anfänger aufzunehmen. Das gilt natürlich auch für Personal.

Wir haben einen Monitoring-Bericht vorgelegt; der liegt auch hier im Landtag vor. Man kann darin bei jeder einzelnen Hochschule sehen: Wie viel ist gebaut worden? Wie viel Personal ist eingestellt worden? Was haben wir noch zusätzlich gemacht?

Sie fordern immer wieder ein Konzept ein. Das habe ich Ihnen vorgelegt. Wir geben bis 2020 über 10 Milliarden € für den doppelten Abiturjahrgang aus. Wir stärken die Beratung, und wir unterstützen die Studierenden.

(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])

– Es ist kein Geld von Herrn Pinkwart, Herr Berger; sonst müssten Sie dem vorgelegten Haushalt zustimmen; das kann man natürlich auch machen. Der aktuelle Haushalt wird hier wahrscheinlich mit Mehrheit von SPD und Grünen verabschiedet. Sie sind aber herzlich eingeladen, dem Einzelplan hier zuzustimmen und diese Maßnahmen mit nach vorne zu bringen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es gibt noch einen zweiten, ganz zentralen Unterschied. Ich besuche jede einzelne Hochschule hier im Land und sehe mir sehr genau an, was dort passiert. Was Sie hier machen, ist im Kern Panikmache. Besonders perfide finde ich daran, dass Sie versuchen, das hier im Landtag hochzuziehen. Im Kern machen Sie aber Folgendes: Sie reden die Leistung der Hochschulen herunter. Das ist etwas, was ich Ihnen hier nicht durchgehen lasse!

Das sage ich hier ganz deutlich.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Hochschulen leisten hier Enormes. Sie haben die Aussetzung der Wehrpflicht weggesteckt, ohne dass sie überhaupt Vorbereitungszeit hatten. Es gab kaum Unruhe, weil die Hochschulen das geleistet haben. Sie werden auch den doppelten Abiturjahrgang schaffen, weil sie sich gut darauf vorbereitet haben und weil sie so viele Mittel zur Verfügung haben. Das alles blenden Sie aus, um hier Panik zu machen. Dazu sage ich Ihnen: Das ist unverantwortlich.

Die Landesregierung, ein Teil des Landtags – nämlich SPD und Grüne – und vor allen Dingen die Hochschulen kümmern sich um den doppelten Abiturjahrgang. Ich sage hier ganz deutlich: Die zukünftigen Studierenden sind in Nordrhein-Westfalen willkommen. Wir brauchen sie, wir wollen sie an unseren Hochschulen haben. Wir sind ein Industrieland und wollen, dass sie hier ausgebildet werden, damit wir hier Fachkräfte haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir wollen in der Wissenschaft an der Spitze bleiben. Dafür werden wir hier sorgen. Mit Ihrer Panikmache werden Sie – das sage ich Ihnen ganz deutlich – nicht durchkommen. Die 37 Hochschulen in staatlicher Verantwortung bereiten sich sehr gut auf den doppelten Abiturjahrgang vor. Das können auch Sie hier im Parlament nicht schlechtreden. –Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Nun hat sich für die CDU-Fraktion noch einmal Herr Dr. Berger zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Dr. Berger.

Dr. Stefan Berger (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich doch noch einmal zu Wort gemeldet, um aus unserer Sicht einige Dinge zurechtzurücken. Zunächst einmal, Frau Ministerin Schulze: Wenn wir uns hier in diesem Parlament hinstellen und ein Thema aufgreifen, das in der Gesellschaft im Moment brennend aktuell ist – viele Zeitungsartikel belegen das –, dann machen wir das zu Recht. Es ist unsere Aufgabe, hier in diesem Parlament, die Dinge nicht zu verschweigen, sondern anzusprechen. Das hat nichts mit Panikmache zu tun, sondern ist das Aufgreifen eines aktuellen politischen Anliegens.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Beim zweiten Punkt, den Sie auch angesprochen haben, geht es um das Thema Geld. Ich habe gestern anerkannt: Der Haushalt, den Sie vorgelegt haben, ist der größte, der jemals vorgelegt wurde. Das ist richtig. Er ist deswegen der größte, weil Sie die Mittel des Hochschulpaktes II bis 2017 komplett in diesem Jahr einstellen und auch in diesem Jahr verbraten.

Darüber hinaus wollen Sie erreichen, dass Berlin – Berlin hält übrigens die Zusagen ein – die Mittel für den Hochschulpakt erhöht. Das kann ich verstehen. Darüber kann man im Übrigen sogar reden. Es kann darüber geredet werden, dass die Zahlen von damals übertroffen werden. Das ist etwas völlig anderes.

Wir sagen aber: Nicht nur Berlin – Sie zeigen immer auf Berlin – ist zuständig für die Situation an unseren Hochschulen, sondern wir alle hier. Die Landesregierung ist es insbesondere. Weiter sagen wir: In diesem Haushalt gibt es zu wenig Geld – auch zu wenig Landesgeld – für die Situation der Studierenden.

(Nadja Lüders [SPD]: Wo sind Ihre Anträge?)

Sie haben die Studienbeiträge abgeschafft. Damit enthalten Sie jetzt schon jedes Jahr den Hochschulen 50 Millionen € vor. Würde unser Modell gelten, wären 50 Millionen € mehr für die Hochschulen vorhanden. Das wäre doch schon mal etwas.

Sie zeigen auf Bayern und sagen, dass die Studienbeiträge dort abgeschafft worden sind. Dazu kann ich Ihnen nur drei Dinge sagen: Erstens kann Bayern sich das leisten. Bayern macht nicht so eine desaströse Finanzpolitik wie Sie. Darüber hinaus werden in Bayern mehrere hundert Millionen Euro bereitgestellt für eine Forschungsinitiative. Schauen Sie nach Bayern, um zu sehen, was man macht, wenn man Studienbeiträge abschafft. Bayern hat es richtig gemacht. Dort entsteht mit der Abschaffung Perspektive, und hier entsteht Trostlosigkeit.

(Beifall von der CDU)

Sie haben im Wahlkampf Versprechungen gemacht, die Sie finanzpolitisch halten müssen, wie die bezüglich des dritten Kindergartenjahres.

Sie haben in diesen Haushalt Dinge wie eine „Initiative Fortschritt“ eingestellt, von der kein Mensch weiß, was sie beinhaltet.

(Dietmar Bell [SPD]: Das ist ausdrücklich vorgetragen worden! Sie betreiben hier Autosuggestion!)

– Ich weiß, dass Sie das ärgert. – Sie haben eigene Programme zu Gender aufgelegt.

Würden wir dieses Geld für den doppelten Abiturjahrgang verwenden, hätten wir weit über 300 Millionen € zusätzlich plus 50 Millionen € Studienbeiträge; das wären rund 400 Millionen € mehr in diesem Jahr. Das wäre doch was! Da können Sie doch nicht behaupten, wir unterbreiteten keine Vorschläge!

(Nadja Lüders [SPD]: Wo sind die denn?)

– Ja, ich habe es Ihnen ja gerade erklärt.

Nun noch zum Hochschulfreiheitsgesetz: Frau Ministerin, Sie sagen, Sie wollen Transparenz. – Gegen Transparenz hat niemand etwas. Niemand hat etwas dagegen, wenn Hochschulen ihre Haushalte veröffentlichen. Es war ja auch nie der Sinn des Hochschulfreiheitsgesetzes, dass die Hochschulen ihre Mittelverwendungen im Geheimen beschließen. So platt und so dummdreist können Sie nicht argumentieren.

Worum es geht, ist doch die Frage, wer festlegt, wofür die Mittel im Einzelnen eingesetzt werden. Da ist es doch völlig klar, dass die Hochschulen vor Ort besser als Sie Bescheid wissen, wofür sie die Mittel brauchen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Nach Ihren eigenen Aussagen fahren Sie ja durch die Hochschullandschaft. Ich bin auch bei Herrn Schmachtenberg in Aachen gewesen, der mir gegenüber geäußert hat, er wisse, wofür er das Geld benötige, aber er brauche kein Ministerium, das es ihm sage. Dass er nachher darüber Rechenschaft ablegt, das ist völlig richtig und in Ordnung. Im Übrigen: Herr Pinkwart hat immer gewusst, wofür die Hochschulen ihre Mittel verwenden. Wenn Sie es nicht wissen, sind Sie fehl am Platz.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Letzter Punkt – damit will ich dann auch schließen –: Natürlich ist richtig, was Klaus Kaiser vorgetragen hat. Sie leisten sich einen Großkonflikt mit den Universitäten und Fachhochschulen über eine Organisationsfrage. Wir glauben, dass Hochschulfreiheit besser geeignet ist. Sie sind politisch anderer Meinung, Sie denken in dieser Frage eher sozialistisch; das muss man sagen.

(Dietmar Bell [SPD]: Ja, es steht der Kommunismus vor der Tür!)

Man kann Ihre Haltung einnehmen. Im Ergebnis wird es aber durch eine zentrale staatliche Gängelung dazu kommen, dass die Effizienz abnimmt und dass Sie in der jetzigen Phase einen Beitrag dazu leisten, mit der nordrhein-westfälischen eine gute und die größte und dichteste Hochschullandschaft in Europa Schritt für Schritt zu degenerieren. Dagegen werden wir Widerstand leisten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Dr. Berger. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Herr Kollege Schultheis.

Karl Schultheis (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Nur einige Worte zu den Vorrednern der Opposition: Herr Dr. Berger, die Einzigen, die hier Trostlosigkeit verbreiten, sind Sie und Herr Kaiser.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich empfinde es teilweise als unerträglich, wenn sich ein Abgeordneter wie Herr Kaiser hier salbungsvoll als guter Vater hinstellt, der sich um die Jugend kümmert. Was soll eine so alberne Rolle?

Wir müssen hier als Abgeordnete unserer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft gerecht werden.

(Zuruf von Klaus Kaiser [CDU])

Herr Berger stellt diese Funktion infrage. Ich muss Ihnen sagen: Angesichts dessen, was Sie zur Aufgabe der Landesregierung und des Landtages kundtun, sollten Sie Ihr Mandat zurückgeben.

(Beifall von der SPD)

Sie sind in Ihrer Funktion hier nicht am rechten Platz. Der Landtag und die Landesregierung haben Funktionen insbesondere dergestalt, jungen Menschen und der Gesellschaft insgesamt die Möglichkeiten zu organisieren, die für einen gesellschaftlichen Wandel, für Kultur, für Wissenschaft, für Schule usw. erforderlich sind.

Aber noch einmal zum Hochschulpakt, weil ja viele hier im Saal sind, die das nicht wissen: Der Hochschulpakt wird zu 50 % vom Bund und zu 50 % vom Land bezahlt. Das Land ist seinen Zahlungsverpflichtungen bisher immer nachgekommen. Im Übrigen, Herr Dr. Berger, werden die 50 %, die vom Bund erbracht werden, auch von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern dieses Landes Nordrhein-Westfalen aufgebracht; denn das Land selbst hat ja keine Steuerhoheit. Wir sind in einem Steuerverbund. Insofern sind im Endeffekt jede Bürgerin und jeder Bürger an der Finanzierung dieses Hochschulpaktes einmal über das Land und einmal über den Bund beteiligt.

Was den Deckel angeht, so handelt es sich um eine Zusage der Bundeskanzlerin Merkel auf dem Bildungsgipfel, den sie selbst organisiert und zu dem sie eingeladen hat. Die Zusage lautet: Wenn es mehr Studierende gibt, als damals auf der Basis der KMK-Prognose festgestellt wurde, dann soll für jeden Studierenden und jede Studierende das entsprechende Geld auch zur Verfügung gestellt werden. Nicht mehr und nicht weniger wollen wir; das ist genau das, was Frau Ministerin Schulze beim Bund einfordert. Dies halte ich für mehr als legitim.

(Beifall von der SPD – Angela Freimuth [FDP]: Das ist das, was wir für die Qualitätsverbesserungsmittel auch anstreben!)

– Ja, dann beantragen Sie es doch, verdammt noch mal! Schauen Sie sich doch Ihre im Haushalts- und Finanzausschuss eingebrachten Anträge an!

(Nadja Lüders [SPD]: Die streichen doch!)

Da gibt es weder einen Antrag von der CDU noch von der FDP, die Mittel für den Wissenschaftsbereich anzuheben. Im Gegenteil, Herr Berger beantragt minus 249 Millionen € durch die Abschaffung der Qualitätsverbesserungsmittel, minus 10 Millionen € durch Streichung der Forschungsinitiative und minus 2,5 Millionen € durch Abschaffung der Gender-Programme. Das sind Ihre Anträge; aber Sie haben keine Anträge, die Ausgaben für Wissenschaft und Forschung anzuheben.

(Nadja Lüders [SPD]: Das war der Herr Dr. Berger! Minus mal minus ergibt in diesem Fall nicht plus! – Widerspruch von der CDU und der FDP)

– Meine Damen und Herren, so ist das. Wenn Sie das wollen, dann sollten Sie das auch durch eigene Taten dokumentieren. Das haben Sie bisher nicht gemacht, an keiner Stelle: nicht im Wissenschaftsausschuss und auch nicht im Haushalts- und Finanzausschuss.

(Beifall von der SPD)

Wenn Sie hier die dichteste Hochschullandschaft loben, dann sage ich Ihnen: Diese Hochschullandschaft in Nordrhein-Westfalen mit vielen Forschungsinstituten ist nicht in den fünf Jahren schwarz-gelber Regierung entstanden, sondern insbesondere zu einer Zeit, als Johannes Rau hier Forschungsminister und Herr Biedenkopf Rektor der Ruhr-Uni Bochum waren.

(Armin Laschet [CDU]: Und Paul Mikat, ja!)

– Ja, Paul Mikat unter Franz Meyers als Ministerpräsident. – Was die Hochschullandschaft insgesamt angeht, so haben wir in den 39 Jahren – Sie werfen uns ja ansonsten unsere 39 Jahre Regierungszeit vor – die Fachhochschulen und die Universitäten ausgebaut, damit gerade Nordrhein-Westfalen auch eine führende Stellung einnimmt.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)

Das tun wir auch im Konzert mit Bayern. Wenn Sie sich die Ausbildungszahlen bei den Ingenieuren an den Hochschulen anschauen, dann stellen Sie fest, dass wir in Nordrhein-Westfalen gut ausgebildete Ingenieurinnen und Ingenieure nach Bayern geradewegs in den Speckgürtel von München exportieren. Das ist unsere Leistung für Bayern, während Bayern den Länderfinanzausgleich vor dem Bundesverfassungsgericht zu seinen Gunsten ändern lassen will.

Das ist unsere Leistung für die gesamte Republik, und da lassen wir uns nicht vorhalten, dass wir hier schlechte Bedingungen anbieten. Denn diejenigen, die in München erfolgreich arbeiten, sind hier an unseren Hochschulen und an unseren Forschungsinstituten ausgebildet worden, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Abgeordneter, gestatten Sie mir einen Hinweis. Obwohl aufgrund eines technischen Versehens das Ende Ihrer Redezeit leider nicht angezeigt wird – es ist erreicht. Dafür können Sie nichts. Die Anzeige war nicht in Ordnung. Ich darf Sie bitten, jetzt zügig zum Ende zu kommen.

Karl Schultheis (SPD): Normalerweise müsste man mir jetzt beweisen, dass dem so ist.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie meine Aussage anzweifeln wollen.

(Heiterkeit)

Karl Schultheis (SPD): Das würde ich nie tun, Herr Präsident. Das würde ich nie tun.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Da bin ich mir sicher.

Karl Schultheis (SPD): Das wäre auch inkonsequent. Ich bin schließlich der Meinung gewesen, dass die Aktuelle Stunde heute nicht unbedingt hätte stattfinden müssen. Daher folge ich dem gerne.

Man muss aber bestimmte Punkte hier klarstellen, damit Fehlinformationen nicht in die Lande getragen werden. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Schultheis. – Weitere Wortmeldungen, meine Damen und Herren, liegen mir nicht vor und wären auch nicht mehr zulässig.

Ich schließe damit die Aktuelle Stunde und rufe auf:

4   Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2013 (Haushaltsgesetz 2013)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/1400

Beschlussempfehlungen und Berichte
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksachen 16/2100 bis 16/2107,
16/2109 bis 16/2115 und 16/2120

zweite Lesung

Und:

Finanzplanung 2012 bis 2016 mit Finanzbericht 2013 des Landes Nordrhein-Westfalen

Drucksache 16/1401

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/2121

In Verbindung mit:

Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2013 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2013 – GFG 2013)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 16/1402

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 16/2117

zweite Lesung

Viertens rufe ich das Gesetz zur Änderung des Wasserentnahmeentgeltgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen auf. Das ist der Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/1286. Dazu wird der zuständige Haushalts- und Finanzausschuss seine Beschlussempfehlung zur dritten Lesung des Haushalts im März vorlegen.

Ich darf daran erinnern, dass das im Ältestenrat vereinbarte Beratungsverfahren mit der Reihenfolge der zu beratenden Einzelpläne und den vorgeschlagenen Redezeiten in der Tagesordnung verankert ist. Nach Beendigung der Beratung über einen Einzelplan erfolgt die Abstimmung über diesen Einzelplan im Plenum. Liegt ein Änderungsantrag zu einem Einzelplan vor, wird zunächst über diesen abgestimmt.

Heute nachzuholen ist noch die Einzelabstimmung über den Einzelplan 20 vor der Gesamtabstimmung. Die Gesamtabstimmung über den Haushaltsplan 2013 in zweiter Lesung erfolgt dann heute mit der Abstimmung über das Haushaltsgesetz.

Heute ist auch zu entscheiden über die Rücküberweisung des Haushaltsgesetzes und des Gemeindefinanzierungsgesetzes.

Ich darf des Weiteren daran erinnern, dass auch heute zwischen 12:30 und 14 Uhr keine Abstimmungen stattfinden. Aus diesem Grund wird die nachzuholende Einzelabstimmung über den Einzelplan 20 nach 14 Uhr erfolgen.

Nach diesen Vorbemerkungen, meine Damen und Herren, rufe ich nun auf den

     Einzelplan 02
Ministerpräsidentin

mit dem Teilbereich „Ministerpräsidentin und Staatskanzlei“, dem Teilbereich „Landesplanung“, dem Teilbereich „Europa und Eine Welt“ und dem Teilbereich „Medien“.

Ich darf verweisen auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 16/2102 und eröffne die Beratung zum

     Teilbereich
Ministerpräsidentin und Staatskanzlei

Für die CDU-Fraktion erteile ich zunächst Herrn Kollegen Golland das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Gregor Golland (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sieben Bundesländer schreiben inzwischen schwarze Zahlen und tilgen so Schulden. Nur Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen will nicht sparen. 60 % der Defizite aller Bundesländer entfallen auf Nordrhein-Westfalen. 3,5 Milliarden € neue Schulden werden in 2013 trotz höchster Steuereinnahmen gemacht.

Eigene Sparvorschläge haben SPD und Grüne bislang nicht oder nur unzureichend unterbreitet.

Die CDU hat dagegen 84 konkrete Änderungsvorschläge zum Haushalt eingebracht. Damit ist knapp 1 Milliarde € an strukturellen Einsparungen im Landeshaushalt verbunden. SPD und Grünen haben alle Vorschläge unseres Sanierungskonzeptes bislang abgelehnt.

So geschah es auch beim Einzelplan 02, dem Etat der Ministerpräsidentin, also Ihrem Etat, Frau Kraft. Angeblich sind Sie so sozial eingestellt und fürsorglich. Aber ausgerechnet bei dem Kern unserer Gesellschaft und seiner Zukunft, nämlich den Familien mit Kindern, wollen Sie sparen. So streichen Sie die Mittel für Geschenke aus Anlass von Mehrlingsgeburten ersatzlos. Halten Sie das für gut und gerecht?

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Ja! – Michele Marsching [PIRATEN]: Ja!)

– Sie halten das für gut und gerecht?

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Ja!)

Das nehmen wir gerne ins Protokoll auf.

Es geht hier nämlich nicht um große finanzielle Lasten für NRW, aber um ein sehr wichtiges Zeichen, nämlich ein Zeichen der Wertschätzung für Familien, die bei so plötzlichem großem Zuwachs sicherlich jeden Euro gut gebrauchen können. Statt Anerkennung senden ausgerechnet Sie und Ihre Koalition ein schlimmes Signal der sozialen Kälte in unser Land.

Bei sich selbst legen Sie dagegen ganz andere Maßstäbe an. Die weiterhin von der Staatskanzlei mit Steuergeldern organisierte und verschleierte Wahlkampffinanzierung Ihrer TatKraft-Tage ist dabei nur ein Beispiel.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Die Prüfung des Bundestages hat ein gegenteiliges Ergebnis gebracht!)

In sechs bis acht dieser Schauveranstaltungen wollen Sie sich den Wählern in Nordrhein-Westfalen in einem Format präsentieren, aus dessen Namen schon die personalisierte Selbstinszenierung spricht. Das müsste eigentlich jeden Gutbürger auf die Palme bringen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU)

Frau Kraft, Ihr Etat ist insgesamt nur ein kleiner Teil einer ungebremsten und hemmungslosen Verschuldungspolitik zulasten und auf Kosten jetziger und vor allen Dingen zukünftiger Generationen. Dafür sind Sie verantwortlich. Statt endlich zu sparen und Schulden zurückzuzahlen, geben Sie weiterhin Geld aus, das noch gar nicht erarbeitet ist, sondern nur in den Büchern von Kreditinstituten steht.

Ihre Forderung nach immer mehr Staat ist in Wirklichkeit eine zunehmende Bevormundung und Entmündigung der Bürger.

(Beifall von der CDU)

Sie verteilen unter dem Deckmantel der Fürsorge vermeintliche Wohltaten, deren Finanzmittel die hart arbeitenden Menschen in unserem Land erst erarbeiten müssen oder die sie sich von Banken und Bankern leihen müssen.

Es geht Ihnen nicht darum, den Verteilungskuchen zum Beispiel durch gute Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik für alle größer zu machen, wie es einst Ludwig Erhard formulierte. Sie wollen im Sinne einer falsch verstandenen Gerechtigkeitsidee, die in Wahrheit eine Gleichmachungsideologie ist, nur noch mehr umverteilen. Sie essen den Kuchen durch Ihre vollmundigen Versprechungen schon auf, bevor er gebacken ist.

Ich sage Ihnen daher ganz klar: Die Steuereinnahmen waren noch nie so hoch wie heute. Selbst dann schafft es Ihre Regierung nicht, zu sparen. Wenn nicht jetzt, wann dann?

(Beifall von der CDU)

Noch etwas muss einmal grundsätzlich ausgesprochen und festgehalten werden. Wir haben kein Einnahme-, sondern ein Ausgabeproblem in Nordrhein-Westfalen. So wird unser Land die Schuldenbremse nie einhalten. Allerdings glaube ich auch, dass Sie das bewusst gar nicht wollen. Anders lässt sich Ihre Verschuldungspolitik nicht erklären. Ihre Politik ist langfristig ungerecht und damit unsozial. Sie wird über kurz oder lang scheitern, vielleicht nicht heute oder morgen, aber bestimmt bei der nächsten Wahl. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Frau Kollegin Müller-Witt. Bitte schön.

Elisabeth Müller-Witt (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Entwurf zum Einzelplan 02 für den Bereich der Ministerpräsidentin und der Staatskanzlei wird konsequent das Niveau des Haushaltsvorjahres gehalten. Wie schon der Haushalt 2012 ist dies ein maßvoller und vernünftiger Haushaltsansatz. Ich möchte da meinen Kollegen Töns aus seiner Rede im November zitieren: Der Einzelplan 02, der Geschäftsbereich der Ministerpräsidentin, ist ein Beispiel solider Haushaltspolitik.

Neben einigen aus haushaltssystematischen Gründen vorgenommenen Umbuchungen sind teilweise Kürzungen in einigen Titelgruppen erfolgt.

Die Gelder für Mehrlingsgeburten – es sind übrigens „Gelder“ und nicht „Gelder für Geschenke“, und das ist in diesem Fall auch ausschlaggebend – waren dafür gedacht, eine einmalige Unterstützung für die höheren finanziellen Belastungen zu leisten. Allerdings bewirkte diese Unterstützung bei Eltern, die auf Transfereinkommen angewiesen sind, keinerlei Kostenentlastung, da die Zuwendung auf diese Transfereinkommen angerechnet wurde. Insofern zieht Ihre soziale Karte da überhaupt nicht.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Damit verfehlte diese Maßnahme gerade bei einkommensschwachen Familien ihren Zweck.

Der von der CDU vorgeschlagenen Kürzung im Bereich „Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungen“ des Einzelplans 02 des Aufgabenbereichs der Ministerpräsidentin und der Staatskanzlei werden wir nicht nachkommen.

Zu begrüßen ist dagegen, dass im laufenden Jahr im Rahmen von Veranstaltungen der Ministerpräsidentin vor Ort am Arbeitsplatz oder in anderer Weise im direkten Kontakt mit den Menschen unseres Landes wieder die oft bemängelte Distanz zwischen Regierung und Regierten abgebaut wird. Nicht die elitären, für einen exklusiven Kreis gedachten Veranstaltungen wie die Petersberger Convention, sondern das praktische Erleben der Vielfalt der Arbeitswelt in unserem Lande, und das ohne die Flüchtigkeit einer Stippvisite, stellt eine vertrauensbildende Maßnahme dar.

Sie wissen genauso gut wie ich, dass erst kürzlich bestätigt worden ist, dass diese Form der Bürgerveranstaltungen der Ministerpräsidentin kein unzulässiges Veranstaltungsformat ist, während Herr Rüttgers trotz Wissens um die bereits zwei Monate später stattfindende Landtagswahl am 12. März 2010 damals einen erlauchten Kreis zur Petersberger Convention eingeladen hat, was übrigens nicht den erwünschten Erfolg hatte.

Dagegen hatte Hannelore Kraft im Januar 2012, lange bevor feststand, dass es Neuwahlen geben wird, ihre letzte TatKraft-Veranstaltung vor der Wahl im Mai 2012 durchgeführt. Deshalb hier die klare Aussage: Die SPD-Fraktion begrüßt die TatKraft-Einsätze unserer Ministerpräsidentin ausdrücklich.

Abschließend noch zu einem durchaus beachtlichen Etatansatz: Der Klimawandel als Herausforderung der nächsten Jahrzehnte findet seinen Niederschlag im Einzelplan 02 in Form der Klimaschutzexpo, einem Projekt, das ausgehend vom Ruhrgebiet in ganz NRW seine Wirkung entfalten wird. Die Klimaschutzexpo wird Impulse setzen und damit sowohl ökonomische als auch aus ökologischer Sicht nachhaltige Wirkung zeigen.

Die Haushaltstitel im Einzelplan 02 für Ministerpräsidentin und Staatskanzlei zeigen somit neben der formalen Abbildung von Ausgaben und Einnahmen auch die Bedeutung, welche einem so herausragenden Thema wie dem Klimaschutz in unserem Land beigemessen wird.

Fazit: Die Haushaltsplanungen für den Bereich Ministerpräsidentin und Staatskanzlei finden unsere volle Zustimmung.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Für die FDP-Fraktion spricht als nächste Rednerin Frau Kollegin Freimuth.

Angela Freimuth (FDP): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Bund wäre das jetzt in der Tat der Punkt für die Generaldebatte um die Politik dieser Landesregierung. Hier sind die Regeln anders. Deshalb will ich der Versuchung an dieser Stelle widerstehen und nur ganz kurz zum Einzelplan 02 und hier zu den Kapiteln 02 010 und 02 020 einige Anmerkungen machen.

Beim Vergleich mit dem Vorjahr zeigt sich hier nicht wirklich viel. Fast wäre ich in der Versuchung anzuerkennen, dass es angesichts der Schuldenpolitik der regierungstragenden Fraktionen im Übrigen keinen wesentlichen Mittelaufwuchs für den Bereich der Ministerpräsidentin gibt, der allerdings auch vorher schon ganz ordentlich ausgestattet war. Wollten wir allerdings das Thema „Haushaltskonsolidierung“ mit der erforderlichen Ernsthaftigkeit im Parlament begleiten und aktiv mitgestalten, wären die Etatansätze der Ministerpräsidentin sicherlich eine Gelegenheit, bei den Konsolidierungsanstrengungen mit gutem Beispiel voranzugehen.

Ansatzpunkte für ein solches Vorgehen gäbe es in der Tat viele, insbesondere mit Blick auf die Öffentlichkeitsarbeit und die Präsentationen. Auf die Herausgabe der einen oder anderen Hochglanzbroschüre zu verzichten, wäre ein ordentlicher Beitrag.

Auf besonderen Wunsch eines einzelnen von mir sehr geschätzten Gentleman möchte ich eine Anmerkung zu der schon viel zitierten und besprochenen TatKraft-Tour machen, insbesondere zur Finanzierung dieser Veranstaltungskonzeption aus dem Landeshaushalt, also aus dem Einzelplan der Ministerpräsidentin. Das ist kein neues Thema. Wir haben uns mit ihm auch schon vor der rechtlichen Prüfung durch den Deutschen Bundestag – wohl auf Antrag der Kollegen der CDU – sehr intensiv auseinandergesetzt.

Damals habe ich mit Bedacht darum gebeten, diese Konzeption noch einmal gründlich zu überdenken. Nach meinem Eindruck gab es durchaus Signale, dass dies geschehen würde, da mit dieser Veranstaltungsreihe sehr leicht der Anschein erweckt wird – da sind wir in einer besonderen Verantwortung –, dass eine parteipolitische Veranstaltungsreihe unter dem gleichen Titel als eine Regierungsöffentlichkeitsmaßnahme fortgesetzt und vermengt wird. Ich finde es sehr bedauerlich, dass diese Chance ausdrücklich nicht ergriffen wird.

Das Thema wird von uns immer wieder mal aufgerufen, weil Sie, Frau Ministerpräsidentin, den Anspruch erhoben haben, eine uneitle, nicht Ihre Person in den Mittelpunkt rückende Politik zu betreiben und Regierungsverantwortung zu übernehmen.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Das sieht man auch! Kommen Sie mal vorbei!)

Weil wir im Einzelplan 02 viele Bereiche finden, bei denen Einsparpotenziale im Sinne von Ausgabenkürzungen nicht genutzt werden, werden wir ihm nicht zustimmen.

Ich leiste meinen Beitrag zur Zeitkonsolidierung, indem ich meine Redezeit nicht voll ausschöpfe. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin Freimuth. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht als nächster Redner Herr Kollege Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Golland, ich bin von Ihnen einiges gewöhnt. Aber Sie wollen bei einem Einzeletat, der zu den kleinsten im Landeshaushalt gehört, immer eine Nummer mehr draufknallen, obwohl Ihre Fraktion sogar Mehrausgaben fordert und über die „Rheinische Post“ verlautbaren lässt, dass die Streichung der Geschenke für Mehrlingsgeburten nicht zur Haushaltskonsolidierung beitragen würde. Das wären nur 140.000 von 60 Milliarden. Warum machen wir das überhaupt?

Wenn Sie sich ernst nehmen wollen, Herr Kollege Golland, dann blasen Sie sich hier nicht so auf! – Das ist der erste Punkt, gerichtet an Sie ganz persönlich.

Wenn die CDU-Landtagsfraktion zum Zweiten bei den Titeln 4 % oder im Endausbau 20 % respektive 45 % einsparen möchte – ich habe Ihnen das gestern vorgerechnet –, wäre diese Position mit anderen zusammen längst wegrasiert. Sie ducken sich weg; Sie wollen keine Haushaltskonsolidierung! – So viel zur CDU.

(Beifall von den GRÜNEN)

Frau Kollegin Freimuth hat, wie erwartet, deutlich sachlicher und angemessener vorgetragen. Den Punkt „TatKraft-Tour“ besprechen wir nun wahrscheinlich jedes Jahr. Ich könnte Ihnen auch jedes Jahr vortragen, was Herr Rüttgers gemacht hat, wie viele Hunderttausend das mehr gekostet hat, wie viel unsinniger das gewesen ist, während Frau Kraft jeweils vor Ort geht und die TatKraft-Tour als solche nichts kostet. Die Veranstaltung am Abend, in der es zu einem sehr intensiven Austausch mit der Bevölkerung kommt, führt zu entsprechenden Kosten, die der Staatssekretär im Ausschuss aufgelistet hat. Diese Kosten sind um ein Vielfaches niedriger als das, was die frühere Regierung ausgegeben hat.

Liebe Kollegin Freimuth, wenn Sie Hinweise auf Hochglanzbroschüren haben, die unangemessen teuer sind – wir führen mittlerweile auch ein Register darüber –, sammeln wir das gerne. Der Staatssekretär nickt schon. Wir gehen Hinweisen gerne nach. Ich nehme an, das gilt auch für die Regierung. Wenn irgendetwas fehlgelaufen ist, werden wir das aufspüren und einsparen. Das sichere ich ebenso wie die Landesregierung ausdrücklich zu. Wir sind in einem Boot und können das gerne zusammen machen, wenn das auf dem Niveau abläuft: „Was ist überpointiert? Wo können wir einsparen?“

Da muss ich der Staatskanzlei ein Lob aussprechen. Sie bemüht sich, Sachen zu finden. Es werden auch Konsequenzen gezogen, wenn etwas für falsch oder zu groß gehalten wird. So muss der Weg aussehen.

Wir reden nicht über einen Einzelplan mit sehr vielen Förderprogrammen, über die man inhaltlich diskutieren könnte, sondern über Effizienzen und möglicherweise kleinteilige Korrekturen. Diese Korrektur ist bei den Mehrlingsgeburten vorgenommen worden.

Deswegen ist dieser Einzelplan ein guter Beleg dafür, wie man mit zugegebenermaßen kleinen Schritten und konsequentem Durchforsten zu Einsparungen kommt und sie mit offenem Visier durchträgt.

Auch ich werde meine Redezeit nicht ausschöpfen und empfehle Ihnen – wie erwartet – die Zustimmung zu diesem Etat. In dem Zusammenhang danke ich auch für die gute Zuarbeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Danke, Herr Kollege. – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Marsching das Wort.

Michele Marsching (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich versuche ebenfalls, mich kurz zu fassen, meine Damen und Herren. Wir haben im Hauptausschuss zusammen gesessen und über das Kapitel 02 010 geredet. Ich habe das Protokoll vorliegen. Es gab aus keiner Fraktion eine Wortmeldung. Dann habe ich mir das Protokoll des Haushalts- und Finanzausschusses herausgesucht. Änderungsanträge wurden auch dort nicht gestellt. Jetzt kommen drei Änderungsanträge von der CDU. Wir haben über die Themen gerade schon ausführlich geredet. Wir haben auch im Hauptausschuss darüber geredet.

Es geht um die Mehrlingsgeburten, für die Geld hinzugegeben werden soll, es geht um die TatKraft-Tage und den Etat der Ministerpräsidentin für die Öffentlichkeitsarbeit, bei dem gekürzt werden soll. Das hatten wir im Hauptausschuss. Ich weiß, dass wir nicht immer zu gemeinsamen Positionen kommen. Aber ich dachte, das Thema wäre durch. Dann sehe ich, es wurden keine Anträge gestellt, finde ich super.

Jetzt liegen die Anträge doch wieder auf dem Tisch. Ich finde es ein bisschen befremdlich, wenn man immer einen Zickzackkurs fährt. Aber okay.

Ein bisschen erinnert mich das mit den TatKraft-Tagen an die berühmte Szene bei Monty Python am Anfang mit der Steinigung. Ich weiß nicht, ob Sie es kennen. Als der erste Stein fliegt, fragt der Priester, wer den ersten Stein geworfen hat. Die Antwort lautet: Er war es, er war es! Sie war es, sie war es! – So funktioniert das hier auch.

(Beifall von den PIRATEN)

Der eine sagt, die TatKraft-Tour ist Mist. Der andere sagt, die Petersberg Convention ist Mist. Liebe Leute, damit können wir wirklich langsam aufhören. Das muss nicht sein.

Eine fachliche Sache möchte ich noch zu den Mehrlingsgeburten sagen. Ich habe gerade auf die Frage von Herrn Golland mit voller Überzeugung gesagt: „Dieses Geld ist unsozial.“ Ja, ich sehe das so. Wann treten Mehrlingsgeburten auf? Ich kann aus eigener Erfahrung etwas dazu sagen. Mehrlingsgeburten treten vor allen Dingen auf, wenn es nicht möglich ist, auf natürlichem Weg Kinder zu zeugen. Sie treten in erhöhtem Maße auf, wenn künstliche Befruchtung angewandt wird. Wer kann sich eine künstliche Befruchtung leisten? Das sind die Leute, die schon Kohle haben. Denen noch etwas hinterherzuwerfen, muss nun wirklich nicht sein.

Ich empfehle meiner Fraktion, diesem Einzelplan mit den Kapiteln 02 010 und 02 020 zuzustimmen.

Ich möchte noch eines sagen, was auf Ausgleich zielt. Es geht um einen Satz, den Herr Kollege Sommer im Hauptausschuss gesagt hat. Vielleicht bekommen wir es dann mit den TatKraft-Tagen hin. Im Protokoll steht: „Torsten Sommer schlägt zur Glättung der Wogen vor, an TatKraft-Tagen künftig einfach einen Vertreter jeder Fraktion teilnehmen zu lassen.“ Das wäre ein Vorschlag, das wäre ein Ausgleich. So etwas sollten wir einmal versuchen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN – Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Die Abgeordneten vor Ort werden eingeladen!)

– Das weiß ich, ja. Das sind nicht alle Fraktionen.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Landesregierung erteile ich nun Frau Ministerin Dr. Schwall-Düren das Wort.

Dr. Angelica Schwall-Düren, Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Damen Abgeordneten! Frau Abgeordnete Müller-Witt hat vorhin schon darauf hingewiesen, dass wir mit dem vorliegenden Etatentwurf gewissermaßen die Quadratur des Kreises schaffen. Einerseits enthält dieser Entwurf die ausgabenrelevanten Schwerpunkte der Regierungserklärung der Ministerpräsidentin vom 12. September. Andererseits leistet dieser Entwurf genau wie alle anderen Ressorts den geforderten anteiligen Sparbeitrag.

Lassen Sie mich an dieser Stelle nur noch ein Wort zu den angesprochenen Mehrlingsgeburten sagen. Ja, es ist auf den ersten Blick vielleicht sehr bedauerlich, dass diese Maßnahme nicht mehr möglich ist. Aber auf den zweiten Blick können wir sagen, dass die Verteilung recht zufällig erfolgte, wenn entsprechende Nennungen gegenüber der Staatskanzlei erfolgten. Die Bedürftigkeit spielte in der Tat überhaupt keine Rolle.

Meine Damen und Herren, das Gesamtergebnis dieses Haushalts überraschte nicht. Sowohl in der Struktur als auch in der Haushaltsanmeldung ist er weitgehend unverändert mit einem Plus von 22.800 €. Dass dies in Wahrheit eine Reduzierung, ein Weniger gegenüber 2012 ist, wird spätestens dann deutlich, wenn Sie sich klar machen, dass wir eine Inflationsrate von 1,7 % haben, dass wir nicht beeinflussbare Steigerungsraten, automatische Steigerungsfaktoren wie anwachsende Versorgungs- und Beihilfeleistungen, zum Beispiel indexbedingte Steigerungen bei Mietzins- und Mietne­ben­kosten für die Liegenschaften in Berlin und Brüssel, aber auch bei den Dotationen an die Kirchen und Jüdischen Kultusgemeinden haben.

Dass wir trotzdem politische Schwerpunkte abbilden können, ist umso erfreulicher. Die Ministerpräsidentin hat in ihrer Regierungserklärung die landesweite Ausstellung Klimaschutz-Expo angekündigt, in der wir über einen mehrjährigen Zeitraum das gesamte Leistungsspektrum Nordrhein-Westfalens in den Bereichen Klimaschutzressourcen und Energieeffizienz zeigen wollen. Angelehnt an die Struktur und Durchführung der IBA Emscher Park erwarten wir, dass mit dieser dezentral organisierten Leistungsschau innovative Impulse von und für Nordrhein-Westfalen ausgehen.

Als zweiter Schwerpunkt wird die Koordinierung und Steuerung der Energiewende deutlich. Das ist in Nordrhein-Westfalen Chefinnensache. Nordrhein-Westfalen ist bei diesem Thema ganz maßgeblich involviert. Wir sind mit unserer energiebedürftigen Industrie, als Region mitten in Deutschland als Durchgangsland für Leitungstrassen und als Produzent von Energie betroffen. Deswegen bedarf es eines schlagkräftigen Stabes, um die nötigen Koordinierungsarbeiten durchzuführen. Dafür müssen wir personell und organisatorisch angemessen ausgestattet sein. Wir glauben, mit vier befristet einzustellenden Projektkräften im Vergleich zu 200 Kräften, die die Bundesregierung für die Energiewende einstellt, nicht unangemessen für diese wichtige Aufgabe der Zukunft vorzusorgen.

Meine Damen und Herren, ich will gerne auch auf die Themen eingehen, die Sie im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit angesprochen haben.

Lassen Sie mich auch in diesem Zusammenhang noch einmal unterstreichen, dass in der Frage der TatKraft-Veranstaltungen eindeutig geklärt ist, dass es sich nicht um Wahlkampfveranstaltungen handelt, sondern die Ministerpräsidentin mit Angehörigen der besuchten Unternehmen und Einrichtungen, mit Sachverständigen, örtlichen Funktionsträger/innen sowie Bürgern und Bürgerinnen bei einer parteiübergreifenden Zusammensetzung des Gästekreises die Eindrücke, Probleme und Handlungsbedarfe diskutiert, politisch einordnet, sozusagen im Praxistest für Regierungshandeln. Wir tun etwas dafür, dass sich Politik nicht abgehoben von der Bevölkerung, der Wirtschaft, und dem Arbeitsleben betätigt.

Lassen Sie mich ein letztes Wort sagen, meine Damen und Herren: Wenn wir uns den Etat für die Öffentlichkeitsarbeit insgesamt anschauen, können wir feststellen, dass er seit 2006 unverändert geblieben ist. Bei der Vorgängerregierung war er aber im Ist-Ergebnis jedes Mal deutlich höher. Im Vergleich zu Ländern wie Bayern oder sogar Sachsen müssen und können wir feststellen, dass der Ansatz in unserem Land durchaus moderat ist, aber auch die neue Vernetzung in der digitalen Gesellschaft die Notwendigkeit mit sich bringt, dass die Landesregierung im Austausch mit der Bevölkerung für Kommunikation gut aufgestellt ist, damit es in beide Richtungen einen Informationsaustausch gibt und wir im Verbund mit den Bürgern und Bürgerinnen eine gute Arbeit leisten können. – Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und Michele Marsching [PIRATEN])

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Weitere Wortmeldungen zum Teilbereich „Ministerpräsidentin und Staatskanzlei“ des Einzelplans 02 liegen mir nicht vor.

Wir kommen damit zum

     Teilbereich
Landesplanung

Ich eröffne die Beratung und erteile zunächst Herrn Kollegen Dr. Bergmann von der CDU das Wort.

Dr. Günther Bergmann (CDU): Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Im Einzelplan 02 sind 2,1 Millionen € für Landesplanung eingestellt. Das ist ziemlich viel Geld dafür, dass die Landesregierung bis dato noch nichts geliefert hat. Dabei ist Landesplanung doch eine der oft verkannten Königsdisziplinen der Landespolitik, manchmal zwar ein bisschen trocken, aber eigentlich immer wichtig. Ihr Ziel ist es, die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern und zu unterstützen. Durch falsche Festsetzungen kann sie sich aber auch ganz schnell ins Gegenteil verkehren.

Bereits im Koalitionsvertrag 2010 und dann wieder im Koalitionsvertrag 2012 kündigen die rot-grünen Landesregierungen eine Novelle des LEP an. Folgenlos, bisher liegt noch nichts vor!

Bevor jetzt aber wieder der Reflex aufkommt, die Vorgängerregierung habe auch nichts in die Wege geleitet, kann ich nur sagen: Versuchen Sie doch nicht immer nur, eigene Defizite mit schon inzwischen drei Jahre lang zurückliegenden Geschichten zu überdecken! Das wird in der Öffentlichkeit eigentlich doch nur noch als gebetsmühlenartig vorgetragene und inzwischen abgenutzte Floskeln wahrgenommen.

(Beifall von der CDU)

Lassen Sie Ihren Vorankündigungen doch endlich Taten folgen. Bisher gibt es noch nicht einmal einen Eckpunkteplan oder gar einen Entwurf. Machen Sie doch endlich das Beteiligungsverfahren! Binden Sie aber bitte vorher auch den Landtag ein,

(Beifall von der CDU)

damit wir vor den Konsultationen eine Debatte zu den Zielen der Novelle führen können. Erst nach Abschluss des Konsultationsverfahrens hier eine Vorlage einzubringen, halten wir von der CDU für falsch. So sehr wir also die Einschätzung der Landesregierung ausdrücklich teilen, dass möglichst viele Betroffene zu beteiligen sind, so sehr halten wir es für falsch, dass der Landtag erst nach der Beteiligung hier den LEP diskutieren soll.

Es herrscht doch wohl Einigkeit darüber, dass zeitgemäße Landes- und Regionalplanung die Lebensgrundlagen der Menschen in allen Bereichen unseres Landes sichert sowie Planungs- und Investitionssicherheit schafft. Auf der Landesplanung setzten schließlich die regionalen und letztendlich die kommunalen Bauleitplanungen auf.

Ohne hier schon ins Detail gehen zu wollen, möchte ich exemplarisch zwei Problemfelder herausgreifen, um zu zeigen, wie wichtig zeitnahes Handeln in der Landesplanung ist:

Erstens: Flächenverbrauch. Derzeit werden in Nordrhein-Westfalen täglich 15 ha verbraucht. Wir teilen ausdrücklich die Forderung – ausdrücklich! –, diesen Verbrauch zu reduzieren. Aber wir wissen auch: Wirtschaftliche Entwicklung braucht Fläche.

Vor Weihnachten schlug genau dieses Thema bei Unternehmen, Verbänden und Kommunen hohe Wellen. Die Landesregierung hatte einen Erlass zur Siedlungsflächenbedarfsermittlung auf den Weg gebracht. Dieser hätte dazu geführt, dass wirtschaftliche Entwicklung eben in weiten Teilen Nordrhein-Westfalens unmöglich geworden wäre.

Der Erlass ging nämlich davon aus, dass der Flächenbedarf pro Beschäftigtem bei 50 bis 300 m² liegt. Dabei hatte die IHK Nordrhein-Westfalen alleine für das Ruhrgebiet schon gesagt, er liege zwischen 130 und 3.000 m² pro Beschäftigtem, also durchschnittlich schon bei 367. Denken Sie nur an die Konsequenzen solch falscher Erlassvorgaben für die rasant wachsende Logistikbranche, die mit diesen Mittelwerten nie auf einen grünen Zweig kommen kann.

(Beifall von der CDU)

Viele Arbeitsplätze, gerade auch solche für weniger Qualifizierte dringend benötigte, wären aufs Spiel gesetzt worden.

Ähnliches gilt im Umgang mit den Industriebrachen. Wir teilen das Ziel, dass die Revitalisierung von Brachflächen Vorrang vor Neuausweisungen haben muss. Das darf aber nicht dazu führen, dass sinnvolle Ansiedlungen an fehlenden Flächen scheitern und Arbeitsplätze außerhalb Nordrhein-Westfalens entstehen.

Zweites Thema: Klimaschutz. Im Januar 2013, also vor wenigen Wochen, haben die regierungstragenden Fraktionen trotz eindringlicher Warnungen von Industrie und Mittelstand das Klimaschutzgesetz durchgesetzt. Die Wirtschaft befürchtet, dass dieses Gesetz zu einer Deindustrialisierung unseres Landes führen wird. Auch wir glauben, dass die Verknüpfung von Klimaschutz und Raumplanung, wie sie der rot-grüne Koalitionsvertrag vorsieht, für den Industriestandort Nordrhein-Westfalen sehr gefährlich ist.

Wenn Klimaschutz als reine Verringerung von klimaschädlichen Emissionen an einem bestimmten Standort gesehen wird, ohne dass beispielsweise auf die Produktbilanz abgestellt wird, wenn Klimaschutz darüber hinaus noch Ziel der Landesplanung wird, öffnet das Klimaschutzgesetz in Verbindung mit dem Landesentwicklungsplan wirklich die Tür zur befürchteten Deindustrialisierung Nordrhein-Westfalens. Das darf aus Sicht der CDU nie Ziel von Landespolitik in Nordrhein-Westfalen sein.

(Beifall von der CDU)

Uns beschleicht der Verdacht, dass der erst für 2014 geplante Kabinettsbeschluss über den Gesamt-LEP nicht nur mit Beteiligungen von Betroffenen zu tun hat, sondern vor allem damit, dass man zunächst den in Arbeit befindlichen Klimaschutzplan abwarten will.

Wir fordern daher die Landesregierung, besonders Sie, Minister Duin, als zuständigen Minister auf, den Landesentwicklungsplan nicht durch eine Verquickung mit Klimaschutzgesetz und Klimaschutzplan zum Werkzeug der Deindustrialisierung von Nordrhein-Westfalen zu machen. – Schönen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die SPD-Fraktion erteile ich als nächstem Redner Herrn Kollegen Thiel das Wort.

Rainer Christian Thiel (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin! Liebe Kollegen und Kollegen! Liebe Damen und Herren! Liebe Gäste! Sehr geehrter Herr Dr. Bergmann, es ist schon etwas befremdlich, was Sie hier zur Landesplanung abgeliefert haben, zuspitzend auf den Begriff Deindustrialisierung. Das ist reine Schwarzmalerei.

Das ist meine erste Rede hier im Parlament. Ich gehöre dem Landtag seit Mai an. Was ich in dieser Zeit erlebt habe, ist eine CDU, die das Ereignis der Wahlniederlage irgendwie nicht verarbeitet hat.

(Zurufe von der CDU)

In vielen Ausschüssen und bei anderen Begegnungen, da ist immer dieser anklagende Unterton: Die Regierung macht irgendetwas nicht; sie verschleppt irgendetwas. Irgendwie ist es alles nicht richtig. Aus allem holen Sie so etwas Negatives heraus. Sie werden der CDU damit keinen Gefallen tun. Sie werden zur Kenntnis nehmen müssen, dass auch zukünftige Wahlergebnisse eher so ausgehen wie im letzten Mai, auch wenn Sie etwas anderes herbeizureden versuchen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Der Landesplanung zu unterstellen, sie fördere Deindustrialisierung, ist jenseits realistischer Wahrnehmungen.

„Stark für die Zukunft – durch weitsichtiges Handeln“ – das war das Motto der Regierungserklärung der Ministerpräsidentin. Dieses Motto gilt auch und gerade für die Landesplanung.

Zukunftschancen eröffnen, Interessen ausgleichen, Beteiligung der Betroffenen organisieren und moderieren – das ist der Weg zu einer nachhaltigen Landesentwicklung. NRW ist das bevölkerungsreichste Bundesland und auch das industrielle Herz Deutschlands. Das macht die Landesplanung zu einer herausragenden Aufgabe für die zukunftsorientierte Entwicklung unseres Bundeslandes.

Landesplanung ist aber auch ein Politikfeld, in dem sehr unterschiedliche Interessen, verschiedene Bereiche sowie bundesrechtliche und andere Vorgaben beachtet werden müssen, eine typische Querschnittsaufgabe und daher richtig und gut in der Staatskanzlei angesiedelt.

Zentrales Projekt ist der neue Landesentwicklungsplan. Auch da stimmt nicht, Herr Dr. Bergmann, was Sie sagen. Der Kabinettsbeschluss – das wurde im Wirtschaftsausschuss auch so angekündigt – wird in diesem Frühjahr erwartet. Dann beginnt das Beteiligungsverfahren, und der Entwurf des neuen LEP steht dann auch den Landtagsabgeordneten zur Diskussion zur Verfügung.

Es geht im neuen LEP um nachhaltige Raumentwicklung, die gesellschaftliche Veränderungen einbezieht, zum Beispiel die Gestaltung des demografischen Wandels. Planerische Anpassungen auf den Bevölkerungsrückgang herbeizuführen, ist eine gewaltige Herausforderung, wenn man bedenkt, dass Politik auf allen Ebenen seit Jahrzehnten auf Zuwachs ausgerichtet ist.

Wir müssen aber die Frage beantworten, welche Infrastruktur und welche Folgekosten für die Zukunftsentwicklung einer Region angemessen sind. Wir müssen die Herausforderungen des Klimawandels einbeziehen. Dabei ist der Ausbau der Windenergie ein wichtiges Thema. Die Landes- und Regionalplanung soll Vorranggebiete für die Windenergienutzung festlegen, die insgesamt 2 % der Landesfläche ausmachen, eine gewaltige Herausforderung, wenn man bedenkt, dass die gesamte Industrie in Nordrhein-Westfalen derzeit 2,5 % an Landesfläche beansprucht.

Die Förderung der Kraft-Wärme-Koppelung ist ebenfalls ein besonderes Anliegen, weil sich hier wesentliche Potenziale zur Erreichung der Klimaschutzziele befinden.

Der sparsame Umgang mit Flächen – Sie haben es gesagt –, das Fünf-Hektar-Ziel, wird auch von der Landesregierung durch sparsame Inanspruchnahme von Flächen im Freiraum unterstützt. Wir brauchen jedoch eine Stärkung unserer Zentren, die Aktivierung von Brachflächen, die Nutzbarmachung alter Industrie- und Gewerbeflächen und behutsame Nachverdichtung da, wo es sinnvoll ist.

Wir wollen ganz ausdrücklich auch neue wirtschaftliche Entwicklung und Innovation ermöglichen und fördern. Es geht dabei um eine bedarfsgerechte Entwicklung, die die kommunale Planungshoheit berücksichtigt, aber auch regionale Erfordernisse einbezieht.

Gerade die Fragen der Anrechnung von betrieblichen Erweiterungsflächen, die Entwicklung regionaler Arbeitsmärkte oder wirtschaftliche Innovationen müssen genau betrachtet werden. Neue Wertschöpfungsketten entstehen zum Beispiel im Bereich „Logistik“. Dafür wird Raum benötigt. Eine Lösung könnten regionalplanerische Zuschläge für besondere Bedarfe sein, die im regionalen Interesse liegen. Darüber wird zu reden sein.

Wir wollen die Innenstädte stärken. Die „Stadt der kurzen Wege“ hat das Ziel, die Lebensschwerpunkte Wohnen, öffentliche und private Dienstleistungen sowie Einkaufsmöglichkeiten in den Zentren unserer Städte zusammenzuführen. Der Einzelplan für den großflächigen Einzelhandel stand nach dem Kabinettsbeschluss im letzten Jahr bereits in der öffentlichen Beratung.

Die Rechtsverordnung dazu ist nach gründlicher Auswertung der zahlreichen Anregungen und Hinweise aus dem Beteiligungsverfahren für den April dieses Jahres vorgesehen. Dies sind nur einige Themen der Landesplanung. Braunkohlenplanung, Kraftwerkserneuerung sowie die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn in Holland und Belgien kommen hinzu.

An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich noch einmal schönen Dank an Hannelore Kraft und Michael Groschek sagen, dass sie in diesen Gesprächen mit unseren Nachbarn das Thema „Eiserner Rhein“ in Bewegung gesetzt haben.

(Robert Stein [PIRATEN]: Und die A46!)

Die Planungen von Trassen für die Energieversorgung und Pipelines stehen ebenfalls an. Länderübergreifende Raumordnung und die Beteiligung von NRW an der Fortschreibung eines bundesweiten Leitbildes zur Raumentwicklung in Deutschland sind ebenfalls wichtige Themen.

Das alles ist in den guten Händen der Staatskanzlei, dessen Einzelplan 02 mit dem Teilbereich „Landesplanung“ zur Abstimmung steht. Wir empfehlen Zustimmung.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Sie haben es selbst erwähnt. Das war Ihre erste Rede im Landtag Nordrhein-Westfalen. Dazu darf ich Ihnen im Namen des gesamten Hohen Hauses sehr herzlich gratulieren.

(Allgemeiner Beifall)

Weil es Ihre Jungfernrede war, haben wir Ihnen auch eine gute Minute draufgelegt.

(Rainer Christian Thiel [SPD]: Ich danke Ihnen!)

Das ist hier allerdings nicht die Regel, Herr Kollege. Das als Hinweis für Ihren nächsten Auftritt.

Jetzt erteile ich für die FDP-Fraktion Herrn Kollegen Ellerbrock das Wort. Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Holger Ellerbrock (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erwünschte Entwicklungen fördern, unerwünschte verhindern – das ist das Leitmotto der Landesplanung, der Landesplanung als zentrales Steuerinstrument in der Staatskanzlei, okay. Wer diesen Leitsatz „Erwünschte Entwicklungen fördern, unerwünschte verhindern“ praktizieren will, der muss abwägen können. Das Abwägungsgebot ist systemimmanent. Wenn das verletzt wird, wird es rechtlich ausgesprochen schwierig.

Herr Thiel, ich habe Ihren Worten eben etwas entnommen, was die Staatskanzlei bislang noch nicht so veröffentlicht hatte, nämlich dass im Landesentwicklungsplan, Frau Ministerin – ich finde es richtig –, Pipelinetrassen in besonderem Maße gesichert werden und Berücksichtigung finden. Ich hatte das immer angemahnt und gesagt, darüber sollte man nachdenken. Dass das von den Kollegen von der SPD jetzt schon als Tatsachenbeschreibung dargestellt worden ist, lässt eine gewisse Hoffnung bei mir reifen, dass das mit den Kollegen aus der Landesplanung rückgekoppelt ist. Das ist richtig. Das ist ein guter Weg.

Nächster Punkt: Kollege Bergmann, ich habe Schwierigkeiten mit Ihrer Argumentation. Wir müssen zugestehen: In unserer Regierungszeit haben wir uns mit der Landesplanung und mit der Aufstellung des LEP schwer getan.

(Beifall von Herbert Franz Goldmann [GRÜNE])

Das muss man zugestehen.

Der nächste Punkt ist: Sie fordern auch in Ihrem Antrag, auf den Sie Bezug genommen haben, dass wir jetzt eine Grundsatzdiskussion über Ziele der Raumordnung und Landesplanung führen sollen. Wenn wir das verwirklichen wollten, würden wir letztendlich eine Gesetzesänderung anstreben, dann müssten wir das Landesplanungsgesetz ändern, und zwar aus folgendem Grunde: Die rechtliche Lage ist derzeit so, dass die Verwaltung einen Entwurf vorlegt, der durch einen Kabinettsbeschluss geadelt wird, der dann ins Beteiligungsverfahren geht und zu dem am Ende des Prozesses der Landtag seine Zustimmung gibt.

Ich finde den Gedankengang von Ihnen gut, zu sagen: Lasst uns früher beteiligen. – Deswegen würde ich mich freuen, Frau Ministerpräsidentin, wenn wir diese ganze Diskussion dergestalt entspannen würden: Ich interpretiere jetzt die Aussagen des Chefs der Staatskanzlei im Wirtschaftsausschuss etwas frei, wo gesagt worden ist: Wir erwarten den Kabinettsbeschluss zum Landesentwicklungsplan um Ostern herum. Ostern heißt immer plus/minus einen Monat.

Wenn wir diesen Beschluss haben, dann wird der Landtag sofort darüber informiert und kann dann anhand einer Vorlage diskutieren und sagen, es wäre gut, im Beteiligungsverfahren dieses oder jenes zu berücksichtigen.

Frau Ministerpräsidentin, wenn Sie zusagen würden: „Jawohl, nach dem Kabinettsbeschluss wird der Landtag informiert“, wäre das in Ordnung.

(Beifall von der FDP)

Wenn wir über die Landesplanung diskutieren, heißt das: Ich will wissen, wohin. Aufgrund eines gewissen Spannungsverhältnisses innerhalb dieser Koalition ist sehr undeutlich, was man eigentlich will. Die Landesplanung ist nur so wirkungsvoll, wie sie sich durchsetzen kann. Deswegen kommt es auf die Zielvorstellungen an. Frau Ministerpräsidentin, wollen wir als Land Nordrhein-Westfalen Ja zu modernen neuen Kohlekraftwerken in Datteln sagen: ja oder nein?

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Es ist nicht richtig, sich dezent zurückzulehnen und zu sagen: Naja, da hat es eine Rechtsfortentwicklung gegeben. Deswegen gab es rechtliche Probleme. Jetzt müssen wir abwarten, bis die Gerichte irgendwie entscheiden. – Nein, auch der Verwaltungsrichter muss wissen, was die Zielrichtung der Landespolitik ist, was das Land will.

(Beifall von der FDP)

Deswegen müssen wir sagen: „Ja, wir wollen Datteln haben“, oder aber: „Nein, wir brauchen das nicht.“ Das ist auch eine Entscheidung. Darüber können wir uns streiten. Wir als FDP sagen Ja zu modernen Kohlekraftwerken.

(Beifall von der FDP)

Der nächste Punkt, NewPark, ist inhaltlich mit dem Kraftwerk Datteln verknüpft, weil dort Abwärme sinnvoll genutzt werden kann. Auch hier hätten wir von der Landesregierung eine klare Meinungsäußerung erwartet: Ja, wir stehen zu NewPark. – Wir hätten das auch durch eine letztendlich risikofreie Bürgschaft für die NewPark GmbH darstellen – immerhin 23 Gemeinden, zwei Kreise, eine Industrie- und Handelskammer – und für die Entwicklung von NewPark eine Bürgschaft über 17,5 Millionen geben können, risikolos, weil dahinter landwirtschaftliche Flächen stehen, die man belasten kann.

(Beifall von Lothar Hegemann [CDU])

Wer NewPark will, hätte Ja dazu sagen können. Man kann das nachvollziehen, wenn wir die Bürgschaft gegeben haben, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, hier muss man wissen, was man will. Im Klimaschutzgesetz wird es ganz wild. Da kommt der Begriff eierlegende Wollmilchsau zum Tragen. Nach deutlicher Kritik an dem Klimaschutzgesetz mangels Abwägung – ich eben vom Abwägungsgebot zum Bereich der Landesplanung gesprochen – liest man in dem Entschließungsantrag einen in sich innewohnenden Widerspruch.

Einerseits fordert man, dass die Teile des Klimaschutzplans als Ziele und Grundsätze der Raumordnung festzulegen sind. Ziele unterliegen keiner Abwägung mehr. Jetzt kommt der nächste Satz, der das wieder zurückrollt: Die im Raumordnungsgesetz vorgesehene umfassende Abwägung aller Belange bei der Aufstellung der Raumordnungspläne bleibt erhalten. – Ich nenne das einen Formelkompromiss zur Verschleierung, da ich nicht weiß, was ich will. Will ich Ziel oder will ich nicht Ziel? Will ich eine Landesplanung haben oder nicht? Was mache ich? Das eine soll Ziel sein. Ziele müssen abgewogen werden. Diese Aussage, Ihre öffentliche Verschleierung ist ein Systemfehler. Das wabert im Unklaren. Eine Landesplanung kann nur so gut sein wie die Zielvorstellung. Erklären Sie sich! Ja zu Datteln! Ja zu NewPark! Ja zur Abwägung! – Danke schön.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Danke, Herr Ellerbrock. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich nun Herrn Kollegen Goldmann das Wort.

Herbert Franz Goldmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich finde es ausgesprochen schade, dass es gestern nicht zu der ursprünglich angesetzten Debatte zum Antrag der CDU „Unser Land braucht Entwicklung – Anforderungen an die Novelle der Landesplanung“ gekommen ist.

Einigen der in diesem Antrag formulierten Anforderungen hätte ich durchaus zustimmen können; zum Beispiel dass sinnvolle Ansiedlungen nicht an fehlender Fläche scheitern dürfen und dass es intelligenter Methoden zur Ausweisung neuer Flächen bedarf.

Andererseits haben Sie, Herr Dr. Bergmann, sowie die anderen Kolleginnen und Kollegen von der CDU der Versuchung nicht widerstehen können, eine Konfliktlinie zur Landesregierung an diesem Thema aufmachen zu wollen.

Es geht Ihnen anscheinend vornehmlich darum, ein Versagen der Landesregierung zu konstruieren. Sie kritisieren, dass die Landesregierung offensichtlich nicht in der Lage sei, die von ihr seit beinahe drei Jahren angestrebte Novellierung der Landesplanung vorzunehmen. Dieser Vorwurf nimmt der Ernsthaftigkeit der von Ihnen formulierten Ansprüche leider deutlich die Wirkung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich möchte an dieser Stelle insbesondere auf die umfassenden Ausführungen der Staatskanzlei im Rahmen der Sitzung des Wirtschaftsausschusses am 16. Januar verweisen, die allen Beteiligten vorliegen sollten. Diese machten deutlich, dass die Staatskanzlei auf einem guten Weg ist.

Die Landesregierung wird in den nächsten Wochen, sobald das Ressortabstimmungsverfahren beendet ist, den Kabinettsbeschluss zur Durchführung des Beteiligungsverfahrens fassen. Das gesamte Beteiligungsverfahren selbst ist, wie Sie wissen, auf rund zwölf Monate angelegt, sodass davon auszugehen ist, dass nach Auswertung aller Stellungnahmen der Gesamt-LEP in der zweiten Jahreshälfte 2014 beschlossen werden kann.

Dass die Ressortabstimmung aktuell noch nicht abgeschlossen ist, ist dem Anspruch geschuldet, dass es aus fachlicher und sachlicher Sicht unbedingt notwendig ist, zu einem Regelwerk zu kommen, das einem hohen Anspruch auf Rechtssicherheit der getroffenen Vorgaben gerecht wird.

Es hakt eben nicht an unüberwindbaren Problemstellungen in der Sache, wie Sie von der CDU es herbeizureden versuchen, sondern es ist das mühsame Arbeiten an rechtssicheren Texten und Formulierungen, die später gegebenenfalls einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung standhalten müssen.

Sie selbst führen aus, dass die Oberverwaltungsgerichte Teile des LEP aus 1995 und des LEPro für nicht wirksam erklärt haben und verlangen von der Staatskanzlei zu Recht die Sicherstellung von Planungs- und Investitionssicherheit.

Der rot-grünen Koalition kommt es darauf an, für die auf rund 15 Jahre angelegte Wirkungsdauer des LEP eine nachhaltige, soziale und wirtschaftlich ausgewogene Entwicklung des Landes durch verbindlich und konkret formulierte Grundsätze und Ziele sicherzustellen.

Für die Umsetzung dieses Ziels muss gelten: Qualität in der Aufstellung vor Schnelligkeit in der Verabschiedung.

(Vorsitz: Präsidentin Carina Gödecke)

Im Einzelplan 02 sind die Ausgaben für die Landesplanung mit insgesamt 2,12 Millionen € veranschlagt. Dieser Aufschlag in Höhe von 50.000 € gegenüber dem Ansatz von 2012 ist dem Umstand geschuldet, dass nach Kabinettsbeschluss für das Beteiligungsverfahren zusätzliche Vervielfältigungsausgaben anfallen werden, die der qualitativen Öffentlichkeitsbeteiligung dienen. Die Notwendigkeit dieser Ausgaben sollte fraktionsübergreifend unstrittig sein. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Goldmann. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Kollege Marsching.

Michele Marsching (PIRATEN): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauer! Herr Dr. Bergmann, danke für die neue Rede. Beim letzten Mal hatte ja Herr Schmitz geredet. Ein wenig hatte ich befürchtet, dass wir uns wieder über unpünktliche Haushalte oder so etwas unterhalten müssten. Es freut mich außerordentlich, dass Sie über Landesplanung geredet haben und wir jetzt Stoff zum Diskutieren haben.

Grundsätzlich stimme ich Ihnen zu, was die Notwendigkeit der Landesplanung und der Aktualisierung des Landesentwicklungsplans angeht. Die ist wirklich lange überfällig. Ich werde nachher noch ein passendes Beispiel hierzu nennen.

Ich verstehe die Aussagen von Herrn Ellerbrock so, dass die FDP ebenso wie die CDU konstruktiv an diesem Prozess teilhaben möchte.

Zum Thema „Beteiligung“ möchte ich noch eine Anmerkung machen: Wie wäre es, wenn man nicht nur das Parlament beteiligt, sondern als Ausnahme auch einmal einen Teil der betroffenen Bürger mit ins Boot holt?

Herr Ellerbrock, es ist nicht lange her – von daher ist es vielleicht verständlich –, aber ein bisschen erinnerte mich Ihre Rede von heute an die letzte Rede. Ich habe sie mir nebenbei angeschaut; ich habe das Protokoll am Platz liegen. Einen Großteil der Rede hätte man einfach wiederholen können.

Ich verstehe, dass Sie vor allen Dingen von der Landesregierung Aussagen zu einzelnen Punkten fordern. Wie wäre es denn, wenn Sie einfach einmal die Bereitschaft, konstruktiv mitzuarbeiten, ganz klar herausstellen, sich klar positionieren und sagen: „Diesen Landesentwicklungsplan müssen wir zusammen auf ein solides Fundament stellen“?

Ich verstehe Ihre anderen Aussagen so, dass Sie genau dies wollen, und hoffe, dass wir das gemeinsam hinbekommen. Außerdem hoffe ich, dass meine Fraktion meiner Beschlussempfehlung folgt. Ich empfehle meiner Fraktion, dass sie sich bei diesem Teil enthält und dass wir an dem Landesentwicklungsplan noch weiterarbeiten.

Eines ist klar: Ein Landesentwicklungsplan, der mit den Worten beginnt: „Das Land Nordrhein-Westfalen steht am Ende des 20. Jahrhunderts vor neuen und großen Herausforderungen“, kann nicht mehr aktuell sein und muss unbedingt überarbeitet werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Marsching. – Für die Landesregierung spricht jetzt Frau Ministerin Dr. Schwall-Düren.

Dr. Angelica Schwall-Düren, Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nordrhein-Westfalen ist ein sehr dicht besiedeltes Land. Entsprechend dicht sind die konkurrierenden Ansprüche um die Nutzung des Raumes.

Zugleich müssen naturräumliche Gefährdungen und Restriktionen berücksichtigt werden, beispielsweise Überschwemmungsgebiete, die von Bebauungen freizuhalten sind, oder Grundwasservorkommen, die zur Trinkwasserversorgung gesichert werden müssen.

Deswegen ist in NRW eine dezidierte Steuerung der Raumnutzung besonders wichtig. Das drückt sich im Übrigen auch darin aus, dass die Raumplanung in den 1920er-Jahren im Ruhrgebiet erfunden wurde und dass die Ministerpräsidentin die Landesplanung in der letzten Legislaturperiode wieder in die Staatskanzlei zurückgeholt hat.

Inhalt der nachhaltigen Landesplanung sind übergreifende Ziele und Grundsätze. Das ist kein Formelkompromiss, Herr Ellerbrock. Es gibt Ziele, die klar beschrieben werden können, und Grund­sätze, auf denen aufbauend Landesplanung erfolgen muss, und zwar zur räumlichen Struktur des Landes, zur Kulturlandschaftsentwicklung und zum Klimaschutz sowie für bestimmte Sachbereiche; beispielhaft will ich Siedlungsraum, Freiraum, Infrastruktur und Verkehr, Rohstoffversorgung sowie Energieversorgung nennen.

Meine Damen und Herren, angesichts dieser Spannbreite können Sie sicher ermessen, dass hier viel Abstimmungsbedarf besteht und dass dieser Abstimmungsbedarf auch einen Zeitaufwand erfordert. Deswegen ist unser zentrales Projekt, einen einheitlichen Landesentwicklungsplan zu erstellen, damit in Zukunft das Planungssystem in NRW rechtssicherer, einfacher und übersichtlicher wird. Abgesehen von der materiellen Neuausrichtung müssen gestiegene Anforderungen an verbindliche, aber auch rechtssichere Festlegungen erfüllt werden.

Wir wollen den Weg im Dialog gehen. Das Erarbeitungsverfahren erfordert die Einbeziehung aller Kommunen, zahlreicher weiterer Beteiligter und der allgemeinen Öffentlichkeit. Wir wollen das Internet nutzen, und zwar die Möglichkeit einer elektronischen Onlinebeteiligung. Um das seriös machen zu können, brauchen wir sechs Monate. Das schließt natürlich nicht aus, dass auch Landtagsabgeordnete sich schon in dieser Phase an der Onlinekonsultation beteiligen. Ich kann aber selbstverständlich zusichern, dass ein Kabinettsbeschluss, der unter Einbeziehung aller Gesichtspunkte, die uns geliefert werden, gefasst wird, dann auch dem Landtag zugeleitet wird.

Meine Damen und Herren, was die Inhalte betrifft, will ich nur auf drei Aspekte eingehen.

Der Klimaschutz ist schon genannt worden. Sämtliche räumlichen Planungen sind darauf auszurichten, dass Klimaverträglichkeit und Energieeffizienz optimal umgesetzt werden können. Das gilt für viele Bereiche, selbstverständlich auch für die Energieerzeugung.

Ich will in diesem Zusammenhang auch gerne kurz auf das Kraftwerk Datteln eingehen.

Präsidentin Carina Gödecke: Frau Ministerin, entschuldigen Sie bitte, dass ich Ihren Redefluss unterbreche. Der Kollege Ellerbrock möchte Ihnen aber gerne eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Angelica Schwall-Düren, Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Bitte schön, Herr Ellerbrock.

Holger Ellerbrock (FDP): Frau Ministerin, Sie sagten eben, Sie würden den Kabinettsbeschluss dann dem Plenum zur Verfügung stellen. Das wäre ein Missverständnis. Ich hatte angeregt, dass der LEP-Entwurf, der dem Kabinettsbeschluss zugrunde liegt,

(Dietmar Bell [SPD]: Fragen!)

dem Plenum zur Verfügung gestellt wird – nicht der Beschluss. Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie das eigentlich so meinten?

Dr. Angelica Schwall-Düren, Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Das ist damit gemeint, Herr Ellerbrock.

Kurz zum Kraftwerksstandort Datteln: Der Regionalverband Ruhr führt derzeit ein Regionalplanänderungsverfahren durch. Nach Vorlage dieses Planes kann die Verbandsversammlung dann eine Entscheidung über den endgültigen Inhalt der Regionalplanänderung und einen möglichen Antrag auf ein Zielabweichungsverfahren treffen. Sollte der RVR dies tun, wird von der Landesplanungsbehörde in der Staatskanzlei zu prüfen sein, ob das Regionalplanänderungsverfahren die Grundzüge der Planung im aktuell geltenden LEP von 1995 berührt und ob eine Abweichung unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar ist.

Die Entscheidung über das Zielabweichungsverfahren erfolgt dann im Benehmen mit dem Wirtschaftsausschuss des Landtages. Sie sind also dabei. Im Augenblick können wir aber den konkreten Inhalt der Planänderung und des möglichen Antrags für das Zielabweichungsverfahren natürlich nicht vorhersagen.

Ich komme zum Landesentwicklungsplan zurück. Die nachhaltige Raumordnung wird zukünftig im Rahmen des rechtlich Möglichen ihren Beitrag dazu leisten, dass Klimaschutzziele auch in der Raumordnung berücksichtigt werden.

Das gilt zum Beispiel für die Windenergie. Dort wollen wir im Dialog mit den Menschen den Ausbau mit regional- und landesplanerischen Mitteln voranbringen.

Das gilt auch für das wichtige Thema einer flächensparenden Siedlungsentwicklung. Der neue LEP soll in der Tat dazu beitragen, dass der Flächenverbrauch für Siedlungs- und Gewerbeflächen zulasten der Landwirtschaft und des Freiraums von derzeit 15 auf 5 ha pro Tag und langfristig auf null zurückgeführt wird. Das ist dringend notwendig, meine Damen und Herren. Schon 1995 wurde in einer Enquetekommission des Deutschen Bundestages, deren Mitglied ich war, skizziert, welche verheerenden Probleme entstehen, wenn wir dieser Entwicklung nicht Einhalt gebieten. Wir brauchen hier die Innenentwicklung und die Wiedernutzung von Brachflächen. Sie müssen Vorrang haben.

Lassen Sie mich ein Letztes sagen – meine Redezeit ist zu Ende –, weil heute erneut die Frage des großflächigen Einzelhandels angesprochen worden ist, die wir anlässlich des Antrags der CDU hier schon einmal debattiert haben. In diesem Fall müssen wir das Dringliche vorrangig erledigen. Bei der perspektivischen Planung geht aber in der Tat Qualität vor Schnelligkeit. Wir wollen die Akteure und Betroffenen vor Ort, die Bürgerinnen und Bürger, mitnehmen, damit wir am Ende eine gute Landesplanung zustande bekommen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Die Ministerin hat ihre Redezeit um zwei Minuten überzogen. Gibt es bei den Fraktionen den Wunsch, noch einmal zu reden? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratungen zum Teilbereich „Landesplanung“ des Einzelplans 02.

Nun rufe ich den

     Teilbereich
Europa und Eine Welt

auf und erteile für die CDU-Fraktion Herrn Kollegen Jostmeier das Wort.

Werner Jostmeier (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer hier im Plenarsaal! Es handelt sich bei diesem Titel um einen Haushalt von 12,8 Millionen €. Das sind gut 0,5 Millionen € weniger als im Jahr zuvor.

Meine Damen und Herren, für die CDU sind bei diesem Haushalt drei Punkte wichtig: Zum einen erleben wir verstärkt in den vergangenen Jahren, dass die Förderung der konkreten Hilfsprojekte durch das Land Nordrhein-Westfalen auch in den Partnerregionen, die das Land Nordrhein-Westfalen hat, gekürzt wird. Stattdessen sollen diese Gelder immer mehr in Projekte zur Bildungsförderung, in Beratungsstellen, in Eine-Welt-Gruppen und entsprechende Initiativen fließen.

Ich will jetzt gar nicht den Begriff der „rot-grünen Spielwiesen“ gebrauchen, weil ich weiß, dass in diesem Bereich sehr aktive, sehr engagierte Menschen tätig sind. Ich sage aber für die CDU: Wir halten es für völlig falsch, sogar für verantwortungslos, die konkreten Hilfsprojekte immer weiter zu kürzen. Wir haben in der Vergangenheit sehr viele Projekte gehabt, unter Johannes Rau im Baltikum, zu unserer Regierungszeit in Ungarn. Wenn der eine oder andere an der Delegationsreise der evangelischen Kirche nach Südafrika zur Partnerprovinz Mpuma­langa teilgenommen hätte, hätten Sie feststellen können, wie man mit 3.000 € bis 5.000 € eine mobile Krankenstation in einem Gebiet, wo es wirklich Bedürftige gibt, unterstützen und finanzieren könnte.

Der Kirchenrat Krebs – wir haben es in der vergangenen Woche gehört – hat die Kollekte seines Verabschiedungsgottesdienstes für eine solch dringende zusätzliche Station verwandt.

(Beifall von Karlheinz Busen [FDP])

Meine Damen und Herren, Frau Ministerin, ich würde mich sehr freuen, wenn Sie diese Prioritätensetzung noch einmal überprüfen würden. Wir wissen doch beide ganz genau, wem diese zusätzlichen Gelder, die in die Bildungsveranstaltung in Nordrhein-Westfalen fließen, dann zugute kommen. Das sind in der Regel Ihre Netzwerke, Ihre Klientel. Wir halten diese Politik für falsch.

(Beifall von der CDU)

Punkt zwei. Ich spreche die europäischen Strukturfonds an. Das Land Nordrhein-Westfalen hat in den Jahren 2007 bis 2013 einen Betrag von 2,4 Milliarden € bekommen. In der nächsten Förderperiode 2014 bis 2020 werden wir knapp eine Million Euro weniger bekommen.

52 % dieser Gelder sind von der Kommission vorgegeben für die drei Säulen KMU – also Klein- und Mittelbetriebe –, für die Innovation und für die Umwelt. Mit diesen Geldern wird das Ruhrgebiet problemlos aufgrund der besonderen Förderkulisse bis 2020 gefördert. Das ist auch so in Ordnung. Nur, diese Förderkulisse wird zu 50 % von der Europäischen Union finanziert und zu weiteren 50 % sind das Gemeinschaftsaufgaben, also der Bund finanziert. Das Land beteiligt sich an dieser Strecke nicht. Wir haben in den vergangenen Jahren dafür gesorgt, dass von diesen Geldern das ganze Land Nordrhein-Westfalen, alle Regionen profitieren konnten.

Die Kommission bietet Ihnen eine vierte Säule an, nämlich die Strukturpolitik. Mit dieser Strukturpolitik könnten Sie auch Gegenden fördern wie zum Beispiel Ostwestfalen, wenn Standorte der Bundeswehr geschlossen werden, oder wenn im Kreis Steinfurt beispielsweise die Bundeswehr abzieht oder wenn die Zeche Ibbenbüren geschlossen wird. Diese Projekte haben für uns, für den ländlichen Raum, die gleiche Bedeutung wie die Schließung des Opelwerkes in Bochum.

(Beifall von der CDU)

Da darf sich das Land Nordrhein-Westfalen nicht der Möglichkeit begeben zu helfen. Wir hören aus dem Wirtschaftsministerium von den Bemühungen, dass man diese vierte Säule unterstützen will. Ich hätte die herzliche Bitte, dass Sie die Frage hier beantworten, ob Nordrhein-Westfalen an dieser vierten Säule in den nächsten fünf Jahren teilnimmt.

Punkt drei. Connecting Europe Facilities, die sogenannten Fernverbindungen. Wir waren in der vergangenen Woche mit dem Fachausschuss bei der Kommission. Da ist uns bestätigt worden, dass die Projektliste viereinhalb Seiten der Europäischen Union Bestand hat. Das sind 29 Milliarden €. Da ist ein Projekt auch für Nordrhein-Westfalen aufgeführt, nämlich die Zweigleisigkeit der Strecke Münster–Lünen. Jetzt weiß ich, dass sowohl der bisherige Verkehrsminister als auch seine Vorgänger die Zweigleisigkeit dieser Strecke dringend gefordert haben. Ich habe die ganz herzliche Bitte an das Land Nordrhein-Westfalen: Nehmen Sie bitte die Chance dieser 30-prozentigen Förderung durch die Europäische Union wahr.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es gilt das Windhundverfahren. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Bislang hat sich Nordrhein-Westfalen nicht beteiligt. Nordrhein-Westfalen hat nicht die Hand gehoben. Ich weiß, dass der Bund mitspielen muss. Aber das Land Nordrhein-Westfalen muss seine Hausaufgaben machen und sagen: Wir wollen dieses Projekt.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Werner Jostmeier (CDU): Ich komme zum Schluss. – Ich habe die ganz herzliche Bitte an diejenigen, die nach mir kommen, ich denke, das werden Markus Töns, Frau Asch und auch Sie, Frau Dr. Schwall-Düren, sein. Folgen Sie nicht einfach pauschal den Vorgaben von oben und sagen: An allem trägt der Bund die Schuld, der Schwarze Peter ist stets nach Berlin zu schieben. Ich bitte Sie, reagieren Sie auf diese drei Punkte. Wir würden uns freuen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Jostmeier. – Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Töns.

Markus Töns (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Und er hat es schon wieder getan, der Herr Jostmeier. Lieber Werner Jostmeier, du hast es schon wieder gemacht. Du hast Punkte gesucht, die zum Teil nichts mit diesem Haushaltsplan an der Stelle zu tun haben. Du hast Punkte gesucht, die in dem Zusammenhang, in dem du sie genannt hast, auch nicht zutreffend sind. Darauf werde ich gleich noch eingehen.

Aber eine Bemerkung vorweg. Du hast gesagt, lieber Werner Jostmeier, völlig falsche Politik, verantwortungslos, gerade was die Hilfsprojekte betrifft, was Mpumalanga betrifft. Man kann – das muss man auch deutlich sagen – als Land Nordrhein-Westfalen Entwicklungspolitik machen. Das tun wir. Aber man kann nicht alles über die Entwicklungspolitik des Landes retten und machen. Das muss man einfach wissen.

(Zuruf von Werner Jostmeier [CDU])

Ich will an diese Stelle die Kollegin Ilka von Boeselager zitieren, die im Ausschuss ausdrücklich gesagt hat, ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin: Wir wissen, es muss gespart werden, sind aber mit diesem Haushalt 2013 sehr zufrieden. Ich weiß jetzt nicht, woher die Kritik an dieser Stelle noch kommen soll.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zweiter Punkt. Förderpolitik: Auf die Kritik, alles fließe ins Ruhrgebiet, gehe ich jetzt auch noch einmal ein. Es ist mitnichten so. Die Antwort auf die Kleine Anfrage von Werner von Jostmeier, von Werner Jost­meier hierzu – jetzt hätte ich dich beinahe zu einem „Von“ gemacht – war doch, dass nur 36 % ins Ruhrgebiet fließen. Damit ist in dieser Förderperiode doch gewährleistet – das wird in der nächsten Förderperiode nicht anders sein –, dass das gesamte Land Nordrhein-Westfalen davon profitiert.

An diesem Punkt möchte ich auch Folgendes noch einmal ansprechen: Was ist denn mit dem ELER? Was ist denn mit dem dritten Fonds, über den wir an dieser Stelle nie reden? Er ist genauso zur Entwicklung des ländlichen Raums da und nicht nur zur Agrarsubventionierung. So ist das nämlich.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Kommen wir doch wieder zum Thema zurück: Seit dem Regierungswechsel 2010, meine Damen und Herren, bekommen Europapolitik und Eine-Welt-Politik wieder den Stellenwert, den diese Politikfelder verdienen. Bei meiner Haushaltsrede im Jahr 2012 sagte ich es schon: NRW macht endlich wieder Europapolitik und nutzt seinen Sachverstand in europäischen Fragen.

Die Landesvertretung in Brüssel ist gut aufgestellt, um ihre Rolle als sogenannter Botschafter NRWs wahrzunehmen. Gerade diese Rolle ist vor dem Hintergrund der Bedeutung Nordrhein-Westfalens und Europas sowie der wachsenden Aufgaben, die von der EU auf uns zukommen, von großer Wichtigkeit. Die Landesvertretung ist wieder das, was sie sein muss, eine Frühwarnbehörde, die wir in Nordrhein-Westfalen brauchen.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Wir stärken die Europaschulen, wir entwickeln die internationale Zusammenarbeit weiter, wir verstärken die Beziehungen zum Benelux-Raum, wir intensivieren die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Regionalen Weimarer Dreieck.

Von besonderer Bedeutung ist auch in diesem Haushalt jedoch die Europafähigkeit der Kommunen. Gerade die Städte und Gemeinden müssen weiter für die Anforderungen fit gemacht werden, die in Europa auf sie warten. Eine Landesregierung darf die Kommunen bei der Bewältigung dieser Aufgaben nicht alleine lassen.

Darüber hinaus stärken wir auch die Landesverwaltung in europapolitischer Hinsicht. Es macht eine moderne Landesverwaltung heute aus, dass sie ihre Europafähigkeit erhält und ausbaut.

Auch in der Eine-Welt-Politik werden wir unserer Verantwortung gerecht, obwohl in diesem Politikfeld gespart werden muss, allerdings mit Augenmaß und Verstand. Die Zusammenarbeit mit den Regionen Mpumalanga und Ghana wird weitergeführt. Die Koordinatorenprogramme sind uns wichtig. Die Landesregierung unterstützt auch die Initiativen zum fairen Handel. So werden wir darauf achten, dass auch weiterhin von Nordrhein-Westfalen wichtige entwicklungspolitische Impulse ausgehen. Dies geschieht trotz des Sparzwangs, den wir uns selber auferlegt haben; denn – das möchte ich an dieser Stelle dann doch noch einmal betonen – manchmal ist weniger auch mehr.

Oder, anders gesagt: Weniger Geld ist nicht immer weniger Wirkung, meine Damen und Herren. Um an dieser Stelle mit Erlaubnis der Präsidentin die Ministerin für Bundesangelegenheiten und Europa zu zitieren:

Es muss nicht immer alles anders gemacht werden. Wir wollen aber versuchen, es besser zu machen. ... Die Koordinierung, Modernisierung und Aktivierung bislang ungenutzten Potenzials gewinnt an Bedeutung, und das mit nicht mehr Personal,

– das muss man dazu ja auch noch sagen –

sondern mit einem soliden Haushaltsentwurf 2013.

Das alles zeigt: Wir sind auf dem richtigen Weg. – Glück auf!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Töns. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Ellerbrock.

Holger Ellerbrock (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Europahaushalt, relativ klein in der Summe, ist ebenso wie Europa hinsichtlich der Bedeutung nicht zu unterschätzen. Ich habe es gestern Abend schon gesagt: Europa ist mehr als ein einheitlicher Finanztransaktionsraum. Europa ist eine Wertegemeinschaft.

Jeder Haushaltseuro, den wir in die Beziehungen mit unseren Nachbarländern geben, ist ein gut angelegter Euro; denn die wechselseitige Kommunikation, das wechselseitige Verständnis und das Kennen der Positionen der anderen sind sehr wichtig. Deshalb möchte ich bei aller Kritik im Einzelnen, auf die ich noch kommen werde, ausdrücklich Kapitel 02 030 – Europa –, Verbesserung der Europafähigkeit des Landes, von der Kritik ausnehmen. Es ist gut, was da gemacht wird. Das führen Sie fort. Darüber braucht man nicht zu reden, das ist in Ordnung.

(Beifall von der FDP und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir haben als FDP die Leitlinie, dass wir die Erfüllung von Wünschen nicht kreditfinanzieren wollen. Gerade bei sprudelnden Steuerquellen müssen wir mit dem vorhandenen Finanzpotenzial auskommen. Insofern gibt es doch einzelne Positionen – durchaus auch in anderer Wertung als beim Kollegen Jostmeier –, bei denen wir fragen: Ist es richtig, dass wir das Geld hierfür ausgeben?

Kollege Töns, die Leitlinie, weniger könne manchmal mehr sein, weniger könne sogar zu mehr Effizienz führen, teile ich ausdrücklich. Vielleicht werden Sie den Gedanken, die wir gleich vortragen werden, folgen können.

Es ist im Haushalt auch gelungen, die Auslandsprojekte zurückzufahren. Wir begrüßen das, wobei wir nicht unbedingt immer wissen, welcher Ursachenzusammenhang zwischen dieser Strategie und der Kürzung der Ansätze bei den Titeln besteht. Darüber werden wir im Ausschuss sicherlich noch reden können. Ich bin gespannt auf die Aussagen dazu.

Der Titel für die EU-Auslandsbeziehungen des Landes wurde 2011 hochgefahren und 2012 auf hohem Niveau belassen. Diese Mittel dienen dazu, dass man Beziehungspflege mit regelmäßigen Konferenzen und Workshops betreibt; das hört sich ja gut an. Man kann das vom Inhalt her auch etwas flapsiger sagen, heiße Luft oder nichts Substanzielles, Genaues weiß man nicht . Denn die Mitteilungen darüber, was aus diesen Workshops und diesen Konferenzen herausgekommen ist, sind manchmal wohl sehr beredt, jedoch vom Inhalt, den man suchen muss, sehr mager.

Dann gibt es den Titel kommunale Entwicklungszusammenarbeit mit nur 270.000 €. Das hört sich ja alles gut an. Wer die Haushaltssituation der Kommunen kennt, weiß doch, dass schon die bestehenden Städtepartnerschaften, die bestehenden Beziehungen, ausgesprochen schwer zu finanzieren sind.

Man muss sogar leider sagen: Je mehr Städtepartnerschaften, desto weniger Inhalt. Denn man unterschreibt einmal die Urkunde, besucht sich wechselseitig und versichert sich des guten Willens. Damit hat es sich dann. Da ist weniger, Kollege Töns, wirklich mehr. Auch diesen Titel sollten wir zugunsten anderer Dinge streichen, auf einem bestimmten Niveau bleiben und nicht goldene Verlockungen schaffen. Wir sollten froh sein, die bestehenden Städtepartnerschaften durchzubringen.

Eine gänzlich andere Meinung als Sie, Kollege Töns, habe ich zu den Koordinatoren der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit. Das ist eine Nummer! Es heißt: Die Koordinatoren geben Anstöße für global verantwortliches vernetztes Denken und Handeln. Sie thematisieren die Fragen der Entwicklungszusammenarbeit in der Öffentlichkeit, interessieren für eine weltoffene Gesellschaft und aktivieren ein Eine-Welt-Engagement. – Wer könnte dem widersprechen? Keiner. Das ist alles gut gemeint: Der Mensch ist hilfreich, gut und edel. Heraus kommt nichts.

Sehen wir uns die Zahlen an. Wir geben für 24 Koordinatoren eine knappe Million Euro aus. Dividiert man durch 24, ergibt das einen Zuschuss von 37.000 € pro Koordinator. Das sind 3.000 € im Monat. Dafür muss Mutter lange stricken und ein Familienvater lange arbeiten. Das wird hier zusätzlich reingeblasen.

Was ist das Ergebnis? Eine Ansammlung von Gutmenschen ohne Realitätsbezug, auf Alimentierung angewiesen, verbrät dieses Geld.

(Widerspruch von der SPD und von den GRÜNEN)

Sie, Frau Asch, mögen dazu eine andere Darstellung vorbringen. Sie mögen dazu eine andere Meinung haben. Meine Liberalität zielt darauf ab, dass ich mir das auch anhöre. Ich halte aber von dieser Brüllerei nichts.

(Zuruf von den GRÜNEN)

– Herr Kollege, das ist Ihre Art der Diskussion. Auf dieses intellektuelle Niveau möchte ich mich gar nicht begeben. Da haben wir schon andere Inhaltsansprüche. – Schönen Dank.

(Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Asch.

Andrea Asch (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Zunächst einmal zum Kapitel „Europa“ dieses Haushaltes. Der Europa-Haushalt ist jetzt sogar von der Opposition gelobt worden. Recht so! Er setzt die richtigen Schwerpunkte, und er stellt für unsere Partnerinnen und Partner sowie für die Arbeit der Landesvertretung in Brüssel eine stabile Finanzstruktur dar.

Uns ist es wichtig – so steht es auch im Koalitionsvertrag –, dass die Kommunen in ihren Europaaktivitäten gestärkt werden. Dafür steht das Leitprogramm zur Förderung der Europaaktivitäten der Kommunen. Wir wollen damit sicherstellen, dass die Kommunen stärker in die Lage versetzt werden, sich an europäischen Förderprogrammen zu beteiligen, ihre Interessen besser in europäische Entscheidungsprozesse einzubringen und ihre Bürgerinnen und Bürger in dem notwendigen Engagement für das Projekt „Europa“ noch besser unterstützen zu können.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Mit dem Eine-Welt-Haushalt wird deutlich, meine Damen und Herren: Wir als Land Nordrhein-Westfalen übernehmen globale Verantwortung. Das heißt, wir richten – vielleicht hören Sie gut zu, Herr Ellerbrock – unsere Politik in dem Bewusstsein aus, dass es unser Lebensstil, unsere Art zu wirtschaften, unsere westliche Überflussgesellschaft und unser Hunger nach Energie sind, die ganz direkte Auswirkungen auf das Leben der Menschen im globalen Süden – das heißt, auf das Leben der armen Länder – haben. Im Sinne dieser globalen Solidarität richten wir unsere Eine-Welt-Politik aus.

Ein Meilenstein dieser Politik ist die neue Eine-Welt-Strategie der Landesregierung, die die sehr dünnen entwicklungspolitischen Leitlinien von Schwarz-Gelb ablöst. Damit kommen wir in Nordrhein-Westfalen in der Eine-Welt-Politik einen großen Schritt voran. Eine ganz wesentliche Markierung dieser Eine-Welt-Strategie ist, dass wir globale Verantwortung als Querschnittsaufgabe – über alle Politikfelder, über alle Ressorts dieser Landesregierung hinweg – definieren. Wir berücksichtigen sie damit in allen Politikbereichen.

Es werden sechs Handlungsfelder in der Eine-Welt-Strategie definiert. Ich will sie jetzt hier nicht alle nennen. Sie entsprechen aber den dringlichsten Handlungsnotwendigkeiten sowie unseren Kompetenzen, die wir in Entwicklungspartnerschaften an unsere Partnerländer weitergeben möchten.

Ich möchte zwei exemplarisch herausgreifen. Das eine ist die Klimapolitik. Hier haben wir als Land Nordrhein-Westfalen besondere Kompetenzen im Bereich der regenerativen Energien. Es ist besonders wichtig, da einen Know-how-Transfer zu den Partnerländern zu leisten; denn wir wissen, dass vor allem die armen Länder des Südens besonders vom Klimawandel – von Überschwemmungen und großen Dürreperioden – betroffen sind: Dafür haben wir eine ganz besondere Verantwortung.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich komme zu dem, worüber sich die FDP-Fraktion hier schon seit Jahren – das hat sie übrigens schon in der schwarz-gelben Koalition getan – aufregt, nämlich zur entwicklungspolitische Bildungsarbeit sowie zur Zusammenarbeit und Stärkung der Strukturen vor Ort. Herr Ellerbrock, ich würde Ihnen empfehlen, hier nicht nur theoretisch über diesen Bereich zu reden und ihn – das machen Sie mit ihrer despektierlichen Wortwahl – herabzuwürdigen. Das Wort „Gutmenschen“ ist zu Recht zu einem der Unworte der letzten Jahre erklärt worden. Es ist despektierlich, wie Sie hier über großes, zumeist ehrenamtliches Engagement vieler, vieler Menschen – das sind Tausende – hier in Nordrhein-Westfalen sprechen.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Das, was Sie hier so kritisieren, bedeutet, dass diese ehrenamtliche Struktur gestärkt und vernetzt wird. Es wird damit versucht, diese ehrenamtliche Arbeit effektiver zu machen und ein Stück weit zu professionalisieren. Da ist Ignoranz Ihrerseits. Ich möchte Ihnen empfehlen, dass Sie sich vor Ort ansehen, was in diesen Initiativen geleistet wird. Schauen Sie sich an, was die vielen Kirchengemeinden, Initiativen vor Ort und Schulen in Bezug auf Partnerschaften leisten. Wenn Sie das machen würden, würden Sie aufhören, hier derart herabwürdigend über diesen Bereich zu sprechen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir sind froh, dass wir das, was es an Kürzungen in diesem Bereich gab – insgesamt hat Schwarz-Gelb 2 Millionen € herausgekürzt –, zum Teil wieder kompensieren konnten.

Wir, Rot-Grün, haben – Werner Jostmeier hat das vorhin kritisiert – die Kürzungen, die CDU und FDP übrigens auch bei der Unterstützung der Projekte vorgenommen hatten, wieder zurückgenommen. Ich kann überhaupt nicht verstehen, lieber Werner, wie du hier hingehen, einfordern und reklamieren kannst, dass die Projekte nicht genügend finanziert werden. Wir haben das zurückgenommen, was genau in diesem Bereich von Schwarz-Gelb an unverantwortlichen Kürzungen vorgenommen wurde.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Andrea Asch (GRÜNE): Wie wichtig gerade die Partnerschaften in Mpumalanga und Ghana sind, die wir fortführen wollen, haben wir bei unserer Reise gesehen, an der alle Fraktionen beteiligt waren. Ich bin sehr froh, dass die Landesregierung bzw. die zuständige Ministerin, Frau Schwall-Düren, diese Partnerschaft mit Mpumalanga fortführen wird.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit!

Andrea Asch (GRÜNE): Wir zeigen mit dem Eine-Welt-Haushalt, dass Gerechtigkeit für uns nicht nur hier im Land ein zentrales Thema ist, sondern dass zur rot-grünen Agenda ebenso die globale Gerechtigkeit gehört. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Kern.

Nicolaus Kern (PIRATEN): Danke schön. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Kaum drei Monate nach den letzten Haushaltsdebatten diskutieren wir heute erneut über die Haushaltsmittel für Europa und die internationale Zusammenarbeit. Was damals galt, gilt für uns Piraten auch heute: Die Überwindung der europäischen Krise kann nur in einer Rückbesinnung auf die Belange der Bürger in Europa liegen.

(Beifall von den PIRATEN)

Europa muss in den Regionen nah am Bürger und direktdemokratisch stattfinden. Nordrhein-Westfalen muss hier den richtigen Kurs setzen und voranschreiten. Auf die konkrete und zielstrebige Umsetzung dieses Kurses warten wir allerdings noch heute, Frau Ministerin. Seitens der Landesregierung hat sich in diesem Bereich in den letzten Monaten eigentlich nichts getan, sieht man vielleicht von der verspäteten Vorstellung der neuen Eine-Welt-Strategie ab, einem leicht einschläfernden Papier mit vielen Allgemeinplätzen zur internationalen Zusammenarbeit.

Quintessenz: Die Landesregierung will ihrer Vorreiterrolle im Rahmen der globalen Verantwortung gerecht werden. Aber genau in diesem Bereich wird nun ein erheblicher Teil der schon bescheidenen Mittel gekürzt. Internationale Vorreiterrolle und Minimalbudget, wie passt das zusammen? Man bedenke, wir reden hier von Haushaltseinsparungen im Promillebereich, die aber NRW international viel Ansehen kosten können.

Im Bereich „Europa“ des Einzelplan 02 will die Landesregierung die Mittel zur Förderung der Europafähigkeit der Kommunen erhöhen. Dies begrüßen wir Piraten ausdrücklich. Die Landesregierung begründet den Zuwachs mit der steigenden Anzahl von Projektanträgen aus den Kommunen. Entscheidend ist aber nicht das reine Fördervolumen, sondern die Qualität der geförderten Projekte. Hier muss die Landesregierung nun auch Fakten auf den Tisch legen.

Dennoch: Wir Piraten bewerten den Haushaltsansatz für den Bereich Europa insgesamt als gelungen. Als größte Wirtschaftsregion innerhalb der Europäischen Union darf Nordrhein-Westfalen die Einflussmöglichkeiten auf Brüssel in der Tat nicht reduzieren. Entscheidend sind aus unserer Sicht aber die Teilhabe und das daraus erwachsene Verständnis der Bürgerinnen und Bürger an den europäischen Prozessen. Zum Beispiel muss die Arbeit des Ausschusses der Regionen hier transparenter gestaltet und stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir Piraten bleiben dabei: Die europa- und entwicklungspolitische Grundausrichtung der Landesregierung ist begrüßenswert. Wir werden sie an der Qualität ihrer Politik und nicht an der Höhe der ausgegebenen Haushaltsmittel messen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Für die Landesregierung spricht jetzt erneut Frau Ministerin Dr. Schwall-Düren.

Dr. Angelica Schwall-Düren, Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Redezeit ist leider so extrem kurz, dass ich im Grunde genommen gar nicht auf alle Dinge eingehen kann, die Sie hier vorgetragen haben.

(Christof Rasche [FDP]: Das ist für uns alle so!)

Deswegen verweise ich auch auf das Protokoll aus dem Ausschuss Europa und Eine Welt, wo ich ja etwas ausführlicher unsere Politik darstellen konnte.

Ich will nur als Überschrift noch einmal unterstreichen, dass Europa nach wie vor in Schwierigkeiten ist; das haben nicht zuletzt die Ergebnisse der Wahlen in Italien gezeigt. Die Europaskepsis steigt allenthalben auch in unserem Land. Hier gebe ich Ihnen völlig recht, Herr Kern: Wir müssen dafür sorgen, dass dieses Europa nicht nur transparenter, sondern auch demokratischer und sozialer wird. Ein Großteil unserer Aktivitäten ist auch in diese Richtung ausgerichtet. Herr Töns hat das vorhin schon sehr gut dargestellt.

Herr Kern, Sie sind ja bei der einen oder anderen Aktivität dabei gewesen. Ich hatte bisher nicht den Eindruck, dass Sie das alles so schlecht fanden. Aber ich bin gerne bereit, auch Hinweise auf die Verbesserung der Qualität von Ihnen entgegenzunehmen.

Ich muss nun auf einige Dinge eingehen, die Herr Jostmeier angesprochen hat. Da wir hier heute nicht die EU-Strukturfonds diskutieren, nur so viel: Wir haben eine Kürzung um 20 bis 25 % zu erwarten; diese Kürzung, die alle Bereiche betreffen wird, haben nicht wir, diese Landesregierung, zu verantworten. Hier hat die Bundesregierung in einer Weise verhandelt, dass auch das Interesse unseres Landes geschädigt wurde.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Was die Mittel anbelangt, Herr Jostmeier, so können sie nach wie vor in allen Regionen Verwendung finden, wenn sie den Prioritätsachsen unserer Politik entsprechen. Da ist es auch nicht ausgeschlossen, dass ein ehemaliger Bundeswehrstandort einbezogen wird; damit gibt es überhaupt kein Problem. Nur müssen es dann auch Projekte sein, die sich in eine nachhaltige innovative Entwicklung unseres Landes einordnen.

Präsidentin Carina Gödecke: Frau Ministerin, ich muss Sie leider schon wieder unterbrechen. Diesmal möchte Frau von Boeselager Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Angelica Schwall-Düren, Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Bitte sehr, Frau von Boeselager.

Ilka von Boeselager (CDU): Frau Ministerin, es ist zwar richtig, was Sie gesagt haben, dass die Strukturmittel für Deutschland insgesamt gekürzt werden. Aber stimmen Sie dem Wirtschaftsminister zu, der in der letzten Ausschusssitzung ausdrücklich betont hat, dass für Nordrhein-Westfalen sogar mehr Mittel zur Verfügung stünden?

Dr. Angelica Schwall-Düren, Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Frau von Boeselager, ich fürchte, da haben Sie etwas missverstanden. Wir haben einen höheren Anteil, bezogen auf die Verteilung zwischen den Bundesländern, als in der Vergangenheit; aber das heißt nicht, dass wir in der Summe mehr hätten, weil so viel gekürzt wurde. Von daher müssen wir mit dieser Kürzung umgehen.

Ich will zu dem Projekt eines zweigleisigen Ausbaus der Strecke Münster–Lünen etwas sagen, Herr Jost­meier. Im Wirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments ist dieses Projekt ganz offensichtlich angemeldet worden. Aber der eigentliche Akteur ist die Bundesregierung. Und gegenüber der Bundesregierung, wie Ihnen Minister Groschek in einem Brief im Januar schon mitgeteilt hat, haben wir mit Nachdruck immer wieder betont, wie wichtig wir dieses Projekt finden. Dies gilt übrigens auch für mich persönlich; auch das wissen Sie sehr genau. Schließlich ist es die Bundesregierung, die Projekte anmelden muss. Insofern können Sie noch etwas Gutes tun, wenn Sie dort entsprechend Zustimmung schaffen.

Auf die Hilfsprojekte komme ich bei meinen Ausführungen zu den internationalen Angelegenheiten zurück.

Mit diesem Haushalt wird klar, dass wir Zeichen für Kontinuität und Verlässlichkeit in der Eine-Welt-Politik und der internationalen Zusammenarbeit setzen. Aber es ist richtig, dass in diesem Jahr 2013 der Ansatz um fast 790.000 € niedriger liegt. Auch wir in der Staatskanzlei mussten dazu unseren Anteil leisten, obwohl der Haushalt damit – da gebe ich Herrn Kern völlig recht – nicht saniert werden kann.

Ich will, da hier sehr unterschiedliche Kritik geäußert wurde, auf den einen oder anderen Einzelpunkt eingehen. Im Bereich der entwicklungspolitischen Informations- und Bildungsarbeit im Inland – das ist auch kritisiert worden – haben wir die Möglichkeit gefunden, über die die Stiftung Umwelt und Entwicklung künftig weiterhin Projekte in gleichem Umfang zu unterstützten, und wie Frau Asch kann ich nur betonen: Wenn wir in diesem Land Zustimmung für Entwicklungszusammenarbeit bekommen wollen, dann müssen wir diese Bildungsarbeit betreiben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dann müssen die Menschen verstehen, dass unsere Konsum- und Lebensstile und unsere Politik mit der Einen Welt zusammenhängen.

In der Gesamtbetrachtung führen die Kürzungen, die wir durchgeführt haben, aber nicht zu einem nachlassenden Engagement des Landes. Wir haben uns natürlich gefragt: Bleibt Nordrhein-Westfalen international handlungsfähig? Können wir unseren Verpflichtungen für die internationale Zusammenarbeit und die Eine-Welt-Politik nachkommen? Können wir auch noch zukünftig Akzente setzen und Anregungen und Impulse geben?

Alle drei Fragen können wir mit Ja beantworten. Die landeseigenen Eine-Welt-Programme, die ein Markenzeichen des Landes sind, werden allesamt fortgeführt und unterstreichen auch weiterhin die tonangebende Rolle NRWs im Konzert der Länder im Bereich der Eine-Welt-Politik.

Die Zusammenarbeit mit den wichtigsten Partnerländern – Frau Asch hat schon darauf hingewiesen – werden wir fortsetzen. Wir werden mit Mpumalanga die Partnerschaftsvereinbarung erneuern. Wir werden diese Arbeit kontinuierlich fortsetzen und stärken.

Dass wir die Projektarbeit auch weiter fortsetzen können, ist mitunter einer Vereinbarung zu verdanken, die wir im September letzten Jahres mit der GIZ getroffen haben. Sie wissen vielleicht, dass wir in der Vergangenheit einen Mietzuschuss von 1,3 Millionen € bereitgestellt haben, der einfach so entgegengenommen wurde. Jetzt haben wir vereinbart, dass mit diesen Mitteln Projekte finanziert, Projektvorschläge realisiert und Zuwendungsanträge bedient werden, die aus unserem Land kommen und die die entsprechende Nachhaltigkeit für Projekte gewährleisten, beispielsweise aus dem Bereich der Qualifizierungsmaßnahmen, der internationalen Berufsbildung, Veranstaltungen usw., usf.

Meine Redezeit ist schon wieder zu Ende, meine sehr verehrten Damen und Herren. Sie müssen mir nachsehen, dass ich zu dem großen Bereich der internationalen Partnerschaften heute nichts sagen kann. Auch diese führen wir fort.

Aber lassen Sie mich zum Schluss noch einmal unterstreichen: Insgesamt ist der Ansatz im Bereich „Internationales und Eine Welt“ von hohem Verantwortungsbewusstsein geprägt – für die Eine Welt, für unsere internationalen Partnerschaften und Verpflichtungen, aber auch für einen sparsamen Umgang mit öffentlichen Mitteln für die Konsolidierung des Landeshaushaltes. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. Sie haben Ihre Redezeit um 1:40 Minuten überzogen. Möchte noch jemand aus den Fraktionen das Wort nehmen? – Das ist nicht der Fall.

Damit schließe ich die Beratungen zum Teilbereich „Europa und Eine Welt“ im Einzelplan 02 der Ministerpräsidentin und rufe auf:

     Teilbereich
Medien

Als erstem Redner erteile ich für die CDU-Fraktion Herrn Prof. Dr. Dr. Sternberg das Wort.

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir beraten den Medienetat in einer schwierigen Situation. Die „Financial Times Deutschland“ ist nicht mehr da. Die DDVG, die Medienholding der SPD, konnte oder wollte weder „Frankfurter Rundschau“ noch „Westfälische Rundschau“ retten. Allenthalben stoßen wir auf Konzentration und Redakteursabbau. Ich denke, das ist ein Signal für eine unzureichende Nutzung des Internets zur Gewinnerzielung.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist unter schwerem Beschuss. Als hätten die parlamentarischen Debatten um die neue Rundfunkgebühr nie stattgefunden! Der WDR als größter Sender unseres Landes und Leitmedium ist auf Leitungssuche. Es gibt also genug Aufgaben.

Und der Etat, der uns jetzt hier vorliegt, wird vollmundig erläutert. Da heißt es „Standort stärken“, „Qualität fördern“, „Kompetenz vermitteln“, „Vielfalt sichern“. Wer wollte das nicht!

Die Beschreibung des Medienstandortes Nordrhein-Westfalen ist dann schon etwas angreifbarer. Da wird neben Düsseldorf und Köln nur noch das Ruhrgebiet, und zwar als IT-Standort, benannt. Man ist ziemlich erstaunt. Gab es da nicht auch noch etwas in Paderborn, um von meiner Heimatstadt Münster gar nicht zu sprechen? – Aber sei es drum. Diese rheinischen Blickverengungen sind wir gewohnt.

(Beifall von Karlheinz Busen [FDP])

Im Einführungstext ist von Fortbildungsmaßnahmen im Bereich des Lokaljournalismus die Rede – Fortbildungsmaßnahmen, die Qualität und Vielfalt sichern sollen. Das Ziel scheint mir doch recht unbestimmt zu sein, und die 213.000 € für ein Gutachten zur Klärung dieser Hoffnung sind eine stattliche Summe, die in einem immer noch etwas diffusen Zusammenhang zu den privaten Beziehungen des Staatssekretärs zum Auftragnehmer stehen. Die Umstände um Promotion und fast zeitgleiche Auftragsvergabe sind immer noch nicht ganz geklärt. Wir verlangen nach wie vor eine minutiöse Aufklärung, und zwar nicht durch eine eigens hierzu eilig zusammengerufene neue interne Revision, sondern durch eine Prüfung durch Unabhängige.

Meine Damen und Herren, Veränderungen im Etat gibt es kaum. Die Einsparung von 641.000 € – ein sehr kleiner Tropfen auf den sehr heißen Schuldenstein – ergibt sich aus der Kürzung des Medienforums auf einen Tag. Warum allerdings eine Veranstaltung von nur einem Tag fast 900.000 € kosten muss, bleibt mir fraglich. Und was soll da eigentlich geschehen? Es ist nicht mal mehr ein knappes halbes Jahr bis zur Durchführung.

Zum Medienforum gibt es eine Reihe weiterer Fragen und Ungereimtheiten. Die Organisation des Medienforums lag bislang bei der LfM Nova GmbH, einem Tochterunternehmen der LfM. Nach einem Bericht der „Rheinischen Post“ vom 31. Januar hat deren Geschäftsführer noch Anspruch auf ein ganzes Jahr Gehalt, obwohl die Zusammenarbeit beendet wurde. Offensichtlich ist die Entscheidung, das Medienforum zu verkürzen, so hektisch erfolgt und mit so wenig Prüfung der Verträge, dass eine fristgerechte Vertragsauflösung nicht möglich war.

Aus diesen handwerklichen Fehlern ergeben sich für uns Fragen.

Erstens. Warum ist die Entscheidung zur Neukonzeption nicht mit ausreichendem Vorlauf kommuniziert worden?

Zweitens. Womit beschäftigen sich die LfM Nova GmbH und ihr Geschäftsführer im kommenden Jahr, vor allen Dingen nach dem Medienforum?

Drittens. Wie hoch sind die Gehaltszahlungen für deren Geschäftsführer und gegebenenfalls weitere Beschäftigte, die nun ohne Aufgabenerfüllung bezahlt werden?

Es hat ja offensichtlich auch schon Probleme bei der Integration des ecmc in das Grimme-Institut Ende 2010 gegeben. Man hat den Eindruck, hier sind wieder vor allen Dingen handwerkliche Fehler zu vermerken.

Externe Beratung lässt sich die Landesregierung auch sonst etwas kosten. Eine stattliche Viertelmillion wird gebraucht, um ein Fördercontrolling zu finanzieren, weil die normalen verwaltungstechnischen Prüfungen in der Staatskanzlei offensichtlich nicht ausreichen.

Aber auch Veranstaltungen für die Staatskanzlei scheinen lukrativ zu sein. Für einen Kongress zur – es heißt da – Förderung der Qualität von Video- und Computerspielen – das soll tatsächlich in einem Kongress passieren – sind stattliche 160.000 € vorgesehen. Ich vermute, es geht dabei um Personalstellen.

Das Grimme-Institut ist Nutznießer einer Titelveränderung, der Übertragung von 330.000 € für Fortbildungen zum Lokaljournalismus. Meine Damen und Herren, das Problem der Verleger mit ihren lokalen Blättern ist aber nicht die Ausbildung ihrer Redakteure, die in der Regel hochqualifiziert sind. Ich glaube, es stellen sich eher ordnungspolitische Fragen um diese Ausgaben, die im Umfeld der geplanten Stiftung stehen. Mein Kollege Schick hat bereits vor der drohenden Einflussnahme der Regierung gewarnt und der damit einhergehenden Kontrollen. Es geht um rechtliche Rahmenbedingungen und interne Abklärungen. Die sind sehr viel wichtiger, damit aus dem Kostenlosmedium Internet irgendwann eine alle Seiten zufriedenstellende und arbeitsplatzsichernde Einnahmequelle wird.

(Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU): Meine Damen und Herren, dass sich das Grimme-Institut mit Digitalisierung im Rahmen echter wissenschaftlicher Forschung über ein An-Institut befassen soll, ist nicht zu kritisieren. Wir sind allerdings sehr gespannt, wo und unter welchen Umständen dieses An-Institut angesiedelt werden wird.

Nicht zu kritisieren ist auch der größte Batzen des Etats mit fast 15 Millionen für unsere Film- und Medienstiftung, …

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit bitte.

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU): … die erfolgreiche Arbeit macht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, wir werden sehr genau darauf achten, ob die Staatskanzlei Veränderungen der Medienlandschaft nutzen wird, um ihren Einfluss zu stärken und damit die Unabhängigkeit der Medien zu gefährden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Prof. Dr. Dr. Sternberg. – Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Vogt das Wort.

Alexander Vogt (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich könnte jetzt meine Rede beginnen und erklären, wie gut NRW als Medienstandort aufgestellt ist. Dazu komme ich gleich. Ich möchte aber mit einem aktuellen Thema beginnen.

Meine Damen und Herren, haben Sie schon einmal an einem Trauermarsch teilgenommen? An einem Trauermarsch wie er Anfang des Monats in Dortmund stattgefunden hat: Dort wurde eine ganze Redaktion eingestellt. Das wurde gerade von Herrn Prof. Sternberg angesprochen. Sie wissen genauso gut wie ich, Herr Prof. Sternberg, dass das eine Entscheidung des Mehrheitsgesellschafters war und die DDVG Medienholding dort nur 13 % Mitspracherecht hatte.

Aber dieses Beispiel zeigt, die Situation auf dem Zeitungsmarkt ist nicht einfach und dass Medienpolitik einen immer größeren Stellenwert bekommen muss. Die rot-grüne Landesregierung hat das erkannt. Das wird auch am Haushalt deutlich.

Hierbei legen wir Schwerpunkte in drei Bereichen. Der Erste ist Vielfaltssicherung. Der Zweite ist Medienkompetenzvermittlung. Und drittens: Wir wollen den Medienstandort NRW stärken.

Wenn wir den Medienstandort NRW insgesamt betrachten, können wir stolz darauf sein. Wir haben hier im Medienbereich 65.000 Unternehmen, die NRW zum umsatzstärksten Standort in Deutschland machen. Die Film- und Medienstiftung unterstützt nicht nur Film- und TV-Produktionen, sondern auch den immer stärker werdenden Games-Bereich, der heute schon mehr als 2 Milliarden € Umsatz im Jahr macht.

NRW ist gleichzeitig TV-Standort Nummer eins.

Das neu konzeptionierte Medienforum NRW wird auch weiterhin die Möglichkeit bieten, aktuelle medienpolitische Themen zu diskutieren und auch den Medienstandort zu präsentieren.

Meine Damen und Herren, eine zukünftige Herausforderung wird natürlich die Sicherung der journalistischen Vielfalt werden. Derzeit haben wir noch einen vergleichsweise vielfältig aufgestellten Zeitungsmarkt. Gleichzeitig gehen jedoch die Auflagen der Printzeitungen zurück, ohne dass das bisher durch Online-Angebote ausgeglichen werden kann. Insbesondere den Lokaljournalismus müssen wir dabei besonders im Auge behalten. Dabei geht es grundsätzlich um die Frage von Vielfalt und Demokratie vor Ort. Aber auch jede politische Gruppierung, jeder Sportverein, jede Kirchengemeinde ist davon betroffen, jede Organisation, die mit den Menschen in ihrer Stadt kommunizieren will.

Wir führen die Diskussion um Lokaljournalismus. Wir wollen diesen stärken. Doch wie können wir das tun? Es gibt da vielfältige Ansätze. Eine Möglichkeit ist die Idee einer Stiftung, einer Stiftung mit dem Ziel, Vielfalt und Partizipation zu stärken.

Ja, natürlich muss diese Stiftung staatsfern organisiert sein. Die Aufgaben und Möglichkeiten einer solchen Stiftung werden derzeit diskutiert. Jeder ist eingeladen, dort Vorschläge einzubringen. Gute Vorschläge sind immer willkommen.

Die Stiftung kann eine Art der Unterstützung sein. Wir brauchen aber insgesamt eine gesellschaftliche Debatte darüber, was uns eigentlich lokaler Journalismus wert ist, was uns unabhängiger Journalismus wert ist und wie wir diesen finanzieren wollen. NRW beginnt diese Debatte.

Meine Damen und Herren, wenn wir auf den Rundfunkbereich blicken, sehen wir, dass das duale System gut aufgestellt ist. Es hat sich bewährt.

Das neue Beitragsmodell wurde auch hier im Landtag mit einer breiten Mehrheit beschlossen und in anderen Bundesländern sogar mit Stimmen der FDP. Das neue System hat viele gute Ansätze. Einige Probleme müssen jedoch bei einer Evaluierung genau betrachtet und es müssen Korrekturen vorgenommen werden.

(Vorsitz: Vizepräsident Daniel Düngel)

Welche Aufgaben sehen wir noch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk?

Die 7-Tages-Frist, nach der Inhalte aus dem Netz entfernt werden müssen, muss überarbeitet werden. Die Nutzer verstehen nicht, warum rundfunkgebühren- oder beitragsfinanzierte Inhalte aus dem Netz gelöscht werden.

Und die Gremien, der Rundfunkrat und der Verwaltungsrat im WDR, müssen gestärkt werden. Das Gleiche gilt für die Medienkommission der LfM.

Wegen der fortschreitenden Digitalisierung ist uns das Thema „Medienkompetenz“ besonders wichtig. Es geht nicht nur darum, Kindern einen sicheren technischen Umgang mit dem Netz zu vermitteln, sondern ihnen auch beizubringen, kritisch mit Inhalten umzugehen und sie zu bewerten. Wir haben in NRW den Medienpass auf den Weg gebracht. Über 800 Schulen haben sich bisher bereiterklärt, dabei mitzumachen. Das ist ein wichtiges Thema.

Als letzten Punkt möchte ich noch den „Tag der Medienkompetenz“ ansprechen. Wir haben ihn hier im Landtag wieder eingeführt, nachdem ihn die Rüttgers-Regierung abgeschafft hatte. Die Resonanz war gut. Ich freue mich darüber.

Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege, achten Sie bitte auf die Redezeit.

Alexander Vogt (SPD): Ich komme zum Schluss. – Allen Fraktionen, die zugestimmt haben, herzlichen Dank. Wir haben wohl alle gesehen, dass das eine gute Veranstaltung war, die wir weiter fortsetzen sollten.

Als wirklich Letztes: Wir haben drei große Aufgaben: die Vielfalt unserer Medienlandschaft zu sichern, die Medienkompetenz zu stärken und den Medienstandort NRW zu fördern. Dazu brauchen wir diesen Haushalt, der dafür eine gute Grundlage legt. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Vogt. – Für die FDP-Fraktion spricht Kollege Nückel.

Thomas Nückel (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, der Medienkompetenztag war eine erfolgreiche Sache. Als es aber kritisch wurde, waren Sie alle weg: als sich Lehrer beschwerten, sich teilweise ein bisschen hilflos zurückgelassen zu fühlen, und sich unter anderem Eltern beschwerten, zum Teil nicht informiert worden zu sein, was bei den Medienkompetenzprojekten läuft. Vielleicht geht es dabei aber auch nur um PR.

Drei Aspekte ziehen sich durch den vorliegenden Entwurf des Medienhaushalts 2013 als rot-grüne Linie:

Erstens. Es scheint ein Stil offenbar zu werden, der Entwicklungen in den Medien vor allem von der Gnade von Funktionären und Seilschaften abhängig machen will.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Zweitens. Es geht der Koalition nicht um die Sicherung des Standorts NRW.

Drittens. Freilich geht es auch nicht ums Sparen. Das von der Landesregierung angegebene Einsparvolumen ist nämlich sehr gering. Der Gesamtansatz des Etats beläuft sich auf etwas über 21 Millionen €. Das bedeutet gerade mal eine Einsparung von 640.000 € gegenüber dem Vorjahr. Und das ist lediglich dem Umstand geschuldet, dass man Kürzungen beim Medienforum vorgenommen hat. Ansonsten gibt es nur geringe Umschichtungen innerhalb des Haushalts.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Machen Sie doch mehr!)

Aus unserer Sicht sind aber weitere Einsparpotenziale vorhanden, so beispielsweise bei Forschungsaufträgen und Gutachterkosten.

Es hat sich schon in den letzten drei Jahren gezeigt:

(Beifall von der FDP)

Es reicht nicht, sich Ideen einfach nur erkaufen zu wollen. Die Geschäftsbesorgung durch die Film- und Medienstiftung, die grundsätzlich erfolgreich arbeitet, ist aber schon aufgrund der Gesellschafterstruktur in Teilen zu hinterfragen.

Bedenklich ist auch, dass die Internationale Filmschule erheblich von Rundfunkgebührengeldern mitgenährt wird.

Ich sehe es auch als kritisch an, dass die Ministerin am 17. Januar im Ausschuss lapidar in der Beschreibung verlauten ließ, dass auf Initiative des Landes die ifs mit einem 7-semestrigen Bachelor-Studiengang Kamera gestartet sei als Nachfolger der an der FH Dortmund ausgelaufenen Kameraausbildung. Ergo: eine teilweise Abwälzung vom Steuerzahler auf den Gebührenzahler. Entledigt sich die Landesregierung so zum Teil der Kosten?

(Beifall von der FDP)

Auch das Thema „Rundfunkgebühren“, das uns ohnehin noch weiter beschäftigen wird: Es gibt für den Gebührenzahler also viele Gründe, das System kritisch infrage zu stellen.

Teuer ist vor allen Dingen immer noch das Medienforum, wenn man betrachtet, was dafür ausgegeben wird, gemessen an dem, was davon noch übrigbleibt.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die sogenannte thematische Fokussierung, die Sie als Grund für die Verkürzung des Forums wie eine Monstranz vor sich hertragen, ist eine inhaltsleere Floskel. Diese neue strategische Ausrichtung, die beschworen wird, entpuppt sich als Taschenspielertrick. Offensichtlich konzentriert man sich auf repräsentative Events. Eine Gala, wie man hört, soll wohl zum Imagepflege der Landesregierung dienen. Vielleicht gibt es gerade deshalb drei Monate vor dem Termin immer noch nichts Handfestes zum Inhaltlichen des Programms.

(Beifall von Werner Jostmeier [CDU])

Die Landesregierung eiert ausgerechnet im Jubiläumsjahr des Medienforums. Mit vielen interessanten Besuchern gehörte das Medienforum zu den wichtigsten Medienveranstaltungen in Deutschland und Europa. Davon bleibt jetzt nicht mehr viel übrig; von Programmbreite ist gar keine Rede mehr. Ob man in der Branche so noch Gehör findet? Da hören wir im Juni bei der Gala wohl eher die Schnecken im Salat.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Zur Debatte zum Haushalt 2012 im letzten November: Nach unserer Kritik am fehlenden Termin – Sie werden sich sicherlich erinnern, Frau Ministerin – wurde das Datum so plötzlich aus dem Hut gezaubert, dass ich gespannt bin, welches Kaninchen gleich noch zum Medienforum aus dem Zylinder kommt.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege Nückel, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Abel zulassen?

Thomas Nückel (FDP): Heute ausnahmsweise nicht. Danke. – Auch in anderen Dingen scheinen die Weichenstellungen der Landesregierung im Medienbereich nur dahin zu gehen, sich bestimmenden Einfluss auf Medien zu sichern. Es ist alles andere als eine ausbalancierte Strategie zur Förderung von Vielfalt erkennbar. Erkennbar ist ein Verlangen, die verschiedenen Bereiche an die engen politischen Zügel der Staatskanzlei zu nehmen.

Als Beispiele seien die Pläne für die Stiftung „Partizipation und Vielfalt“ erwähnt. Sie verstecken sich hinter einer scheinbaren Retterkulisse zur Sicherung der Vielfalt. Statt aber Vielfalt zu befördern, besteht – allen Bekundungen von Staatsferne zum Trotz – die Gefahr, dass mit Politikern und Funktionären besetzte Gremien am Ende über die Vergabe der Gelder entscheiden werden. Das ist mehr als ein fader Beigeschmack.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Sie werden nicht direkt in die redaktionelle Arbeit eingreifen. Nein, nein. Allerdings werden Sie nach und nach Regeln entwickeln, die sich auf die Arbeit der Journalisten auswirken werden, und sogenannte gerechte Sprachregeln oder Quoten für jenes oder dieses Thema durchsetzen.

Wir hätten uns mehr Ideen gewünscht, wie die Medienhäuser von einschränkenden Regulierungen befreit werden könnten. Insgesamt scheint die Landesregierung aber eher den Schwerpunkt auf die Förderung von Staatsjournalismus zu legen. Das ist eine Richtung, die wir als FDP-Fraktion auf keinen Fall mitgehen werden.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Deswegen wird es Sie nicht verwundern, dass wir den Haushalt ablehnen. – Danke.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Nückel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird mein lieber Herr Kollege Keymis den Redebeitrag halten. Darüber freue ich mich ganz besonders.

Oliver Keymis (GRÜNE): Das ist eine ganz dicke Männerfreundschaft.

(Allgemeine Heiterkeit und Beifall – Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

– Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Stichwort kam von der Ministerpräsidentin. Bitte keinen Neid, Frau Ministerpräsidentin. Jedenfalls, was „dicke“ betrifft nicht.

Genug geschwatzt. Ich will es kurz und knapp machen. – Das Kabinett hat uns für den Medienbereich einen relativ unveränderten Haushalt vorgelegt. Darüber ist der Medienpolitiker eigentlich ganz froh, weil das heißt, dass wir das, was wir machen, mit hoher Effizienz tun, und dass wir im Wesentlichen machen können, was wir uns im Koalitionsvertrag vorgenommen haben. Dazu gehören auch Dinge wie die zum Teil schon von den Vorrednern angesprochenen Themen, Stichwort „Medienforum“ oder Stichwort „Stiftung ‚Vielfalt und Partizipation‘“.

Herr Kollege Nückel, ich habe noch nicht heraus, wieso das irgendetwas mit Staatsjournalismus zu tun haben soll. Das ist übrigens auch ein ziemlich schwerwiegender Vorwurf in einem Land, in dem wir uns genau bei dem Thema aus historischen Gründen schon immer um wirkliche Staatsferne bemühen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich kann überhaupt nicht verstehen, warum Sie mit diesem Kampfbegriff an ein Projekt herangehen und versuchen, die Unabhängigkeit und das spezifische journalistische Empfinden, was man benötigt, um gute Zeitungen und gute mediale Präsenz zu erzeugen, in eine bestimmte Ecke zu stellen.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Wenn sich Einrichtungen, die wie eine solche Stiftung von Staats wegen gegründet werden, Gedanken darüber machen, wie Meinungsvielfalt und Teilhabe in einer medial bestimmten Gesellschaft organisiert werden, dann ist das eigentlich nichts Negatives, sondern etwas Positives.

(Zuruf)

– Nein, das ist nichts Gefährliches. Das ist positiv.

Wir haben auch staatliche Schulen, an denen ausgebildet wird. Deshalb ist das doch nicht gefährlich. Ihr Staatsverständnis wirft bei mir Fragezeichen auf. Ich glaube, damit bin ich nicht alleine im Hohen Hause.

Es ist eine gute Idee, zu prüfen, wie wir Entwicklungen befördern können. Kluge Menschen können sich Gedanken darüber machen, wie man dieses Land medienpolitisch künftig noch stärker und vielfältiger, noch meinungsfreier aufstellen kann.

An einem Beispiel wie dem Zusammenbruch der „Westfälischen Rundschau“ sehen wir, wohin es führt, wenn die Dinge rein marktwirtschaftlich, rein ökonomisch und eben nicht unter journalistischen Kautelen organisiert werden. Der „WAZ“-Konzern hat in den letzten Jahren aus meiner Sicht zu wenig auf lokale journalistische Kompetenz gesetzt.

(Zuruf von Klaus Kaiser [CDU])

Die Menschen kaufen ihre Zeitungen vor Ort, um zu erfahren, was in ihrem Umfeld passiert. Hier hat er zu wenig Kompetenz gezeigt. Dann bestellen die Leute die Zeitung eben ab. Das Ergebnis ist ein ökonomischer Niedergang. Die „WR“ hat das leider erfahren. 120 kompetente Kolleginnen und Kollegen aus dem journalistischen Bereich stehen auf einmal auf der Straße.

Das ist eine falsche Medienpolitik, die in dem Fall der Konzern zu verantworten hat. Das hat mit staatlicher Organisation gar nichts zu tun.

Über den Rundfunkbeitrag haben wir auch gesprochen. Es ist ein kompliziertes Gebilde. Immerhin haben wir im Landtag mit fast allen Fraktionen diesen Beschluss gefasst. Ich glaube, es war auch richtig, von der gerätebezogenen Gebühr auf einen Haushaltsbeitrag umzusteigen. Wir werden jetzt zügig evaluieren. Dann werden wir hoffentlich bis zum Ende des nächsten Jahres wissen, wohin die Reise künftig geht. Es werden noch Diskussionen zu führen sein.

Über allem wacht die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs, die KEF. Also keine Sorge: Alles was an Mehreinnahmen möglicherweise durch den Rundfunkbeitrag bei den Öffentlich-Rechtlichen landen könnte, wird von der KEF sofort wieder gegengerechnet und abgezogen. Ich habe den Eindruck, an der Stelle haben wir ein gut organisiertes System. Ich bin nicht nur dem Bundesverfassungsgericht dafür dankbar.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben uns im Koalitionsvertrag als ein Projekt das Landesmediengesetz vorgenommen. Die Novelle 2013 wird eine Reihe von Schwerpunkten aufweisen. Wir werden das WDR-Gesetz an einigen Stellen nacharbeiten. Das tun wir in einem sehr offenen Prozess im Parlament.

Wir erwarten mit Interesse den Entwurf der Landesregierung zur Novelle des Landesmediengesetzes. Wir werden uns im Parlament dann im Rahmen von Anhörungen und Diskussionen damit beschäftigen. Es geht auch darum, die Bürgermedien zu stärken und damit das Thema der Medienkompetenz aus unserer Sicht politisch weiterzuentwickeln. Das haben wir übrigens in Bezug auf den Tag der Medienkompetenz schon getan. – Alles in allem ist es ein rundes Programm.

Mit Blick auf die digitale Entwicklung, mit Blick auf Veränderungen, die diese Gesellschaft erfährt, finde ich eine Entwicklung bedauerlich – darüber ärgere ich mich –: Ich meine die Grimme-Preis-Nominierung für eine Sendung wie „Dschungelcamp“. Bislang ist es nur eine Nominierung. Wir müssen abwarten, ob es einen Preis gibt. Das finde ich persönlich fragwürdig.

(Zustimmung von den GRÜNEN und der SPD)

Es ist aber eine Entwicklung und Veränderung in der Gesellschaft, die wir mit unseren Möglichkeiten aufmerksam begleiten und verfolgen sollten. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Keymis. – Für die Piratenfraktion spricht nun der Kollege Daniel Schwerd.

Daniel Schwerd (PIRATEN): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Rängen und an den Mattscheiben. Im Medienhaushalt des Jahres 2013 stehen insgesamt 21 Millionen € zur Verfügung. Wir reden damit von einem der kleinsten Einzelpläne des Landes. Den größten Teil davon, nämlich über 16 Millionen €, erhält die Film- und Medienstiftung NRW, die damit ihre Arbeit, die Förderung der Film- und Fernsehinfrastruktur in NRW, verlässlich fortführen kann.

Wir Piraten begrüßen grundsätzlich den Ausbau dieser Filmstiftung zur Film- und Medienstiftung NRW. Wir erhoffen uns davon eine noch stärkere Förderung digitaler und innovativer Medien. Mit den durch die Film- und Medienstiftung kürzlich aufgelegten Förderprogrammen hat die Stiftung einen guten Anfang gemacht.

Die digitale Medien- und Kreativwirtschaft hat gesamtgesellschaftliche Relevanz, weil hier Innovationen und Produkte entstehen, die fast schon täglich die Art und Weise verändern, wie wir leben, arbeiten und kommunizieren.

Eine noch stärkere Förderung von Innovationen digitaler Projekte finden wir immens wichtig. Wirtschaftlich gehören diese Bereiche längst zu den wichtigsten des Landes. Digitale Innovationen haben positive Effekte weit in andere Wirtschaftsbereiche hinein.

Auch die Förderung der Software- und Games-Branche in NRW kann diesem Land und den vielen jungen Entwicklern nur guttun. Wir fordern die Landesregierung auf, ihre Anstrengungen auf diesem Feld zu verstärken und auch in den kommenden Jahren nicht zu sparen.

(Beifall von den PIRATEN)

Ein weiterer Punkt, der für uns Piraten entscheidend ist, ist die Vermittlung von Medienkompetenz. Wir sind der Überzeugung, dass ein freier und unbeschränkter Zugang zu Informationen im Internet das vielleicht wichtigste Fundament für ein selbstbestimmtes und freies Leben im Informationszeitalter ist.

Neben der Vermittlung des hierfür notwendigen technischen Verständnisses ist es entscheidend, die Menschen in die Lage zu versetzen, mit Informationen, die sie im Netz finden, kritisch umzugehen, diese zu hinterfragen und einordnen zu können, um sich letztlich eine eigene, informierte Meinung zu bilden.

Die Vermittlung von Medienkompetenz beschränkt sich dabei keineswegs nur auf junge Menschen. Gerade auch älteren Menschen, die nicht mit dem Internet aufgewachsen sind, müssen wir die Fähigkeiten und das Verständnis dafür vermitteln, welchen unglaublichen Reichtum an Information, Erfahrung, Unterhaltung und Nachrichten das Netz bietet.

(Beifall von den PIRATEN)

Daher begrüßen wir Piraten ausdrücklich, dass im aktuellen Haushalt 1 Million € für das Grimme-Institut veranschlagt worden sind. Im Zuge einer Neuausrichtung auf die Vermittlung von Medienkompetenz soll das Institut dazu beitragen, die Medienbildung in NRW zu stärken. Diesen Ansatz halten wir für absolut richtig. Wir werden beobachten, wie die Arbeit des Grimme-Instituts in diesem Bereich anläuft. Mittelfristig werden 1 Million € für solch ein wichtiges Thema entschieden zu wenig sein.

Im Medienhaushalt für das Jahr 2013 gibt es eine erwähnenswerte Kürzung. Der Zuschuss zur Durchführung des Medienforums NRW wurde um 641.200 € gekürzt. In Zukunft stehen damit nur noch 858.000 € zur Verfügung. Die Landesregierung begründet diese Kürzung mit dem Erfordernis, Geld einzusparen.

Damit geht eine Neuausrichtung des Veranstaltungskonzepts einher: Das Medienforum wird von drei Tagen auf einen Tag gekürzt. Die Zukunft dieser Veranstaltung ist damit unklar.

Es ist auffällig, dass für eine Eintagesveranstaltung fast genauso viel Geld ausgegeben werden soll, wie das Grimme-Institut im ganzen Jahr für Projekte im Bereich der Medienkompetenz zur Verfügung hat.

(Beifall von den PIRATEN und von Prof. Dr. Thomas Sternberg [CDU])

An der Stelle wird die Landesregierung ihre Prioritäten in Zukunft noch schärfen müssen.

Wie schon beim letzten Haushalt kritisieren wir insgesamt die Intransparenz großer Teile des Medienhaushaltes. Für den Bürger ist es kaum nachvollziehbar, wie viel Landesmittel für die Film- und Medienstiftung oder das Grimme-Institut ausgegeben werden. Wir appellieren nicht nur an die Landesregierung, sondern auch an die Film- und Medienstiftung sowie das Grimme-Institut, ihre Strukturen offenzulegen und so den Menschen in NRW einen Einblick zu ermöglichen, wie die Gelder ausgegeben werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Wer mit öffentlichen Geldern umgeht, ist in der Pflicht, diesen Umgang transparent zu machen. Solange nicht für jeden Bürger erkennbar ist, wer auf welcher Grundlage und zu welchem Zweck Steuergelder ausgibt, solange können wir diesem Medienhaushalt nicht zustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Kollege Schwerd. – Für die Landesregierung erteile ich nun der Ministerin Frau Dr. Schwall-Düren das Wort.

Dr. Angelica Schwall-Düren, Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich bin dankbar dafür, dass Prof. Sternberg und andere schon mehrfach die Leitlinien der nordrhein-westfälischen Medienpolitik formuliert haben. Damit muss ich das nicht mehr tun, sondern kann direkt einsteigen:

Als Erstes will ich das Thema „Medienkompetenz“ ansprechen. Ich bin froh, dass Herr Schwerd darauf aufmerksam gemacht hat, dass dieses Thema nicht nur ein Thema für Kinder und Jugendliche ist, sondern auch für ältere Menschen, aber auch für Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen.

Demokratie, meine Damen und Herren, braucht Teilhabe. Und Teilhabe wiederum erfordert den selbstbestimmten und kritischen Umgang mit Medien und Medienvielfalt. Deshalb haben wir eine ganze Reihe von Initiativen, um diese Medienkompetenz zu stärken. Darüber sprechen wir auch im Ausschuss immer wieder. Ich will heute insbesondere noch einmal auf den Medienpass aufmerksam machen und Herrn Nückel versichern, dass beispielsweise beim Medienpass zunächst ein Angebot für die Lehrerinnen und Lehrer erarbeitet wurde, die dieses Projekt in den Grundschulen mit großer Zustimmung aufgegriffen haben. Inzwischen wirken ein Drittel aller Grundschulen mit. Jetzt sind wir dabei, das Angebot auf die 5. und 6. Klassen auszudehnen.

Wenn wir von „Kompetenz“ sprechen, sprechen wir immer auch von „Qualifizierung“ und „Qualität“. Auch dabei ist die Landesregierung aktiv, beispielsweise mit dem Karriereportal www.medienkar­ri­e­re.nrw.de, wo eine Fülle von Informationen auch für Qualifizierung und Weiterbildung zu finden sind. Dazu kann ich hier im Einzelnen nicht weiter ausführen.

Lassen Sie mich nun zu dem Thema „Stiftung ‚Vielfalt und Partizipation‘“ zur Stärkung des Lokaljournalismus kommen. Noch einmal: Diese Idee ist nicht einfach im luftleeren Raum entstanden, sondern nachdem die Ministerpräsidentin dieses Thema auf dem Medienforum angesprochen und Gespräche angeboten hat, ist mit vielen Akteuren, Verlegern, mit Journalisten und Experten von Hochschulen die Idee geboren worden, dass eine solche Stiftung – abgestimmt auf die im Medienbereich vorhandenen Bedarfe – entwickelt werden sollte.

Deswegen kann ich es einfach nicht hinnehmen, Herr Nückel, dass Sie, obwohl bei uns noch gar kein Konzept auf dem Tisch liegt, mit Unterstellungen arbeiten, Potemkinsche Dörfer aufbauen und sogar den Begriff „Staatsjournalismus“ gebrauchen.

Wir werden – Sie sind eingeladen, Ihre Kontrollfunktion als Opposition wahrzunehmen – dazu beitragen, dass es sich bei dieser Stiftung um eine staatsferne Stiftung handelt.

Meine Damen und Herren, es ist angesprochen worden, dass die digitale Gesellschaft nicht nur für die Menschen immer wichtiger wird, sondern auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. Insofern ist es in der Tat gut, dass die Filmstiftung zur Film- und Medienstiftung weiterentwickelt worden ist und mit ihrer neuen Förderstrategie neben der Förderung im Filmbereich sehr viele junge, innovative Unternehmen auf dem Weg in eine sichere Zukunft unterstützen konnte.

Meine Damen und Herren, das Medienforum gehört zu dem Komplex „Standortmarketing“. Es macht Sinn, dass im 25. Jahr der Durchführung eine Neuausrichtung erfolgt. Das Ziel ist eine straffere, auf medienpolitische Fragestellungen konzentrierte Veranstaltung. Auch da finde ich es sehr merkwürdig, wenn Herr Nückel auf der einen Seite behauptet, er wisse nichts, aber auf der anderen Seite schon alles kritisieren kann.

Vielleicht haben Sie noch ein bisschen Geduld. Denn die Filmstiftung ist derzeit dabei, dieses Konzept zu erarbeiten; es wird in Kürze vorgelegt werden. Es wird in der Verantwortung der Filmstiftung liegen. Die von Ihnen angesprochene LfM Nova ist eine Tochter der Landesmedienanstalt, und die Mitarbeiter werden in diesem Jahr noch weitere Projekte abwickeln wie beispielsweise das Festival „Großes Fernsehen“ oder das Medienbürgerfest. Sie werden also nicht einfach nur herumsitzen und nichts tun.

Wir wollen mit der Neuausrichtung Doppelangebote und Doppelstrukturen abbauen, aber ein Medienforum präsentieren, das auf der Höhe der Zeit ist und die Themen der Zeit mit den Experten und Expertinnen diskutiert.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir zum Schluss der Debatte zum Einzelplan 02 noch einige Worte des Dankes für die klaren, natürlich auch widersprechenden politischen Aussagen, die erkennen lassen, dass der Haushalt der Staatskanzlei mehr ist als der kleinste Etat aller Ministerien, dass er auch ein Spiegelbild der Regierungsphilosophie der amtierenden Regierungschefin ist.

Ich möchte mich für den überwiegend sachlichen und fairen Umgang sowohl miteinander als auch mit dem Einzelplan, für die Zwischenfragen, die gezeigt haben, dass es auch, wenn es nur um die Sache geht, trotzdem spannend sein kann, und für das Festhalten am Beratungsfahrplan, was es ermöglicht, den Haushalt 2013 noch vor der Osterpause in Kraft zu setzen, bedanken. Nicht zuletzt bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit, die Sie mir bis zum Schluss geschenkt haben. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Der Form halber: Frau Ministerin hat die Redezeit um 86 Sekunden überzogen. Die meisten anderen haben das jedoch auch getan. Ich sehe auch niemanden hierhin stürmen, der gegebenenfalls noch reden möchte. Insofern sind wir am Ende der Beratung zu Einzelplan 02.

Wir kommen zur Abstimmung über selbigen Einzelplan. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung Drucksache 16/2102, den Einzelplan 02 unverändert anzunehmen. Zu diesem Einzelplan ist für die Teilbereiche Einzelabstimmung gemäß § 41 unserer Geschäftsordnung beantragt worden. Daher kommen wir jetzt zur Einzelabstimmung.

Zunächst geht es um den Teilbereich „Ministerpräsidentin und Staatskanzlei“. Wer kann diesem Teilbereich zustimmen? – Das sind die Fraktionen der Piraten, der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen. Wer lehnt diesen Teilbereich ab? – CDU und FDP. Enthält sich jemand? – Das ist nicht der Fall. Damit ist dieser Teilbereich des Einzelplans 02 angenommen.

Wir stimmen ab über den Teilbereich „Landesplanung“. Wer stimmt diesem Teilbereich zu? – Das sind die SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer ist dagegen? – Das sind CDU und FDP. Wer enthält sich? – Die Piratenfraktion enthält sich. Damit ist auch dieser Teilbereich des Einzelplans 02 angenommen.

Wir stimmen ab über den Teilbereich „Europa und Eine Welt“. Wer ist dafür, diesen Teilbereich anzunehmen? – Die Piraten, die SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt gegen diesen Teilbereich? – CDU und FDP. Enthält sich jemand? – Das ist nicht der Fall. Damit ist dieser Teilbereich des Einzelplans 02 angenommen.

Wir stimmen ab über den Teilbereich „Medien“. Wer stimmt diesem Teilbereich zu? – SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Enthaltungen? – Die Piratenfraktion. Damit ist dieser Teilbereich des Einzelplans 02 angenommen.

Wir kommen zur Gesamtabstimmung über den Einzelplan 02 gemäß der Beschlussempfehlung Drucksache 16/2102. Wer möchte diesem Einzelplan zustimmen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen. Wer ist gegen diesen Einzelplan? – CDU und FDP. Wer enthält sich? – Die Piratenfraktion. Damit ist die Beschlussempfehlung Drucksache 16/2102 angenommen und der Einzelplan 02 in zweiter Lesung verabschiedet.

Ich rufe auf:

     Einzelplan 14
Ministerium für Wirtschaft, Energie,          
Industrie, Mittelstand und Handwerk

Zunächst geht es um den

     Teilbereich
Wirtschaft, Industrie,  
Mittelstand und Handwerk

Ich weise Sie hin auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 16/2114 zu selbigem Einzelplan und eröffne hiermit die Beratung. – Zum Teilbereich „Wirtschaft, Industrie, Mittelstand und Handwerk“ spricht für die CDU-Fraktion der Kollege Wüst.

Hendrik Wüst (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer! Wir werden auch mit Blick auf den Einzelplan 14 dem Haushalt nicht zustimmen können, weil solide Haushaltsführung und prosperierende Wirtschaft, Wirtschafswachstum zwei Seiten einer Medaille sind.

Wir sehen das in den kriselnden Staaten der Europäischen Union, und wir sehen es auch in Nordrhein-Westfalen, wo seit vielen Jahrzehnten – mit Ausnahme von wenigen Jahren – über die Verhältnisse gelebt wird und wir seit genau gleicher Zeit dem Wirtschaftswachstum in Deutschland hinterherhängen.

(Beifall von der CDU)

Einsparungen von lediglich 150 Millionen € bei einem Haushaltsvolumen von 60 Milliarden € sind nicht der ambitionierte Angang, den wir brauchen, um unsere Probleme zu lösen.

(Beifall von der CDU)

Deswegen ist die Kritik des Präsidenten der Landesvereinigung der Unternehmensverbände, Maier-Hunke, an dieser fahrlässigen Verschuldungspolitik auch richtig.

In einem innovativen zustimmungsfähigen Haushalt würde im Einzelplan 14 zum Beispiel der Versuch unternommen, bei der Kofinanzierung neue Wege etwa durch Drittmittelfinanzierung zu gehen, wie es an anderer Stelle von der Vorvorgängerregierung schon gemacht worden ist.

In einem innovativen zustimmungsfähigen Haushalt würden Personalkosten reduziert statt sie auszubauen. Eine wirtschaftsfreundliche Finanzpolitik würde bei allen Sparbemühungen die heimische Wirtschaft nicht mit zusätzlichen wettbewerbsverzerrenden Abgaben belasten.

Aber das Gegenteil von dem ist bei uns in Nordrhein-Westfalen der Fall. Rot-Grün hatte schon die flächendeckende Gewerbesteuererhöhung über das GFG zu verantworten. Jetzt kommt die Erhöhung des Wasserentnahmeentgelts und eine Bundesratsinitiative des Landes zur Einführung einer Vermögensteuer.

Die Wirtschaftsverbände bescheinigen dem Minister zwar, die richtigen Worte zu finden, es jedoch an Taten vermissen zu lassen.

(Beifall von der CDU)

Von einem Wirtschaftsminister wird zu Recht mehr erwartet als kluge Reden. Sehr geehrter Herr Minister Duin, es war bemerkenswert – ich konnte jedem einzelnen Ihrer Sätze bei der Wirtschaftsvereinigung Stahl vor einigen Tagen zustimmen –: Kaum zehn Stunden nach der Abendveranstaltung auf dem Weg hier zum Landtag erreichte mich ein Anruf, in dem mir mitgeteilt wurde, dass Herr Remmel wieder einmal Sand ins Getriebe des Wirtschaftswachstums in Nordrhein-Westfalen streut und ein neues Gutachten zur CO-Pipeline in Auftrag gegeben hat.

Das ist die Realität. Sie reden gut, Sie kriegen Beifall von der Wirtschaft. Und Herr Remmel macht genau das Gegenteil von dem, was Sie sagen: Er behindert die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU)

Dabei haben wir eine Situation, die nicht weniger als kritisch ist. Wir können stolz sein auf unsere Industrie in Nordrhein-Westfalen, insbesondere – das sage ich absichtlich, weil das manchmal bestritten oder klammheimlich weggelassen wird – auf den Industriebereich, der energieintensiv ist, auf Branchen wie Chemie, Glas, Keramik, Papier etc.

Genau in dem Bereich ist in den letzten Jahren, seit dem Jahre 2000 ein Rückgang zu verzeichnen, ein Rückgang, den man nicht an großen Werksschließungen oder an öffentlichkeitsaufmerksamen Streitereien erkennt, sondern den man daran ablesen kann, dass in den genannten Branchen seit dem Jahr 2000 nur 85 % der Abschreibungen reinvestiert worden sind. Es gibt also ein Klima der Desinvestition bei energieintensiven Unternehmen. Und davon sind wir in Nordrhein-Westfalen besonders stark betroffen. Das sollte uns zu denken geben, was die Politik der rot-grünen Landesregierung im Land Nordrhein-Westfalen angeht.

Herr Minister, Sie haben Ihre Chancen verstreichen lassen. Bei der Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes hätte man schon in der ersten Kabinettssitzung einschreiten müssen. Warum haben Sie das nicht getan? Sie hätten einschreiten können bei der Verordnung zum Tariftreue- und Vergabegesetz, spätestens dann, als jedem deutlich wurde, dass dieses Gesetz so nicht funktioniert.

Was ist das für ein Gesetz, das mit einer Verordnung nicht mehr zu administrieren ist, bei dem man zu der Verordnung noch zwei Handreichungen braucht, meine Damen, meine Herren?

(Beifall von der CDU)

Diese Chance haben Sie ebenfalls verstreichen lassen. Das Nichtraucherschutzgesetz und das Ladenöffnungsgesetz sind im Vergleich mit den genannten vorherigen Gesetzen fast schon zu vernachlässigen. Unser Land braucht einen Wirtschaftsminister, der seinen Worten Taten folgen lässt, und es braucht regierungstragende Fraktionen, die mit dem Parlament gemeinsam an Lösungen arbeiten und dies nicht, wie ich es an einem Fall schildern möchte, der mich besonders ärgert, hinterrücks tun.

Frau Schneckenburger, ich bin froh, dass Sie da sind. Wir haben in der Wirtschaftsausschusssitzung über EFRE-Mittel diskutiert. Ich habe gefragt, ob etwas an dem dran ist, was ich aus der Enquetekommission gehört habe, dass Sie EFRE-Mittel einsetzen wollen, um im Bereich der Wohnungswirtschaft etwas zu machen. Es wurde gesagt, nein, das sei nicht so. Ich hätte keine Ahnung. Dann bin ich beschimpft und in der Ihnen üblichen Manier gemaßregelt worden.

Heute habe ich zufällig, eine Stunde vor meiner Rede, einen Brief von Herrn Horzetzky bekommen, der bestätigt: Ja, das ist möglich; das zu tun halten wir für eine gute Möglichkeit. – Das ist kein anständiger Umgang miteinander.

(Beifall von der CDU)

Wenn Sie auf der einen Seite beklagen, dass die Bundeskanzlerin nicht anständig verhandelt habe, aber auf der anderen Seite EFRE-Mittel offensichtlich aus der Wirtschaftsförderung abziehen und andere Dinge, die man für notwendig erachten könnte, umleiten wollen, ist das so nicht in Ordnung. Das ist kein redlicher Umgang miteinander und entlarvt das Wahlkampfmanöver mit den europäischen Mitteln als ziemlich plump und dämlich, um es, bei allem Respekt, zu sagen.

Meine Damen, meine Herren, Wirtschaftspolitik nach einem halben Jahr Duin ist geprägt von besseren Reden als beim Vorgänger, von fleißigeren Terminen als beim Vorgänger. Die Wirtschaft hat einen Ansprechpartner, ja, aber leider mit mangelndem Tatendrang. Deswegen können wir diese Wirtschaftspolitik auch im Haushalt nicht unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wüst. – Für die SPD-Fraktion ist Kollege Bell auf dem Weg zu uns.

Dietmar Bell (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das war nun wieder typisch das Zerrbild, das Herr Wüst seit geraumer Zeit als Bild der nordrhein-westfälischen Wirtschaft zu vermitteln versucht. Es ist auch klar, warum er versucht, das zu tun: Wir haben mit dem Wirtschaftsminister einen Minister, der eine hohe Akzeptanz im Bereich der Wirtschaft hat, der sich hohen Respekt bei den Wirtschaftsfunktionärinnen und ?funktionären erarbeitet hat.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Da scheinen Ihre Zerrbilder nur der Versuch zu sein, Bilder zu entwickeln, um damit faktisch wirtschaftspolitische Kompetenz vorzutäuschen. In Wirklichkeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Wüst, suchen Sie händeringend Themen und wirtschaftspolitische Kompetenz, die Ihnen in den letzten Jahren schlichtweg abhandengekommen ist.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Christian Lindner [FDP]

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was wir in den letzten Wochen und Monaten erlebt haben, war doch nichts anderes als der Versuch, jeden Ansatz einer werteorientierten Wirtschaftspolitik als Bürokratiemonster zu diskreditieren.

(Norbert Meesters [SPD]: So ist es!)

Ich will das an einigen Beispielen verdeutlichen, weil ich glaube, dass diese Verfahrensweise, die Sie hier an den Tag legen, schlichtweg auf Dauer nicht verfängt.

Stichwort: Tariftreuegesetz. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe mit großer Aufmerksamkeit das Interview von Josef Laumann zur Frage Mindestlohn gelesen. Ich habe auch zur Kenntnis genommen, Herr Lindner, dass sich der Womanizer Ihrer Bundestagsfraktion und Spitzenkandidat hier ebenfalls auf den Weg in Richtung Mindestlohn macht. Sie wollen dieses Thema offensichtlich im Rahmen des Bundestagswahlkampfs besetzen, weil Sie merken, dass die Menschen in diesem Land einen Mindestlohn wollen,

(Beifall von der SPD)

aber gleichzeitig fordern Sie die Abschaffung des Tariftreuegesetzes in Nordrhein-Westfalen,

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Das schlechteste Gesetz, das Sie je gemacht haben.)

mit dem wir einen vergabespezifischen Mindestlohn von 8,62 € eingeführt haben. Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, wer will denn Politik bei der Frage Mindestlohn ernst nehmen, wenn noch nicht einmal in den Handlungsfeldern, die man selber hat, ein solcher Mindestlohn durchgesetzt wird?

(Beifall von der SPD)

Ich will einen zweiten Punkt nennen: das Ladenöffnungsgesetz. Ich habe das große Vergnügen, nächste Woche Freitag mit Herbert Reul in Monheim bei der Katholischen Arbeitnehmerbewegung zum Thema „Sonntagsöffnung“ zu diskutieren.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Ziehen Sie sich warm an!)

– Da brauche ich mich gar nicht warm anzuziehen. Das ist die für Sie typische Rollenverteilung: zur KAB und in die Aktionsbündnisse für den freien Sonntag gehen, das christliche Weltbild loben, aber hier im Landtag seit der ersten Debatte über das Ladenöffnungsgesetz sagen: Dieses Gesetz ist das beste, das jemals im Land Nordrhein-Westfalen gemacht worden ist.

(Beifall von der SPD – Lachen von der CDU)

Sie nehmen noch nicht einmal zur Kenntnis, dass Ihr Gesetz durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Berliner Ladenöffnungsgesetz schlichtweg überarbeitungsbedürftig ist. Auf diesem Niveau, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, werden wir Sie in der Öffentlichkeit nicht weiter laufen lassen.

(Zurufe von der CDU)

Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege Bell, würden Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wüst zulassen?

Dietmar Bell (SPD): Nein, ich rede jetzt durch.

(Zuruf von der CDU: Würde ich an seiner Stelle auch nicht!)

Man hat mittlerweile den Eindruck, dass die Diskussion um die Werteorientierung in der Wirtschaftspolitik von Ihnen mit allen Mitteln diskreditiert wird.

Herr Brockes, der heute nicht anwesend ist, hat in der letzten Wirtschaftsausschusssitzung versucht, uns in diesem Zusammenhang mit dem Begriff des „Gutmenschen“ zu apostrophieren. Herr Ellerbrock hat es heute in anderem Zusammenhang ebenfalls getan.

Wir haben daraufhin gefragt: Was ist denn ein Gutmensch?

(Christian Lindner [FDP]: Ein Gesinnungstaktiker!)

Darüber hat Dietmar Brockes in seiner gewohnten philosophischen Qualität drei Minuten lang geradebrecht, um das einmal höflich zu umschreiben.

Ich frage Sie dann: Was ist denn das Gegenteil von einem Gutmenschen?

(Christian Lindner [FDP]: Ein Verantwortungstaktiker!)

Mit welchem Bild wollen Sie eigentlich identifiziert werden? Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wirtschaftspolitisch stimmt in dieser Opposition bei der Frage nach der Werteorientierung gar nichts mehr.

(Beifall von der SPD – Christian Lindner [FDP]: Das ist der Unterschied zwischen Otmar Schneider und Helmut Schmidt! – Gegenruf von der SPD: Das ist ja lächerlich, Herr Lindner! – Weitere Zurufe von der CDU)

– Ja, Herr Lindner, das klappt alles nicht so richtig.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einige Ausführungen zur Situation der Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen machen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse ist hier im letzten Jahr um 1 % gestiegen.

Für das wirtschaftspolitische Umfeld, in dem auch Nordrhein-Westfalen unterwegs ist, ist das ein gutes Signal für die wirtschaftliche Stärke in diesem Land.

Wenn man einen Blick in die aktuellen saisonbereinigten Konjunkturdaten wirft, die die Deutsche Bundesbank regelmäßig zur Verfügung stellt, dann erkennt man, dass wesentliche Indikatoren der konjunkturellen Entwicklung in unserem Land – die Industrie und die Produktion im produzierenden Gewerbe – positiv von denen des Bundes abweichen. Entsprechend entwickelt sich das bereits erwähnte ifo-Geschäftsklima hierzulande besser als im Bund.

Eines würde mich interessieren: Wir sprechen über den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen. Wenn Ihrer Meinung nach die nordrhein-westfälische Landesregierung alles falsch macht, wie kommt es dann, dass immerhin 28 % aller ausländischen Direktinvestitionen in der Bundesrepublik nach Nordrhein-Westfalen gehen? Wir reden immerhin von 189 Milliarden €.

Das ist Ausdruck der Wirtschaftsstärke dieses Landes. Das Land und die Wirtschaft in diesem Land haben es verdient, dies einmal deutlich auszusprechen.

(Beifall von der SPD)

Deswegen sage ich: Die Art und Weise, wie Sie mit dem Haushaltsentwurf umgehen, zeigt die Qualität Ihrer Politik.

In Ihrem Antrag zum Einzelplan 14, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, steht: Wir reduzieren den Ansatz im Personalausgabenbereich, Personalhaushalt 14, durch die Abschaffung des Tariftreue- und Vergabegesetzes. Dann kann auf die in § 15 Tarifreue- und Vergabegesetz vorgesehene Prüfbehörde verzichtet werden. Der Personalansatz ist entsprechend zu reduzieren. Sie gehen von einer Reduzierung um 17 Millionen € aus.

Nur: Sie haben den Haushalt überhaupt nicht gelesen. Denn diese 17 Millionen € sind gar nicht in den Haushalt eingestellt. Das ist die Qualität Ihrer Haushaltpolitik und Ihrer Sparvorschläge, die Sie diesem Hohen Hause unterbreitet haben.

Ich sage Ihnen sehr deutlich: Machen Sie doch erst einmal Ihre Hausaufgaben, bevor Sie hier mit einer solchen Attitüde auftreten und versuchen, den Wirtschaftsminister zu diskreditieren. Ihr Verhalten ist nicht geeignet, hier eine vernünftige Debatte über den Haushaltplan des Ressorts Wirtschaft in Gang zu setzen.

Wir haben die Schwerpunkte im Haushalt richtig gesetzt. Wir werden die Handwerksförderung weiter fortschreiben. Wir haben mit dem Bereich „Mittelstand“ und der Umsetzung des Mittelstandsgesetzes unter Einrichtung der Clearingstelle den richtigen Weg gewählt, um den Mittelstand perspektivisch zu stärken.

Wir stärken den Bereich „Außenwirtschaft und Tourismus“. Ich sage Ihnen: Wir werden unser Markenzeichen, das auch unser Minister mittlerweile verkörpert – nämlich „Dialog statt Zukunft“ –, fortsetzen. Nicht nur dieses Programm, auch unser Wirtschaftsminister hat sich mittlerweile eine hohe Akzeptanz erarbeitet.

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Reine Autosuggestion!)

Diese erfolgreiche Politik wird durch den Haushaltsansatz fortgeschrieben. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Nächster Redner für die FDP-Fraktion ist der Kollege Bombis.

Ralph Bombis (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach wie vor befindet sich die Wirtschaft in vielen Teilen der Welt in einer erheblichen Krise. Nicht nur in Japan oder den USA, sondern auch in Europa haben viele Länder mit steigenden Arbeitslosenzahlen und sinkenden Einnahmen sowie anderen negativen Folgen zu kämpfen.

Wir in Deutschland sind insgesamt gut durch die Verschuldungs-, Finanz- und Eurokrise gekommen. Wirtschafts- und arbeitsmarktpolitisch gehören wir zu den Musterschülern in Europa, mit so vielen Beschäftigten wie noch nie, geringer Jugendarbeitslosigkeit und einem hervorragenden Wohlstandsniveau im internationalen Vergleich.

Wir in NRW – das will ich durchaus zugestehen – haben daran durchaus einigen Anteil. Für sich genommen ist NRW die achtzehntgrößte Volkswirtschaft der Welt. In Deutschland sind wir der Exportmeister.

Die NRW-Wirtschaft ist geprägt von einer gesunden Mischung aus Großunternehmen und einer Vielzahl von Mittelständlern. Die Hälfte der 50 umsatzstärksten Firmen in Deutschland hat ihren Hauptsitz in Nordrhein-Westfalen. Wichtig ist dabei: Der Wirtschaftsstandort profitiert vor allem vom enormen Innovationspotenzial der Wirtschaft. – So weit die guten Nachrichten.

NRW hat sich allerdings in den letzten Jahren, gerade in den Krisenjahren, nicht als Wachstumslokomotive erwiesen. Das müssen Sie – auch Sie, Kollege Bell – zur Kenntnis nehmen. Das Bruttoinlandsprodukt stagniert in NRW. Die Exportquote stagniert ebenfalls. Andere Bundesländer legen deutlich zu. Die Produktivität sinkt. Auch beim Thema „Arbeitslosigkeit“ entwickelt sich NRW leider nicht so positiv wie andere Länder. Wir sind ein starkes Land; aber wir verlieren an wirtschaftlicher Bedeutung.

Das liegt nicht an den Menschen und an den Unternehmen, die hier in Nordrhein-Westfalen arbeiten. Es liegt daran, dass wir im nationalen und im internationalen Vergleich immer provinzieller werden, weil Rot-Grün hier eine Politik macht, die die Gesellschaft und die Wirtschaft einer immer aufwendigeren Regulierung unterwirft.

(Beifall von der FDP)

Damit wird ein Bundesland immer weniger attraktiv für Investoren. So kann ein Bundesland nicht an Dynamik gewinnen, weil es mit der Bewältigung der neuen Regulierungen völlig überfordert ist. Fehlende Dynamik erschwert die Entfaltung der Innovationskraft der Menschen und gefährdet auf lange Sicht unseren Wohlstand.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, es müsste der Anspruch der Wirtschaftspolitik in Nordrhein-Westfalen sein, dass wir an der Spitze der wirtschaftlichen Dynamik stehen. Es müsste der Anspruch sein, dass wirtschaftspolitisch positive Rahmenbedingungen und Strukturen geschaffen werden.

Wie sieht aber die Wirklichkeit aus? Wie wird Nordrhein-Westfalen regiert? Herr Bell, Sie haben gesagt, der Kollege Wüst spreche hier negativ über Nordrhein-Westfalen. Der Kollege Wüst hat einige Punkte genannt. Ich zitiere einen IHK-Präsidenten, wie er in der „Rheinischen Post“ vom 13. Februar 2013 wiedergegeben ist

(Minister Garrelt Duin: Welchen?)

– das ist ein Zitat aus der „Rheinischen Post“, Herr Minister –: Der Wirtschaftsminister „hat klare und industriefreundliche Positionen“ – so weit Zustimmung –, „aber er setzt sie nicht durch“; so weit ebenfalls Zustimmung.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff, kritisiert:

„Sonntags loben die politischen Eliten die Bedeutung der Industrie. Werktags werden neue Hindernisse für Wachstum und Beschäftigung errichtet.“

(Christian Lindner [FDP]: So ist es!)

Auch der Präsident der Unternehmerverbände, Horst-Werner Maier-Hunke, kritisiert Verschuldungspolitik, Klimaregulierung, Arbeitsmarktregulierung und Vergaberegulierung durch diese Landesregierung.

Das ist die Wahrheit, Herr Bell. – So viel zu der Meinung der Wirtschaft.

(Beifall von der FDP und Christian Möbius [CDU] – Christian Lindner [FDP]: Man könnte noch die IG BCE zitieren!)

Auch wenn das immerwährende Bemühen und die wohlgesetzten Worte diesem Wirtschaftsminister immer noch zugutegehalten werden – das gestehe ich auch zu –, war das Beste, was man zuletzt über ihn lesen konnte – es tut mir herzlich leid; das kommt nicht von mir –: Duin kommt immer, und immer pünktlich.

Das ist aber nicht genug.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Es passt aber zu der eigenen Aussage des Ministers, er könne tatsächlich vor allem rhetorisch wirken. Er fügt selbst hinzu: Von mir wird es keine großen Gesetze geben.

Ich sage Ihnen für unsere Fraktion, Herr Minister: Das erwarten wir gar nicht von Ihnen. Wir erwarten keine großen Gesetze von Ihnen. Wir erwarten von Ihnen aber, dass die großen und die kleinen Gesetze, mit denen unsere Wirtschaft traktiert wird, mit denen sie reguliert und besteuert wird, verhindert werden oder wenigstens verbessert werden. Das kann man von einem Wirtschaftsminister sehr wohl erwarten.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Lenken Sie nicht davon ab, Herr Minister, dass Sie durchaus für Themenbereiche selber verantwortlich sind. Sie können nicht nur rhetorisch wirken. Ich will das an einigen Beispielen, die hier auch schon angeklungen sind, kurz festmachen.

Das Tariftreue- und Vergabegesetz ist ein klassisches rot-grünes Gesetz. Ob nun geerbt oder nicht, ist im Kabinett dafür aber niemand anderes verantwortlich als der Wirtschaftsminister selber. Sie verantworten dieses Gesetz. Sie verantworten vor allen Dingen die jetzt vorliegende Rechtsverordnung, die 64 Seiten Papier, noch einmal etliche Paragrafen, sechs Antragsformulare und Erläuterungshinweise dazu umfasst.

(Ralf Witzel [FDP]: Eben! So ein Unsinn!)

Es ist bereits ein Kurzkommentar von 300 Seiten zu diesem Gesetz erschienen. Da ist es natürlich umso verständlicher, dass Sie jetzt noch einmal die angesprochenen zwei Erläuterungsbände für Unternehmen und Kommunen hinterherschieben müssen.

Wie viele Stellen, glauben Sie eigentlich, wird dieses Gesetz in Ihrem Ministerium in den kommenden Jahren kosten? Wirtschaftsverbände, Kommunen und der gesamte Mittelstand kritisieren es massiv. Alles wird komplexer. Der Wettbewerb leidet. Alles wird teurer.

Herr Kollege Bell, Sie haben den Mindestlohn angesprochen. Ich weiß ja nicht, in welchem Land Sie leben. Aber unter Schwarz-Gelb hat es in den letzten Jahren durchaus Vereinbarungen über Mindestlöhne gegeben. Was wir ablehnen, ist ein flächendeckender politischer Mindestlohn, weil er total außer Acht lässt, dass es in diesem Land unterschiedliche Lebensverhältnisse gibt, und weil wir nicht den Mindestlohn irgendwelchen Politiker vor irgendwelchen Wahlterminen übereignen wollen. Das ist der falsche Weg.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, dieses Tariftreue- und Vergabegesetz ist Irrsinn. Es bedeutet eine irrsinnige Bürokratie. Das sagt die Wirtschaft. Das sagen die Kommunen. Das sagen wir auch. Wir sagen ganz klar: Wir haben 2006 mit dem damaligen Tariftreuegesetz den einzig richtigen Schritt gemacht und es abgeschafft. Wir fordern Sie auf: Schaffen Sie dieses Tariftreue- und Vergabegesetz ab. Das ist der einzig richtige Weg und die einzig richtige Konsequenz aus der Anhörung in der letzten Woche.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Zum Ladenöffnungsgesetz ist bereits viel gesagt worden. Ich will das nicht alles wiederholen. Auch hier beschränken Sie völlig ohne Not die Zahl der Sonntage auf zwölf Kalendersonntage. Das Gesetz von Schwarz-Gelb genießt eine hohe Akzeptanz. Lediglich Kirchen und Gewerkschaften haben einige Dinge auszusetzen. Aber auch sie konnten letztlich gut damit leben. Verzichten Sie also auf die unnötige Regulierungswut. Sie führen wieder einen Ladenschluss für den Einzelhandel an Samstagen ein, um gleichzeitig ein antragsbezogenes Late-Night-Shopping einzurichten. Besser kann man Regulierungswut doch nicht beschreiben. Lassen Sie es einfach sein. Das wäre der richtige Weg.

(Beifall von der FDP)

Ich möchte das Thema „Steuern und Abgaben“ auch noch einmal kurz ansprechen. Es ist hier bereits angeklungen. Wir haben hier zur Kenntnis genommen, dass die Ministerpräsidentin und dieses Kabinett sich vollständig von dem Gedanken verabschiedet haben, dass man Wachstumsimpulse auch setzen kann, indem man einfachere Steuersysteme oder Steuerentlastungen schafft. Herr Duin, von Ihnen als Wirtschaftsminister erwarten wir dann aber schon, dass Sie der Steuererhöhungsfantasie aller Teile dieser Regierung wenigstens einmal ein kritisches Wort oder mahnenden Widerstand entgegensetzen.

Ganz konkret gilt das beim Wasserentnahmeentgeltgesetz. Das ist kein rhetorisches Thema. Da können Sie ganz konkret sagen: Nein, nachdem vor zwei Jahren eine Erhöhung stattgefunden hat, wird es jetzt nicht schon wieder erhöht. Es darf nicht schon wieder eine Erhöhung um 10 % geben – völlig ohne Not und eindeutig auf Kosten der Industrie.

Zur Wettbewerbsfähigkeit der Industrie ist auch schon einiges gesagt worden. Der Kollege Wüst hat über die schleichende Deindustrialisierung des Standorts NRW geredet. Wir haben es gerade vor zwei Tagen von Prof. Hüther hören können, der das untersucht hat. Das Investitionsklima in der Industrie ist schwieriger. Das hat natürlich auch etwas mit Gesetzesvorhaben wie dem Klimaschutzgesetz zu tun. Wir haben in Deutschland nach wie vor die guten Standortqualitäten, aber wir fallen zurück. Nordrhein-Westfalen als wichtiger Industriestandort fällt eben auch zurück, weil er davon überproportional betroffen ist.

Wenn Sie dieser Regulierungswut, diesen Abgaben als Wirtschaftsminister nicht entgegentreten, wer soll es denn dann in dieser Landesregierung tun?

(Beifall von der FDP und Lutz Lienenkämper [CDU])

Entscheidend ist, dass wir die Rahmenbedingungen für die Landespolitik richtig stellen. Wir müssen davon absehen, dass wir immer weiter die Produktion, die Wirtschaft hier in Nordrhein-Westfalen belasten.

Als letzten Punkt möchte ich noch etwas zur Vermögensteuer sagen; auch das ist bereits angeklungen. Die Vermögensteuer, die von Nordrhein-Westfalen im Bundesrat initiiert worden ist, ist doch in Wahrheit keine Steuer, die die Reichen belasten wird. Die Problematik ist doch – das hat das Bundesverfassungsgericht in der alten Ausgestaltung klar entschieden –, dass Sie es auch zukünftig nicht schaffen werden, Betriebsvermögen und Privatvermögen zu trennen. Damit wird das keine Vermögensteuer, es wird eine klassische Mittelstandssteuer werden, die viele kleine und mittlere Betriebe …

Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege, Ihre Redezeit.

Ralph Bombis (FDP): Ich komme zum Schluss.

… als Substanzbesteuerung erleben werden. Damit wird es zu Existenzbedrohungen kommen, mindestens aber zum Verlust von Arbeitsplätzen, zum Verlust von Dynamik. Es kann doch nicht richtig sein, dass der Wirtschaftsminister in diesem Land zu dieser Initiative schweigt.

(Beifall von der FDP)

Ich halte zusammenfassend fest: Diese Regierung beschreitet vor allen Dingen in der Umwelt- und in der Finanzpolitik, aber auch in anderen Feldern einen nordrhein-westfälischen Sonderweg, der unsere Wirtschaft belastet, ihre Dynamik bremst, letztlich unseren Wohlstand gefährdet.

Ich sage ganz klar: Herr Wirtschaftsminister, Sie haben die Pflicht, hier Ihre Rolle einzunehmen, nicht als rhetorisch moderierender Begleiter eines nordrhein-westfälischen Sonderwegs, sondern als Anwalt der nordrhein-westfälischen Wirtschaft, nicht nur in schönen Sonntagsreden, sondern ganz kon­kret. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Bombis. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht die Kollegin Schneckenburger.

Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir führen hier eine Debatte um den Einzelplan 14, um den Haushalt des Wirtschaftsministeriums. Wir, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, sind der Überzeugung, dass der Ihnen hier vorliegende Einzelplan 14 ein guter Entwurf ist, ein guter Einzelplan ist, weil er die Linien richtig setzt, weil er maßvoll auf die Einsparungen mit Blick auf die Schuldenbremse 2020 hin orientiert und gleichzeitig aber die Möglichkeit eröffnet, für dieses Land notwendige wirtschaftspolitische Impulse zu setzen.

Ich will das einmal deutlich machen: Wir haben sehr genau darauf geachtet, dass das, was für Nordrhein-Westfalen zukünftig von existenzieller wirtschaftlicher Bedeutung ist, nämlich die Förderung des Mittelstandes, die Unterstützung von Neugründungen und die Stärkung regionaler Wirtschaftsstrukturen wie bisher im notwendigen Maß und ohne qualitative Einschränkung erledigt werden kann, auch dann, wenn sich dieser Einzelplan genauso wie der Haushalt insgesamt an eine Reduzierung der öffentlichen Ausgaben orientiert.

Unser Interesse ist es eben nicht, öffentliche Aufgaben zu reduzieren, sondern durch eine entsprechende Kürzung der Ausgaben sich auf 2020 hin zu orientieren. Darum enthält dieser Einzelplan auch notwendige wirtschaftspolitische Prioritäten, die eine Wirtschafts- und Haushaltspolitik mit Augenmaß setzen muss.

Für uns entstehen neue Arbeitsplätze vornehmlich im Bereich der kleinen und mittelständischen Unternehmen durch eine diversifizierte Wirtschaftsstruktur in Nordrhein-Westfalen. Wer hier kürzen würde, wer hier gekürzt hätte, hätte der wirtschaftlichen Entwicklung in unserem Land nachhaltig geschadet. Darum tun wir das auch nicht. Darum setzen wir an dieser Stelle die richtigen Impulse. Dazu gehört gerade das Handwerk in Nordrhein-Westfalen. Der Kollege Bell hat es eben angesprochen: die Meistergründungsprämie als wichtiges Standbein der kleinen und mittleren Unternehmensstruktur in diesem Land.

Wir haben also darauf geachtet, dass genau diese Mittel erhalten bleiben; ich will es noch einmal deutlich machen. Dem dient auch das Mittelstandsgesetz. Ich höre, dass Sie anderer Auffassung sind. Einerseits haben FDP und CDU in der Debatte gestern darauf gedrängt, dass die Clearingstelle kurzfristig ihre Arbeit aufnimmt. Das war Ihnen sehr wichtig. Die Clearingstelle soll schnell und effizient arbeiten. Andererseits sind Sie aber nicht bereit, die notwendigen Haushaltsmittel dafür zur Verfügung zu stellen. Das mag verstehen, wer will. Sie lehnen das Mittelstandsgesetz ab, begrüßen aber das Instrument, fordern es sogar ein, stellen aber keine Finanzierung dafür zur Verfügung. Ich finde, das ist keine konsistente Politik.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Mit dem Mittelstandsgesetz und der darin verankerten Mittelstandsverträglichkeitsprüfung von Initiativen der Landesregierung haben wir ein wichtiges Instrument geschaffen, das auch sehr breit begrüßt worden ist und mit dem die Rahmenbedingungen wirtschaftlichen Handelns von kleinen und mittleren Unternehmen verbessert werden können.

Ich will einen weiteren Punkt nennen: Auch da würde ich Ihnen vorschlagen, Ihre Zustimmung zum Einzelplan 14 zu überdenken. Denn Sie haben im Grundsatz Ihre Zustimmung zu den Initiativen der Landesregierung zur Förderung des Tourismus in Nordrhein-Westfalen signalisiert. Wir haben durch den entsprechenden Antrag deutlich gemacht, dass wir die Position des Reiselandes Nordrhein-Westfalen weiter ausbauen wollen. Das hat übrigens seinen Grund auch darin, dass mit einem Bruttoumsatz von 31,3 Milliarden € dieser Sektor immerhin rund 3,5 % zum Bruttosozialprodukt beiträgt, also nicht zu vernachlässigen ist.

Was vielleicht noch entscheidender ist: Es geht hier gerade um einen wichtigen wirtschaftlichen Impuls in den Regionen Nordrhein-Westfalens, in den ländlichen Räumen Nordrhein-Westfalens, wo Arbeitsplätze vorhanden sind, stabilisiert werden müssen, aber auch noch weiter entstehen können. Da gibt es eine Dynamik in der Entwicklung, die man noch weiter unterstützen muss. Darum setzen wir uns mit diesem Haushalt dafür ein, weitere Förderungen des Tourismus aus den Mitteln der EU in der kommenden Förderperiode zu ermöglichen. Wir stärken den Tourismus NRW e. V. mit einer gesicherten Förderung in Höhe von ca. 1,4 Millionen €.

Sie haben also als CDU und FDP zwar im Grundsatz Zustimmung signalisiert, aber wenn es dann ums Konkrete geht, nämlich darum, auch einzuschlagen und die Mittel dafür bereitzustellen, dann ziehen Sie sich in eine fundamentale Verweigerungsopposition zurück. Das ist etwas, was verstehen kann, wer will. Ich kann es leider nicht verstehen.

Ich will einen weiteren Punkt benennen: Wir unterstützen die Existenzgründung und sichern die Beratung Gründungswilliger durch das „Startercenter NRW“, eine ganz zentrale und wichtige Aufgabe, genauso wie wir Jungunternehmerinnen und ?unter­nehmer, junge Existenzgründerinnen und -gründer durch das Beratungsprogramm Wirtschaft NRW unterstützen. Weiterhin wird die Landesregierung das Ziel-2-Programm planmäßig zu Ende bringen, die angestoßenen Projekte weiterführen und für eine erfolgreiche Programmumsetzung sorgen.

Herr Wüst, dann kommen wir zu Ihrem Punkt: Ich kenne den Brief nicht, den Sie vorhin zitiert haben. Ich weiß nicht, was Sie meinen. Aber ich erinnere mich sehr gut an unseren kleinen Disput im Wirtschaftsausschuss um folgende Frage – das ist eine Frage, die Sie gestellt haben; darauf habe ich auch geantwortet –: Will die Landesregierung Schrottimmobilien mit EU-Fördergeldern aufkaufen? Ist das der Vorschlag der Enquetekommission?

Darauf habe ich Ihnen geantwortet und habe gesagt: Nein, der Vorschlag der Enquetekommission ist es zu überprüfen, ob ein revolvierender Fonds geschaffen werden kann, ein Stadtentwicklungsfonds, in den in der Tat EFRE-Mittel eingelegt werden können, die aber nicht verzehrt werden sollen. Es geht vielmehr um einen revolvierenden Fonds mit dem Ziel, auch privates Kapital einzuwerben, um für die Wohnungswirtschaft letztlich einen Impuls zu erzeugen. Es geht also im Gegensatz zu dem, was Sie suggeriert haben, nicht darum, EU-Fördermittel an dieser Stelle für den Aufkauf von Immobilien auszuschütten und sie zu verzehren, sondern es geht genau darum zu prüfen, mit welchen Instrumenten Stadtentwicklungspolitik und auch die Wohnungswirtschaft im Ergebnis unterstützt werden können, aber nicht durch einen Verzehr der Mittel, sondern durch einen revolvierenden Fonds.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Vielleicht haben Sie es nicht so genau beobachtet. Aber das ist in der Wohnungswirtschaft ein geübtes Verfahren, weil wir bereits einen revolvierenden Fonds haben, nämlich zur Wohnungsförderung in Nordrhein-Westfalen. Es ist also kein neues Instrument, sondern wäre ein bekanntes Instrument, wenn es sich so übertragen ließe. Die EU hat auch die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen geschaffen. Wo ist also der Punkt der Differenz zu den Aussagen im Wirtschaftsausschuss? Es tut mir sehr leid; ich kann ihn nicht erkennen.

Der Schwerpunkt wird für uns darauf liegen, die Grundlagen für die kommende Förderperiode zu legen. Das ist die entscheidendere Frage, um die es eigentlich geht. Das wird uns auch in den nächsten Monaten ganz entscheidend beschäftigen. Dabei wird es darum gehen, für die Förderperiode 2014 die richtigen Impulse zu geben und die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Das tun wir durchaus in dem Wissen darum, dass es eine schwierige Lage gibt und die Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Entwicklung in Nordrhein-Westfalen und in Europa zum jetzigen Zeitpunkt mitnichten klar sind.

Das sind die Impulse, die die Landesregierung setzt. Das ist der Grund, warum wir zu dem Einzelplan 14 zustimmen und auch der Meinung sind, dass er richtig aufgestellt ist.

Ich will aber jetzt noch einmal auf den Punkt zu sprechen kommen, den die CDU in den vergangenen Wochen hervorgehoben hat. Sie haben gesagt: Die CDU leistet einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung in Nordrhein-Westfalen, und wir sagen jetzt auch einmal, wo man in Nordrhein-Westfalen und wo man besonders im Wirtschaftsbereich kürzen kann.

Da schlagen Sie zum einen eine Abschaffung des Tariftreue- und Vergabegesetzes vor und erhoffen sich zusätzliche Mittel aufgrund des Wegfalls des Personals für die Prüfbehörde. Dazu hat der Kollege Bell schon einiges gesagt. Da rechnen Sie mit falschen Zahlen. Man weiß überhaupt nicht, warum Sie 15 Stellen kürzen wollen, die im Haushalt nicht vorhanden sind.

Ich will aber auch noch einmal eine andere Frage stellen: Was ist eigentlich konservativ, Herr Wüst? Was ist eigentlich an einer Wirtschaftspolitik der CDU konservativ, Menschen in den Transferleistungsbezug zu drängen, indem man ihnen einen Mindestlohn und einen vergabespezifischen Mindestlohn verweigert?

(Zuruf von Ralph Bombis [FDP])

Was ist eigentlich daran konservative und wertorientierte Politik? Ich kann es nicht verstehen. Man kann an verschiedenen Stellen nicht mehr verstehen, was bei Ihnen eigentlich noch konservative Politik ist.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Aber an dieser Stelle will ich das noch einmal fragen.

Zweiter Punkt: Was ist eigentlich konservativ daran, den Sonntagsschutz in Nordrhein-Westfalen komplett auszuhöhlen? Worin besteht eigentlich die werteorientierte Politik der CDU? – Sie schütteln den Kopf, Herr Laumann. Diese Auseinandersetzung hatten wir schon einmal.

Was ist eigentlich konservativ daran, den Sonntagsschutz zu schleifen

(Widerspruch von Karl-Josef Laumann [CDU])

und dafür zu sorgen, dass für Arbeitnehmerfamilien nicht einmal ein Tag der Ruhe bleibt? Wir haben gesagt, wir gehen in eine moderate Änderung des Ladenöffnungsgesetzes, und wir gehen genau an dieser Stelle hinein,

(Widerspruch von Karl-Josef Laumann [CDU])

weil uns, Herr Laumann, die Werteorientierung ausgesprochen wichtig ist.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Abgeordnete, würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Bombis zulassen?

Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Ja, bitte.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Bombis.

Ralph Bombis (FDP): Vielen Dank, Frau Schneckenburger, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.

Frau Schneckenburger, weil Sie über Mindestlohnthematik hier so sprechen, als hätten wir hier ein Riesenproblem, frage ich Sie: Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Zahl der voll erwerbstätigen Singles, die zusätzlich Transferleistungen in diesem Bereich empfangen haben, in den letzten Jahren die Marke von 80.000 nicht überschritten hat, dass es also hier mitnichten ein flächendeckendes Problem gibt, so wie Sie immer wieder den Eindruck zu erwecken versuchen?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Abgeordnete, bitte.

Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Herr Bombis, ich versuche überhaupt keinen Eindruck zu erwecken. Ich weiß nicht, ob Sie bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Kommunen in Nordrhein-Westfalen seit Jahren die Erhöhung der Kosten der Unterkunft beklagen, und zwar deswegen,

(Zuruf von Ralph Bombis [FDP])

weil die Zahl der Aufstockerinnen und Aufstocker in Nordrhein-Westfalen steigt. Meines Erachtens ist dies einmal etwas, was die FDP zur Kenntnis nehmen sollte.

(Ralph Bombis [FDP]: Nein!)

Nehmen Sie eigentlich zur Kenntnis, dass es in Nordrhein-Westfalen Menschen gibt, die vollzeitberufstätig sind, die sich mitnichten in irgendeine soziale Hängematte legen, aber dennoch nicht in der Lage sind, aus ihrem Gehalt eine Familie zu ernähren,

(Christian Lindner [FDP]: Eine Familie!)

dass sie zum Teil noch nicht einmal in der Lage sind, aus zwei Gehältern eine Familie zu ernähren?

(Christian Lindner [FDP]: Für eine Familie reichen aber 8,50 € nicht aus!)

Nehmen Sie auch zur Kenntnis, dass in Nordrhein-Westfalen 50 Milliarden € durch die öffentliche Hand vergeben werden

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

und dass wir in einer wirtschaftlichen und sozialen Verantwortung dafür stehen?

(Ralph Bombis [FDP]: Wie wollen Sie denn von 8,50 € eine Familie ernähren?)

– Entschuldigung, ich habe Sie nicht verstanden.

(Ralph Bombis [FDP]: Wie wollen Sie von 8,50 € denn dann eine Familie ernähren? – Weiterer Zuruf: Er darf gar nicht mehr!)

Sehr geehrter Herr Bombis, ...

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Abgeordneter, bei einer erneuten Zwischenfrage muss man sich melden,

(Ralph Bombis [FDP]: Nein, ich habe ...!)

und der Präsident gibt dann noch einmal das Wort.

(Ralph Bombis [FDP]: Ich habe das Mikro ...!)

Frau Abgeordnete Schneckenburger, würden Sie noch einmal eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Bombis gestatten?

Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Ja, bitte.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Nein, sie ist gerade zurückgezogen worden.

Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Zurückgezogen oder Frage?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin Schneckenburger, Sie haben das Wort.

Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Ich möchte auf den zweiten Vorschlag der CDU-Fraktion bezüglich der Optimierung der Kofinanzierung bei der Wirtschaftsförderung Bezug nehmen. Sie behaupten, Bund und Länder würden dem Land im Jahre 2013 232 Millionen € für die Wirtschaftsförderung zur Verfügung stellen. Wir glauben, dass es sich dabei um einen Rechenfehler handelt. Das, was Sie da ausgerechnet haben, können wir jedenfalls nicht nachvollziehen. Wir kommen auf einen Unterschied von 30 Millionen €.

Sie schlagen vor, einen Teil der Kofinanzierung des Landes durch Sachleistungen oder Drittmittel zu erbringen. Es tut uns leid, das lässt der Bund nicht zu.

Unterm Strich, sehr geehrte Damen und Herren, ist festzustellen: Ihre Kürzungsvorschläge zum Einzelplan 14 sind weder in sich konsistent noch stellen sie eine Wirtschaftsförderungspolitik des Landes dar, die Impulse für die Zukunft auslösen würde. Wir können nicht erkennen, dass es sachdienliche Hinweise bezüglich der Beratung des Einzelplans 14 gibt. Insofern halten wir die Vorschläge der CDU an dieser Stelle weder für sachdienlich noch vorwärtsweisend.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin, Ihre Redezeit.

Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Der Einzelplan 14 setzt die richtigen Impulse. Ich danke Ihnen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Schneckenburger. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Abgeordnete Schwerd.

Daniel Schwerd (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Besucher, seid gegrüßt! – „Mutlosigkeit“ – mit diesem Wort lässt sich der Haushalt 2013 des Wirtschaftsministeriums zusammenfassen. Herr Minister Duin, Sie hatten weder den Mut zu schmerzhaften Einschnitten noch zu einer richtungsweisenden Schwerpunktsetzung. Dieser Etat vermittelt keine Idee davon, welche Ziele Sie verfolgen.

(Stefan Engstfeld [GRÜNE]: Welche Einschnitte wollen Sie?)

Zugegeben, die Förderprogramme haben ihre Berechtigung und stützen die mittelständische Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen. Doch wo sind die neuen Akzente? Wo werden Mittel freigegeben, deren Verwendung nur aus bürokratischen Gründen erfolgt oder die aus Etats kommen, die historisch gewachsen sind? Wo sind die sie ersetzenden neuen Programme, die der Wirtschaft neue Impulse geben und den Menschen in NRW damit langfristig helfen? Hierfür wären mutige Entscheidungen nötig gewesen.

Zu Ihrer Entschuldigung, Herr Minister, muss ich feststellen, dass Sie nicht allzu viel Beinfreiheit haben. Wie viel Gestaltungsspielraum hat ein Wirtschaftsminister heutzutage überhaupt? Den Großteil des Haushalts machen Kohlesubventionen und die Durchleitung von EU-Strukturförderungen aus, welche durch die Vorgaben aus Brüssel thematisch immer enger gefasst werden. Zugleich wird das Budget kleiner. Das ist ein Trend, der durch die angespannte Haushaltslage vermutlich nicht umzukehren ist.

Unsere Antwort aber ist: Gerade wenn der Handlungsspielraum immer kleiner wird, ist es notwendiger denn je, eigene Akzente zu setzen.

Die wirklich entscheidenden Maßnahmen – Investitionen in Verkehrs- und Informationsinfrastruktur etwa, die die Grundlage eines jeden wirtschaftlichen Erfolges sind – werden inzwischen längst in anderen Ministerien getroffen. Nehmen Sie etwa das Breitband-Internet, das für ein modernes Unternehmen heute schon genauso wichtig ist wie der Strom- oder Wasseranschluss. Vom Wirtschaftsministerium kommt da fast gar nichts. Der Breitbandausbau liegt nahezu ausschließlich in der Hand des Landwirtschaftsministeriums.

Zudem erfolgt der Breitbandausbau in NRW viel zu langsam. Zwei Drittel der Haushalte im ländlichen Raum haben keinen Zugang zu Breitbandverbindungen von 50 Mbit pro Sekunde. Selbst eine Verbindung von 6 Mbit pro Sekunde steht jedem fünften Haushalt auf dem Lande nicht zur Verfügung.

Bayern wird in den nächsten drei Jahren 500 Millionen € in den Breitbandausbau stecken. NRW investiert gerade einmal etwa 9 Millionen € im Jahr. Dieses Geld kommt, wie gesagt, größtenteils von Herrn Minister Remmel.

Herr Minister Duin, wissen Sie, wie Ihr Amtskollege darüber denkt? Ich zitiere aus dem Protokoll des Umweltausschusses vom 24.10.2012: Darin heißt es zum Breitbandausbau:

„Er“

– also Minister Remmel –

„würde sich sehr freuen, wenn auch an anderer Stelle Mittel zur Verfügung gestellt werden könnten.“

Herr Duin, lassen Sie den Landwirtschaftsminister nicht alleine diese Aufgabe bewältigen.

Wir haben den Vorschlag gemacht, den Breitbandausbau aus dem Wirtschaftsetat mit weiteren 7 Millionen € pro Jahr zu fördern. Der Antrag wurde im Haushalts- und Finanzausschuss abgelehnt. Kein Wunder, alles andere hätte Mut erfordert.

(Beifall von den PIRATEN)

Sie selbst, Herr Duin, bezeichnen Ihre Aufgabe als Wirtschaftsminister als vor allem rhetorisch. Das ist entschieden zu wenig. Haben Sie irgendwelche Ideen, wie man aus NRW wieder einen Innovationsmotor machen kann? Bisher Fehlanzeige. Haben Sie irgendwelche Erklärungen, warum die Gefahr für eine Firma, Pleite zu gehen, in Nordrhein-Westfalen um 80 % höher ist als im Bundesdurchschnitt? Keine.

Wir bitten Sie, Herr Duin, uns endlich zu verraten, welchen Plan der Wirtschaftsminister für NRW hat. Für die ideen- und mutlose Fortschreibung des immer gleichen Wirtschaftshaushaltes braucht man keinen Minister.

Damit wären wir bei den Zahlen des Haushalts. Unter der rot-grünen Landesregierung sinkt der Betrag der zur Verfügung stehenden Mittel um ca. 3 % auf 811,8 Millionen €.

Herr Minister Duin stellt fest, dass im Haushaltsjahr 2013 strukturell 6,1 Millionen € eingespart werden sollen. Tatsächlich halten wir es für einen wichtigen politischen Auftrag, in Zeiten der Schuldenbremse Einsparpotenziale im Haushalt zu heben. Doch wir glauben, dass Sie im Wirtschaftsbereich an der falschen Stelle sparen; denn unter die Einsparungen fällt beispielsweise das Programm „Forschung, Innovation und Technologie“. Mit Bauchschmerzen haben wir registriert, dass die Mittel um fast 3 Millionen € gekürzt wurden, womit das Programm quasi eingestellt wurde. Ihre Begründung, das Programm sei einfach ausgelaufen, lassen wir nicht gelten. Ich kann nicht glauben, dass wir keine Förderung von Innovationen mehr nötig haben.

Statt ein wirklich innovatives Programm zu konzipieren, von dem auch gerade junge Unternehmen in NRW profitieren, haben Sie das Programm bewusst ins Leere laufen lassen. Sie sagen, dass die hier stattfindende Reduktion der Innovationsförderung im Forschungshaushalt kompensiert würde. Doch das stimmt so nicht. Dazu kommt, dass es sich bei dem Programm „Forschung, Innovation und Technologie“ um eine der wenigen Maßnahmen handelt, mit denen das Land bzw. das Wirtschaftsministerium überhaupt noch eigene Impulse hätten setzen können. Sie scheinen sich stattdessen fortan ganz auf die Durchleitung von EU-Mitteln konzentrieren zu wollen. Wirtschaftspolitische Weichenstellungen sehen anders aus. Auch hier lautet unser Fazit: Mutlosigkeit.

Wie könnte eine mutige Wirtschaftspolitik für NRW stattdessen aussehen? Ich möchte hier drei Punkte nennen, die wir Piraten zum Schwerpunkt unserer Wirtschaftspolitik machen würden und die man quasi sofort umsetzen könnte.

Erstens. Förderung des Breitbandausbaus: Ich habe schon erwähnt, dass eine schnelle Internetverbindung für viele Unternehmen unverzichtbar ist. Trotzdem gibt es in NRW immer noch erschreckend viele Orte, an denen gerade einmal eine Bandbreite von 2 Mbit/s gewährleistet ist. Das Ziel von Rot-Grün, bis 2018 alle Haushalte in NRW mit 50 Mbit/s zu versorgen, werden Sie mit dem bisherigen Ausbautempo deutlich verfehlen. Darum unsere Forderung: Stellen Sie sich der Herausforderung und setzen Sie neue Impulse in der Breitbandförderung!

Zweitens. Erarbeitung eines Masterplans Kreativwirtschaft: Die digitale Medien- und Kreativwirtschaft ist einer der Hoffnungsträger für nachhaltiges Wachstum in NRW. Anders als im produzierenden Gewerbe ist es in diesem Bereich viel leichter, eine Firma zu gründen. Ein Internetanschluss und eine gute Idee reichen fast schon aus. Zumeist wird nur noch ein im Vergleich sehr geringes Startkapital benötigt. Wir sollten uns daher viel stärker als zuvor darauf konzentrieren, Gründer in diesem Bereich zu unterstützen.

Drittens. Aufbrechen verkrusteter Strukturen: In Nordrhein-Westfalen gibt es 16 verschiedene Industrie- und Handelskammern; in Bayern gibt es neun. Jede dieser IHKs hat eigene Geschäftsführer und eine eigene Bürokratie. Das sind Doppelstrukturen in Reinform. Bezahlt werden diese durch Pflichtbeiträge der Unternehmen. Herr Minister, auch wenn Sie sich damit nicht beliebt machen, wir brauchen eine Reform der IHKen in NRW.

Das sind nur drei Vorschläge von vielen. Alle drei ließen sich sofort in die Wege leiten. Allerdings wäre hierfür ein politischer Wille vonnöten. Den kann ich bei Ihnen, Herr Minister Duin, bisher nicht erkennen, stattdessen: Mutlosigkeit. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Schwerd. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Duin.

Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk: Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte diese sehr breite Debatte über die wirtschaftspolitische Ausrichtung des Landes Nordrhein-Westfalen zunächst einmal dafür nutzen, Sie kurz über das zu informieren, was Sie auf Ihren IPhones und Smartphones aktuell an Agenturmeldungen zum Thema Tarifverhandlungen bei Opel aus Rüsselsheim lesen.

Vieles von dem, was bisher diskutiert worden ist, geht genau darum, wie wir es eigentlich schaffen können, Arbeitsplätze zu sichern und Unternehmen gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Wir haben es aktuell nach den mir vorliegenden Informationen aus den Verhandlungskreisen damit zu tun, dass es eine Vereinbarung als Vorläufer für den Tarifvertrag gibt. Diese Vereinbarung enthält gute Botschaften, aber auch schwierige.

Die gute Botschaft lautet: Käme es zu einer endgültigen Einigung im Tarifvertrag, also auch zu einer Zustimmung durch die Mitglieder der IG Metall an allen Standorten, dann gäbe es eine Kfz-Produktion in Bochum bis zum Ende des Jahres 2016. Das Werk würde also nicht, wie an vielen Orten befürchtet, vorher geschlossen. Dies halte ich für ein gutes Signal.

(Beifall von der SPD)

Bochum soll als Komponenten- und Logistikstandort umgebaut werden. Dadurch wird eine vierstellige Zahl von Beschäftigten auch über das Ende des Jahres 2016 hinaus dort hochwertige industrielle und entsprechend entlohnte Arbeitsplätze behalten können. Auch dies halte ich für ein gutes Signal.

Wir sind dadurch in die Lage versetzt, das, was wir gemeinsam mit dem Unternehmen sowie der Gewerkschaft und dem Betriebsrat angestoßen haben und was sich unter der Überschrift „Bochum Per­­s­pektive 2022“ verbirgt, in die Tat umzusetzen. Wenn es, wovon ich jetzt ausgehe, zu einer endgültigen Einigung kommen wird, dann werde ich am 22. März, also zum Abschluss der nächsten Ple­nartagung, Ihnen vorstellen können, wen wir gewinnen konnten, um diese Arbeit für die Perspektive 2022 aufzunehmen, damit wir auch für alle, die nicht zu der vierstelligen Anzahl gehören, die im Bereich von Logistik und Komponentenfertigung Beschäftigung finden, die Zeit nutzen, um entsprechend gut entlohnte, industriell hochwertige Arbeitsplätze am Standort Bochum zu schaffen.

Noch offen ist, was aus den 700 Arbeitsplätzen wird, die durch die Streichung der Nachtschicht wegfallen. Es ist insbesondere für den Betriebsrat in Bochum eine enorme Herausforderung, darüber nachzudenken, inwieweit man sich auf entsprechende Verhandlungen einlässt. Das ist sicherlich einer der Knackpunkte, bei denen wir sehen müssen, dass wir die Voraussetzungen für die anderen Bedingungen hier schaffen können; denn käme es nicht zu einer Vereinbarung auch über diese 700 dann wegfallenden Arbeitsplätze, wäre dies gleichbedeutend mit der doch vorzeitigen Schließung des Werkes.

Deswegen ist das eine fast unmenschliche Verantwortung, die Herr Einenkel und der Betriebsrat jetzt zu tragen haben. Ich bin aber ganz sicher, dass sie dieser Verantwortung in sehr vernünftiger Art und Weise gerecht werden. Wir werden sie dabei begleiten. Ich bin telefonisch mit Herrn Einenkel für den frühen Abend verabredet und will ihm deutlich sagen, dass wir alle hier im Landtag nach wie vor, wie wir es letztens in einer Aktuellen Stunde zum Ausdruck gebracht haben, an der Seite der Beschäftigten sind und alles dafür tun wollen, dass eine möglichst lange Perspektive für möglichst viele der Beschäftigten erarbeitet werden kann.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Meine Damen und Herren, es ist von verschiedener Seite manches zu der Art und Weise gesagt worden, wie ich arbeite und wie das wahrgenommen wird. Ich nehme mit Freude zur Kenntnis, wenn zum Beispiel Herr Wüst sagt, er habe mich am Dienstagabend bei der Veranstaltung der Stahlindustrie gehört – einige von Ihnen waren ja auch anwesend – und würde jeden Satz unterstreichen und unterschreiben, den ich dort gesagt hätte. An dieser Stelle will ich nur darauf hinweisen, dass ich nicht zu denen gehöre, die etwas sagen, was das jeweilige Publikum gerne hören will. Vielmehr nenne ich immer dieselben inhaltlichen Punkte. Auch bei der Stahlindustrie habe ich zum Beispiel sehr deutlich gemacht, dass diese Landesregierung inklusive des Wirtschaftsministers dafür steht, dass wir unsere Klimaschutzziele auch auf der Grundlage des Klimaschutzgesetzes und eines noch zu erarbeitenden Klimaschutzplanes erreichen wollen.

(Beifall von der SPD)

Wir machen das nämlich nicht je nach Zuhörerschaft, also so nach dem Motto: Hier mal das und dort mal das erzählen. – Nein, das gehört zu einer Gesamtkonzeption.

(Beifall von der SPD)

Ich bin interessiert daran, wie lange Herr Maier-Hunke die Rolle Ihres Kronzeugen noch wahrnimmt. Aber ich habe überhaupt nicht den Anspruch, meine Arbeit kritikfrei machen zu wollen. Wir haben zum Beispiel von den Gewerkschaften massive Kritik zum Thema „Ladenöffnungsgesetz“ gehört. Insofern ist es auch völlig normal, dass Herr Maier-Hunke Kritik äußert. Ja, bitte sehr!

(Lutz Lienenkämper [CDU]: Bei der Arbeit ist das doch auch klar!)

Mein Selbstverständnis eines Wirtschaftsministers von Nordrhein-Westfalen entspricht ganz sicher nicht dem eines blinden Erfüllungsgehilfen von Arbeitgeberverbänden.

(Beifall von der SPD)

Es geht nicht darum, mit Geld und großen Gesetzen, sondern auf der Grundlage von Kommunikation und Kooperation die Akteure ernst zu nehmen und zusammenzubringen und auf diese Weise eine wirtschaftspolitische Idee für die Zukunft des Landes zu entwickeln. Genau darum geht es. Und wer sich ein bisschen mit moderner Wirtschaftspolitik befasst, weiß, dass gerade die Themen „Kommunikation“ und „Kooperation“ von allen Beteiligten sehr ernst genommen werden, weil wir wissen, dass wir die Dinge nicht mehr über einen Haushalt bzw. über das reine Geldausgeben werden regeln können.

Genau so habe ich es auch öffentlich gesagt. Ich habe gesagt, dass dieses Handeln im Mittelpunkt meiner täglichen Arbeit steht.

Gleichwohl steht uns ein bisschen Geld zur Verfügung, und wir unterstützen beispielsweise das Handwerk im engsten Bereich institutionell mit 2,7 Millionen €. Deswegen unterstützen wir den Gang des Meisters, der Meisterin in die Selbstständigkeit wiederum mit unverändert 6 Millionen €.

Sie können mir vorwerfen – jetzt möchte ich nicht aus dem Nähkästchen plaudern –, dass es dabei auch zu Auseinandersetzungen kommt. Aber ich habe ganz klar gesagt, dass der Schritt in die Selbstständigkeit ein hohes Gut ist. Wir müssen jungen Menschen Mut machen, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Deswegen ist auch dieser kleine Beitrag, der inzwischen von über 15.000 jungen Frauen und Männern in Anspruch genommen worden ist, ein guter Beitrag, um den Weg in die Selbstständigkeit positiv zu begleiten. Dieses Geld ist gut angelegtes Geld.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir unterstützen Gründungen nicht nur bei den Handwerksmeistern. Wir haben verschiedene Formate dafür gefunden. Insbesondere die 82 STAR­TERCENTER NRW, die wir im ganzen Land in Kooperation mit den Kammern gegründet haben, erleichtern diesen Schritt, und es gibt viele gute Beispiele, die wir ins Schaufenster stellen müssen, um die Menschen zu ermutigen, den Weg in die Selbstständigkeit zu beschreiten.

Darüber hinaus unterstützen wir ganz konkret die Projekte in den definierten Leitmärkten. Ich kann jetzt nicht noch einmal auf alle Leitmärkte eingehen, aber ich will deutlich sagen, dass dabei natürlich insbesondere das Thema „Informations- und Kommunikationstechnologie“ eine große Rolle spielt. So werden 86 % des Mobilfunkmarktes von Unternehmen abgedeckt, die in Nordrhein-Westfalen ansässig sind. Insofern ist es doch klar, dass wir in diesem Bereich besonders aktiv sein müssen.

In Essen fand der Nationale IT-Gipfel statt, und es wird sich nicht so entwickeln, wie es manche vielleicht erwartet haben. Dieser Nationale IT-Gipfel wird kein Strohfeuer nach dem Motto „Das hat dann einmal hier stattgefunden“ sein, sondern wir werden kontinuierlich mit den interessierten Unternehmen und der Wissenschaft an diesem Thema dranbleiben und die Arbeit in diesem Leitmarkt fortsetzen.

Dasselbe gilt für das Thema „Kreativwirtschaft“, Herr Schwerd. Ich habe es bereits mehrfach betont, dass dies einer der Bereiche ist, in dem ich mich persönlich besonders engagiere. Sie hätten mich am letzten Freitag begleiten können, als ich die Kreativquartiere in Dortmund, in Herten – dort haben Sie ein solches vielleicht gar nicht vermutet – und in Essen im Unperfekthaus besucht und dort zum Abschluss mit Kreativschaffenden aus ganz Nordrhein-Westfalen – nicht nur aus dem Ruhrgebiet – zusammengesessen habe.

Aber warum sollte ich so etwas Masterplan nennen und dicke Backen machen? – Das Entscheidende ist doch, dass man tatsächlich mit den Leuten, die in dieser Szene unterwegs sind, spricht. Ich will kein Papier produzieren, sondern ich suche den direkten Austausch. Das gilt für Handwerksmeister ebenso wie für die mittelständischen Unternehmen oder die Leute, die in der Kreativszene unterwegs sind. Das bringt hundert Mal mehr an Wertschätzung dieser Szene gegenüber, als irgendeinen auf Papier gedruckten Masterplan zu veröffentlichen. Davon bin ich jedenfalls fest überzeugt.

(Beifall von der SPD)

Wir werden das Geld, über das wir heute bei diesem Haushalt zu sprechen haben, nicht zuletzt auch im Bereich der Außenwirtschaftsförderung weiter anlegen und investieren. Ich bin davon überzeugt, dass das Werben um internationale Investoren für Nordrhein-Westfalen und für die Weiterentwicklung dieses Standortes ganz entscheidend ist. Das ist sehr gut angelegtes Geld, und alle ausländischen Investoren – die Zahlen zeigen das ja – sind aufgrund der Infrastruktur, aufgrund der Vernetzung mit der Wissenschaft und aufgrund der vielen industriellen und Dienstleistungsbetriebe, die es in unserem Land gibt, von diesem Standort überzeugt. Das ist ein hervorragender Boden, um aus dem Ausland hierher zu kommen, und die Zahlen zeigen – sie wachsen schließlich an –, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Meine Damen und Herren, dieser Gesamtetat des Wirtschaftsministeriums mit 812 Millionen € setzt die richtigen Schwerpunkte. Wir würden auch in den nächsten Jahren gerne mehr tun, aber das hat Frau Merkel in Brüssel verhindert, indem sie eine Vereinbarung unterschrieben hat, in der klar zu erkennen ist, dass uns in Deutschland künftig weniger Geld für Strukturpolitik zur Verfügung stehen wird. Aber ich bin froh – das sei abschließend auch vor dem Hintergrund der Debatte, die wir im Ausschuss dazu geführt haben, noch einmal gesagt –, dass es für mein Haus gelungen ist, dass der relative Anteil, den Nordrhein-Westfalen unter den westdeutschen Bundesländern bekommt – die Gesamtsumme ist leider kleiner geworden –, in den nächsten sieben Jahren steigen und nicht abnehmen wird. Das Geld müssen wir für die Zukunft Nordrhein-Westfalens gut nutzen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den grünen)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Landesregierung ihre Redezeit um eine Minute und 32 Sekunden überzogen hat. – Mir liegt noch eine Wortmeldung vor. Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Wüst gemeldet.

Hendrik Wüst (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, ich will zunächst Danke sagen für die Informationen zum Thema „Opel“. Es ist gut, dass es eine bessere Lösung als die zunächst angedrohte gibt.

Ich habe sehr genau zugehört und mitgeschrieben. Sie haben gesagt: Wir müssen sehen, dass wir die Voraussetzungen schaffen. An anderer Stelle haben Sie gesagt: Wir müssen alles tun, um eine möglichst lange Perspektive zu schaffen. Heute kam die Nachricht überraschend. Insofern gebietet es das Gebot der Fairness, Ihnen Zeit zu geben. Aber es wäre schon interessant zu hören, was dann am Ende beim Schaffen von Perspektiven und all diesen Dingen herauskommt, welche Maßnahmen Sie bereit sind zu ergreifen und was Sie bereit sind zu tun, um in Bochum den Opel-Standort nachhaltig zu sichern.

(Beifall von der CDU)

Dann, Herr Duin, zu Ihrer Aussage: Ich sage überall das Gleiche. – Das stellt niemand in Abrede. Dass vieles von dem richtig ist, was Sie überall ziemlich gleich sagen, stellt auch niemand in Abrede. Das ist nicht der Punkt. Die Debatte lenkt ab. Wir werfen Ihnen vor, was Sie dann tun.

Im Übrigen sei folgender Hinweis erlaubt: Sie haben am Dienstagabend bei der Wirtschaftsvereinigung Stahl gesagt, die Ausnahmen beim EEG müssen bleiben, da gibt es mit mir – so sinngemäß nach meiner Erinnerung, denn da habe ich nicht mitgeschrieben – eine rote Linie.

Ich erinnere mich noch gut an das Begehren der Grünen, die EEG-Ausnahmen im Wirtschaftsausschuss zu diskutieren und infrage zu stellen, worauf ich dann gefragt habe, wo denn Sie, Herr Minister, Handlungsbedarf in dieser Hinsicht sehen. Dann wurde gesagt, ja, da gibt es einiges. Das müssen wir uns sehr genau angucken. Ich hoffe, dass das Teil eines Lernprozesses in den letzten Wochen gewesen ist und nicht die Widerlegung Ihrer Selbstrühmung, dass Sie überall das Gleiche erzählen, Herr Minister.

Dann zum Thema „kritikfrei“: Erstens glaube ich, dass an keinem Menschen Kritik spurlos vorbeigeht. Das ist aber nicht der Punkt. Mir wäre nur viel, viel lieber, wenn Herr Maier-Hunke von der Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände Sie nicht kritisieren würde, sondern Herr Remmel.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das ist der entscheidende Punkt, Herr Minister. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie in den Clinch gehen im Kabinett. Ich erwarte gar nicht, dass ich darüber dann in den Zeitungen lese – um Gottes willen –, aber ich erwarte, dass Sie für die Wirtschaft kämpfen.

Dann kurz zu den vorhergehenden Debatten: Herr Bell hat die Dialogbereitschaft gelobt. Dialog ist immer gut. Das erste halbe Jahr sind Sie damit ja auch gut gefahren. Dann gab es ja die Kritik. Führen Sie sich die Anhörung zum Wasserentnahmeentgelt am 19. Februar noch einmal vor Augen: Da saß der Vertreter von unternehmer nrw, Herr Mornhinweg, und hat gesagt, das seien wunderschöne Dialogprozesse, alles wunderbar. Wenn dann aber nachher nichts von dem umgesetzt werde, kann man sie sich auch schenken. Wer Herrn Mornhinweg kennt und weiß, wie zurückhaltend er ist, kann erahnen, wie sauer man da über die verschwendete Zeit in all den Dialogprozessen ist, wenn am Ende gar nichts passiert.

(Beifall von der CDU)

Ein entscheidender Punkt noch hinterher: Beim Tariftreue- und Vergabegesetz machen Sie das große Fass des Mindestlohns auf. Ich stelle einmal eine Frage: Sie regieren ja jetzt schon ein bisschen länger, in der Minderheitsregierung und jetzt in dieser Formation auch schon. Wie viele Mindestlöhne haben Sie denn für allgemeinverbindlich erklärt? Es war Karl-Josef Laumann, der dieses landespolitische Instrument engagiert angewandt hat. Danach ist nicht mehr viel passiert, obwohl Ihnen das angeblich so wichtig ist.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Abgesehen davon: Wenn Sie dann mit der Wertekeule kommen, muss ich Ihnen sagen, dass diese hier absolut nicht richtig aufgehoben ist. Wir wollen, dass Tarifvertragspartner stark sind und möglichst überall Mindestlöhne tariflich vereinbaren. Da, wo es nicht möglich ist, wollen wir, dass sie durch eine Kommission der Tarifpartner festgelegt werden. Das ist die Lösung der CDU. Die ist immerhin besser als das, was Sie hier gemacht haben. Sie haben so gut wie nichts gemacht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der CDU)

Die letzten Sekunden nutze ich, um auf die Frage der Immobilienfonds einzugehen. Auch ein revolvierender Fonds muss zunächst mit Geld gefüllt werden, um es dann ausgeben und wieder reinspielen zu können. Erst einmal muss also Geld aus den EFRE-Mitteln da rein. Wo kommt es her? – Von den Wirtschaftsförderungsmitteln, wo sie bisher eingesetzt werden.

Darüber würde ich gerne mit Ihnen diskutieren. Aber tun Sie nicht so, als hätten wir da dumme Fragen gestellt. Die Frage ist sehr berechtigt: Woher nehmen Sie das Geld für diesen revolvierenden Fonds, wenn nicht aus der Wirtschaftsförderung? – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Wüst. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Ende des Teilbereichs „Wirtschaft, Industrie, Mittelstand und Handwerk“ des Einzelplans 14. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Wir kommen zum

     Teilbereich
Energie

Ich erteile für die CDU-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Kufen das Wort.

Thomas Kufen (CDU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Das Thema „Energie“, Herr Minister, reduziert sich im Einzelplan 14 fast ausschließlich auf den Bereich der Kohlehilfen. Die machen 358 Millionen aus. Insgesamt stehen 366 Millionen € im Einzelplan 14.

Gerade vor dem Auslaufen der Kohlehilfen wird die Frage der zukünftigen energiepolitischen Ausrichtung unseres Landes, glaube ich, umso wichtiger. Das lässt sich hier an dieser Stelle auch an den Haushaltszahlen deutlich machen.

Wir hatten, meine Damen und Herren, gestern Abend zu später Stunde schon eine energiepolitische Debatte. Die Landesregierung hat sich durch die Schulministerin vertreten lassen. Ich habe das nicht zu kritisieren. Sie hat das ordentlich gemacht im Rahmen der Möglichkeiten dieser Regierung.

Aber vielleicht haben wir ja heute durchaus noch einmal Gelegenheit, das eine oder andere zu vertiefen. Denn die Frage ist in der Tat: Mit welchem Konzept geht diese Landesregierung in die energiepolitischen Gespräche, die jetzt anstehen? Da brauchen wir Klarheit. Dazu brauchen wir hier in diesem Haus auch eine Debatte.

Herr Minister Duin, dann brauchen wir von Ihnen auch Klarheit über den sogenannten Masterplan, den Sie ja immer wieder propagieren, den Sie ja selber schreiben wollten und jetzt der Bundesregierung zuschieben. Ich will Sie nicht mit Zitaten konfrontieren, die Sie gerade hier an diesem Rednerpult vor wenigen Minuten noch zum Thema „Masterplan“ mit aufgeblasenen dicken Backen und Ähnlichem angeführt haben.

Aber ich will Ihnen noch einmal vorhalten, was Sie im „Focus“-Magazin vom 8. Juli gesagt haben: Wer ein Drittel des deutschen Stroms produziert, muss den Anspruch haben, für ganz Deutschland einen Masterplan zu entwickeln. – Wohlgemerkt: „für ganz Deutschland“. So Zitat Duin.

In den „Westfälischen Nachrichten“ am 20. Juli konnte man dann auf die Frage: „Haben Sie einen Masterplan zur Energiewende angekündigt? Wie konkret wird er sein?“ die Antwort von Minister Duin lesen: Diese Mühe hat sich bisher noch niemand gemacht. Darum habe ich die Aufgabe früh in meinem Ministerium angestoßen. Zum Herbst werden wir die ersten Eckpunkte sehen.

Ich kann nur feststellen: Der Herbst ist um. Der Winter ist fast schon um. Der Frühling steht vor der Tür. Nur Herr Duin hat nicht geliefert.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Schöne Worte, aber Herr Duin – das ist das, was Ihnen die Kollegen von CDU und FDP und teilweise auch von den Piraten immer ins Stammbuch schreiben –: Es reicht am Ende nicht aus, Herr Minister, nur aus der Verkaufsabteilung zu kommen. Irgendwann müssen Sie auch aus der Produktionsabteilung kommen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Da versagen Sie bisher.

Insofern, Herr Minister: Wir haben das Thema „Masterplan“ in der Anhörung am 20. Februar sehr dezidiert mit den Fachleuten diskutiert. Da gab es auch viel Kritik an CDU- und FDP-Politik. Aber es gab auch Kritik an dem, was uns hier in Nordrhein-Westfalen beschäftigt. Da sagt zum Beispiel der Unternehmerverband: Ein Masterplan kann nicht den Anspruch erheben, technische Entwicklungen der nächsten 30 Jahre mit berücksichtigen zu können. – Der Landesverband der Erneuerbaren Energien schreibt: Welche Wirkungen ein Masterplan entfalten kann, hängt von seiner inhaltlichen Ausgestaltung ab.

Grundsätzlich ist eine Koordination von Bund und Ländern, aber auch zwischen den einzelnen Bundesländern für das Gelingen der Energiewende unerlässlich. Den Zubau darüber hinaus von oben herab steuern zu wollen, halten wir sowohl unter dem Aspekte der Akzeptanz als auch unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit zum jetzigen Zeitpunkt für wenig sinnvoll.

Ich führe einige Organisationen an, die den Markt kritisch beobachten, also keine CDU-Vorfeldor­gani­sationen:

Die Verbraucherzentrale NRW hält den Anspruch, dass ein Masterplan – Stand: 2013 – alle Schritte festschreibt, die bis 2020, 2030 oder gar später umzusetzen sind, für überzogen.

NABU NRW: Es mangelt derzeit nicht an energiepolitischen Zielen, Szenarien und Konzepten, aber am Management der Energiewende. Ein Masterplan droht im Wirrwarr unterschiedlicher Einzelinteressen unterzugehen. Es kann einen über Jahrzehnte bis 2050 hinweg unveränderten Masterplan nicht geben.

Herr Minister, Ihr Vorhaben ist am Ende kein Masterplan, sondern in den Augen vieler Sachverständiger ein Desasterplan. Das haben die Ihnen sehr deutlich ins Stammbuch geschrieben.

(Beifall von der CDU)

Entweder – Sie sind schon etwas länger im Amt – haben Sie es in der ganzen Zeit nicht verstanden, mal zu erklären, was Sie eigentlich mit dem Masterplan „Energie“ meinen, oder Sie haben es erklärt, aber es ist am Ende nicht überzeugend gewesen. Insofern frage ich Sie: Wann liefern Sie Herr Minister? Wie bringen Sie sich in dieser Frage ein?

Es ist von Anfang an unsere Auffassung gewesen, dass es einen solchen Masterplan überhaupt nicht geben kann, obwohl er in Ihrer Koalitionsvereinbarung steht. Es wird die eine Blaupause für die Energiewende nicht geben. Sie wäre auch nicht sinnvoll, weil wir die technologischen Sprünge, die wir noch brauchen, überhaupt noch nicht absehen können. Das könnten am Ende nur Ideologen. Wir sollten nicht naiv und nicht ideologisch an diese Energiewende herangehen, sondern mit Pragmatismus und Optimismus.

Die Schulministerin hat mich gestern gelobt, dass ich am Ende nichts zu dem Streit zwischen Remmel und Duin gesagt habe. Das ist auch gar nicht mein Thema. Das müssen die untereinander ausmachen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Kollege, Ihre Redezeit.

Thomas Kufen (CDU): Ich will noch einen Gedanken vortragen, Herr Präsident. – Im „Spiegel“ ist ein Artikel über das Binnenverhältnis zwischen Rot-Grün nachlesbar. Unabhängig davon zitiert Herr Duin, wie eine rot-grüne Bundesregierung aussieht: Eines ist klar, die Grünen dürfen das Energieministerium nicht bekommen.

Das sagt auch viel über die Zusammenarbeit mit den Grünen aus. Um Frau Brems noch eine Freude zu machen, ich stimme der Aussage von Herrn Trittin „Es gibt Parteien, die haben eine größere Kompetenz als die SPD in puncto Energiepolitik“ ausdrücklich zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Kufen. – Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Eiskirch.

Thomas Eiskirch (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einer der Kollegen, die am Montag mit dem Europaausschuss dieses Hohen Hauses in Brüssel waren, hat mir von einem Gespräch mit Herrn Oettinger berichtet. Herr Oettinger hat in Bezug auf die EEG-Bremse gesagt: Herr Altmaier hat richtige Analysen, aber die Lösungsvorschläge sind nicht ausgereift.

(Beifall von der SPD)

Das gilt nicht nur für das Thema „EEG“, sondern für die gesamte Energiepolitik der schwarz-gelben Bundesregierung: In weiten Bereichen ist die Analyse richtig, Lösungsvorschläge, wenn überhaupt vorhanden, sind nicht ausgereift.

(Reiner Priggen [GRÜNE]: Das steht aber auch für Herrn Oettinger!)

Als Kollege Kufen gerade sagte, er erwartet Konzepte, klare Linien und einen Masterplan, dachte ich, da hat er recht. Ich finde es gut, dass er seine Bundesregierung so in die Pflicht nimmt.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Abgeordneter, würden Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kerkhoff zulassen?

Thomas Eiskirch (SPD): Nein, ich will erst mal ausführen. – Alle drei Punkte, Kollege Kufen, sind völlig richtig angebracht. Denn wir müssen erkennen: Berlin fährt einen Zickzackkurs ohne klare Linie, ohne Konzepte und ohne einen Plan. Ich glaube wirklich, dass der energiepolitische Zickzackkurs von CDU und FDP für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland keine mindergroße Gefahr ist, wie es die Situation des Euro im Moment darstellt.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Sie haben mit Ihrem Zickzackkurs der letzten zwei Jahre – über die Energiewende reden wir seit gut zwei Jahren – nur für weitere Verunsicherung gesorgt. Erst haben Sie durch den Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg des Ausstiegs dafür Sorge getragen, dass die konventionellen Kraftwerkssituationen in Problemlagen kommen, und jetzt versuchen Sie, dafür zu sorgen, dass auch die erneuerbaren Energien in Deutschland unter Druck geraten. Das ist kontraproduktive und nicht produktive Energiepolitik in Deutschland.

(Beifall von der SPD und den PIRATEN)

CDU und FDP haben bis heute nicht verstanden, dass energiepolitische Investitionen auf Zeiträume von 20, 30 oder sogar 40 Jahren kalkuliert werden. Da sind hü und hott und keine klare Linie der schlechteste Ratgeber.

Mit der Verlängerung der Laufzeit der AKWs wurden Investoren in die Energiewirtschaft abgeschreckt. Heute ist es so, nachdem Sie damals die Investitionen in konventionelle Kraftwerke verhindert oder zumindest belastet und zu erheblicher Verunsicherung beigetragen haben, dass Sie durch Ihr Handeln weitere Investitionen in erneuerbare Energien und das Gelingen der Energiewende in Deutschland untergraben.

Es muss Schluss sein mit dem Kompetenzhickhack innerhalb der Bundesregierung. Die Energiewende ist endlich als das angekündigte Gemeinschaftswerk zu gestalten, das verschiedene Handlungsebenen – inhaltliche wie regionale – zusammenführt. Wir müssen uns doch überhaupt nicht die Frage stellen, ob die Energiewende ausschließlich von der Farbenlehre bestimmt wird. Nein, sie ist natürlich auch eine regionale Frage. Denn sowohl beim Thema „Netze“ als auch beim Thema „Produktion“ haben wir in Deutschland ganz unterschiedliche regionale Interessen, die nichts mit der Farbenlehre zu tun haben. Aber das muss man zusammenbinden. Diese Versuche sind über zwei Jahre konzeptionell nicht wirklich entstanden.

Nordrhein-Westfalen, das Energieland Nummer eins in Deutschland, braucht endlich diese konzeptionell durchdachte und schlüssige Energiewendepolitik des Bundes. Wir sind nämlich einer der wichtigsten Partner; aber wir sind auch Risikoträger, wenn die Entscheidungen auf Bundesebene falsch getroffen werden. Deswegen ist es für uns als Industrie- und Energieland von ungeheurer Bedeutung, dass das, was Sie eingefordert haben, Konzepte, klare Linie und ein Masterplan, endlich vernünftig auf den Tisch kommt.

Dazu gehört ein Strommarktdesign – dazu gibt es bis heute keine wirklichen Auskünfte der Bundesregierung –, das die Partnerschaft von erneuerbaren Energien und fossilen Kraftwerken stärkt, Investitionen in gesicherte Energieerzeugung planbar macht und die Förderung der erneuerbaren Energien einbezieht. Ein verändertes EU-binnenmarktkom­pati­bles EEG muss stärker zur Marktfähigkeit und zur Systemintegration der erneuerbaren Energien beitragen sowie Mitnahmeeffekte sinnstiftend verhindern. Marktdesign und diese Fragen muss man zusammenführen.

Der Teilbereich „Energie“ im Haushalt 2013 des Wirtschafts- und Energieministers ist Ausdruck der Kontinuität und Verlässlichkeit. Das ist der große Unterschied zur Bundesebene. Er führt die Strukturhilfen für die Steinkohle fort, die bundesgesetzlich geregelt sind. Wir sind aber auch dabei, für die Steinkohlerückzuggebiete in die Vorderhand zu gehen. Der Haushalt trägt den Verpflichtungen Rechnung, die sich aus der atomaufsichtsrechtlichen Verantwortung ergeben. Mit dem angekündigten Ausstieg ist das Thema nicht vorbei. Das ist eine Aufgabe, die im Land zu bearbeiten und zu finanzieren ist. Der Haushalt trägt damit auch zur Planungssicherheit bei, die in der Energiepolitik nötig ist. So handhabt es diese Landesregierung in allen energiepolitischen Themen. Damit dokumentiert dieser Landeshaushalt einen ganz wesentlichen Unterschied zur Energiepolitik auf Bundesebene. – Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Eiskirch. – Für die FDP-Landtags­fraktion spricht Herr Abgeordneter Brockes.

Dietmar Brockes*) (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben schon gestern Abend die energiepolitischen Themen in diesem Hohen Hause diskutiert. Deshalb hatte ich gehofft, dass wenigstens heute der eigentlich für Energie zuständige Minister, Herr Remmel, anwesend ist. Er ist anscheinend im Hause, aber bei diesem Tagesordnungspunkt leider nicht anwesend.

Herr Minister Duin, aber auch Ihre Anwesenheit begrüße ich. Sie sind zumindest formal auch für das Haushaltsressort Energie zuständig.

(Thomas Eiskirch [SPD]: Großes rhetorisches Kino!)

Meine Damen und Herren, aktuell finden auf Landes- und Bundesebene äußerst spannende energiepolitische Diskussionen zur weiteren Umsetzung der Energiewende statt.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Interessant ist dabei auch, dort, wo die Länder eingebunden werden, wird die Landesregierung durch Umweltminister Remmel vertreten. Dort werden Fragen über den Ausbau der erneuerbaren Energien, zur Beschleunigung des Netzausbaus, zur Förderung der Speicherforschung, zur Hebung von Energieeffizienzpotenzialen und – früher, als von Experten angenommen – zur Zukunft des Strommarktdesigns diskutiert.

Der Landtag hat auf Antrag unserer Fraktion in der vergangenen Woche eine umfangreiche Sachverständigenanhörung zu diesem Themenkomplex durchgeführt. Die detaillierten Stellungnahmen enthielten überwiegend die Aufforderung an die Politik in Gänze, sich nicht länger im staatlichen Mikromanagement der Energiewende zu verlieren, sondern stattdessen einen Ordnungsrahmen vorzugeben, der die langfristig nachhaltigsten Lösungen ermöglicht, indem er mehr Markt und mehr Wettbewerb in der Energiepolitik durchzieht. Die hierzu genannten Vorschläge gilt es auch aus NRW heraus umzusetzen. Herr Minister Duin, dazu habe ich bislang noch keine konkreten Vorschläge Ihrerseits gehört.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Hat niemand!)

Auf Bundesebene wird als ein wichtiges Element zurzeit die überfällige Reform für das EEG diskutiert. Dazu muss aus unserer Sicht auch eine Stromsteuersenkung gehören. Neben den in die Zukunft gerichteten Reformen müssen die Stromverbraucher bereits heute konkret entlastet werden. Die Belastungsgrenze für viele Privathaushalte und Unternehmen ist in Folge der EEG-Umlagestei­gerungen längst erreicht.

Meine Damen und Herren, ich habe nun zwei Initiativen exemplarisch genannt. Herr Minister Duin, bezeichnend ist aber seitens des Energielandes Nummer eins Nordrhein-Westfalen, dass bei den überragend wichtigen Projekten der Energiewende seit Regierungsantritt noch nichts angestoßen wurde. Herr Minister Duin, Ihr Kollege Remmel hat sich allein in diesem Jahr 77 weitere Stellen genehmigen lassen. Das zeigt, wo die Prioritäten innerhalb der Landesregierung gesetzt werden. Welche Priorität hat die Energiewende bei Ihnen? Keine besondere. Das muss man wohl sagen. Sie forderten noch Anfang Februar öffentlich eine Senkung der Stromsteuer. Die SPD-Fraktion lehnte gestern Abend unseren entsprechenden Antrag mit Ihrer Forderung hier im Plenum ab.

(Zuruf von der SPD: Mit Recht!)

Das soll jetzt aber nicht heißen, dass wir auf Sie und Ihre Äußerungen in Zukunft verzichten wollen, Herr Minister Duin. Während der Amtskollege von den Grünen, Herr Remmel, jegliche Sachlichkeit zum Thema „Fracking“ abgelegt hat und sich in einem Krawallbrief an die NRW-Bundestagsab­geord­neten mehr um die Renaissance des fossilen Zeitalters sorgt als über Umweltaspekte beim Fracking, konnte ich beim WDR eine wohlfundierte und sachliche Analyse Ihrerseits nachlesen. Zu Recht haben Sie betont, dass bei der Erforschung der Fracking-Technologie nun der nächste Schritt gemacht werden kann. Ich bin gespannt, wer sich innerhalb der Landesregierung durchsetzen wird.

Meine Damen und Herren, wir haben noch nicht genügend Kenntnisse, um abschließend und verantwortbar über Fracking entscheiden zu können. Dafür sind weitere Erkundigungen notwendig, für die nun in Berlin die notwendigen Rahmenbedingungen vorgegeben wurden. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung wird dabei verpflichtend vorgeschrieben, damit Umweltgefahren ausgeschlossen werden. Keinesfalls handelt es sich also um einen Freibrief für Fracking.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.

(Zustimmung von Hans Christian Markert [GRÜNE])

Lassen Sie mich noch einen Punkt nennen, der selbstverständlich nicht fehlen darf, Herr Kollege Markert. Das ist das Kraftwerk Datteln 4.

(Zustimmung von Christof Rasche [FDP])

Hier zeigt sich, dass der Minister es ernst meint, wenn er sagt, seine Aufgabe sei vor allen Dingen rhetorisch. Mehrfach haben Sie erklärt, dass wir ein neues Kraftwerk wie Datteln 4 bräuchten. Gleichzeitig stellen Sie aber fest, dass diese Landesregierung keinen Handschlag tun werde, um die Fertigstellung des Kraftwerks voranzubringen. Dabei bräuchte gerade der RVR Ihre Unterstützung, um die Regionalplanänderungen in einem angemessenen Zeitraum bewerkstelligen zu können.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege Brockes.

Dietmar Brockes*) (FDP): Herr Präsident, ich komme zum Schluss! – Herr Minister, der Lackmus-Test steht Ihnen beim LEP noch bevor. Denn wenn wir – wie Sie richtig sagen – weitere Kraftwerke konventioneller Art benötigen, müssen Sie sicherstellen, dass es hierfür auch die entsprechenden Standorte in Nordrhein-Westfalen gibt, selbst wenn es Erweiterungsstandorte sind. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Abgeordnete Brems.

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Brockes, wenn Sie – wie heute – immer wieder die alte Leier von der Industriefeindlichkeit dieser Landesregierung wegen einer Bauruine der schwarz-gelben Vorgängerregierung singen, müssen Sie aufpassen, dass Sie nicht irgendwann wie Troubadix, der Barde von Asterix und Obelix, gefesselt werden, damit Sie nicht weiter schief und scheel singen.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Das hätte er verdient!)

Ich gehe gerne noch einmal auf einige Aspekte ein. Herr Kufen ist auf die Anhörung, die wir in der letzten Woche hier im Plenarsaal hatten, eingegangen, wie es mit der Energiewende weitergeht. Ich möchte ein Zitat eines der Experten nehmen, und zwar die Aussage, dass es der Bundesregierung am Willen mangelt, die Energiewende zu schaffen und – so ist zu befürchten – wohl auch an der Kompetenz. Das ganz genau ist die Aussage.

Wir haben gestern Abend schon lange darüber diskutiert: Sie haben Schwierigkeiten, die Energiewende einerseits umzusetzen. Andererseits wollen Sie sie gar nicht und hören sich gerne das an, was Ihnen die großen Energieversorger einflüstern.

Herr Kufen hat es angemerkt, dass es im hier diskutierten Haushaltsbereich nur um Kohle geht. Ihre heutigen Betrachtungen dazu sind mir doch etwas zu eindimensional. Spätestens in einer Zeit, in der das Ende des Kohlebergbaus in menschlich überblickbaren Zeiträumen absehbar ist, ist eine neue Betrachtungsweise notwendig. Wir müssen die Befürchtungen der Betroffenen ernst nehmen.

Als Beispiel nehme ich Steinkohle: Wir müssen wissen, wie wir mit der Handhabung von Bergschäden umgehen. Die Betroffenen haben nämlich die Befürchtung, dass anders mit ihren Schäden umgegangen wird, wenn der Abbau beendet ist. Das wird schon in wenigen Jahren der Fall sein.

Wir sagen, dass wir das hier im Landtag nicht alleine tun können, sondern dafür natürlich die Bezirksregierung Arnsberg und die entsprechenden Unternehmen brauchen, die gemeinsam die Betroffenen ernst nehmen müssen. Aber das muss man wirklich ernsthaft wollen. Transparenz darf weder eine leere Forderung noch ein leeres Versprechen sein, sondern muss gemeinsam gelebt werden.

Auch bei der Braunkohle ist eine neue Betrachtungsweise notwendig. Beispielsweise müssen wir schon jetzt die Nachbergbauzeit im Blick haben und zum Beispiel schauen, ob es bei der Braunkohle nicht auch das gibt, was wir bei der Steinkohle als „Ewigkeitslasten“ kennen. Denn schon jetzt fließen Flüsse …

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Abgeordnete, würden Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Wibke Brems (GRÜNE): … entgegen der ursprünglichen Richtung,

(Heiterkeit von der CDU)

schon jetzt versinken ganze Wälder in Seenlandschaften. – Das ist nicht witzig, sondern das betrifft die Leute vor Ort ganz konkret.

Dabei haben wir noch nicht einmal über Totalabrisse Kilometer vom Tagebau entfernt, von Lärm- und Luftbeeinträchtigungen geredet. Wir müssen allen in der Region – den Beschäftigten, den Bewohnerinnen und Bewohnern – eine Perspektive bieten. Das tut diese Landesregierung beispielsweise mit der Innovationsregion Rheinisches Revier. Dort müssen rechtzeitig Strukturveränderungen gestaltet werden.

Nicht zu verwechseln damit ist der „Aktionsplan Rheinisches Revier“. Den müssen wir uns ganz genau anschauen. Wir müssen Emissionen reduzieren, KWK massiver einsetzen. Wir müssen Effizienzsteigerungen dadurch hinbekommen, dass die CO2-Emissionen reduziert werden.

Wir müssen allen – auch den Bergbaubetroffenen – eine Perspektive bieten. Wir werden dazu ein verlässlicher Partner sein, und zwar während und nach Beendigung des Bergbaus. Wir müssen Innovationsregionen, Aktionspläne und Bürgerrechte der Betroffenen mit Leben füllen. Es gibt noch viel zu tun, aber wir sind auf einem guten Weg. – Herzlichen Dank!

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Damit hat sich der Wunsch nach einer Zwischenfrage erledigt. Vielen Dank für Ihren Beitrag.

Ich gebe nun das Wort weiter an Herrn Rohwedder für die Fraktion der Piraten.

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, Zuschauer auf der Tribüne und am Stream! Herr Kufen von der CDU hat seine Rede mit der Aussage beendet, es gebe hier Parteien mit mehr energiepolitischer Kompetenz als die SPD. Ich bedanke mich im Namen der Piraten für dieses unerwartete Kompliment an uns.

(Beifall von den PIRATEN – Zuruf von Thomas Kufen [CDU])

Ich möchte zunächst kurz im Schnelldurchgang ein paar Ziele der Piratenfraktion darstellen:

Wir wollen eine dezentrale Energieerzeugung mit erneuerbaren Energien.

Wir wollen eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes hin zu einem engagierten Ausbau der erneuerbaren Energien, wobei Überförderungen vermieden werden sollen.

Wir wollen die direkte und indirekte Subvention von fossilen und nuklearen Energien transparent machen und abbauen.

Wir wollen die einkommensschwachen Haushalte bei den Energiekosten entlasten, die Ausnahmen von EEG-Umlagen, Netzdurchleitungsentgeltbefreiungen und weiteres bei der stromintensiven Industrie hinterfragen und auf das Nötigste begrenzen.

Wir wollen Anreize für Energieeffizienz bei der Industrie auch über den Strompreis setzen, den HGÜ-Netzausbau auf das Notwendige beschränken. Wir wollen nicht, dass der Strom aus Braunkohle über HGÜ-Leitungen nach Norwegen, Österreich oder in die Schweiz geleitet wird, dort mit diesem Strom Wasser den Berg hochgepumpt wird und als grüner Ökostrom umgelabelt hier wieder auftaucht.

Wir wollen dezentrale Energiegewinnung mit Erneuerbaren beim Netzausbau stärker berücksichtigen statt der großen HGÜ-Trassen.

Wir wollen die technischen Möglichkeiten dazu voll ausnutzen und brauchen die staatlichen Energieverteilungsnetze als Grundlage für faire Energiemärkte.

Wir wollen die Förderung der Energieeffizienz und Kraft-Wärme-Kopplung, die klare Auszeichnung von Effizienzklassen für alle Gebrauchsgüter, Stärkung der Bürgerrechte, mehr Demokratie und Mitbestimmung in der Energiepolitik – zum Beispiel das Bergrecht abschaffen und durch ein Umweltgesetzbuch ablösen.

Fast die gesamten Haushaltsansätze im Energiebereich sind für fossile und atomare Energien vorgesehen. Das steht im krassen Widerspruch zu unseren Vorstellungen.

Den größten Anteil machen die Zuschüsse für die deutsche Steinkohle zur Verstromung und an die Stahlindustrie mit einem Ansatz von 358,4 Millionen € im Jahr 2013 aus. Diese Zuschüsse sind für den Steinkohlebergbau für rund zehn Jahre vertraglich festgelegt. Für den Bereich Energie und Bergbau gibt es im Haushaltsplan insgesamt aufgrund von vertraglichen Bindungen kaum Gestaltungsmöglichkeiten. Da haben Sie sich schön in die Sackgasse manövriert.

Wir sind also in diesem Bereich mit erheblichen Altlasten konfrontiert, die eine zukunftsweisende Gestaltung des Energiesektors verhindern. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass keine neuen Altlasten entstehen und Gestaltungsmöglichkeiten für die Zukunft nicht nur erhalten bleiben, sondern vor allem erst einmal wieder neu geschaffen werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir wollen das Verursacherprinzip bei Ewigkeitsschäden durchsetzen und einpreisen. Wir wollen eine Haftpflichtversicherung für Nuklearanlagen, voll umfänglich und ohne Schlupflöcher.

(Beifall von den PIRATEN)

Im Haushalt findet sich dazu viel zu wenig Wegweisendes, geschweige denn Bahnbrechendes für die Energiewende und für den Strukturwandel, der schon längst im Gange ist. Der Entwurf ist unzureichend, zurückweichlerisch und unambitioniert. Man muss den Strukturwandel dort schöpferisch begleiten, wo Bürger, lokale Kleinbetriebe und der Mittelstand bereits regionale Wertschöpfung betreiben und Arbeitsplätze sichern.

Das findet sich im Entwurf nicht wieder. Der sieht aus, als hätten fossile Stollentrolle ihn bereits in den 1960er-Jahren entworfen. Das ist eine vertane Chance und ist besonders desaströs, weil Nordrhein-Westfalen das Bundesland mit der höchsten Energieproduktion und dem höchsten Ausstoß an Schadstoffen in Verbindung damit ist. Eine Landesregierung von Schwarz-Geld hätte das kaum schlechter machen können.

Wir lehnen diesen Bereich ab. – Danke.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Rohwedder. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Duin.

Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin vorhin aus Ihrem Beitrag, Herr Kufen, nicht ganz schlau geworden; ich weiß nicht, ob Sie nun einen Masterplan wollen oder nicht. Ich hatte immer gedacht, Sie lehnten das grundsätzlich ab. Aber dann haben Sie es doch wieder eingefordert.

Insofern bleibe ich dabei – ich habe vorhin schon darauf hingewiesen, dass man bestimmte Dinge bei verschiedenen Auftritten wiederholen muss –, dass neben dem Präsidenten des BDI viele andere Spitzenvertreter von Wirtschaftsorganisationen erklären: Wir brauchen so etwas wie ein Projektmanagement.

Dabei geht es nicht darum, vorwegzunehmen oder politisch zu bestimmen, was die nächsten technologischen Entwicklungen sind, sondern es geht darum, Verantwortlichkeiten klar zu definieren und zu sagen, wohin die Reise eigentlich gehen soll, damit endlich wieder Planungs- und Investitionssicherheit für sämtliche an diesem Thema beteiligten Unternehmen in Deutschland hergestellt wird.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister, würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kufen zulassen?

Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk: Gern.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege.

Thomas Kufen (CDU): Herr Minister, da ich in meiner Argumentation offensichtlich nicht klar verstanden worden bin, will ich das gern zuspitzen.

Ich frage Sie: Haben Sie in den „Westfälischen Nachrichten“ einen Masterplan für Nordrhein-Westfalen angekündigt? Haben Sie im „FOCUS“ einen Masterplan für Deutschland angekündigt? Sind diese Aussagen von Ihnen? Konkret: Wann legen Sie vor?

Aus unserer Sicht braucht man das nicht. Aber wenn Sie es ankündigen, sollten Sie es auch tun.

(Zuruf – Thomas Kufen [CDU]: Er kann sich eine aussuchen!)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Minister.

Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk: Natürlich brauchen wir diesen Masterplan; natürlich brauchen wir ein Projektmanagement, und wir haben aus Nordrhein-Westfalen heraus schon eine ganze Reihe von sehr konkreten Elementen vorgelegt, die dazu ihren Beitrag leisten und das Gelingen der Energiewende befördern.

Meine Damen und Herren, wir müssen zwei Dinge unterscheiden: einmal das, was mittel- und langfristig diskutiert wird, und zum anderen das, was wir kurzfristig erledigen müssen. Kurzfristig heißt: Innerhalb der nächsten vier Wochen wird es zwischen den Bundesländern und der Bundesregierung eine Einigung geben müssen bezogen auf das, was an Vorschlägen von Herrn Altmaier und Herrn Rösler auf dem Tisch liegt, was jedoch nicht 1:1 wird Realität werden können.

Wir reden dort – ich hatte die Gelegenheit, heute Morgen mit Herrn Altmaier darüber zu sprechen – über die Optimierung des sogenannten Referenzertragsmodells für alle. Eine offene Frage lautet: Ist es vielleicht möglich, zu unterscheiden, wie windhöffig die unterschiedlichen Standorte sind? Das ist gerade für Nordrhein-Westfalen eine hochspannende Frage, damit wir bei einer möglichen Einigung am Ende nicht die Leidtragenden sind und damit wir mit den Standorten, die hier in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung stehen, nach wie vor auch unsere entsprechenden Ausbauziele erreichen können. Darauf werden wir achten, und darauf werden wir Wert legen.

Ich will die anderen Punkte nur als Stichworte erwähnen. Wir reden über so etwas Schönes – Sie kennen das in den Details – wie Güllebonus. Brauchen wir den noch. oder müssen wir den streichen? Wir reden darüber, welche Erweiterungsinvestitionen in Biogasanlagen noch wie gefördert werden sollen oder eben nicht mehr? Wir reden auch über die besondere Ausgleichsregelung und den Eigenanteil energieintensiver Unternehmen. Wir reden über die Managementprämie, die Liquiditätsreserve. Wir reden über steuerliche Maßnahmen. Das ist das Gesamtpaket.

Ich bin ganz sicher, dass sich alle – auch die unterschiedlichen Bundesländer mit ihren unterschiedlichen Interessen, aber auch die Parteien – werden einigen müssen, um in vier Wochen spätestens auf der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin eine Einigung zu präsentieren. Ich bin optimistisch, dass das gelingen wird, weil wir in der Tat – wie von Ihnen eingefordert – das Ganze nicht in irgendeiner Weise ideologisch betreiben, sondern sehr pragmatisch an die konkreten Fragestellungen herangehen.

Das Zweite ist das, was wir mittel- und langfristig machen müssen. Da sind andere Fragen zu beantworten. Da geht es darum: Wie kriegen wir es hin, dass die erneuerbaren Energien in die Systemverantwortung hineinkommen? Da geht es darum: Wie können wir die Erkenntnisse, die unter anderem in dem vom Kollegen Remmel in Auftrag gegebenen Prognos-Gutachten beschrieben sind, in politische Handlung umsetzen, damit auch die Back-up-Kapazitäten in den nächsten Jahren und Jahrzehnten sichergestellt sind?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister, würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ortgies zulassen?

Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk: Ja.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön.

Friedhelm Ortgies (CDU): Schönen Dank, Herr Minister, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich habe aus aktuellem Anlass eine Frage an Sie, weil wir gerade bei der Energiepolitik sind und vor Kurzem das Verbandsklagerecht behandelt haben.

Ich lese, dass der NABU, der Naturschutzbund Deutschland, in Hessen Windanlagenbetreiber beklagen will nach dem Motto: Entweder ihr spendet für uns oder wir beklagen eure Anlagen. Was halten Sie davon?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister, bitte schön.

Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk: Dieser Vorgang entzieht sich meiner Kenntnis. Sie tragen das hier vor. Ich kann das überhaupt nicht überprüfen. Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass ich das auch nicht bewerten kann, weil ich die Details dieses Vorgangs gar nicht kenne und es sich auch nicht in unserem Zuständigkeitsbereich befindet, wenn es sich in Hessen abspielt.

Meine Damen und Herren, ich war bei den Punkten, die mittel- und langfristig geklärt werden müssen. Neben der Frage des Marktdesigns – Wie können Erneuerbare in die Systemverantwortung überführt werden, wie können wir sicherstellen, dass die Back-up-Kapazitäten bei den konventionellen Kraftwerken da sind und sie sie rentabel betrieben werden können? – geht es um die Fragen der Beschleunigung des Netzausbaus, der Effizienzsteigerung und der Investitionen in die Speichertechnologie.

Hinsichtlich aller Punkte ist die nordrhein-westfä­lische Landesregierung in enger Absprache mit anderen Bundesländern und in engem Dialog mit der Bunderegierung, um gemeinsame Lösungen zu entwerfen.

Lassen Sie mich abschließend, weil Herr Brockes das Thema „Fracking“ aufgeworfen hat, darauf noch einmal konkret eingehen. – Auf der Berliner Ebene ist jetzt nach sehr langer Zeit die von der nordrhein-westfälischen Landesregierung schon in der vergangenen Wahlperiode erhobene Forderung aufgenommen worden, nämlich über eine Veränderung des Bergrechts eine verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfung einzuführen. Wir finden es richtig, dass dieser nordrhein-westfälischen Initiative jetzt gefolgt wird.

(Beifall von der SPD – Beifall von Thomas Kufen [CDU])

Das ist Punkt 1.

Punkt 2. – Herr Brockes, wenn Sie mir kurz Ihre Aufmerksamkeit schenken, weil Sie gefragt haben, ob es eine Differenz in der Landesregierung gebe. Mit Datum vom 7. September letzten Jahres – daran hat sich bis zum heutigen Tage nichts geändert – haben der Kollege Remmel und ich öffentlich erklärt und haben es seitdem in gleichlautenden Worten immer wiederholt: In NRW wird es keine Genehmigung für die Erkundung und Gewinnung unkonventioneller Erdgaslagerstätten unter Einsatz von schädlichen Substanzen geben.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Der Einsatz der Fracking-Technologie kann derzeit bis auf Weiteres in NRW nicht genehmigt werden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

An dieser Feststellung hat sich nichts geändert. Wir haben am 7. September vergangenen Jahres genauso gemeinsam gesagt: Es soll gemeinsam mit Unternehmen und der Wissenschaft der Versuch gestartet werden zu überlegen, welche konkreten Erkenntnisse durch Erkundungen geliefert werden können, um die Informations- und Wissensdefizite zu beseitigen und eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung über mögliche nachfolgende Schritte zu schaffen. Dies soll in einem transparenten und breit angelegten Prozess erfolgen.

Das ist die Basis, auf der diese Landesregierung agiert. Wir sind in Gesprächen mit der Wissenschaft, mit den Unternehmen, um diese zweite Frage zu erörtern. Solange nicht klar ist, dass jede Gefährdung für Trinkwasser, Umwelt, Bürgerinnen und Bürger ausgeschlossen werden kann, wird es keine Genehmigung in Nordrhein-Westfalen geben: klare Haltung, klarer Ansatz, von allen hier getragen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Ich weise darauf hin, dass die Landesregierung ihre Redezeit 1 Minute 41 Sekunden überzogen hat. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Wir kommen damit zur Abstimmung über den Einzelplan 14. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung Drucksache 16/2114, den Einzelplan 14 unverändert anzunehmen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen und der Einzelplan 14 mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der CDU, der FDP und der Piraten verabschiedet.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich rufe auf:

Einzelplan 07
Ministerium für Familie, Kinder,      
Jugend, Kultur und Sport

In Verbindung mit:

Eltern und Kommunen brauchen einen Fonds, um Unstimmigkeiten beim U3-Rechtsan­spruch zu bewältigen!

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/2137

Ich verweise auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 16/2107 zum Einzelplan 07.

Ich eröffne die Beratung zum

     Teilbereich
Familie, Kinder und Jugend

Für die CDU-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Doppmeier das Wort.

Ursula Doppmeier (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Als Grundlage für Ihr Regierungshandeln dient Ihnen Ihr Koalitionsvertrag. Und genau in diesem steht – ich zitiere –: „Nordrhein-Westfalen muss seine finanzielle Handlungsfähigkeit zurückgewinnen.“ – Das klingt schön, das klingt verantwortungsvoll, aber das entspricht leider nicht der Realität Ihres politischen Handelns.

Sieben Bundesländer schreiben inzwischen schwarze Zahlen und gewinnen so ihre finanzielle Handlungsfähigkeit zurück. Nur Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen will nicht sparen. 60 % des Minus aller Bundesländer entfällt auf Nordrhein-Westfalen. 3,5 Milliarden € neue Schulden im Jahre 2013 trotz höchster Steuereinnahmen. Eigene Sparvorschläge haben SPD und Grüne bisher nicht oder nur sehr unzureichend gemacht. So sieht Ihre traurige Realität aus.

Schauen wir uns nun in diesem Zusammenhang den Bereich Kinder, Familie und Jugend an!

Da fällt mir beispielsweise das Stichwort „Beitragsfreiheit“ ein. Unsere Fraktion hat sich erneut auf eine Streichung des beitragsfreien Kita-Jahres verständigt, denn der beitragsfreie Kindergarten ist sozialpolitisch der falsche Weg. Dadurch werden weder Bildungschancen verbessert noch besuchen mehr Kinder die Kindergärten.

(Dennis Maelzer [SPD]: Was haben Sie denn im Wahlkampf gesagt?)

Wer nicht genug verdient, wird heute aufgrund der Staffelung der Elternbeiträge ohnehin nicht belastet. Somit profitieren von diesen rot-grünen Beitragsgeschenken vor allem doch Besserverdienende, die sonst die höchsten Beiträge zahlen müssten und somit unsere öffentlichen Kassen entlasten würden. Es ist somit unsozial, an diesem Wahlversprechen von Ihnen festzuhalten und damit nur höhere Einkommensschichten zu begünstigen. Denn dies kostet den Landeshaushalt 148 Millionen €. Und die muss jeder Steuerzahler mittragen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Abgeordnete, würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Maelzer zulassen?

Ursula Doppmeier (CDU): Ja.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Dennis Maelzer (SPD): Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Können Sie mir bestätigen, dass die CDU im Wahlkampf noch versprochen hat, es bei der Beitragsfreiheit des dritten Kita-Jahres zu belassen?

Ursula Doppmeier (CDU): Herr Maelzer, Minister Schneider sagte es schon: Keiner kann uns daran hindern, schlauer zu werden.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Das ist ein Adenauer-Zitat, aber Sie müssen es ja wissen!)

So ist es bei uns. Wir haben uns eindeutig dafür ausgesprochen, das beitragsfreie Kindergartenjahr wieder zurückzuführen.

Lassen Sie mich beim Haushalt fortfahren. Ein weiteres Stichwort: der sexuelle Missbrauch. Wir haben mit unserem Änderungsantrag einen Vorschlag – und damit auch unsere Hausaufgaben – gemacht.

Sie aber, verehrte Frau Ministerin Schäfer – und diesen Vorwurf müssen Sie sich jetzt gefallen lassen – stehen bei den Opfern in der Schuld. Die Ministerpräsidentin nutzt jede Gelegenheit – so auch am Sonntagabend in einem bekannten Politik-Talk –, den Menschen zu verkaufen, dass sie kein Kind zurücklassen will.

Aber genau das tun Sie. Wie ernst der Bund die Opferunterstützung nimmt, erkennt man daran, dass er bereit ist, seinen Anteil von 50 Millionen € zu leisten. Weitere 50 Millionen € für einen Hilfsfonds in Höhe von 100 Millionen € steuern die Länder bei.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Abgeordnete, würden Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Asch zulassen, die auf dem Platz von Herrn Keymis sitzt?

Ursula Doppmeier (CDU): Jetzt möchte ich erst meine Ausführungen beenden. – Da sind Sie, da sind wir in Nordrhein-Westfalen gefordert. Mit insgesamt 10 Millionen € wollen wir im Haushalt 2013 die Ergebnisse des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch“ im familiären Bereich umsetzen. Mit diesem Beitrag wollen wir dafür sorgen, dass Kindern durch Therapien geholfen und wirklich kein Kind zurückgelassen wird.

Ich sage Ihnen: Hören Sie doch auf, an Sonnabenden das eine zu erzählen und des Montags das Gegenteil zu veranlassen!

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Würden Sie jetzt die Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Asch zulassen?

Ursula Doppmeier (CDU): Ja.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön.

Andrea Asch (GRÜNE): Danke, liebe Kollegin Doppmeier, für das Zulassen der Zwischenfrage. – Ich möchte eine Frage zu dem Punkt „Entschädigung der Opfer sexuellen Missbrauchs“ stellen. Können Sie uns erklären, warum die CDU-Fraktion einen Antrag auf 10 Millionen € nicht bereits in ihrem Haushaltspaket am Mittwoch, sondern erst am Donnerstag nach der Presseberichterstattung über die Verhandlung zwischen Bund und Ländern vorgelegt hat?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Abgeordnete, bitte schön.

Ursula Doppmeier (CDU): Frau Abgeordnete, wir sind zu jenem Zeitpunkt ganz aktuell auf die Meldung eingegangen, dass der Bund sich zur Zahlung von 50 Millionen € bereit erklärt hat. Da ist es nur recht und billig, dass auch die Länder ihren Anteil leisten. Sie schimpfen ja immer auf den Bund und fordern ihn zum Handeln auf. Wenn dann der Bund etwas gibt, dann wollen Sie auf einmal Ihren Teil nicht mehr erfüllen.

(Zuruf von Andrea Asch [GRÜNE])

Lassen Sie mich ein weiteres Stichwort zur Übernahme finanzieller Verantwortung im Bereich der Familien- und Jugendpolitik nennen: die U3-Betreuung. – Auch hier hat der Bund seine Hausaufgaben gemacht. Mit 580 Millionen € fördert die Bundesregierung den Ausbau der U3-Betreuungs­plätze in den Jahren 2013 und 2014. Nordrhein-Westfalen erhält für diesen Zeitraum 126 Millionen €. Daran erkennen Sie, mit welcher Ernsthaftigkeit und Verantwortlichkeit die Bundesregierung wirklich kein Kind zurücklassen will.

Sie hingegen, Frau Schäfer, wissen – wie wir dem Haushaltsplan entnehmen können – noch nicht einmal, wie es nach Sommer 2013 mit dem Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz weitergehen wird; denn uns allen ist bekannt: Der Bedarf wird noch weiter steigen. Sie haben weder einen Plan bis zum Sommer 2013, noch darüber hinaus.

Aber genau das brauchen wir doch, wenn wir wirklich eine Politik der finanziellen Verantwortung im Sinne unserer Kinder machen und somit kein Kind zurücklassen wollen.

Darum appelliere ich an Sie, Kolleginnen und Kollegen der Landesregierung: Hören Sie endlich auf, den Menschen im Land mit warmen Worten und entsprechenden Schriften Sand in die Augen zu streuen. Lassen Sie uns gemeinsam eine ehrliche Finanzpolitik im Bereich Familie, Kinder und Jugend betreiben und somit die finanzielle Handlungsfähigkeit für unser Land Nordrhein-Westfalen zurückgewinnen. – Danke schön.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Doppmeier. – Für die SPD-Landtagsfraktion spricht Herr Kollege Jörg.

Wolfgang Jörg (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach den Ausführungen von Frau Doppmeier ist es geradezu abenteuerlich, was für eine Art von Schuldenpolitik wir hier in Nordrhein-Westfalen gefahren haben.

(Zuruf von der CDU: Sehr richtig!)

Sie haben Ihre Regierungszeit mit 113 Milliarden € Schulden begonnen und haben die Regierung mit einem Schuldenstand von 126 oder 127 Milliarden € – die Finanzer wissen das besser – abgegeben. – Was ist denn das für eine Schuldenpolitik? Was haben Sie denn da gemacht?

(Zurufe von der CDU)

Im Hinblick auf die Pro-Kopf-Verschuldung befinden wir uns derzeit im Mittelfeld der Länder. Das, was Sie mit Blick auf die Verschuldung des Landes hier an Popanz aufbauen und auch noch der Ministerpräsidentin anhaften wollen, ist wirklich lächerlich. Das glaubt Ihnen doch niemand mehr.

In Ihrer mittelfristigen Finanzplanung hatten Sie die Schulden für die nächsten Jahre noch deutlich höher taxiert als das, was wir jetzt realisiert haben.

(Widerspruch von der CDU)

Ein weiteres Märchen, Frau Doppmeier – Herr Laschet hat es neulich noch in den Zeitungen verbreitet – besagt, wir würden durch die Beitragsfreiheit reiche Eltern entlasten.

Frau Doppmeier, ich bitte Sie herzlich: Schauen Sie sich die Untersuchungen an. Die Wahrheit ist, dass wir gerade die Geringverdiener entlasten, denn diese Gruppe bezahlt prozentual die höchsten Beiträge in dem noch von Ihnen zu verantwortenden System.

Das heißt also: Die Beitragsbefreiung ist nicht nur ein Akt der Gerechtigkeit gegenüber den Eltern, sondern auch noch ein sozialer Akt gerade gegenüber denjenigen, die besonders wenig Geld verdienen.

(Beifall von der SPD)

– Das kann man ruhig einmal beklatschen. – Ich habe es schon einmal gesagt: Die Eltern geben ein Vermögen für die Bildung ihrer Kinder aus. Wenn der gewünschte Bildungserfolg eingetreten ist, wenn diese Kinder irgendwann einmal Lehrer, Sozialarbeiter, Krankenschwester oder Polizisten werden, dann hat die gesamte Gesellschaft etwas von diesem Bildungserfolg. Alle – die Rentner, die Kinderlosen usw. – haben etwas davon.

Deshalb darf Bildung nicht gebührenfinanziert sein. Denn wenn alle etwas davon haben, sollten auch alle etwas dafür bezahlen. Also muss das Ganze steuerfinanziert sein.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie sind dagegen. Sie wollen das weiter über Gebühren finanzieren. Das ist eine Ungerechtigkeit gegenüber den Eltern. So müssen wir das diskutieren.

Übrigens, Frau Doppmeier: Was machen eigentlich gerade die Bayern mit den Studiengebühren? Was passiert denn da? – Jeder kann lernen. An diesem Punkt lernen die Bayern. Sie können da auch von Nordrhein-Westfalen lernen. Da sind wir ganz großherzig.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Abgeordneter Jörg, würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Laumann zulassen?

Wolfgang Jörg (SPD): Von Herrn Laumann? Aber selbstverständlich. Bitte, Herr Laumann.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Karl-Josef Laumann (CDU): Herr Kollege Jörg, Sie haben ausgeführt, dass die Verschuldung in Nordrhein-Westfalen nicht so schlimm sei. Ich würde Sie gerne fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass unser Land im letzten Jahr 60 % der gesamten Neuverschuldung aller Bundesländer aufgenommen hat, und zwar bei einem Bevölkerungsanteil von 22 %.

Außerdem möchte ich Sie fragen, wie Sie als jemand, der diese Regierung verteidigt, es einschätzen – Sie haben Gebühren eben als ungerecht bezeichnet –, dass wir jetzt in Nordrhein-Westfalen die Situation bekommen, dass der angehende Apotheker gebührenfrei studiert, aber seine zukünftige Gehilfin die Schule alleine bezahlen muss. Ist das ein neuer Begriff von sozialer Gerechtigkeit in Ihrer Regierung?

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Abgeordneter, bitte schön.

Wolfgang Jörg (SPD): Herr Laumann, erstens haben wir im Gegensatz zu Ihrer Regierung die Schulden weiter zurückgefahren. Zweitens wissen Sie …

(Lachen von der CDU und der FDP)

– Ja, natürlich. Strukturell haben wir das getan. Ich bin ja sehr froh, dass Sie über sich selbst lachen können; denn Sie wissen doch, welche Lasten Sie den Kommunen zugunsten Ihrer Haushaltskasse aufs Auge gedrückt haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich brauche das hier gar nicht im Einzelnen darzustellen. Ihre Strategie nimmt Ihnen doch überhaupt keiner mehr ab. Dass es unterschiedliche Ausbildungsgänge gibt, die unterschiedlich finanziert worden sind – das hat in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen Tradition –, wissen Sie besser als jeder andere. Sie führen hier einen Popanz auf, weil Sie in Wirklichkeit familienpolitisch und bildungspolitisch völlig am Ende sind. Deshalb kann man sich auch das Ergebnis von 26 % erklären, das Sie eingefahren haben. Sie sind da völlig unglaubwürdig.

Diese Landesregierung wird als die Landesregierung in die Geschichte des Landes eingehen, die den U3-Rechtsanspruch realisiert. Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Opposition, werden in diesem Diskurs nur eine Statistenrolle erhalten, weil Sie keinen wesentlichen Beitrag geleistet haben. Wir werden den Rechtsanspruch umsetzen.

Wir haben vieles im Bereich der Kitas verbessert. Wir haben Bürokratieabbau organisiert. Wir haben mehr U3-Personal zur Verfügung gestellt. Wir haben das letzte Kindergartenjahr beitragsfrei gestellt. Wir haben den Krippengipfel durchgeführt. Alle Akteure auf dem Feld – ich kann das nur immer wieder sagen – sind mit der Arbeit der Landesregierung zufrieden. Das müssen Sie doch bitte einmal zur Kenntnis nehmen.

(Marcel Hafke [FDP]: Nur die Eltern nicht!)

– Die Eltern? Natürlich sind die Eltern auch zufrieden.

(Lachen von der FDP)

– Ja, es ist so. Das hört man, wenn man mit den Akteuren spricht. Wir sind schließlich mit den Eltern im Kontakt. Sie haben doch nie mit ihnen gesprochen. Und Ute Schäfer ist im Gegensatz zu Armin Laschet bei allen Akteuren ein gern gesehener Gast. Das hätten Sie sich damals bei Ihrem Minister gewünscht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Akteure sind also alle zufrieden – bis auf die Opposition, bis auf die CDU, Herrn Laumann und Konsorten. Das ist aber auch völlig in Ordnung; denn das ist auch Ihre Rolle. Und was bleibt Ihnen denn auch anderes? Wenn Sie Ihre eigene inhaltliche Arbeit anschauen, sehen Sie nur Wüste. Daher müssen Sie irgendetwas an den Haaren herbeiziehen. Sie veranstalten jetzt Pressekonferenzen zu Öffnungszeiten, die Sie zu verantworten haben. Da kann man wirklich nur lächelnd zur Seite gucken. Ich glaube, dass die Bevölkerung Ihre Strategie auch durchschaut; denn sie ist sehr einfach zu erkennen und zu widerlegen.

Wir haben beim Landesjugendplan schon 100 Millionen € auf den Tisch gelegt. Das hatten Sie damals auch versprochen. Wir haben es realisiert.

(Beifall von Dagmar Hanses [GRÜNE])

In der Zukunft werden wir uns noch intensiver um die inhaltliche Arbeit gerade in der Jugendpolitik kümmern müssen, weil der Ausbau des Ganztags dazu führt, dass dort viele Konflikte entstehen.

Wir geben nicht nur Geld, sondern haben auch ein Interesse daran, diese Arbeit inhaltlich weiterzuentwickeln. Das ist ein weiterer Unterschied. Sie haben fünf Jahre mit den Jugendverbänden gar nicht gesprochen. Zwar haben Sie ihnen das Geld gegeben, aber an der eigentlichen Arbeit waren Sie nicht interessiert. Wir sind da anders aufgestellt.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege.

Wolfgang Jörg (SPD): Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Haushalt ist das Fortschreiben einer guten Kinder- und Jugendpolitik. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Jörg. – Für die FDP-Landtagsfraktion spricht der Kollege Hafke.

Marcel Hafke (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Wolfgang Jörg, es ist schon interessant, zu sehen, wie weit man sich manchmal von der Realität entfernen kann.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Selbst dieser Einzelplan spiegelt die gesamte Verschuldungspolitik dieser Regierung wider. Nordrhein-Westfalen ist alter und neuer Schuldenmeister. Schuldenkönigin – sie ist gerade nicht hier – ist Hannelore Kraft. Der letzte verfassungswidrige Haushalt liegt noch gar nicht lange zurück. Die mittelfristige Finanzplanung ist eine Katastrophe. Sich dann hierhin zu stellen und so zu tun, als sei alles in Ordnung, ist absolut realitätsfern.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, wir werden diesen Haushalt ablehnen, weil er nicht die entscheidenden Weichen für eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf stellt, weil er nicht die entscheidenden Weichen für eine gute Familienpolitik stellt und weil er nicht die Hürden herabsetzt, um Familienpolitik zu gestalten und Bürokratie abzubauen.

Lieber Wolfgang Jörg, es ist genau so, wie die Ministerpräsidentin und die Ministerin sagen: Es geht hier nur um Zuversicht. Es geht um ein Bauchgefühl, ob der Rechtsanspruch am 1. August 2013 erfüllt werden kann. Hier wird nach sechs Monaten immer noch mit alten Zahlen agiert. Es gibt keine genaue Zahl darüber und kein fundiertes Argument, ob der Rechtsanspruch am 1. August 2013 überhaupt erfüllt werden kann.

Maßstab sind auch nicht die von der Ministerpräsidentin und der Ministerin immer wieder ins Feld geführten Prozentzahlen von 32 bzw. 34 %. Alleiniger Maßstab ist die tatsächliche Nachfrage. Wir werden einmal schauen, ob dieses Angebot am 1. August 2013 auch irgendwo realisiert werden wird.

Ich hätte mich gefreut, hätten Rot-Grün und die Ministerin auch einmal die folgenden Fragen beantwortet; denn die Menschen in unserem Land machen sich nun einmal Sorgen, lieber Wolfgang Jörg, und wissen nicht, wie sich die Situation darstellt. Daher wäre es gut gewesen, wenn die Ministerin uns einmal erklärt hätte, ob die finanziellen Mittel zum U3-Ausbau überhaupt ausreichen, wie denn der Geltungsumfang für den Rechtsanspruch aussieht, welche Anmeldefristen es gibt und wie mit möglichen Klagen umgegangen wird.

Den Kommunen hat man bislang auch noch nicht auf ihre Fragen geantwortet. Sie lässt man im Regen stehen. Diese Politik ist nicht hilfreich, weil so viele Fragen immer noch offen sind.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich bin auch der Meinung, nach drei Jahren in der zweiten Legislaturperiode kann man dann auch irgendwann einmal Verantwortung übernehmen und die entsprechenden Fragen beantworten.

Der Landkreistag hat sich in der letzten Woche geäußert.

(Wolfgang Jörg [SPD]: Sehr positiv!)

– Sehr positiv, aber – ich sage es ganz deutlich – das ist keine Entwarnung. Es geht hier um die Landkreise und nicht um die Ballungsgebiete. Da wird die Nachfrage deutlich höher sein. Deswegen ist es keine Entwarnung. Ganz im Gegenteil, der Landkreistag hat sogar darum geben, dass sich die Landesregierung zu den Anmeldefristen einmal klar äußern möge.

Auf meine Kleine Anfrage antwortet die Landesregierung: Wenn Wünsche nach einheitlichen Anmeldefristen kommen, dann verschließen wir uns nicht. – Dann nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass diese Wünsche nun auf dem Tisch liegen. Ich wäre froh, wenn die Landesregierung proaktiv auf die Kommunen zugehen würde.

(Beifall von der FDP)

Das möchte ich noch mit einem Argument untermauern. Diese Landesregierung schreibt sich immer auf die Fahne, sehr kommunalfreundlich zu sein. Das finde ich an Absurdität kaum noch zu überbieten. Das 5. Schulrechtsänderungsgesetz, das wir in der letzten Woche im Ausschuss diskutiert haben, wird ohne Kostenfolgeabschätzung auf den Weg gebracht, ohne die Konnexitätsrelevanz zu prüfen, einfach hier im Parlament verabschiedet, und die Kommunen werden allein im Regen stehen gelassen. Das hat nichts mit kommunalfreundlicher Politik zu tun.

(Beifall von der FDP und Klaus Kaiser [CDU])

Zu Ihrer Politik möchte ich doch noch etwas sagen: Sie entziehen der Kinder- und Jugendpolitik wichtige finanzielle Mittel in Höhe von 150 Millionen € für das beitragsfreie Kindergartenjahr. Ja, natürlich ist das wünschenswert, aber wir können im Moment nicht das Wünschenswerte machen, wir müssen das Notwendige machen.

(Beifall von der FDP)

Und das Notwendige ist im Moment nicht das beitragsfreie Kindergartenjahr. Es geht kein Kind zusätzlich in den Kindergarten aufgrund Ihres beitragsfreien Kindergartenjahres. Es wird keine Erzieherin zusätzlich eingestellt, es wird keine Erzieherin besser bezahlt, die Flexibilität in den Kindergärten wird nicht verbessert, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird ebenfalls nicht verbessert. Es ist also im Moment herausgeworfenes Geld, das an anderen Stellen dringend notwendig ist.

(Beifall von der FDP)

Wenn Sie, Frau Altenkamp, landeseinheitliche Elternbeiträge eingeführt hätten, dann wäre das wenigstens noch irgendwo sinnhaftig allen zugutegekommen. Aber das hier ist reine stupide Umsetzung von Wahlversprechen, die keinem etwas bringen.

(Zuruf)

– Ja, das ist leider so. Die 150 Millionen € fehlen uns vorne und hinten.

Deswegen werden wir diesen Haushaltsplan ablehnen. Wir erwarten eine vernünftige Prioritätensetzung, ein vernünftiges Controlling, vernünftige Zahlen, Pläne und Visionen, wie man es umsetzen kann, eine vernünftige Evaluierung der familienpolitischen Leistung, um sie auf Effektivität und Effizienz zu überprüfen. All das fehlt. Wir haben Baustellen über Baustellen. Deswegen werden wir diesen Haushaltsplan ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Hafke. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Asch.

Andrea Asch (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesem Haushalt 2013 stehen im Kapitel Kinder, Jugend, Familie 2,4 Milliarden €. Das sind 2,4 Milliarden €, die wir für die Zukunft dieses Landes investieren. Genau darum geht es.

Bei allen Sparanstrengungen, die wir unternehmen, bei allen Sparnotwendigkeiten, die vorhanden sind, setzen wir mit Rot-Grün Schwerpunkte. Ein Schwerpunkt sind die Familien im Land, sind die Kinder und Jugendlichen im Land. Dazu stehen wir, das ist richtig so, und das ist zukunftsorientierte Investition und Politik.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Die CDU-Fraktion will ja mit ihren Einlassungen hier sowieso nur von ihrem absoluten familienpolitischen Desaster und von ihrem vollkommenen Blindflug ablenken.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Was der Vorsitzende dieser Partei hier in Nordrhein-Westfalen für eine Position in Bezug auf die steuerliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Ehen bezieht, ist vollkommen absurd, das ist Politik der 50er-Jahre. Das ist Familienpolitik im Geisterflug.

(Beifall von den GRÜNEN)

Derselbe Herr Laschet, der sich immer bemüht hat, die CDU in Richtung großstädtisches Publikum aufzustellen,

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Sagen Sie doch, was Sie wollen!)

knickt hier ein, weil er sieht, dass der konservative Teil der CDU von der Fahne geht und ihm nicht folgt. Das ist Populismus pur. Liebe CDU-Fraktion, das spüren die Menschen. Die Menschen spüren, dass das ehemalige Kernthema, das die CDU hatte, Familienpolitik, bei Ihnen nicht mehr besetzt ist, dass Sie überhaupt keinen Kompass mehr in der Familienpolitik haben, dass Sie hier eine Geisterbahnfahrt hinlegen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist die Wahrheit. Populismus pur sehen wir auch bei dem, was wir heute wieder von Frau Doppmeier gehört haben in Bezug auf die Finanzierung des Fonds für sexuellen Kindesmissbrauch.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Haben Sie auch etwas zu Ihrer eigenen Position zu sagen?)

Ich habe es eben in meiner Frage schon angedeutet. Ich finde es abenteuerlich, dass Sie in Ihren Haushaltsanträgen nicht auf die Idee kommen, dass da vielleicht irgendein Problem vorliegt, aber dann, wenn es in der Presse steht, ganz schnell einen Antrag zusammenschreiben und den dann am Donnerstag nachliefern. Das ist eine genauso populistische Position.

Ich möchte auch noch inhaltlich etwas dazu sagen:

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Hui!)

Wenn Sie sich mit dem Thema näher beschäftigen, was Sie offenbar nicht getan haben, werden Sie feststellen, dass es kein einziges Bundesland gibt – auch kein schwarz geführtes Bundesland –, das Mittel für diesen Fonds in seinen Haushalt eingestellt hat. Warum ist das so? – Weil die Bundesländer sich einig sind, Frau Doppmeier. Machen Sie sich einmal kundig! Sie sind sich einig, dass zuerst die Bundesregierung ihre Hausaufgaben in diesem Feld machen muss.

Die Bundesregierung hat noch nicht einmal an den letzten Treffen des Runden Tischs teilgenommen. Sie hat die Zusage, das Opferentschädigungsgesetz zu ändern, nicht erfüllt. Sie hat nicht die Zusage erfüllt, das SGB V zu ändern, damit therapeutische Hilfen, Prävention für die Kinder, die von sexuellem Missbrauch betroffen sind, finanziert werden können. Das ist die Wahrheit, und daher resultiert der Konflikt zwischen den Ländern und dem Bund, der durchaus auch von den CDU-geführten Bundesländern so gesehen wird.

Meine Damen und Herren, kommen wir zur FDP.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Au ja! Sprechen Sie doch einmal über Ihre Position!)

Herr Hafke, ich muss sagen, Ihre bergische Quengelei bei diesem Punkt – ich kann es nicht anders nennen – ist langsam wirklich unerträglich. Statt hier einmal einen konkreten Vorschlag zu machen,

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Machen Sie doch einen!)

statt einmal zur Kenntnis zu nehmen, wie die Systematik der Verteilung zwischen Landesverantwortung und kommunaler Verantwortung aussieht, statt zur Kenntnis zu nehmen, dass nicht wir als Land es sind, die die Steine in die Hand nehmen und die Einrichtungen bauen, und statt einmal zur Kenntnis zu nehmen, dass wir 27.000 neue Plätze in diesem Haushalt finanzieren, stellen Sie Fragen über Fragen, die Sie sich selbst mit einem Blick ins Gesetz beantworten könnten.

Das ist ein Beratungsniveau, das dieses Parlaments nicht würdig ist. Neulich hat eine Zuschauerin aus dem Ausschuss gesagt, in jedem Kinder- und Jugendhilfeausschuss vor Ort, auf kommunaler Ebene, werde das Thema seriöser diskutiert als von der Opposition hier im Landtag Nordrhein-Westfalen. Das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Herr Hafke, es ist einem Abgeordneten schon abzuverlangen, dass er sich selbst die fachlichen Grundlagen erarbeitet, statt dass er mit permanenten Nachfragen, die völlig überflüssig sind, von uns fordert, dass wir ihm immer wieder die Sachlage erklären.

Wir haben mit Rot-Grün 2010 die Wende zur ...

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Abgeordnete, würden Sie eine Zwischenfrage gestatten?

Andrea Asch (GRÜNE): Gerne. Wer stellt sie?

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Der Abgeordnete, der auf dem Platz von Herrn Lindner sitzt. – Bitte schön.

Andrea Asch (GRÜNE): Herr Stamp.

Dr. Joachim Stamp (FDP): Frau Asch, danke für die Möglichkeit zur Zwischenfrage.

Ich wollte fragen: Sprechen Sie auch noch zu dem, was die Grünen vertreten, oder wollen Sie es mit einer Bewertung der Opposition bewenden lassen?

(Beifall von der FDP und der CDU)

Andrea Asch (GRÜNE): Lieber Herr Stamp, wissen Sie, was die Grünen vertreten? Die Grünen vertreten gemeinsam mit der SPD diesen Haushalt, und in diesem Haushalt stehen 2,4 Milliarden € für Kinder und Jugendliche. Das ist konkrete Politik,

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

das sind keine Einlassungen auf theoretischer Ebene. Das ist konkrete Politik für Kinder und Jugendliche.

Ich kann es Ihnen auch noch einmal etwas genauer sagen: 90 Millionen € mehr für den Investitionsbereich U3 – in Ihrer Regierungszeit kein Cent an Landesmitteln –, 88 Millionen € mehr aus dem Belastungsausgleich für die Kommunen. Das sind unsere Leistungen. Das ist Geld, das den Kommunen, das den Familien, das den Kindern zugutekommt. Das ist grüne und das ist SPD-Politik. Eine deutlichere Antwort gibt es nicht.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir haben 2010 mit Rot-Grün hier in Nordrhein-Westfalen die Wende hin zu einer familienfreundlichen, hin zu einer kinderfreundlichen Politik eingeleitet, nachdem wir in diesem Land fünf verschenkte Jahre unter Schwarz-Gelb erleben mussten. Wir sind dafür von den Wählerinnen und Wählern 2012 klar bestätigt worden. Wir bleiben auf diesem Kurs, wir werden diesen kinderfreundlichen Kurs hier in Nordrhein-Westfalen fortsetzen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Kollege Düngel.

Daniel Düngel (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Das ist toll: Wenn Frau Asch vor mir dran war, muss ich das Rednerpult gar nicht verändern.

So recht weiß ich noch gar nicht, wo ich anfangen kann. Aber ich glaube, ich mache einmal in der Reihenfolge weiter, wie meine Vorredner gerade gesprochen haben.

Frau Doppmeier, in der Tat, Sie haben vollkommen recht: Wir müssen über dieses dritte Kindergartenjahr reden, vermutlich aber nicht mit dem Ergebnis, das Sie sich wünschen. Vielmehr ist das einzig und allein Akzeptable im Bereich der Finanzierung von Bildungskosten: Die Bildung muss grundsätzlich – Kollege Jörg hat das vorhin richtigerweise schon gesagt – kostenfrei sein, für jeden.

(Beifall von den PIRATEN – Christian Lindner [FDP]: Betrifft das auch die PTA?)

– Ja, auch über die PTA kann man sicherlich reden. Da sind die Kollegen im entsprechenden Ausschuss auch dran. Aber das gehört nicht ganz zu diesem Einzelplan. Aber das macht ja nichts.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

– Ich habe Sie nicht verstanden, Herr Kollege Lindner.

(Zurufe von Christian Lindner [FDP] und den PIRATEN)

– Ich glaube, das ist eine Weiterbildung.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Es gibt die Möglichkeit, eine Zwischenfrage zu stellen. Dann haben wir ein geordnetes Verfahren. – Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Daniel Düngel (PIRATEN): Sehr gerne. – Ich habe Sie schon verstanden. Aber ich glaube, das geht eher in den Bereich der Weiterbildung. Darüber reden wir jetzt gerade nicht. An dieser Stelle sind wir im Bereich des Einzelplans Kinder, Familie, Jugend.

(Christian Lindner [FDP]: Was ist denn mit der Meisterausbildung? – Gegenruf von den PIRATEN: Wollen wir jetzt einen Dialog machen?)

– Haben Sie noch ein paar Beispiele? Sammeln Sie erst; dann können wir vielleicht eine gesammelte Zwischenfrage daraus machen.

Ich mache weiter: Bildung muss kostenfrei sein, nicht nur das dritte Kindergartenjahr.

(Weiterer Zuruf von Christian Lindner [FDP] – Unruhe von der CDU)

– Soll ich so lange ruhig sein? Dann können Sie sich unterhalten.

(Christian Lindner [FDP]: Seien Sie doch nicht so zart besaitet!)

– Ich bin gar nicht zart besaitet, Herr Lindner. Das ist schon okay.

Bildung muss kostenfrei sein, und zwar vom ersten Kindergartenjahr an, gar keine Frage.

Herr Jörg hat es gerade noch einmal gesagt – ich persönlich würde mir wirklich wünschen, dass wir das tatsächlich realisieren können –, wir haben es in den letzten Tagen immer wieder in der Zeitung gelesen, die Ministerpräsidentin sagt das, die Ministerin sagt das: Wir werden den U3-Rechtsanspruch erfüllen. – Das wäre schön. Ich glaube, niemand hier in diesem Haus hat etwas dagegen, wenn das tatsächlich eintritt.

Was aber tatsächlich passieren wird, Frau Ministerin Schäfer, ist wohl eher Folgendes: Ich traue Ihnen zu, dass Sie die 32 % erreichen werden. Aber Sie werden den faktischen Bedarf – das hat auch Kollege Hafke gerade schon erwähnt –, den tatsächlichen Bedarf der Eltern zum 1. August nicht decken können. Ich halte es immer noch für sehr bedauerlich, dass Sie nicht dazu stehen und sagen: Okay, wir haben da möglicherweise noch ein Problem, und wir gehen dieses Problem dann weiter an.

Sie haben viel getan; das haben wir auch schon sehr oft hier debattiert. Das will ich auch gar nicht in irgendeiner Form abstreiten. Wir haben aber auch etwas getan. Selbstverständlich haben wir versucht, uns konstruktiv in diese Debatte einzubringen. Wir haben einen Antrag vorgelegt, aufgrund dessen letzten Endes ein U3-Fonds geschaffen werden soll.

Zwei Dinge wollen wir mit diesem Fonds erreichen. Wir wollen zum einen, dass Eltern an dieser Stelle unterstützt werden können, dass Eltern Möglichkeiten haben, Betreuungsplätze von fachlich qualifizierten Stellen vermittelt zu bekommen.

Zum anderen wollen wir nicht zuletzt aber auch, dass die Kommunen unterstützt werden können. Wir als Land sind in der Pflicht, die Kommunen dann auch in finanzieller Hinsicht zu schützen. Wenn tatsächlich Klagen kommen, dann stehen wir als Land in der Verpflichtung, dort auch finanziell einzutreten.

Dafür soll dieser Fonds geschaffen werden. Mir ist, ehrlich gesagt, etwas schleierhaft, warum er im Haushalts- und Finanzausschuss abgelehnt wurde, übrigens mit den Stimmen aller vier anderen Fraktionen.

Noch ein kleiner Nebenpunkt dabei, Frau Ministerin – wir hatten auch schon im Haushaltsausschuss darüber gesprochen –: Wenn wir den Einzelplan 07 debattieren, dann sollten wir, weil es eben Punkte im Haushaltsplan sind, natürlich auch über den Kinder- und Jugendplan reden. Ich hatte schon im Ausschuss mein Unverständnis geäußert – ebenso die anderen Kollegen aus der Opposition – und gesagt, dass wir dieses Verfahren als etwas merkwürdig erachten. Das Gesetz schreibt nichts Konkretes vor. Das Gesetz sagt nur: Der Ausschuss ist zu beteiligen. Wann das geschieht, ist im Prinzip egal, irgendwann dann einmal. Sie sind also auf gesetzlich ganz sicherem Boden, überhaupt gar keine Frage.

Aber ist das richtig? Ist das der sinnvolle Weg? Ist es sinnvoll, erst den Haushalt zu verabschieden? Wir reden über 100 Millionen €. Die stehen da, ohne dass wir uns auch nur annähernd über den Inhalt unterhalten. Das halte ich nicht für den richtigen Weg. Wir werden dieses Thema in den nächsten Monaten – das wird uns jetzt für die Einzelplanberatung nichts mehr bringen – sicherlich noch einmal aufgreifen und eine Änderung anregen. Ich hoffe, dass wir auf einen vernünftigen gemeinsamen Weg kommen. – An der Stelle herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Düngel. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Schäfer.

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Für die Landesregierung möchte ich noch einmal festhalten, dass die Kinder-, Jugend- und Familienpolitik ein zentraler Schwerpunkt der Landesregierung ist und bleibt. Kollegin Asch hat noch einmal darauf hingewiesen, dass sich dies mit 2,4 Milliarden € im Haushaltsentwurf des Landes abbildet. Für die beiden Kapitel „Familiendienste und Familienhilfen“ sowie „Kinder- und Jugendhilfe“ ist ein beträchtlicher Umfang vorgesehen. Ich glaube, damit ist – das möchte ich noch einmal betonen – klar, welche familien-, jugend- und kinderpolitischen Zielsetzungen wir hier in Nordrhein-Westfa­len verfolgen.

Ich komme noch einmal – Sie hatten das angemahnt, Herr Dr. Stamp – zu den Inhalten. Klar ist, dass wir den Kommunen bei der Realisierung des Rechtsanspruchs helfen wollen. Dafür haben wir landesseitig ein Investitionsprogramm von 440 Millionen € in den Jahren seit der Regierungsübernahme 2010 aufgelegt. Ich darf an Ihre Zeit der Regierungsverantwortung erinnern. Da lag nicht ein einziger Euro, kein einziger Cent irgendwo bereit, um landesseitig das Bundesprogramm ergänzend zu stützen, wie es 2007 beim Krippengipfel auf Bundesebene verabredet worden ist.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie haben überhaupt keinerlei Vorsorge für weitere Entwicklungen getroffen. Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal deutlich betonen. Deswegen können Sie uns keine Untätigkeit vorwerfen. Wir haben als Land diesen Anteil getragen und tragen ihn weiter.

Als Land haben wir einen weiteren Sündenfall ausgeräumt. Das Verfassungsgericht hatte Ihnen nämlich ins Stammbuch geschrieben, Sie hätten es versäumt, ein Lastenausgleichsgesetz zu machen. Dafür haben wir, Herr Hafke, ein Finanzvolumen von 1,4 Milliarden € bis 2018 bereitgestellt, das den Kommunen für Betriebskosten zur Verfügung gestellt wird. Wir entlasten die Kommunen – auch das ist eine Zielsetzung dieses Landes, Herr Dr. Stamp – bei den Betriebskosten für U3-Kinder und erstatten demnächst – ab dem 01.08.2013 – 55 % statt 35 %. Das ist eine Unterstützung der Kommunen sowie der Eltern und Familien, ein guter Beitrag für die Kinder in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

An der Stelle möchte ich auf die Beitragsfreiheit eingehen. Auch hierzu nenne ich das Stichwort „Sündenfall“. Frau Doppmeier und Herr Hafke, der eigentliche Sündenfall in der Politik des Landes Nordrhein-Westfalen war der, dass Sie in Ihrer schwarz-gelben Regierungsverantwortung die soziale Staffelung bei den Kindergartenbeiträgen aufgehoben haben. Sie haben in Nordrhein-Westfalen einen unverantwortbaren Flickenteppich zugelassen, der von uns aber leider nicht sofort repariert werden kann.

Frau Doppmeier, Sie sagen, man könne schlauer werden, was die Beitragsfreiheit angeht, seine Meinung könne man so oder so kundtun. Ich will Sie daran erinnern, dass Sie zu Zeiten der Wahl von Vertrauensschutz gegenüber den Familien in Nordrhein-Westfalen gesprochen haben. Das haben Sie inzwischen offensichtlich auch schon wieder vergessen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Ministerin, würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Stamp zulassen?

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Ja, bitte.

Dr. Joachim Stamp (FDP): Vielen Dank, Frau Ministerin. – Ich habe eine Nachfrage zum 5. Schulrechtsänderungsgesetz. Dazu haben wir im Ausschuss letztendlich noch keine abschließende Klärung hinbekommen. Wir haben die Erfahrung gemacht

(Stefan Zimkeit [SPD]: Frage!)

– darauf haben wir Sie aufmerksam gemacht –, dass unsere Kämmerer vor Ort – ich komme zur Frage – sehr genau ausrechnen können, was das die Kommunen kostet. Gleichzeitig wird von Ihnen die Konnexität bestritten. Deswegen möchte ich von Ihnen gerne wissen, wieso Sie hier die Konnexität nicht anerkennen.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Ministerin.

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Dieses Verfahren ist nicht so, wie Sie es sagen. Die Kommunen werden durch die kommunalen Spitzenverbände vertreten. Dort gab es klare Vereinbarungen mit dem Schulministerium, wie mit diesem Fakt umzugehen ist. Das Land bezahlt selbstverständlich allen Kommunen für jedes weitere Kind, das zusätzlich in eine Kita kommt, die Kindespauschale. Wir kommen da unseren Verpflichtungen ganz eindeutig nach.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich möchte gerne noch auf den einen oder anderen Punkt eingehen, der von den Kollegen angesprochen worden ist. Vonseiten der Piratenpartei wurde angemerkt, wir müssten jetzt noch einen Fonds zur Unterstützung der Eltern schaffen, was die möglichen Klagen angeht, die jetzt kommen werden. An der Stelle sei gesagt: Der Rechtsanspruch richtet sich nun einmal an die Kommunen. Das ist und bleibt so.

Wir unterstützen die Kommunen mit jedem Cent, mit jedem Euro bei dem Ausbau von Plätzen für Kinder. Ich glaube, da ist das Geld richtig angelegt. Wir brauchen keine neuen Stellen, auch keine neuen Ombudsstellen, sondern wir benötigen die Plätze. Dabei unterstützen wir die Kommunen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn Eltern über die Möglichkeiten beraten werden müssen, was die Kindertagespflege angeht, so ist das originäre Aufgabe der Familienzentren. Das ist auch in ihrem Aufgabenkatalog so vorgesehen.

Herr Hafke, Sie haben viel von Zielen gesprochen. Sie wollen sehr viele Dinge ändern, aber Sie haben, glaube ich, keinen einzigen Antrag zu diesem Haushalt eingebracht. Deswegen frage ich mich, wo eigentlich Ihre Zielsetzungen sind.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Ministerin, würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Düngel zulassen?

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Ja, bitte.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön.

Daniel Düngel (PIRATEN): Vielen Dank, Frau Ministerin. – Ich möchte noch einmal nachhaken. Sind Sie der Meinung, dass das Land nicht eintreten muss, wenn, was wir alle nicht wollen, eine Klagewelle auf uns zukommen sollte und wenn möglicherweise Schadenersatzforderungen auf die Kommunen zukommen sollten?

Ich kann auch nur die Expertisen, die die kommunalen Spitzenverbände vorgelegt haben, dahin gehend interpretieren, dass sich der Rechtsanspruch in der Tat gegen die Kommunen richtet. Weil wir wissen, dass die Kommunen da in einer schwierigen Lage sind – das ist in den Großstädten und im ländlichen Raum unterschiedlich –, haben wir wirklich mit den uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten versucht, was finanzielle Unterstützung angeht, alles zu tun, um die Plätze vorzuhalten, die vorgehalten werden müssen. Aber ich bin noch einmal bei Ihnen: Es geht nach dem 1. August natürlich weiter, und die Planungen sind auch so angelegt, dass der Ausbau weitergehen wird; das ist selbstverständlich. Wir wissen, dass sich eine große Dynamik entwickeln wird, und wir sind da gut aufgestellt.

Ich möchte noch etwas zu einem Punkt sagen, der angesprochen worden ist, nämlich zu dem sexuellen Missbrauch und dem Fonds, den die CDU mit 10 Millionen € eingefordert hat. Frau Doppmeier, Sie haben ausgeführt, es wäre für uns wichtig, dem beizutreten. Ich will eines klarstellen: Sie reden immer von Kindern. Ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, dass dieser Fonds und die Entschädigung, die aufgelegt werden sollen, für Erwachsene gedacht sind, denen in der Vergangenheit in Institutionen sexueller Missbrauch widerfahren ist. An dieser Stelle verschließt sich das Land auch gar nicht.

Ich will noch einmal ganz deutlich machen, dass ich es für erstaunlich halte, dass die CDU hier diese Forderung aufstellt, obwohl sie sich eigentlich an die gesetzlichen Krankenkassen und an die Bereiche des regulären Sozialsystems richten muss.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dafür müssen die Rechtsbedingungen geschaffen werden, und für die Schaffung dieser Bedingungen, wozu auch die Abschaffung der Verjährungsfrist gehört, ist der Bund zuständig. Dies liegt inzwischen in der Verantwortung der Ausschüsse des Bundestages. Das heißt, der größte Teil der Länder ist der Auffassung, dass wir klare Rechtsansprüche für einen unbürokratischen Zugang zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und zu den Leistungen nach Opferentschädigungsgesetz brauchen. Das ist die staatliche Aufgabe, die geleistet werden muss. Es ist unredlich, etwas anderes hier in diese Debatte einzubringen. Die Schnelligkeit Ihres Antrags von einem auf den anderen Tag zeigt ja auch, dass das eher eine politische Aktion als eine tatsächliche Überlegung war, wie man den Menschen helfen kann.

Herr Hafke, bei Dingen wie Anmeldefristen sind wir im Gespräch. Dazu haben wir schon mehrere Gespräche geführt; das Verfahren läuft. Ich sage zu den Anmeldefristen so viel, dass wir eine elternfreundliche Lösung und nicht nur eine restriktive Lösung wollen, wenn wir das mit den kommunalen Spitzenverbänden besprechen. Im Übrigen können Sie sicher sein, dass die Meldungen für die U3-Plätze am 15. März bei uns eingehen werden. Das sind jetzt noch 15 Tage. Wir werden sie auswerten, und am 25. März werden die Landesjugendämter abschließend auswerten, wie sich die aktuelle Platzzahl für das neue Kindergartenjahr darstellt. Fakt ist: Wir haben diese 27.000 Plätze finanziert, die Gelder dafür zur Verfügung gestellt. Aber Fakt ist auch: Die Umsetzung erfolgt natürlich in den Kommunen vor Ort. Also wir investieren in Nordrhein-Westfalen weiter in den sozialen Zusammenhalt, in Bildung und Vorbeugung, in Kinder und Jugendliche und damit in Familien, und das ist gut so. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Ich weise darauf hin, dass die Landesregierung ihre Redezeit um 1:49 Minuten überzogen hat. Mir liegen aber keine weiteren Wortmeldungen zu dem Bereich „Familie, Kinder und Jugend“ vor.

Wir kommen zum

     Teilbereich
Kultur

Dazu liegt mir eine Wortmeldung vor. Für die CDU-Landtagsfraktion spricht Herr Prof. Dr. Dr. Stern­berg.

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Zu Beginn ein Zitat:

„Wir werden die Kulturförderung durch das Land für alle Sparten auch in Zukunft auf dem erreichten Niveau erhalten und, wo möglich und geboten, ausbauen.“

So steht es im Koalitionsvertrag der gegenwärtig amtierenden Regierung. Heute haben wir einen Etat vor uns liegen, der eine Kürzung von etwa 9 % bei einem kleinen, aber sehr wichtigen Haushalt zeigt. Von 196 Millionen € sinkt er auf knapp 180 Millionen €. Da ziehen wir Kulturpolitiker über Land und argumentieren, man könne mit 3 % Kulturausgaben in den Städten keine Haushalte sanieren. Wir versuchen, die Städte dazu zu bringen, weiter an ihren Kulturausgaben festzuhalten. Hier geht es nicht um 3 %, hier geht es um 3 , also 0,3 % des Etats. Die fast zehnprozentige Kürzung des Kulturetats bedeutet eine Senkung von 0,34 % auf 0,3 %.

Ein anderes Zitat noch:

„Der Kulturhaushalt des Landes ist mittelfristig zu verdoppeln. Angesichts seiner derzeitigen Geringfügigkeit ist dies weniger eine Frage der Finanzmittel als eine solche der Prioritätensetzung.“

So steht es in dem Kulturprogramm der CDU aus dem Januar 2005, das zur Umsetzung dieser Ankündigung in den Jahren 2005 bis 2010 führte. Meine Damen und Herren, es geht um die Prioritätensetzung, nicht um die Summen. Das war damals die Wende nach einem beispiellosen Kahlschlag in den Kulturausgaben bis zum Doppelhaushalt von Peer Steinbrück von 2004/2005.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Ach so, sollen wir mehr Geld ausgeben, oder was?)

Meine Damen und Herren, jetzt sind wir wieder auf dem Weg, den Kulturanteil pro Kopf auf dem letzten Platz unter den Ländern der Bundesrepublik zu sichern. Aber es zeigt sich ja schon im Zuschnitt des Ministeriums: Als fünftes Rad am Wagen ohne eigenen Staatssekretär und ohne eigene Bedeutung läuft das eben nur ungeliebt mit.

Meine Damen und Herren, seit zweieinhalb Jahren werden bei den Kulturleuten in diesem Land Hoffnungen auf ein ominöses Kulturfördergesetz geweckt. Große, je individuell verschiedene Hoffnungen knüpfen sich daran, wobei niemand weiß, was das denn nun eigentlich werden soll. Eines ist aber jetzt schon deutlich: Die 5,5 Millionen €, die im Etat 2012 dafür angesetzt waren, werden jetzt einkassiert, übrigens nachdem sie auch 2012 nicht den Kulturleuten zugutekommen konnten. Wie auch?

Da die Regierung das Gesetz immer noch nicht zustande gebracht hat, ist das Geld futsch, und die Enttäuschung in der Szene ist groß. Die Kürzungen klingen ja auch nur auf den ersten Blick harmlos. Da denkt man, die eh ja nur geparkten Mittel bei den Bibliotheken und der ganz gestrichene Ankaufsansatz bei der Kunstsammlung sind doch gar nicht so wichtig. Nein, meine Damen und Herren, es geht um viel mehr. Die Regierung legt den Rückwärtsgang in einem Bereich ein, der in den Jahren 2005 bis 2010 mühsam wieder aufgebaut worden war. Es betrifft zum Beispiel die Kunst und Kultur für Kinder und Jugendliche in den Gemeindezuweisungen. Ist der Kulturrucksack doch nicht so erfolgreich, dass man die Mittel einfach so kürzen kann? Da werden die Mittel für den Substanzerhalt von Kulturgütern um ein Drittel gekürzt. Aber das passt zu den drastischen Kürzungen der Mittel für die Denkmalpflege in einem anderen Etat um über 17 %, gegen die die Verbände Sturm laufen.

Überhaupt lohnt sich auch einmal ein Blick in Etats, die sich mit Kultur überschneiden. Da gibt es einen Ansatz, den wir damals unter dem Titel „Erinnerungskultur“ in der Abteilung Kultur angesiedelt hatten. Er ist dann in die Politische Bildung gekommen – da gehört er auch hin – und ist als Politische Bildung heute auch eine Ecke im Gemischtwarenladen Schäfer. Da wird die Arbeit der Gedenkstätten nun gekürzt, obwohl der Koalitionsvertrag noch vollmundig formuliert:

„Erinnerung braucht Orte, daher wollen wir diese auf gesicherte Grundlagen stellen.“

Von den 2010 erreichten 893.000 € werden jetzt 100.000 € gekürzt, also über 11 %, obwohl der Verband der Gedenkstätten gerade dabei ist, ein neues Konzept umzusetzen.

Oder nehmen wir die Filmförderung. Da werden zwar nur wenige tausend Euro gestrichen; aber sie treffen genau die Breitenarbeit. In einer Stellungnahme heißt es:

„Die Kürzung, die scheinbar gering ausfällt, bedeutet bereits einen Substanzverlust und kann für einzelne bewährte Institutionen das Aus bedeuten.“

Meine Damen und Herren, mit 16 Millionen € zur Konsolidierung des Haushaltes wird eine ganze Menge Porzellan zerschlagen. Man lese nur einmal die Stellungnahme des Kulturrates, der Vertretung der Kulturverbände im Land Nordrhein-Westfalen, nach. Der Kulturrat befürchtet zu Recht, dass durch die globalen Mittelminderausgaben die Etatansätze noch weiter reduziert werden könnten.

Betroffen davon ist vor allen Dingen die regionale Kulturförderung im ländlichen Raum. Das bedeutet die nicht behobene Bevorzugung des Ruhrgebietes bei JeKi. Gekürzt werden die individuelle Künstlerförderung, die Jugendkulturprojekte und bei der freien Szene. Und viele der dort Tätigen stehen nicht gerade im Verdacht, eine Klientel der CDU zu sein, aber Sie geben jetzt wieder das Signal: Bei der CDU sind Kunst und Kultur besser aufgehoben. Denn von uns wird sie wichtig genommen. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das ist es: Kultur muss wichtig genommen werden. Und das ist das Entscheidende.

Meine Redezeit ist leider zu Ende; deshalb nur noch eine Anmerkung. Wir werden keine Einzelanträge zum Kulturetat stellen. Denn wir wollen nicht das Signal geben, als seien die Kürzungen beim Ankaufsetat und anderen nicht so wichtig. Wir lassen uns auf die gesamte Systematik dieses Etats nicht ein.

Die fast neunprozentige Kürzung des Kulturetats ist falsch und ein fatales Signal. Wir lehnen diesen Etat selbstverständlich ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Prof. Sternberg. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Bialas.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Sie haben das Wort, Herr Kollege.

Andreas Bialas (SPD): Ich habe nur geschaut, ob jetzt ein Präsident oder eine Präsidentin hinter mir sitzt. Daher erfolgte noch einmal der Blick nach hinten.

(Heiterkeit)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Gut, dass das geklärt ist. Dafür bin ich Ihnen dankbar.

Andreas Bialas (SPD): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt für Kultur ist eingebracht. Wir diskutieren darüber, und ich sage Ihnen ganz ehrlich: In der Höhe wirkt er auch bei mir zunächst einmal nicht Freude auslösend. Das ist vollkommen klar, und da gibt es auch nichts schönzureden.

Es gibt auch schönere Tage und schönere Situationen, als hier vorne zu stehen und darüber jetzt zu sprechen. Da braucht man sich doch nichts vorzumachen. Mehr zu verteilen, ist immer schöner. Mehr Geld auszugeben, ist immer schöner. Das ist grundsätzlich auch immer besser.

(Dr. Günther Bergmann [CDU]: Nein, das ist nicht so!)

Aber seit zwei Tagen reden Sie nur vom Sparen und geben Presseerklärungen ab. Sie sagen, die Koalition nehme die Zukunft nicht ernst, dass Sie wieder vor Gericht ziehen würden und dass wir uns an der Zukunft versündigen würden.

Wir reden auch vom Sparen – aber ganz konkret. Sobald es ganz konkret wird, ist das Geschrei groß. Dann heißt es: Bloß nicht bei uns! Bloß nicht hier! Bloß nicht jetzt! Nicht hier, sondern überall woanders!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Prof. Dr. Thomas Sternberg [CDU]: Nein, nein, nein!)

Noch einmal: Wenn man das Spargespenst ruft und die Geister dann auch kommen, dann kann man nicht immer nur wegducken, so schwer es auch an dieser Stelle ist. Wir nehmen das Sparen ernst, und es ist mit Sicherheit keine Vergnügungsveranstaltung.

Die Landesregierung hat mit dem Haushaltsplan einen Vorschlag gemacht. Der gefällt mir nicht. Der passt mir nicht für den gesamten Einzelplan. Daraus mache ich gar keinen Hehl. Aber ich begrüße den grundsätzlichen Sparwillen dieser Regierung. Die Landesregierung stellt sich dieser schwierigen Aufgabe. Ich danke ausdrücklich der Ministerin, die für die Rahmenbedingungen dieses Einsparvolumens gekämpft und dabei ihr Verhandlungsgeschick eingebracht hat.

Der Arbeitskreis ist nicht mit allen Kürzungsvorschlägen einverstanden. Wir werden Änderungsanträge einbringen, und die Fraktion hat dann darüber zu beschließen. Gerade im Bereich „Kinder und Jugendliche“, im Bereich der regionalen Kulturförderung, bei der Interkultur, bei der Filmförderung, im Bereich der Literatur, aber auch beim Umfang der noch eingestellten Back-up-Mittel für die Implementierung des Kulturgesetzes sehen wir Kürzungen kritisch. Wir wünschen uns in diesen Bereichen Änderungen, und wir befinden uns noch in der Diskussion darüber. Dieser Etat wird heute nicht endgültig verabschiedet.

Nur, was macht die Opposition? – Ich gehe nur ganz kurz auf Röttgens Versprechungen im Wahlkampf und den Vergleich mit der Sparliste der CDU ein: Das dritte Kindergartenjahr bleibt beitragsfrei. – Der Vorschlag ist kassiert. Keine erneuten Studiengebühren. – Der Vorschlag ist kassiert. Höhere Hilfen für die Kommunen. – Der Vorschlag ist kassiert. Kein Sparen bei Kultur. – Auch der Vorschlag ist kassiert, wenn man davon ausgeht, dass man insgesamt 20 % bei den Fördermitteln kürzt. Das ist das Doppelte von dem, was hier vorgeschlagen worden ist.

Insofern kann ich an Ihre Adresse sagen: Herr Laumann äußerte sich diesbezüglich, dass es im Hinblick auf die Fördermittel um Wahlgeschenke und Prestigeobjekte gehe. Also, in der Kultur gibt es keine Wahlgeschenke und mit Sicherheit auch keine Prestigeobjekte, die man wegrasieren kann.

Die Haltung der Opposition gipfelte dann im Kulturausschuss. Dort schlägt traditionell eigentlich die Stunde der Opposition, in der sie Kritik, Gegenentwürfe und Änderungsanträge einbringt. Doch nichts geschah. Wir vernahmen eine gespenstische Abwesenheit der Opposition bei körperlicher Anwesenheit, und wir waren nach zehn Minuten durch. Ich betone: nach zehn Minuten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir übernehmen grundsätzlich aber auch gerne die Oppositionsrolle mit. Wir sind in den intensiven Diskussionen darüber, an welcher Stelle gespart und an welcher Stelle nicht gespart wird. Wir sind in der intensiven Diskussion über den verlässlichen Rahmen der nächsten Jahre im Lichte der Schuldenbremse im Jahre 2020. Wir befinden uns in der intensiven Diskussion über Leitplanken, in denen sich die Kultur in den nächsten Jahren entwickeln kann. Wir werden beantworten, wohin dieser Reise geht.

Ich begrüße ausdrücklich die intensiven Gespräche auch mit dem Kulturrat, mit den Verbänden und mit der Szene, die das natürlich kritisch begleiten. Ich bin für jeden dankbar, der die Kultur, die Bedeutung und den Wert von Kultur ins Land trägt und darüber spricht.

Was beinhaltet der vorgelegte Haushalt darüber hinaus? – Der Haushalt liegt höher als bei der Regierungsübernahme im Jahr 2010. Es ist die anteilige Übernahme der Tarifsteigerung der Landeseinrichtungen und damit das klare Vorbild für die Kommunen. Es ist weiterhin der größte Anteil der kommunalen Kofinanzierung, der bestehen bleibt. Wir erhöhen die Mittel für den besonders wichtigen Bereich der Bibliotheken. Wir stellen die institutionelle Förderung sicher. Darüber hinaus ist der Gesamthaushalt 2013 geprägt vom weiten Blick, dass nur eine gesunde Grundfinanzierung der Kommunen die Sicherung der Angebotsstruktur gewährleistet und auch das Entwicklungspotenzial hebt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Als nächste Rednerin spricht nun Frau Kollegin Schmitz für die FDP-Fraktion zu uns.

Ingola Schmitz (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kulturpolitik der Landesregierung ist ein Drama, ein klassisches Drama, bestehend aus Exposition, Steigerung, Peripetie, retardierendem Moment und Katastrophe.

Beginnen wir mit der Exposition. In den Jahren 2005 bis 2010 verdoppelte die schwarz-gelbe Landesregierung den Kulturhaushalt. Die CDU forderte im Jahre 2011, ein Bibliotheksgesetz zu gestalten. Der Landtag beschließt, dass die Landesregierung ein Kulturfördergesetz auf den Weg bringen solle, auf das wir bis heute alle warten.

Inzwischen stockt die Bundesregierung den Kulturetat für das Haushaltsjahr 2013 um weitere 100 Millionen € auf, ohne ihre Haushaltssanierung zu gefährden.

Die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen reagiert mit dem ersten Auftritt. „Kunst und Kultur sind kein Luxus“, hören wir da von der Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalens in ihrer Regierungserklärung – wir, die FDP-Landtagsfrak­tion, stimmen dieser Aussage voll und ganz zu –, und es folgen die Worte: „… und dürfen es auch in schwierigen Zeiten nicht sein.“ Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, auch da können wir Sie nur bestätigen. Ein erster starker Auftritt, in der Tat.

Denn die Kultur in allen ihren Erscheinungsformen bildet die Grundlage für die geistigen und ideellen Dimensionen menschlichen Daseins. Ohne den Schutz und die Förderung des Landes ist es unmöglich, das kulturelle Angebot in Nordrhein-Westfalen in seiner ganzen historisch gewachsenen Breite und Vielfalt zu erhalten.

Aber wie lauten die Worte des Alten Testaments? – Nicht an ihren Worten sollt ihr sie erkennen, sondern an ihren Taten. Die dort vor 2.000 Jahren niedergeschriebene Weisheit soll auch im Hier und Heute wieder ihren Spiegel finden.

Was geschieht? Kam es im ersten Auftritt zu einer Steigerung, so mündet die politische Strategie nun in der Peripetie und erreicht ihren Höhepunkt. Noch während der Kulturrat und weitere Vertreter der Kultur in Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit der Kulturministerin über ein Kulturfördergesetz diskutierten, verkündete die Ministerin den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie der Öffentlichkeit in einem Atemzug: Der Kulturförderetat wird um 12 Millionen € gekürzt. -Tumult, Enttäuschung, Unverständnis.

Das noch soeben eifrig diskutierte und im Entstehungsprozess befindliche Kulturfördergesetz erscheint nun wie eine Farce. Die Kulturschaffenden fühlen sich hintergangen, verspottet, verhöhnt.

Stabilität und Planungssicherheit, sie sollten fortbestehen, auch in schwierigen Haushaltszeiten, so hieß es. Und nun? Alle dürfen sehen, wo sie bleiben. Ja, alle dürfen sehen, wo sie bleiben. Dies ist der rot-grüne Faden der Politik der Landesregierung überhaupt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Folgenden kommt es im kulturellen klassischen Drama der Landesregierung zum retardierenden Moment. Die Protagonisten verschwinden von der Bühne und überlassen den Betroffenen das Feld, die nun nicht wissen, wie sie mit der überproportionalen Kürzung von 8 % umgehen sollen, und bereits ahnen, welche weitreichenden Folgen dieser Akt für sie, für die Städte und Kommunen haben wird.

Denn Kulturförderung ist zu 80 % eine freiwillige Aufgabe der Kommunen. Der Förderanteil des Landes signalisiert jedem: Kulturförderung ist eine gezielte Investition in die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.

Lieber Herr Bialas, der Kulturetat ist nicht dazu geeignet, den Haushalt zu konsolidieren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin, würden Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Ingola Schmitz (FDP): Im Moment möchte ich mit der Rede fortfahren. Danke.

Jetzt wendet sich das Blatt. Sie, Frau Ministerin, propagieren mit Begründung der Haushaltskonsolidierung die beabsichtigten Kürzungen beispielsweise gerade bei dem Titel der Regionalen Kulturförderung.

Hier sind wir nun wieder bei dem Stand von 2010 angelangt. Wenn Sie nun sagten, das sei ja nun doch immer noch der Betrag, den wir dort eingestellt hätten, antworten wir: Ja, das ist so. Die damalige Verdoppelung war das Auffüllen einer Lücke, einer Lücke, die Sie über Jahre einfach hingenommen haben.

Wir haben auch hier weitere Verstetigung versprochen und unser Handeln im Vorfeld hat gezeigt, dass man sich auf unsere Aussagen verlassen kann.

Sie aber, werte Frau Ministerin, beweisen hier soeben das genaue Gegenteil. Das ist nicht nur ein fatales Signal an die Kulturschaffenden in unserem Land, sondern auch ein fatales Signal an die Kommunen. Kurz: Das Signal führt schlichtweg in eine Katastrophe.

Die Folgen werden nicht lange auf sich warten lassen. Im Zuge der Landeskürzungen steht zu befürchten, dass auch die Kommunen ihre Anstrengungen in diesem Bereich auf Eis legen und die guten Strukturen in der hervorragenden Kulturlandschaft NRWs damit massiv gefährdet werden.

Dabei gab es jüngst erst eine freudige Botschaft zu vermitteln, nämlich dass die Euregio Aachen mit Maastricht auf dem Weg zur Kulturhauptstadt und die erste Etappe bereits erreicht sei. Doch angesichts dieses finanziellen Desasters und der klammen Kassen der Kommunen wird dieses äußerst begrüßenswerte Bestreben möglicherweise ein vorzeitiges trauriges Ende finden.

Der reichen Kulturlandschaft wollten alle Fraktionen endlich mit dem Beschluss eines Kulturfördergesetzes einen planungssicheren Rahmen setzen.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Kommen Sie bitte zum Ende, Frau Abgeordnete.

Ingola Schmitz (FDP): Herr Präsident, ich komme zum Ende. – Dazu hat die Landesregierung seit dem 9. November 2011 den Auftrag, ein Gesetz zur Förderung und Entwicklung der Kultur, der Kunst und der kulturellen Bildung in Nordrhein-Westfalen zu erarbeiten. Bisher fehlt aber jeglicher Entwurf für ein solches Gesetz. Es ist zu befürchten, dass dieser auch vorerst nicht vorgelegt werden wird. Denn was sollte nun der Inhalt sein?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir würden die Katastrophe in diesem Drama gerne verhindern und werden dem Etatentwurf nicht zustimmen, sondern ihn mit aller Entschiedenheit ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. – Als nächstem Redner erteile ich Herrn Kollegen Keymis für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Oliver Keymis (GRÜNE): Herzlichen Dank, Herr Präsident. Meine Damen und Herren! Ich will mal so anfangen: Ich schließe mich den meisten Worten meiner Vorrednerinnen und Vorredner an, und zwar sowohl im Kritischen als auch im Richtigen und Positiven.

Ich bin allerdings verwundert über die Strategie der Opposition. Zum Ersten habe ich ja die Rolle als Erster übernommen und habe gesagt: Schade, dass uns das Kabinett so einen Vorschlag macht.

Mir wäre es lieber gewesen, in der Kultur nicht mit solchen Kürzungsdiskussionen umgehen zu müssen. Das habe ich früh gesagt, und dabei bleibe ich auch. Das ist bedauerlich. Wir diskutieren heute über den Haushalt, und wir werden über ihn auch noch in einer dritten Lesung debattieren.

Kollege Bialas hat schon richtig angekündigt, wir werden noch über Veränderungen miteinander sprechen, weil uns bestimmte Punkte so gravierend erscheinen, dass wir sie zumindest in unseren Fraktionen noch mal intensiv diskutieren wollen. Das ist wohl auch gut so.

Auf der anderen Seite irritiert mich Folgendes: Wenn wir immer vom Sparen reden und uns konkret über Sparen unterhalten müssen – das ist der Unterschied zwischen Opposition und Regierung –, hätte ich schon ganz gerne gewusst, wie das Sparen zum einen konkret aussehen soll. Aber auch dann, wenn Sie sagen, da sparen wir nicht – dafür gibt es gute Gründe; Herr Sternberg, Sie haben einige erwähnt –, bitte ich vorzuschlagen, mit welcher Deckung Sie Ihre Forderung unterlegen. Das macht die Diskussion so schwierig.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich bin ein alter Hase hier im Landtag, habe die Debatten gerade zu diesem Fachgebiet alle verfolgt und will an die Verdopplung des Kulturförderetats durch Schwarz-Gelb erinnern, die nominal gesehen keine Superleistung war. Das waren 70 Millionen €, verteilt auf fünf Jahre. Das ist gut und richtig gewesen, und wir haben das damals als Opposition immer begrüßt. Aber es ging um keinen Riesenbetrag.

Umgekehrt ist es auch richtig, wir haben beschlossen, im Jahr 2020 die Schuldenbremse einzuhalten, sodass wir von daher alle gezwungen sind, über die Frage nachzudenken: Wie gehen wir mit einem begrenzten Volumen an Geldern um? Das ist die Situation, die leider realistischer ist, als sich manche vorstellen. Sie ist zunächst einmal für alle Fachgebiete eine Herausforderung.

Trotzdem habe ich mich gewundert, dass wir in der Fachdebatte im Ausschuss keinerlei Änderungsanträge vorliegen hatten. Ausnahme: ein Änderungsvorschlag über 100.000 € zur Erinnerungskultur. Dieser Vorschlag ist sicher richtig und war auch gedeckt. Aber weitere Vorschläge gab es nicht, sodass wir von daher keinerlei konstruktive Kritik seitens der Opposition zu erwarten hatten.

Wir haben, was dieses Fachgebiet betrifft, ein sehr schwieriges Programm vor uns. Wir befinden uns in der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen genauso wie die Sozialdemokraten – Kollege Bialas hat es klar gesagt – in der Debatte.

Das Kulturfördergesetz ist sicher nicht von einer Million mehr oder weniger abhängig. Es geht um die Grundfrage, ob wir ein solches Gesetz für Nordrhein-Westfalen gemeinsam beschließen wollen. Es geht um die Frage, einen Kulturförderplan aufzulegen, um ein Stück Sicherheit und organisatorische Vereinfachungen im Bereich der Entbürokratisierung, im Bereich der besseren und leichteren Zugänge zu ermöglichen.

Diese Fragen werden im Kulturfördergesetz, dessen Entwurf wir hoffentlich demnächst konstruktiv in diesem Hohen Hause beraten können – auch in entsprechenden Anhörungen. Das ist nicht abhängig von einer Million oder anderthalb Millionen mehr oder weniger oder 10 Millionen mehr oder weniger, sondern das ist eine strukturelle Frage der Kulturförderung des Landes. Wir werden gemeinsam – Rot und Grün – einen guten Schritt vorankommen, wenn wir uns dazu entschließen können.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich freue mich auf Vorschläge der Opposition, wenn es darum geht, den Kulturförderetat stark zu halten. Wir werden das in den kommenden Jahren an der einen oder anderen Stelle weiter diskutieren. Allerdings war das für diese Beratung eine Fehlanzeige. Das wird die draußen, die empört sind, dass in diesem Hohen Hause Kürzungsdiskussionen zu führen sind, auch nicht trösten, wenn von Ihrer Seite nichts kommt und in der entsprechenden Sitzung nicht einmal eine Wortmeldung erfolgte.

Vor dem Hintergrund müssen wir uns konstruktiv mit dem Vorschlag der Regierung auseinandersetzen. Aber Ihr Beitrag war bis auf das pauschale Opponieren relativ gering. Das ist schade. Denn das bemerken auch die, die uns draußen zuhören und unsere Diskussionen verfolgen. Sie sind mit dem, was die Opposition bisher vorgetragen hat, nicht wesentlich zufriedener als mit dem, was wir im Moment zu diskutieren haben. Das Verhältnis ist also ausgeglichen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir werden trotzdem die vielen kulturpolitischen Ansätze, die Vielfalt und den Reichtum unseres Landes weiterhin erleben. Ich sage als Theaterfachmann nichts zu der Analogie mit dem Drama. Heute werden ganz andere Stücke gespielt mit völlig anderen Anfängen und Schlüssen. Lassen Sie sich einfach mal überraschen! – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Keymis. – Für die Piratenfraktion spricht als Nächster Herr Kollege Herrmann.

Frank Herrmann (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie ich gestern schon einmal erwähnt habe, sind wir Piraten von den Bürgerinnen und Bürgern auch ins Parlament gewählt worden, um neue Lösungen für alte Probleme zu finden und um neuen gesellschaftlichen Entwicklungen in diesem Parlament eine Stimme zu geben. Zu den aktuellen Haushaltsberatungen hat unsere Fraktion nur einige wenige Änderungsanträge – jeweils in Entsprechung zu aktuellen Entwicklungen in der Gesellschaft – gestellt: sei es die Förderung von lizenzfreien Lehrmaterialen und Open Access im Bereich Bildung oder Transparenz und Nachvollziehbarkeit politischen Handelns bei Open Government oder die Förderung des kreativen Umgangs mit digitalen Medien in Hackerspaces – ein Antrag, den wir im Kulturausschuss gestellt haben.

Alle Anträge wurden abgelehnt. Aber ich stehe trotzdem hier, weil ich das Angebot der Landesregierung zu einer Politik der ausgestreckten Hand ernst nehme und weil ich gerne im Parlament interfraktionelle Sachpolitik betreiben und Ideen gemeinsam weiterentwickeln möchte.

Da wir erst in der zweiten Lesung zum Haushalt 2013 sind, nutze ich die Gelegenheit, Ihnen auch hier im Plenum unseren Antrag zum Einzelplan 07 – Kultur – zur „Förderung von Hackerspaces in NRW“ vorzustellen.

Viele fragen sich, was Hackerspaces überhaupt sind. Ein Hackerspace ist ein öffentlich zugänglicher Hobby- und Begegnungsraum für Kreative, IT-affine Tüftlerinnen und Tüftler, Bastlerinnen und Bastler.

Meist wird so ein Space, also ein Raum, von einem gemeinnützigen Verein betrieben. Das Programmangebot richtet sich an alle Alters- und Bevölkerungsgruppen und wird durch das Engagement der Mitglieder und interessierter Bürgerinnen und Bürger ermöglicht.

Hackerspaces sind wie Bibliotheken kulturelle Einrichtungen des Austauschs und der Begegnung, aber auch ein Ort der praktischen Zusammenarbeit an Projekten und Ideen. Hier lernen viele Menschen außerhalb des schulischen und akademischen Betriebs in meist kostenlosen Seminaren und gemeinsamer Arbeit an Projekten das Programmieren und Gestalten von digitalen Medien.

Das ist das Lesen und Schreiben des digitalen Zeitalters, meine Damen und Herren.

(Beifall von den PIRATEN)

Neben Hackerspaces möchten wir auch die Schwestergattung Makerspaces mit unserem Antrag fördern. Einen Makerspace könnte man auch als einen Hackerspace mit Schwerpunkt Handwerk und innovative Produktionsmethoden bezeichnen. Hier wird mit 3D-Druckern, Lötkolben, Hammer, Säge und Stricknadel gearbeitet. Es entstehen Kunst- und Gebrauchsgegenstände sowie technische Innovationen. Es ist eine völlig neue Form der kreativen Produktion, quasi die nächste Stufe der industriellen Revolution.

(Beifall von den PIRATEN)

Ein solcher Makerspace wird im Übrigen derzeit von der Stadtbibliothek Köln eingerichtet. Ein 3D-Drucker ist hier bereits angeschafft. Bürger können für ein geringes Entgelt im Computer abgespeicherte Modellvorlagen vom 3D-Drucker herstellen lassen. Wie Sie sehen, findet eine öffentliche Förderung solcher Konzepte auf kommunaler Ebene bereits statt. Das Land sollte bei dieser Entwicklung nicht nachstehen.

(Beifall von den PIRATEN)

Für die Berechnung einer Förderung sind wir von 30 großstädtischen Regionen in NRW ausgegangen. Etwa 20 % des Jahresfinanzierungsbedarfs der Hacker- und Makerspaces sollte gedeckt werden können. Die Gesamtsumme beläuft sich damit gerade einmal auf 133.700 €. Das ist wenig Geld, um existierende Projekte zu fördern und einen Anreiz für die Gründung neuer Hacker- oder Makerspaces zu bieten.

Frau Ministerin, liebe Landesregierung, es liegt jetzt an Ihnen, Ihr Angebot zur Zusammenarbeit in die Tat umzusetzen. Es ist auch ein Angebot an die regierungstragenden Fraktionen. Greifen Sie die Idee auf, setzen Sie sie um, oder kommen Sie bitte auf uns zu. Wir freuen uns auch, es gemeinsam mit Ihnen umsetzen zu können.

Die Verbindung von innovativer Technikbegeisterung, Tüftelei und kreativer Energie ist in Hacker- und Makerspaces einmalig. Die Förderung dieses Potenzials tut dem Standort NRW gut. Die Menschen in den bereits existierenden Hacker- und Makerspaces von Aachen über Köln und Düsseldorf bis nach Bochum, Bielefeld und Münster sind es, die die Kultur- und Kreativitätstechniken des 21. Jahrhunderts stark mitprägen.

(Beifall von den PIRATEN)

Hiermit komme ich zum Schluss. Ich möchte aber noch einen eindringlichen Appell an die Landesregierung richten, den Etat für die Kulturförderung in NRW insgesamt nicht zu kürzen. Es handelt sich um 16,4 Millionen €, die weggestrichen werden sollen. Von Sparen möchte ich lieber nicht sprechen; denn auf diese Weise werden keine Rücklagen für magere Zeiten gebildet. Es wird einfach weiter abgemagert.

Selbst wenn „nur“ ausgelaufene Projekte nicht weiter finanziert werden müssten, es gibt immer Bedarf an Kulturförderung. Es wäre ein wichtiges Zeichen für die Kulturlandschaft in NRW, den Gesamtetat auf dem Niveau des letzten Jahres zu belassen. So, wie Sie es jetzt planen, können wir dem Etat nicht zustimmen.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Schäfer.

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Danke schön, Herr Präsident. Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wenn wir als Kulturpolitiker unter uns wären und eigenständig darüber entscheiden dürften, welche Etatansätze wir in diesem Bereich festlegen wollen, wären wir uns über alle Fraktionen hinweg schnell einig.

Ich sage aber an dieser Stelle ausdrücklich, wenn der Landeshaushalt konsolidiert wird und wir uns als Landesregierung auf dieses Ziel verständigt haben, dann kann der Kulturbereich nicht als einziger Bereich außen vor bleiben, so schmerzlich es für uns Kulturpolitiker und Kulturpolitikerinnen auch ist. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass dieser Kulturetat mit einem Volumen von rund 180 Millionen € noch um 2,4 Millionen € höher ist, als wir ihn bei der Regierungsübernahme 2010 vorgefunden haben. Auch davor darf man die Augen nicht verschließen.

(Beifall von der SPD)

Ich möchte auch noch einmal deutlich machen, dass es von unserer Seite im kommenden Haushaltsjahr keine Institutionen gibt, die im Bestand oder hinsichtlich ihres Personals gefährdet sind. Es werden keinerlei gewachsene Strukturen beeinträchtigt. Wir haben uns schon sehr viele Gedanken gemacht, was bei den notwendigen Konsolidierungsanstrengungen eingespart werden kann.

Einen Kahlschlag in der Kultur wird es bei uns nicht geben, Herr Prof. Dr. Sternberg. Ich weiß nicht, ob Sie all Ihre CDU-Anträge gründlich gelesen haben. In einem Ihrer CDU-Anträge steht, Sie wollen bei den Förderprogrammen des Landes kürzen. Hier ist ein Volumen von 116 Millionen € angegeben. In der Begründung steht, Sie möchten die Förderprogramme des Landes prüfen und schrittweise um durchschnittlich 20 % abbauen. Sie sagen, das könne man in einem Schritt oder pauschal in mehreren Schritten machen. Herr Prof. Dr. Sternberg, Ihre Maßnahme würde für den Kulturetat des Landes Nordrhein-Westfalen eine Kürzung um 24 Millionen € bedeuten. Ich finde es sehr merkwürdig, dass Sie meinen, die im Kulturbereich tätigen Menschen seien bei der CDU besser aufgehoben. Das müssen Sie mir einmal erklären. Ich glaube, dass kann niemand verstehen. Ihre Begründung ist etwas fadenscheinig, da Sie in diesem Bereich bis auf einen Antrag über 100.000 € keine eigenen Anträge gestellt haben. Es ist so, wie es ist. Sie haben es schwarz auf weiß formuliert.

(Zuruf von Prof. Dr. Thomas Sternberg [CDU])

Aber Sie haben es nicht spezifiziert. Sie haben die Kultur nicht ausgenommen. Wir können nichts anderes kennen als das, was Sie aufgeschrieben haben. Sie können sich Ihre eigenen Parteiprogramme dazu noch einmal anschauen.

Die kulturelle Bildung bleibt für uns auch in diesem Haushalt ein herausragender Schwerpunkt. Wir wollen die guten Entwicklungen weiter fördern. Ich nenne noch einmal die neuen Entwicklungen. Der Kulturrucksack wird hervorragend angenommen, nämlich schon in 130 Kommunen. Wir wollen natürlich auch das Programm „Kultur und Schule“ weiterentwickeln. Wir wollen auch das Programm „Jedem Kind ein Instrument“ in Fragen der musikalischen Früherziehung weiterentwickeln. Auch daran arbeiten wir.

Wichtig ist uns auch, den Theater- und Orchesterpakt fortzusetzen. Dies geschieht mit 4,5 Millionen € zusätzlicher Unterstützung. Hinzu kommt die Aufstockung bei der freien Szene. Ich möchte bitten, dass Sie genau hinhören. Dort wird in diesem Haushaltsjahr nicht um einen Euro und nicht um einen Cent gekürzt. Jemand, der etwas anderes behauptet, der spricht einfach nicht die Wahrheit.

(Beifall von der SPD)

Ich möchte darauf hinweisen, dass es in diesem Haushalt Steigerungen gibt, weil wir zu unserer Verantwortung für den Betrieb unserer Kultureinrichtungen stehen. Das betrifft vor allen Dingen den Bereich der Personalkosten. Dort haben wir die notwendigen, weil eben tariflich bedingten Steigerungen mitveranschlagt, soweit es uns möglich war.

Ganz bewusst haben wir den Ansatz für Kulturbauten gekappt, weil wir sparen müssen. Wir sagen: In finanziell schwierigen Zeiten müssen wir nicht unbedingt in Steine, sondern in Menschen und in Projekte im Rahmen der Kultur und der Kunst in Nordrhein-Westfalen investieren.

Richtig ist auch, dass wir den Etat des Kulturfördergesetzes, das es noch geben wird, von 7,5 auf 2 Millionen € gesenkt haben. Ich gestehe ein, dass ich den Etat natürlich gerne in der ursprünglichen Höhe beibehalten hätte. Er ist ja auch noch nicht verausgabt worden. Ich denke aber, an der Höhe dieses Etats – Kollege Keymis hat es noch einmal gesagt – macht sich das Kulturfördergesetz nicht fest, sondern Sie können sicher sein, dass wir diesen Gesetzgebungsprozess mit Konsequenz weiter verfolgen. Die zeitliche Verzögerung, die es gegeben hat, hatte mit der Neuwahl zu tun. Der Grund war also ganz aktuell. Jetzt sind wir wieder in die Arbeiten eingetreten.

Noch etwas zur regionalen Kulturpolitik: Die Kürzungen um 500.000 € sind angesprochen worden. Jetzt haben wir wieder das Niveau von 2010 erreicht. Ich habe mich gerade eben noch einmal mit Frau Braun-Kampschulte verständigt, die diesen Bereich betreut. Wir wissen, dass die Anträge und die Antragslage in diesem Bereich durch das, was wir in den Etat eingestellt haben, gedeckt werden können, weil sich die Antragslage unter anderem durch die Situation in den Kommunen, die ihrerseits einen Beitrag leisten müssen, in der Tat nicht überdimensional nach oben entwickelt, sondern sich auf dem Niveau eingependelt hat, wie es sich 2010 etabliert hatte. Auch dabei sind wir also mit Augenmaß vorgegangen.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Ministerin.

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Noch etwas zu den 2 Millionen €, die wir im Bereich des Kulturfördergesetzes haben: Solange dieses Kulturfördergesetz nicht etabliert ist, werden wir im Bereich der Bibliotheksunterstützung diese Position einsetzen. Das ist ein guter Weg für Nordrhein-Westfalen. Ansonsten haben wir eine maßvolle Konsolidierung vorgenommen. Ja, sie ist schmerzhaft, es wäre mir auch lieber anders gewesen; aber ich glaube, dieser Weg ist noch verantwortbar und vertretbar. – Herzlichen Dank!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Zum Teilbereich „Kultur“ des Einzelplans liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Die wären im Übrigen auch nicht zulässig, da sämtliche Redner ihre Redezeit mehr oder minder stark überzogen haben.

Wir treten damit ein in den

     Teilbereich
Sport

Ich darf zunächst für die CDU-Fraktion Herrn Kollegen Müller das Wort erteilen.

Holger Müller (CDU): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ach, wie war es doch vordem mit Landessportbund und Landesregierung so schön bequem. Man herzte sich. Am Wahlabend fielen Mitglieder des Präsidiums den Wahlsiegern um den Hals. Jubelorgien! Drückorgien! Man konnte Angst haben, dass das nicht verletzungsfrei abgeht. Gott sei Dank ist es verletzungsfrei abgegangen.

Es ging weiter: Der Koalitionsvertrag, eine wunderschöne Lyrik der bestehenden Zustände, die ja nicht so schlecht sind! Wunderbar! Die Jubelorgien gingen weiter: Nach den Sommerferien, wochenmäßig im Staccato: Jubelmeldungen von Ehrungen, Jubelmeldungen über Fortschritte im Sport! – Es war rührend.

Aber: Noch am 9. Dezember 2012 steht in der „Welt am Sonntag“: Wie Spitze ist unser Sport? Ministerin Ute Schäfer und Walter Schneeloch, Präsident des Landessportbundes, über Talentförderung, Spitzenleistungen und Tränen der Rührung. Gekonnt spielten sich Schäfer und Schneeloch beim Gespräch die Bälle zu.

Und dann? Und dann spielt Frau Schäfer einen katastrophalen Fehlpass: Am 23. Januar 2013 schreibt der Landessportbund an alle Delegierten in den Mitgliedsorganisationen zum Thema „Pakt für den Sport“: Pakt für den Sport mit der Landesregierung vorläufig gescheitert! Heute müssen wir leider feststellen, dass die Landesregierung ihre Zusage nicht eingehalten hat. – Mein Schreibtisch ist fast leer, keine Jubelmeldungen, ich höre nichts mehr.

(Beifall und Heiterkeit von der CDU)

Irgendwie hatte ich mich doch schon an die „schöne heile Welt“ gewöhnt.

Man muss es sagen: Im Koalitionsvertrag steht zu diesem Thema:

„Wir streben eine vertragliche Regelung für die gesamte Legislaturperiode an, in der dem Landesportbund Planungssicherheit gegeben werden kann.“

Frau Schäfer, Sie müssen sich beeilen; denn das erste Jahr ist fast herum.

Aber, ich habe Trost für den Landessportbund: Der Landessportbund ist ja nicht alleine. Viele andere haben vor der Wahl auch etwas anderes versprochen bekommen, als es nach der Wahl gehalten worden ist. Und in jeder Plenarsitzungswoche werden es mehr, wie wir hier feststellen können, getreu dem Motto: Vor der Wahl versprochen, nach der Wahl gebrochen!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Frau Schäfer, ich fordere Sie auf, Ihre Versprechen in Sachen „Sport“ einzuhalten. Dazu haben Sie noch Gelegenheit.

(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Die werden wir auch nutzen!)

– Es ist schade. Der Schmeltzer ist nicht da. Der hat sonst immer ein paar Zwischenrufe gemacht.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU)

Ich habe hier gelernt: Alles, was Rot-Grün für gut hält, hat die Landesregierung gemacht. Alles, was Rot-Grün für schlecht hält, hat die Bundesregierung gemacht. Das ist hier Tenor.

(Zurufe)

– Das ist so. So wird das hier dargestellt.

Zu Ihrer Beruhigung will ich Ihnen sagen: Es kommt kein Wort der Landesregierung zu der Tatsache, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung eine Erhöhung der Steuerfreibetragsgrenze von 2.100 auf 2.400 € für die Übungsleiter und eine Erhöhung der Ehrenamtspauschale von 500 auf 720 € für die Vorstandsmitglieder beschlossen hat.

Es gibt noch etwas Interessantes, Frau Schäfer: Im „momentum“ – Fachleute wissen, um was es geht – gibt der Landeshaushalt auf einmal 100.000 € weniger an. Auf Nachfrage, warum es 100.000 € weniger gibt, hören wir, das sei wegen der Sponsoren. – Auf eine weitere Nachfrage, wer der Sponsor ist, erfährt man: Sponsor ist die Bundesregierung, die diese 100.000 € zahlt. Das heißt, wenn es Ihnen nicht passt, unterdrücken Sie auch noch Fakten.

(Beifall von der CDU)

So ist das. Wir haben noch den Antrag zum Ehrenamt, zur Übungsleiterpauschale gestellt. Mich hat es nicht gewundert, dass der Antrag abgelehnt worden ist. Wir haben 84 Anträge gestellt. Was müssen wir schlecht sein, wenn wir 84 Anträge stellen? Das widerspricht aber jeder Lebenserfahrung. Es ging nämlich bei der Ablehnung nicht um die Frage, was in dem Antrag steht, sondern wer obendrauf steht. So ist das hier.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Müller. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Bischoff das Wort.

Rainer Bischoff (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Müller, dass Sie hier in fünf Minuten zum Thema „Haushalt 2013“ jetzt drei Sätze zum Haushalt gesagt haben, nämlich dass Sie einen Antrag gestellt haben, das ist bemerkenswert.

Der „Pakt für den Sport“ ist nicht Bestandteil des Haushalts. Das wissen wir Fachleute.

(Zuruf von der CDU: Doch!)

– Natürlich nicht. Der „Pakt für den Sport“ ist ein Pakt, der zwischen Landesregierung und Landessportbund geschrieben wird und dann für die nächsten Jahre festlegt, was ansatzweise im Haushalt steht.

(Zuruf von der CDU)

Über den Haushalt haben Sie gar nichts gesagt, und dann haben Sie erzählt, dass die Bundesregierung Sponsor bei Veranstaltungen sei, wo ich gar nicht weiß, welche. Gut, das behalten Sie dann für sich. Ist auch gut. Das ist schon erstaunlich.

Ich will deswegen ein paar Sätze zum Haushalt sagen, bevor ich natürlich auf den „Pakt für den Sport“ eingehe. Es ist ein schwieriges Thema – gar keine Frage –, aber ich will es hier auch nicht übergehen.

Wenn man sich mit dem Haushalt beschäftigt, kann man sehen, dass er gegenüber dem Haushalt 2012 wenige Veränderungen hat. Das zeigt in meinen Augen Kontinuität. Das zeigt in meinen Augen, dass wir in Sachen Sportpolitik ausgewogen aufgestellt sind. Wir haben immer die Ausgewogenheit zwischen Spitzen- und Breitensport zu berücksichtigen.

Im Haushalt enthalten ist, dass die Kanu-Weltmeisterschaft in diesem Jahr in Nordrhein-Westfalen stattfinden wird, sogar in meiner Heimatstadt Duisburg, dass wir letztes Wochenende die Deutschen Meisterschaften der Leichtathletik in Dortmund hatten. Wir haben jedoch gleichzeitig die Sportpauschale für die Kommunen im Haushalt, dass die Breitensportvereine ihre Vereinsanlagen entsprechend pflegen können. Wir haben die Förderung von Trainern, wir haben die Förderung von Anlagen für den Spitzensport, und wir haben gleichzeitig die Übungsleiterpauschale, die wir alle gern ein bisschen höher hätten – Sie haben gesagt, Sie haben da einen Antrag gestellt –, auch für den Breitensport.

Darüber hinaus haben wir gesellschaftlich-relevante und politisch interessante Programme wie „Integration durch Sport“, wie „Mehr Chancen für Frauen und Mädchen im Sport“, die wir gemeinsam mit dem Landessportbund auf den Weg bringen.

Ich finde wichtig, das zu skizzieren, weil es deutlich macht, dass wir auf einem guten und richtigen Weg sind. Es freut einen auch, dass man dafür auch Lob bekommt. Das kann ich Ihnen sagen.

Am Freitagabend war der Empfang für die Teilnehmer der Deutschen Meisterschaften der Leichtathletik in Dortmund. Da waren Sie nicht da. Wenn Sie dort gewesen wären, hätten Sie gehört, dass der Präsident des Deutschen Leichtathletikverbandes, Prokop, NRW in seinem Förderungscharakter außerordentlich gelobt und deutlich gemacht hat, dass wir in Sachen Sportpolitik ganz vorn dabei sind.

Am Dienstag war der Westdeutsche Skiverband im Ausschuss. Da waren Sie dabei. Der hat das auch gelobt. Es ist interessant, die Verbände loben eindeutig die Sportpolitik des Landes Nordrhein-Westfalen. Und Sie sagen gar nichts dazu.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, natürlich will ich das Thema „Pakt für den Sport“ hier nicht ignorieren. Gar keine Frage. Sie haben vorgelesen, was in der Koalitionsvereinbarung steht. Ich kann Sie und alle Beteiligten beruhigen: Dazu stehen wir. Als Sozialdemokraten – ich weiß es auch von den Grünen; das wird Frau Paul vielleicht gleich noch ausführen – stehen wir zum „Pakt für den Sport“.

Es ist in der Tat so, dass es in den Verhandlungen Verzögerungen gegeben hat. Das macht die Landesregierung und nicht wir als Fraktion. Aber wir haben die Dinge in Gesprächen natürlich begleitet. Wir bedauern, dass es eine Verzögerung gegeben hat. Es gibt bestimmte Notwendigkeiten, weil die Entwicklung der Sportwetten durch Veränderungen innerhalb der Sportwetten nicht so absehbar ist, und Teile der Landesregierung dann erklärt haben, sie benötigten Zeit für Beobachtung.

Es ist aber auch klar, dass der Staatssekretär – da waren wir auch zusammen – bei der Mitgliederversammlung des Landessportbundes für die Landesregierung erklärt hat, es werde angestrebt, dass in der ersten Jahreshälfte ein entsprechender Pakt umgesetzt wird. Ich kann Ihnen versichern: Machen Sie sich keine Sorgen. Der Pakt für den Sport wird bald umgesetzt werden.

Noch einmal ganz laut: Wir als sozialdemokratische Fraktion stehen zum „Pakt für den Sport“. Weil wir dazu stehen, haben wir es in den Koalitionsvertrag geschrieben, und es wird den „Pakt für den Sport“ bald geben. Das kann ich Ihnen versichern, übrigens auch den Funktionären der Sportverbände.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann mich hier vergleichsweise kurz fassen. Das Sportjahr 2013 hat begonnen. Es hat interessant begonnen. Ich habe auf ein paar Veranstaltungen hingewiesen, die Highlights für Nordrhein-Westfalen sein werden. Dort, wo wir als Land NRW die Zuständigkeit und Verantwortung haben, bietet der Landeshaushalt im Bereich des Sports eine gute Grundlage dafür, dass dieses Sportjahr ganz hervorragend gelingen, sehr aufregend werden und erfolgreich fortgesetzt wird.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bitte natürlich um Zustimmung für den vorgelegten Sporthaushalt. – Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Bischoff. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Kollege Lürbke.

Marc Lürbke (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nordrhein-Westfalen versteht sich als Sportland Nummer eins. Das ist allgemeiner Konsens hier im Landtag. Dafür hat auch die vorherige schwarz-gelbe Landesregierung mit großem Erfolg gekämpft. Völlig zu Recht haben Sie, meine Damen und Herren von SPD und Grünen, das erkannt und Wort für Wort in Ihren Koalitionsvertrag hineingeschrieben.

(Lachen von Eva Voigt-Küppers [SPD])

Die Sportpolitik des Landes war trotz oft schwieriger finanzieller Lage und jenseits der politischen Farbenlehre in der Vergangenheit immer erfolgreiche Politik. Denn wir haben in Nordrhein-Westfalen bei der Förderung von Sport und Bewegung eine Struktur und ein Miteinander gefunden wie es für andere Länder beispielgebend war und ist.

Die vielfältigen Programme und Konzepte, ob jetzt „Sport für alle“, „NRW bewegt seine Kinder“ oder „QuietschFidel“ oder wie sie alle heißen oder von wem sie angestoßen wurden, sind echte Renner und in den meisten Fällen wahre Erfolgsgeschichten. Völlig zu Recht sind wir in Nordrhein-Westfalen seit Jahren sozusagen Tabellenführer in vielen Bereichen des Breiten- wie auch des Spitzensports. Das bestätigen uns auch unsere Sportler, Vereine und Verbände und nicht zuletzt der Landessportbund als unser erster und wichtigster Ansprechpartner im Sport.

Wesentliches Instrument dieser engen Vernetzung von Politik und organisiertem Sport ist seit 2011, als also seit der Minderheitsregierung von SPD und Grünen, der „Pakt für den Sport“. Dieser ist – wie Sie wissen – als Nachfolger des vom Landessportbund und von unserem liberalen Sportminister Ingo Wolf 2008 abgeschlossenen „Bündnisses für den Sport“ ins Leben gerufen worden, um bürgerschaftliches Engagement in den 20.000 Sportvereinen zu fördern.

Ob jetzt Pakt oder Bündnis – ich will hier keine Wortklauberei betreiben. Mir ist es letztendlich auch egal, wie wir das Kind nennen. Hauptsache es ist gesund, Hauptsache es ist fit. Ich kann sagen: Das war es auch in der Vergangenheit.

Ich habe eingangs den Koalitionsvertrag erwähnt und will das an dieser Stelle noch einmal tun. Ich zitiere eine Stelle, die haben Sie zwar gerade schon gehört – ich bedanke mich beim Kollegen Müller, der hat die Stelle nämlich schon zitiert – nur die ist so gut, dass es fast schon ein Treppenwitz ist. Und das geht so:

„Wir“

– das sind Sie, meine Damen und Herren von SPD und Grünen und auf der Regierungsbank –

„streben eine vertragliche Regelung für die gesamte Legislaturperiode an, mit der dem Landessportbund Planungssicherheit gegeben werden kann.“

Das ist ja mal ein Wort, denkt man.

(Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

Das wäre nach allgemeinem Verständnis genau die Planungssicherheit, die sich der Landessportbund in nachvollziehbarer Weise seit vielen Jahren wünscht. Seit Abschluss des Koalitionsvertrags sind schon einige Monate ins Land gegangen, in denen wir von verschiedenen Stellen immer wieder gehört haben, dass man zwischen Landessportbund und Landesregierung auf einem ordentlichen Weg sei.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Die FDP wäre auch im Sinne des Sports sehr froh und glücklich, wenn es auch nur so gewesen wäre. Ein Blick in den vorliegenden Haushaltsentwurf zeichnet da leider ein ganz anderes Bild von der Wirklichkeit, um nicht zu sagen, das glatte Gegenteil. Glatte 3 Millionen € streichen sie bei den Zuschüssen an den Landessportbund, 1 Million € wandert in den Schulhaushalt. Herr Bischoff, wieso das nichts mit dem Haushalt zu tun hat und dass das kein Angriff gegen den „Pakt für den Sport“ ist, das müssen Sie mir bei anderer Gelegenheit noch einmal erklären.

Das ist, meine Damen und Herren – da bleibe ich in der sportlichen Terminologie –, ein ganz übles Foul am Sport in Nordrhein-Westfalen. Und da ist Ihr „Pakt für den Sport“ das Papier nicht wert, auf dem er steht.

(Beifall von der FDP)

Was das wirklich mit Planungssicherheit für den Sportbund, für die Verbände, für die Vereine zu tun, das müssen Sie uns und allen Partnern im Sport noch einmal erklären.

Die Reaktionen sind eindeutig. Ich kann auch nachvollziehen, dass der Landessportbund – ich formuliere das ganz höflich – wenig angetan ist von dem, was Sie hier vorlegen. Für die FDP, meine Damen und Herren, gilt das übrigens ebenfalls. Wir lehnen diesen Haushalt ab und hoffen, dass Sie sich eines Besseren belehren lassen und Nordrhein-Westfalen als Sportland Nummer eins nicht gegen den Abstieg spielen muss. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und Holger Müller [CDU])

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Herr Kollege Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde gerne bei der letzten Äußerung des Kollegen Lürbke anfangen. Wenn bei der Kürzung von 1 Million € für den Landessportbund der Untergang des Sportlandes Nordrhein-Westfalen ansteht, dann frage ich mich allen Ernstes, lieber Kollege, in welcher Realität Sie unterwegs sind.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben Millionen und Milliarden Umsätze in der Fußballbundesliga. Wir haben im Breitensport ein bürgerschaftliches Engagement, was sich in dreistelligen Millionen-Beträgen, sogar im Bereich von Milliarden ausdrückt. Das preisen Sie immer zu Recht an. Ausgerechnet die Partei, die immer postuliert, wir sollten uns nicht als Politiker nicht so dicke machen, wir sollten uns ein Stück zurücknehmen, wir sollten auf die Gesellschaft setzen, die sagt, weil der Landessportbund 1 Million € weniger bekommt, breche diese Welt zusammen. Sie haben, glaube ich, die Realität nicht nur nicht richtig eingeschätzt, sondern Sie liegen komplett daneben.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Um noch einmal das aufzugreifen, was Frau Ministerin gesagt hat: Mich hat es beim Kulturetat schon ziemlich erschrocken, was hier vorgetragen worden ist. Ich glaube, die CDU-Fraktion war nicht in der Lage zu antizipieren, was sie einstimmig beschlossen hat. Wenn man 20 % bei den Förderprogrammen einsparen will, dann ist die Zahl relativ einfach zu errechnen. Dann sind das minus 24 Millionen € im Kulturetat. Im Sportetat wären es etwa 15 Millionen €, die dann wegfallen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Jetzt habe ich es etwas zu dicke gemacht. Dabei sind natürlich auch Personalkosten gewesen, zugestanden. Die Summe ist etwas kleiner, aber weit mehr als die Million beim Landessportbund und weit mehr als die 2,5 Millionen €, die im Bereich der Zuschüsse für Projektmaßnahmen für den Landessportbund da zusammenkommen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie sind schizophren. Sie sagen den Leuten nicht die Wahrheit. Auf der einen Seite wird im Etat gekürzt, auf der anderen Seite blasen Sie sich auf und sagen: Rot-Grün wäre nicht in der Lage zu sparen. Sie sind komplett abgemeldet bei dieser Debatte.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich nenne Ihnen auch noch einmal die Zahlen, Herr Kollege Müller, weil ich Sie ja nicht nur sympathisch finde, sondern außerordentlich sympathisch. Das will ich ganz klar dazu sagen. Man muss die Fakten schon auf den Tisch legen. Wenn wir 28 Millionen € Zuschuss für den Landessportbund in diesem Jahr haben und 20 % wegstreichen, dann sind das 5,6 Millionen € netto.

Wenn wir es genau rechnen – da ist die CDU wie immer unpräzise, weil sie nicht sagt, was sie mit Förderprogrammen meint: Sind das die freiwilligen Ausgaben oder sind das die landesgesetzlichen Ausgaben –, wenn Sie das Muster zusammenschnüren lassen, dann sind wir in Wirklichkeit schon bei 12,6 Millionen €, nämlich 45 %, die dann wegfallen würden. Ich könnte das auf die anderen Titel noch weiter übertagen.

Wenn Sie sich die Zahlen in der Reihe und auch die Ist-Ergebnisse seit 2010, seit Regierungsübernahme angucken, dann werden Sie sehen, dass der Ausgabenbereich relativ präzise auf der gleichen Höhe geblieben ist. Wenn Sie jetzt sagen, im Bereich der Zuschüsse für den Landessportbund fallen nicht nur 1 Million € weg, sondern 2,7 Millionen €, dann müssen Sie – ich hoffe, Sie haben den Haushaltsplan gelesen, ich habe ihn extra mitgebracht, anhand der Zettel sehen Sie, ich habe ihn auch gelesen – feststellen, dass von diesen 2,7 Millionen € die komplette Summe aus den Bereichen Oddset und Spielwetten kommt. Das ist eine schlichte Prognose. Das hat mir Kürzungen nichts zu tun, sondern ist die Erwartung der Einnahmen aus dem Glücksspiel. Wenn es mehr wird, dann kommen die auch da rein, wenn es weniger wird, dann fallen sie auch weg. Das hätten Sie noch dazu sagen müssen: Gar keine Planungssicherheit; denn da fällt vielleicht noch viel mehr weg.

Dieses Fabulieren und sich ohne jeden Gegenantrag hier hinzustellen und zu sagen, die Landesregierung würde kürzen, sie hätte kein Konzept, das fällt doch komplett auf Sie zurück. Ich habe jetzt deutlich gemacht, wo Sie neben der Spur sind und warum Sie fachlich hier nichts geboten haben. Und, das möchte ich, mit Verlaub, noch einmal dazu sagen: Ich greife den Titel „Förderung von Spitzensportanlagen“ heraus. Da hatten wir, glaube ich, 8 Millionen € im Haushalt, im Ist 7,3 Millionen € ausgegeben. Sie suggerieren, als wenn mit diesen 7 Millionen € Schalke 04, Borussia Dortmund und Borussia Mönchengladbach berücksichtigt worden seien. Das ist kompletter Unfug.

Sie verzerren das Bild, das im Sport herrscht, verlagern sich auf Nebenkriegsschauplätze. Natürlich ist es immer einfacher, als Ministerin, als Minister oder auch als Sportpolitiker zu sagen: Ich habe hier die große Schatulle, kann hier mehr ausbreiten. – Aber darum geht es nicht. Wir müssen diesen Landeshaushalt konsolidieren und auf Kurs bringen. Da sind Sie nicht mit von der Partie. Da machen Sie sich einen schlanken Fuß.

Insofern erwarte ich natürlich, dass Sie ihn ablehnen. Aber Sie werden sicher Verständnis dafür haben, dass wir unseren Weg konsequent fortsetzen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Piratenfraktion erteile ich nun Herrn Kollegen Lamla das Wort.

Lukas Lamla (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuschauer! In der letzten Plenarsitzung hatten wir eine Strukturdebatte über die Sportförderung.

Heute haben wir eine Haushaltsdebatte. Haushaltsdebatten sind auch Strukturdebatten, umso mehr freue ich mich, dass ich dieses Thema noch ein wenig anschneiden kann.

Herr Bischoff, Sie haben zuletzt gesagt, dass die von uns angestoßene Strukturdebatte nicht notwendig sei und dass Sie alle von uns geforderten Punkte bereits in Ihrem Haushalt umgesetzt hätten.

Frau Paul von den Grünen hat mir anhand einer Salve von Titeln und Kapiteln darzustellen versucht, dass sich all diese Forderungen bereits im Haushalt abbilden ließen.

Vielen Dank dafür. Wir haben ein wenig nachgeforscht und stellen fest: Mit einer verschwindend kleinen Summe fördern Sie den Breitensport im Allgemeinen sowie den Fußballverband, den Landessportbund, die DLRG, zweimal das Sport- und Olympiamuseum und die Stiftung Sport.

Zusammenfassend kann man sagen: Sie fördern die Verbände, darunter Ihren engsten Partner, den Landessportbund, sowie Museen und Stiftungen.

Das ist zwar richtig und wichtig; wir hingegen möchten auch offene kommunale Sport- und Bewegungsangebote fördern und somit eine weitere Säule schaffen.

Leider konnten wir trotz mehrmaligen Lesens nicht erkennen, wo sich unter diesen Haushaltstiteln die Förderung für offene kommunale Sport- und Bewegungsangebote verbirgt.

Herr Bischoff, Sie sagten in Ihrer letzten Rede, dass Sie ein Freund von klaren Worten seien. Das bin ich auch. Ihr Ministerium hingegen scheint es im Umgang mit Ihrem engsten Partner, dem Landessportbund, mit den klaren Worten jedoch nicht so genau zu nehmen wie Sie.

Die Kürzung der Strukturfördermittel für den LSB ist im Erläuterungsband derart „erläutert“, dass man nahezu von vorsätzlicher Täuschung sprechen muss. Ich zitiere: Die Kürzung „kann durch Umschichtung bei Wetterträgen kompensiert werden“.

Mich würde sehr freuen, wenn ich beim nächsten Mal erfahren könnte, wer eigentlich umschichten muss und wo genau das Geld am Ende fehlt. Dann verwirren Sie vielleicht auch nicht Ihre Ministerin, die im Ausschuss felsenfest davon überzeugt war, dass dem LSB keine Gelder fehlen werden.

Unser Fazit für den Erläuterungsband lautet: bewusste Täuschung. Der Berichterstatter druckst herum, und obendrein ist er noch besser informiert als die Ministerin.

Mit Transparenz hat das nichts zu tun.

(Beifall von den PIRATEN)

Das Schlimme ist: Der Leidtragende ist der Landessportbund. Aber wir wollen ja sowieso alle das Gleiche, ob es nun „Sport für alle“, „Kommunalsport“ oder „offene Sportangebote“ heißt.

Die Landesregierung und die regierungstragenden Fraktionen werden nicht müde, zu betonen, dass der Sport Bewegungsmangel verhindern soll; er soll zur Gesundheitsförderung beitragen, er soll die soziale Integration fördern.

Gerade mit seinen 5 Millionen ehrenamtlichen Mitgliedern in den über 80.000 Sportvereinen stellt diese Personengruppe den größten Zusammenschluss von Ehrenamtlichen in NRW dar. Das muss man sich einmal vor Augen führen.

Der Sporthaushalt umfasst knapp 170 Millionen €. Diese 170 Millionen € setzen sich aus den verschiedensten Einzelplänen zusammen. So bekommt der Sport Gelder aus den Einzelplänen 03, 05, 06, 10, 11, 14 und 20, also ein buntes Potpourri – genauso bunt wie unsere Sportlandschaft in NRW.

Meine Damen und Herren, die Sanierung einer einzigen Autobahnbrücke wie zum Beispiel der Rheinbrücke – A1 – kostet schlappe 180 Millionen €. Zum Vergleich: Die gesamte Sportförderung umfasst 170 Millionen €.

Vielleicht helfen Sie mir ein bisschen bei den Argumenten, wie ich dies den Mitgliedern eines Sportvereins bei meinem nächsten Besuch erklären kann – eines Vereins, der mangels finanzieller Mittel Teile seiner Abteilungen schließen musste. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Landesregierung spricht erneut Frau Ministerin Schäfer.

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Danke schön. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich zunächst einmal darüber gefreut, Herr Müller, dass Sie die Presselage der Landesregierung zum Bereich Sport so aufmerksam verfolgen. Ich hoffe, dass Sie auch in Zukunft weiterhin die Artikel so fleißig sammeln.

Ich habe mich aber auch darüber gefreut, dass wir gemeinsam – das konnte man den Redebeiträgen aller Vorredner entnehmen – sehr viel Wert darauf legen, dass wir Nordrhein-Westfalen als Sportland weiterentwickeln. Dass Nordrhein-Westfalen Sportland Nummer eins bleiben soll, steht für uns alle außer Frage.

Ich will auch ausdrücklich sagen, dass dies bereits vor der rot-grünen Regierungszeit so war. Hier gibt es eine Kontinuität, an der es festzuhalten gilt. Man kann dem Sport am meisten damit helfen, wenn bei diesem haushaltstechnisch vergleichsweise kleinen Bereich alle Fraktionen beieinander bleiben.

Dass es bei einer Haushaltsdebatte trotzdem unterschiedliche Auffassungen gibt, steht außer Frage. Das müssen wir hier austragen.

Im Sportkapitel sind – das hat der Kollege von den Piraten eben gesagt – knapp 70 Millionen € veranschlagt. Das sind 2,5 Millionen € weniger als im Haushaltsjahr davor. Das ist unser Beitrag zur Haushaltskonsolidierung.

Hierzu sage ich: Ebenso wie im Kulturbereich haben wir auch hier versucht, eine maßvolle Anpassung zu erreichen, und zwar dort, wo wir die Belastung durch einen Mittelrückgang für tragbar halten.

Ich kann Ihnen aber den Vorwurf nicht ersparen, Herr Müller – das musste ich auch Herrn Professor Dr. Sternberg sagen –, dass der Antrag der CDU, auf den ich mich hier ausdrücklich noch einmal berufe, die 20%ige Kürzung von Förderprogrammen über alle Landesförderprogramme fordert.

Aus Sicht der CDU bedeutet das, dass Sie in diesem Kapitel beim Sport 5,2 Millionen € einsparen wollen. Das ist Ihre Hausnummer – doppelt so viel wie wir. Wenn man das auf alle Teile des Einzelplans 07 überträgt und hochrechnet, würde das für den Einzelplan 07 ein Kürzungsvolumen von 55 Millionen € bedeuten. In dieser Höhe will die CDU bei Familie, Kindern, Jugend, Kultur und Sport einsparen.

Das finde ich schon beachtlich, vor allem, wenn Sie dann noch in die Öffentlichkeit gehen und sagen, wie wichtig Ihnen diese Bereiche sind.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Ministerin, entschuldigen Sie bitte.

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Ich möchte jetzt gerne auf den „Pakt für den Sport“ eingehen.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Entschuldigen Sie bitte, Frau Ministerin. Würden Sie eine Wortmeldung von Herrn Müller zulassen?

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Ja, natürlich. Gerne, Herr Müller.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Müller, Sie haben das Wort.

Holger Müller (CDU): Schönen Dank, Herr Präsident. – Dass die Rechnung ständig wiederholt wird, heißt ja nicht, dass sie auch stimmt. Wir wissen alle, dass die Zuwendungen an den Landessportbund als sogenannten Destinatär von den Wetteinnahmen – ODDSET, Spiel 77 usw. – abhängig sind.

(Zurufe von der SPD: Fragen!)

Sind Sie bereit, anzuerkennen, dass das mit Fördermitteln im klassischen Sinne aus dem Landeshaushalt nichts zu tun hat, weil der Landeshaushalt diese Gelder nur weiterleitet?

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Ministerin.

Ute Schäfer, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Das kann ich gerne bestätigen. SKZ Nr. 630 – das sind die Förderprogramme des Landes Nordrhein-Westfalen. Sie umfassen im Sport 25.894.700 €. Ein Anteil davon sind die 5 Millionen €, die ich Ihnen gerade genannt habe. Ich meine also nicht den Wettpool und auch nicht die anderen Konzessionserlöse. Die habe ich gar nicht mit berücksichtigt. Sie müssen schon einmal Ihren eigenen Antrag sogfältig lesen. Dann können Sie das auch ausrechnen.

(Vorsitz: Vizepräsident Daniel Düngel)

Jetzt komme ich zum Pakt für den Sport. Er ist natürlich noch nicht geschlossen. Mir wäre es auch lieber, wäre er es bereits. Ich will aber noch einmal deutlich machen, dass das Bündnis für den Sport, das aus der schwarz-gelben Regierungszeit stammt, etwas anderes war; denn es war nicht mit einer finanziellen Summe unterlegt. Es war mehr Prosa und mehr Absichtserklärung. Wir haben den Pakt für den Sport gemacht und ihn auch mit einer Summe unterlegt, die wir dem Landessportbund gerne für die Dauer einer Legislaturperiode garantieren möchten. Das haben wir weiterhin vor. Wir werden das im ersten Halbjahr dieses Jahres zu Ende bringen.

Dazwischengekommen ist uns in der Tat der jüngst abgeschlossene Glücksspielstaatsvertrag, der ein paar Unwägbarkeiten enthält. Wir brauchen wir etwas mehr Planungssicherheit, bis wir tatsächlich wissen, wie wir das Ganze ausgestalten können. Schließlich soll es redlich zugehen.

Dass die Konzessionserlöse dem Landessportbund zufließen, bedeutet aber auch: Im einen Jahr kann es mal ganz viel sein; im anderen Jahr ist es dann weniger. Das weiß der Landessportbund auch. So war das Jahr 2011 ein sehr positives Jahr, von dem man auch noch etwas zehren kann.

Deswegen freue ich mich – das will ich deutlich sagen –, dass der Landessportbund, obwohl wir den Pakt für den Sport nicht verabschiedet haben, seinen Haushalt so belassen hat. Wir sind optimistisch, dass wir das Ganze im ersten Halbjahr im gegenseitigen Einvernehmen auf den Weg bekommen werden;

(Beifall von Norbert Römer [SPD])

denn wir möchten diese enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit gerne fortsetzen und den Pakt für den Sport natürlich erneuern.

(Beifall von der SPD und Sigrid Beer [GRÜNE])

Wichtig ist mir auch, dass wir bei der Sportstätteninfrastruktur Wort halten. Das heißt, dass die Sportpauschale im GFG stabil bleibt. 50 Millionen € gehen an die Städte und Gemeinden für den Sportstättenbau. Für den Bau herausragender Sportstätten können wir rund 9,3 Millionen € verausgaben. Wir haben an dieser Stelle allerdings auch einen Konsolidierungsbeitrag von 1,25 Millionen € geleistet, weil wir sagen: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann man darauf verzichten, in Steine zu investieren. Wir investieren lieber in Menschen und in Projekte.

Auch in diesem Jahr unterstützten wir Sportgroßveranstaltungen, die den Sportstandort Nordrhein-Westfalen natürlich weiter stärken sollen.

Ich freue mich sehr, dass Duisburg in diesem Jahr wieder Gastgeber der Kanurennsport-Weltmeis­terschaften sein wird. Nach der kurzfristigen Absage von Rio de Janeiro ist jetzt Duisburg am Zuge, weil der Weltverband diese Weltmeisterschaft dort in guten Händen weiß.

Auch die Volleyball-Europameisterschaft der Frauen wird in Deutschland stattfinden, und zwar in Halle in Westfalen, also in meiner Heimat. Dort werden wir Gastgeber sein, wenn die deutsche Volleyballnationalmannschaft im Heimstadion ihre Gegner empfängt.

Im Leistungs- und Nachwuchsleistungssport sind wir nach London 2012 dabei, Resümee zu ziehen und Konsequenzen daraus abzuleiten. Wir haben dabei klare Förderprioritäten. Wir wollen Trainerinnen und Trainer bestmöglich unterstützen. Von großer Bedeutung ist für mich aber auch, dass wir die duale Karriere von Spitzensportlerinnen und Spitzensportlern weiter fördern und vor allem für den Nachwuchs unsere NRW-Sportschulen weiter ausbauen. Das sind Investitionen, die den Sport in Nordrhein-Westfalen dauerhaft stärken.

Meine Damen und Herren, wie Sie sehen, sind wir auf allen Ebenen gemeinsam mit unseren Partnern aktiv, um den Sport in Nordrhein-Westfalen weiterzuentwickeln. Mit dem Haushalt 2013 stellen wir hierfür die entsprechenden Mittel zur Verfügung.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um mich für die gute Kooperation mit allen Fraktionen im Sportausschuss zu bedanken. Ich hoffe, dass sich das in der Zukunft auch so fortsetzen wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Frau Ministerin Schäfer. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Daher schließe ich die Beratungen zum Einzelplan 07.

Wir kommen zur Abstimmung. Zuerst stimmen wir über den Einzelplan 07 ab. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung Drucksache 16/2107, den Einzelplan 07 unverändert anzunehmen. Wer möchte so verfahren? – Das sind die SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer ist dagegen? – Die Piratenfraktion, die CDU und die FDP. Enthält sich jemand der Stimme? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Beschluss­empfehlung angenommen und der Einzelplan 07 in zweiter Lesung verabschiedet.

Dann stimmen wir über den Antrag der Piratenfraktion Drucksache 16/2137 ab. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung dieses Antrags an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend – federführend – und den Ausschuss für Kommunalpolitik. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Ist jemand gegen diese Überweisungsempfehlung? – Enthält sich jemand? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung so beschlossen.

Nun rufe ich den

     Einzelplan 10
Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz

mit den Teilbereichen „Umwelt und Naturschutz“, „Verbraucherschutz“, „Landwirtschaft“ und „Klimaschutz“ auf.

Ich möchte Sie auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 16/2110 hinweisen.

Hiermit eröffne ich die Beratungen für:

Teilbereich
Umwelt und Naturschutz

Teilbereich
Verbraucherschutz

     Teilbereich
Landwirtschaft

Das Wort hat für die CDU-Fraktion der Kollege Deppe.

Rainer Deppe (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Im Haushalt des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz sind für das Jahr 2013 über 170 Millionen € mehr vorgesehen als im Jahr der Regierungsübernahme. Prozentual hat Herr Remmel den höchsten Mittelzuwachs von allen Ministerien erhalten. Gleichzeitig verzeichnet er aber auch den größten Zuwachs an Stellen von allen Ministerien.

Die nachfolgenden Redner werden uns wahrscheinlich wieder etwas von der Umweltüberwachung erzählen, die dringend gestärkt werden musste. Aber wenn es um Mitarbeiterstellen geht, denkt der Minister zuerst einmal an sich selbst.

(Beifall von der CDU)

Seit Amtsübernahme hat der Minister vor allem die Zahl der Referatsleiterstellen in seinem Haus kräftig erhöht. 42 Stellen waren es bei seiner Amtsübernahme, 63 sind es heute – eine Steigerung um 46 %; 46 % in einem Ministerium, und das gerade einmal in zwei Jahren. Da ist dann auch klar, meine Damen und Herren, warum der Begriff „Nachhaltige Haushaltspolitik“ für Sie immer ein Fremdwort bleiben wird.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Eigentlich müsste man ja denken, dass mit solchen Mehrausgaben und einem solchen Personalaufwuchs der Umwelt auch tatsächlich mehr gedient wird. Dies ist aber nicht der Fall. Und das liegt vor allem daran, dass es in Ihrem Haushalt überhaupt keine Schwerpunktsetzung gibt. Alles, was schon immer gemacht wurde, machen Sie weiter, nur teurer. Aber dass irgendeine Aufgabe auch einmal erfüllt ist und deshalb vielleicht auch der Ansatz dafür reduziert werden kann und dafür andere Aufgaben in den Vordergrund rücken, so etwas kennen Sie nicht.

(Zuruf von der SPD: Welche denn?)

– Danke für den Zwischenruf. Wir haben dies mit unseren Vorschlägen für den Einzelplan 10 Schwerpunkte gesetzt. So halten wir drei Themenbereiche für vordringlich.

Der eine Bereich ist der Erhalt der Biostationen, der zweite ist der Verbraucherschutz und der Erhalt der Verbraucherzentralen. Für beide Bereiche schlagen wir vor, ähnlich wie wir es zu unserer Regierungszeit gemacht haben, feste Verträge über die Laufzeit einer Wahlperiode mit den Institutionen abzuschließen, damit sie sich darauf verlassen können und Planungssicherheit haben und nicht von Jahr zu Jahr kalkulieren müssen.

(Beifall von der CDU)

Der dritte Bereich ist der Hochwasserschutz. Den halten wir für unerlässlich und unbedingt förderungswürdig. Hochwasserschutz, meine Damen und Herren, ist die Pflicht des Landes, denn der Staat – und das ist seine Hauptaufgabe – muss seine Bürgerinnen und Bürger zuerst einmal vor Katastrophen schützen können. Von daher sehen wir die Mittelkürzung in diesem Jahr sehr, sehr kritisch.

Aber was uns besonders stört, ist, dass der Umweltminister Geld für Projekte ausgibt, die der Umwelt überhaupt nicht nützen.

(Beifall von der CDU)

So wird der Haushalt von 2012 bis 2015 mit einer halben Million Euro für Öffentlichkeitsarbeit belastet, die ausschließlich dazu dient, den strukturfeindlichen Klimaschutzplan in der Öffentlichkeit zu verteidigen und zu kommunizieren.

Oder nehmen wir das Beispiel Nationalpark. Das ist doch das jüngste Beispiel für Geldverschwendung. Der Nationalpark Teutoburger Wald/Senne ist faktisch beendet. Ich sage Ihnen hier und heute: Es wird nie einen Nationalpark Teutoburger Wald/Eg­ge­gebirge/Senne geben.

(Beifall von der CDU)

Er war von Anfang an fachlich zweifelhaft, weil die Senne nicht mit Prozessschutz, sondern nur mit aktivem Eingreifen des Menschen und des Naturschutzes gepflegt und erhalten werden kann.

(Zuruf von den GRÜNEN: Quatsch!)

Nach dem gescheiterten Flächentausch steht jetzt fest, dass es ihn ohnehin nicht mehr geben wird, weil die Akteure, insbesondere die Kommunen vor Ort, diesen Nationalpark überhaupt nicht mittragen. Sie sollten deshalb so schnell wie möglich Abstand von diesem Projekt nehmen, Ihre teuren Werbebüros für den Nationalpark schließen und die dort tätigen Förster wieder für die dringend benötigte Revierbetreuung einsetzen.

(Zuruf von der SPD: Fragen Sie doch einmal die Menschen vor Ort!)

Dabei würden Sie eine Menge Geld sparen, und das könnten Sie für echten Naturschutz einsetzen, nämlich 126.000 € im Jahr.

Meine Damen und Herren, die Grünen haben sich doch immer für Transparenz und offene Kommunikation stark gemacht. Was ist eigentlich daraus geworden? – Hinter verschlossenen Türen verhandeln Sie am Eyller Berg in Kamp-Lintfort mit dem Betreiber einer Sondermülldeponie. Dabei lassen Sie die Kommune und die Bürger außen vor und im Ungewissen. Sie nehmen es sogar kommentarlos hin, dass einem frei gewählten Bürgermeister von dem Betreiber ein Maulkorb verpasst wird. – Übrigens ein Kollege der SPD und nicht bei uns beheimatet.

Wir nehmen das Thema Kerosin-See. Da gibt es bei uns in Wesseling die größte Raffinerie Deutschlands. Seit einem Jahr befinden sich dort im Boden durch das Auslaufen eine Million Liter Kerosin. Der Schaden für die Umwelt ist überhaupt noch nicht abzusehen. Und seit einem Jahr wird dieser unterirdische See nur unmerklich kleiner.

Seit einem Jahr wird aber auch die Informationspolitik aus dem Umweltministerium immer geringer. Die Menschen vor Ort werden mit Beschwichtigungen – es würde schon nichts ins Grundwasser gehen – nach wie vor im Unklaren gelassen. Hier erwarten wir eine andere Informationspolitik.

(Beifall von der CDU)

Oder gehen wir in einen anderen Teil des Landes, nach Stemwede. Mit Sorge betrachten die Menschen vor Ort die Vorgänge rund um das Fracking-Versuchsloch in Oppenwehe. Nach wie vor stehen mehrere Tausend Liter Diesel in diesem Bohrloch, und die Menschen fragen sich: Wieso bekommt der Betreiber diesen Diesel nicht heraus?

Von Herrn Remmel hört man nichts, aber auch gar nichts. Was unternehmen Sie eigentlich, damit der Diesel wieder aus der Erde verschwindet? Wahrscheinlich machen Sie irgendwann wieder den Bund verantwortlich; das ist dann das Einfachste.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Oder reden wir über das Prognos-Gutachten. Darüber haben wir hier eine Debatte geführt. Aber Sie waren nicht bereit, der Öffentlichkeit und dem Parlament den Gutachtenstand bekanntzugeben, sondern haben sich dahinter versteckt, dass die Dinge noch nicht abgestimmt seien.

Über die Schadstoffe im Trinkwasser an der Ruhr, Ihre Verabredung mit den Klärwerken, mussten wir hier sprechen. Sie haben die Öffentlichkeit nicht informiert.

Auch immer dann, meine Damen und Herren, wenn es um Bioprodukte geht, ist die Landesregierung in Bezug auf ihre Informationspolitik sehr zögerlich. Ob es um das gepanschte Bio-Olivenöl aus Italien ging oder den Desinfektionsmittelskandal bei Biokräutern im letzten Sommer – zuerst haben Sie sich wochenlang weggeduckt und dann lapidar erklärt: Es bestand keine Gesundheitsgefahr. Jetzt, beim Betrug mit den Bio-Eiern, hört man von Ihnen überhaupt nichts. Bis heute gibt es keine Presseerklärung. Wenn von Biobetrug die Rede ist, meine Damen und Herren, hört die Öffentlichkeit von Minister Remmel gar nichts.

(Beifall von der CDU)

Aber immer dann, wenn es um die konventionelle Landwirtschaft geht, ist der Minister auf allen Kanälen unterwegs. Wie viele Interviews, wie viele Sondersendungen hätte es gegeben, wenn der aktuelle Skandal ohne die Beteiligung von Biobetrieben abgelaufen wäre?

Über die verfehlte Landwirtschaftspolitik könnten wir eine lange Debatte führen. Das will ich jetzt hier nicht machen. An dieser Stelle nur so viel: Was Ihnen fehlt, ist die Sachlichkeit in der Agrarpolitik.

(Widerspruch von den GRÜNEN)

Die Politik von Minister Remmel ist ideologisch geprägt und fern jeglicher Realität.

(Beifall von der CDU – Frank Sundermann [SPD]: Davon verstehen Sie etwas?)

Meine Damen und Herren, die Kennzeichen Ihres Haushalts sind: ständig neue Ausgaben, massive Erhöhungen von Abgaben – Stichwort: Wasserentnahmeentgelt –, massive Personalvermehrung, abgrundtiefes Misstrauen gegen alle, die in der Natur und mit der Natur arbeiten, und Politik hinter verschlossenen Türen. Transparenz bei den Grünen, das war einmal.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, mit weniger Mitteln könnte man im Umweltministerium viel mehr erreichen. Das hieße dann aber auch weniger Ideologie und mehr Vernunft. Beides sehe ich bei Ihnen, Herr Minister Remmel, aber leider nicht.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Deppe. – Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Krick nun das Wort.

Manfred Krick (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Entwurf 2013 legt die Landesregierung einen Haushalt vor, der die Gewähr dafür bietet, dass es weiterhin ein wirtschaftlich prosperierendes Land Nordrhein-Westfalen gibt. Gleichzeitig schafft dieser Haushalt aber auch die Voraussetzung für eine an der Nachhaltigkeit orientierte Politik im ländlichen Raum, aber auch in den Städten und in unseren Ballungsräumen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Der Haushalt schafft damit den Rahmen für ein erfolgreiches Zusammengehen von Ökologie und Ökonomie.

Im Einzelplan 10 werden dieses Jahr insgesamt 916 Millionen € bereitgestellt. Das ist mit einem Anteil von 1,5 % des Gesamtetats nur eine relativ kleine Position. Zu unserem großen Ziel, den Haushalts­ausgleich bis spätestens 2020 zu erreichen, muss auch der Haushaltsplan des Umweltministeriums einen Beitrag leisten. Von daher sind durchaus schmerzhafte Veränderungen und auch Kürzungen nicht vermeidbar. Für das Jahr 2013 reduziert sich der Haushalt um 4,2 Millionen € auf – wie gesagt – 916 Millionen €.

Trotz dieser Reduzierung des Gesamthaushalts wurden die Ansätze für einige Positionen erhöht. Herr Deppe, Sie haben gerade schon die Erhöhungen im Personaletat angeführt. Es ist richtig, dass in diesem Jahr weitere 87 Stellen für das Umweltministerium bereitgestellt werden. Hiermit wird dann der seit 2010 beschrittene Weg, die Umweltverwaltung auch personell leistungsfähig aufzustellen, abgeschlossen. Wir haben jetzt insgesamt 387 zusätzliche Stellen.

Dass dies notwendig ist, Herr Deppe und Kolleginnen und Kollegen von der CDU, zeigt letztlich auch und gerade die von Ihnen angesprochene Situation rund um den Kerosinsee und das defekte unterirdische Pipeline-Rohr in der Raffinerie in Wesseling. Nach dem frenetischen Beifall, den Ihr Kollege Herr Hovenjürgen gestern bekam, als er von diesem Schadensfall sprach, müsste eigentlich bei der CDU die Bereitschaft vorhanden sein, diese Mittel wirklich bereitzustellen, damit wir eine effektive Umweltüberwachung tatsächlich etablieren und erhalten können.

Es wird jetzt darauf ankommen, diese zusätzliche Personalkapazität effektiv in die Arbeitsprozesse einzubinden. Wir als SPD werden das Ministerium bei diesen Maßnahmen konstruktiv begleiten.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Bei den von den schmerzhaften Kürzungen erfassten Bereichen ist insbesondere der Hochwasserschutz auf großen medialen Widerhall getroffen. Oft wird dabei aber übersehen, dass neben den Kürzungen von 10 Millionen € gleichzeitig eine neu geschaffene Darlehenszusage von 20 Millionen € bereitgestellt worden ist. Das heißt, im Endeffekt stehen 2013 für den Hochwasserschutz im Land Nordrhein-Westfalen 10 Millionen € mehr zur Verfügung;

(Zuruf von der FDP: Das ist aber schön!)

von 40 auf 50 Millionen € wird der Betrag erhöht. Sie sehen daran: Auch in diesem Bereich, beim Hochwasserschutz, lässt das Land die Kommunen nicht im Stich.

(Beifall von der SPD)

Ich muss leider auch auf die von der CDU im Haushalts- und Finanzausschuss eingebrachten Kürzungsvorschläge eingehen. Wir hatten nicht die Gelegenheit, diese im Umweltausschuss detailliert zu diskutierten.

Meine Damen und Herren von der CDU, Sie haben offensichtlich gerade den Bereich des Umweltministeriums besonders ins Auge gefasst, was Kürzungen angeht; denn von den insgesamt 67 Kürzungsvorschlägen befassen sich 13 mit dem Umweltbereich. Dabei geht es, was konkrete Maßnahmen anbelangt, eigentlich um den Umweltschutz und den Naturschutz.

Das verdeutlicht, meine Damen und Herren von der CDU, dass bei Ihnen die Signale eines erfolgreichen Zusammengehens von Ökonomie und Ökologie immer noch nicht angekommen sind.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Mit dieser fast mittelalterlichen Ansicht stehen Sie aber allein, und das ist auch gut so.

Konkret möchte ich noch auf zwei Kürzungsvorschläge eingehen, die Sie für den Bereich des Landesbetriebs Wald und Holz gemacht haben. Ihr Vorschlag war, den Etat dafür um über 10 Millionen € zu kürzen. De facto würde das letztlich auf die Einstellung des Landesbetriebes hinauslaufen.

Das ist mit uns nicht zu machen. Es entspricht auch in keiner Weise den Bedürfnissen der Bevölkerung, was die Erholungs- und Freizeitfunktion des Waldes angeht. Auch entspricht es in keiner Weise den Bedürfnissen der Holzwirtschaft. Wenn man böse wäre, könnte man fast schon sagen: Sie stehen da in guter Tradition Ihrer Regierung von 2005 bis 2010. Der damalige Staatssekretär unter Minister Uhlenberg, Herr Schink, hatte damals einen Vertrag mit dem österreichischen Unternehmen Klausner geschlossen, mit dem schon damals Ihre forstpolitische Inkompetenz unter Beweis gestellt wurde.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Mit dieser Erblast muss sich jetzt das Ministerium herumschlagen und in schwierigen prozessualen Auseinandersetzungen versuchen, diesen Fehler wieder auszumerzen.

Noch ein Wort, Herr Deppe, zum Nationalpark. Sie sprechen immer wieder vom Nationalpark Senne/Teutoburger Wald. Wahrscheinlich können Sie auch behaupten, dass es den Nationalpark Senne/Teutoburger Wald voraussichtlich nicht geben wird. Sie müssten dann aber ehrlich sein und feststellen: Den Nationalpark Senne – vielleicht den Nationalpark Senne plus Egge – könnte es sehr wohl geben. Darüber haben wir im Umweltausschuss sehr detailliert diskutiert. Sie negieren hier aber die faktischen Möglichkeiten, die dort gegeben sind, einen zweiten Nationalpark für Nordrhein-Westfalen zu errichten.

Zum Abschluss möchte ich – das habe ich beim letzten Mal auch gemacht – allen danken, die sich in der Natur und für die Natur engagieren. Da schließe ich die Ehrenamtler, in gleicher Weise aber auch die verantwortlich arbeitenden Landwirte, Waldbauern und Fischer mit ein. Sie helfen und tragen dazu bei, dass unser Land lebenswert bleibt und die Zukunft für uns und unsere Kinder gesichert wird. Herzlichen Dank.

Ich bitte Sie um Zustimmung für den Etat des Umweltministeriums. – Danke sehr.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Krick. – Als nächsten Redner haben wir den Kollegen Busen für die FDP-Fraktion.

Karlheinz Busen (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lebensmittelskandale, ideologische Verbohrtheit bei der Jagd, beim Forstgesetz und beim unsäglichen Verbandsklagerecht für militante Tierrechtler und Naturschutzverbände sind die tägliche Realität Ihres Regierungshandelns.

Sie haben einen Eid geleistet, Herr Minister: Zitat: „Ich schwöre, dass ich das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können unparteiisch verwalten werde“. Daran müssen Sie sich messen lassen. Aber was macht der Minister,

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Genau das!)

der mit zusätzlichen Millionen und einem ganzen Tross von Mitarbeitern ausgestattet ist? – Er verbreitet Unsicherheit bei den Menschen, für die er zuständig ist und die er unparteiisch unterstützen und begleiten soll.

(Beifall von der FDP)

Unablässig verunsichert Minister Remmel die Landwirte und deren Familien mit Parolen wie diesen – ich darf drei oder vier Sätze zitieren –: „In den Ställen im Lande werden viele Tiere unter tierschutzwidrigen Umständen gehalten.“ – „Ich will eine klimagerechte Modernisierung der Landwirtschaft.“ – „Ich bin überzeugt, dass Verbraucher die landwirtschaftlich erzeugten Produkte nicht kaufen würden, wenn Sie wüssten, wie die Landwirte ihre Tiere halten“. – „Wir wollen kleinere Betriebe. Dass kleine Betriebe mit wenig Fläche und mit wenig Tieren naturgemäß wenig Einkommen haben, ist mir klar“.

Am kommenden Wochenende wollen die Grünen in Mülheim ein Verbot der Haltung von Schweinen auf Spaltenböden beschließen. Herr Minister Remmel, was glauben Sie: Wie kommen solche Parolen bei den Bauern wohl an? Statt sich überparteilich für die Menschen einzusetzen, die Ihnen in Ihrem Amt anvertraut wurden, verunsichern Sie Tausende redlich und fleißig arbeitende Landwirte.

(Beifall von der FDP)

Diese Menschen, die mit viel Mühe ihren Betrieb über die Runden retten und versuchen, den Hof auch für zukünftige Generationen zu erhalten, fühlen sich von Ihren Öko-Parolen in ihrer Existenz gefährdet. Das ist nicht überparteilich, das ist ideologisch.

Durch das Verbandsklagerecht setzen Sie dieser gezielten Verunsicherung jetzt die Krone auf. Das Verbandsklagerecht ermutigt selbsternannte Natur- und Tierschutzverbände geradezu, sich an Landwirten oder Investoren schadlos zu halten. Das hat der NABU in Hessen getan. Er hat dort die Klage gegen einen Windpark zurückgezogen, nachdem der Betreiber 500.000 € in den Fonds des NABU zum Schutz der biologischen Vielfalt gezahlt hat. Nachdem die Zahlung eingegangen war, war dem NABU der gefährdete Rotmilan plötzlich ganz egal und nicht mehr so wichtig. Der Betreiber bezahlte. Der NABU nennt das Projekt: „Mäuse für den Milan“. Ich nenne das: Mäuse für die NABU-Kasse!

(Beifall von der FDP)

Auch NABU-Vertreter in Nordrhein-Westfalen halten dieses schäbige Geschäftsmodell laut Presseberichten für eine gute Einnahmequelle. Das kann nicht der richtige Weg in Nordrhein-Westfalen sein. Werden Sie endlich Ihrer Verantwortung gerecht. – Danke schön.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Herr Kollege Busen. – Nächster Redner ist der Kollege Markert für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Hans Christian Markert (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Haushaltsdebatten sind ja gemeinhin Sternstunden des Parlamentarismus.

(Zuruf von den PIRATEN: Jetzt nicht!)

Sie sollen Einblick in die inhaltlichen Schwerpunkte und in die Ideen zur Konsolidierung geben. Insbesondere bei Ihnen, geschätzter Kollege Busen, denkt man bei Ihren Ausführungen im Zusammenhang mit Sternen eher an die italienische Fünfsternebewegung; das populistische Format war bei Ihnen jedenfalls vorhanden.

(Beifall von den GRÜNEN – Christian Lindner [FDP]: Verteilen Sie gerade wieder Noten? Die Grünen machen das, was sie am liebsten tun, nämlich Zensuren verteilen!)

Bei Ihnen, Herr Deppe und Herr Busen, wartet man vergeblich auf tiefere Einblicke. Was Sie hier nämlich abliefern, ist gleichermaßen dünn, platt und populistisch. Herr Deppe, ich will das gleich am Anfang hier sagen: Sie verstehen ja Einsparpolitik und Haushaltskonsolidierung immer als Politik, bei der Sie besonders darauf gucken, wie viele Planstellen irgendwo geschaffen werden. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass das Haus von Herrn Remmel auch unter anderem deswegen einen Zuwachs bei Referatsleiterstellen hat, weil der Bereich Klimaschutz dazugekommen ist. Da müssten Sie nämlich gleichzeitig in der Bilanzierung nachgucken, wie viele Referatsleiterstellen bei Herrn Duin weniger veranschlagt sind. Das meine ich mit Populismus: Das kommt an bestimmten Stammtischen gut an, entspricht aber teilweise eben nicht den Tatsachen.

Vizepräsident Daniel Düngel: Herr Kollege Markert, würden Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Deppe zulassen?

Hans Christian Markert (GRÜNE): Ich werde den Kollegen Deppe am Ende meiner Ausführungen gerne fragen lassen; das ist versprochen. Nur würde ich jetzt am Anfang gerne im Zusammenhang vortragen.

Ich wollte Ihnen nur mitteilen, Herr Präsident, dass bei mir die Zeit nicht läuft. Ich gehe davon aus, dass meine Redezeit noch gar nicht begonnen hat.

Vizepräsident Daniel Düngel: Doch, sie ist aber gerade wegen der Bitte um eine Zwischenfrage angehalten worden, Herr Kollege Markert. Wir kommen gleich darauf zurück.

Hans Christian Markert (GRÜNE): Wir können gerne darauf zurückkommen, beim geschätzten Kollegen Deppe immer. Vielleicht kommt dann auch noch ein bisschen Substanz herüber.

Wir haben uns als rot-grüne Landesregierung auf einen Konsolidierungskurs begeben, ja, das ist richtig. Wir haben uns als Grüne und als Koalition vorgenommen, dieses Industrieland Nordrhein-Westfalen in sozialer und ökologischer Hinsicht und damit auch, modern verstanden, in ökonomischer Hinsicht zukunftsfest zu machen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang beispielsweise daran, dass diese Regierung im Umweltressort Stellen geschaffen und eine Vereinbarung getroffen hat, um eine Umwelt-Wirtschaftsstrategie anzugehen. Daran sieht man: Für uns gehören Umwelt, Wirtschaft und Sozialpolitik im nachhaltigen Sinne ganz klar zusammen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Bei Ihnen hingegen, meine Damen und Herren von CDU und FDP, ist eine klare Linie nicht erkennbar. Einerseits fordern Sie weitergehende Einsparungen in einem der kleinsten Fachressorts, teils, wie Sie das im Umweltausschuss jüngst wieder getan haben, mit den typischen populistischen Forderungen, beispielsweise der, in der Stiftung Umwelt und Entwicklung Projekte einzusparen. Ich frage mich, was Herr Lamers, der frühere Stiftungsvorstand, zu diesen Einsparungsvorschlägen sagen würde. Andererseits machen Sie keine wirklich substantiierten Vorschläge, wie man auf Sicht das Land tatsächlich konsolidieren kann; denn Sie verstehen unter Konsolidierung immer nur Einsparungen. Sparen ist ein Mittel. Notwendige Haushaltskonsolidierung heißt doch, dass man die Instrumente nicht mit den Zielen verwechseln soll. Natürlich sind die Schuldenbremse und das Sparen ein Instrument. Aber sie sind nicht das Ziel.

Es sollte uns allen klar sein, Herr Deppe, dass allein durch Einsparungen im Landeshaushalt kein wirklicher Ausgleich zu schaffen ist. Schon heute hat Nordrhein-Westfalen weniger als 3.300 € pro Einwohner im Ländervergleich und damit die kleinste Prokopfausgabe im Ländervergleich und in der Landesverwaltung mit rund 16 Stellen pro 1.000 Einwohner die relativ dünnste Personaldecke in einem westdeutschen Flächenland. Das Sparen muss daher aus grüner Sicht in einem Dreiklang gesehen und durch deutliche Einnahmeerhöhungen und Effizienzsteigerungen im öffentlichen Bereich ergänzt werden.

Andererseits wird vor dem Hintergrund aktueller Lebensmittelskandale von Ihnen und Ihren Parteifreundinnen und Parteifreunden oder Ihnen nahestehenden Schwesterorganisationen der Ruf nach mehr Personal erhoben. Ich erinnere hier einmal an Frau Aigners Ruf, die dieser Tage sagte: Die Landesbehörden müssen nun proaktiv Kontrollen durchführen.

Dazu kann ich nur sagen: Ja, dafür braucht man dann auch das notwendige Personal vor Ort; Aktendurchsicht allein genügt eben nicht. Verschiedene Kollegen haben hier schon auf Umweltskandale im Land wie in Wesseling oder bei Envio hingewiesen, was zeigt, dass wir eine schlagkräftige Umwelt- und Verbraucherschutzverwaltung brauchen. Dazu gehört eben auch gut ausgebildetes Personal.

(Beifall von den GRÜNEN)

Abschließend, bevor ich noch die Frage von Herrn Deppe gerne beantworte, will ich zum Ausdruck bringen, dass ich es als wenig glaubwürdig empfinde, wenn Sie, Herr Deppe, hier immer als eine Priorität der CDU-Fraktion den Ausbau der Verbraucherberatung nennen, aber gleichzeitig die kommunalen Komplementärmittel vor Ort verweigern. In meinem Wahlkreis in Neuss haben Sie zwar 2009, nachdem wir Grüne seit 1998 eine Verbraucherberatungszentrale in Neuss gefordert haben, endlich zugestimmt, die Mittel aber nicht zur Verfügung gestellt. Der zuständige Landrat – man kann so etwas ja auch aus Kreishaushalten finanzieren – hat uns vor drei Tagen erklärt, wir könnten als Grüne so viele Anträge stellen, wie wir wollten, die CDU würde immer dagegen stimmen. So viel zur Glaubwürdigkeit, wenn Sie hier fordern, die Verbraucherberatung solle ausgebaut werden.

Auch dies ist moderne Wirtschaftspolitik, dass die Kunden und Verbraucherinnen denjenigen auf Augenhöhe begegnen können, die produzieren und in der Wirtschaft unterwegs sind. Dazu hat sich Rot-Grün bekannt, und diesen Weg werden wir auch fortsetzen. Ihre Einlassungen sind ungeeignet, unsere zustimmende Haltung zu dem Haushalt von Herrn Remmel negativ zu beeinflussen.

Jetzt, lieber Kollege Deppe, Ihre Zwischen- oder Abschlussfrage!

Vizepräsident Daniel Düngel: Die Zeit haben wir jetzt angehalten, Herr Kollege Markert, und Herr Kollege Deppe kann nun seine Frage stellen.

Rainer Deppe (CDU): Herr Kollege Markert, es ist gut, dass mein Kollege Holger Müller und ich aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis kommen und wir dafür gesorgt haben, dass die Verbraucherberatungsstelle dort über Jahre gesichert finanziert ist.

Nun zu meiner Frage. Sie kennen sich im Umweltministerium und wahrscheinlich hinsichtlich des Stellenplans ziemlich gut aus. Sie haben eben erwähnt, dass eine zusätzliche Abteilung für Klimaschutz eingerichtet wurde. Das will ich gerne zugestehen. Ich nehme allerdings auch an, dass Sie wissen, wie viele Referate in dieser Klimaschutz-Abteilung untergebracht sind. Das sind nämlich acht.

(Zuruf von der SPD: Jetzt kommt die Frage!)

Vielleicht können Sie einmal erklären, woraus die weiteren zwölf Referate resultieren. Vielleicht hat Ihre Aussage dann etwas mehr Substanz.

(Beifall von der CDU)

Hans Christian Markert (GRÜNE): Herr Deppe, ich habe eben darauf hingewiesen, dass Sie die Zahlen hier nicht einfach platt gegenüberstellen können. Vielmehr müssen Sie eine Bilanzierung vornehmen. Sie haben gerade selber gesagt, ein Teil der von Ihnen kritisierten Referatsleiterstellen rühre daher, dass eine Abteilung hinzugekommen sei. Damit haben Sie Ihre Aussage von eben zumindest relativiert.

Ich will Ihnen aus meiner Erfahrung Folgendes sagen: Die Anzahl der Referate hat nicht unbedingt etwas mit der Struktur im Gesamthaushalt zu tun. Sie hat vielmehr auch damit etwas zu tun, dass genau das geschieht, was Sie eben gefordert haben, dass man sich nämlich um bestimmte Aufgaben nicht mehr so stark kümmern muss, dafür aber neue Aufgaben erfüllen muss. Deswegen werden bestimmte Referate gestrafft und andere ausgebaut.

Das muss man in einer Bilanz gegenüberstellen, und wenn man das macht, was Sie möchten, nämlich einen Ausbau an der einen Stelle und eine Rückführung an der anderen Stelle, dann gehört dazu auch, dass man an einer bestimmten Stelle Referate schafft. Allerdings kann man die Leute aus den Referaten, die verkleinert werden – schließlich gibt es bei uns so etwas wie das Berufsbeamtentum –, nicht nach Hause schicken. Auch das ist klar.

Ich möchte außerdem daran erinnern, dass es auch bei Herrn Uhlenberg unter der schwarz-gelben Regierung so war, dass der Stabsbereich deutlich ausgebaut worden ist mit Personalstellen. Meiner Einschätzung nach hat Herr Remmel nicht das ausgebaut, was Herr Uhlenberg geschaffen hat.

Ich gehöre übrigens zu den Leuten, die sagen – ich glaube, das habe ich eben deutlich gemacht –, dass wir eine schlagkräftige Umweltverwaltung brauchen, damit wir solche Skandale wie in Wesseling angehen können. Anmerken möchte ich, dass Sie verschweigen, dass es nicht die rot-grüne Landesregierung ist, die für den „Kerosinsee“ und seine Entstehung verantwortlich ist, sondern dass dies ein Großkonzern ist. Diesem Großkonzern kann man nur dann auf Augenhöhe begegnen, wenn entsprechend gut geschultes Personal zur Verfügung steht.

Im Übrigen hat das Rohrfernleitungsgesetz eine Tradition, die bis in die Nazizeit zurückreicht. Das heißt, wir sollten auch darüber nachdenken, die Gesetze nachzubessern. Das hat nichts damit zu tun, dass Sie uns unterstellt haben, dass uns solche Skandale egal seien und wir nur bei den privaten Hauseigentümern nachgucken würden, ob die sich besonders umweltfreundlich verhalten. Wir – da können Sie sich sicher sein – werden solche Skandale wie bei Envio oder bei Shell in Wesseling aktiv anpacken, um solche Skandale zukünftig zu vermeiden und, sofern es zu solchen kommt, in den Griff zu bekommen.

Wir sollten uns als Umweltpolitiker übrigens einig sein, dass wir das gemeinsam anpacken. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Daniel Düngel: Auch Ihnen herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Markert. – Nächste Rednerin ist Simone Brand für die Piratenfraktion.

Simone Brand (PIRATEN): Mein sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauer! Vielen Dank, Herr Markert, dass Sie auf die Dinge eingegangen sind, die Herr Deppe und Herr Busen gesagt haben. Dann muss ich mich damit nicht befassen. Ich tendiere weitgehend in Ihre Richtung.

Ein Ruck geht durch das Land. Es bewegt sich etwas. Genauso, wie die Bürger nicht länger bereit sind, die auf die Finanzwelt zugeschnittene Politik der Regierungen zu akzeptieren, genauso regt sich immer mehr Widerstand gegen eine Landwirtschafts- und Umweltpolitik, die der Industrie wohlwollend das Tablett reicht und den Verbraucher ans Ende der Interessengruppen stellt.

Die Menge der Menschen in diesem Land, die sich für Landwirtschaft interessieren, hat in den letzten Jahren um 67 % zugenommen. Laut einer GfK-Studie sind zudem 60 % der Deutschen dazu bereit, mehr Geld für gesunde und nachhaltig produzierte Lebensmittel zu bezahlen.

Gleichzeitig reißen die Meldungen über dramatische Zustände und Verbrauchertäuschung in der Landwirtschaft nicht ab. Die Menschen lassen sich nicht mehr so einfach mit den Lügen der Lebensmittelindustrie abspeisen und für dumm verkaufen. Es wird endlich nachgefragt, woher das Fleisch kommt, das auf dem Teller liegt, wie das Tier gelebt hat und welches die wahren Bestandteile auch in allen anderen Nahrungsmitteln sind.

Leider wissen die wenigsten Bürger, wo ihr Fleisch herkommt – und erst recht nicht, wie es produziert wird. Ja, wie auch? – Die Industrie und die Händler wissen es schließlich zum Teil selbst nicht, wie der jüngste Skandal um Pferdefleisch gezeigt hat. Hier ist es zwingend notwendig, die Produktions- und Lieferketten nachvollziehbar zu gestalten. Wir fordern eine lückenlose Dokumentation der Nahrungsmittel vom Züchter oder Produzenten bis hin zum Endverbraucher.

(Beifall von den PIRATEN und von Reiner Priggen [GRÜNE])

Dazu gehört natürlich auch eine einfache, klare, verständliche und wahrheitsgemäße Deklaration auf den Lebensmitteln.

Für uns ist eine gesunde und sichere Ernährung und Verbesserung der Lebensmittelsicherheit durch alle auf Landesebene möglichen Maßnahmen besonders wichtig. Das bedeutet, die Lebensmittelkontrollen so auszuweiten, wie es erforderlich ist, um die Versorgung der Bevölkerung mit gesunden Lebensmitteln sicherzustellen. Derzeit beschränkt sich der Verbraucherschutz darauf, im Nachhinein auf Lebensmittelskandale zu reagieren. Wir fordern – und das haben wir schon des Öfteren gefordert – eine proaktive Politik,

(Beifall von den PIRATEN)

eine Politik, die nicht erst reagiert, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, sondern dazu beiträgt, erst gar keine Skandale mehr entstehen zu lassen.

Ein Beispiel für solch eine Politik ist unser Antrag „Studie zur Medikamentenabgabe in der kommerziellen Tierzucht“ auf Drucksache 16/1252. Der Antrag wurde im Ausschuss von allen anderen Fraktionen abgelehnt. Es hieß: Ja, es ist doch noch gar keine Gefahr im Verzug. Warten wir also, bis wieder etwas passiert. Dann können wir noch einmal darüber reden. – Super. Hier hätten wir eine proaktive Maßnahme durchgeführt, die sicher von vielen Verbrauchern begrüßt worden wäre.

Viele Probleme entstehen auch durch die Intensivtierhaltung. Den Landwirten werden durch falsch platzierte Subventionen und andere Förderungen immer mehr Anreize gegeben, noch mehr Tiere möglichst kosteneffizient hochzumästen. Regionale Kleinbauern werden dabei fast gänzlich vernachlässigt und stehen oft vor der Entscheidung, ihren Betrieb zu schließen.

Politik setzt die falschen Zeichen und entfernt sich immer weiter von den Bedürfnissen der Menschen. So wäre zum Beispiel ein konkretes finanzielles Förderprogramm für eine regionale Landwirtschaft eine wichtige Maßnahme. Ich denke, da werden wir auch zum Haushalt 2014 entsprechende Anträge liefern. Wir wollen eine leistungsstarke regional und saisonal angepasste Landwirtschaft, an der auch Kleinbetriebe gleichberechtigt teilnehmen können.

(Beifall von den PIRATEN)

Sie muss auch unter den Voraussetzungen nachhaltiger Wirtschaft und ökologischen Verbraucherbewusstseins wettbewerbsfähig sein. Die Betriebe sollen nicht wie bisher unter dem Preisdruck der Lebensmittelkonzerne und der verarbeitenden Industrie stehen.

Wir Piraten sind auch für eine konsequente Reduktion des Schadstoffeinsatzes in der Landwirtschaft. Das kann man unter anderem dadurch erreichen, dass man den Forderungen des EU-Umweltkommissars folgt und EU-Subventionen unter anderem an eine Mindestfläche für den Anbau von Leguminosen als Gründünger bindet.

(Beifall von den PIRATEN)

Gut, dass Rot-Grün im Bundesrat die Mehrheit hat und so Einfluss nehmen kann auf die Politik von Frau Aigner und ihrem Ministerium. Es dürfen auf keinen Fall weiterhin von Berlin aus die Bemühungen der EU für eine nachhaltige Landwirtschaft unterminiert werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Verbindliches Screening und die Bindung von Subventionen an verantwortliches Handeln in der Landwirtschaft sollten eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.

(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)

Wir stehen für einen gesunden und schonenden Umgang mit Ressourcen. Denn nur so haben zukünftige Generationen immer noch die Möglichkeit, in Freiheit zu entscheiden, wie sie leben und wie sie sich ernähren wollen.

Geht es um den Verbraucherschutz, so ist ein weiterer wichtiger Punkt für uns Piraten ein bedarfsorientierter Ausbau des Beratungsangebots. Die Verbraucherberatung muss so ausgebaut werden, dass ein flächendeckendes Basisangebot vorhanden ist. Nur informierte Bürger können die für sich richtigen Entscheidungen treffen. Das gilt gerade im Lebensmittelbereich. Verbraucherbildung gehört mit einheitlichen Standards an die Schulen.

Ich freue mich sehr – leider ist Frau Voßeler gerade nicht da –, dass gerade Ende letzten Jahres die Landfrauen für ihr Engagement im Bereich Ernährung und Verbraucherbildung die Auszeichnung offizielles Projekt der UN-Weltdekade Bildung für nachhaltige Entwicklung erhielten.

Durch solche Projekte werden auch Schüler erreicht, die in Haushalten aufwachsen, in denen sich um die tägliche Ernährung weniger bis gar keine Gedanken gemacht werden.

Auch im Gastronomiebereich möchte man schließlich wissen, was hinter der Küchentür so vor sich geht. Die Kennzeichnung mit Smileys hat in Dänemark zu Erfolgen geführt. Seit dieser Kennzeichnung gehen die Beanstandungen zurück, zum Wohl der Verbraucher.

Vorsichtig ist mit der Veröffentlichung im Internet umzugehen. Ja, jetzt werden Sie staunen, dass ausgerechnet ich das sage. Aber ich sehe das so. Jedem Betrieb sollte in kurzer Frist die Möglichkeit der Nachbesserung gegeben werden. Erst dann kann eine Veröffentlichung vorgenommen werden. Der Mangel sollte hierbei beschrieben werden, harmlose Mängel gar nicht veröffentlicht werden. Da muss immer die Verhältnismäßigkeit im Auge behalten werden. Nur bei gravierenden hygienischen Mängeln steht einer direkten Veröffentlichung nichts im Wege, wobei ich doch annehme, dass, wenn man in einem Betrieb verwesende Tierkadaver in der Ecke oder in der Küche findet, dieser Betrieb direkt geschlossen wird. Auch hier wie in so vielen Bereichen ist Transparenz geboten.

Aktuell zum Beispiel gestaltet sich die Suche nach den Lebensmittelkontrollen in NRW im Netz immer noch wie ein Memory-Spiel. Das wird hoffentlich besser mit der Seite Lebensmitteltransparenz-nrw.de. Aber auf der Seite gibt es auch noch Verbesserungsbedarf. Im Gegensatz zur bayerischen Variante finden sich Hinweise zur Mängelbehebung nur auf der mühsam anklickbaren Detailseite zu den Einzelberichten, und auch dort nur, wenn man weiß, dass die Details noch einmal anklickbar sind. Dieses Vorgehen kann man im bundesweiten Vergleich als unverschämt klassifizieren. Da sind Klagen Tür und Tor geöffnet.

Denn nicht nur zum Wohl der Verbraucher, sondern auch zum Wohl der Betriebe müssen Veröffentlichungen verständlich, eindeutig und nachvollziehbar sein, eben transparent. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Daniel Düngel: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Brand. – Für die Landesregierung hören wir nun Herrn Minister Remmel. Bitte sehr.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerne nehme ich für die Landesregierung zum Einzelplan 10 Stellung. Ich tue das auch mit einer gewissen Lust. Denn das, was die Opposition, insbesondere Herr Deppe, hier vorgetragen hat, aber auch Herr Busen, wird meines Erachtens einer Haushaltsdebatte, bei der es um die wichtigen

(Beifall von den GRÜNEN)

Fragen auch der Zukunft der Landespolitik gerade in diesem Politikfeld geht, in keiner Weise gerecht.

Aber bevor ich zu Erwartungen, die ich eigentlich hatte, und Enttäuschungen, die nach Ihren Beiträgen übrig geblieben sind, komme, möchte ich gerne zuerst zur Abteilung Klarheit und Wahrheit kommen. Auch das gehört zur Redlichkeit des Umgangs miteinander dazu, die Dinge auch so darzustellen, wie sie sind, und nicht in einem bewusst falschen Licht erscheinen zu lassen.

Zunächst zur Höhe des Etats: Ich habe es bereits mehrfach im Plenum, aber auch im Ausschuss gesagt. Die Zuwächse gegenüber 2009 bzw. beim Regierungswechsel sind mit der Umressortierung zu erklären, mit der Zunahme der Einnahmen über die Abwasserabgabe und den entsprechenden Ausgaben. Das Gleiche gilt für das Wasserentnahmeentgelt. Hier sind einfach mehrere Millionen zusätzlich dazugekommen, die auch ausgegeben werden. Das hat nichts mit zusätzlichen Geldern für zusätzliche Aufgaben zu tun.

In der Tat: Was dazugekommen ist – das ist mehrfach begründet worden –, ist die Notwendigkeit, die Pflichtaufgaben in der Umweltverwaltung auch tatsächlich zu erfüllen. Aber auch hier gehört zur Klarheit und Wahrheit, dass die aktuellen Stellen im Bereich IED, Anlagenüberwachung im Industriebereich, zu 100 % – ich glaube, das gibt es in keinem anderen Bereich – gegenfinanziert sind über entsprechende Gebühreneinnahmen. Auch das ist eine Innovation, die diese Landesregierung mit diesem Landeshaushalt umsetzt.

Im Übrigen, Herr Deppe, hätte ich es redlich gefunden, wenn Sie über Stellen sprechen, auch davon zu berichten, dass dieser Einzelplan keine zusätzlichen Stellen im Stellenplan außer den genannten Stellen in der Umweltverwaltung im Ministeriumsbereich ausweist.

Zu Wahrheit und Klarheit gehört auch, Herr Deppe, wenn Sie über Hochwasserschutz sprechen, darauf hinzuweisen, dass Hochwasserschutz in diesem Land eine kommunale Aufgabe ist und es in der Zeit zwischen 2005 und 2010 in diesem Haushaltstitel im Durchschnitt nicht mehr, sondern weniger Ausgaben als die 30 Millionen gegeben hat. Insofern liegen wir voll auf der Linie, auch wenn mir diese Kürzung wehtut; das gebe ich offen zu. Aber, ich denke, es ist ein gutes Angebot an die Kommunen, wie dargestellt, über entsprechende Kreditfinanzierung für die Deichverbände ein wenig Abmilderung zu schaffen.

Zur Wahrheit und Klarheit gehört auch, wenn Sie über den Trinkwasserschutz an der Ruhr sprechen, mit zu erwähnen, dass es dieser Landesregierung gelungen ist, eine feste Vereinbarung mit den Wasserversorgern hinzubekommen, bis 2017 in den Trinkwasserschutz in Nordrhein-Westfalen zu investieren. Das hat Ihre Landesregierung in Ihrer Regierungszeit nicht geschafft. Die Menschen in diesem Land an der Ruhr haben eine gute Aussicht, dass das Trinkwasser dauerhaft einer guten Qualität entspricht. Die Investitionen werden tatsächlich stattfinden. Ich hätte von Ihnen erwartet, das in die Debatte mit einzubringen.

Nun zur Abteilung „Erwartung und Enttäuschung“: Ich hatte erwartet, dass es zu den wesentlichen Fragen der Landespolitik, den Herausforderungen auch Angebote, Konzepte und Diskussionsbeiträge von Ihnen, von der Opposition, gibt. Die können ja durchaus unterschiedlich sein. Darüber hätten wir uns im Sinne eines edlen Wettstreits auseinandersetzen können. Aber in keinem der Politikbereiche haben Sie irgendeinen Vorschlag gemacht, keinen einzigen.

Wie beantworten Sie bei der Biodiversität die Frage, dass in Nordrhein-Westfalen 45 % der Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht sind oder aussterben? Wie beantworten Sie die Frage, dass Grünland zurückgeht, die Biodiversität in der Fläche fehlt und der Flächenfraß weiter vorangeht? Was sind Ihre Konzepte, dagegen vorzugehen? Was sind Ihre inhaltlichen Vorstellungen zur Ausgestaltung eines Naturschutzgesetzes, zu einer Umsetzung der Biodiversitätsstrategie in Nordrhein-Westfalen, zu einer umfassenden Waldstrategie, um den Herausforderungen in Nordrhein-Westfalen gerecht zu werden? Dazu von Ihnen keinen einzigen Satz zu hören, ist für eine Landtagsdebatte über die Zukunft des Landes extrem enttäuschend.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Was sind Ihre Aussagen zur aktuellen Debatte beim Verbraucherschutz?

(Henning Höne [FDP]: Herr Minister, dazu haben Sie auch noch nichts gesagt!)

Einvernehmlich können wir schnell abhaken, dass wir eine Sicherung der Verbraucherzentralen wollen. Das haben wir umgesetzt, und zwar besser als Sie. Aber was ist Ihre Antwort darauf, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher einer Marktsituation gegenüberstehen, die immer unübersichtlicher wird, immer schwieriger zu kontrollieren ist und bei der im Lebensmittelbereich offensichtlich die Märkte in ganz Europa zusammenhängen, zusammenwirken und ein Einfallstor für kriminelle Machenschaften bieten?

Wie halten Sie es mit dem 10-Punkte-Plan, den wir gemeinsam mit der Bundesregierung auf den Weg gebracht haben, mit der Forderung nach Transparenz, mit der Forderung danach, auch im Verdachtsfall, also schon bei Täuschungen und nicht nur bei Gesundheitsgefährdungen, die Verbraucherinnen und Verbraucher zu informieren? Wie halten Sie es mit der umfassenden Notwendigkeit, Verbraucherrechte auch dann durchzusetzen, wenn offensichtlich Lobbyinteressen dagegenstehen, wie aktuell bei der Hygieneampel?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Da verhindert doch Ihre Bundesregierung die notwendige Transparenz.

Sie werden von mir an keiner Stelle gehört haben, dass ich in irgendeiner Weise zwischen konventionell oder Bio unterscheide. Wenn Verbraucherinnen und Verbraucher getäuscht werden, muss in beide Richtungen gleichzeitig und mit allem Nachdruck für die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher und für Transparenz geworben werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wie sieht es mit einer aktuellen Stellungnahme von Ihrer Seite zur Diskussion um Fracking aus? Sie erwähnen Stemwede, aber zurzeit steht etwas anderes auf der Tagesordnung. Wie verhält sich die CDU in Nordrhein-Westfalen zu den Vorschlägen der Bundesregierung?

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Wo ist Ihre Antwort darauf? Wir haben hier einen Landtagsantrag verabschiedet. Sie haben als Partei eine Position bezogen, die sogar dazu übergehen will, Fracking zu verbieten – eine sehr radikale Position. Dann kommt Ihr Bundesumweltminister daher und sagt: Na ja, in Wasserschutzgebieten wollen wir es nicht, da machen wir eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Aber ansonsten ist die Frage, ob Fracking das Grundwasser vergiftet, im Moment für uns nicht so wichtig.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Da müssen Sie doch aufschreien; da müssen Sie doch da sein. Wo ist da Ihre Position? Es ist schon erschütternd, dass Sie zu diesen wichtigen Zukunftsfragen nicht Stellung nehmen.

Natürlich wird die Frage, wo unsere Energieversorgung zukünftig ihre Quellen hat, zurzeit weltweit diskutiert. Kommen wir zurück zu einer Zeit, in der Energie billig war, sodass wir unsere Wirtschaft noch mal mit billiger Energie antreiben und sozusagen einen neuen Turn-around machen können? Das ist eine wichtige Zukunftsfrage. Oder gehen wir konsequent den Weg in eine erneuerbare Energiewirtschaft und setzen sie mit allem Nachdruck um?

(Vorsitz: Präsidentin Carina Gödecke)

Zu Erwartungen und Enttäuschungen gehört auch, dass Sie zu wichtigen Ressourcenfragen keine Stellung genommen haben. Wie wollen Sie denn zukünftig einen ökologischen Wirtschaftsplan gestalten, sodass wir Anlagen- und Investitionssicherheit in Nordrhein-Westfalen bekommen, andererseits aber auch die wichtigen Ressourcen, die wir für die Kreislaufwirtschaft brauchen, sichern, um die Chancen der Umweltwirtschaft in Nordrhein-Westfalen zu steigern?

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Minister, entschuldigen Sie bitte die Unterbrechung. Wir haben nicht nur den Vorsitz gewechselt, sondern es gibt auch den Wunsch nach einer Zwischenfrage beim Kollegen Ortgies.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Diese würde ich gerne zulassen, wenn ich die letzte Baustelle noch erwähnen kann. Diese ist mir auch mit Blick auf den Kollegen Ortgies wichtig. Es geht um die Frage der Zukunft der Landwirtschaft und der ländlichen Regionen in Nordrhein-Westfalen. Auch dazu gibt es keine Stellungnahme. Wie bewerten Sie die Verhandlungsergebnisse in Brüssel? Was heißt das für unsere Landwirtschaft, für unsere ländlichen Räume in Nordrhein-Westfalen, für die Zukunft der ländlichen Räume? Wie gehen Sie damit um, dass die Bundeskanzlerin gegen die ländlichen Räume verhandelt hat und das Ergebnis wahrscheinlich sein wird, dass gerade die Strukturförderung im ländlichen Raum zulasten von Zukunft erheblich gekürzt wird?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das ist Ihre Bundeskanzlerin. Insofern hätte ich erwartet, dass Sie dazu Stellung nehmen und Position beziehen. Aber Sie sind dem ausgewichen. Ich muss zum Schluss leider feststellen, dass Sie zu all diesen Fragen offensichtlich keine Position haben. Das ist wirklich ein Armutszeugnis für eine Opposition in Nordrhein-Westfalen, die eigentlich gar nicht Opposition genannt werden dürfte, wenn sie so in diesem Hause agiert.

(Zuruf von der SPD: So ist es wohl!)

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Ortgies.

Friedhelm Ortgies (CDU): Herr Minister, danke schön für die Zulassung der Frage. Jetzt haben Sie als Minister uns von der Opposition in Ihren zehn Minuten Redezeit fünf Minuten lang Fragen gestellt.

(Zuruf von der SPD: Das war mal nötig!)

Mein Verständnis von einer Parlamentsrede und Haushaltsrede ist, dass der Minister erklärt, wie er sich seinen Haushalt vorstellt und wie seine Politik ist.

(Beifall von der CDU)

Deswegen meine Frage: Ist es das Konzept des Ministers, dass wir seine Fragen lösen sollen?

(Beifall von der CDU)

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Nein, die Fragen sind doch mit dem Einzelplan 10 beantwortet. Das ist die in Zahlen gegossene Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich hätte einen Gegenentwurf erwartet, wie es anders oder besser gemacht werden soll. Das ist von Ihnen eben nicht geliefert worden. Deshalb bedauere ich, dass wir diesen Streit um die besseren Ideen nicht haben führen können. Vielleicht ist es beim nächsten Mal anders. Dann freue ich mich wieder darauf, mich mit Ihnen zu streiten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Blask für die SPD.

Inge Blask (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Verbraucherschutz ist natürlich immer ein Querschnittsthema. Wenn man sich die Themen der letzten Tage und Wochen anschaut, dann ging es z. B. um das Thema Datenschutz in Kommunen. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen jetzt gefragt werden, wenn die örtlichen Meldebehörden Daten verkaufen möchten. Das ist ein gutes Ergebnis des Vermittlungsausschusses. Das war eine Initiative aus Nordrhein-Westfalen.

Ein weiteres Thema: Die Bundesministerin hat in dieser Legislaturperiode bereits fünfmal angekündigt, das Problem der Abmahnabzocke kurzfristig zu lösen. Jetzt hat sie endlich einen Referentenentwurf vorgelegt. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie diese Abmahnabzocke endgültig beendet.

(Beifall von den GRÜNEN)

Abschließend brauchen wir eine gute Lebensmittelüberwachung, meine Damen und Herren. Wir brauchen Transparenz bei den Ergebnissen. Pferdefleisch in Fertiggerichten, Eier, die nicht richtig gekennzeichnet sind, und jetzt auch noch Pferdefleisch im Restaurant: Damit ist unsere Forderung, für Transparenz bei den amtlichen Kontrollergebnissen im Gastronomie- und Lebensmittelbereich zu sorgen, dringender denn je. Wir wollen in diesem Jahr mit ausgewählten Kommunen in einem internetbasiertem Modellprojekt beginnen.

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, dem Einzelplan 10 zuzustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Blask. – Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Höne das Wort.

Henning Höne (FDP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will vorweg ein oder zwei Punkte ansprechen. Geschätzter Herr Kollege Markert, wenn ich mich recht erinnere, haben Sie eben davon gesprochen, dass die Ausgaben in Nordrhein-Westfa­len mit ca. 3.000 € pro Einwohner im Vergleich der Bundesländer sehr niedrig lägen. Abgesehen davon, dass man sich natürlich immer die passenden Kennzahlen aussuchen kann, will ich Ihnen gerne helfen; denn Sie sind ja Jurist. Juristen können bekanntlich nicht rechnen. Ich biete Ihnen hiermit gerne an, im Nachgang zu dieser Sitzung noch einmal über Skaleneffekte zu sprechen, die aus der Betriebswirtschaft kommen. An der Stelle können wir das mit Sicherheit aufklären.

Herr Minister Remmel, der nächste Punkt: Sie haben eben Klarheit und Wahrheit angemahnt. Das haben Sie inmitten dieser Fragestunde der Regierung an das Parlament getan, die wir eben von Ihnen mitbekommen haben. Wenn Sie das einfordern, frage ich mich, warum Sie einen Tag vor der Anhörung zur Dichtigkeitsprüfung, bei der es um private Hausanschlusskanäle geht, das bekannte Beispiel mit der Solinger Stadtautobahn von einem gewerblichen Abwasserkanal durch die Gegend geschickt haben. Dies geschah mit dem Hinweis, wir sollten das bitte für die Anhörung beachten. Das hat doch mit Wahrheit und Klarheit nichts zu tun.

Ich will zum Haushalt auf fünf Punkte eingehen, die zum Teil schon angesprochen worden sind.

Der erste Punkt betrifft das Wasserentnahmeentgelt. Die Anzuhörenden haben in breiter Einigkeit erklärt, dass es eigentlich keinen Grund zur Erhöhung des Entgelts gibt; denn die Aufgabenerfüllung kann auch mit den bestehenden Einnahmen erledigt werden. Herr Minister Remmel, das haben Sie auch schriftlich in einer Vorlage für den Umweltausschuss bestätigt. Trotzdem erhöhen Sie das Entgelt und belasten damit die Endverbraucher. Sie tun das nicht aus den Gründen, die Sie immer vorschieben, wonach Sie das Geld für die Wasserrahmenrichtlinie bräuchten.

Sie haben am 16. Januar im Ausschuss bestätigt, warum Sie das tun. Sie tun das, weil der Anteil des Finanzministers – gemeint sind die Einnahmen – nicht geringer geworden ist. Die Mehreinnahmen fließen also in den allgemeinen Haushalt und werden eben nicht für die Wasserrahmenrichtlinie gebraucht. Sie schieben das als Grund nur vor.

Dass Sie in nahezu allen Bereichen ein Ausgaben-, aber kein Einnahmenproblem haben, hat die Debatte seit gestern schon eindeutig belegt. Steuern und Abgaben zu erhöhen, ist eben das Leichteste, was Sie tun können. Trotz dieser Politik des Abkassierens schaffen Sie es aber nicht, den Haushalt merklich zu konsolidieren. Das dokumentiert aus unserer Sicht Ihr Staatsverständnis:

(Beifall von der FDP)

Das besteht aus mehr Aufgaben, mehr Ausgaben, mehr Kontrolle, mehr Personal. Das ist alles nach dem Motto: Viel hilft viel! Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit haben da das Nachsehen.

Zweiter Punkt. Stellenentwicklung: Eben ist es schon angesprochen worden. 387 Stellen mehr sind, einmal implementiert, so schnell nicht wieder einzusparen. Die Folgekosten, die an dieser Stelle entstehen, sind immens. Unserer Meinung nach sind Sie dem Parlament immer noch eine wirklich stellenscharfe Analyse schuldig, mit der diese einzurichtenden Stellen wirklich einmal auf den Prüfstand gestellt werden.

Weil es nicht angesprochen worden ist, will ich an dieser Stelle noch einmal sagen: Durch mehr Personal alleine wird doch nichts besser. Sie tun so, als könnte man jeden kommenden Skandal dadurch verhindern, dass man neue Stellen schafft. Entscheidend allerdings sind doch die Organisationsstrukturen dahinter. Aber erneut verfahren Sie nach dem Motto: Viel hilft viel!

Dritter Punkt. Schauen wir uns einmal eines Ihrer Projekte an, das Sie unterstützen: Es geht um die „Informationskampagne Ökologischer Landbau“: 250 Veranstaltungen im gesamten Land, bei denen Sie über Ökolandbau und Ökoerzeugnisse informieren. Das Ganze kostet den nordrhein-westfälischen Steuerzahler 250.000 €. – Nicht dass ich oder wir etwas gegen Ökoprodukte hätten, aber …

(Zuruf von den GRÜNEN: Niemals!)

– Herr Kollege Priggen, ökologischer Landbau hat seine Berechtigung. Hier unterscheiden wir uns: Ökologischer Landbau hat genauso seine Berechtigung wie konventionelle Landwirtschaft. Diese Gleichberechtigung sollten Sie eigentlich einmal anerkennen.

(Beifall von der FDP)

Aber in Zeiten knapper Kassen starten Sie lieber eine einseitige Informationskampagne, wobei es vielmehr Aufgabe der Ökobranche selbst wäre, auf sich aufmerksam zu machen und für sich zu werben. Das müsste ihr doch eigentlich leicht fallen, weil doch die Nachfrage nach Bio-Produkten und regionalen Produkten weiter ansteigt. Kampagnen vonseiten des Landes sind gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzlage weder notwendig noch angebracht. Sie dienen lediglich Ihrer Lobbyarbeit.

Vierter Punkt. Verbraucherschutz: Das Allerwichtigste – das muss immer unser Ziel sein und in den Köpfen schweben, wenn wir über Verbraucherschutzpolitik sprechen – ist ein informierter und sachkundiger Verbraucher. An der Stelle sind wir uns wohl vom Grundsatz her einig. Fest steht auch ohne Wenn und Aber: Die Verbraucher haben ein Recht darauf, dass im Produkt das drin ist, was draußen draufsteht. Gleichzeitig hat die Branche Pflicht, genau dafür zu sorgen.

Kriminelle Energie und Täuschung müssen eindeutig aufgedeckt und mit allen bestehenden Möglichkeiten geahndet werden. Aber neben der richtigen Forderung nach Aufklärung muss eine weitergehende Debatte erfolgen, die wir im Ausschuss zum Teil schon geführt haben. Der Preis repräsentiert eben immer auch die Qualität eines Gutes. Das bedeutet: Für 1,99 kann es – ob aus dem Kühlregal oder nicht – eben keine Spitzenqualität geben. Das gehört zur Wahrheit dazu.

(Minister Johannes Remmel: Was heißt das denn?)

– Herr Remmel, das heißt im Umkehrschluss, dass wir das Bewusstsein der Verbraucher schärfen müssen. Wir müssen an der Stelle an das Kaufverhalten der Verbraucher appellieren, ohne ihm im Übrigen vorzuschreiben, was er genau kaufen soll.

(Minister Johannes Remmel: Das heißt doch: Wer so ein Produkt kauft, ist selber schuld!)

– Herr Minister, wir müssen aufzeigen, dass zu geringsten Preisen eben nicht das beste Angebot erwartet werden kann.

(Minister Johannes Remmel: Das darf doch wohl nicht wahr sein!)

Fünfter und letzter Punkt. Hygieneampel: Bundesweit einheitlich wird es Ihr Projekt aufgrund massiver Bedenken, die wir übrigens teilen, nicht geben. Aber von diesen Bedenken haben Sie sich nicht beeindrucken lassen. Schon im letzten Jahr haben Sie Taten angekündigt, allerdings nicht geliefert. Im ersten Halbjahr sollte etwas passieren. Jedoch brauchen Sie sieben bis acht Wochen, um auf Kleine Anfragen zu antworten. Selbst nach so langer Zeit schaffen Sie es nicht, einfachste Fragen zu beantworten.

Für mich belegt das, dass Sie vor allem Überschriften produzieren wollen, ohne konkrete Maßnahmen oder ohne konkrete Rechtsgrundlagen vorher zu durchdenken.

Die FDP-Landtagsfraktion wird diesem Einzelplan nicht zustimmen. Es fehlt ein Konzept zum Abbau der Ausgaben. Es fehlen Konzepte für bestehende und für kommende Projekte. Es gibt ein Buch grüner Lieblingsprojekte, die wenig durchdacht und wenig konzipiert sind und die weitestgehend keinen oder nur sehr wenig Nutzen für die Umwelt oder die Verbraucher bringen. – Herzlichen Dank!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Höne. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Rüße.

Norwich Rüße (GRÜNE): Werte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Höne, Sie haben sich gerade in Ihrer Rede unglaublich widersprochen: Auf der einen Seite fordern Sie vom Minister und von uns allen, wir sollten das Verbraucherbewusstsein schärfen. Auf der anderen Seite kritisieren Sie den Minister dafür, wenn er zum Beispiel Projekte wie „Aktionstage Ökolandbau“ durchführt, die einen Teil dieser Verbraucherbewusstseinsbildung darstellen. Sie können nur das eine oder das andere haben.

(Ibrahim Yetim [SPD]: Beides!)

Ich glaube, dass es an der Stelle genau richtig ist, Geld zu investieren.

Der Minister hat gerade gesagt, dass wir eigentlich einen Streit um die besseren Ideen haben wollen, wenn wir hier diskutieren. Also schaut man sich natürlich die Anträge an, die von der CDU zum Haushalt kamen. Ich war schon sehr überrascht, dass Sie gerade in der Titelgruppe „Naturschutz und Landschaftspflege“ von den 36 Millionen € 16 Millionen € streichen wollen. Das ist schon überraschend, und ich kann Ihnen an der Stelle nur bescheinigen, dass Sie eine gewisse Boshaftigkeit gegenüber dem Naturschutz an den Tag legen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das wirklich Überraschende ist dann noch die Kaltschnäuzigkeit, mit der Sie; Herr Deppe, im Ausschuss verkünden, die Biologischen Stationen würden neben den Verbraucherzentralen bei Ihnen einen Schwerpunkt bilden. Ich frage mich: Was sollen die Biologischen Stationen denn noch machen, wenn Sie an der Stelle die Mittel dermaßen kürzen? Oder eine andere Alternative: Sie wollen, dass das Land die Gänsefraßschäden am Niederrhein nicht mehr finanziert. Vielleicht meinen Sie ja das. Alles geht nicht.

Besonders beeindruckend ist auch Ihr Vorschlag, bei der „NRW-Stiftung Natur, Heimat, Kultur“ von 8 Millionen € über 1 Millionen € wegzustreichen. Auch dort frage ich mich: Ist das die Rache der Westfalen? Sinnvoll ist dieser Kürzungsvorschlag nicht. Dass Sie einer Stiftung, die erwiesenermaßen von uns allen attestiert bekommt, gute Arbeit zu leisten, so viel Geld wegnehmen wollen, können wir nicht nachvollziehen. Diese Stiftung macht gerade im ländlichen Raum gute Arbeit. Es wirft ein bezeichnendes Licht darauf, was Ihr angeblicher Einsatz für den ländlichen Raum wirklich wert ist.

Aus unserer Sicht der Gipfel ist allerdings Folgendes: Im Bereich der Umweltverwaltung wollen Sie für die mehr eingesetzten Stellen gleich die Hälfte der Mittel wieder kürzen und von 20 Millionen € knapp 10 Millionen € wegstreichen. Als Begründung heißt es dann bei Ihnen, dass zur Verbesserung der Umweltüberwachung ein Personalaufwuchs von 100 Stellen ausreichend ist.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Rüße, Entschuldigung. Der Kollege Höne würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.

Norwich Rüße (GRÜNE): Ja, kann er machen. Hoffentlich nicht zur Skalierung.

Henning Höne (FDP): Frau Präsidentin! Herr Kollege Rüße, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Die Skaleneffekte klären wir zum Ende der Plenarsitzung.

Noch einmal zurück zur Stiftung Umwelt und Entwicklung. Das ist eine Stiftung, die sich auch um Nachhaltigkeit kümmert.

Glauben Sie nicht, dass es sinnvoller wäre, Zuschüsse an eine solche Stiftung, die sich um Nachhaltigkeit kümmert, auch nachhaltig zu investieren, sprich direkt in das Stiftungsvermögen fließen zu lassen, um mittelfristig, ohne in die Details zu einzelnen Projekten einsteigen zu wollen, dafür zu sorgen, dass die Stiftung unabhängig von der tagesaktuellen Politik auf eigenen Beinen stehen kann?

Norwich Rüße (GRÜNE): Lieber Kollege Höne, vielen Dank für die Nachfrage. Ich glaube, angesichts der aktuell zu erzielenden Zinsen ist das Konstrukt der Stiftung im Moment schwierig. Ich denke, das wissen wir beide. Von daher können Sie derzeit so viel Kapital, wie sie bräuchten, um die Arbeit im Moment bei 1 % zu erzielenden Zinsen aufrechtzuerhalten, allein aus den Erträgen nur schwerlich leisten. Von daher ist der von uns getätigte Weg genau richtig.

Bei den von Ihnen vorgeschlagenen nur 100 anstatt 300 Stellen zusätzlich in der Umweltverwaltung frage ich mich, ob Sie aus den aktuellen Skandalen nichts gelernt haben. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie vor dem Hintergrund dessen, was wir in den letzten Jahren hatten – wir hatten Dioxine, wir hatten Envio; aktuell haben wir Pferdefleisch und Eier –, einen solchen Antrag hier nicht gestellt und sich mit uns gemeinsam hinter die Umweltverwaltung gestellt hätten.

Ich werfe Ihnen direkt vor, dass Sie mit Ihren Kürzungsvorschlägen, die Sie an der Stelle machen wollen, wissentlich eine Verschlechterung der Umweltverwaltung und sogar weitere Skandale riskieren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir werden natürlich auch im Jahr 2013 weiter über den zukünftigen Weg der Landwirtschaft diskutieren. Ich glaube, wir werden weiterhin in der Diskussion bleiben, welcher Weg der richtige ist. Weltmarkt oder Regionalmarkt? Wollen wir am Weltmarkt mitspielen oder wollen wir die Verbraucherinnen und Verbraucher in erster Linie vor unserer eigenen Haustür bedienen?

Das erste Modell – das haben wir aktuell erlebt – ist der Wettlauf, wer das billigste Fleisch für die globalisierte Lasagne liefern kann. Das andere Modell, das wir präferieren, ist die Regionalität, und das basiert darauf, dass Landwirte für eine definierte Qualität, für eindeutige Herkunft vor Ort auch deutlich bessere Preise erzielen können.

Das Problem ist, wer billig produzieren will, wer am Weltmarkt mitspielen will, der muss als Landwirt auf Teufel komm raus wachsen. Der muss die von Ihnen, Herr Höne, zitierten Skaleneffekte einsetzen. Der muss in Bestände von 200.000 Masthähnchen, 10.000 Mastschweinen hineinwachsen. Das wären dann die geltenden Normen.

Nur eins ist klar: Die Menschen in NRW fragen uns doch: Was machen die Landwirte denn da? Was passiert mit den Böden? Ich will daran erinnern, dass wir gestern über Bienen, über Imker diskutiert haben. Das ist doch ein gutes Beispiel dafür, wie die Natur unter der Intensivlandwirtschaft leidet.

Wir beantworten die Fragen zur Zukunft der Landwirtschaft anders als Sie. Ich glaube, wenn ich noch einmal zusammenfassend auf den Einzelplan 10 schaue, wenn ich die Änderungsanträge von der CDU dagegenstelle, dann gibt es für mich nur ein Fazit: Landwirtschaft und Umwelt sind in NRW bei Minister Remmel derzeit in absolut guten Händen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Rüße. – Für die Landesregierung hat Minister Remmel noch einmal um das Wort gebeten.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich war alles gesagt. Aber, Herr Höne, eine Bemerkung von Ihnen reizt mich zum Widerspruch, weil ich das in der Debatte ab und an höre – mich wundert es nicht, dass es aus Ihrem Mund kommt –, und zwar die Bemerkung zu den 1,99 € für 500 g Lasagne, dass man es nicht anders erwarten könne, wenn es so billig ist.

Das ist eine Beschimpfung der Verbraucherinnen und Verbraucher,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Reiner Priggen [GRÜNE]: Ganz genau!)

die offensichtlich zu dumm sind, solche Produkte zu kaufen. Das ist Ihr Verständnis von Freiheit und Verantwortung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zur Freiheit gehört auch immer die Verantwortung. Deshalb müssen wir in der Tat darüber diskutieren, wie dieser Markt funktioniert, dass er offensichtlich so eng ist, dass er für solche Einfälle und Ausfälle anfällig ist.

Andererseits habe ich als Minister für Verbraucherschutz den Anspruch – den sollten auch Sie haben –, dass jedes Produkt, egal wie preiswert es ist, an der Ladentheke für den Verbraucher und die Verbraucherinnen sicher ist und auch drauf steht, was drin ist.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das wäre meine Erwartung an die Aussagen von Ihnen.

Zum Abschluss muss es gestern eine Bemerkung und eine Frage von Herrn Stein zum Einzelplan 20 gegeben haben, und zwar zu der Frage vertragliche Situation THTR. Der Kollege Finanzminister hat mich gebeten, dazu Stellung zu nehmen. Das will ich hier jetzt nicht tun. Ich gebe das gern zu Protokoll. Im Protokoll können Sie nachlesen, wie die vertraglichen Verpflichtungen sind und wie die Situation ist. (Siehe Anlage 1) – So weit zu dieser Sache.

Präsidentin Carina Gödecke: Ich wollte Sie nicht unterbrechen. Es gab erneut den Wunsch nach einer Zwischenfrage, dieses Mal vom Kollegen Busen. Möchten Sie die Zwischenfrage jetzt als Endfrage zulassen?

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Immer wieder gern.

Karlheinz Busen (FDP): Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Rüße fragte vorhin, ob wir weiterhin den Weltmarkt bedienen wollen. Haben Sie auch vor, Deutschland zu einer Enklave der Landwirtschaft zu machen?

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Das habe ich doch gar nicht gesagt!)

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Dazu müssten wir jetzt länger diskutieren.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Wir müssen mal etwas Grundsätzliches über Kreislauf machen!)

Vielleicht kurz und knapp. Ich weiß nicht, ob Sie in den letzten Wochen und Monaten, in den letzten Jahren verfolgt haben, welche Bedeutung der Rohstoffmarkt, der Markt um Ernährungsprodukte, weltweit bekommen hat. An vielen Stellen ist dieser Markt mittlerweile wichtiger als der Finanzmarkt. Wenn irgendwo der Getreidepreis steigt, fallen Regierungen in anderen Ländern.

Deshalb sage ich: Natürlich sind wir weltmarktorientiert. Aber wir müssen, wenn wir gleichzeitig wissen, dass bis 2050 zusätzlich zwei Milliarden Menschen auf der Welt sein werden, doch alles dafür tun, unsere Strukturen so krisenfest zu machen, dass wir unsere Ernährungssouveränität hier sichern können. Es ist Politik der Landesregierung, Ernährungssouveränität hier zu sichern, möglichst immer da, wo es geht, unabhängig vom Weltmarkt zu werden, aber doch nicht gegen den Weltmarkt zu agieren. Diese Diskussion so zu führen, ist doch Kleinkinderkram.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Bevor ich jetzt die weiteren Wortmeldungen, die eingegangen sind, aufrufe, möchte ich gern zum Zeitkontingent noch etwas sagen, weil das nicht ganz einfach ist.

Der Minister hat in beiden Redebeiträgen zusammen insgesamt die Redezeit um 2:57 Minuten überzogen, im ersten Beitrag bereits um 1:12 Minuten, die wir großzügigerweise bei den Rednern der FDP und der Grünen in der zweiten Runde bereits gedanklich und hier nachvollziehbar eingerechnet haben, sodass jetzt SPD, CDU und Piraten die noch auf ihren Displays befindliche Redezeit plus 2:57 Minuten haben. Die FDP hat bereits eine Minute und vier Sekunden verbraucht, die Grünen 53 Sekunden, sodass wir Ihnen jeweils unterschiedliche Redezeiten gewähren können, damit es gerecht bleibt.

Herr Kollege Sundermann möchte nicht mehr für die SPD sprechen. Dann hat sich Kollege Höne von der FDP gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort.

Henning Höne (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Remmel, das, was Sie gerade gemacht haben, waren zwei Dinge: Nummer eins, die Worte um Mund umdrehen, Nummer zwei, blanker Populismus.

(Beifall von der FDP – Zurufe von der SPD)

Das war an Unverschämtheiten nicht mehr zu übertreffen.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Hätten Sie mir zugehört – Sie auch, Frau Beer, vielleicht hören Sie auch mal zu –, dann hätten Sie mitbekommen, dass ich gesagt habe: Es muss drin sein, was drauf steht. Daraus würde ich auch ableiten, dass es ordentlich sein muss. Ich habe gesagt: Die Branche muss auch dafür sorgen, dass das wirklich so ist und muss es garantieren.

Wenn man diese beiden Punkte im Kopf hat und dann dazu sagt, der Preis repräsentiert natürlich die Qualität eines Gutes, dann kann man daraus schließen: Herr Kollege Höne hat allen Verbrauchern an dieser Stelle Dummheit unterstellt – wenn man es populistisch auslegen möchte, mag das so sein, das mag dann auch in Ihre Ideologie passen –, oder aber man schließt daraus: Wir müssen an die Verbraucher appellieren, so wie ich es eben auch schon gesagt habe, und müssen darauf hinweisen, dass die Menschen in Deutschland im europäischen Vergleich, relativ gesehen, für Lebensmittel sehr wenig ausgeben. Offensichtlich haben wir in Deutschland eine Sondersituation, dass die Lebensmittel nicht entsprechend wertgeschätzt werden, wie es sein könnte.

(Beifall von der FDP)

Herr Minister, ich habe zu keinem Zeitpunkt gesagt, dass, wenn man nur 1,99 für ein Essen ausgibt, Mist drin sein darf.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Aber ich habe schon darauf hingewiesen, wie bei allen anderen Gütern auch: Je mehr ich bezahle, desto mehr Möglichkeiten gibt es in der gesamten Lieferkette auch, etwas Besseres, etwas Hochwertigeres zu liefern.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

– Frau Beer, dass es Qualitätsunterschiede auch bei Lebensmitteln gibt, die sich über den Preis abbilden, ohne dass an der einen Seite Pferdefleisch untergemischt sein muss und auf der anderen Seite das Kobe-Rind steht, kann man wahrscheinlich auch als Grüner akzeptieren.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege, Ihre Redezeit.

Henning Höne (FDP): Ich sage es an dieser Stelle noch einmal: Ich kann das nur zurückweisen, Herr Remmel, was Sie mir an dieser Stelle vorgeworfen haben. Das war albern. Das war populistisch, und das war vor allem der Sache nicht zuträglich.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Höne. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Deppe.

Rainer Deppe (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Remmel! Sie haben einen Haushalt aufgestellt. Ihre Aufgabe in dieser Debatte ist es, den Haushalt darzustellen und darüber zu debattieren. Was haben Sie gemacht? Sie haben zu diesem Haushalt kein Wort gesagt. Die Frage nach den Referatsleitern haben Sie natürlich nicht beantwortet, was schon unangenehm ist: 46 % Steigerungen bei den Referatsleitern – und die Stellen wahrscheinlich überwiegend mit Grünen besetzt. Das ist ein neues Thema, das man aufmachen könnte, nämlich die Personalvermehrung bei Ihnen. Dazu haben Sie nichts gesagt.

Stattdessen stellen Sie sich hierhin und fragen die Opposition. Wir können die Fragen beantworten. Dann wären wir aber Regierung.

(Heiterkeit von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Remmel, Sie sind in Wahrheit nach wie vor ein Oppositionspolitiker. Deshalb bekommen Sie auch nichts geregelt. Aus diesem Grunde scheitern Sie bei einem Projekt nach dem andern. Sie haben die ganze Szene aufgemischt. Letztlich haben Sie aber nichts erreicht. Wir werden nachher darauf noch einmal kommen.

Ich möchte noch darauf eingehen, was Sie zum Thema Pferdefleisch – wir konnten nicht alle Themen ansprechen – sagen. Natürlich ist das Betrug, wenn Rindfleisch verkauft wird, wie drauf steht, und Pferdefleisch drin ist. Aber ist genauso Betrug, wenn den Menschen Bio-Öl, Bio-Pflanzen, Bio-Eier verkauft werden, obwohl die Produkte konventionell erzeugt sind. Das Dumme ist nur: Dazu sagen Sie nichts.

Gucken Sie auf die Homepage Ihres Ministeriums! Keine einzige Erklärung zu dem aktuellen Bio-Eier-Skandal. Da sind Sie stumm. Das ist das, was wir Ihnen vorwerfen. Sie messen mit zweierlei Maß. Für Sie hat Verbraucherschutz nichts mit objektiver Information der Verbraucher zu tun.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Deppe, entschuldigen Sie, dass ich Sie jetzt unterbreche. Der Kollege Markert würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Rainer Deppe (CDU): Ja, gern, Herr Markert.

Hans Christian Markert (GRÜNE): Lieber Herr Deppe, vielen Dank für die Möglichkeit, hier eine Frage zu stellen. Bei Ihrem engagierten umweltpolitischen Redeschwall würde mich interessieren, wie Sie sich erklären, dass Ihr großartiges Engagement heute Abend von Ihrer eigenen Fraktion nicht so stark unterstützt wird und warum sie es vorzieht, einen kommunalpolitischen Kongress während der Haushaltsberatungen im Maritim-Hotel parallel abzuhalten?

Rainer Deppe (CDU): Lieber Herr Kollege Markert, wir können eine andere Frage stellen, und zwar an Ihre Geschäftsführerin, warum sie mich eben massiv, schon fast genötigt hat, auf die Aussprache zu einem Gesetz, das wir nachher noch beraten wollen, bei dem es um die Weihnachtsbäume geht, zu verzichten und die Reden zu Protokoll zu geben. Das ist Ihre Form von Transparenz. Wir tagen hier in der Öffentlichkeit, und wir diskutieren auch hier.

(Beifall von der CDU – Rainer Schmeltzer [SPD]: Bis zum bitteren Ende!)

Jetzt möchte ich noch etwas sagen – aber ich habe keine Uhr und weiß nicht, wie lange ich noch sprechen darf – zum Thema Fracking, damit sich nichts Falsches festsetzt. Die Position der CDU-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen ist glasklar. Wir waren die Ersten, die dazu einen Antrag eingebracht haben. Das hat Sie übrigens geärgert.

Diesen Antrag haben wir hier beschlossen. Wir brauchen – ich sage es noch einmal – in Nordrhein-Westfalen kein Fracking. Bitte zum Mitschreiben im Protokoll!

(Beifall von der FDP)

Wenn gesagt wird, in Trinkwassergebieten nicht, dann sage ich: Trinkwasser wird nicht nur dort gewonnen, wo Trinkwasserschutzgebiete ausgewiesen sind.

Deshalb hat es überhaupt keinen Sinn, hier in Nordrhein-Westfalen mit Fracking anzufangen. Da ist die Position unserer Fraktion ganz klar. Ich bitte Sie, dies zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall von der CDU – Zuruf von den PIRATEN: Hört, hört!)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Deppe. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Die SPD, die Grünen und die Piraten hätten aber noch Redezeit. Es bleibt aber dabei? – Dann schließe ich die Debatte zu den Teilbereichen „Umwelt und Naturschutz“, „Verbraucherschutz“ und „Landwirtschaft“ des Einzelplans 10 und rufe auf:

     Teilbereich
Klimaschutz

Ich erteile als erstem Redner für die CDU-Fraktion Herrn Kollegen Deppe das Wort.

Rainer Deppe (CDU): Liebe Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir reden über Klimaschutz. Leider trägt diese Landesregierung nichts dazu bei.

Wo sie gefordert wäre, nämlich beim Ausbau der erneuerbaren Energien, da versagt sie gänzlich. Bei der Energiewende in Nordrhein-Westfalen kommen wir nicht voran.

400 Windräder Jahr für Jahr wollte der Klimaschutzminister in Nordrhein-Westfalen bauen. Daraus ist bisher nichts geworden. Grund sind die Hemmnisse, die die Umweltbehörden und die Artenschutzbehörden hier aufbauen.

Die Windkraft in Nordrhein-Westfalen wird ausgebremst durch langanhaltende komplizierte und teure Genehmigungsverfahren. So werden hier immer weniger statt mehr Windkraftanlagen gebaut.

Die Genehmigungsverfahren ziehen sich über Jahre hin. Landwirte, Bürger, Genossenschaften beklagen sich, dass sie Hunderttausende von Euros für immer neue Gutachten ausgeben müssen und dann doch keine Genehmigung erhalten.

So ist in Nordrhein-Westfalen der Zubau der Winderzeugungskapazitäten vom Jahr 2011 mit 160 Megawatt auf 133 Megawatt im Jahr 2012 und somit um 16,4 % gesunken.

Damit nicht gleich wieder gesagt wird: „Daran trägt die Bundesregierung die Schuld“, möchte ich darauf hinweisen, dass im gleichen Zeitraum der Zubau in Deutschland um 21,5 % gestiegen ist.

Beim Windenergiezubau belegt Nordrhein-Westfalen im Vergleich der Bundesländer nur noch Rang 8, während wir im Jahr 2011 immerhin auf Rang 6 standen. Unter Rot-Grün droht unser Land im bundesweiten Vergleich zum Verlierer der Energiewende zu werden.

Herr Remmel, die drei Jahre, die Sie jetzt im Amt sind, sind für den Zubau der Windenergie verlorene Jahre gewesen. Es ist bedauerlich, dass jetzt durch eine bundesweite Diskussion, an der sich viele beteiligen, eine große Verunsicherung in der Branche ausbricht und wir diesen Rückstand, der zu Ihrer Zeit entstanden ist, wahrscheinlich nicht wieder aufholen können.

(Beifall von der CDU)

Es wäre Ihre Pflicht gewesen – und sie ist es nach wie vor –, die bürokratischen Hemmnisse, die wohl in keinem Land so groß sind wie hier, beim Ausbau der Windkraft in Nordrhein-Westfalen zu beseitigen.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Deppe, Entschuldigung, dass ich Sie schon wieder unterbreche. Diesmal ist es der Herr Kollege Rohwedder, der Ihnen eine Zwischenfrage stellen möchte.

Rainer Deppe (CDU): Bitte schön.

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin, und Ihnen, Herr Deppe, vielen Dank für diese Gelegenheit.

Sie malen ja hier ein düsteres Bild von der Entwicklung der Windkraft in Nordrhein-Westfalen an die Wand. Würden Sie es für sinnvoll halten, den alten Windkrafterlass der Rüttgers-Landesregierung wieder in Kraft zu setzen?

Rainer Deppe (CDU): Herr Remmel ist mit dem neuen Windkrafterlass als „Windermöglichungserlass“ – ich hoffe, ich zitiere Sie da richtig – angetreten.

(Hanns-Jörg Rohwedder [PIRATEN]: Es ging um Rüttgers!)

– Nein, ich meine Herrn Remmel. – Ich will das aber gar nicht in Abrede stellen. Die CDU hat ja ihre Haltung zur Windenergie in Nordrhein-Westfalen verändert.

Ich selbst war daran nicht ganz unmaßgeblich beteiligt. Ich erinnere mich an Diskussionen, bei denen es um das Thema „Windenergie im Wald“ ging und ich Schelte bekam, als ich mit der Kollegin Brunert-Jetter im Sauerland war und gesagt habe: Man kann das Ganze auch im Wald machen.

Mittlerweile ist unsere Position dazu wesentlich offener. Tatsache ist jedoch, dass wir es hier in Nordrhein-Westfalen mit zunehmenden Hindernissen der Umweltverbände, der Umweltbehörden und der Artenschutzbehörden zu tun haben.

Der Kollege Busen hat vorhin etwas zu den Möglichkeiten des Verbandsklagerechts gesagt. Hierzu habe ich eine entsprechende Anfrage gestellt. Ich bin sehr gespannt, wie sie beantwortet werden wird.

Meine Damen und Herren, meine Sorge ist, dass wir jetzt wirklich den Anschluss verloren haben und wir in Deutschland zum Verlierer der Energiewende werden; Herr Duin will das doch mit Zahlen belegen. Herr Remmel, bei Ihnen sind leider die bürokratischen Hemmnisse zu groß gewesen.

Stattdessen erlassen Sie ein Klimaschutzgesetz; darüber haben wir lange diskutiert. Es ist jetzt in Kraft getreten. Ich will es noch einmal sagen: Das Klimaschutzgesetz wird weder das Klima in Nordrhein-Westfalen noch das Klima in der Welt positiv verändern.

Sie haben leider den falschen Weg eingeschlagen und haben neben das EU-Emissionshandelssystem ein anderes System gesetzt. Damit sorgen Sie dafür, dass die Zertifikate noch billiger werden. Sie unterlaufen damit die Politik der EU-Kommission und die Politik von Bundesminister Altmaier. Zum Schluss werden Sie sich wahrscheinlich noch hinstellen und sagen: Die waren daran schuld.

Wir sollten in Nordrhein-Westfalen Fortschrittsmotor für Klimaschutztechnologien sein. Das ist unsere Wirtschaft grundsätzlich. Gestern Abend hatten wir eine große Veranstaltung der Firma Currenta.

Der Chemiestandort in Nordrhein-Westfalen ist ein Topstandort. Hier werden Klimaschutzprodukte erzeugt. Das sollten wir fördern und nicht behindern, indem wir sagen: Wenn man mehr Menge produziert, werden auch mehr Klimagase emittiert. Denn diese Produkte werden die Klimabilanz insgesamt verbessern.

Sie könnten auch etwas für den Klimaschutz und die Energieeffizienz tun, indem Sie dafür sorgen, dass statt alten Kohlemeilern, die weiter am Netz bleiben, das modernste Steinkohlekraftwerk der Welt in Datteln endlich ans Netz gehen kann. Auch da sagen Sie: Damit haben wir nichts zu tun; das ist nicht unser Problem. – Aber am Ende wird die Klimabilanz dadurch nicht verbessert, sondern verschlechtert.

Ich glaube, Sie sollten Ihr Engagement dort hineinsetzen und dafür sorgen, dass der Weg des Klimaschutzes in Nordrhein-Westfalen tatsächlich beschritten wird und dass wir beim Ausbau erneuerbarer Energien wirklich vorankommen. Dann würden wir hier auch tatsächlich weiterkommen. Ich habe aber Sorge, dass Ihnen das nicht gelingen wird.

(Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Deppe. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Meesters von der SPD. Jetzt funktioniert die Anzeige auch wieder richtig. Wir hatten ein kleines Problem mit der Technik. Aber Ihre Redezeit wird jetzt korrekt angezeigt.

Norbert Meesters (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es hat mich sehr gefreut, von Herrn Deppe zu hören, dass die CDU erkannt hat, dass ihre Windkraftverhinderungspolitik unter der Rüttgers-Regierung falsch war, und dass sie ihre Meinung geändert hat;

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

denn dieser Punkt ist eigentlich dafür verantwortlich, dass wir in Nordrhein-Westfalen gegenüber anderen Bundesländern in den letzten Jahren so weit zurückgefallen sind.

Ich wünsche mir sehr, dass sich die Einstellung zum Klimaschutz bei Ihnen auch irgendwann in Richtung Realität bewegt. Dann können wir gemeinsam vieles voranbringen; denn der Klimaschutz ist, wie wir alle wissen, eine Aufgabe, die einen langen Atem und konsequentes politisches Handeln erfordert.

Seit vielen Jahren wird das Problem abschmelzender Polkappen diskutiert. Klar ist aber auch: Der Klimawandel ist längst bei uns in Nordrhein-Westfalen angekommen. Das Ganze ist nicht nur ein Problem exotischer Orte wie der Polkappen oder der Malediven, die zu Recht fürchten, bei einem Anstieg des Meeresspiegels überflutet zu werden. Zugespitzt gesagt, ist es auch nicht allein das Problem der Eisbären, die langsam nervös werden, weil sie keine ausreichenden Eisschollen mehr finden. Vielmehr ist es unser aller Problem. Daher sind wir als Land auch in der Pflicht, aus wohlerwogenem Eigeninteresse unseren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Hierzu zählen natürlich viele verschiedene Bausteine.

Erst vor Kurzem haben wir das Klimaschutzgesetz in Nordrhein-Westfalen – Sie haben es angesprochen, Herr Deppe – beschlossen. Das war ein starkes Signal für den Klimaschutz in Deutschland.

Mit der Erarbeitung des Klimaschutzplans, die derzeit unter großer gesellschaftlicher Beteiligung erfolgt, bereiten wir nun die konkreten Maßnahmen zur Umsetzung der Ziele des Klimaschutzgesetzes vor.

Unsere Klimaschutzpolitik in Nordrhein-Westfalen hat aber noch mehr Bausteine. So hat Nordrhein-Westfalen mit dem KlimaschutzStartProgramm ein wichtiges Instrument aufgelegt, um verschiedene Maßnahmen, vornehmlich auf kommunaler Ebene, zu initiieren und damit den Klimaschutz voranzutreiben; denn gerade unsere Kommunen spielen bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen eine Schlüsselrolle. Daher wurde beim KlimaschutzStartProgramm zu ihrer Unterstützung ein umfassendes Maßnahmenbündel mit kommunaler Ausrichtung aufgelegt. Diese sind auch ihr Geld wert. Ich möchte sie exemplarisch aufzählen.

Beginnen will ich mit dem bei der EnergieAgentur.NRW angesiedelten EnergieDialog.NRW als Informations- und Beratungsplattform für erneuerbare Energien in NRW für die Kommunen.

Mit dem Förderbaustein „Markteinführung“ von progres.nrw fördert das Land Techniken zur Nutzung unerschöpflicher Energiequellen. Hierdurch soll einerseits schnell die Wirtschaftlichkeit der jeweiligen Technik erreicht werden. Zudem soll es zu einer Reduzierung der CO2-Emissionen kommen. Mit progres.nrw „Markteinführung“ wird auch die Technik der Kraft-Wärme-Kopplung für private Haushalte gefördert.

Außerdem unterstützt das Land die Kommunen mit dem CO2-Bilanzierungstool ECORegion, damit sie eine eigene CO2-Bilanz erstellen können.

Mit diesen bereits angelaufenen Maßnahmen wollen wir unsere Kommunen bei ihren Anstrengungen für den Klimaschutz voranbringen und aktiv unterstützen. Ich möchte die Kommunen auch von dieser Stelle aus ermuntern, sich dort entsprechend einzubringen.

Neben der bereits aufgezeigten kommunalen Förderung mit dem KlimaschutzStartProgramm werden vor allem konkrete Maßnahmen zur Energieeinsparung gefördert. Dabei haben wir die energetische Sanierung im Auge und fördern investive Maßnahmen im Bestand in Miet- und Genossenschaftswohnungen sowie selbst genutztem Wohneigentum für Haushalte mit geringen Einkommen.

Zudem wollen wir durch Beratungsangebote zur Stromeinsparung die aufsuchende Energieberatung ausweiten. Durch Einsparungen wird nämlich nicht nur das Klima geschützt. Wir wollen damit auch dem Problem der Energiearmut entgegenwirken.

Zum Abschluss möchte ich noch den Blick auf die Kraft-Wärme-Kopplung richten; denn dies ist aus unserer Sicht eine Schlüsseltechnologie, die wir mit dem KWK-Impulsprogramm NRW intensiv vorantreiben wollen. KWK, also die Umwandlung eines Brennstoffs in elektrische und thermische Energie, hat einen deutlich höheren Nutzungsgrad als etwa die normalen Kraftwerke. Insgesamt lässt sich, wie wir wissen, der Nutzungsgrad auf 80 bis 90 % steigern. Damit ist KWK viel effizienter als herkömmliche Technologien. Bei diesen gewaltigen Potenzialen ist es nur logisch, dass hier ein Schwerpunkt unserer Förderpolitik liegt.

Als Land nehmen wir mit den vielen Maßnahmen und Programmen, von denen ich hier nur einige exemplarisch zitiert habe, die Herausforderung des Klimawandels an. Ich bitte Sie alle um Unterstützung unserer verantwortlichen Politik zum Schutz unseres Klimas. Eingangs habe ich ja erklärt, dass die CDU – zumindest verbal – einen Lernprozess bei der Energiewende gemacht hat. Ich hoffe, dass das auch im Klimaschutz irgendwann einmal passiert, und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Meesters. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Höne.

Henning Höne (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Klimaschutz ist uns allen ein Anliegen. Er ist auch der FDP ein zentrales Anliegen. Wir setzen auf einen effektiven Klimaschutz mit effizienten Maßnahmen. Das kann man an verschiedenen Beispielen sehen. Beispielsweise hat das Stromeinspeisungsgesetz des Bundes von 1990 erstmalig die Versorgungsunternehmen für Elektrizität zur Einspeisung und Vergütung erneuerbarer Energien verpflichtet. Es ist unter liberaler Beteiligung entstanden. Außerdem war NRW das erste Bundesland, das 2008 unter Regierungsbeteiligung der FDP eine eigene Energie- und Klimaschutzstrategie vorgelegt hat.

Die rot-grüne Landesregierung liefert hingegen mit dem kürzlich beschlossenen Klimaschutzgesetz ein Paradebeispiel, wie man Klimaschutz vor allem parteipolitisch nutzt und das eigentliche Ziel dabei kein bisschen schneller erreicht. Darüber haben wir viel diskutiert. Auch wenn das Gesetz jetzt beschlossen ist, ist das der zentrale Punkt Ihrer Klimaschutzpolitik. Darum will ich an dieser Stelle darauf eingehen.

Ihr Klimaschutzgesetz gefährdet weiterhin den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen. Es spart nicht ein Gramm CO2 ein. Damit ist es klimapolitisch wirkungslos. Auch in diesem Bereich gilt: Außer ein paar Überschriften haben Sie nicht viel erreicht.

Das Gesetz ist jetzt da. Wir sollten es nun mit Leben füllen. Die Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen haben in letzter Sekunde kurz vor der Verabschiedung des Gesetzes nach langen Hinweisen von unserer Seite aus dazu einen Entschließungsantrag eingebracht, der endlich auch eine inhaltliche Beteiligung des Parlaments beim Klimaschutzplan vorsieht.

Das war ein sehr spätes Zeichen, aber dennoch ein gutes Zeichen. Besser spät als nie. Ich bin gespannt darauf, wie Sie sich diese Einbindung vorstellen. Konkretes haben Sie bislang an dieser Stelle leider vermissen lassen. Außer einem Bericht über den aktuellen Stand zur Erarbeitung des Klimaschutzplans vom 15. Februar wurde das Parlament leider überhaupt nicht einbezogen.

Dann können wir uns die Protokolle der Arbeitsgruppen anschauen. Dabei ist positiv anzumerken, dass Sie sich endlich auf eine produktbezogene CO2-Bilanzierung fokussieren wollen. Das finde ich sehr gut, darauf haben wir häufig hingewiesen. Ich denke, dass die Enquetekommission zum Thema Chemie, Herr Kollege Markert, dazu beitragen und entsprechende Hinweise erarbeiten kann.

Ich bin trotzdem der Auffassung, dass die Förderung von Wissenschaft und Forschung von vornherein besser geeignet gewesen wäre als jetzt die Implementierung einer Ad-hoc-Arbeitsgruppe. Aber immerhin zeigen Sie, dass Sie das Thema „produktbezogene Klimabilanz“ nicht ganz vergessen. Wenn wir an dieser Stelle vorankommen, wäre es wirklich nachhaltiger Klimaschutz made in NRW.

Davon abgesehen haben wir aber das Gefühl, dass der Zeitablauf zur Erstellung des Klimaschutzplans zu eng gestrickt ist und die Arbeitsgruppen, so sind ja die Rückmeldungen, in der kurzen Zeit in der Komplexität überfordert sind. Die Arbeitsgruppe „Verkehr“ hält zum Beispiel im Protokoll vom 20. November 2012 fest, dass – ich zitiere: Unsicherheit über den Prozess herrsche. So erhielten die Teilnehmer ihre Unterlagen – ganze Stapel – sehr kurzfristig. Als Folge davon wurde dann die Sinnhaftigkeit einer weiteren Sitzung komplett infrage gestellt.

Wir fragen uns an dieser Stelle, ob es nicht doch der falsche Ansatz war, erst ein Gesetz zu verabschieden und dann im zweiten Schritt den Klimaschutzplan zu erarbeiten, um das Gesetz mit Leben zu erfüllen. Die Hinweise aus den Arbeitsgruppen bestätigen uns in den Befürchtungen, dass genau ein Vorgehen in der anderen Reihenfolge besser gewesen wäre. Das wäre der Sache insgesamt dienlicher gewesen.

Außerdem sind wir immer noch der Auffassung, dass erfolgreiche Klimaschutzpolitik nur dann gelingen kann, wenn wir nicht 17 Energiewenden in Deutschland haben. Alle Akteure, Bund und Länder müssen sich besser abstimmen, um die Energiewende zu einem Erfolgsprojekt werden zu lassen. Alleingänge einzelner Akteure an dieser Stelle, die sich als Klassenbeste herausstellen wollen, bringen die Energiewende keinen Schritt voran. Hier offenbart sich ein weiteres Problem des Klimaschutzplans. Integriert man lediglich die direkt in NRW umsetzbaren Maßnahmen oder bezieht man auch bundesweit abgestimmte Aktionen mit ein? – Letzteres wäre doch wesentlich effizienter als Insellösungen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns darin einig, dass wir die Energiewende insgesamt voranbringen müssen. Ein wesentlicher Bestandteil davon ist der kontinuierliche Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir brauchen noch für längere Zeit trotzdem Strom aus fossilen Kraftwerken. Das sage nicht nur ich, das sagt auch der Herr Kollege Priggen in der „Rheinischen Post“ vom 26. Februar. Am selben Tag schreibt sein Parteifreund, Minister Remmel, einen Brief an die Vorsitzenden der Bundestagsfraktion. Darin unterstellen Sie, Herr Minister Remmel, der Bundesregierung, dass diese zu den – ich zitiere – Profiteuren einer Renaissance des fossilen Energiezeitalters gehören wolle. Das hört sich nicht so an, als wären Sie der Meinung, dass fossile Energien auch weiterhin gebraucht würden. Ich meine, Sie sollten sich an dieser Stelle einig werden.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Henning Höne (FDP): Der Unterschied zwischen der Bundesregierung und den Grünen in NRW ist, dass sich die Bundesregierung keiner Möglichkeiten der Energiegewinnung aus ideologischen Gründen von vornherein komplett verschließen möchte. Deshalb ist es aus unserer Sicht auch richtig, …

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Henning Höne (FDP): Ich komme sofort zum Ende, Frau Präsidentin.

… dass Fracking unter strengsten Auflagen weiter vorangebracht wird, dass wir hier weiter vorankommen. Risiken müssen wir dabei sehr genau beobachten. Aber die Chance, unabhängiger von Gasimporten der sogenannten lupenreinen Demokraten zu werden, sollten wir uns nicht von vornherein aus ideologischen Gründen entgehen lassen.

Energiewende gelingt ohne Scheuklappen, ohne ideologische Grabenkämpfe. Verantwortungsvoller Klimaschutz erfordert, dass wir konsequent an der Sache orientiert arbeiten. Ich bin gespannt, wie wir das in NRW insbesondere beim Klimaschutzplan auch als Parlament weiter fortsetzen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Höne. Der Begriff „sofort“ scheint eine relative Dehnkraft zu haben.

Als nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Brems.

Wibke Brems*) (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Damen und Herren! Herr Altmaier verlautbarte in der letzten Woche, die Energiewende koste 1 Billion €. Kurz darauf, großes Rätselraten. Direkt im Anschluss entstand bei Experten, die Altmaier selber für Gutachten beauftragt, aber auch bei Fachleuten aus seinem eigenen Ministerium die Frage: Wie kommt er auf diese Zahlen? – Und während Herr Altmaier Luftnummern mit Zahlen veranstaltet und ein großes Interesse daran zu haben scheint, die Preisdebatte – koste es, was es wolle – am Leben zu erhalten, sprechen wir hier über reale Zahlen, über Investitionen in Höhe von 11 Millionen € in Klimaschutz und in erneuerbare Energien in Nordrhein-Westfalen, über 7,8 Millionen € Investitionen in Kraft-Wärme-Koppelung, in Energieeffizienz.

Dahinter stecken nicht bloß Kosten, dahinter steckt beispielsweise – Herr Höne hat es eben schon angesprochen – das erste verbindliche Klimaschutzgesetz in Deutschland. Dahinter steckt ein Klimaschutzplan mit umfassendem Beteiligungsprozess und mit Zwischenergebnissen aus Arbeitskreisen.

Ich nehme einen anderen Arbeitskreis heraus, Herr Höne, den Arbeitskreis, in dem die Industrie zum Beispiel zusammensitzt. Die sagen, sie seien positiv überrascht, wie gut das Arbeitsklima dort ist und wie positiv die gemeinsamen Ergebnisse dort sind. Es ist eine konstruktive Zusammenarbeit. Genau das gibt es eben auch, und genau das ist die Mehrheit in dem Beteiligungsprozess des Klimaschutzplans.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dahinter steckt ebenfalls ein äußerst erfolgreiches Klimaschutzstartprogramm, was die Landesregierung schon deutlich vor Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes auf den Weg gebracht hat, mit sehr vielen positiven Aspekten, direkt für die Kommunen vor Ort, direkt mit Auswirkungen dort, wo es hingehört.

Wir sehen diese Ausgaben eben nicht, wie Herr Altmaier, als bloße Belastung, sondern als Chance, als Wertschöpfung vor Ort. Es gibt einen Kreis in Nordrhein-Westfalen, wir haben auch schon öfter über ihn gesprochen, den Kreis Steinfurt, der das im Grunde genommen erst einmal zum Leben erweckt hat. Dort herrscht die Betrachtungsweise vor, alle Bürgerinnen und Bürger des Kreises Steinfurt geben zusammen 1,4 Milliarden € für Energie pro Jahr aus. Der Kreis Steinfurt hat einstimmig, mit allen Stimmen aller Fraktionen im Kreistag beschlossen, dass sie bis zum Jahr 2050 energieautark werden wollen und dieses Geld in der Region behalten wollen. Das ist die Herangehensweise, die wir beim Klimaschutz und bei der Energiewende brauchen, nicht aber die Sichtweise, dass es einfach nur kostet und uns alle viel zu viel kostet.

Ich möchte im Grunde genommen gern mit dem Kreis Steinfurt weitermachen; gestern Abend habe ich auch schon kurz darüber gesprochen. Im Kreis Steinfurt gibt es die Kommune Saerbeck. Wir haben hier in Nordrhein-Westfalen nicht das Problem, dass die Verfahren länger brauchen als in anderen Bundesländern; das ist vollkommener Quatsch. Das Problem ist vielmehr, dass auf Bundesebene immer wieder massiv und generell gegen das geschossen wird, was hier auf unteren Ebenen passiert.

Wir mussten in NRW erst einmal die Bremse lösen und den Energiezug wieder auf die Gleise führen. Dankenswerterweise hat es Herr Rohwedder eben schon angemerkt: Fünf Jahre Blockade haben dazu geführt, dass wir hier in Nordrhein-Westfalen erst einmal langsam wieder Fahrt aufnehmen müssen, dass Projekte wie in Saerbeck, wo in diesem Jahr noch 36 Millionen € investiert werden sollen, die durch Diskussionen, wie sie Herr Altmaier gerade führt, auf der Kippe stehen, komplett hinten herunterfallen, wenn das kommt, was Herr Altmaier dort will.

Herr Höne, ich möchte noch einen Aspekt bringen, den Sie gerade angesprochen und bei dem Sie versucht haben, Herrn Priggen und Herrn Remmel gegeneinander auszuspielen. Ich sehe da gar nicht den großen Unterschied. Es ist nicht das Gleiche, sondern ein massiver Unterschied, ob eine Renaissance des fossilen Zeitalters ausgerufen wird, wie es Herr Remmel passenderweise kritisiert hat, oder ob gesagt wird, wir brauchten für einen Übergang flexible fossile Kraftwerke. Genau das brauchen wir. Aber wir brauchen eben keine Renaissance des fossilen Zeitalters; das ist auch ganz klar.

Wenn wir schon bei diesem Punkt sind, zu guter Letzt noch einen Satz zu Herrn Deppe und dem Thema Fracking: Herr Deppe, Sie sollten meines Erachtens Herrn Altmaier genau das sagen, was Sie auch hier gesagt haben, dass Trinkwasser eben nicht nur da gewonnen wird, wo Trinkwasserschutzgebiete sind. Herr Altmaier will aber genau das. Er will, dass ein Fracking-Verbot nur in Trinkwasserschutzgebieten ausgesprochen wird, während in allen anderen Gebieten, auf 86 % der Fläche, alles gar kein Problem sein soll. Genau das sollten Sie auch Herrn Altmaier sagen. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Brems. – Für die Piraten spricht der Kollege Rohwedder.

Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Zumindest einen Aspekt dessen, was Frau Brems eben etwas ausführlicher dargelegt hat, möchte ich einmal ganz kurz und knackig zusammenfassen. Die Frage ist nicht, was die Energiewende uns kostet; die Frage ist, was es uns kostet, wenn wir sie nicht durchführen.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir setzen uns mit unserer Politik für eine ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltige Entwicklung ein, also die drei Säulen der Nachhaltigkeit, ebenso für einen verantwortungsvollen und generationengerechten Umgang mit den zum allgemeinen Wohlergehen notwendigen Ressourcen und deren Schutz.

Die durch menschliche Aktivitäten bedingten Klimaveränderungen erfordern konsequente Maßnahmen auf allen Handlungsebenen. Hierfür sind wir bereit und mittlerweile auch gezwungen, neue Wege zu gehen, und daher setzen wir uns für eine konsequente Klimaschutzgesetzgebung ein. Das vorgelegte Klimaschutzgesetz haben wir durch unsere Zustimmung mit auf den Weg gebracht. Das alleine reicht aber bei Weitem nicht.

Das Klimaschutzgesetz legt Klimaschutzziele und den rechtlichen Rahmen dafür fest. Dazu muss dann aber festgestellt werden, dass das Gesetz nur für öffentliche Stellen gilt, die bei großzügiger Rechnung höchstens 4 bis 5 % der Kohlendioxidemissionen verursachen. Da ist also gar nicht so viel einzusparen.

Der Anteil erneuerbarer Energien soll in Nordrhein-Westfalen von 10 auf 30 % erhöht werden. Diese Marke von 30 % haben andere Bundesländer längst überschritten.

Dem Koalitionsvertrag ist zu entnehmen, dass SPD und Grüne weit davon entfernt sind, die Herausforderungen der Energiewende für NRW strukturiert anzugehen. Mit dem Bau weiterer Kohlekraftwerke ist eine Reduzierung der Kohlendioxidemissionen nämlich nicht zu haben. Hier soll an den Schwarzbau in Datteln und weitere im Bau befindliche und mit Schnittchenpartys aktuell frisch eingeweihte Kohlekraftwerke erinnert werden. SPD und Grüne sprechen sich immer noch nicht explizit gegen den Neubau von Kohlekraftwerken aus. Das halte ich hier einmal eindeutig fest.

Ein besonders eklatanter Umweltfrevel ist darüber hinaus die Rodung des Hambacher Forstes, eines Gebietes, das unter FFH-Schutz gehört und wo stattdessen Braunkohletagebau betrieben wird. Während weltweit und auch hier in Nordrhein-Westfalen für den Erhalt der Biodiversität geworben wird, sieht die Realität dort verheerend aus. Hier in Nordrhein-Westfalen sind nur 8,2 % der Landesfläche als Natura-2000-Gebiete gemeldet. Negativ übertroffen im Ländervergleich wird NRW nur noch vom Stadtstaat Berlin.

Nirgendwo sonst werden die Defizite im Bereich des Biotop- und Artenschutzes so deutlich wie bei der Gewinnung der Braunkohle. Dieser klimaschädlichste fossile Energieträger leistet nicht nur den größten Beitrag zum Klimawandel und dem damit einhergehenden Verlust an Artenvielfalt, sondern vernichtet auch großflächig die letzten unzerstörten Naturräume in der niederrheinischen Bucht.

Ein besonders gravierendes Beispiel dafür ist der Braunkohletagebau im Hambach, wo die RWE Power AG den Abbau von 2,4 Milliarden t  Braunkohle bis zum Jahr 2040 plant. Bis zu diesem Zeitpunkt wird mit dem Hambacher Forst ein einstmals mehr als 4.100 ha großes Waldgebiet bis auf wenige Reste dem Braunkohletagebau Hambach weichen.

Der geltende Rahmenbetriebsplan für den Braunkohletagebau Hambach ist bis zum 31. Dezember 2020 zugelassen. Zurzeit laufen die Genehmigungsverfahren für den dritten Rahmenbetriebsplan, der Voraussetzung für die Fortführung des Tagebaus Hambach für die Jahre 2020 bis 2030 ist. Zwei Jahrzehnte lang führen Sie uns wieder in eine Einbahnstraße und Sackgasse gleichzeitig. Da kommen Sie nicht heraus.

(Beifall von den PIRATEN)

Hier könnte die Landesregierung Klimaschutz betreiben und dieses Umweltfiasko unterbinden. Mittlerweile gibt es ja die Gutachten, die Kohlekraftwerke für die nächsten zehn Jahre als unwirtschaftlich bezeichnen.

Wollen wir statt für Klimaschutz das Geld dann für die nächsten Rettungsschirme ausgeben, für Energiekonzerne, die sich sehenden Auges in die selbstgegrabene Braunkohlegrube stürzen? Also warum eigentlich noch Braunkohletagebau? Wer soll die Braunkohle kaufen, wenn die Kraftwerksbetreiber es nicht tun? Verstromt wird dort, wo sie gefördert wird, denn der Transport ist aufgrund des hohen Wasseranteils nicht lohnend. Deshalb kann man sie auch nicht exportieren.

Der klägliche Rest an ökologischer Vielfalt, den der Braunkohletagebau dort übrig lässt, wird dann durch den Klimawandel weiter degradiert. Wenn wir diesen Raubbau durch die Braunkohlegewinnung nicht einstellen und den Klimawandel durch einen schnellen, entschlossenen, ambitionierten und radikalen Umbau der Energieerzeugungsstruktur nicht abbremsen, dann werden unser Naturerbe wie auch das Klima weiter irreversibel geschädigt. Das ist für uns inakzeptabel. Wir fordern die Landesregierung daher auf, mit dem Klimaschutz ernst zu machen, und zwar mit Taten und nicht nur mit Worten bzw. einem wortreichen Gesetz, bei dem Berg kreißte und eine Maus gebar.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Rohwedder. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Remmel.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin den Vorrednern insbesondere von den Fraktionen der SPD und des Bündnis 90/Die Grünen dankbar, dass sie aufgezeigt haben, welches hervorragende Instrumentarium und welch vielfältigen Bausteine wir in zweieinhalb Jahren in Nordrhein-Westfalen in Sachen Klimaschutz auf den Weg gebracht haben. Wenn ich mich ein wenig umschaue und in andere Bundesländer blicke, muss ich sagen: Kein anderes Bundesland ist so systematisch den Bereich „Klimaschutz und Energiewende“ angegangen und hat ihn so wie Nordrhein-Westfalen aufbereitet. Ich denke, darauf können wir stolz sein.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Natürlich ist klar: Ein Klimaschutzgesetz schafft noch keine CO2-Einsparung. Wir haben aber schon viel mehr geschafft: den Windenergieerlass, die entsprechende Potenzialstudie, den Leitfaden „Wind im Wald“. Ferner haben wir ein einzigartiges Investitionsprogramm – auch darüber verfügt kein anderes Bundesland – aufgelegt, das 250 Millionen € für Kraft-Wärme-Koppelung vorsieht. Des Weiteren gibt es energetische Gebäudesanierung und vielfältige Beratungsinstrumente für die Kommunen. Außerdem haben wir den Energiedialog und ein KlimaschutzStartProgramm. Es gibt bei uns außerdem eine entsprechende Unterstützung der Unternehmen in Netzwerken und Beratungseinrichtungen sowie durch die EnergieAgentur und die Effizienz-Agentur.

Hier liegt ein wirklich sehr ansehnliches Besteck auf dem Tisch. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Anstrengungen in Nordrhein-Westfalen sind erfolgreich und werden von vielen anderen auch mit ein wenig Neid betrachtet.

Sie haben allerdings recht, Herr Deppe: Die Zahlen im Zubau – gerade bei der Windenergie – müssen steigen. Sie haben mich an Ihrer Seite, und ich hoffe, Sie sind auch an unserer Seite, wenn es darum geht, vielfältig und systematisch auch Einzelfälle zu prüfen und die Hemmnisse beiseite zu räumen. Ich habe auf Landesebene den Eindruck, dass wir gemeinsam wollen. Auch habe ich den Eindruck, dass es an vielen Stellen vor Ort gut vorangeht, dass Planungsprozesse laufen, dass aber von der Seite das eine oder andere an Intervention kommt. Das ist ein Problem. Es würde mich freuen, würden wir dieses Problem gemeinsam angehen.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Zurzeit trägt aber nicht die Landesregierung Nordrhein-Westfalen zur Verunsicherung bei, sondern eine völlig unnötige Debatte auf Bundesebene über Investitionssicherheit, Verlässlichkeit und Planungssicherheit. Die Vorschläge, die dort seit eineinhalb Jahren gemacht werden – erst beim Wind, dann bei der Sonne, dann wieder beim Wind und jetzt beim gesamten EEG –, verunsichern die Investoren. Sie veranlassen bereits heute Banken, nachfragen, wie es denn aussieht.

Das führt schon heute, ohne dass die Vorschläge umgesetzt werden, dazu, dass in diesem Bereich konkret Arbeitsplätze abgebaut werden. Deshalb würde ich mich freuen, wenn wir gemeinsam gegen ein solches Vorgehen der Bundesregierung aufstehen würden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es kann nicht sein, dass das erfolgreiche Instrument EEG – es steht für Verlässlichkeit, Bestandsschutz und Planungssicherheit – nun so diskreditiert wird. Wir müssen ein gemeinsames Interesse am Erhalt und am Ausbau dieser Grundpfeiler haben, denn der Marsch hat gerade erst begonnen. Das Ziel ist es, eine Energieversorgung auf den Weg zu bringen, die weitestgehend auf Erneuerbaren basiert.

Meine sehr geehrte Damen und Herren, wenn es um die fossilen Kraftwerke geht, passt kein Blatt Papier zwischen die Regierungsfraktionen und die Landesregierung. Selbstverständlich brauchen wir Investitionen in fossile Kraftwerke. Ich würde gerne mit Ihnen zusammen zum modernsten Kraftwerk Europas, das hier in Düsseldorf entsteht, pilgern. Es ist das effizienteste, modernste und umweltfreundlichste Gaskraftwerk, welches gleichzeitig Kraft und Wärme produziert. Das ist die Zukunft. Solche Investitionen brauchen wir. Für solche Investitionen wollen und müssen wir die Rahmenbedingungen verbessern. So kann Energiewende funktionieren.

Wir geben in Nordrhein-Westfalen die Blaupause für eine umfassende Energiewende auch im Bund. Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Auseinandersetzung scheuen wir nicht, und wir wollen sie führen. Wir können Energiewende besser. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Remmel. – Meine sehr Damen und Herren, bevor wir in die Abstimmung eintreten, haben zwei Abgeordnetenkollegen das Wort zu einer persönlichen Erklärung nach § 29 unserer Geschäftsordnung erbeten. Eine solche Erklärung hat vor der Abstimmung, aber nach der Debatte zu erfolgen.

Zunächst gibt Frau Kollegin Beer eine persönliche Erklärung ab. – Ich will noch erwähnen: Das bezieht sich auf die Debatte zu den Teilbereichen „Umwelt und Naturschutz“ bis „Landwirtschaft“. Während dieser Debatte kam es zu einer Äußerung hier am Pult, zu der jetzt Stellung genommen wird. Bitte schön.

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Deppe hat mich in seinem Redebeitrag zum Verbraucherschutz der versuchten Nötigung bezichtigt – der versuchten Nötigung, einen Redebeitrag zum Gesetz zur Änderung des Landesforstgesetzes zu Protokoll zu geben.

Nach § 31 der Geschäftsordnung ist es möglich, einen Redebeitrag zu Protokoll zu geben. Nach Absprache der Parlamentarischen Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen untereinander kann das nur im Einvernehmen aller geschehen. Diese Regel ist auch hier selbstverständlich im Einvernehmen und gemeinsamen Handeln mit dem Kollegen Lie­nenkämper eingehalten worden.

Ich habe viel Verständnis für temperamentvolle, auch für emotionale Debatten. Dafür kennen Sie mich, das betreibe auch ich sicherlich manchmal. Mit dieser Äußerung ist allerdings eine Grenze überschritten worden, die ich als persönliche Verunglimpfung empfinde. Der Vorwurf ist falsch, und ich weise ihn entschieden zurück.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Beer. – Nun hat sich als zweiter Abgeordneter Herr Kollege Lienenkämper zu einer persönlichen Erklärung gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege Lienenkämper.

Lutz Lienenkämper (CDU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! So komme ich zu meiner Jungfernrede in dieser Legislaturperiode.

Wie häufiger am Ende einer langen und intensiven Tagesordnung haben sich die Fraktionen über ihre Parlamentarischen Geschäftsführer darüber ins Benehmen gesetzt, die Reden zum letzten Tagesordnungspunkt „Landesforstgesetz“ zu Protokoll zu geben. Den Vorgang hat Frau Kollegin Beer zutreffend vorgetragen. Dieser dringenden Bitte hat sich für unsere Fraktion Kollege Rainer Deppe nach Diskussion, aber ohne Nötigung nicht verschlossen. Das Gesetz wird ausführlich in zweiter Lesung hier im Plenum diskutiert werden.

(Beifall von der CDU und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Lienenkämper. Wenn es nicht dieser Moment wäre, würde ich ja auch zu dieser Jungfernrede gratulieren.

(Allgemeine Heiterkeit)

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 10. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung Drucksache 16/2110, den Einzelplan unverändert anzunehmen. Wer stimmt dem so zu? – Fraktion der SPD und Fraktion Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Die Fraktion der Piraten, die Fraktion der CDU und die Fraktion der FDP. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich fest, dass mit Mehrheit im Hohen Haus die Beschlussempfehlung angenommen und der Einzelplan 10 in zweiter Lesung verabschiedet wurde.

Damit kommen wir zum nächsten Einzelplan, den ich aufrufen darf:

     Einzelplan 09
Ministerium für Bauen, Wohnen,    
Stadtentwicklung und Verkehr

Wir haben zwei Teilbereiche, „Bauen und Wohnen“ und „Stadtentwicklung und Verkehr“. Ich weise noch auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 16/2109 hin.

Nun rufe ich auf


     Teilbereich
Bauen und Wohnen

und erteile für die CDU-Fraktion dem Kollegen Hausmann das Wort.

Wilhelm Hausmann (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist lange her, da hat Frau Kraft ihr Bündnis als „Koalition der Einladung“ postuliert. Wir haben 84 konkrete Änderungsvorschläge zum Haushalt gemacht, viele davon zum Einzelplan 09. SPD und Grüne haben alle Vorschläge unseres Sanierungskonzeptes rundweg abgelehnt. Sieht so Ihre Einladung aus?

Uns wundert es nicht mehr, dass Sie diese Zusage, wenn sie denn je ernst gemeint war, längst gebrochen haben. Genauso wie es den Wählerinnen und Wählern mit Ihren Versprechen ergangen ist, so geht es offenbar uns und den anderen in diesem Hause mit Ihren vollmundigen Ankündigungen zur Zusammenarbeit.

In den Bereichen Bauen und Wohnen setzt diese Regierung die falschen Schwerpunkte. Sie sparen bei Investitionen und nicht bei den Konsumausgaben. Das ist aus unserer Sicht eine grundsätzlich falsche Herangehensweise.

(Beifall von der CDU)

Beim sozialen Wohnungsbau setzen Sie, sehr geehrter Herr Minister Groschek, die fatale Tendenz der vergangenen Jahre unter SPD-Bauministern fort. Dazu einige Zahlen:

Das Volumen der Wohnraumförderung wurde für 2013 auf jetzt nur noch 800 Millionen € abgesenkt. Als Oppositionsfraktionen haben Sie sich sogar für eine gesetzliche Verankerung der Mindestfördersumme von 1 Milliarde € für die soziale Wohnraumförderung ausgesprochen. Auch wenn Sie sich jetzt nicht daran erinnern wollen: Das, was Sie jetzt zum wiederholten Male vorlegen, erreicht die Marke von 1 Milliarde € bei Weitem nicht.

Ich erinnere auch daran, dass unter der CDU-geführten Vorgängerregierung zuletzt deutlich über 1 Milliarde € in die Wohnraumförderung investiert worden ist. Sie tun nicht genug dafür, dass einkommensschwache Familien zu Eigentum kommen, Sie tun nicht genug dafür, dass diese Familien aktiv etwas für die Vermögensbildung tun können, und Sie tun nichts dafür, dass sie mit Eigentum fürs Alter vorsorgen können.

(Jochen Ott [SPD]: Sie haben Millionen verbrannt, dreistellige Millionenbeträge!)

Nein, Sie behindern diese Bemühungen und reduzieren die Eigentumsförderung auf einen historisch niedrigen Stand von nur noch 80 Millionen €.

Herr Minister Groschek, an dieser Stelle halten Sie in der Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen einen einsamen Rekord, und das ist ein absolut negativer. Sie sind der Minusminister der sozialen Wohnraumförderung.

(Beifall von der CDU)

Sie reden sich auch gerne damit heraus, dass der Förderanreiz aufgrund des allgemein niedrigen Zinsniveaus im Wohnungsbau nicht ausreiche. Dabei ist dieser Zinssatz schon seit vielen Jahren auf immer wieder neuen historischen Tiefpunkten gelandet. Wir erwarten daher mehr von Ihnen.

Sie hatten mit Ihrem Haus Zeit genug, um an den anderen Bedingungen zur Attraktivierung der Förderprogramme zu arbeiten. Dazu gehören die Vereinfachung und Entbürokratisierung und vor allen Dingen die Aufgabe Ihres sozialdemokratisch verengten Weltbildes von freistehenden Eigenheimen gleich böse und verdichtetem sozialen Mietwohnungsbau in Düsseldorfer Bestlagen gleich gut.

(Jochen Ott [SPD]: In welcher Welt leben Sie denn?)

Meine Damen und Herren, wenn Sie sich von dieser Denkweise befreien könnten, dann könnten Sie auch Ihre Förderprogramme dahin gehend überprüfen, welche vielfältigen Formen der Eigentumsbildung im Wohnungsbau von der barrierefreien altengerechten Eigentumswohnung bis hin zur Finanzierung von Genossenschaftsanteilen an Wohnbauprojekten machbar sein könnten.

Stattdessen haben Sie laut Wohnraumförderungsbilanz 2012 gerade einmal ein Fördervolumen von 550 Millionen € realisiert. Das sind satte 300 Millionen € weniger, als die Landesregierung selbst als das Ziel für 2012 vorgegeben hatte.

Hierbei sticht besonders die Reduzierung der Eigentumsförderung heraus. Diese sank mit nur 171,5 Millionen € insgesamt auf 25 % Ihrer eigenen rot-grünen Eigentumsförderung des Jahres 2003. Diesen Trend der vernachlässigten Wohnraumförderung setzen Sie seit 2010 in Ihrer Regierungsarbeit fort.

Sehr geehrter Herr Minister, beim unstrittig teilweise großen Bedarf an zusätzlichem Wohnraum darf gerade die Eigentumsförderung gegenüber dem Mietwohnungsbau nicht so massiv benachteiligt werden, wie es diese Landesregierung heute tut.

(Jochen Ott [SPD]: Kalter Krieg!)

Beides verdient eine angemessene Förderung, und für beides, Mietwohnungsbau und Eigentumsförderung, müssen die Bedingungen vereinfacht und entbürokratisiert werden.

(Jochen Ott [SPD]: Am besten in der Eifel, ja?)

Insgesamt hätte Ihnen die sinkende Wirksamkeit der Programme, die wir nicht erst anlässlich dieses Haushaltes diskutieren, zeigen müssen, dass das Festhalten an starren Förderprogrammen alleine nicht mehr trägt. Was in der einen Region richtig und wichtig sein kann, kann in der anderen Region den Wohnungsmarkt ins Ungesunde verzerren. Sie spielen aber die Regionen gegeneinander aus.

Um einem von Ihnen vielbemühten Fallbeispiel einmal eine andere Sichtweise abzugewinnen, sage ich Ihnen Folgendes: Eine bessere verkehrsmäßige Anbindung gerade des ÖPNV des Ruhrgebiets an Düsseldorf würde den im Ruhrgebiet vorhandenen preiswerten Wohnraum mit der wirtschaftlich boomenden und natürlich CDU-regierten Stadt Düsseldorf verbinden. Sowohl für den Wohnraum als auch für den Verkehr sind schließlich Sie zuständig.

(Zuruf von Jochen Ott [SPD])

Sie sehen, wenn Sie konstruktiv über den Tellerrand hinausblicken, dass es weitaus mehr Gestaltungsspielraum gibt. Ihre Vorgehensweise im Wohnungsbau führt allerdings nur aufs Abstellgleis, und das haben Sie zu verantworten.

Was ist aus Ihren vollmundigen Ankündigungen im Koalitionsvertrag geworden? – Im Baugewerbe arbeitet bekanntlich das Handwerk. Betrachtet man die rot-grüne Regierung, dann arbeitet hier nur noch das Mundwerk. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU – Jochen Ott [SPD]: Das war ein ganz großer Scherz! – Gordan Dudas [SPD]: Da haben Sie aber ganz lange überlegt! – Jochen Ott [SPD]: Sie sollten sich an Richter orientieren, nicht an Schemmer!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Kollege Hausmann. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Kollege Becker.

Andreas Becker (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist spät, und nachdem, was Sie gerade gesagt haben, Herr Hausmann, stellt sich die Frage, ob wir hier zum 24. Mal die Sache mit der Milliarde und den 800 Millionen € klären. – Ich glaube, das hat wenig Sinn.

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

Wir schließen mit dem Einzelplan 09 jetzt die zweite Lesung des Haushalts für das Jahr 2013 ab. Ich wollte es eigentlich ganz kurz machen und ähnlich wie Franz Müntefering sagen: Regierung gut, Fraktion besser, Haushalt spitze, Glück auf!

Aber ich will doch noch ein, zwei andere Punkte deutlich machen. Denn im Gegensatz zu dem, was Sie behauptet haben, ist das ein guter Haushalt. Dies gilt auch für den Einzelplan 09. Denn er setzt auch mit Blick auf die ab dem Jahr 2020 einzuhaltende Schuldenbremse und entsprechenden Einsparungen eigene Akzente und Schwerpunkte. Damit setzen wir genau den Leitsatz des Ministers um, der da lautet: Nicht mehr „Weiter so und mehr!“, sondern „Weniger und anders!“

(Beifall von der SPD)

Das gilt auch für den Bereich der Stadtentwicklung. Hier sind die Ansätze im Vergleich zum Vorjahr um 37 Millionen € reduziert. Allerdings sind davon nur – in An- und Abführungszeichen – 22 Millionen € in der sinkenden Nettoneuverschuldung begründet. Ansonsten handelt es sich bekannterweise um das Auslaufen der Konjunkturpakete des Bundes.

Dieses Geld werden wir zukünftig, um in der Diktion des Ministers zu bleiben, anders einsetzen. Wir werden Zug um Zug beginnend mit diesem Haushalt neue Wege gehen und Kräfte bündeln. Deshalb ist es gut, dass die Landesregierung jetzt die Förderung des Programms „Soziale Stadt“ ressortübergreifend ermöglichen wird. Das ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen präventiven Quartiersentwicklung, wie wir es auch in unserer Koalitionsvereinbarung festgehalten haben.

Damit werden wir in Nordrhein-Westfalen wieder einmal wie beim Programm „Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf“ eine Vorreiterfunktion übernehmen. Wir als Fraktion werden diesen Prozess unterstützten und – sagen wir mal – fordernd begleiten.

(Beifall von der SPD)

„Anders“, das gilt auch für den Bereich der Wohnraumförderung. Hier ziehen wir nämlich die Konsequenzen aus der von Schwarz-Gelb zu verantwortenden Fehlentwicklung. Sie müssen einmal überlegen – wir haben es im Ausschuss rauf und runter diskutiert –, warum die Mittel nicht abgeflossen sind. Wir wollen neuen Schwung in den sozialen Wohnungsbau bringen, damit deutlich mehr Investoren das Geld, das wir für Wohnraumförderung zur Verfügung stellen, auch wirklich abrufen.

Wir wollen und werden dafür sorgen, dass das Geld auch da ankommt und verbaut wird, wo es mit Blick auf die Versorgung der Menschen mit Wohnraum gebraucht wird. Es wird nicht da verbaut, wo Sie es gerne wollen.

(Beifall von der SPD)

Das Geld – 800 Millionen € werden es sein – setzen wir überwiegend für Mietwohnungsbau und eben nicht für Eigentumsförderung, aber auch für investive Bestandsaufnahmen, energetische Sanierung und Förderung von studentischem Wohnraum und Quartiersentwicklung ein. Auch das ist gut so und ein Schritt in die richtige Richtung.

Jetzt muss ich noch einmal auf die Anträge der CDU eingehen. Über 80 Anträge haben Sie im Haushalts- und Finanzausschuss gestellt. Auf eine Beratung im Fachausschuss, der ein paar Stunden vorher getagt hat, haben Sie verzichtet, weil Sie wohl auch erkannt haben, dass wie im richtigen Leben gilt: Quantität ist nicht gleich Qualität.

(Beifall von der SPD – Gordan Dudas [SPD]: So ist das? Aha!)

– Ja. – Aber das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Wir werden Ihren Anträgen aus gutem Grund zu einer entsprechenden Bekanntheit verhelfen. Ich wollte mich eigentlich auf zwei Beispiele beschränken. Aber da wir alle nach Hause wollen, beschränke ich mich auf ein Beispiel.

Das Beispiel ist die Kürzung des Zuschusses an das Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung. Sie wollen den Zuschuss komplett streichen – immerhin sind es 4 Millionen € – und sagen: Es gibt kein Erkenntnisproblem, sondern ein Handlungsproblem.

In einer Zeit, in der wir, wie eingangs dargestellt, gerade im Bereich der Stadtentwicklung mit weniger Geld andere und neue Wege gehen müssen, in dem wir neue Ansätze suchen und finden müssen, in einem Bereich, in dem sich neue Aufgaben auftun, wollen Sie die Forschung ernsthaft weitgehend einstellen? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.

(Beifall von der SPD)

Darüber hinaus wissen Sie, dass das ILS auch Wissenstransfer betreibt und für die Bildung von Netzwerken von großer Bedeutung ist. Auch das ist in den Zeiten, die auf uns zukommen, wichtig.

Deshalb: Ihre Politik ist von gestern. Unser Land braucht Politik für morgen. Deshalb werden wir Ihre Politik ablehnen und dem Haushalt zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD – Gordan Dudas [SPD]: So ist es!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Becker. – Wir können nach diesem Redebeitrag natürlich noch nicht nach Hause gehen. Vielmehr folgt ein nächster.

(Jochen Ott [SPD]: Eigentlich ist alles gesagt!)

– Ich wusste, dass so eine Bemerkung kommt. Deswegen habe ich es ja gesagt. Trotzdem spricht jetzt für die FDP-Fraktion Herr Kollege Ellerbrock. Bitte schön.

(Jochen Ott [SPD]: Dem Herrn Ellerbrock hören wir gerne zu!)

Holger Ellerbrock (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Ott, wenn eine solche Bemerkung zum zweiten Mal kommt, dann habe ich auf dieser Seite die Probleme, und Sie lachen. Das lassen Sie sein.

(Heiterkeit – Martin Börschel [SPD]: Das ist ja sein Ziel!)

Meine Damen und Herren, aus unserer Sicht ist der Haushalt des Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr die Spardose des Landes. Da wir immer sagen, dass wir sparen wollen, müsste es eigentlich gut sein, dass die Landesregierung spart. Nur sehen wir es als falsche Prioritätensetzung an, bei diesen Infrastrukturmaßnahmen und im Baubereich zu sparen.

(Martin Börschel [SPD]: Ihr seid ja Sankt-Florian-Sparer!)

Denn man muss die Studienbeiträge und das kostenfreie dritte Kindergartenjahr in Relation zu den Dingen sehen, die wir als wichtig erachten. Und dazu gehören die Infrastrukturmaßnahmen. Da unterscheiden sich unsere Bewertungen grundsätzlich.

Gleichwohl erkennen wir an, dass Sparbemühungen sichtbar sind. Ich will das gleich in Bezug auf den Verkehrsbereich noch einmal erläutern. Wegen des Pferdefleischskandals tue ich mich schwer, es Rosstäuscherei zu nennen. Aber wir müssen schon einmal in die Zahlen gucken, ob das wirklich so ist, was Sie es dargestellt haben.

Meine Damen und Herren, aus unserer Sicht spart die Landesregierung an der falschen Stelle. Der Minister gibt ja immer vor, gespart werden müsse aufgrund der besonderen Bedeutung der Felder „Kinder, Bildung und Kommunen“. So ganz zufrieden sein können Sie damit nicht.

Denn wie man sieht, sollen die enormen Kosten der Inklusion auf die Kommunen abgewälzt werden, worüber die Kommunen ja nicht ganz so glücklich sind. Und wenn ich sehe, dass auch der U3-Ausbau erhebliche Probleme mit sich bringt, müsste bei Ihnen doch ein internes Missbehagen, dass man sich Ihres Haushalts bedient hat, aber im Endeffekt etwas anderes bewirkt, zu gewissen Diskussionen führen.

Über die Probleme, dass Sie an der falschen Stelle sparen im Bereich Mietwohnungsbau, zugegeben große Probleme bei der derzeitigen Zinssituation, hatten wir schon im Ausschuss gesprochen Es ist eine Falschdarstellung, denn die Studierendenwohnungen werden jetzt auch noch da mit reingepackt. Der Kollege hat eben deutlich gemacht, welche Leistungen Schwarz-Gelb hier hatte. Darüber können wir lange reden. Das ist uns, glaube ich, inzwischen bewusst, dass Sie weniger machen und wir mehr investiert hatten. Das müssen wir einfach mal so zur Kenntnis nehmen.

Bei der Eigentumsförderung hat sich Ihr Denken, glaube ich, auf die – wachsenden – Großstädte fokussiert. Die Hidden Champions, die versteckten Champions, im Bereich Bergisches Land, Ostwestfalen, Schwerte vernachlässigen sie. Dort gibt es Industrien, oft Weltmarktführer, die Facharbeiter beschäftigen, aber auch solche, die unter Facharbeitermangel leiden. Für diese Bereiche wäre es natürlich gut, würden die Mittel für die Eigentumsförderung nach wie vor auch abgerufen; das wäre gerade für kinderreiche Familien gut und es käme zu einer Verknüpfung mit dem Sozialbereich.

Ich glaube, auch da gehen unsere Meinungen weit auseinander. Wir sehen nicht, dass Eigentumsförderung zu diskriminieren wäre. Nein, das ist eine Sache für kinderreiche einkommensschwache Familien, die zudem der Entleerung des ländlichen Raums und damit dem Facharbeitermangel entgegenwirkt. Im ländlichen Raum hat Eigentumsförderung eine andere Bedeutung als in den Städten. Auch uns ist bewusst, dass in Randlagen des ländlichen Raumes die Immobilienwerte heute anders zu sehen sind als früher. Das kann man anders steuern. Auch da kann man eine Innenentwicklung vornehmen. Das ist nicht der Grund, auf eine Eigentumsförderung in diesen Gebieten zu verzichten.

Meine Damen und Herren, lassen Sie es mich kurz machen: Sie setzen auch im Bereich der sozialen Wohnraumförderung falsche Prioritäten. Im Bereich der Eigentumsförderung vergessen Sie den ländlichen Raum. Darin sehen wir Disparitäten.

Trotzdem bieten wir Ihnen nach wie vor an, konstruktiv mitzuarbeiten.

Wir haben uns auch aufgrund der in Ihrer Person liegenden besonderen Fähigkeit, sprachlich manches zu überzeichnen, darüber unterhalten, da die Mehrwertsteuer abzuziehen und dann zu versuchen, in anderer Wortwahl im Gespräch zu bleiben. Bemühen Sie sich weiter darum! Wir bemühen uns weiterhin um ein konstruktives Miteinander. Ich glaube, so können wir weitergehen.

Das soll nicht verkleistern: Sie setzen die falschen Prioritäten. Wir würden es viel besser machen und haben es nachgewiesen, dass wir es besser machen konnten. – Schönen Dank.

(Beifall von der FDP – Jochen Ott [SPD]: Das leider nicht! Das war jetzt nicht mehr gut!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Ellerbrock. – Für die Grünen-Fraktion hat nun Frau Kollegin Schneckenburger das Wort.

Daniela Schneckenburger (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Ellerbrock, der letzte Satz „Wir haben es besser gemacht und es nachgewiesen“, ist natürlich ein höchst amüsanter Abschluss Ihrer Rede gewesen. Denn dass Sie es besser gemacht hätten, das haben Sie gerade nicht nachgewiesen, sondern genau das Gegenteil.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Sie haben über Jahre hinweg eine falsche Wohnungsbauförderpolitik im Land betrieben.

(Beifall von Jochen Ott [SPD] und Sigrid Beer [GRÜNE])

Das kann man nachweisen. Sie haben dazu beigetragen, dass Mittel im ländlichen Raum verbaut wurden, die in den Wachstumsregionen für den Mietwohnungsbau dringend gebraucht worden wären. Das kann man nachweisen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Sie haben damit auch das Wohnraumfördervermögen überbucht. Das kann man auch nachweisen.

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

Das ist alles durch Zahlen belegt.

Dazu kommt übrigens noch Ihr Bundesbauminister. Die Kollegen der CDU nennen ihn harmlos verniedlichend „Ramses“. Dieser Herr Ramsauer setzt dann noch einen obendrauf. Der kommt nämlich jetzt an mit der Erkenntnis, dass man längst hätte etwas tun müssen, weil die Mieten in deutschen Großstädten explodieren, übrigens auch im Rheinland und in anderen Regionen unseres Landes. Auch da verzeichnen wir enorme Mietsteigerungen. Herr Ramsauer will dem dann wieder mit der Eigenheimzulage als Instrument begegnen, um in dieser Situation Abhilfe zu schaffen, also mit der Zersiedelungsprämie, die gerade abgeschafft worden ist. Mit der kommt jetzt Ramsauer wieder an.

Sehr geehrte Damen und Herren von Schwarz-Gelb, ich kann nicht erkennen, dass Sie die Weichen in der Vergangenheit richtig gestellt hätten, im Gegenteil. Die Fehlentwicklung ist gerade durch Ihre Politik mit unterstützt worden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das ist der Grund, warum wir gesagt haben, es bedarf einer Neuausrichtung der Wohnungsbauförderpolitik. Wir wollen eine Konzentration der Mittel auf die Handlungsnotwendigkeiten, nämlich auf das Segment der wachsenden Märkte in Nordrhein-Westfalen, was den Mietwohnungsbau anbelangt, ohne aber außer Acht zu lassen, dass im Land auch ansonsten noch Handlungsbedarfe da sind, zum Beispiel, was den qualitativen Umbau anbelangt. Das Wohnraumförderprogramm ist inzwischen auch auf diese Schwerpunktsetzung ausgerichtet worden.

Ich will aber noch auf einen anderen Punkt eingehen, den Sie jetzt charmant unterschlagen haben, nämlich auf die Frage: Wie gehen wir eigentlich mit der Städtebauförderung im Landeshaushalt um? Das ist ein wichtiger Etat, um gerade die Auseinanderentwicklung zwischen den Städten in Nordrhein-Westfalen politisch anzugehen.

Wir haben übrigens schon im letzten Haushalt dafür gesorgt, dass die Kürzungen, die Ihr Herr Ramses, also Ihr Herr Ramsauer, auf Bundesebene vorgenommen hat und die wiederholt vorgenommen worden sind, auf Landesseite nicht mitvollzogen wurden. Das kann man auf Dauer nicht aufrechterhalten. Wir haben das aber einmalig getan, um dafür zu sorgen, dass die Kommunen mit Handlungsproblemen wieder in der Lage sind, ihre Stadtentwicklung durch Beantragung von Fördermitteln wieder in die Hand zu nehmen. Das ist der eine Baustein.

Wir haben auf der anderen Seite mit dem Stärkungspakt Stadtfinanzen dafür gesorgt, dass die Kommunen überhaupt wieder in der Lage sind, ihren Eigenanteil in der Städtebauförderung darzustellen.

Beides, sowohl die Finanzierung der Städtebauförderung als auch der Stärkungspakt Stadtfinanzen, sind absolut wichtige Instrument für die Kommunen, die gerade unter entsprechenden Problemlagen leiden.

Ganz problematisch ist es aber, wenn Ihr Herr Ramses, Herr Ramsauer, auch noch die soziale Stadt – übrigens auf Druck der FDP – „enthauptet“, weil er das Programm des entscheidenden integrierten Handlungsansatzes beraubt. Das ist die Förderung des Bundes, die die Städte mit wachsenden sozialen Problemlagen nicht brauchen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das ist auf den Einfluss der FDP zurückzuführen, die an der Stelle nicht für soziale Wärme und auch nicht für integrierte Handlungsansätze steht, sondern ihren Einfluss in einer ganz falschen Richtung geltend gemacht hat.

Ich will noch einen Punkt ansprechen – Kollege Becker hat es auch schon gesagt –: Die CDU wiederholt häufig, man habe keinen Erkenntnismangel, sondern einen Umsetzungsmangel. Das ist die Diktion, die über Ihren Haushaltsanträgen steht. Deswegen wollen Sie auch das Landesinstitut plattmachen. Unter Ihrer Regierungszeit ist dem Landesinstitut aufgetragen worden, Leibniz-Institut zu werden. Nachdem sich das Landesinstitut auf diesen Weg gemacht hat, wollen Sie ihm unter der Maßgabe, kein Erkenntnisproblem zu haben, den Teppich unter den Füßen wegziehen.

Ich finde, ehrlich gesagt, mancher in Nordrhein-Westfalen hat doch ein Erkenntnisproblem, was die Handlungsnotwendigkeit in der Städtebauförderung und in der Wohnungspolitik anbelangt. Ich würde Ihnen empfehlen, vielleicht häufiger auf die Expertise des ILS zurückzugreifen.

Das ist ein guter Haushalt. Wir werden ihm zustimmen. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Schneckenburger. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Bayer.

Oliver Bayer (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bewohner von NRW, ich will diesmal nicht über Eigenheimförderung oder mutwillige Zersiedelung sprechen – das haben wir zum Haushalt 2012 gemacht, das haben wir im Ausschuss in den Sitzungen mit den Nummern 1 bis n gemacht –, sondern zur Wohnungspolitik allgemein.

Wenn wir über Wohnungspolitik reden, sprechen wir über ein Grundrecht – ein Grundrecht, das allen Menschen ermöglicht werden muss, unabhängig von Herkunft und Einkommen. Es geht weit über die reine Behausung hinaus. Wohnen ist ein menschliches Grundbedürfnis, und die Aufgabe der Wohnungspolitik ist, dies zu erfüllen. Wohnungspolitik ist immer auch Sozialpolitik, und falsche Wohnungspolitik hat fatale Auswirkungen auf die sozialen Verhältnisse. Die Folgen einer Fehlentwicklung sind unabschätzbar.

Vor einem Monat konnte in Köln eine Zwangsversteigerung von 1.200 Wohnungen sprichwörtlich in letzter Minute verschoben werden.

(Zuruf von der SPD: Durch die Stadt!)

Vor zwei Tagen wurde das Ergebnis der Enquetekommission „Wohnungswirtschaftlicher Wandel“ vorgelegt, welches den erschreckenden Zustand vieler Wohnungen in NRW und die üblen Auswirkungen einer ausschließlich auf Rendite setzenden Wohnungswirtschaft offenbart hat.

Auf der einen Seite bilden sich durch den Prozess der Gentrification Wohngebiete der Wohlstandsgesellschaft. Aus ihnen werden marginalisierte Gruppen verdrängt. Im fortgeschrittenen Zustand würden es „Gated Communities“. Das ist die eine Seite der Medaille.

Die andere Seite derselben Medaille ist die zunehmende Bildung von verwahrlosten Quartieren innerhalb der Städtecluster des Ruhrgebiets und einzelner Großsiedlungen entlang der Rheinschiene. Im fortgeschrittenen Zustand werden sie zu Armenvierteln. Es geht also nicht nur um die finanziellen Folgen, sondern auch um die gesellschaftlichen Kosten und nicht zuletzt um die individuellen Schicksale, wenn die Wohnadresse darüber entscheidet, welche Chancen man in dieser Gesellschaft hat. Teilhabe und Chancengerechtigkeit sehen anders aus!

In diesem Zusammenhang wird gerade wieder eine neue Sau durchs Dorf getrieben, das vermeintliche Problem der sogenannten „Armutszuwanderung“. Es ist nicht das Problem bestimmter Menschengruppen, sondern die grundlegende Problematik sozialer Segregation. Man macht es sich zu leicht, wenn man mit Vorurteilen und Schuldzuschreibungen Menschen als Problem abzustempeln versucht. Es stimmt nicht, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen das Problem wären. Das ist nur die polemische Suche nach Sündenböcken. Das Problem sind die Umstände, in denen sie und andere Ausgegrenzte notgedrungen leben müssen.

(Beifall von den PIRATEN)

Man kann, nein, man muss dieser Entwicklung entgegenwirken. Der Koalitionsvertrag sieht das sogar als Absichtserklärung vor. Der Haushaltsplan zeugt jedoch nicht mehr davon. Ein beherztes Investieren am Wohnungsmarkt könnte dem entgegenwirken. Ein BGE könnte dem entgegenwirken. Viele Lösungsmöglichkeiten könnten dem entgegenwirken; die meisten werden als unbezahlbar bezeichnet. Selbst Projekte wie die Soziale Stadt, von denen jeder weiß, dass sie nicht ausreichen – aber Städtebauförderung wirkt zumindest, das haben wir 2012 an dieser Stelle diskutiert –, lässt man schulterzuckend kürzen.

Frau Schneckenburger, es ist nicht so, dass Sie die Kürzungen des Bundes durch Landesmittel ausgeglichen hätten.

Viele Familien geben fast die Hälfte ihres Haushaltseinkommens für Wohnungskosten aus. Selbst viele Familien mit Wohnberechtigungsschein haben keine Aussicht auf eine Sozialmietwohnung, weil es immer weniger davon gibt.

Für viele Menschen sind selbst Sozialwohnungen zu teuer. Für sie bleiben die Substandardwohnungen, allgemein „Schrottimmobilien“ genannt. Viele davon sind eigentlich unbewohnbar. Ihr Zustand wird dem Anspruch auf ein würdevolles Lebens nicht gerecht. Wer Menschen lange genug nötigt, in solchen Zuständen zu leben, der sollte nicht überrascht sein, wenn sich aufgestauter Frust plötzlich in Gewalt entlädt. Das ist in Paris, London und in Los Angeles bereits geschehen. In der Theorie entstehen dann sogenannte Unterlassungskosten: Sachbeschädigung, Verletzte. In Wirklichkeit sind das die unbezahlbaren Kosten.

(Beifall von den PIRATEN – Jochen Ott [SPD]: Ein ganz müder Applaus!)

Ich frage Sie daher: Entspricht die Entwicklung Ihren Zielen und Visionen einer sozial gerechten und nachhaltigen Gesellschaft? Entspricht dieser Haushaltsplan diesen Zielen? Haben Sie die langfristigen Kosten dieser Entwicklung kalkuliert? Haben Sie die möglichen Unterlassungskosten in der Haushaltsplanung berücksichtigt?

Es gibt noch eine dritte Lesung. Sie stehen in der Verantwortung. Stellen Sie sich selbst erneut diese Fragen, bevor Sie unter „parlamentarischen Zwängen“ oder sonstigen Ausreden einen Haushalt beschließen, der nicht einmal Ihren eigenen Ansprüchen genügt. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Bayer. – Nun spricht für die Landesregierung der zuständige Minister, Herr Groschek.

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ja, lassen Sie es mich noch einmal sagen: Die Politik des „Weiter so und mehr“ ist vorbei. Wir haben eine politische Phase des „Weniger und deshalb anders“ vor uns. Gerade unter dieser Überschrift bleibt wichtig, was Kollege Bayer sehr deutlich markiert hat. Das Recht auf gutes und bezahlbares Wohnen für alle ist ein soziales Grundrecht für alle und muss es auch bleiben.

(Beifall von der SPD)

Diesem Recht ist unsere Politik verpflichtet. Gerade deshalb bin ich zutiefst davon überzeugt, dass es keinen Sinn macht, einer Zahl hinterherzurennen, sondern im Gegenteil sehr sinnig ist, ein Ziel zu verfolgen. Dieses Ziel ist das Realisieren des Rechtes auf gutes und bezahlbares Wohnen.

(Beifall von der SPD)

Dem folgt auch unser Wohnungsbauprogramm. Das ist im Umbruch und im Umbau. Wir gehen jetzt gemeinsam den ersten Schritt. Das ist noch eine relativ lange Schrittfolge. Wir sind noch längst nicht an dem Ziel, das ich mit möglichst vielen von Ihnen – Herr Kollege Hausmann: die Einladung – verfolgen möchte, um auch in ganz anderen und schwierigen Zeiten unser gemeinsames Grundrecht zu gewährleisten.

Wir haben 800 Millionen € plus X. Selbst wenn die 800 Millionen € trotz der Erschwernisse wie der KfW-Programme und des historischen Zinstales abgerufen werden, wie ich es mir sehr wünsche, hätten wir noch Reserven, die wir an sinnvollen und richtigen Schwerpunkten nachschieben könnten. Wir geben 450 Millionen € für den sozialen Mietwohnungsbau aus. Ja, wir geben immer noch 80 Millionen € für die Eigentumsbildung aus, und zwar räumlich unbeschränkt, wenn es in ein überzeugendes kommunalpolitisches Handlungsprogramm eingebunden ist.

(Zustimmung von Jochen Ott [SPD])

Das wenige Geld, das wir haben, dürfen wir nicht wie Kamelle am Rosenmontagszug willkürlich in die Regionen werfen, sondern nur gezielt.

(Beifall von der SPD – Jochen Ott [SPD]: So ist es!)

Wir haben neue Schwerpunkte gesetzt, über die wir in der Stadtentwicklung weiter diskutieren müssen. Das sind Schwerpunkte beim studentischen Wohnen mit der Perspektive des generationenübergreifenden Planens und Bauens. Es sind auch die Perspektiven der Quartiersentwicklung. Hier stehen wir wahrlich erst am Anfang. Hier möchte ich Sie auf einen Weg mitnehmen, bei dem wir uns gemeinsam stolz auf dem Gipfel erinnern können: Weißt du noch, wie es 2012/2013 alles angefangen hat, als wir nicht geglaubt haben, wirklich Heimat für alle vor der Haustür zu schaffen?

(Beifall von der SPD)

Lassen Sie mich dazu gleich noch mehr sagen.

Wir haben die Stellschrauben der Programmausformung verändert, haben über Miethöhen diskutiert und sie verändert, und wir haben über eine Regionalisierung von Mitteln geredet und dort verändert. Wir haben unser Bekenntnis in Programmform abgelegt. Es heißt: Sozialer Mietwohnungsbau darf nie mehr zur schlechten Adresse des billigen Jakob werden.

(Beifall von der SPD – Jochen Ott [SPD]: So ist es!)

Die wirklich neue Heimat darf nie mehr an die alte Neue Heimat erinnern. Das ist und bleibt unsere Grundüberzeugung.

(Beifall von der SPD)

Wir brauchen Partner – möglichst viele im Parlament, aber auch darüber hinaus. Die Kommunen müssen beispielsweise bei der Mobilisierung von Grundstücken gerade für den gebundenen sozialen Wohnungsbau helfen. Es gibt Städte, die es besser machen, und Städte, die es schlechter machen. Aber jedenfalls brauchen wir die Städte. Herr Kollege Ellerbrock, deshalb bin ich sehr dafür, alle Städte wieder in die Lage zu versetzen, selbstständig handlungsfähig zu sein. Eine Stadt im Nothaushalt ist unter der „Diktatur“ der Kommunalaufsicht eben nicht als Partner für den aktiven Wohnungsbau handlungsfähig. Deshalb ist es mein großes fachministerielles Interesse, alle Städte als Partner gewinnen zu können, weil sie wieder finanziell handlungsfähig sind.

(Beifall von der FDP)

Deshalb ist es meine volle Überzeugung, Städte zu stärken. Bei der Wohnungswirtschaft ist nur eine Minderheit Heuschrecke und eine Mehrheit vernünftiger und sozialorientierter Partner, möglichst wirtschaftlich stark.

Wir werden in der nächsten Woche zusammen mit der Wohnungswirtschaft öffentlich ein Bündnis für Wohnen bekunden, um eines deutlich zu machen:

(Zustimmung von Holger Ellerbrock [FDP])

Das Recht auf soziales Wohnen wollen wir an den großen Stellschrauben demografischer Wandel und energetische Gebäudesanierung so miteinander vereinbaren, das möglichst viel praktische Zielsetzung erreicht wird und wir nicht nur bei theoretischer Zielbeschreibung verharren.

(Beifall von der SPD)

Ich freue mich darüber, dass so viele Partner zu diesem Bündnis Ja gesagt haben. Auch der Mieterbund wird eingeladen bleiben.

Die Redezeit zu diesem Punkt ist abgelaufen. Lassen Sie mich eine letzte Anmerkung machen.

Mietpreisgrenzen, Wohnungsaufsicht – unter uns brauche ich den Begriff der Wohnungspolizei nicht zu benutzen – und sich um verwahrloste Immobilien zu kümmern – wenn notwendig auch mit neuem Recht und neuer Ordnung –, bleibt unsere gemeinsame Verpflichtung.

Fühlen Sie sich alle herzlich eingeladen, nicht erneut die Fehler der Vergangenheit zu begehen und keine 92.000 Wohnungen zu privatisieren. Jeder sollte zu seiner Teilschuld stehen, Kollege Ellerbrock.

(Beifall von der SPD – Jochen Ott [SPD]: So ist es!)

Niemand kann seine Hände in Unschuld waschen, wenn er lange genug Politik gemacht hat. Gleichwohl sollten wir nicht „Schwamm drüber“ sagen, sondern den Blick nach vorne richten. Viele Schultern können gemeinsam mehr tragen als die sehr starken rot-grünen Schultern allein.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Minister Groschek. – Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zum

     Teilbereich
Stadtentwicklung und Verkehr

Für die CDU-Fraktion rufe ich Herrn Kollegen Schemmer auf.

Bernhard Schemmer (CDU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht von ungefähr spielt der Bereich „Bauen und Verkehr“ hier im Landtag eine besondere Rolle. Er kommt bei den Haushaltsberatungen als Letztes an die Reihe. Daran kann man erkennen, wie diese Landesregierung Bauen und Verkehr behandelt. Innerhalb weniger Jahre wird das Haushaltsvolumen von 50 auf 60 Milliarden € erhöht. Aber beim Haushalt für Bauen und Verkehr ändert sich fast gar nichts. Ein bisschen – etwas mehr als 10 Millionen – hat sich geändert. Aber dabei handelt es sich ausschließlich um durchgeleitete Bundesmittel. 20 % mehr im Haushalt, 3,5 Milliarden € neue Schulden, aber nichts für Bauen und Verkehr. Sie können erzählen, was Sie wollen: Bauen und Verkehr spielt in dieser Landesregierung schlicht keine Rolle, soweit es den Inhalt angeht.

(Beifall von der CDU)

Ich kann es Ihnen auch ganz anders sagen: Sofern sich Minister Groschek zu dem einen oder anderen Punkt äußert, ist man immer der Meinung, dass der alte Generalsekretär spricht.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Berücksichtige ich, welches Gewicht er bei den Haushaltsberatungen mitbringt, komme ich zu dem Schluss, dass es sich eigentlich um einen Leichtmatrosen handelt.

(Beifall von der CDU)

Ich sprach eben schon davon: Deshalb steht der Einzelplan 09 zu Recht als letzter auf der Tagesordnung. Wenn von den 150 Millionen €, die gespart werden, ein Drittel beim Minister für Bauen und Verkehr gespart wird, und dann nur bei den Investitionen – die Ansätze bei den konsumtiven Ausgaben erhöhen sich sogar noch –, belegt das, dass Sie für Konsumieren viel übrig haben, wenig aber für Investieren, um dieses Land nach vorne zu bringen.

(Beifall von der CDU)

Ein Beispiel: Sie kürzen bei den Maßnahmen für den Landesstraßenbau einschließlich Radwege um 21 Millionen €. Es wird immer erzählt, es gehe um den Erhalt von Neubau. Das ist Grimms Märchenstunde. Sie geben für die Erhaltungsinvestitionen die gleichen 80 Millionen € aus, die wir im Jahre 2009 auch schon ausgegeben haben. Durch ständiges Wiederholen wird das nicht besser. Sie ändern dadurch Ihre Zahlen doch nicht.

Noch einmal: Sie geben für den Landesstraßenbau insgesamt 30 Millionen € weniger aus als 2009. Sie kürzen darüber hinaus noch die Stadterneuerungsmittel. Frau Schneckenburger hat im Übrigen gar nicht bei den Tagesordnungspunkten aufgepasst, sondern schon beim Bereich Wohnen von Stadterneuerung gesprochen. Sie sollte das vielleicht etwas differenzierter tun. Vielleicht verlange ich ein bisschen zu viel von ihr.

Ich wiederhole es: Sie kürzen bei den Stadterneuerungsmitteln um 20 Millionen €, und es geht – das ist nicht Ihre Schuld, Herr Minister Groschek; das war die Leistung Ihres Vorgängers – noch weiter: Ihr Vorgänger hat es geschafft, im Jahre 2011 30 Millionen € an Bundesmitteln überhaupt nicht auszugeben und hatte – Entschuldigung dafür – diese grandiose Idee, dass die Städte und Gemeinden mit ihren Aufgaben um das Konjunkturprogramm II schon ausgelastet werden.

(Jochen Ott [SPD]: Ihre Nase wächst schon wieder! Das ist doch Quatsch!)

Ich glaube, dass nicht die Städte und Gemeinden, sondern das Ministerium überfordert war, um es noch einmal so anzusprechen.

Wir haben alleine im Bereich „Bauen und Verkehr“ mehr als 50 Millionen € an Sparvorschlägen gemacht, allerdings auch 30 Millionen € zusätzlich für Investitionen vorgeschlagen, damit sich das Land nach vorne bewegt. Das waren 20 Millionen € über den Haushaltsansatz von Rot-Grün hinaus.

Ich kann es nur noch einmal sagen: Weniger konsumieren, mehr investieren! Oder andersherum: Es gibt kein Erkenntnisproblem, sondern es gibt bei Rot-Grün immer nur ein Umsetzungsproblem. Dieses Umsetzungsproblem ist doch das, was Ihnen im Wege steht.

Jeden Tag haben Sie eine neue Forderung an den Bund, statt Ihre Hausaufgaben in Nordrhein-Westfalen selber zu machen. Das ist das Dümmste, was hinterherkommt.

(Jochen Ott [SPD]: Lassen Sie sich einmal von Herrn Rasche beraten!)

Kurzum: Mal Generalsekretär, mal Leichtmatrose! Das ist für einen Bauminister in Nordrhein-Westfalen zu wenig. – Schönen Dank.

(Beifall von der CDU – Jochen Ott [SPD]: Ganz peinlich!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Schemmer. – Für die SPD-Fraktion läuft bereits – sportlich, sportlich, Herr Kollege! – Herr Breuer ans Pult. Bitte schön.

Reiner Breuer (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einer unserer altgedienten Kollegen hat mir eben ein Zitat genannt, das von Johannes Rau stammen soll:

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Die höchste Form der Geheimhaltung ist das Halten einer Landtagsrede nach 17 Uhr.

Bei Ihnen wäre es gut, wenn es dabei bliebe und Ihre Rede geheim gehalten würde.

(Beifall von der SPD)

Sie war wirklich nicht erbauend. Die Bürgerinnen und Bürger wollen das, glaube ich, in dieser Form von Ihnen nicht hören. Beschäftigen wir uns deshalb mit den Dingen, die wirklich wichtig sind. Ich finde, unser Minister Herr Groschek hat unter dem Motto „Wir reparieren Deutschland!“ einen guten Vorschlag gemacht, eine Initiative anzustoßen, die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland wieder in Ordnung zu bringen. Das Motto ist gut. Die Initiative klingt auch ein bisschen nach Bob der Baumeister. Vielleicht stellt uns Mike der Minister bald die entscheidende Frage: Können wir das schaffen? Can we fix it?

(Jochen Ott [SPD]: Ja, wir schaffen das!)

– Er kennt die Antwort: Jo, wir schaffen das! Yes, we can!

Aber, meine Damen und Herren, ich glaube, von so viel Gemeinschaft sind wir jedenfalls nach den Reden, die ich bisher hier und heute im Landtag gehört habe, noch weit entfernt. Gleichwohl sind die Herausforderungen, die wir haben, parteiübergreifend anerkannt und groß.

Denn die Brücken in Deutschland bröseln. Die Schlaglöcher werden tiefer. Die vorhandene Infrastruktur ist an ihrer physikalischen Grenze angekommen. Noch haben wir in Nordrhein-Westfalen eine gute Infrastruktur. Das muss man bei der Gelegenheit einmal sagen.

Aber Fakt ist, dass alleine 375 Brücken des Bundes hinsichtlich ihres baulichen Zustandes als kritisch beurteilt werden, jedenfalls nach der Bundesanstalt für Straßenwesen, die das 2009 einmal aufgelistet hat. Die meisten Brücken und Straßen sind enormen Belastungen ausgesetzt, für die sie einfach nicht gebaut sind.

Meine Damen und Herren, die Beeinträchtigungen, die durch den Zerfall unserer Infrastruktur für die Mobilität unserer Bürgerinnen und Bürger entstehen, sind erheblich, und zwar in wirtschaftlicher, in ökologischer und auch in ökonomischer Hinsicht. Wir haben es in Leverkusen und Köln schon erlebt, wo wir zwei gravierende Fälle haben, die gelöst werden müssen. Deshalb sind wir auch parteiübergreifend in der Diskussion, wie wir zu einer dauerhaften und soliden Finanzierung unserer Infrastruktur kommen können.

Die Diskussion, die wir in der letzten Woche mit Dr. Daehre im Verkehrsausschuss begonnen haben, der uns den Kommissionsbericht zur Zukunft der Infrastrukturfinanzierung vorgestellt hat, hat drei Erkenntnisse deutlich gemacht:

Erstens. Unsere Infrastruktur ist chronisch unterfinanziert.

Zweitens. Der Bund muss die Finanzierung dauerhaft gewährleisten und eine zweckentsprechende Verwendung sicherstellen.

Drittens. Wir brauchen zusätzliche nutzerfinanzierte Mittel, die verursachergerecht erhoben werden.

Meine Damen und Herren, wir alle wissen, dass wir uns in diesem Zusammenhang für eine Ausweitung der Lkw-Maut einsetzen. Denn schließlich belasten die Lastkraftwagen die Straßen um ein Vielfaches mehr als Pkw. Sie müssen deshalb für die stärkere Inanspruchnahme auch stärker herangezogen werden.

Wir werden aber auch weiterhin – davon werden Sie uns nicht abhalten, Herr Schemmer – einfordern, dass unser Land entsprechend seiner verkehrlichen und wirtschaftlichen Bedeutung bei der Vergabe von Finanzmitteln und bei der Berücksichtigung von Projekten berücksichtigt wird. Wir nehmen die Benachteiligung des Landes Nordrhein-Westfalen nicht länger hin.

Dies alles hat auch etwas mit dem Haushalt des Landes zu tun, insbesondere der Unterfinanzierung des ÖPNV und auch der Straßen und Wege. Die sogenannten Entflechtungs- und Regionalisierungsmittel müssen dauerhaft gesichert und in Nordrhein-Westfalen besser verteilt werden. Das Land Nordrhein-Westfalen leistet im Rahmen seiner eigenen finanziellen Handlungsmöglichkeiten auch eigene Beiträge. Das wollen Sie nicht hören, Herr Schemmer. Sie unterhalten sich freundlich mit Ihren Kollegen. Aber Sie würden besser mal zur Kenntnis nehmen, dass das Land auch für den ÖPNV natürlich Geld leistet,

(Beifall von der SPD)

und zwar genau da, wo Sie streichen wollen. Zum Beispiel das Sozialticket: 30 Millionen € ist auch viel Geld. Das nehmen Sie anscheinend nicht zur Kenntnis, sondern sie wollen es streichen. Das ist aus unserer Sicht auch keine Lösung.

Es bleibt auch im Landesstraßenbau bei dem Grundsatz des Erhalts von Neubau. Für uns stehen die Sicherung und der Erhalt des vorhandenen Straßennetzes im Vordergrund unserer Politik. 80 Millionen € für ein 12.000 km langes Straßennetz sind auch Geld. Das ist eine erhebliche Leistung, die wir hier bringen. Kein Cent und kein Euro werden hier gekürzt. Wir gehen in den Landesstraßenneubau mit 44 Millionen €. Das ist schmerzhaft, aber es ist kein Stillstand, den wir erzeugen, sondern wir setzen klare Prioritäten. Wir hinterlassen Ihnen, Herr Schemmer, keine Bauruinen, die Sie gemeinsam mit dem Bund der Steuerzahler und Ihren Parteifreunden besichtigen. Den Gefallen werden wir Ihnen nicht tun. Wir konzentrieren uns auf das Machbare und werden gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern weiterhin ehrlich sein.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Es ist kaum zu ertragen, wie schizophren Sie sich hier darstellen. Auf der einen Seite wollen Sie, dass wir weiter investieren, auf der anderen Seite klagen Sie beim Verfassungsgerichtshof gegen die Verschuldung. Man muss sich schon in einem intellektuellen Wachkoma befinden, um das so zu sehen, wie Sie das tun.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir tragen jedenfalls auch schmerzhafte Einsparungen mit. Wir sind angesichts der Schuldenbremse gezwungen, hier aktiv zu werden. Es ist die Kunst gefragt, mit weniger Mitteln mehr zu bewirken. Wir stellen uns dieser Herausforderung. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Breuer. – Nun spricht Herr Ellerbrock für die FDP-Fraktion. Bitte schön.

Holger Ellerbrock (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollegin Schneckenburger, Sie hatten eben gesagt, Sie könnten nicht wahrnehmen, dass Schwarz-Gelb im Baubereich eine höhere Leistungsfähigkeit und Effizienz hatte als Sie. Das zeigt für mich, dass Ihre subjektive Wahrnehmung der Realität doch deutlich hinter meiner objektiven Darstellung der Realität zurückbleibt.

(Beifall von der FDP und der CDU – Lachen von der SPD)

Das wollen wir einmal so festhalten.

(Jochen Ott [SPD]: Wie geil ist das denn?)

Kollege Groschek, Sie haben etwas Positives gesagt, indem Sie sagten, wir haben einen gemeinsamen Weg vor. Wir haben ein Kooperationsangebot gemacht. Wenn Sie dabei noch deutlicher sagen würden, dass es Ihnen in besonderem Maße darauf ankommt, privates Kapital für öffentliche Aufgaben verfügbar zu machen und wir das hier nicht diskriminieren dürfen, dann ist das sicherlich eine Aussage, die uns durchaus das weitere Begleiten Ihrer Politik erleichtert.

Meine Damen und Herren, zum Verkehrshaushalt. Herr Breuer hat eben gesagt, der Bereich Verkehr ist unterfinanziert. Das stimmt. Wir müssen deutlich machen: Über Jahrzehnte in unterschiedlicher Farbgestaltung hat der Bund Mineralölsteuer, Kraftfahrzeugsteuer für andere Aufgaben zweckentfremdet. Das müssen wir festhalten.

(Oliver Bayer [PIRATEN]: Stimmt!)

Zweitens. Die Forderung, dass für das marode Infrastrukturnetz, das wir als Transitland haben, dringend gehandelt werden muss, eint uns, glaube ich, auch. Wer jedoch Forderungen nach Berlin stellt, muss den Eigenanteil, letztendlich eine Vorbildfunktion wahrnehmen. Dem wird die Mittelverteilung, die Sie hier vornehmen, natürlich nicht gerecht.

Kollege Schemmer hat doch recht, wenn er sagt, dass da eine Falschdeklaration – ich wollte jetzt nicht Rosstäuscher sagen – erfolgt. Erhalt vor Neubau! Die Neubaumittel werden in erheblichem Umfang gestrichen. Die Erhaltmittel werden konstant gehalten.

(Gordan Dudas [SPD]: Da sagt der Bund etwas anderes!)

Oder wie hat mein Kollege Brockes ausgerechnet? Mit 110.000 € mehr – das sind gerade mal 0,65 % der vorgenommenen Kürzungen! Wer das als eine Falschdeklaration darstellt und versucht, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken: „Jawohl, wir nehmen Neubaumittel heraus, und die bringen wir in den Erhalt“, dann stimmt das was nicht. Das macht es in der Diskussion mit Berlin auch schwierig, dort finanzielle Forderungen abzurufen. Denn dort wird man sagen: Dann investiert erst einmal mit euren eigenen Möglichkeiten. Was in den letzten Jahren war, schreibt es zumindest fort und kümmert euch um eure eigene Infrastruktur. Punktum.

Ich glaube, wir sind gut beraten, dass sich in dieser Situation – Herr Schemmer, das ist sicherlich auch Ihre Meinung – die Regierung auf uns zubewegen sollte. Denn die Forderungen müssen wir gemeinsam stellen.

(Jochen Ott [SPD]: Herr Ellerbrock, Sie vielleicht! Nicht Herr Schemmer!)

Sonst kommen wir gar nicht zu Potte.

Kollege, was hatten Sie? – Der Kollege hatte eine Wortmeldung verbal dargestellt.

(Allgemeine Heiterkeit)

– Der Kollege muss noch lernen, dass die Wortmeldung nicht durch Zwischenbrüllen, sondern durch das Drücken des roten Knopfes angemeldet wird. Eigentlich müsste es ihm leichtfallen, diesen Knopf zu drücken.

(Beifall von der FDP – Jochen Ott [SPD]: Reinbrüllen macht mehr Spaß!)

Hier müssten wir natürlich auch eins sagen: Warum werden wir denn schlechter vom Bund behandelt als andere Länder? Uns fuchst das auch. Aber wenn wir die Planungen überall zurückfahren und die Baureife nicht nachweisen können, wird das schwierig.

(Beifall von der FDP – Jochen Ott [SPD]: Propaganda! Das stimmt doch gar nicht!)

Kollege Schemmer, ich sage noch einmal – wir hatten uns ja darüber unterhalten –: Wir müssen bei allen sachlichen Differenzen, die wir haben, gegenüber Berlin gemeinsame Wege finden, mit einer Stimme zu sprechen. Wer uns beide kennt: Der Konsens ist dem Kollegen Schemmer und mir schon genetisch in die Wiege gelegt worden.

(Lachen von der SPD)

Ich verstehe das Lachennicht. Sie können gerne Frau Kollegin Schneckenburger fragen, ob ich konsensorientiert bin oder nicht. Oder fragen Sie Frau Voigt-Küppers!

(Dennis Maelzer [SPD]: Sie schon, aber Herr Schemmer doch nicht!)

– Kollege Schemmer ist in manchen Aussagen etwas überpointiert, aber in der Zielrichtung haben wir überhaupt keine Probleme. Ich habe auch manchmal meine Schwierigkeiten, gebe ich zu. Aber in der Zielrichtung sind wir uns einig. Ich glaube, Kollege Schemmer wird mit am Gipfel stehen und sagen: Herr Groschek, wissen Sie noch damals in Ihrer kurzfristigen Regierungszeit: Sie sind einen Weg gegangen, den wir woanders mitgegangen sind. – Schönen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Ellerbrock. Zeitlich eine Punktlandung. – Als Nächster spricht für die grüne Fraktion Herr Beu.

Rolf Beu (GRÜNE): Meine Damen und Herren! Wenn ich richtig mitgehört und mitgezählt habe, ist es der zehnte Einzelplan, den wir gestern und heute beraten. Und es ist das zehnte Mal, dass ich von Vertretern der Opposition sowohl der CDU als auch der FDP gehört habe, dass hier viel zu viel gespart würde, viel zu wenig Geld ausgegeben würde. Das ist genau an dem Punkt hier wieder gesagt worden nach dem Motto, wir würden viel zu wenig Geld für den Straßenbau ausgeben.

Gleichzeitig hören wir immer – da sind dann die Klagen von Ihrer Seite, auch über die Gerichte und woanders –, dass wir viel zu wenig sparen würden. Ich frage mich: Ist das nicht schizophren, oder reden Sie nur das, was einem gerade in den Kram passt: mal mehr Geld auszugeben fordern, mal weniger Geld?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ellerbrock?

Rolf Beu (GRÜNE): Ja, eine!

Vizepräsident Oliver Keymis: Eine Zwischenfrage gestatten Sie. – Herr Ellerbrock, Ihre Chance.

Holger Ellerbrock (FDP): Ich darf auch nur eine stellen, weil mich dann der Präsident unterbricht. Dann muss ich noch einmal draufdrücken, um die zweite zu stellen.

Fangen wir erst einmal an! Herr Kollege, um einer Legendenbildung entgegenzuwirken: Könnten Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass wir nicht gesagt haben, hier würde zu viel gespart, sondern dass wir gesagt haben, diese Landesregierung setzt die falschen Prioritäten? Sollte Ihnen das entgangen sein, dann kann ich das nicht verstehen, weil ich mich immer bemühe, deutlich artikuliert zu reden.

Rolf Beu (GRÜNE): Herr Kollege Ellerbrock, das war rhetorisch eine Feststellung und keine Frage. Aber es ist nicht so. Ich habe immer nur gehört: mehr Forderungen, mehr Forderungen. Natürlich hat zumindest die CDU versucht, einen Deckungsvorschlag zu bringen. Der einzige Deckungsvorschlag ist das Sozialticket, nämlich das Sozialticket wieder vollständig abzuschaffen. Das ist eine Position, die wir als unsolidarisch gegenüber den ärmeren Teilen der Bevölkerung dieses Landes werten müssen.

(Beifall von den GRÜNEN – Christian Lindner [FDP]: Einigkeit mit der Linkspartei!)

Ich möchte auch, Herr Lindner, nicht die Diskussion fortführen, dass wir als NRW tatsächlich unterfinanziert und vom Bund benachteiligt werden. Diese Diskussion kann man immer wiederholen. Sie würde aber hier heute nicht weiterführen.

Minderausgaben sind auch eine Chance, tatsächlich politisch alles zu hinterfragen. Ich glaube, die Zeiten einer autogerechten Stadt, die Zeiten gigantischer unterirdischer Stadtbahnbauten, die immer noch wir zum Beispiel in Städten des Ruhrgebietes vorhalten, sind ein für alle Mal vorbei. Sie sind unwiderruflich zu Ende.

Mit den Folgen dieser Gigantonomie müssen wir heute noch leben. Deshalb ist es auch absolut notwendig, den Erhalt vor den Neubau zu setzen. Das ist keine rot-grüne Ideologie, denn es ist anscheinend zumindest verbal auch die Politik der Bundesregierung, wie man uns aus den neuen Schwerpunktsetzungen des Bundesverkehrsministeriums zumindest glauben zu machen versucht.

Sanierung und Erhalt haben Priorität. Auch in den soeben verschickten Richtlinien ist das erkennbar. Dem großen Sanierungsbedarf der Straßen trägt dieser Haushalt Rechnung. Über 80 Millionen € stehen im Haushalt 2013 dafür zur Verfügung.

Im Bereich der Nahmobilitätsförderung wird auch im Haushalt 2013 ein wichtiger Akzent gesetzt. Auch wenn aus Sicht der grünen Fraktion die geplanten Einschnitte im Bereich des Radwegebaus schmerzhaft sind: Wir wollen die Alternativen zum motorisierten Individualverkehr weiter fördern und deutlich ausbauen. Der im letzten Jahr beschlossene Aktionsplan Nahmobilität und die Ausschreibung für die Radschnellwege weisen den richtigen Weg.

Darüber hinaus kann man auch sagen: Der Haushalt hat die gestiegene ÖPNV-Pauschale berücksichtigt. Das Sozialticket ist unverändert enthalten. Der Haushalt ist ein guter Haushalt, der die Chancen für eine Verkehrswende mit den drei großen Vs bietet: Vermeiden, Verlagern, Verbessern – Vermeiden von überflüssigen Wegen, Verlagern auf umweltfreundliche Verkehrsmittel und Verbessern hin zu effizienteren Technologien. Das ist ein Haushalt, der in diese Zeit passt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Beu. – Nun spricht für die Piratenfraktion Herr Kollege Bayer.

Oliver Bayer (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte sieben, acht, neun Leute im Saal und Zehntausende am Stream – von wegen Geheimhaltung!

(Beifall von den PIRATEN)

Das Geheimnis, Herr Schemmer, ist übrigens: Das Beste kommt zum Schluss, auch mit dem Einzelplan. Mit oder ohne Kürzung beim Sozialticket: Mobilität ist teuer, ganz egal, ob wir mit dem Auto, dem Bus oder der Bahn unterwegs sind.

Mobilität ist nicht nur teuer, sondern sie wird in Zukunft sowohl in absoluten als auch in den relativen Kosten noch teurer. Nicht mobil zu sein, bedeutet schnell, von den gesellschaftlichen Aktivitäten ausgeschlossen zu sein. Mobilität ist in einer modernen Gesellschaft ein Grundrecht.

Aber es sind nicht nur die Menschen, es ist auch die Wirtschaft, die eine funktionierende und auch bezahlbare Verkehrsinfrastruktur zwingend braucht. Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur sind Investitionen in die Zukunft. Wer hier spart, spart an der falschen Stelle, weil er langfristig Kosten produziert. Langfristig, über Jahrzehnte können wir sparen und Mobilität für alle garantieren, wenn wir den ÖPNV ausbauen und attraktiver machen.

Das meint Herr Beu mit „Verkehrswende“. Dies betrifft auch Siedlungsentscheidungen. Wenn gerade schrumpfende Städte aus der Not heraus Bauland in den Randlagen ausweisen, dann erzeugt dies zusätzlichen Mobilitätsbedarf, der zumeist mehr Autoverkehr verursacht.

Wir wollen den ÖPNV stärken und sind für eine nachhaltige Flächenbewirtschaftung. Dafür brauchen wir kompakte Siedlungskörper mit kurzen Wegen, die eine hohe Verdichtung ermöglichen und angesichts einer alternden Gesellschaft dringend benötigt werden.

Deshalb fordern wir Piraten den fahrscheinlosen ÖPNV. Wir fordern ein klares Bekenntnis zu diesem ÖPNV, das sich auch in den Einzelentscheidungen im Landeshaushalt widerspiegeln muss und nicht ein bloßes Lippenbekenntnis sein darf.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir wissen, dass wir für eine funktionierende Versorgung und eine den Menschen dienende Wirtschaft ein funktionierendes und belastbares Straßennetz brauchen. Wir sind jedoch der Meinung, dass es höchste Zeit ist, ernsthaft den Ausbau von Alternativen voranzubringen. Eine solche Alternative ist der ÖPNV, der in besonderer Weise gefördert werden muss.

Der Koalitionsvertrag gibt Anlass zur Hoffnung. Wir freuen uns, dass insgesamt die Notwendigkeit einer substanziellen Verbesserung des ÖPNV gesehen wird. Wir freuen uns auch, dass der RRX im ÖPNV-Gesetz eine exponierte Stellung erhielt. Im Haushalt jedoch spiegelt sich das alles nicht wider.

Es werden im Wesentlichen Bundesmittel weitergeleitet. Von Aufstockung, dem Ausgleich von Kürzungen des Bundes oder der Übernahme von Verantwortung ist nichts zu sehen. Es wäre deutlich mehr möglich.

Wir wollen Sie davon überzeugen, dass der fahrscheinlose ÖPNV eine perfekte Maßnahme auf dem Weg zu einem attraktiven ÖPNV ist. Viele Menschen draußen im Land sind längst davon überzeugt.

Letztlich rechnet sich dieses Projekt unter Einbeziehung aller gesellschaftlichen Kosten. Die Kosten des motorisierten Individualverkehrs werden nicht einmal im Ansatz in den Bilanzen abgebildet.

Wir geben jedes Jahr 7,2 Milliarden € weniger für die Verkehrsnetze aus, als wir müssten, um sie auf Dauer zu erhalten; Herr Breuer erwähnte die Daehre-Kommission. Ein „Weiter so“ können wir uns nicht leisten.

Ein fahrscheinloser ÖPNV kostet – je nach Gültigkeitsbereich, Kommune und Ausgestaltung – in voller Ausprägung zwischen 5 und 25 € pro Person im Monat; 20 bis 25 € sind an das NRW-Semester­ticket angelehnt. Für einen gut ausgebauten lokalen ÖPNV würden wir – als Haushaltsabgabe – nicht mehr als für ARD und ZDF bezahlen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Bayer, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Marsching?

Oliver Bayer (PIRATEN): Ja.

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön, Herr Kollege.

Michele Marsching (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Bayer. – Sind Sie der Meinung, dass die Position, die die Piraten hier vertreten, eventuell so wichtig sein könnte, dass die anderen Kollegen im Landtag Ihrer Rede aufmerksam zuhören sollten und nicht so laut reden, dass selbst ich in der ersten Reihe Sie nicht mehr verstehe?

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Oliver Bayer (PIRATEN): Wenn Sie mich in der ersten Reihe nicht mehr verstehen können, habe ich für Ihr Anliegen volles Verständnis. Daher lautet meine Antwort: Ja.

Die Zahlen im Zusammenhang mit dem fahrscheinlosen ÖPNV zeigen, dass wir es zwar mit einem teuren, aber absolut nicht unbezahlbaren Vorhaben zu tun haben.

Mit unserem Haushaltsantrag zur Auslobung eines Ideenwettbewerbs „Fahrscheinlose Kommune“ wollen wir vorhandene Konzepte in der Praxis darstellen und zudem ein Zeichen dafür setzen, dass wir alle eine kreative Umsetzung der Zukunftsaufgabe „nachhaltige und faire Mobilität“ brauchen.

Die von uns dafür angesetzten 5 Millionen € sind gut angelegtes Geld. Das gilt auch dann, wenn es uns gelingt, eine Debatte anzustoßen über Mobilität als gesellschaftliche Aufgabe, darüber, welche politischen Rahmenbedingungen Mobilität braucht, und über die Rahmenbedingungen, die wir schaffen können und schaffen müssen.

Es geht nicht darum, Autos zu verbieten, aber es geht unbedingt darum, die volkswirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Schäden des Autoverkehrs zu minimieren – weniger Verkehrsflächen, weniger Lärm, mehr Raum für Stadtleben. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herzlichen Dank, Herr Bayer. – Nun spricht für die Landesregierung – ich zitiere mit meiner eigenen Erlaubnis den Redner Breuer – „Mike, der Minister“. Das hat mir gefallen.

(Allgemeine Heiterkeit)

Herr Minister Groschek, Sie haben das Wort.

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Herr Präsident, da kann ich Ihnen nicht widersprechen. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch zwei, drei Anmerkungen zur Stadtentwicklung machen. Wir haben in diesem Teilbereich des Etats 2013 weniger Geld – rund 22 Millionen € weniger – zur Verfügung, das ist richtig.

Gleichwohl geben wir noch für Denkmalschutz, Förderung und Stadtentwicklung 251 Millionen € aus. Dahinter können sich andere Bundesländer auch quotal deutlich verstecken. Wir sollten uns an dieser Stelle ein Stück weit selbstbewusster aufstellen.

(Beifall von der SPD)

Um es gleich vorwegzunehmen, Herr Kollege Ellerbrock: Ich habe nichts gegen Public Private Partnership, wenn es sich wirklich um Partnerschaft handelt und nicht um das Ausnehmen einer Weihnachtsgans durch eine bestimmte Seite dieser Partnerschaft.

(Beifall von der SPD)

Wenn man also gemeinsam kassiert und nicht arbeitsteilig der eine kassiert und der andere nachschießt, dann kann man von einer vernünftigen Partnerschaft reden.

Es sollte nicht so laufen, wie es der Bundesrechnungshof dem Land Niedersachsen bei dem Bau der A1 attestiert hat. Aber dazu will ich mich nicht näher äußern; denn es gibt ja eine neue Landesregierung, die verantwortlicher mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger umgehen wird.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Ellerbrock?

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Bitte.

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön.

Holger Ellerbrock (FDP): Herr Minister, würden Sie mir zustimmen, dass derjenige, der sich über einen Misserfolg von PPP beklagt, zugleich der ist, der schlecht verhandelt hat?

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Da würde ich jetzt erst einmal in das Gutachten schauen und prüfen, welcher Minister in Niedersachsen welche Verantwortung getragen hat. Das können wir noch einmal im Ausschuss vertiefen, Herr Kollege Ellerbrock. Dann werden wir auch Gelegenheit haben, über die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung A1/NRW zu reden, wenn die abgeschlossen ist. Da muss es also eine Partnerschaft geben und kein Missverhältnis.

Berlin hat uns in einem Punkt inzwischen fast schon überholt: beim Prinzip „Erhalt geht vor Neubau“. Ich kann Ihnen nur empfehlen, einen Blick in die Kriterien zur Entwicklung des Bundesverkehrswegeplans 2015 zu werfen.

Er wird von Rot-Grün vollendet werden, wenngleich er noch von Schwarz-Gelb in Berlin geschrieben worden ist. Darin steht: Sollte nach den Erhaltinvestitionen noch Geld übrig sein, dann werden wir in den Neubau dort investieren, wo es um Lückenschluss und Engpassbeseitigung geht.

Sollte dann wider Erwarten noch etwas übrig sein, werden wir – als Bund – auch in den realen Neubau einsteigen. So restriktiv sind wir gar nicht. Wir haben ein Herz für das Handwerk im Straßenbau – nicht so wie Herr Ramsauer, Herr Kollege Schemmer.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zurück zur Perspektive: Wenn man jetzt einmal von der Frage „100.000 € mehr, 100.000 € weniger“ wegguckt, glaube ich, dass wir uns über ganz andere Kriterien zu unterhalten haben, nämlich darüber, wie wir sozialverträgliche, umweltverträgliche Mobilität organisieren, die die Menschen und die Güter beweglich erhält. Da müssen wir uns meines Erachtens gemeinsam verpflichten, heute Infrastruktur zu planen und zu bauen, die es morgen den Menschen ermöglicht, Mobilität mit dem Smartphone und nicht allein mit dem Zündschlüssel zu gewährleisten. Das ist die politische Herausforderung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es reicht nicht, nostalgisch darüber nachzudenken, wie schön die autogerechte Stadt doch war. Sie war nie schön und wird auch nie schön werden, Herr Kollege Schemmer.

(Bernhard Schemmer [CDU]: Das habe ich auch nie gefordert!)

In Bezug auf den Bund möchte ich zwei Punkte ansprechen. Erstens. Ich bin mit Herrn Ramsauer bei Beurteilungen zum Teil einig und liege mit ihm zum Teil völlig quer. Wenn wir an den Bund appellieren, tun wir das immer nur da, wo er die originäre Zuständigkeit hat. Die hat er beispielsweise beim Abschließen einer Finanzierungsvereinbarung für die Betuwe-Line. Hier ist ein Versagen auf der ganzen Linie zu konstatieren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich hoffe, dass das Dezemberfieber im August vor der Bundestagswahl so groß sein wird, dass Herr Pofalla Herrn Ramsauer derart Beine machen wird, dass wir endlich eine Finanzierungsvereinbarung hinbekommen. Was Sie nicht schaffen, schafft vielleicht Herr Pofalla.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zweite Anmerkung: Ich würde mich freuen, wenn entweder der Staatsminister im Auswärtigen Amt oder der Außenminister selbst Herrn Ramsauer daran erinnern würde, vielleicht nicht dem Verkehrsminister in Nordrhein-Westfalen die außenpolitische Verantwortung zu überlassen, um endlich die Betuwe-Line und den Eisernen Rhein mit Belgien und den Niederlanden hinzukriegen. Wir würden es als Auftragsverwaltung gerne machen. Dann müssen sie aber bezahlen. Für lau machen wir Ihre Arbeit nicht.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rehbaum?

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Ja, bitte.

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön.

Henning Rehbaum (CDU): Sehr geehrter Herr Minister, Sie sprachen gerade davon, dass Sie weg von der Autogesellschaft und hin zu anderen künftigen Verkehrsträgern umschichten wollen. Warum wird denn dann der Mittelansatz für Radwege an Landesstraßen deutlich gekürzt, nämlich im siebenstelligen Bereich, und warum werden für Radschnellwege keine Mittel eingestellt?

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Sie werden sich wundern, wie die weitere fiskalische Entwicklung in diesem Bereich verlaufen wird. Ich hoffe, Sie halten dann Schritt, wenn wir sagen: Nahmobilität muss nachhaltig gestärkt werden; denn das hat Zukunft. Die Kombination zwischen Stadtentwicklung und Mobilitätsgewährleistung bedeutet das Überwinden des Spartendenkens, das wir auch bei der Finanzierung überwinden müssen; denn Herr Daehre weist uns neue Wege. Bei ihm als Christdemokraten nehme ich das gern zur Kenntnis. Herr Daehre sollte in Ihren Reihen wieder aktiv werden. Dann wird die Verkehrspolitik besser.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN – Henning Rehbaum [CDU]: Die Antwort, bitte!)

Herr Präsident, ich weiß jetzt nicht, wie viel Redezeit mir noch verbleibt. Die Anzeige …

Vizepräsident Oliver Keymis: Soll ich es Ihnen ehrlich sagen, Herr Minister? 31 Sekunden.

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Gut. Dann liegt mir viel daran, zu sagen: Der Landesbetrieb Straßen.NRW leistet hervorragende Arbeit – ganz im Gegensatz zur Opposition, jedenfalls zur christdemokratischen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das begründe ich anhand von zwei Beispielen.

Erstens. Es ist zu wenig, sich mit der Brückenbauproblematik in Form von Mätzchen auseinanderzusetzen. Es reicht nicht, wenn Herr Voussem sich auf die A1-Brücke stellt und sagt: „Groschek macht Show; die Brücke ist in Ordnung“, obwohl alle wissen: Die Brücke droht zusammenzukrachen.

(Jochen Ott [SPD]: Wenn sie bei ihm schon einmal hält!)

Zweitens. Genauso wenig reicht es, wenn der Kollege Wittke sagt: Groschek lässt Brücken prüfen, die es gar nicht mehr gibt.

Wir haben eine Bundesliste von 375 Brückenbauwerken, die nachzurechnen sind. Auf dieser Bundesliste von 2008/2010 stehen einige Brückenbauwerke, die inzwischen durch Neubauten ersetzt worden sind. Daraus abzuleiten, es gäbe kein Brückenproblem, ist eben das kindische Pfeifen im Wald. Das darf nicht politischer Maßstab werden.

(Anhaltender lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Groschek. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe damit die Beratungen zum Einzelplan 09.

Jetzt kommen wir – ich bitte dafür um ein bisschen Konzentration und die entsprechende Ruhe – zu insgesamt fünf Abstimmungen.

Zunächst stimmen wir über den Einzelplan 09 ab. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 16/2109, den Einzelplan 09 unverändert anzunehmen. Wer stimmt dem so zu? – SPD-Fraktion und Grünen-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – CDU-Fraktion, FDP-Fraktion und Piratenfraktion. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen und der Einzelplan 09 in zweiter Lesung mit Mehrheit verabschiedet.

Jetzt holen wir die Abstimmung über den Einzelplan 20 nach. Darüber haben wir schon gestern diskutiert. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 16/2120, den Einzelplan 20 unverändert anzunehmen. Wer stimmt dem so zu? – Grüne und SPD. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP und Piraten. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist auch diese Beschlussempfehlung angenommen und der Einzelplan 20 in zweiter Lesung mit Mehrheit verabschiedet.

Meine Damen und Herren, damit sind alle Einzelpläne beraten. Wir kommen zur Schlussabstimmung.

Erstens stimmen wir über das Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2013 – Gemeindefinanzierungsgesetz 2013 – Drucksache 16/1402 ab. Die Beratungen darüber haben wir schon durchgeführt. Ich weise auf den Bericht und die Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 16/2117 hin. Wer stimmt der Empfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses, diesen Gesetzentwurf anzunehmen, zu? – SPD und Grüne. Wer stimmt dagegen? – CDU und FDP. Wer enthält sich? – Die Piratenfraktion, und zwar geschlossen. Damit ist das GFG 2013 in zweiter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Zweitens stimmen wir über das Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2013 – Haushaltsgesetz 2013 – Drucksache 16/1400 ab. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt der Beschlussempfehlung Drucksache 16/2100, den Gesetzentwurf anzunehmen. Die Beratungen sind ordnungsgemäß durchgeführt worden. Wer lehnt dieses Haushaltsgesetz ab? – Jetzt müsst ihr echt überlegen?

(Heiterkeit von der SPD)

Sie haben noch ein bisschen nachgedacht. Hier ist die Sache klar: CDU- und FDP-Fraktion lehnen das Gesetz ab, die Piraten lehnen das Gesetz ab.

(Zuruf)

– Ich frage ja gleich noch.

Wer stimmt dem Gesetz zu? – SPD und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in großer Geschlossenheit. Gibt es Enthaltungen? – Einzelne Enthaltungen, drei Enthaltungen in der Piratenfraktion, wenn ich es richtig sehe, beim Haushaltsgesetz 2013. Das ändert alles nichts. Die Mehrheit hat entschieden. Das Gesetz ist in zweiter Lesung angenommen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir stimmen ab – und das ist wichtig – über die Rücküberweisung des Haushaltsgesetzes 2013 – die Drucksachennummer haben wir alle jetzt gelernt und könnten sie im Chor sprechen – Drucksache 16/1400 und des Gemeindefinanzierungsgesetzes Drucksache 16/1402 an den Haushalts- und Finanzausschuss zur Vorbereitung der dritten Lesung. Wer stimmt dieser Überweisung zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist einstimmig vom Hohen Haus so entschieden und diese Überweisungsempfehlung angenommen.

Ich darf darauf hinweisen, dass die dritte Lesung der Gesetze zum Haushalt für die Plenartage am 20., 21. und 22. März 2013 vorgesehen ist.

Wir sind am Ende des Tagesordnungspunktes 4 und gehen sofort zu:

5   Schienenproduktion in Duisburg erhalten – Landtag Nordrhein-Westfalen erklärt Solidarität mit den Beschäftigten der TSTG Schienen Technik GmbH & Co. KG Duisburg

Antrag
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU,
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/2132

Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/2216

Ich eröffne die Beratung und erteile für die SPD Herrn Kollegen Börner das Wort.

Frank Börner (SPD): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen der TSTG auf der Tribüne! 400 Menschen im Duisburger Norden, motiviert, gut ausgebildet, die gute Arbeit vollbringen, sollen nun ihrer wirtschaftlichen Existenz beraubt werden, weil ein paar Vorstände, die die europäische Schienenproduktion kontrollieren wollen, dies für richtig finden und zusätzliche Profite generieren wollen.

Es wird von diesem Kartell sehr offen darüber geredet, dass der Preis der Schienen zu billig sei. Mit der Schließung eines Standortes soll das Angebot reduziert werden und der Preis der Schiene nachhaltig erhöht werden. Der Bundesbahn scheint dies egal zu sein. Letztlich kann der Fahrgast oder der Steuerzahler ruhig den höheren Preis für Schienen bezahlen. Offensichtlich gibt es bei der Bahn nicht einmal Überlegungen, wie sie sich gegenüber den Absprachen zur Schließung des Standortes, das Preiserhöhungen nach sich zieht, verhalten will. Der Steuerzahler, der Fahrgast zahlt ja.

Die Analyse der wirtschaftlichen Daten der TSTG Duisburg ergibt, dass der Standort betriebswirtschaftlich perfekt aufgestellt ist. Es gibt lediglich einen offensichtlich politisch motivierten Liefervertrag, der die TSTG zwingt, Rohstoffe deutlich über den Marktpreis zu beschaffen. Solch eine Strategie macht jede Bilanz eines Unternehmens kaputt.

Obgleich die Voestalpine in der Presse das Gegenteil behauptet, wissen wir, dass es Interessenten gibt, die dieses strukturell gesunde Unternehmen erwerben wollen. Nur, dies passt nicht in die Überlegung der Muttergesellschaft Voestalpine.

Der Standort Duisburg soll mit dem ganzen fachlichen und hoch qualifizierten Knowhow samt Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vernichtet werden. Diese Motivation und diese Pläne von Voestalpine kann man ja, wenn man diese verqueren Gedanken verfolgen will, irgendwie nachvollziehen. Es überrascht aber, dass das in Berlin überhaupt keine Beachtung findet.

Die Bundesbahn, die sicherlich der größte deutsche Nachfrager nach Schienen ist und schon stark unter den sogenannten Schienenfreunden gelitten hat, schweigt. Die Bundesregierung mit ihrem auf dem freien Wettbewerb bedachten liberalen Wirtschaftsminister schweigt.

(Zuruf von Karl-Josef Laumann [CDU])

– Im Weiteren komme ich dazu.

Herzlichen Dank an die Landesregierung, bei der dieses Thema schon früh angekommen ist und aufgenommen wurde. Die Minister Schneider und Duin haben sich bereits vor knapp einem Jahr vor Ort ein Bild gemacht und mit den Kollegen Gespräche geführt. In Absprache mit den Duisburger Bundestagsabgeordneten wurden auch in Berlin Gespräche geführt, die dort aber offensichtlich abgeblockt wurden.

Wir haben vor Ort mit der Belegschaft und mit dem Betriebsrat in mehreren Gesprächen gemeinsame Wege gesucht, um Strategien für den Erhalt der TSTG zu finden. Seit ein paar Tagen hat auch die CDU in Duisburg dieses Thema erkannt. Willkommen in der Gegenwart! Es ist sicherlich gerade für die CDU in Duisburg nicht ganz einfach, sich mit den Realitäten auseinanderzusetzen.

Nur bitte, bearbeiten Sie dieses Thema und damit die wirtschaftliche Existenz von rund 400 Familien nicht einfach als PR-Show. Schreiben Sie nicht nur plakative Resolutionen und Pressenotizen. Sie haben noch bis September die Möglichkeit, auf die Bundesregierung einzuwirken. Nutzen Sie diese Chance für die Menschen bei der TSTG und öffnen Sie die Türen im Verkehrsministerium und bei der Deutschen Bahn, sodass der Druck auf Voestalpine als Lieferanten für die Schienen erhöht wird.

Es kann und darf nicht sein, dass die Bundesbahn diese Strategien jenseits marktwirtschaftlicher Mechanismen stillschweigend akzeptiert. Es kann und darf nicht sein, dass die Bundesbahn sehenden Auges die deutlichen Preiserhöhungen von Schienen unwidersprochen hinnimmt. Es darf nicht sein, dass Finanzjongleure, die den Schienenmarkt in Europa kontrollieren wollen, mit einem Federstrich die wirtschaftliche Existenz von 400 Familien gefährden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, nutzen Sie das noch vor Ihnen liegende halbe Jahr, um im Bund für die Beschäftigten der TSTG Türen zu öffnen.

Wenig hilfreich ist der Antrag der FDP. In den Punkten 1 und 2 ist er erledigt oder wird fortwährend durch die Landesregierung erfüllt oder ist Bestandteil unseres Antrages. Wie bekannt, engagiert sich die Landesregierung bereits. Die Verweigerer sitzen in Berlin und Österreich. Ihr Punkt 3 geht am Thema vorbei. Vielleicht ein kleiner Tipp: Vorher einfach informieren.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der TSTG, der Landtag Nordrhein-Westfalen wird sich gleich – zumindest mehrheitlich – für den Standort der Schienenproduktion in Duisburg aussprechen und sich so hinter 400 moderne, qualifizierte und gute Arbeitsplätze stellen. Wir fordern den Erhalt dieser Arbeitsplätze. – Glück auf!

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Kollege Börner. – Für die CDU-Fraktion hat das Wort nun Frau Vogt.

Petra Vogt (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir behandeln bei diesem Tagesordnungspunkt einen Antrag, der auf Initiative der CDU entstanden ist

(Zurufe von der CDU: So ist das!)

und dankenswerterweise von fast allen anderen Fraktionen unterstützt wird. Dies ist zunächst einmal ein gutes Signal für die Beschäftigten des von der Schließung bedrohten Schienenwerks TSTG in Duis­burg und vor allen Dingen ein guter Tag für die über 400 Beschäftigten in Duisburg.

(Beifall von der CDU)

Herr Börner, dieses Thema ist meines Erachtens zu wichtig, als dass man es in einen parteipolitischen Streit hineinziehen sollte.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Aber wenn Sie hier im Raume behaupten, Sie und die Landesregierung führten schon seit vielen Monaten Gespräche, dann fragen wir uns natürlich: Warum ist es die CDU-Fraktion gewesen, die einen solchen Antrag initiiert hat? Wenn Sie monatelang Gespräche geführt haben, hätten Sie ja auch einmal auf diese Idee kommen können.

(Lebhafter Beifall von der CDU)

Dieser Antrag soll helfen, ein traditionell gewachsenes Industriegewerbe, das seit fast 120 Jahren besteht, zu retten. Es ist hierbei allerdings nicht so, dass eine Firma vor dem Aus steht, die selbstverschuldet in eine Schieflage gekommen wäre; vielmehr handelt es sich um einen der modernsten Schienenhersteller der Welt, ein innovatives Unternehmen, das sich in der Forschung engagiert, das die Herausforderungen einer sich schnell ändernden Marktwirtschaft annimmt, das mit Neuerungen und hochmoderner Technik bei den Anforderungen an Umwelt und Hochtechnologie neue Maßstäbe setzt. Dieses Werk soll nach dem Willen des Eigentümers, der österreichischen voestalpine, geschlossen werden.

Es mag viele Gründe geben, warum weltweit Stahlwerke und andere Mitglieder der Schwerindustrie geschlossen werden. Es mag viele Gründe geben, warum innovative Firmen von Anteilseignern oder Eigentümern geschlossen werden. Einige dieser Gründe mögen gute Gründe sein. Viele dieser Gründe aber sind es nicht. Es vermag mir in diesem Fall auch gar kein Grund einzufallen, weder ein guter noch ein wirtschaftlich vernünftiger, noch ein schlechter, unvernünftiger und unmenschlicher Grund, der eine Schließung dieses Werkes rechtfertigte.

Mir fallen anders herum sehr viele gute Gründe ein, warum es falsch wäre, dieses Werk zu schließen, warum es falsch wäre, diese über 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die Straße zu setzen, warum es falsch wäre, diese Innovationsschmiede, die einzige ihrer Art in Nordrhein-Westfalen und angesichts der beeindruckenden Produktpalette auch die einzige ihrer Art weltweit, ihrem Untergang zu überlassen, warum es falsch wäre, den Beschäftigten nicht unter die Arme zu greifen, warum es falsch wäre, die Beschäftigten ihrem Schicksal zu überlassen und sie mit ihren Familien in eine ungewisse Zukunft wandern zu lassen, und warum es falsch wäre, einer vom Strukturwandel arg gebeutelten Stadt wie Duisburg hochqualifizierte Arbeitsplätze zu nehmen. Einige dieser guten Gründe, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, möchte ich Ihnen aufzeigen.

Erstens. Die TSTG ist wirtschaftlich gesund, die Auftragsbücher sind voll. Hauptpartner der TSTG ist die Deutsche Bahn. Angesichts des immer weiter zunehmenden Verkehrs auf den Schienen und angesichts dessen, dass sich der Schienenverkehrs bis 2025 fast verdoppeln wird, ist zwingend davon auszugehen, dass weitere Aufträge an die TSTG kommen werden. Bereits jetzt deckt die TSTG 50 bis 60 % des Schienenbedarfs im deutschen Schienenmarkt ab. Im Sektor des Privatmarktes hält sie ca. 50 % des Marktanteils.

Zweitens. Die TSTG ist das einzige Schienenproduktionswerk in Deutschland. Deutschland ist hierbei einer der wichtigsten EU-Teilmärkte.

Drittens. Der Standort Duisburg bietet mit den Verkehrsanbindungen über den Hafen und die vielfältigen Autobahnanbindungen in logistischer Hinsicht eine Spitzenversorgung.

Viertens. Die TSTG ist einer von weltweit zwei Produzenten von Vignol-Eisenbahnschienen von bis zu 120 m Länge. Andere Werke sind hierzu momentan produktionstechnisch nicht in der Lage.

Fünftens. Im Rahmen der Werkstoffentwicklung entwickelt die TSTG immer weiter neue Schienenmaterialien. Der Bereich des Umwelt- und Lärmschutzes wird nachhaltig weiter in diese Entwicklungen einbezogen.

Sechstens. Die Produktentwicklung der TSTG umfasst Werkstoffe, die höhere Zähigkeit, Belastbarkeit und Lebensdauer garantieren und somit schon jetzt für ein höheres Verkehrsvolumen – gerade auch im Hinblick auf Lärmreduktion für Anwohner der Gleis­trassen – zukunftsgerecht und bedarfsgerecht ausgelegt sind.

Dies sind nur einige der Vorteile, die die TSTG zu einem der weltweit führenden Schienenproduzenten machen und die, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, diesen Betrieb und seine Angehörigen umso unterstützenswerter machen.

Es mag manchen Bürgern im Lande so scheinen, dass wir als Parlament, als Politiker und Entscheidungsträger, nicht immer eine verständliche und im Sinne der Bürger einsichtige Entscheidung treffen. Hier bietet sich allerdings die Gelegenheit für uns als Parlamentarier und Volksvertreter, für den Bürger und für den Industriestandort in Nordrhein-Westfalen ein Zeichen zu setzen, indem wir sagen: Wir lassen euch nicht allein. Fast das gesamte Spektrum der im Landtag von Nordrhein-Westfalen vertretenen Parteien steht hinter euch. Wir werden all das, was wir tun können, was in unserer politischen Macht steht, für euch tun.

Die CDU-Fraktion wird, wie hoffentlich die anderen Fraktionen auch, für diesen gemeinsamen Antrag stimmen. – Herzlichen Dank, in der Hoffnung, dass wir gemeinsam etwas für diese Firma bewegen können.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Vogt. – Für die grüne Fraktion spricht nun Frau Dr. Beisheim.

Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Belegschaft der TSTG Schienen Technik hat – das klang bereits in den Vorreden an – turbulente Zeiten hinter sich. In diesen Zeiten hat sie ihren Beitrag zur Fortführung des Unternehmens über das normale Maß hinaus erbracht. Die aktuellen Nachrichten der letzten Tage aber sind daher für alle besonders bitter.

Als ehemalige Beschäftigte eines Metallunternehmens in Duisburg kann ich die aktuelle Gemütslage der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sehr gut nachvollziehen. Die Gedanken daran, wie es mit einem persönlich, aber auch mit den Kolleginnen und Kollegen weitergehen soll, begleiten alle Betroffenen auf Schritt und Tritt.

Meine Vorrednerinnen haben schon viele wichtige Punkte und Argumente für den Erhalt des Schienenwerks genannt. Ein Aspekt aber sollte dabei noch einmal besonders betont werden, dass nämlich die Schließung dieses Werkes eine rein strategische Entscheidung des Mutterkonzerns ist. Dazu gehört auch die Aussage – die haben wir auch heute bei der Demonstration vor dem Landtag gehört –, dass die voestalpine einem Verkauf nur dann zustimmen wird, wenn drei Jahre lang am Standort keine Schienen produziert werden. Das ist, gelinde gesagt, ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten und ein echtes K.-o.-Kriterium für den Fortbestand des Werkes.

(Beifall von der CDU)

Deshalb ist auch der Vorwurf berechtigt, dass der Schaden, der durch das Kartell der Schienenfreunde hervorgerufen worden ist, auf dem Rücken der Belegschaft beseitigt werden soll.

Die Übernahme von Verantwortung durch Unternehmen sieht meiner Ansicht nach anders aus, meine Damen und Herren. Für mich wird hier wieder einmal eine große Lücke zwischen der in Unternehmensleitlinien proklamierten gesamtgesellschaftlichen Verantwortung und der bitteren Realität erkennbar. Diese Lücke kennen wir insbesondere im Ruhrgebiet sehr gut.

Die TSTG Schienen Technik ist für mich deshalb nur ein weiterer Beweis dafür, dass die zu Recht eingeforderte und durch die Landesregierung an vielen Stellen gestartete Akzeptanzoffensive für eine nachhaltige Entwicklung des Industriestandortes NRW keine Einbahnstraße sein kann.

Ich möchte jetzt von meiner Seite aus keine Generaldebatte über wirtschaftspolitische Position der FDP führen. Gestatten Sie mir aber doch bitte ein paar Bemerkungen zu dem vorliegenden Entschließungsantrag bzw. zu dem indirekten Vorwurf, der dort zum Ausdruck gebracht wird, dass die Landesregierung zu irgendeinem Zeitpunkt Hoffnungen geweckt haben könne, die sie nicht erfüllen kann. Diesen Vorwurf möchte ich entschieden zurückweisen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Schon unmittelbar nach der Schließungsankündigung haben unter anderem Minister Jäger und ich an einer Betriebsversammlung in Marxloh teilgenommen. Keiner von uns hat dort falsche Hoffnungen geweckt. Im Gegenteil, es ist bis heute – das haben wir auch heute Morgen gehört – immer deutlich gemacht worden, welche Eingriffsmöglichkeiten das Land realistisch hat.

Es bedarf sicherlich keinerlei Belehrungen, auch keinerlei weiterer Unterstützung durch die FDP im Hinblick darauf, was die Landesregierung in dieser Sache zu tun oder zu lassen hat.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der von der FDP eingeforderte Verzicht auf regulatorische Eingriffe der Landesregierung fordert darüber insgeheim dazu auf – ich empfinde das wirklich so –, die Beschäftigten ins Bergfreie fallenzulassen. Auch deshalb kann der Entschließungsantrag der FDP nur abgelehnt werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn von Beginn die FDP Interesse an den Belangen der Beschäftigten gezeigt hätte, wüssten Sie, dass sich die Beschäftigten schon vor fast einem Jahr ein breites Bündnis gewünscht haben, das sich über Parteien und Organisationen hinweg erstrecken und sich für den Erhalt des Werkes einsetzen sollte. Es freut mich daher sehr, dass sich dieser Wunsch in dem gemeinsamen Antrag von CDU, SPD, Grünen und Piraten gebündelt hat.

(Beifall von den GRÜNEN)

Gerade im Ruhrgebiet wissen wir, dass Leben und Arbeit weiterhin mobiler, flexibler und volatiler werden wird. Ich bin mir sicher, dass diese Landesregierung ihre Planungen und politischen Rahmensetzungen zur Sicherung des Industriestandortes NRW auch weiterhin schnell und passgenau durchführen wird.

Zum Schluss möchte ich als Duisburgerin ganz persönlich der Mehrheit dieses Hohen Hauses für die breite Solidarität danken. Ich schicke solidarische Grüße nach Duisburg. Glück auf!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Dr. Beisheim. – Nun spricht für die Piratenfraktion Herr Bayer.

Oliver Bayer (PIRATEN): Besten Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin es noch einmal. – Verehrte TSTG’ler, hier und später auf YouTube. Bis auf die kleinen Kabbeleien, wer jetzt zuerst darauf kam, waren das doch sehr schöne Redebeiträge und gute Argumente. Soweit sind wir uns einig. Ich bin noch darauf gespannt, ob Herr Ellerbrock auch auf diese Rede gleich noch eingehen wird. Als Vorsitzender des Duisburger FDP-Kreisverbandes wollen Sie sich sicher generell darauf konzentrieren, Sparvorschläge durchzusetzen. Sie sagten: Wir müssen versuchen, mit den Finanzen auszukommen. – Das ist auch löblich; aber an der falschen Stelle zu sparen, kann auch sehr teuer werden, insbesondere wenn Duisburger Arbeitsplätze verlorengehen.

Als Verkehrspolitiker sehe ich noch weitere Probleme, die durch eine Schließung der Schienenwerke in Duisburg verursacht werden. Ausgangslage ist ein derzeitiges Überangebot an Schienen. Die Preise fallen. Im Kurzfristdenken des Marktes mag eine Marktbereinigung sinnvoll sein; Arbeitnehmer, Steuerzahler und Bahnfahrer hingegen müssen langfristig Nachteile befürchten.

So reden wir hier nicht nur über die Versorgungssicherheit für den ICE- und Intercityfernverkehr, sondern auch über die Schienen für den Nahverkehr. Sie wissen ja, Nahverkehr ist Daseinsvorsorge. Das heißt, dass eine Versorgung der Bevölkerung als wichtiger angesehen wird als reine Profitabilität.

Deshalb müssen wir hier diskutieren, wie die langfristigen Auswirkungen sind, wenn wir das Schienenwerk verlieren. Müssten unsere Kommunen und die Bahn, also auch der Bund, schlimmstenfalls dauerhaft mehr bezahlen, um Schienenstrecken zu modernisieren oder neu zu bauen? Ich sage Ja. Dabei müssten wir doch alle dafür sorgen, dass die Einkaufspreise durch Monopole oder illegale Preisabsprachen nicht in astronomische Höhen steigen. Jetzt reden wir hier nicht über die Interessen eines Konzerns, sondern auch über öffentliches Interesse. Die Auftraggeber, Deutsche Bahn und Verkehrsbetriebe, zahlen mit öffentlichem Geld; also eignet sich das Thema überhaupt nicht für eine marktliberale Positionierung.

Zu Herrn Brockes gleich: Leider berücksichtigt Ihr Entschließungsantrag das übergeordnete öffentliche Interesse überhaupt nicht. Leider giftet dieser Entschließungsantrag demgegenüber gegen das Klimaschutzgesetz. Manche vergleichen die Situation mit Opel 2009. Damals sollten keine öffentlichen Gelder fließen, und der Bürger in diesem Land hat kein Recht auf ein öffentlich subventioniertes Auto. Aber er hat ein Recht auf Mobilität. Ein Recht auf Mobilität ist ohne Schienen nichts wert. Die öffentliche Hand braucht die Schienen.

Hier in NRW haben wir den Stahl. Den Stahl hier zu verarbeiten und direkt zu den zukünftigen Baustellen der Betuwe-Linie oder des Eisernen Rheins auf kurzem Wege zu transportieren, ist eindeutig der bessere und auch der effektivere Weg. Welchen Sinn macht es, den Stahl aus NRW oder vielleicht auch eher anderswoher nach Polen oder nach Österreich zu liefern und dort zu Schienen zu verwandeln, um diese dann wieder teuer zurück ins Ruhrgebiet zu schicken? Dezentrale Märkte und Cluster sind der bessere Weg. Daher sollten wir mit aller Kraft in die TSTG investieren.

Zu der Debatte gehört aber auch die lückenlose Aufklärung der illegalen Preisabsprachen. Ein Blick in den Bundestag zeigt, dass die Verantwortung auch auf anderen Schultern liegt. Ich verfolge dazu die aktuelle Kleine Anfrage der Grünen. Sollte die Antwort unbefriedigend sein, brauchen wir aus meiner Sicht im Bundestag endlich den Untersuchungsausschuss zu den illegalen Preisabsprachen.

Außerdem sollte sich die Deutsche Bahn nochmals genauer mit dem zivilrechtlichen Kauf des Werkes beschäftigen. Zur Deutschen Bahn gehören die Wittener Weichenwerke, die erfolgreich betrieben werden. Ein pauschales „Kein Interesse“ der Deutschen Bahn reicht mir nicht, vor allen Dingen, solange die Verquickungen zwischen Deutscher Bahn und voest­alpine nicht aufgedeckt sind.

Natürlich muss die betriebswirtschaftliche Rentabilität eine zentrale Rolle spielen. Aber die Langfristperspektive darf nicht vergessen werden. Um diese zu sichern, bin ich durchaus bereit, noch weitere Schritte über die heutige symbolische Erklärung hinaus zu gehen, wie wir es eben auch von meinen Vorrednern gehört haben. Oder anders gesagt: Mal eben Solidarität erklären und Feierabend machen, das machen wir nicht. Lassen Sie uns also in den nächsten Monaten gemeinsam an einer Lösung arbeiten. Bei der Anwesenheit von Abgeordneten und Ministern auf der Wiese vor dem Landtag kann man ja großes Interesse erkennen, und dann kann auch die Rettung funktionieren. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Bayer.

Ich möchte etwas nachholen, was ich eben noch nicht wusste – aber man lernt auch zu später Stunde noch dazu –: Frau Dr. Beisheim hat eben ihre erste Rede gehalten. Das habe ich echt nicht gewusst. Herzlichen Glückwunsch!

(Allgemeiner Beifall)

Ich bitte zu verzeihen, dass ich nicht dauernd alle Meldungen lese, die auf mein Handy gesimst werden. Aber ich habe gesehen, ihr wart superaktiv; das muss man schon sagen. – Danke schön. Also Glückwunsch auch von hier aus.

Weiter geht es mit der nächsten Rede: Er ist schon fast am Pult, der Kollege Brockes für die FDP-Fraktion.

Dietmar Brockes (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, es ist unsere Aufgabe, sich der Sorgen und Nöte der Menschen in unserem Land anzunehmen. Es ist deshalb auch gut und richtig, dass wir uns heute hier mit dem drohenden Arbeitsplatzverlust der Beschäftigten bei der TSTG Schienen Technik GmbH in Duisburg befassen und hierzu die Debatte führen.

Deshalb lassen Sie mich direkt vorneweg seitens der FDP-Landtagsfraktion deutlich machen, dass wir es sehr bedauern würden, wenn das Werk in Duisburg schließen müsste.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Ist das eine Grabrede?)

Aber, meine Damen und Herren, wie ist die Ausgangslage bei der TSTG? Nach den uns vorliegenden Informationen ist der Betrieb eben nicht wettbewerbsfähig. Das Unternehmen schreibt seit Jahren rote Zahlen, und ohne Zuschüsse des Mutterkonzerns wäre das Unternehmen schon seit 2009 insolvent.

(Karl-Josef Laumann [CDU]: Es kommt darauf an, was die Mutter sagt!)

Wie ist die Lage im Schienenbereich? Auf dem Weltmarkt gibt es Überkapazitäten. Deshalb stimmt auch unter anderem der Punkt 4 in Ihrem Antrag und ebenso in der Pressemeldung der Piraten nicht. Die Versorgungssicherheit im Schienenbereich ist nämlich nicht gefährdet.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Körfges?

Dietmar Brockes (FDP): Bitte, Herr Kollege.

Vizepräsident Oliver Keymis: Das ist nett. – Bitte schön, Herr Körfges.

Hans-Willi Körfges (SPD): Herr Kollege Brockes, könnten Sie die Freundlichkeit besitzen, uns einmal zu erzählen, wer Ihnen zu welchem Zeitpunkt über die wirtschaftliche Entwicklung und Situation im Unternehmen welche Informationen gegeben hat; denn die von Ihnen zitierten Informationen decken sich offensichtlich nicht mit dem, was alle Ihre Vorredner eben gesagt haben?

Dietmar Brockes (FDP): Herr Kollege Körfges, das können wir gerne nach der Debatte einmal machen

(Unruhe von der SPD und den GRÜNEN)

und die Informationen austauschen; denn ich wüsste gerne auch – aber zu diesem Punkt komme ich ja gleich auch noch –, welche Informationen Ihnen dort vorliegen.

Meine Damen und Herren, eines muss man deutlich sagen: Schienen sind im Ausland deutlich günstiger als in Deutschland zu beziehen.

(Heike Gebhard [SPD]: Wie sind denn da die Löhne?)

Deshalb muss man fragen, welche Möglichkeiten der Staat denn nun wirklich hat, um zu helfen. Die Landesregierung sollte sicherlich mit allen Betroffenen Gespräche darüber führen, welche Möglichkeiten zum Fortbestand bestehen. Wenn sie bisher geführt wurden, dann frage ich aber auch, welches Ergebnis das gebracht hat. Insbesondere würde es mich doch interessieren, dass hier die unterschiedlichen Positionen über mögliche Investoren einmal aufgeklärt werden; denn bisher hat sich öffentlich niemand dazu bekannt, dass er diesen Standort übernehmen möchte.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung sollte auch dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen in Nordrhein-Westfalen so sind, dass es sich lohnt, hier und nicht an einem anderen Ort in Deutschland oder in Europa zu investieren.

(Beifall von der FDP)

Aber, meine Damen und Herren, kann die Politik, wie in Ihrem Antrag beschrieben, den Erhalt einfordern? Was heißt das? Soll der Staat ein Unternehmen dazu zwingen, einen nicht wettbewerbsfähigen Standort zu erhalten?

(Widerspruch von der SPD, der CDU, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Meine Damen und Herren, das kann nicht richtig sein. Im Antrag von SPD, Grünen, CDU und Piraten wird aber der Eindruck erweckt, der Landtag von Nordrhein-Westfalen könne heute per Beschluss den Erhalt einer Produktionsstäte gewährleisten. Das ist ehrlich gesagt unlauter.

(Beifall von der FDP)

Sie wecken mit Ihrem Antrag bei den Beschäftigten Erwartungen, die Sie überhaupt nicht erfüllen können.

(Beifall von der FDP)

Oder meinen Sie hiermit, dass der Staat mit Subventionen in den Markt eingreifen soll? Wenn dies so gemeint ist, meine Damen und Herren, dann sage ich Ihnen ganz klar, dass diese Art der Scheckheftpolitik bereits in der Vergangenheit leider auch hier in Nordrhein-Westfalen mehrfach kläglich gescheitert ist. Deshalb warnen wir Sie auch ausdrücklich davor, diesen Weg einzuschlagen. Denn dies hätte mit sozialer Marktwirtschaft nun wirklich nichts mehr zu tun.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, ich fasse deshalb zusammen: Wir wünschen uns den Erhalt des Schienenproduktionsstandorts Duisburg. Aber Ihr Antrag liefert dazu keinen realistischen Beitrag. Stimmen Sie daher besser unserem Entschließungsantrag zu. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Brockes. – Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Duin das Wort.

Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen der TSTG, die ihr diese Debatte seit einiger Zeit – wir hinken dem Zeitplan etwas hinterher – von der Tribüne aus verfolgt und beobachtet! Wir hatten heute schon auf dem Platz vor dem Landtag die Möglichkeit, miteinander zu sprechen.

Ich fand es sehr beeindruckend, liebe Kollegen, wie Frau Dr. Beisheim, Karl-Josef Laumann, Guntram Schneider, Herr Bayer, Herr Börner und viele andere – ich möchte hier niemanden absichtlich vergessen – ihre Solidarität mit den Beschäftigten Ihres Unternehmens zum Ausdruck gebracht haben. Es war beeindruckend, mit wie vielen Kollegen Sie heute hier waren. Und es war beeindruckend, dass nicht nur die Kollegen aus Ihrem Unternehmen da waren, sondern dass Sie sich auch auf die Solidarität von Beschäftigten aus anderen Stahlunternehmen und aus anderen IG-Metall-Unternehmen berufen konnten, die heute mit da waren. Es war eine wirklich beeindruckende Veranstaltung, und ich gratuliere Ihnen dazu und wünsche Ihnen weiterhin die Kraft, die Sie auch heute hier auf dem Platz vor dem Landtag aufgebracht haben. Wir sind sehr solidarisch mit Ihnen.

(Allgemeiner Beifall)

Heute haben alle Redner, die dort gesprochen haben, zum Ausdruck gebracht, dass unserer festen Überzeugung nach die rund 400 Kolleginnen und Kollegen bei der TSTG nicht die Verursacher des eigentlichen Problems sind. Es gibt einige wenige, die dieses Schienenkartell organisiert haben. Aber die 400 haben das nicht organisiert, aber auf ihren Knochen – so waren, glaube ich, auch Ihre Worte, Herr Laumann – wird es am Ende ausgetragen. Das ist ein Skandal, und deswegen sind wir heute hinausgegangen und haben uns solidarisch erklärt. Sie können schließlich nichts für die Folgen dieses Schienenkartells.

(Allgemeiner Beifall)

Vonseiten der Landesregierung haben der Kollege Schneider, der Kollege Groschek, der Kollege Jäger und ich in vielen Gesprächen vor Ort oder auf anderen Ebenen mit dem Betriebsrat, mit der IG Metall, aber zum Beispiel auch mit Herrn Eder von voestalpine auszuloten versucht, welche Möglichkeiten es gibt. Wir versprechen hier keine Wunder nach dem Motto: Die Politik kann hier diese Probleme lösen.

Aber ich möchte nur sagen, Herr Brockes: Es ist eben keine einseitige Informationsbeschaffung gewesen, sondern es waren die persönlichen Gespräche sowohl mit der Unternehmensführung, mit Herrn Dr. Eder und anderen in unseren Büros in Düsseldorf als auch die persönlichen Gespräche vor Ort mit dem Betriebsrat, mit der IG Metall und mit denjenigen, die früher Verantwortung im Betriebsrat trugen und jetzt den Kolleginnen und Kollegen nach wie vor beratend zur Seite stehen und wirkliche Alternativen gesucht und mit entwickelt haben.

Diese Informationen haben wir zur Grundlage unserer politischen Vorgehensweise gemacht. Wir wissen, dass es eine hohe Produktqualität gibt. Wir wissen, dass es technologisches Know-how gibt. Und wir wissen eben auch, dass die Entscheidung, diesen Standort zu schließen, eigentlich nur eine Ursache hat, nämlich den Schutz der Mutter an einem anderen Standort außerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Das ist die eigentliche Strategie, die dahinter steht, um quasi Marktbereinigung zu eigenen Gunsten zu betreiben. Das ist der Kern des Ganzen.

Deswegen haben wir so breit gesagt, dass wir eine faire Chance auf Fortführung des Betriebes wollen. Wir wollen dafür sorgen, dass nicht ein Sozialplan ausgehandelt wird, sondern dass weiterhin industrielle Beschäftigung an diesem Standort in Duisburg möglich ist. Darum geht es.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Brockes, niemand – niemand in den ganzen Reden und Debatten und auch nicht vonseiten der SPD – verlangt hier staatliches Geld. Niemand verlangt eine Bürgschaft. Niemand verlangt die Übernahme durch das Land oder den Bund oder irgend­etwas in dieser Art. Das, was Sie hier gerade argumentativ aufgebaut haben, ist ein reiner Pappkamerad. Denn Sie haben gegen etwas argumentiert, was in der ganzen Debatte weder vonseiten der Beschäftigten noch vonseiten derjenigen, die sich mit ihnen solidarisch verhalten, jemals auch nur eingefordert worden ist.

(Beifall von der SPD)

Deswegen: Liberale Überzeugung in allen Ehren. Aber was Ihnen eben abgeht, ist Solidarität. Wir wollen, dass das Unternehmen zu fairen Bedingungen angeboten wird. Man kann doch nicht dieses Unternehmen anbieten und sagen, es gibt nur eine Bedingung, nämlich: Du darfst drei Jahre lang keine Schienen bauen. – Wer soll denn ein solches Investment eingehen? Es ist doch klar, dass da niemand auf den Marktplatz geht.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN, der CDU und den PIRATEN)

Das sind keine fairen Bedingungen. Die fordern wir ein.

Ich sage es noch einmal. Wir versprechen keine Wunder. Wir versprechen nicht die Lösung aller Probleme. Aber das, was wir versprechen können, ist, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun.

Das, was wir nur verlangen, ist, dass das, was hier in so breiter Einigkeit mit Ausnahme der FDP auf den Weg gebracht worden ist, in Berlin auch in dieser Breite geschieht. Denn wir brauchen die Erhöhung des Drucks auf das Unternehmen voestalpine. Wir brauchen den Druck in diese Richtung, damit wir noch zu einer vernünftigen Lösung kommen, die eben nicht im Sozialplan, sondern in Beschäftigung endet.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN, der CDU und den PIRATEN)

Das ist die Haltung, die in dem gemeinsamen Antrag zum Ausdruck kommt. Den sollten wir jetzt auf den Weg bringen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN, der CDU und den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Minister Duin.

Wir kommen zur Abstimmung über die beiden Anträge, und zwar zunächst über den Antrag der vier Fraktionen Drucksache 16/2132. Die Fraktionen haben direkte Abstimmung beantragt. Wer stimmt diesem Antrag also so zu? – Die Fraktion der Piraten, die Fraktion der SPD, Grüne und CDU. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Die FDP-Fraktion stimmt gegen diesen Antrag.

(Zurufe: Pfui!)

Gibt es Enthaltungen im Hohen Haus? – Es gibt eine Enthaltung. Bei einer Enthaltung aus der Piratenfraktion ist dieser Antrag mit breiter Mehrheit angenommen.

(Beifall von der SPD, der CDU, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Jetzt stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/2216. Wer stimmt diesem Antrag zu? – Die FDP-Fraktion. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – SPD, Grüne und Piratenfraktion. Wer enthält sich? – Es enthalten sich die CDU-Fraktion und ein Kollege aus der Piratenfraktion. Damit ist dieser Antrag mit Mehrheit im Hohen Haus abgelehnt.

Wir sind am Ende des Tagesordnungspunktes 5.

Wir kommen zu:

6   Pferdefleischskandal restlos aufklären – kriminelle Machenschaften in der Lebensmittelbranche im Interesse von Verbrauchern, Landwirten und Lebensmittelproduzenten und -händlern nachhaltig bekämpfen

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/2125

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/2198

Ich rufe auf für die CDU-Fraktion Frau Kollegin Schulze Föcking als erste Rednerin. Sie haben das Wort, Frau Kollegin.

Christina Schulze Föcking (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Recht auf ausreichende Ernährung ist ein Menschenrecht, zu wissen, was man isst, aber eben auch. Die Tatsache, dass uns dieses Wissen vorenthalten wurde, ist der Grund für unsere heutige Debatte.

Seit mehreren Wochen beschäftigt uns der Vorfall um nicht deklariertes Pferdefleisch in Lebensmitteln. Täglich erhielten wir neue Meldungen, in welchen Produkten Pferdefleisch gefunden wurde, welche Händler Erzeugnisse zurückrufen oder aus ihrem Sortiment entfernen.

Hinzu kamen in den vergangenen Tagen Untersuchungsergebnisse, dass Bio- und Freilandbetriebe im Bereich der Eiererzeugung den vorgeschriebenen Tierbesatz pro Fläche nicht eingehalten haben.

Im Ergebnis sind die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Qualität und Kennzeichnung unserer Lebensmittel teilweise verunsichert.

Der Skandal um Pferdefleisch steht in einer Reihe von Vorfällen. Nach diesen Vorkommnissen wurde das System durchleuchtet, wurden die Kontrollen verschärft und die Überwachungsmethoden verbessert.

Kommt jedoch kriminelles Handeln ins Spiel, dann stößt auch das beste System an die Grenzen. Lebensmittelpanscherei ist schlimmer als Geldwäsche und kein Kavaliersdelikt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir fordern daher den Einzug von Unrechtsgewinnen und die volle Härte der Strafgesetze, wenn möglich sogar Berufsverbote. Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen beim Kauf von Lebensmitteln immer genau wissen, was sie erwerben. Sie müssen ohne Argwohn darauf vertrauen können, dass das Produkt einwandfrei erzeugt wurde und ausschließlich das enthält, was angegeben ist.

(Beifall von der CDU)

Dabei darf es keine Rolle spielen, ob es sich um ein Markenprodukt handelt oder um die günstigere Eigenmarke eines Supermarktes, ob es konventionell oder biologisch erzeugt wurde. Jedes Produkt hat qualitativ hochwertig und beanstandungsfrei zu sein.

Wir müssen die aktuellen Vorfälle aufklären. Gemeinsam ist zu überlegen, wo die Schwachpunkte im System sind. Wie konnte Pferdefleisch in die Produktion gelangen? Wie konnte es anschließend den Kunden als Rindfleisch angeboten werden? Hätte man die Verbraucherinnen und Verbraucher frühzeitiger warnen können, wenn es schon, wie von Bundesministerin Aigner empfohlen, ab Ende Januar verstärkte Kontrollen auf Pferdefleisch gegeben hätte? Warum wurde in NRW erst ab dem 8. Februar verstärkt kontrolliert?

Warum gibt es in NRW – eine weitere Frage – noch immer kein eigenes Sonderdezernat bei einer Staatsanwaltschaft für Lebensmittelbetrügereien? Was im Wirtschaftsbereich geht, sollte bei Lebensmitteln erst recht möglich sein. Angekündigt wurde die Prüfung der Einrichtung solcher Dezernate in NRW nach der Dioxinkrise im Jahr 2011. Konkret geschehen ist bislang aber wenig.

(Beifall von der CDU)

Wenn also die Grünen dies jetzt fordern, dann ist das ein Eingeständnis, dass sie die gemeinsame Erklärung der Agrarminister vom 18. Januar 2011 in Nordrhein-Westfalen bis heute nicht umgesetzt haben.

(Beifall von der CDU)

Minister Remmel hat die Umsetzung der Maßnahmen dieser gemeinsamen Erklärung am 19. Januar 2011 als „Auftrag“ bezeichnet. Wenn Sie diesen selbst gewählten Maßstab wählen, Herr Remmel, warum haben Sie ihn nicht erfüllt?

Meine Damen und Herren, bei Vorfällen wie diesen gerät regelmäßig eine ganze Branche in Verruf. Ich bin sehr dafür, die kriminellen Verursacher solcher Skandale hart zu bestrafen, wirklich hart. Aber genauso entschieden weise ich darauf hin: Die überwiegende Mehrheit unserer Landwirte und Verarbeiter bringt qualitativ hochwertige Nahrungsmittel hervor.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Die Bundesregierung hat in ihrem Nationalen Aktionsplan den richtigen Weg eingeschlagen. Dieser Plan wurde von allen Bundesländern mitgetragen, was uns natürlich sehr freut. Heute Abend wurde übrigens eine Maßnahme des Aktionsplans umgesetzt. Zukünftig soll es Behörden möglich sein, die Namen von Herstellern zu veröffentlichen, die Lebensmittel mit falschen Inhaltsangaben verkauft haben. Das ist ein guter Schritt, ein richtiger Schritt, den wir sehr begrüßen. Damit wird deutlich: Die Bundesregierung nimmt das Thema ernst, sie handelt entschlossen und rasch.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP – Zuruf von der CDU: Sehr richtig!)

Diesen Weg der Analyse, der Aufklärung und der Konsequenzen müssen Bund, Land und die EU gemeinsam gehen. Vor allem die Einbeziehung der europäischen Ebene ist sehr wichtig, wie uns dieser europaweite Skandal zeigt. Was wir brauchen, ist ein entschiedenes und koordiniertes Handeln aller Ebenen – EU, Bund und Land –, Maßnahmen, die Hand in Hand gehen.

Allerdings – auch das ist klar –: Eine völlige, hundertprozentige Sicherheit wird es leider nicht geben. Entschlossene Kriminelle werden sich kaum abhalten lassen, es sei denn, wir gehen endlich an das Strafmaß heran.

Ich komme zum Schluss. Lassen Sie uns den Menschen im Land signalisieren, dass der Landtag Nordrhein-Westfalen geschlossen und einheitlich auf der Seite der Verbraucherinnen und Verbraucher steht. Lebensmittelbetrug ist nicht tolerabel und muss hart geahndet werden. Deshalb würde ich mich freuen, wenn Sie unserem Antrag zustimmen würden. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Frau Schulze Föcking. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Blask.

Inge Blask (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Viele Menschen in unserem Lande sind durch die aktuellen Lebensmittelskandale sehr verunsichert. Wer Lebensmittel kauft, muss selbstverständlich davon ausgehen, dass das drin ist, was draufsteht. Wenn auf der Packung Rindfleisch steht, darf kein Pferdefleisch drin sein.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das ist Lug und Betrug. 30 Mal wurde aktuell in Nordrhein-Westfalen Pferdefleisch nachgewiesen. Die SPD-Fraktion unterstützt eine rückhaltlose Aufklärung dieser verbraucher- und wettbewerbsschädigenden kriminellen Machenschaften durch die Landesregierung.

Ich darf noch Richtung Herrn Höne sagen, ich hatte mir vorhin den Satz notiert: Bei 1,99 € kann man nicht viel erwarten.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Die SPD ist der Auffassung, dass die Menschen auch bei 1,99 € viel erwarten können.

(Beifall von der SPD)

Den Lebensmittelverarbeitern hätte es bei strikter Eigenkontrolle doch auffallen müssen, dass sie kein Rindfleisch verarbeiten. Das System der Eigenkontrolle hat offensichtlich versagt. Wir unterstützen daher die Forderung nach einer Konkretisierung der Eigenkontrolle ausdrücklich.

Als dann Pferdefleisch entdeckt wurde, konnten die Unternehmen die Produkte still und leise aus dem Handeln nehmen. Denn eine Mitteilungspflicht an die Behörden besteht nicht. Hier ist dringender Regelungsbedarf.

Herr Minister Remmel hat daraufhin die Unternehmen bzw. die Verbände gebeten, im Internet selbst eine Liste anzulegen. Und es ist nichts geschehen. Die SPD-Fraktion bedauert es, dass der deutsche Lebensmittelhandel nicht in der Lage war, eine solche Liste zu erstellen. Über die Seite Rückrufe.de haben Bund und Länder eine Übersicht für die Verbraucher angeboten. Ziel muss es aber sein, dass die Behörden in die Lage versetzt werden, alle Unternehmen öffentlich zu nennen, wenn solche Verbrauchertäuschungen vorliegen.

Frau Schulze Föcking, heute Abend hat Frau Aigner im Bundestag einen Beschlussvorschlag präsentiert, wonach genau diese öffentliche Nennung möglich sein soll. Man denkt erst einmal: Toll, gut gemacht. Aber man muss genau auf die Formulierung achten. Es wird eine Soll- und keine Muss-Lösung sein. Also: Gut gemeint, aber schlecht gemacht, Frau Aigner.

(Beifall von Britta Altenkamp [SPD])

Meine Damen und Herren, es muss gewährleistet sein, dass die Strafen für diese Täuschung nicht aus der Portokasse bezahlt werden können. Das Strafmaß muss der Täuschung angemessen sein. Unrechtsgewinne müssen abgeschöpft werden und der Verbraucherarbeit zugutekommen.

Frau Aigner hat mal wieder einen 10-Punkte-Plan vorgelegt: mal wieder. Darin hat sie angekündigt, dass sie eine Kennzeichnung von Fleisch in Fertigprodukten will. Aber wenn man ein, zwei Jahr zurückgeht, ist Frau Aigner diejenige gewesen, die in Europa die Durchsetzung der Kennzeichnung verhindert hat. Und auf einmal fordert sie die Kennzeichnung. Das ist wohl wieder nur eine Ankündigung. Wir brauchen eine strikte Umsetzung und keine Ankündigungsministerin.

Bund und Länder sind aufgefordert, die kriminellen Strukturen zu identifizieren und zu bekämpfen.

Aber zu den Strukturen, von denen schon jetzt völlig klar ist, dass sie geändert werden müssen, gehören auch die Lohnstrukturen auf den Schlachthöfen. Die Niedriglöhne, mit denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf den Schlachthöfen auskommen müssen, gehören zu den schlimmen Folgen daraus, dass der Wettbewerb auf dem Lebensmittelmarkt im Wesentlichen über den Preis und nicht über die Qualität geführt wird.

Gleichzeitig sind diese Niedriglöhne die Konsequenz daraus, dass sich die Bundesregierung weigert, die vorhandene Gesetzeslücke in diesem Bereich endlich zu schließen und die unsäglichen Praktiken des Lohndumpings in der Schlachtbranche durch Werkverträge und Scheinselbstständigkeit zu unterbinden. Es ist daher wichtig, dass die Landesregierung eine Bundesratsinitiative zur Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns von 8,50 € morgen im Bundesrat diskutieren wird.

Zum Schluss gab es Vorschläge aus den Reihen der schwarz-gelben Bundesregierung, die Lebensmittel an Arme zu verteilen. – Ich halte diese Forderung für zynisch. Denn Arme sind doch keine Verbraucher zweiter Klasse. Wir haben Lebensmittel, die nicht das enthalten, was drin sein soll, und möglicherweise enthalten sie auch noch Medikamente. Kirchen und Sozialverbände haben diesem Vorschlag eine eindeutige Absage erteilt.

Pferdefleisch in Fertigprodukten, Eier, die falsch ausgezeichnet sind, all das macht deutlich, wie wichtig die Lebensmittelkontrollen in unserem Lande sind. Verbraucherinnen und Verbraucher haben einen Anspruch darauf, dass auch preiswerte Lebensmittel gut und qualitativ hochwertig sind. Und sie haben einen Anspruch darauf, präventiv informiert zu werden. Dazu brauchen wir klare und verbindliche gesetzliche Grundlagen des Bundes und keine halbherzigen Entscheidungen.

Ich bitte Sie, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Frau Blask. – Nun spricht für die Grünen-Fraktion Herr Kollege Rüße.

Norwich Rüße (GRÜNE): Werter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte nicht gedacht, dass ich Schimmel auf einer Lasagne mal so relativ harmlos sehen würde, seitdem wir über Schimmel in der Lasagne reden.

Ich halte es für sehr gut, dass Sie heute diesen Antrag gestellt haben. Ich finde es richtig, dass wir uns mit dem Thema beschäftigen. Es ist ein guter Impuls. Er hätte es verdient, heute Abend etwas eher diskutiert zu werden.

Wenn ich mir Ihren Antrag jedoch genauer ansehe, stelle ich fest: Sie reiten damit eindeutig Hindernis vorbei.

(Beifall von den GRÜNEN)

Man hat leider das Gefühl, mit Ihrem Antrag geht es Ihnen vor allem darum, wieder einmal Ihre Kernbotschaft loszuwerden, wonach 99 % aller Bauern und Lebensmittelhersteller korrekt arbeiten. Jetzt kommen wir zum entscheidenden Punkt. Dazu braucht es diesen Antrag nicht. Keiner von uns im Raum glaubt, dass das falsch ist. Wir sind doch alle davon überzeugt, dass 99 % korrekt arbeiten. Es geht aber in der Tat um dieses 1 % schwarzer Schafe.

Das zweite Problem ist: Sie verweigern sich komplett der Einsicht, dass dieser Skandal auch systembedingt ist. Wir hätten das doch gar nicht geglaubt. Wir stehen alle wieder einmal staunend davor, wie die Nahrungsmittelindustrie funktioniert.

Produktionsketten und Handelswege einer modernen Industrie offenbaren sich: Ein Tiefkühlkosthersteller in Frankreich ordert Fleisch bei einem südfranzösischen Unternehmen. Das wiederum bestellt Fleisch über einen zypriotischen Zwischenhändler, der das Fleisch aus Rumänien organisiert. – Dass auf solch weiten Wegen quer durch Europa und wieder zurück schon einmal ein Pferd zu Rind wird, kann uns eigentlich nicht wirklich erstaunen, auch wenn wir etwas anderes erwarten.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Deppe?

Norwich Rüße (GRÜNE): Nein, jetzt nicht, sonst immer gern.

Vizepräsident Oliver Keymis: Jetzt nicht? – Gut.

Norwich Rüße (GRÜNE): Es geht doch nicht immer, Herr Deppe. – Dieses System aus internationalen und weit verzweigten Produktionsketten hat am Ende nur ein Ziel. Es geht um den billigsten Preis am Markt.

An der Stelle müssen wir uns als Verbraucherinnen und Verbraucher doch einmal fragen, welche Qualität so ein geschenkter Gaul in der Lasagneform für 1,29 € überhaupt hat. Ganz wichtig finde ich: Dies gilt nicht nur für uns Konsumenten. Das gilt auch für diejenigen, die mit dem Fleisch handeln und das Fleisch verkaufen. Auch Manager in der Lebensmittelkette müssen genau wissen, was sie zu Billigpreisen einkaufen und dann an andere weiterverkaufen. Wenn die uns weiß machen wollen, dass sie ein Qualitätsprodukt verkaufen, dann wiehern doch nur noch die Pferde.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der Lebensmittelhandel ist an der Stelle eben nicht nur ein Opfer. Er ist genauso ein Täter. Er ist für diese Skandale mitverantwortlich.

Allerdings müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, dass die Strukturen im Moment so sind wie sie sind. Deshalb müssen wir zu allererst die Hersteller dazu bringen, dass sie ihre waghalsigen Produktionssysteme – denn es sind waghalsige Systeme – durch verantwortungsbewusste starke Eigenkontrollen absichern.

Wir müssen aber auch über unsere eigenen staatlichen Kontrollsysteme diskutieren. Sind sie ausreichend? Sind sie der Zeit noch angepasst? Natürlich sind unsere Kontrollsysteme noch auf den Metzger vor Ort ausgerichtet. Wir haben aber eben Großschlachthöfe, und die Händler sitzen ganz woanders. Darauf muss man entsprechend reagieren.

Wir sehen in dem Zusammenhang die Einrichtung von Sonderdezernaten bei den Staatsanwaltschaften und vor allem auch die komplette Abschöpfung erzielter Unrechtsgewinne als ganz wichtige Instrumente an, um solche krummen Geschäfte demnächst nicht mehr lukrativ sein zu lassen.

Sehr geehrte Damen und Herren, neben besseren Kontrollen und höheren Strafen brauchen wir aber vor allem eine lückenlose Kennzeichnung. Wir hätten uns in der Vergangenheit wirklich gefreut, wenn uns andere dabei einmal unterstützt hätten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir wollen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher unmittelbar und sofort auf der Verpackung erkennen können, was in der Lasagne ist und woher die Zutaten kommen. Wir wollen kurz und knapp, dass Ross und Reiter klar genannt werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Neben besseren Produktkontrollen und besseren Informationen wollen wir aber auch einen Systemwechsel. Wir wollen, dass regionale kurze Wertschöpfungsketten wieder gestärkt werden. Es ist aber klar: Da bedarf es in Berlin einer 180-Grad-Kehrtwende in der aktuellen Agrarpolitik. Dafür ist die Zeit auch reif. Das zeigen die Skandale der Vergangenheit.

Ich komme zum Schluss. Um solche Skandale zukünftig besser verhindern zu können, brauchen wir einen Dreiklang aus verbesserten Kontrollen, besserer Förderung regionaler Wertschöpfungsketten und nicht zuletzt auch aus besserer und intensiverer Verbraucherbildung. Nur wenn wir eine andere Wertschätzung für Lebensmittel erreichen, wenn wir wieder einen kritischen Blick der Verbraucherinnen und Verbraucher auf das erreichen, was sie jeden Tag essen, bekommen wir es hin, dass wir gegenkontrollieren, was uns Lebensmittelhersteller und Lebensmitteleinzelhandel jeden Tag auftischen.

Zu dieser Problemlösung trägt unser Entschließungsantrag deutlich stärker bei als Ihr ursprünglicher Antrag. Deshalb bitte ich, unseren Entschließungsantrag zu unterstützen, und sage in diesem Sinne noch: Augen auf beim nächsten Lasagnekauf!

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Rüße. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Höne.

Henning Höne (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Blask, ich bin eben schon einmal in die zweite Runde gegangen und habe auf die Aussage von Herrn Minister Remmel erwidert. Ich muss es jetzt noch einmal sagen: Bei dem Thema besteht eigentlich fraktions- und parteiübergreifend zumindest im Ziel eine große Einigkeit. Das hat im Übrigen schon die Diskussion im Umweltausschuss gezeigt. Dieses Hineininterpretieren bei einem solchen Thema, nur um an Ende ein kleine Differenz im Detail zu finden, ist nicht nur unsouverän, sondern auch irgendetwas zwischen albern und lächerlich und Wahlkampfgetöse.

An dieser Stelle erneut das Wort im Mund herumzudrehen, gehört weder in diese Debatte, noch wird es der Sache gerecht. Es sollte von Ihnen auch nicht weiter fortgetrieben werden.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Aufgabe besteht vielmehr darin, einen entsprechenden Beitrag dazu zu leisten, die aktuellen Lebensmittel­skandale lückenlos aufzuklären und dementsprechend eine sachliche Debatte zu führen, die dazu beiträgt. Unserer Meinung nach trägt der Antrag der CDU-Fraktion zu dieser Versachlichung bei. Wir unterstützen diesen Antrag in seinen drei Beschlusspunkten.

Erstens. Lückenlose Aufklärung ist erforderlich. Herr Minister Remmel, hier sind Sie als Verbraucherschutzminister höchstpersönlich in der Pflicht.

Zweitens müssen wir insbesondere vorhandene Strukturen in der Branche analysieren und Optimierungsvorschläge unterbreiten. Zum Beispiel ist dabei eine stärkere Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen geboten.

Das, was sicherlich Sie wie mich immer wieder sehr ärgert, ist: Am Ende des Tages werden wir mit noch so guten Gesetzen und Strukturen nie eine hundertprozentige Sicherheit bieten können, sondern können lediglich dafür sorgen, dass es für kriminelle Energie möglichst schwer ist, einen Weg zu finden.

Umso wichtiger ist es aber, vorzusorgen, die vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten auszudehnen oder zumindest konsequent anzuwenden und Verstöße zu ahnden.

Ein dritter Punkt ist mir besonders wichtig – Herr Rüße, ich freue mich, dass wir uns darin einig sind –: Die überwältigende Mehrheit der Beteiligten in der Branche – egal, in welchem Bereich – leistet einwandfreie Arbeit und verdient das Vertrauen der Bevölkerung.

Müssen wir darauf immer wieder hinweisen? – Vielleicht nicht in jedem Kreis, Herr Kollege Rüße; aber ich glaube, dass es gerade angesichts der aktuellen Debatten schon sinnvoll ist, wenn Politik ein Stück weit einen Beitrag dazu leistet, dass vertrauensbildende Maßnahmen ergriffen werden.

Genau darum geht es. Schauen wir uns nämlich die Medienberichterstattung der letzten Wochen zu diesem Thema an, kommt eben nicht rüber, dass wir nur über 1 % schwarze Schafe sprechen, sondern es entsteht der genau umgekehrte Eindruck. Dem sollten wir von dieser Stelle aus entgegenwirken.

Alle drei Punkte des Antrags sind richtig. Darum tragen wir sie mit.

An Ihrem Entschließungsantrag kritisiere ich insbesondere die Verknüpfung mit dem Thema „Mindestlohn“. Ich glaube, dass Sie damit einen Nebenkriegsschauplatz aufmachen

(Karl-Josef Laumann [CDU]: Nein!)

und an den wesentlichen Themen vorbeigehen. Wir sprechen über einen Preisdruck in der gesamten Branche und der gesamten Lieferkette. Aber Sie wollen sich einen Minipunkt heraussuchen, der meiner Meinung nach im Zweifelsfall den Brand nicht löscht, sondern ihn eher beschleunigt. Das Ganze ist für mich Wahlkampferöffnung und ?ge­töse. Das erinnert ein bisschen an Marcus Cato, der immer wieder gesagt hat, im Übrigen hätte Karthago zerstört werden müssen! – Ihrer Meinung nach brauchten wir im Übrigen in allen Bereichen einen Mindestlohn und hätten damit ein Allheilmittel. Ich glaube, dass Sie es sich damit zu einfach machen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser gemeinsames Ziel muss es sein, Rahmenbedingungen so zu setzen, dass die Verbraucher mehr Wert auf die Erzeugung qualitativ hochwertiger Produkte zu angemessenen Preisen – übrigens innerhalb der gesamten Lieferkette – legen, und zwar unabhängig von der Erzeugungsform. Das wird sicherlich nicht einfach.

Dazu müssen Lebensmittelkontrollen verstärkt werden, und zwar zum einen auf der öffentlichen Seite. Gleichzeitig müssen wir auf der anderen Seite die Branche stärker in die Pflicht nehmen.

Als dritte Säule müssen wir den verantwortungsvollen Umgang des Verbrauchers mit Nahrungsmitteln stärken und ihn besser informieren. Dann hätten wir einen ganzheitlichen Ansatz, der auf allen Ebenen wirken kann.

Denn eine gesunde und hochwertige Ernährung sollte es uns wert sein, vermehrt auf Qualität und nicht nur auf den günstigsten Preis zu schauen.

(Beifall von Norwich Rüße [GRÜNE])

– Vielen Dank, Herr Kollege Rüße. – Das ist gerade bei Lebensmitteln das große Problem. Insbesondere die große Marktmacht der Discounter gibt den Preisdruck in die gesamte Lieferkette und lässt damit die Qualität in der gesamten Lieferkette leiden.

Ich habe es eben schon einmal und auch im Ausschuss gesagt: Die Deutschen geben im europäischen Vergleich relativ gesehen wenig für Lebensmittel aus. Das belegt, dass wir beim Thema „Qualitätsbewusstsein“ insgesamt Luft nach oben haben. Ich sehe eine große Einigkeit in den Inhalten über alle Fraktionen hinweg. Es wäre schön, wenn wir in diesem Sinne daran weiterarbeiten könnten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Höne. – Nun spricht für die Piratenfraktion Frau Brand.

Simone Brand (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Guten Abend, es ist 23:27 Uhr. Andere sitzen jetzt an der Sony-Playstation; wir beschäftigen uns mit der Pony Slay Station.

(Beifall von den PIRATEN)

Beim Haushalt 2012 und beim Haushalt 2013 habe ich bereits bemängelt, dass wir stets reagieren, aber selten proagieren. Wir haben beim Verbraucherschutz immer erst dann Aktionen, nachdem es einen Skandal gegeben hat. Dann werden hastig Maßnahmen ergriffen. Plötzlich werden Gesetzeslücken entdeckt, die eigentlich schon seit Jahren offensichtlich sind. Schön wäre es, wenn nach einem Skandal wirklich einmal etwas passieren würde. Denn egal, ob Gammelfleisch, Dioxine oder wie jetzt nicht deklariertes Pferdefleisch: Maßnahmen werden groß angekündigt; passieren tut nichts.

(Beifall von den PIRATEN)

Dass der Antrag jetzt allerdings von Ihnen kommt, meine Damen und Herren von der CDU, setzt dem Ganzen schon ein bisschen die Krone auf. Während ich bei allen Länderministern erkennen kann, dass wirklich etwas getan wird – es wird geplant, gehandelt, da passiert wirklich etwas –, ist es bei Ministerin Aigner wieder nur mit vollmundigen Ankündigungen getan.

Alleine sechs der zehn Punkte des Maßnahmenplans hat sie schon vor ein paar Jahren angekündigt. Und? – Nur leere Versprechungen!

Stattdessen referierte sie im Jahr 2011 – ich zitiere – wie folgt: Deswegen halte ich die vorgeschlagene Form der Herkunftskennzeichnung für falsch. Ich glaube auch, dass eine exakte Herkunftskennzeichnung im Detail nicht machbar ist. Deshalb meine ich auch nicht, dass es für eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung eine echte Möglichkeit gibt. – Zitatende!

Jetzt verkündigt sie seit Tagen richtig volksnah, das alles sei eine große Sauerei; sie werde jetzt handeln. – Wie sieht dieses Handeln aus? – Sie rechnet erst einmal, und zwar mit noch mehr Fällen. Sie prüft in einem nationalen Aktionsplan. Das klingt gut. Konkret heißt das, dass sie genau das Gleiche macht wie beim Gammelfleisch und Dioxineiern. Ministerin Aigner kündigt mächtig etwas an und prüft Konsequenzen, ohne dass es Folgen hätte.

Es ist so – das sagte Herr Behr vom WDR –, als würde der TÜV die gefährlichsten Autos nicht von der Straße holen, sondern erst einmal im Berufsverkehr die ganzen Unfälle zählen. Das ist ganz schön clever, und ihre Freunde in der Agrarindustrie werden es ihr danken, spätestens wenn sie im Herbst heim nach Bayern kommt.

Ihr Antrag meint in guter Absicht, das Ansehen der Landwirte in unserem Land zu schützen, und drängt auf rückhaltlose Aufklärung. Vielleicht sollten Sie noch einmal mit der FDP darüber reden. Herr Lindner hat sich ja über das große Budget von Minister Remmel aufgeregt. Damit werden auch häufige und bessere Lebensmittelkontrollen finanziert. Aber das scheint bei Ihnen keiner auf dem Schirm zu haben.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Für das gute Image der Landwirte müssen die Landwirte letztendlich selbst sorgen. Es nützen keine Blümchenbroschüren von der Landesregierung oder Ähnliches; sie müssen selbst für ihren guten Ruf sorgen.

Der Entschließungsantrag geht einen Schritt weiter, ist auf jeden Fall insgesamt zu befürworten, und wir werden ihm auch zustimmen. Allerdings ist der Ansatz, um so etwas in unserer globalisierten Welt zukünftig zu verhindern, ein viel größerer und weitreichenderer.

Wir müssen über EU-Subventionen, gesteuerte Weltmarktpreise für Fleisch und mehr Verbraucherbildung bei Lebensmitteln reden, wenn wir etwas verändern wollen. Und das bitte unverzüglich und auf allen Ebenen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Brand. – Nun spricht für die Landesregierung Herr Minister Remmel.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das europaweite Geschehen um nicht gekennzeichnetes Pferdefleisch in Fertigprodukten zeigt uns wieder einmal, dass Täuschung und Irreführung bei Lebensmitteln nicht vor Landesgrenzen haltmachen.

Für alle erkennbar und erschreckend wird deutlich, dass Verflechtungen in der Lebensmittelindustrie ein Ausmaß angenommen haben, wo man manchmal den Eindruck hat, dass hier durch die nicht erkennbare Verflechtung und dem vielen Hin und Her von Waren offensichtlich systematisch Verschleierung betrieben wird, um Warenherkunft nicht erkennbar zu machen.

Umso wichtiger ist deshalb, die Forderung nach einer eindeutigen Herkunftskennzeichnung für Bestandteile der Lebensmittel endlich umzusetzen und in Rechts- und Gesetzesform zu bringen. Man muss dann auch die Strukturen anpassen, wenn man erkennt, dass ein Markt so wächst, dass man mit Strukturen aus dem 19. Jahrhundert diesem Markt nicht mehr gerecht werden kann.

Damit sind wir bei der Lebensmittelkontrolle. Wir können hier heute schöne Worte miteinander wechseln, ich hoffe aber, dass diese Erkenntnis, die mehr oder minder auch von der Opposition vorgetragen worden ist, bei Ihnen auch dann noch Bestand hat, wenn wir in die Diskussion mit den Landrätinnen und Landräten und mit den Oberbürgermeistern gehen. Denn die Lebensmittelkontrolle ist in Nordrhein-Westfalen kommunal organisiert.

Wir haben Strukturen, die über die kommunale Ebene hinausgehen. Ich glaube, gerade an diesem Beispiel können wir das sehr gut nachvollziehen. Ein Produkt, das in Frankreich für mehrere Lebensmittelketten in Deutschland hergestellt wird, dann in unterschiedlich verpackter Form hier wieder auftaucht, muss nicht in jedem Geschäft vor Ort kontrolliert werden. Wir müssen es an der entscheidenden Stelle kontrollieren und daraus unsere Erkenntnisse ziehen.

Hier muss gehandelt werden. Wir in Nordrhein-Westfalen handeln seit über einem Jahr. Wir haben eine schnelle Eingreiftruppe auf Landesebene gebildet, die sich jetzt im Aufbau befindet und erste gute Ergebnisse gezeigt hat. Wir orientieren uns sozusagen an der Marktentwicklung. Wir müssen das weiter fortsetzen, auch durch die Vernetzung mit anderen Bundesländern, hin zu einer europäischen Einheit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aus billigen Gründen ohne Kennzeichnung anderes Fleisch als deklariertes Rindfleisch zu verarbeiten, ist Betrug und kann nicht hingenommen werden. Das gilt für Pferdefleisch, das gilt aber auch für andere Produkte, beispielsweise wenn Eier so gekennzeichnet werden, dass sie nicht der Herkunft und der Art der Erzeugung entsprechen. Das muss für alle gleich gelten.

Nur wäre ich hier etwas vorsichtig, von einem Bio­skandal zu sprechen, ohne zu wissen, um welche Betriebe es sich handelt. Bezogen auf Nordrhein-Westfalen haben wir Kenntnis, dass 14 solcher Fälle in Nordrhein-Westfalen vorgekommen sind. Wir haben aber keine Informationen darüber, im Übrigen teilweise auch die Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen nicht, um welche Fälle es sich handelt.

Deshalb kann und will ich erst informieren, wenn die Unterlagen und die Informationen vollständig sind. Dann können wir uns ein Bild machen. Vorher halte ich es für voreilig, hier zu Bewertungen zu kommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Strukturen, Warenströme, Rechtsrahmen, Rückverfolgbarkeit, Herkunftskennzeichnung sind alles wichtige Stichworte. In der Tat haben die Ministerinnen und Minister zusammen mit der Bundesministerin einen gemeinsamen Plan verabschiedet.

Frau Schulze Föcking, ich wäre Ihnen dankbar gewesen, wenn Sie auch erwähnt hätten, dass die entscheidenden Punkte gerade von den Bundesländern, gerade aus Nordrhein-Westfalen eingebracht worden sind, beispielsweise die Abschöpfung von Unrechtsgewinnen ähnlich wie bei Kartellrechtsverfahren, beispielsweise die Forderung, tatsächlich zu einer umfassenden EU-Kennzeichnung zu kommen, beispielsweise die Forderung, dass genauso wie bei Gesundheitsgefährdung auch bei Täuschung bei Verdachtsfällen die Verbraucherinnen und Verbraucher informiert werden können, ohne dass die Unternehmen vorher gefragt werden.

Diese Forderungen sind eingebracht worden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Jetzt kommt es darauf an, wie so oft bei solchen Fällen nicht nur Pläne zu machen, sondern auch umzusetzen. Die Kollegin Aigner ist ja dafür bekannt, dass wir schnell zu gemeinsamen Vorstellungen kommen. Aber wenn es dann an die Umsetzung geht, scheitert sie oft an den Widerständen in den eigenen Fraktionen wie zuletzt bei dem Hygienebarometer oder auch bei umfassender Transparenz in Sachen Verbraucherinformation. Hier muss es jetzt eine konsequente Umsetzung geben. Ich hoffe, dass Sie uns dabei unterstützen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Schulz?

(Lebhafter Widerspruch von der SPD, der CDU, den GRÜNEN und der FDP)

– Aber selbstverständlich.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Auch um 23:36 Uhr gestatte ich eine Zwischenfrage.

Vizepräsident Oliver Keymis: Klar! Ist hier jemand müde? – Nein.

Also: Der Minister gestattet. Der Kollege Abgeordnete hat das Recht und stellt die Frage. Bitte schön.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Herr Minister Remmel, vielen Dank, dass Sie mir die Zwischenfrage auch zu dieser späten Stunde gestatten.

Herr Minister, für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass ein flächendeckender Mindestlohn auf Schlachthöfen der Bundesrepublik Deutschland oder gar in Nordrhein-Westfalen den Pferdefleischskandal oder ähnliche Skandale, die internationale Verstrickungen aufweisen und ganz deutlich auf kriminelle Energie zurückzuführen sind, nicht verhindert?

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Sehr geehrter Herr Kollege, wir diskutieren an anderen Stellen über Nachhaltigkeit. Zur Nachhaltigkeit gehören Ökologie, Soziales und Ökonomisches. Das in Einklang zu bringen, hat auch etwas damit zu tun, wie die Arbeitsbedingungen sind, welche Auswirkungen das auf die Umwelt hat und welche ökonomischen Grundlagen gegeben sind.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Das hängt miteinander zusammen. Das ist eine Diskussion, die wir schon seit mehreren Jahren und Jahrzehnten führen. Deshalb ist das auch nicht zu trennen, wie etwas produziert wird und mit welchen sozialen Auswirkungen und Auswirkungen auf die Verbraucherinnen und Verbraucher das verbunden ist. Es ist eine richtige Forderung, das zusammen zu diskutieren.

Herr Höne, ich würde mir auch an anderer Stelle wünschen, dass Sie, wenn Sie A rufen, mit mir auch bei B vor Ort agieren. Es ist richtig zu sagen: Wir müssen auf Qualität setzen. Wir müssen darauf setzen, die Verbraucherinnen und Verbraucher davon zu überzeugen, Wertschätzung auch bei Lebensmitteln stärker in den Mittelpunkt zu stellen.

Nur: Es ist faktisch heute schon so, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher in Nordrhein-Westfalen mehr Qualität, mehr Regionalität, mehr Öko wollen, aber wir es nicht ausreichend in Nordrhein-Westfalen produzieren. Das ist der Punkt. Hier ist noch viel am Markt möglich.

Wenn wir vor Ort demnächst wieder an vielen Stellen über den zehnten und elften Discounter diskutieren, dann, so hoffe ich, sind Sie an meiner Seite, wenn es darum geht, den örtlichen Metzger und Bäcker zu unterstützen, weil diese durch eine solche Politik Schaden leiden. Die müssen wir stützen. Sie wissen am besten, wo die Waren herkommen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Diese Strukturen gehen leider in letzter Zeit auch durch viele kommunale Beschlüsse immer weiter verloren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir kämpfen gemeinsam für Transparenz und Verbraucherschutz, auch noch um 23:39 Uhr, aber nicht nur heute, sondern auch morgen und alle Zeit, jedenfalls in dieser Konstellation. – Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herzlichen Dank, Herr Minister Remmel. – Wir stimmen nun ab, erstens über den Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/2125. Direkte Abstimmung ist hier beantragt. Wer stimmt dem Antrag der CDU-Fraktion zu? – Die CDU und die FDP stimmen zu. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – SPD, Grüne und Piraten. Gibt es Enthaltungen? – Bei zwei Enthaltungen aus der Piratenfraktion ist dieser Antrag der CDU-Fraktion mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wir stimmen zweitens ab über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/2198. Wer stimmt dem Entschließungsantrag zu? – SPD, Grüne und die Piratenfraktion in Teilen. Wer stimmt dagegen? – Die CDU-Fraktion und die FDP-Fraktion. Eine Gegenstimme bei den Piraten. Wer enthält sich? – Einige Enthaltungen bei den Piraten, mehr Enthaltungen als Zustimmung, wenn ich es richtig deuten darf. Das ändert in dem Fall nichts, sondern es bleibt dabei, dass die Mehrheit des Hohen Hauses den Entschließungsantrag, den SPD und Grüne eingebracht haben, beschlossen hat.

Damit sind wir am Ende dieses Tagesordnungspunktes.

Wir kommen zu:

7   Gesetz zur Änderung des Landesforstgesetzes

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD und
der Fraktion der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/2097

erste Lesung

Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, die Redebeiträge zu Protokoll zu geben. (Siehe Anlage 2)

Damit schließe ich die Beratung, und wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfes Drucksache 16/2097 an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Wer stimmt dem zu? – Gibt es


Gegenstimmen? – Enthaltungen? Das ist nicht der Fall. Damit ist einstimmig so überwiesen.

Wir sind am Ende der heutigen Tagesordnung.

Die nächste Sitzung findet statt am Mittwoch, 20. März 2013, 10 Uhr.

Ich wünsche eine geruhsame Nacht. Auf Wiedersehen!

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 23:42 Uhr

_______________________________________

*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 96 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.


Anlage 1

Von Minister Johannes Remmel im Rahmen von TOP 4 – Haushaltsgesetz 2013 (Einzelplan 10 - Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz) – zu Protokoll gegebene Erläuterungen

Der Bund, das Land Nordrhein-Westfalen und die Gesellschafter der Hochtemperatur-Kernkraf­t­werk GmbH (HKG) haben sich in einem Rahmenvertrag 1989 auf eine geordnete Restab­wicklung des THTR 300 in Hamm-Uentrop geeinigt.

Das Land ist hierdurch in der Verpflichtung, gemeinsam mit den Gesellschaftern der HKG und dem Bund den sicheren Einschluss und die Endlagervorausleistung zu finanzieren. Mit dem Betrieb des sicheren Einschlusses ist keine Förderung des Ausbaus kerntechnischer Anlagen verbunden.

In den Verhandlungen mit dem Bund, den Gesellschaftern der KHG und anderen Elektrizitätsversorgungsunternehmen war es 1996 gelungen, die Herstellung des sicheren Einschlusses bis zum Jahre 2009 auf eine finanziell neue Basis zu stellen.

Die in der 2. Ergänzungsvereinbarung getroffenen Finanzierungsregelungen sind Ende 2009 ausgelaufen. Daher beschäftigt sich seit Mitte 2008 eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Staatskanzlei, des MWEIMH sowie des FM gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und den Gesellschaftern der HKG mit der Erarbeitung einer Finanzierungsregelung für den Zeitraum 2010 bis 2022.

Diese Vereinbarung ist noch nicht abgeschlossen worden. Bis zum Abschluss der neuen Vereinbarung kann die Finanzierung der weiteren Restabwicklung aus den noch vorhandenen Mitteln der 2. Ergänzungsvereinbarung bestritten werden.

Die rechtliche Verpflichtung des Landes zur Zahlung der Mittel ab 2010 ergibt sich aus dem Rahmenvertrag.

Über den Abschluss der neuen Vereinbarung wird der Haushalts- und Finanzausschuss des Landtages zu gegebener Zeit unterrichtet.   


Anlage 2

Zu TOP 7 – Gesetz zur Änderung des Landesforstgesetzes – zu Protokoll gegebene Reden

Annette Watermann-Krass (SPD):

Nicht nur zur Weihnachtszeit reden wir über Weihnachtsbäume, sondern auch heute zur Änderung des Landesforstgesetzes.

Vor Weihnachten haben wir es bereits in der Rede zum FDP-Antrag angekündigt. Jetzt liegt der Entwurf der rot-grünen Koalitionsfraktionen vor.

In NRW werden auf insgesamt 18.000 ha Fläche Weihnachtsbäume produziert. Jeder dritte Baum, der deutschlandweit verkauft wird, kommt aus NRW.

Wir erkennen an, dass die Produktion der Weihnachtsbäume für NRW – vor allem im HSK – ein wichtiger Wirtschaftszweig ist. Sie erlangt sogar mit 33 % den größten Umsatz innerhalb der Land- und Forstwirtschaft in der Region. Aber jeder, der durch diese Regionen des Sauerlandes fährt, stellt fest, dass Handlungsbedarf besteht.

Nach dem Sturm Kyrill war klar: Die Waldbesitzer müssen möglichst bald wieder Erträge aus dem Wald erzielen. Der Anbau von Weihnachtsbäumen war dabei für sie eine gute Perspektive. Dadurch haben sich die Anbauflächen auf Waldflächen seit dieser Zeit mehr als verdoppelt. Heute sind es gut 4.000 ha Plantagenwirtschaft.

Da vor dem Anbau von Weihnachtsbäumen auf Ackerflächen schon heute eine Umnutzungs­genehmigung erfolgen muss, ist es interessant, auf die Waldflächen – hier vor allem auf die Kyrill-Flächen – auszuweichen.

Weihnachtsbäume sind zwar auch Bäume, aber sie wachsen in Plantagen, die vor dem Wildverbiss durch Zäune geschützt werden müssen. Der Boden wird intensiv bearbeitet. Die Baumkulturen müssen gedüngt werden, und in der Regel werden Insektizide und Pestizide eingesetzt. Nachhaltige Waldwirtschaft sieht anders aus.

Deshalb regeln wir den Anbau von Weihnachtsbäumen im Wald, wie es die meisten anderen Bundesländer auch tun, über das Landesforstgesetz.

Im Vergleich zum damaligen Entwurf haben wir uns dafür eingesetzt, dass Weihnachtsbaum­kulturen bis zu einer Größe von 2 ha keine Umwandlungsgenehmigung brauchen. Diese Größenordnung ist angelehnt an eine mögliche Kahlschlagfläche im Wald.

Eine weitere Sonderregelung ist für Waldflächen unter Freilandleitungen vorgesehen. Auch dort wird der Anbau ohne Genehmigung ermöglicht.

Bestehende Kulturen und Schmuckreisigkulturen haben Bestand bis zum Jahr 2008. Darüber hinaus muss auch dafür eine Umnutzungsgenehmigung stattfinden. Einige Plantagen werden aber auch wegen eines Überangebotes dann zu einem Hochwald auswachsen. Denn das Holz einer Nobilistanne ist auch ein hervorragendes Bauholz.

Ich selber bin im Sauerland gewesen und habe mit den Anbauern gesprochen. Sie haben über ihre Bemühungen um eine nachhaltige Weih­nachtsbaumproduktion berichtet. Selbstver­pflichtungen, Abstand zu Wohnbebauungen und Versuchsflächen mit Untersaaten gehen in die richtige Richtung. Allerdings ist ihr Siegel Fair Forrest irreführend. Hier muss es eine Weiterentwicklung geben.

Für die Zukunft glauben wir, dass wir in NRW mit diesem Gesetz eine Regelung finden, den verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten im Wald gerecht zu werden.

Dieses Gesetz wird heute eingebracht. Ich freue mich auf die intensive Diskussion und die Stellungnahmen in der Sache.

Norwich Rüße (GRÜNE):

Nachdem wir im Dezember noch eine intensive Beratung zum Thema „Weihnachtsbäume“ hatten und so zugleich ein parlamentarisches Highlight 2012 produzierten, möchte ich mich heute darauf beschränken, den Charakter des Gesetzes noch einmal zu erläutern.

Unbestreitbar ist aus unserer Sicht der Regelungsbedarf. Es kann nicht sein, dass jeder dritte Weihnachtsbaum in unseren Wohnzimmern dermaßen konzentriert auf einem kleinen Gebiet im Sauerland produziert wird!

Wir wissen, dass damit negative ökologische Folgen verbunden sind, und wir wissen auch, dass es ein Regelungsdefizit nur deshalb gibt, weil sich die Weihnachtsbaumerzeugung total verändert hat.

Früher war der Weihnachtsbaum ein Neben­produkt der normalen Forstwirtschaft. Das sieht heute ganz anders aus: Weihnachtsbäume sind mittlerweile zu einem Produkt der Intensivlandwirtschaft geworden!

Wir haben heute eine Produktion, die standardmäßig im Anbau mit Pflanzenschutzmitteln und mit Düngemitteln arbeitet. Mit dem, was wir alle hier unter Wald- und Forstwirtschaft verstehen, hat das alles nichts mehr zu tun!

Der Weihnachtsbaum ist gewissermaßen der Mais des Waldes! Ähnlich intensiv angebaut und ökologisch ähnlich problematisch.

Und deshalb ist es auch konsequent, dass wir diesen Weihnachtsbaumanbau mit der Gesetzesänderung jetzt aus dem klassischen Wald­begriff herausholen.

Damit ziehen wir im Übrigen nur mit den meisten anderen Bundesländern gleich. Der Weihnachtsbaumanbau im Wald unterliegt zukünftig genauso wie der Weihnachtsbaumanbau auf dem Acker bestimmten Einschränkungen.

Vor allem erhalten wir jetzt überhaupt erstmals die Möglichkeit, den Weihnachtsbaumanbau auf Waldflächen steuern zu können und gegebenenfalls Auflagen zu machen.

Von daher verstehe ich überhaupt nicht, dass sich die Union und die FDP so vehement gegen unseren Gesetzentwurf wenden. Denn eines ist unser Änderungsgesetz nicht: Es ist kein Verbotsgesetz!

Es ist eben nicht so, wie die FDP im Dezember suggerieren wollte, dass es zukünftig keine Weihnachtsbäume mehr in Deutschland geben wird und weinende Kinder ihre Eltern fragen, warum sie denn keinen Weihnachtsbaum haben.

Nein, unser Gesetz verbietet nicht, es räumt in erster Linie Steuerungsmöglichkeiten ein, eine Steuerung, die dann zum Beispiel dazu dienen kann, extrem großflächige Weihnachtsbaum-Monokulturen zu verhindern oder die Nutzung von Flächen in unmittelbarer Nähe von Wohnsiedlungen nicht zu erlauben. Diese Rege­lungsmöglichkeiten sind im Interesse der Natur und der betroffenen Anwohner.

Gleichzeitig haben wir den Entwurf auch noch einmal geändert. Dass wir das getan haben, lieber Herr Deppe, hat allerdings mit Ihren Protesten wenig – oder besser gesagt: gar nichts – zu tun. Wir haben selber etliche Gespräche geführt und überlegt, wo sinnvolle Ausnahmen möglich sind und wo wir den Anbauern vielleicht entgegenkommen können.

Dazu gehören dann zum Beispiel die Flächen unter Energieleitungen, wo ohnehin kein Hochwald wachsen kann. Ein sinnvoller Kompromiss!

Dazu gehört aus unserer Sicht auch der Kompromiss im Sinne der kleinen Weihnachts­baumanbauer, dass wir Kulturen bis 2 ha frei­stellen.

Und dazu gehört selbstverständlich auch die Einräumung eines ausreichenden Bestands­schutzzeitraumes, der es ermöglicht, die getä­tigten Investitionen wieder hereinzubekommen.

Der Präzisierung dient es auch, dass wir aus ökologischen Gründen ein Verbot der Tiefenfräsung neu mit aufgenommen haben. Dadurch fordern wir eine stärkere Rücksichtnahme auf die besondere Struktur der Waldböden ein.

Alles in allem ist diese Gesetzesänderung ein gelungener Kompromiss zwischen den ökologischen Notwendigkeiten und der gebotenen Rücksichtnahme auf Anwohner auf der einen Seite sowie den Interessen der Weihnachtsbaum­erzeuger auf der anderen Seite.

Einmal mehr zeigt sich, dass die Menschen und die Umwelt NRW bei dieser Landesregierung und den sie tragenden Koalitionsfraktionen gut aufgehoben sind, weil wir Probleme nicht einfach wegdrücken und lächerlich machen, sondern ernst nehmen und am Ende auch sinnvoll lösen.

Rainer Deppe (CDU):

Bei dem Thema „Weihnachtsbaumanbau“ haben wir es mit einem klassischen Zielkonflikt zu tun.

Der Weihnachtsbaum gehört für die allermeisten Menschen seit jeher ganz selbstverständlich zum Weihnachtsfest. Das ist gut so, und wir von der CDU wollen, dass das auch so bleibt.

In den gut 350 nordrhein-westfälischen Forst- und Gartenbaubetrieben, die Weihnachtsbäume im Haupterwerb anbauen – im Übrigen alles mittelständische Familienbetriebe – werden qualitativ hochwertige Weihnachtsbäume gezogen.

Das heißt, ein qualitativ hochwertiges Natur­produkt, sozusagen direkt und frisch vor unserer Haustüre. Das soll so sein, und das ist allemal besser, als sie über Hunderte Kilometer beispielsweise aus Dänemark zu uns zu transportieren.

Knapp 9 Millionen Weihnachtsbäume stehen in nordrhein-westfälischen Wohnungen, Büros und Geschäften. 7 Millionen werden davon in Nordrhein-Westfalen erzeugt. Das Sauerland ist das wichtigste Anbaugebiet in Deutschland. Kurze Wege, hohe Wertschöpfung in der Region. Das ist die volkswirtschaftliche Seite des Weihnachtsbaumanbaus, von der die gesamte Region profitiert.

Ein Viertel dieser Landesfläche ist Wald, und das soll ebenfalls so bleiben. Weihnachtsbaumkulturen entsprechen nicht von vorneherein dem, was wir mit dem Begriff des Waldes verbinden.

Dazu gehören:

–   langfristige, über Jahrzehnte wachsende Holzbestände,

–   unterschiedliche Waldbilder durch verschiedene, standortangepasste Baumarten und Baumaltersklassen,

–   nachhaltige Holzproduktion,

–   Lebensraum für eine artenreiche Pflanzenwelt und für Wild,

–   Schutz des Grundwassers,

–   begehbarer Erholungsraum für die Menschen.

Diesen Wald wollen wir erhalten.

Die verfügbare Landwirtschaftsfläche ist begrenzt und nicht vermehrbar. Schon heute beklagen viele Landwirte, dass Pacht- und Kaufpreise für landwirtschaftliche Flächen immer weiter steigen.

Im Weihnachtsbaumanbau sind hohe De­ckungsbeiträge zu erzielen – daher würde eine weitere Verlagerung auf landwirtschaftliche Flächen den Konkurrenzkampf um die knappe Fläche weiter erhöhen. Damit würden die Pachtpreise noch weiter steigen. Insbesondere extensive Bewirtschaftungsformen können diese Kosten nicht mehr decken.

Wir haben es also mit einem klassischen Konflikt zwischen vier an sich sinnvollen Zielen zu tun. Aufgabe des Gesetzgebers wäre es:

–   diesen Zielkonflikt zu lösen

–   einen Ausgleich herbeizuführen und vor allem

–   keines der Ziele einseitig zu benachteiligen.

Im Vergleich zum Gesetzentwurf aus der 15. Wahlperiode stellen wir fest, dass offenbar ein erster Erkenntnisfortschritt eingetreten ist. Vor diesem Hintergrund haben die Debatten des Jahres 2012 und die massiven Proteste zumindest eine kleine Wirkung gehabt. Sie erkennen jetzt hoffentlich, dass es sinnvoll ist, in Nordrhein-Westfalen Weihnachtsbaumanbau zu betreiben, und zwar auch im Wald.

Die Folgen Ihres Gesetzentwurfs sollten wir uns in Ruhe und ganz sachlich noch einmal genau ansehen:

Warum sollen Betriebe, die zum Teil seit Jahrzehnten und im Einklang mit der ansässigen Bevölkerung unbeanstandet Weihnachtsbäume anbauen, plötzlich unter das absolute Anbauverbot des Jahres 2028 fallen?

Wollen Sie diesen alteingesessenen Familien­betrieben wirklich die Existenz nehmen?

Warum setzen Sie die Schmuckreisiggewinnung mit dem Weihnachtsbaumanbau gleich? Hier handelt es sich um Dauerkulturen von 60 bis 80 Jahren, also ganz regulärem Wald zur Stammholzgewinnung, der lediglich während eines begrenzten Zeitraums vorgenutzt wird.

Haben Sie wirklich vor, den Einsatz von Erntemaschinen angesichts von neun Todesopfern bei der Aufarbeitung der Kyrill-Schäden ausschließlich auf die Rückegassen zu beschränken?

Ist die Beschränkung auf 2 ha je Bewirtschafter tatsächlich sachgerecht?

Wollen Sie wirklich, dass Weihnachtsbaumanbau nur noch im Nebenerwerb betrieben werden kann?

Dies sind einige Fragen, die wir in den Fachberatungen sachlich erörtern sollten. Wir sind dazu bereit und gespannt, ob die Regierungsfraktionen am Ende zu einem pragmatischen Weg finden oder auf einer ideologischen Position verharren werden.

Karlheinz Busen (FDP):

Hier ist sie nun, die lange angekündigte Änderung des Forstgesetzes. In Zukunft soll also ein Gesetz gute von bösen Bäumen im Wald trennen. Immerhin hat der Protest bei den Waldbauern und der FDP-Fraktion im Dezember Sie zum Einlenken gebracht. Der Weihnachtsbaum soll nicht vollständig aus dem Wald verschwinden.

Als Neuerung soll künftig jeder Betrieb 2 ha mit Weihnachtsbäumen bepflanzen dürfen. Diese pauschale und völlig willkürliche Regelung wird jedoch der Realität der Waldbewirtschaftung nicht gerecht. Es sollten doch ökologische Gründe im Vordergrund dieses Gesetzes stehen. Bislang fehlen aber wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, wie viele Weihnachtsbäume der Wald eigentlich vertragen kann.

Ein Gesetz muss die unterschiedlichen Wirtschaftsbedingungen der Forstbetriebe in diesem Land berücksichtigen. Es macht schließlich einen Unterschied, ob ein Betrieb 100 ha Wald bewirtschaftet oder nur 5 ha. Durch Ihren Vorschlag wird die Bewirtschaftungsfreiheit der Waldbauern völlig unverhältnismäßig eingeschränkt.

Genauso praxisfern ist die Vorgabe, dass mit Weihnachtsbäumen bepflanzte Flächen nicht aneinander grenzen dürfen. Je nach örtlicher Situation werden manche Waldbauern dadurch übermäßig in der Nutzung des Waldes eingeschränkt. Sollten Sie bei diesen praxisuntauglichen Regelungen bleiben, provozieren Sie eine Klageflut.

Und wieder findet man in Ihrem Gesetz pau­schale Unterstellungen und ein großes Miss­trauen gegenüber Waldbesitzern. Die Pro­blemstellung atmet den Geist rot-grüner Be­vormundung. Und das, obwohl die Waldbauern den Begriff der Nachhaltigkeit, unter den Sie Ihre Politik ja gerne stellen, erfunden haben. Sie stellen mit dieser Änderung alle Waldbauer pauschal in den Verdacht, unsere Wälder auszubeuten.

Sie unterstellen, dass Weihnachtsbäume In­tensivkulturen seien. Dass dort der Boden stark bearbeitet wird und ein starker Einsatz von Düngemitteln, Insektiziden und Pestiziden der Regelfall ist. Für diese Behauptungen hat der Minister bislang jedoch noch keine sachlichen Anhaltspunkte vorlegen können. Mit pauschalen Vorurteilen und Verboten werden Sie der Sache nicht gerecht.

Die bisherigen Regelungen im Forstgesetz sind vollkommen ausreichend. Stockrodung und Ganzbaumentnahme sind keine gängige Praxis in NRW. Die geplanten Neuregelungen und die geplanten Bußgelder unterstellen indirekt, dass die Waldbesitzer im großen Stil Stockrodungen oder Ganzbaumentnahmen durchgeführt hätten. Das stimmt aber nicht.

Weiterhin zeigt sich, dass sie tatsächlich an die Allmacht gesetzlicher Regelungen glauben. Wie kämen Sie sonst dazu, sogar zu versuchen, natürliche Erosion zu verbieten?

Erosion durch Wasser und Wind ist ein natürlicher Vorgang. Die Erosion wird das Gesetz vor­aussichtlich nicht lesen und fröhlich weiter existieren. Die Waldbauern für die natürliche Erosion mit einem Bußgeld belegen zu wollen, spottet jeder Beschreibung.

So wimmelt es in Ihrem Änderungsgesetz von Vorurteilen, sachlich falschen Annahmen und schildbürgerlichen Regelungsversuchen.

Dieser Gesetzentwurf muss nachgebessert werden. Der pauschale Angriff auf das Eigentum und die Integrität der Waldbauern in NRW muss gestoppt werden. Vielleicht hilft eine Expertenanhörung, um dieses komplexe Thema überhaupt erst einmal zu verstehen.

Simone Brand (PIRATEN):

Das längst überfällige Landesforstgesetz ist nun auf den Weg gebracht.

Leider wurde dabei doch ein wenig viel Weichspüler von SPD und Grünen benutzt.

So ist ein Bestandsschutz bis 2028 sicherlich mehr als großzügig bemessen, und auch über die 2 ha Freigabe kann man geteilter Meinung sein.

Letztendlich war dieses Entgegenkommen der Regierungsparteien aber angekündigt.

Daher ist es absolut lächerlich, dass Sie, Herr Deppe, gegenüber den Medien nun verlauten lassen, es wäre ein Erfolg Ihrer Partei, dass diese Weichmacher in den Gesetzentwurf gelangt sind.

Insgesamt ist das Gesetz gut und wichtig und ein weiterer Schritt in Richtung Nachhaltigkeit.

Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz:

Das romantische Bild vom Weihnachtsbaum, der als forstliches Nebenprodukt bei der Kultur- und Jugendwuchspflege anfällt, entspricht längst nicht der Realität! Realität sind hektargroße Weihnachtsbaumplantagen, meist bestehend aus Nordmanntannen, die unter intensivem Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln von hochspezialisierten Gartenbaubetrieben für den überregionalen Bedarf bewirtschaftet werden. Der Weihnachtsbaum aus der Fichtenkultur oder der Baum aus ökologischem Anbau sind heute Nischenprodukte.

Etwa die Hälfte der in Deutschland nachge­fragten Weihnachtsbäume kommt aus Nordrhein-Westfalen. Der Anbauschwerpunkt liegt im Sauerland, wo auf etwa 13.000 ha (insgesamt 18.000 ha in NRW!) Weihnachtsbäume und Schmuckgrün produziert werden. Der Großteil (Dreiviertel) der Weihnachtsbaumproduktion findet heute auf landwirtschaftlichen Flächen statt.

Während Weihnachtsbaumkulturen auf landwirtschaftlichen Flächen als Eingriff nach dem Landschaftsgesetz NRW genehmigt werden müssen, und damit in der Regel ausgleichs- und ersatzpflichtig sind, unterliegt die Anlage von Weihnachtsbaumkulturen im Wald keiner Genehmigungspflicht, da sie nach derzeit geltender Rechtslage eine legale forstliche Produktion darstellen.

Diese rechtliche Ungleichbehandlung führt zu einem Anreiz, neue Weihnachtsbaumkulturen vor allem im Wald anzulegen. Die Kahlschlagbegrenzung des Landesforstgesetzes hatte die Anlage größerer Weihnachtsbaumkulturen bis 2007 verhindert. Durch Kyrill wurden jedoch riesige Kahlflächen geschaffen, die wieder aufgeforstet werden mussten. Dies haben einige Weihnachtsbaumproduzenten genutzt, ihre Anbauflächen in massiver Weise in den Wald auszudehnen.

Vielfach wurden diese Flächen nicht im eigenen Wald angelegt, sondern angepachtet. Es geht hier also keinesfalls um den typischen Kleinwaldbesitzer, der sich ein Zubrot erwirtschaften will. Infolge von Kyrill hat sich die Fläche von Weihnachtsbaumkulturen im Wald auf mehr als 4.000 ha verdoppelt.

Ich frage Sie: Wollen wir das wirklich? Ist das unser Bild von einer nachhaltigen und ordnungsgemäßen Forstwirtschaft? Wollen wir, dass Stöcke gerodet und das Bodengefüge zerstört werden? Wollen wir, dass im Wald regelmäßig gespritzt und gedüngt wird? Entspricht es unserem Bild vom Wald, dass die Bäume nicht höher als 2 bis 3 m werden?

Ich ahne, dass CDU und FDP jetzt wieder vom rot-grünen Regelungswahn reden und der ausufernden Bürokratie. Aber glauben Sie mir, wir haben zwei Jahre lang versucht, das Problem im Rahmen der geltenden Gesetzeslage zu lösen.


Die rechtliche Bewertung der Vorgänge in meinem Hause hat zu dem ernüchternden Ergebnis geführt, dass die aktuelle Rechtslage es leider nur schwer zulässt, die Anlage und Bewirtschaftung derartiger Weihnachtsbaumkulturen zu untersagen.

Die von meinem Haus initiierten Gespräche mit den Weihnachtsbaumanbauern, ein örtliches Mediationsverfahren und ein Erlass zur Beachtung des Bodenschutzes haben die weitere Ausdehnung der Weihnachtsbaumflächen im Wald nicht verhindern können, im Gegenteil! Wir müssen leider feststellen, dass auch im vergangenen Jahr über 100 ha weitere Weihnachtsbaumkulturen im Wald angelegt wurden. Zur Änderung der Situation und rechtlichen Gleichstellung von Weihnachtsbaumkulturen in- und außerhalb des Waldes ist deshalb eine Änderung des Landesforstgesetzes zwingend erforderlich.

Neben der Regelung zu Weihnachtsbaumkulturen soll durch die Gesetzesänderung auch der Bodenschutz im Wald verbessert werden. Ich habe den Eindruck, dass zumindest in diesem Punkt Einigkeit über die Parteigrenzen hinweg besteht, dass das Ausreißen der Wurzeln, Ausgraben von Bäumen und das Fräsen der oberen Bodenschichten nicht zum Wesen der nachhaltigen und ordnungsgemäßen Forstwirtschaft gehören, da durch derartige Maßnahmen das Bodengefüge zerstört und so die Ertragskraft des Bodens durch Erosion und das Auswachsen der Nährstoffe gefährdet wird. Diese Regelung gilt für den gesamten Wald, also auch bestehende Weihnachtsbaumkulturen, und hilft, dass bestehende Missstände sofort angegangen werden können. Hier kann und darf es auch keinen Bestandsschutz geben!

Lassen Sie mich noch eine Anmerkung zum Schluss machen. Der Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen sieht keinesfalls ein vollständiges Verbot von Weihnachtsbaumkulturen vor. Jede/r Waldbesitzer/in kann weiterhin bis zu 2 ha Weihnachtsbaumkulturen im Wald genehmigungsfrei anlegen. Sie müssen lediglich bei der Forstbehörde angezeigt werden. Redliche Waldbesitzer können daher weiterhin Weihnachtsbäume als forstliche Nebenbenutzung anbauen. Für bestehende Weihnachtsbaumkulturen gibt es eine 15 Jahre lange Übergangsfrist, die ausreichend bemessen ist. So können auch spezialisierte Betriebe sich langfristig auf die geänderte Rechtslage einstellen. Für das von FDP und CDU an die Wand gemalte Weltuntergangsszenario fehlt daher jede Grundlage. Der Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen ist vielmehr ein Beleg dafür, dass diese Landesregierung mit Vernunft und Augenmaß handelt und ihre Verantwortung für unseren Wald wahrnimmt!