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  • Beim Abschied Hoffnung auf "Friedensmacht Europa".
    Stellvertretend für alle scheidenden Abgeordneten: Heinrich Meuffels (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 8 - 02.05.1990

    Viele Abgeordnete scheiden mit dem Ende der 10. Wahlperiode aus dem Landtag aus. Unter ihnen ist auch Heinrich Meuffels (CDU), der mit 24 Parlamentsjahren zu den Parlamentariern zählt, die am längsten dem Landtag angehört haben. Von Kollegen auch aus den anderen Fraktionen wegen seiner Rechtschaffenheit und seiner geradlinigen Art geschätzt, soll Meuffels, Realschullehrer a.D. und Vater von zehn Kindern, stellvertretend für alle stehen, die Abschied nehmen:
    Ein Anpasser ist er wahrlich nicht — während seiner 24jährigen Parlamentstätigkeit las der CDU-Landtagsabgeordnete Heinrich Meuffels aus Geilenkirchen nicht nur den Sozialdemokraten die Leviten, auch seine eigene Fraktion tadelte er des öfteren. Mit dem damaligen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Heinz Kühn zählte er 1974 zu den vehementesten Gegnern der Errichtung von Spielbanken im Lande und vier Jahre später kämpfte er ebenso engagiert gegen eine auch von der Opposition unterstützte üppige Diätenerhöhung. Und der Vater von zehn Kindern wetterte schließlich gegen Geißlers "Leisetreterei zum Paragraph 218". Seine mit großer Leidenschaft im Düsseldorfer Landtag vorgetragenen schulpolitischen Reden sind heute noch in Erinnerung. Leisetreterei und Anpassung an den Zeitgeist sind dem heute 63jährigen nach eigenem Bekunden immer ein Greuel gewesen.
    Diese Charaktereigenschaft wurde zweifellos von Elternhaus, Kriegsjahren und deren Nachwehen bestimmt. Als Sohn eines Fabrikarbeiters und überzeugten Zentrumsangehörigen geboren, meldete sich Heinrich Meuffels beispielsweise als 14 jähriger zur freiwilligen Feuerwehr, um nicht Mitglied der Hitlerjugend zu werden. Es folgten Flackeinsatz und englische Kriegsgefangenschaft. Sein späteres Studium finanzierte er sich mit Schreiner- und Schlosserarbeiten. Anschließend absolvierte er die Staatsprüfung für das Lehramt an Realschulen. 1975 mußte der Pädagoge gemäß Landesrechtstellungsgesetz in den Ruhestand treten.
    Aus seiner Grundhaltung heraus, das öffentliche Leben auch nach christlichen Grundsätzen zu gestalten, war es für den gebürtigen Birgdener eine Selbstverständlichkeit, in die CDU einzutreten (1948). Inzwischen steht er bereits 25 Jahre dem Kreisverband Heinsberg seiner Partei vor. Bodenständig, gilt sein Engagement seit Jahrzehnten auch der Kommunalpolitik. Einer seiner größten Erfolge war Anfang der siebziger Jahre, als es ihm gelang, die drohende Zerstückelung seiner Heimatregion, des Selfkantkreises Geilenkirchen-Heinsberg, zu verhindern. 1966 erstmals in den Landtag gewählt, konnte der CDU-Abgeordnete dank guter Wahlergebnisse, ja von der rheinischen Union mit den besten, ein hohes Maß an Unabhängigkeit für sich in Anspruch nehmen. "Ich galt als einer der Eigenwilligsten in der Fraktion und im Landtag, geachtet und verspottet", resümiert der Christdemokrat heute. Und nicht ohne gewissen Stolz fügt er hinzu: "Was mich immer belastet und bedrückt hat, ist die Erfahrung, daß meine Vorschläge und Meinungen erst Jahre später anerkannt wurden." Als Beispiel nennt der entschiedene Gegner der Gesamtschule die heutige Bestätigung der Erziehungswissenschaftler, daß kleine Schulen leistungsfähig seinen. Die Gesamtschule hält der Pädagoge für eine "gutgemeinte Illusion". Die innere Differenzierung werde in ihr nicht gemeistert, und damit sei deren Leistungsfähigkeit nicht gewährleistet.
    Der CDU-Abgeordnete gehörte während seiner Parlamentszugehörigkeit einer Reihe von Ausschüssen in teils führender Position an. Als Europa-Beauftragter seiner Fraktion und Mitglied der Euregio Maas-Rhein setzte sich Heinrich Meuffels in der Vergangenheit engagiert für ein vereintes Europa ein. Ein vereintes Europa, demokratisch und stark, könnte einmal die "große Friedensmacht" dieser Erde sein.
    Der Christdemokrat, dessen Geradlinigkeit und Fairneß auch bei seinen politischen Widersachern wiederholt Anerkennung fanden, scheidet ohne Wehmut aus dem Landtag. Die Begründung gibt er schonungslos offen: Ich bin ein Mensch, der sich gern mit Grundsätzlichem auseinandersetzt und seine Zeit nicht mit Kleinkrämerei vergeudetet. Die Alltagsarbeit im Landtag wird aber immer mehr von Kleinkram beherrscht." Und Heinrich Meuffels freut sich, wieder über seine Zeit selbst verfügen zu können und nicht mehr vom Terminkalender "verplant" zu werden. Langeweile wird er sicherlich nicht haben. Schließlich hat der Geilenkirchener ein ungewöhnliches Hobby — Holzschnitzerei. Schon als 18jähriger schnitzte er ein Kruzifix...
    Jochen Jurettko

    ID: LI900848

  • Porträt der Woche: Im Strom der Zeit.
    Karl Josef Denzer (SPD) nimmt Abschied vom Landtag.
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 8 - 02.05.1990

    Kein Landtagsgräsident in der mehr als 40jährigen Geschichte Nordrhein-Westfalens war stets so umgeben und umringt von Freund und Gegner wie Karl Josef Denzer, der sich nach der Parlamentswahl im Mai aus der Landespolitik gänzlich zurückzieht und in seinen Bielefelder Garten heimkehrt.
    Den Gegnern hat er es meist nicht schwer gemacht, indem er ihnen spontan, impulsiv und ehrlich die höchstpersönliche Meinung geigte... Da gab es kein Drumherumreden, da stand Denzer, fast Herbert Wehner gleich, laut, überdeutlich auf der Walstatt, auf daß den Rechtschaffenen, ob in Verwaltung oder im Landtag selbst, Hören und Sehen verging. Den eigenen Freunden wiederum machte es der "Jupp" auch nicht leicht, weil er gelegentlich erhoffte Zustimmung gar nicht erst abwartete, den Beschlüssen vorauseilte. Ein Mensch in seinem Widerspruch, ein Sozialdemokrat aus der Kurt-Schumacher-Ära, die Karl Josef Denzer in Bielefeld vor allem unter Emil Gross erlebte, dessen Bedeutung für die SPD und den gesamten Detmolder Regierungsbezirk gleichrangig neben der Statur Heinrich Drakes zu werten ist. Der Jungsozialist Denzer hat es damals erfahren: Die Geschlossenheit der Partei war oberster Grundsatz, Abweichler überrollte die Disziplin der Mehrheit, nicht das Programm, sondern die Person war alles. Es gab noch keinen linken Flügel, der Erzfeind waren die KPD und Nachfolger.
    Die Jusos galten damals als Avantgarde der alten SPD, nur so ist heute erklärbar, daß beispielsweise Denzers Juso-Mitstreiter Heinz Castrup zum persönlichen Referenten Erich Ollenhauers aufstieg, als dieser nach Schumachers Tod zum ersten Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands gewählt wurde. Denzer ging den anderen Weg, schlug sich neben seinem Beruf als Verwaltungsfachmann durch die Kommunalpolitik, bis er 1970 in den Landtag gelangte.
    Der politischen Gesäß-Geographie zufolge, die inzwischen auch die SPD erfaßt hatte, galt der Abgeordnete aus Bielefeld als "Rechter"; zweifellos war er kein Linker im Sinne der APO, auch kein Freund der Ideologen. Die politische Praxis hatte ihn zum Pragmatiker gemacht, und dies im Geiste seiner Partei-Ahnen. Daß sich auch in Ostwestfalen-Lippe die SPD-Mehrzahl verjüngte, daß beispielsweise mit dem Aufbau der Bielefelder Universität auch eine gesellschaftliche Umschichtung der Partei einherging und nicht mehr die Metallarbeiter das Sagen hatten, dies bekümmerte freilich zuweilen einen "alten" Sozialdemokraten wie Denzer.
    Immerhin, die SPD Nordrhein-Westfalens wußte, was sie an ihm hatte: in der Landtagsfraktion rückte er auf, wurde als Etat-Sprecher Nachfolger von Friede/Neuber, den der Rheinische Sparkassenverband zum Präsidenten gewählt hatte. Beim Rücktritt des Finanzministers Professor Dr. Friedrich Halstenberg blieb tagelang die Frage in der Schwebe, ob Diether Posser oder Karl Josef Denzer das wichtigste Ressort der Landesregierung übernehmen sollte. Daß der damalige Ministerpräsident Heinz Kühn Posser den Vorzug gab, erwies sich alsbald für die Landtagsfraktion als Glücksfall, denn sie brauchte einen neuen Vorsitzenden. Dieter Haak übergab sein Amt an Denzer; die Fraktion, auch die Regierung, nun schon mit Ministerpräsident Johannes Rau, war glücklich mit ihm.
    In einer Zeit, da die SPD erstmals die absolute Mehrheit in den Landtag einbrachte und nur noch zwei Parteien im Parlament abstimmten, war die Führung der Majoritäts-Fraktion um so schwieriger, denn so viele Begehrlichkeiten in der siegreichen SPD mußten abgeschlagen werden, konnten nicht ausweichend wie entschuldigend mit Hinweisen auf Koalitionspartner leicht ins Abseits gedrängt werden. Dazu gehörte auch mancher Ansturm auf die Landeskasse, auch auf die Schulpolitik etc. Zudem mußte sich Karl Josef Denzer im Plenarsaal mit keinem Geringeren als Professor Kurt Biedenkopf herumschlagen, dessen Reden immer gefürchtet waren.
    Mit einem weinenden und einem lachenden Auge nahm Fraktionschef Denzer Abschied von dem ihm auf den Leib geschriebenen Führungsamt. Die Partei bestand darauf, ihn zum Landtagspräsidenten zu wählen, es wurde keine leichte Zeit für ihn. 227 Abgeordnete, also 27 mehr, waren 1985 ins Parlament eingezogen, auch die dritte Partei, die F.D.P., war wieder da. Schwierige Gewöhnungsprozesse auf beiden Seiten kamen in Gang. Der Präsident, traditionsgemäß persona grate, wurde plötzlich angerempelt. Einzelne Abgeordnete verstiegen sich zu Gemeinheiten.
    Am schwierigsten indes vollzog sich der materielle und geistige Umzug vom Altbau am Schwanenspiegel in das überdimensionale neue Gebäude am Rhein. Der Landtagspräsident mußte für alles geradestehen, obschon er den Neubau nicht forciert hatte. Einzig und allein seine beiden Vorgänger im Amt, John van Nes Ziegler (SPD) und Wilhelm Lenz (CDU), haben das gewaltige Millionen-Projekt betrieben, wenngleich die ersten hochfliegenden Pläne Wilhelm Johnen ausgedacht hatte, jener legendäre "Herzog von Jülich". Dieser Christdemokrat wollte schon in den sechziger Jahren den Neubau, aber Oppositionsführer Heinz Kühn schlug ihm alles aus der Hand. Auch die F.D.P. mit Willy Weyer legte sich quer.
    Karl Josef Denzer hat alles auf sich genommen, entzog sich nicht der Geschichte und nicht der Verpflichtung, auch nicht der Moral. Erst unlängst würdigte er alle seine Amtsvorgänger, gab ein Beispiel, daß leider seltener auf der Tagesordnung des Landtags steht — die Solidarität der Demokraten.
    Von Horst-Werner Hartelt

    ID: LI900866

  • Porträt der Woche: Andreas Reichel (F.D.P.)
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 7 - 03.04.1990

    Als Benjamin zog Andreas Reichel 1985 in den Düsseldorfer Landtag ein. Heute ist der jetzt 28jährige schon ein richtiger Routinier. Er blickt mit ganz dezidierten Vorstellungen auf das Aufgabenpaket, das der nächste Landtag seiner Auffassung nach anpacken muß. "In der europäischen Bildungspolitik beispielsweise müssen sich die Länder in den nächsten Jahren eine eigenständige Rolle erkämpfen, wenn sie nicht ihre Kompetenzen verlieren wollen", erklärt der frischgebackene Jurist, der sich diese Thematik zum Thema seiner Doktorarbeit erkoren hat.
    Zum einen gelte es durchzusetzen, daß die Länder aktiver als bisher in Brüssel mitarbeiteten, zum anderen sollten die einzelnen Regionen der europäischen Staaten untereinander Koalitionspartner für eine föderale, europäische Bildungspolitik gewinnen, um so ihren Einfluß auf die Kommission in Brüssel zu verstärken. Ganz konkret wäre dies nach Meinung des Liberalen über Rundvorlesungen an den Universitäten oder durch einen intensiveren Lehreraustausch zur Überwindung der Sprachbarrieren möglich.
    Als weiteren Schwerpunkt in der Bildungspolitik sieht der F.D.P.-Politiker die Weiterbildung, an der verstärkt gearbeitet werden müsse. Hier liegt eine besonders wichtige Aufgabe für das nächste Parlament, denn kaum ein Mensch bleibt heute noch während seines gesamten Berufslebens in einem "Job", meinte Reichel.
    Für Andreas Reichel ist es keine Frage, daß er an der Gestaltung der NRW-Bildungspolitik aktiv mitarbeiten möchte. Mit Platz zehn, den der gebürtige Bielefelder auf der Landesreserveliste der FDP. belegt, gibt es auch keinen Zweifel daran: wenn die Liberalen am 13. Mai 1990 die Fünf-Prozent-Hürde schaffen, ist auch der junge Liberale wieder dabei.
    In den letzten fünf Jahren hatte der jüngste Abgeordnete im Parlament immer dann seinen Auftritt im Parlament, wenn es um Jugendpolitik ging. Allerdings gab ihm seine Fraktion darüber hinaus die Chance zu Gegenwerts- und Zukunftsfragen seiner Generation zu sprechen, beispielsweise Anträge zur Verschuldungspolitik, zu Energie- oder Hochschulfragen zu begründen.
    In der nächsten Legislaturperiode möchte der Liberale allerdings mit der Bildungspolitik in ein richtiges Fachgebiet einsteigen. "Das ist ein zentrales Arbeitsfeld für einen F.D.P.- Politiker", meint er überzeugt. Trotz dieser festgefügten Wertvorstellungen kommt Andreas Reichet aus keiner parteipolitisch festgelegten Tradition. Sein Vater ist Bankkaufmann, die Mutter Schulsekretärin. "Bei uns war bisher niemand parteipolitisch engagiert, allerdings herrschte immer eine liberale Grundeinstellung", resümiert der Abgeordnete, der über die Schülerpresse, wo er eifrig mitwerkelte, erste Beziehungen zu den Liberalen geknüpft hat.
    Als Ende der 70er Jahre die Jungdemokraten bei der Mutterpartei in Ungnade fielen, gehörte Andreas Reichel zu dem kleinen Trupp sehr junger Menschen, die die Jungliberalen gründeten. "Wir waren bundesweit 37 Jugendliche, als wir uns zu den 'Julis' zusammenschlossen", erinnert sich der F.D.P.-Politiker, der heute in Köln lebt. Seit 1982 ist er Landesvorsitzender der Jungen Liberalen Nordrhein-Westfalens. Mit Beendigung seiner Promotion will er das Amt abgeben. "Die 30er Marke ist für mich die Grenze, sonst wird eine Jugendorganisation unglaubwürdig", betont der Juli-Chef.
    Mit der Berufsausbildung ging es bei dem FDP-Mann ebenso gradlinig voran wie in der Partei. Nach dem Abitur folgte der Wehrdienst. Ihm verdankt Reichel vor allem, daß er perfekt Maschineschreiben kann, weil man ihn als Schülerzeitungsredakteur zu einer Fernmeldeeinheit nach Wuppertal geschickt hatte. Danach folgt eine solide Bankausbildung, die der Liberale nicht missen möchte. "Das hat mich auf den richtigen Weg gebracht", sagt er und fügt hinzu: "Ohne diese Erfahrung hätte ich vermutlich Volkswirtschaft studiert, was mir bei weitem nicht so liegt wie Jura." Nach elf Semestern hat er sein Examen gebaut und nach der Promotion, die er in zwei Jahren schaffen möchte, will er wieder zurück ins Bankgeschäft.
    Denn eines ist für den zielstrebigen Jungpolitiker klar: der Beruf muß stets als Standbein vorhanden sein, damit er als Politiker unabhängig bleibt. Auf keinen Fall will er zu einem von der Partei abhängigen Berufspolitiker werden.
    Dabei hat sich bei Andreas Reichel die politische Karriere wie im Bilderbuch entwickelt. Fast gleichzeitig mit seinem Eintritt bei den Julis wurde er auch F.D.P.-Mitglied und als Landesvorsitzender der Jugendorganisation kam er auch automatisch in den NRW-Landesvorstand der FDP. Als 1984 eine neue Mannschaft für die zwischen 1980 und 1985 außerparlamentarischen Liberalen aufgestellt wurde, stand der Juli-Chef auf der Kandidatenliste. "Ohne Rücksicht auf Erblasten und alte Besitzstände wurde ein Team aufgestellt, das möglichst repräsentativ für die Wähler der F.D.P. sein sollte", sagt Reichel. Er selber hatte zunächst Zweifel, ob ein Landtagsmandat mit seinem Studium zu vereinbaren sei. "Diese Bedenken hat dann Willi Weyer zerstreut", erinnert sich der junge Liberale und fügt hinzu: "Er meinte, ich könne das Jurastudium ganz gut über die Runden bringen, wenn ich nicht nur Gesetze lernte, sondern gleichzeitig im Parlament welche machte."
    Die damalige Entscheidung hat der FDP-Abgeordnete nicht bereut, auch wenn er heute schon wie ein richtiger alter Fuchs über Freizeitmangel stöhnt. "Obwohl ich früher mal recht sportlich war, ist heute so gut wie nichts mehr drin", meint er und setzt hinzu, außer zweimal in der Woche joggen gäbe es keine andere Bewegungsmöglichkeit. Dafür geht er recht häufig ins Konzert. Klavierstücke von Mozart und Chopin gehören zu seiner bevorzugten Musik. Eine besondere Schwäche hat er für italienische Opern — vorzugsweise in Freilichtaufführungen. Soweit die Zeit reicht, liebt er Kurzreisen in europäische Großstädte als Verschnaufpausen vom Politikerleben. Wien und London sind seine Lieblingsmetropolen.
    Gerlind Schaidt

    ID: LI900741

  • Porträt der Woche: Lothar Hegemann (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 6 - 27.03.1990

    1965 hat Lothar Hegemann (Jahrgang 1947) für sich die Politik entdeckt. Sie ließ ihn nicht mehr los. Der Mann aus Recklinghausen machte einen im Revier nicht unüblichen CDU-Weg: Über die katholische Jugend in die Junge Union. Die CDU im Ruhrgebiet — das ist ein Kapitel für sich. Sie wird fast erdrückt von den mächtigen Sozialdemokraten. Hegemann weiß um die süffisanten Bemerkungen, man habe sich inzwischen mit der Rolle des ewig Zweiten abgefunden und sei schon froh, ein paar politische Brotkrumen vom Tische der Herrschenden abzubekommen.
    Jawohl, da sei ein Fünkchen Wahrheit dran, aber als CDU-Kreisvorsitzender von Recklinghausen gebe er zu bedenken, daß man als CDU im Revier nicht jeden Tag Konfrontationskurs gegen die SPD steuern könne. »Wir müssen auch mal leise Politik machen." Hegemann trifft eine bildhafte Wortwahl: "Die SPD umarmt uns im Revier kräftig. Wenn wir dann nach Luft schnappen, steckt sie uns Zucker in den Mund in der Absicht, daß wir Karies bekommen." Den prominenten Kritiker der CDU im Ruhrgebiet, den FDP-Vorsitzenden in NRW und Bundesbildungsminister Jürgen Möllemann, nimmt sich der stämmige Abgeordnete kräftig zur Brust: Möllemann sei für ihn eine der schwächlichsten Figuren im Bundeskabinett; er habe nur den Vorteil, daß er das wenige, was er zu sagen habe, gut verkaufe.
    Über den nordrhein-westfälischen Umweltminister Klaus Matthiesen (SPD) redet der Vorsitzende des Umweltausschusses des Landtages differenzierter. An Matthiesen imponiere ihm dessen korrekter Umgang mit dem Parlament; der Minister kenne die "Kleiderordnung". Ein negativer Zug in Matthiesens Politik sei das teilweise unsachliche Vorgehen, das insgesamt der Umweltpolitik schade: "Wenn ich mich zum Thema Molkepulver, Kernenergie, Kälbermast unsachlich äußere, brauche ich mich nicht zu wundern, wenn die weniger informierten Leute draußen emotional und unsachlich reagieren und sagen, jetzt brauche man auch keine Müllverbrennungsanlagen mehr." Matthiesen kommt nach Hegemanns Ansicht mit dem Entsorgungsproblem nicht zurecht, dabei sei es nicht etwa Fünf vor Zwölf, sondern schon später. Es sei falsch gewesen, die Müllentsorgungsplanungen den Regierungspräsidenten zu übertragen, das müsse das Land wieder an sich ziehen.
    Beim Thema "Transrapid" scheint den CDU-Abgeordneten zu stören, wie schnell die Landesregierung auf ein Nein zusteuert. "Transrapid" sei eine Technologie, um die uns die ganze Welt beneide, es wäre nach dem Tod des THTR ein weiterer Anachronismus, die Magnetbahn-Technologie in NRW gerben zu lassen". Eine Eisenbahntrasse zerschneide die Landschaft mehr als die Transrapid-Strecke auf Stelzen. Hegemann: "Darunter kann sich Flora und Fauna entwickeln."
    Hegemann, der auch dem CDU-Landesvorstand angehört, hat wenig Verständnis für die jüngst in der CDU-Fraktion laut gewordene Kritik am Parteivorsitzenden Norbert Blüm wegen dessen mangelnder Präsenz im Lande. Natürlich wäre es gut, wenn Blüm permanent als Herausforderer von Johannes Rau hier aufträte, aber er sei nun einmal auch Bundesminister für Arbeit und Soziales in Bonn. Hegemann: "Niemand hat die Fähigkeit zur Bilokalität, und Blüm braucht auch nicht auf jeder Katzenkirmes aufzutreten."
    Der Privatmann Lothar Hegemann ist Sammler von Fotoapparaten, seit ihm ein Parteifreund einst eine Leica geschenkt hat. Seine Dunkelkammer im Haus hat er inzwischen nicht mehr. Jedesmal, wenn er am politikfreien Sonntagabend dort verschwunden sei, habe der Haussegen schief gehangen. Hegemann ist verheiratet, hat einen siebenjährigen Sohn und führt mit anderen Kollegen in Mülheim eine Versicherungs-Agentur.
    Reinhold Michels

    ID: LI900638

  • Porträt der Woche: Helmut Elfring (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 5 - 13.03.1990

    Nach Ministerpräsident Johannes Rau ist er der "dienstälteste" Abgeordnete des nordrhein-westfälischen Landtags — Helmut Elfring aus Dülmen. Seit 1962 gehört der münsterländische Christdemokrat dem Düsseldorfer Landesparlament an und seitdem "holte" er auch bei jeder Wahl den Wahlkreis Coesfeld für seine Partei. Mit Ende der Legislaturperiode im Mai wird der heute 57jährige aus eigenem Wunsch aus dem Landtag ausscheiden. "Ich gehe leicht und locker, vor allem dankbar als Privatmann nach Dülmen zurück." 28 Jahre Parlamentarier, davon lange Zeit in führenden Positionen der Fraktion, sie prägten entscheidend einen bedeutenden Lebensabschnitt des gebürtigen Billerbekkers.
    Nach dem Abitur 1953 studierte Helmut Elfring Rechts- und Politische Wissenschaften an der Universität Münster. Bereits während dieser Zeit engagierte er sich für seine nähere Umgebung, war Vorsitzender des Allgemeinen Studentenausschusses. Während des Studiums kam auch ein "Stück Begeisterung" für die spätere politische Betätigung. In die CDU trat der Dülmener übrigens schon 1955 ein; einige Jahre später wurde er in den Coesfelder Kreisvorstand gewählt und seit 1987 führt er den CDU-Stadtverband seiner Heimatstadt.
    Nach der ersten juristischen Staatsprüfung 1960 entschied sich Helmut Elfring für den Journalismus, volontierte bei den "Ruhr-Nachrichten" und wurde dann Mitglied der politischen Redaktion dieser Dortmunder Tageszeitung. Als die Landtagsfraktion von ihm immer mehr abverlangte, ließ er sich beurrlauben - bis beute übrigens. Wegen eines erst im letzten Jahr überstandenen Herzinfarktes will er allerdings nicht mehr in seinen Beruf zurückkehren — die Vernunft obsiegte.
    Als der Münsterländer 1962 in den Landtag einzog, war er mit 29 Jahren einer der jüngsten Abgeordneten im Parlament. Damals regierte noch die CDU unter Ministerpräsident Franz Meyers in Düsseldorf. In den fast drei Jahrzehnten beriefen ihn seine Fraktionskollegen in die verschiedensten Gremien des Parlamentes und der Fraktion. Allein elf Jahre war Helmut Elfring stellvertretender Vorsitzender der Fraktion, davon zwei Jahre gleichzeitig auch ihr Parlamentarischer Geschäftsführer. Auch die Landespartei suchte seine Mitarbeit, sei es im Vorstand oder als stellvertretender Vorsitzender des damaligen Landesverbandes Westfalen-Lippe.
    Ungeachtet, daß der CDU-Abgeordnete die meiste Parlamentszeit die harte Oppositionsbank drücken mußte — "ich habe auch hier hohe Befriedigung gefunden", resümiert Helmut Elfring. Natürlich sei es oft frustrierend und entmutigend, wenn man so lange von der Gesetzgebung und damit politischen Gestaltung des Landes ausgeschlossen sei. Doch könne die Opposition trotzdem einiges bewegen. Als Beispiele nennt der Parlamentarier das erfolgreiche Volksbegehren gegen die Kooperative Schule oder das Abwenden der drohenden Auflösung des Regierungsbezirkes Münster. Schließlich biete das Fragerecht dem Abgeordneten die Möglichkeit, die Regierung zu kontrollieren.
    Der Christdemokrat, der lange Zeit die Medienpolitik der Landtagsopposition mitprägte, war und ist ein Verfechter der Vielfalt auch in den elektronischen Medien. So engagierte er sich vehement für die Einführung des Privatfunks in Nordrheinwestfalen und zählte zu den Vätern der Landesanstalt für Rundfunk (LfR). Heute ist er stellvertretender Vorsitzender der LfR-Rundfunkkommission. Steinig und dornenvoll nennt Elfring den Weg, auf dem sich der private Rundfunk im bevölkerungsreichsten Bundesland noch immer befinde.
    Wenn der Dülmener Abgeordnete im Mai aus dem Landtag ausscheiden wird, so wird er sich aber noch lange nicht gänzlich ins Privatleben zurückziehen. Seit der letzten Kommunalwahl im Oktober 1989 stellte er seine lange parlamentarische Erfahrung als Ratsmitglied dem Dülmener Stadtrat zur Verfügung. Auch wird er weiterhin der LfR-Rundfunkkommission angehören. Trotzdem dürfte der Vater von zwei Töchtern und einem Sohn dann mehr Zeit für die Familie haben und für die Hobbys Wandern, Fahrradfahren und Schwimmen. Langeweile — das dürfte für den Münsterländer auch weiter ein Fremdwort bleiben.
    Jochen Jurettko

    ID: LI900547

  • Porträt der Woche: Ingeborg Friebe (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 4 - 20.02.1990

    Sie sei "überall die Jüngste" gewesen, sagt Ingeborg Friebe über sich. Und meint damit, daß sie oft die Erste war. Oder doch ganz vorne mit dabei in dieser Republik. 1949, gerade 18 Jahre alt, war sie mit dabei, als in Niedersachsen der Landesverband der Gewerkschaft Handel, Banken, Versicherungen (HBV) gegründet wurde; dessen Erste Vorsitzende wurde sie später. Und in Nordrhein-Westfalen, wohin es sie Mitte der 60er Jahre verschlug, war sie die erste Vorsitzende eines SPD-Unterbezirks (im Rhein-Wupper-Kreis). "Mutter Monheim" heißt sie bei ihren Parteifreunden, denen sie seit 1976 als Bürgermeisterin der gleichnamigen rheinischen Stadt Respekt abverlangt. Die Frau stammt aus altem Braunschweiger Proletarier-Adel. Die Großmutter, eine engagierte Sozialdemokratin, war Betriebsrätin in einer Blechwarenfabrik und kämpfte für die politische Gleichberechtigung der Frau. Ihr Vater ein Kommunist. Ingeborg Friebes kühle Art läßt nur ahnen, welche hitzigen Diskussionen da am heimischen Küchentisch geführt wurden. Aber sie wirken nach und korrespondieren mit den traumatischen Erfahrungen der Nazi-Gewaltherrschaft. Der Vater, mehrfach inhaftiert, wurde im KZ ermordet, die Mutter drangsaliert. "Wenn sie zur Gestapo mußte, hat sie uns, meine beiden Brüder und mich, mitgenommen", erinnert sie sich. "Sie wurde dann etwas weniger geschlagen."
    Eine höhere Schule durfte sie als Tochter eines Kommunisten nicht besuchen. Sie habe wohl eine "andere Jugend erlebt" als die meisten ihrer Altersgenossen, beschreibt sie die Folgen der Sippenhaft. Nach dem Krieg stand sie da, "hungrig nach Wissen". Und lernte in Abendkursen Englisch und Gesellschaftskunde; tags Arbeit in einer Puddingfabrik, später, von Freunden der Familie gefördert, als Telefonistin beim jungen DGB. Rechtsschutzsekretärin wollte sie werden. 1952, mit dieser beruflichen Ausbildung noch nicht ganz fertig, heiratete sie einen Kollegen von der Gewerkschaft, wurde Mutter von zwei Kindern und Hausfrau.
    1966 zieht Ingeborg Friebe mit ihrem Mann von Braunschweig nach Monheim um — und wird nach 13 Jahren wieder öffentlich aktiv. Zunächst in der Kommunalpolitik für die SPD, der sie sich, ihren Erfahrungen folgend, schon 1950 angeschlossen hat. Ein Jahr später (1967) gehört sie dem Kreisvorstand an, wird Mitglied des Parteirats (1970 bis 1975) und des Bezirksvorstands Niederrhein (1970 bis 1976). 1969 wird Ingeborg Friebe in den Rat der Stadt Monheim gewählt, sieben Jahre später ist sie Bürgermeisterin. Schon im Jahr davor ist sie in den Landtag gewählt worden. Parlamentarische Arbeit lernt sie im Petitionsausschuß, in den Ausschüssen für Arbeit, Gesundheit, Soziales und für Justiz. Bald danach, schon arriviert, sitzt sie für Anke Brunn, die als "Notopfer Berlin" an die Spree entsandt worden ist, im Fraktionsvorstand. Und 1985 wird sie 2. Vizepräsidentin des Landesparlaments.
    Ihre politische Karriere, sagt sie, verdanke sie nicht ihrem Geschlecht. Daran gibt es keinen Zweifel. Eine "Emanze" will sie nicht sein, und zu radikalen Feministinnen hat sie überhaupt kein Verhältnis. Ihre politische Philosophie ist sozusagen traditionell Sie sei überzeugt davon, daß die Frauen in der Politik "nur was mit den Männern zusammen " erreichen können oder gar nicht. Auf dem SPD-Parteitag in Münster, der die Vergabe von Parteiämtern und Mandaten an einen Geschlechterschlüssel bindet, mit dem den Frauen bessere Chancen eingeräumt werden sollen, hat sie zwar für die Quote gestimmt, sie aber nicht eigentlich ernstgenommen. Sie ist nicht überzeugt gewesen, "daß das der richtige Weg" sei, sagt sie und spricht damit ihrem Fraktionschef Friedhelm Farthmann aus dem Herzen, der in Münster gegen die Quotierung argumentiert und schließlich auch gestimmt hatte. Zu ihm hat sie ein "gutes und freundschaftliches Verhältnis", ebenso zu Ministerpräsident Johannes Rau.
    Ihr paradoxes Ja zur Quote versteht Ingeborg Friebe gewissermaßen als Strafe für die uneinsichtigen Männer, die die Frauen nicht aufkommen lassen wollen. "Sie haben sich das selbst eingebrockt", findet sie. Und "nur aus Solidarität mit den Frauen" habe sie dafür gestimmt. Im heimischen Monheim jedenfalls ist nach ihrer Auffassung eine Quote nicht nötig. Frei und ganz unbeschwert bewegt sie sich im verminten Gelände zwischen der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) und den Quotengegnern.
    Das könnte ihr zum Vorteil gereichen, wenn es im nächsten Landtag, der am 13. Mai gewählt wird, um das höchste Amt geht. Der Sessel des Landtagspräsidenten wird frei, weil sein gegenwärtiger Inhaber, der Bielefelder Sozialdemokrat Denzer, aus der Politik ausscheidet. Ingeborg Friebe ist als Nachfolgerin im Gespräch. Mit ihr habe aber "noch niemand gesprochen", sagt sie. Und sie selbst hat "auch noch mit niemand darüber geredet". Im übrigen ist sie .sehr gerne Bürgermeisterin". Wie und ob beide Ämter "zusamen gehen würden, weiß ich noch nicht".
    Daß sie das hohe Amt reizt, sie sich ihm auch gewachsen fühlt, will sie also nicht verhehlen. Und wenn etwas daraus würde, wäre sie wieder einmal "die Jüngste" — jedenfalls in NRW.
    Bernd Kleffner

    ID: LI900445

  • Porträt der Woche: Bodo Champignon (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 3 - 06.02.1990

    Wer regelmäßig das Vergnügen hat, mit den 227 Abgeordneten des nordrhein-westfälischen Landtags nun, sagen wir einmal, Umgang zu pflegen, weiß, daß es im "Hohen Haus" drei Gruppen von Volksvertretern gibt. Da arbeiten die wirklich Einflußreichen, die Aufgeblasenen und eine dritte Gruppe, die man als eine Art stille Arbeiter im Weinberg des Herrn charakterisieren könnte. Der Sozialdemokrat Bodo Champignon zählt sich nicht zu den mächtigen Kollegen, er will auch nicht zu jenen gezählt werden, die sich, so formuliert er es mit seinen Worten, "primadonnenhaft" in Fraktion, Öffentlichkeit und Plenarsaal spreizen. Der gebürtige Dortmunder und gelernte Industriekaufmann, Sproß einer alten hugenottischen Familie, beackert vielmehr seit nun schon zehn Jahren beharrlich und ohne Eitelkeit das breite Themenspektrum in den Ausschüssen für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Sport, bei dem man wenige Schlagzeilen ernten, aber so manchem Mann und so mancher Frau "draußen im Lande", wie es so schön heißt, helfen kann. Und mit sehr bescheidenem Ehrgeiz wird er es auch in den nächsten fünf Jahren tun. Denn selbstverständlich hat zwar der Wähler, hat die Wählerin das entscheidende Wort über die Zusammensetzung des nächsten Landtages. Aber daß Bodo Champignon seinen Wahlkreis in Dortmund verlieren könnte, glaubt nicht einmal der größte Optimist von der Opposition. Denn vor fünf Jahren gewann Champignon diesen Wahlkreis mit stolzen 66,6 Prozent der Stimmen. Seitdem hat er es mit den Sechsen. Es war eher Zufall, daß ihm im neuen Plenarsaal der Platz Nr. 66 zugewiesen wurde und zwangsläufig hat er deshalb auch den Garderobenhaken mit den beiden Sechsen.
    Solch sichere Wahlkreise wie der im Dortmunder Norden wecken gewöhnlich die Begehrlichkeit der Konkurrenz in der eigenen Partei. Bodo Champignon rechnet es sich als sein ganz persönliches Verdienst an, daß niemand in der Dortmunder SPD auch nur versucht hat, ihm seinen Wahlkreis abzujagen. "So ganz unzufrieden", meint er leise lächelnd, "scheinen die Genossinnen und Genossen mit meiner Arbeit in Düsseldorf also nicht gewesen zu sein." Dafür gibt es noch einen zusätzlichen Grund neben den, so Champignon, belegbaren und nachweisbaren Erfolgen im tagtäglichen Kleinkram in Düsseldorf und Dortmund: Der ehemalige Betriebsrat der Hoesch-Hüttenwerke ist der Aids-Beauftragte der SPD-Landtagsfraktion — wahrlich kein Job, um den es in der Fraktion heiße Ausscheidungskämpfe gegeben hätte. Bei dieser Aufgabe muß der Dortmunder Abgeordnete vielmehr ein Minderheitenthema beackern, von dem die Mehrheit in der Bevölkerung am liebsten nichts sehen und nichts hören möchte. Bodo Champignon erledigt auch diese Aufgabe sachlich und ohne öffentliches Getöse. An der Basis aber bringt das Punkte.
    Vor die Aufgabe gestellt, zu beschreiben, worin sich der Dortmunder Sozialdemokrat von manchem anderen Abgeordneten unterscheidet, muß seine Ehrlichkeit erwähnt werden. So gibt er freimütig zu, in seiner persönlichen Existenz heute von der Politik abhängig zu sein. Er hat zwar noch einen Schreibtisch bei Hoesch in Dortmund stehen. Aber Bodo Champignon nennt dieses Möbelstück, an dem er noch ein-, zweimal in der Woche sitzt, selbst ein Art "Rettungsanker", den er um Gottes willen hofft, nie gebrauchen zu müssen. Müßte er hauptamtlich und zum Broterwerb in seinen Beruf zurückkehren dann wäre er doch "der letzte Hansel, der in irgendeiner Abstellkammer irgendetwas ordnen müßte", skizziert der ehemalige stellvertretende Abteilungsleiter bei Hoesch seine heutigen Berufsaussichten angesichts des rasanten Wandels in diesem Konzern. Verurteilt also, bis zur Pensionierung als Berufspolitiker das Leben zu fristen, abhängig vom Wohl und Wehe der Partei? Bodo Champignon scheut sich nicht, diese Frage zu bejahen — er möchte dieses einfache Ja allerdings um den Zusatz ergänzt wissen, daß er diesen Zustand nicht als Verurteilung betrachtet. Er redet in diesem Zusammenhang auch nicht vom "Dienst für den Wähler", von "Pflicht" und "Last-auf-sich-nehmen für die Bürgerinnen und Bürger", wie dies manch eitlere Abgeordnete tun. Er sagt einfach, daß es ihm Spaß mache Abgeordneter des nordrhein-westfälischen Landtags zu sein.
    Und das ist ja nun mal wirklich ein ehrliches Wort. Mit 66,6 Prozent im Rücken scheut Bodo Champignon auch nicht vor einem offenen Wort über manche Turbulenzen in der eigenen Partei und Fraktion zurück. Was sich da einige Kolleginnen und Kollegen beispielswelse in dem Streit um die Plazierung des Fraktionsvorsitzenden Friedhelm Farthmann auf der Landesliste für die Entscheidung vom 13. Mai geleistet hätten, sei nur mit einem "Sonnenstich im Winter" zu erklären, meint der 49jährige Dortmunder in schöner Offenheit. Und zu dem Thema Frauen, die keinen einzigen der sechs Dortmunder Wahlkreise erhielten, sagt Bodo Champignon ganz trocken, daß es "Mandate auf silbernem Tablett" nun einmal nicht gebe. Die Ochsentour sei er gegangen und müsse jeder und jede gehen, die in Dortmund ein Landtagsmandat anstrebten. Extratouren für Frauen könne es da nicht geben. Champignon der Frauenfeind also ? Nee, in die Schublade will sich der Dortmunder nicht stecken lassen. Aber er sei nun einmal wie die meisten Dortmunder kein Jackenzieher und Speichellecker, sondern bevorzuge die Rede im Klartext. Und zum Klartextreden gehört schließlich für Bodo Champignon auch, daß er es nicht abstreitet, Lobbyist für Kohle und Stahl im Düsseldorfer Landtag zu sein. Der Dortmunder Abgeordnete sagt es noch drastischer: "Im Zweifelsfall immer für Hoesch." Da weiß man doch wenigstens, woran man ist mit diesem Mann.
    Reinhard Voss

    ID: LI900342

  • Porträt der Woche: Dr. Bernd Brunemeier (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 2 - 23.01.1990

    Er liest gern die Klassiker der deutschen Literatur, und wenn er als Beispiele zwei Namen nennt, sind es Gotthold Ephraim Lessing und Heinrich Heine. Das ist kein Zufall, beide haben eins gemeinsam: sie kämpften in ihren Werken für den Gebrauch der kritischen Vernunft und eine unvoreingenommene Toleranz zwischen den Menschen. Der Bielefelder SPD-Landtagsabgeordnete Bernd Brunemeier hat Germanistik studiert, und seine Promotion zum Dr. phil. erlangte er über die klassische deutsche Literatur. Bis zu seiner Wahl in den Düsseldorfer Landtag 1980 als Studienrat an einem Gütersloher Gymnasium tätig, bedauert er es heute, nur noch ein "bißchen Zeit" zu haben für sein Hobby, eben die Literatur.
    Der gebürtige Ostwestfale vom Jahrgang 1943 hatte nach dem Volksschulbesuch allerdings zunächst einen Handwerksberuf erlernt und war Werkzeugmacher geworden. Über den sogenannten zweiten Bildungsweg schaffte er dann die Mittlere Reife und innerhalb von nur zweieinhalb Jahren auch das Abitur. Obwohl Bernhard Brunemeier aus einem alten sozialdemokratischen Elternhaus stammt, war es nicht die "Tradition", die ihn 1970 in die SPD führte. Es war vielmehr die "demokratische Erneuerung, der allgemeine Aufbruch" unter Willy Brandt, erinnert er sich beute. Zudem interessierte ihn die örtliche Politik. So gehört das Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) seit 1973 der Bezirksvertretung Brackwede an, seit zehn Jahren ist er Vorsitzender der SPD-Fraktion.
    Als der Direktkandidat des Wahlkreises 107, Bielefeld III, 1980 in den Landtag rückte, berief ihn seine Fraktion in den Ausschuß für Schule und Weiterbildung. Dort gilt er seitdem als engagierter Befürworter einer vielfältigen, offenen Schullandschaft ebenso wie eines uneingeschränkten Elternrechts. Für ihn ist die große Leistungsfähigkeit des differenzierten Schulwesens in Nordrhein-Westfalen die Voraussetzung für die Erneuerung des Landes. Ohne eine "Bildungsoffensive" sei es nicht denkbar, die ökonomischen wie ökologischen Herausforderungen zu lösen. Die verschiedenen Schulformen seien Angebote an die Eltern, die selbst darüber entscheiden sollten, welcher schulische Weg für ihre Kinder der richtige sei.
    Vehement plädiert Bernhard Brunemeier in diesem Zusammenhang dafür, daß sich die Schulpolitik des Landes angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen und gestiegenen beruflichen Anforderungen an die Jugendlichen stärker mit den Bildungsinhalten aller Schulen befassen müsse. Wir brauchen eine "Lernziel-Diskussion". Wenn die Jugendlichen die komplizierte Struktur in einer demokratischen Gesellschaft nicht mehr verstünden, drohe die Gefahr ihrer Verweigerung und Zuwendung vom Radikalismus. Auch müsse der Staat eine glaubwürdige Antwort darauf geben, wie er die bedrohten natürlichen Lebensgrundlagen erhalten wolle und könne. "Sonst verfluchen uns eines Tages die Kinder."
    Das Interesse des Ostwestfalen gilt denn auch der Umweltschutzpolitik. Nach seiner Ansicht müsse sich "mehr herumsprechen", daß die vom Land Nordrhein-Westfalen betriebene ökologische Erneuerung auch die "Wirtschaftsförderung von morgen" sei. Beide Bereiche, Umweltschutz und Wirtschaft, könne man heute nicht mehr voneinander trennen.
    Der SPD-Abgeordnete sieht sich den Bürgern seines Bielefelder Wahlkreises besonders verpflichtet. Dabei wird von Wählern wie Parlamentskollegen dessen Bemühen um Fairneß und Objektivität besonders geschätzt.
    Jochen Jurettko

    ID: LI900232

  • Porträt der Woche: Heinz Hilgers (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 1 - 16.01.1990

    Seit dem 19. Oktober 1989 ist Heinz Hilgers Bürgermeister seiner Stadt Dormagen. Die Hilgers-Sippe ist fest mit der rheinischen Kommune verwurzelt, bis 1760 lasse sich das zurückverfolgen, erzählt der 41jährige SPD-Landtagsabgeordnete. der seit 1985 im Düsseldorfer Parlament sitzt, jedoch bereits als 27jähriger im Rat seiner Vaterstadt tätig war. Bei der Bürgermeister-Wahl erhielt der bisherige SPD-Fraktionsvorsitzende im Rat auch die Stimmen der Zentrums-Vertreter.
    Beim Gespräch mit Heinz Hilgers fällt sofort die Verschmitztheit auf. Man erinnert sich an den Spruch: Der hat es faustdick hinter den Ohren. Hilgers ist ein Mann von rheinischem Gemüt. Er sei privat sehr kontaktfreudig, könne auf Anhieb 500 Witze erzählen oder eine Büttenrede halten. Auf die Frage, ob ihm Bierernst fremd sei, antwortet er prompt: "Bier nicht, aber Ernst."
    Manchmal, so erzählt Hilgers, komme ihm auch die Politik zu humorlos vor. Er nennt ein Beispiel aus jüngster Zeit:
    Auf die Attacke der nordrhein-westfälischen CDU, wonach die NRW-Staatskanzlei mittlerweile zu einem SPD-Politbüro verkomme, hätte er nicht so reagiert wie Wolfgang Clement (SPD), der Chef der Staatskanzlei. Er, Hilgers, hätte an Clemens Stelle am 11.11. als erster Sekretär des Politbüros die CDU zum Tag der offenen Tür eingeladen.
    Bei soviel Hang zum Jux tritt der politische Arbeiter Hilgers etwas in den Hintergrund. Der gelernte Verwaltungsfachmann, der es bis zum Jugendamtsleiter in Frechen gebracht hat, blickt zufrieden auf einen stetigen Aufstieg zurück. Ob er politische Vorbilder habe? "Nein", antwortet der Abgeordnete, "ich orientiere mich nicht an Vorbildern". Personen spielen seiner Meinung nach zwar eine wichtige Rolle in der Politik, aber eigentlich gehe es doch um Inhalte, oder?
    Um welche Inhalte kümmert sich der Politiker Heinz Hilgers am meisten?
    Beim Thema Jugend-, Familien- und Bildungspolitik engagiert er sich merklich. Ein wenig scheint ihn dabei zu stören, daß er als Mitglied im fast schon berüchtigten SPD-Arbeitskreis 13 auch von eigenen Parteifreunden als Linker betrachtet wird. Er stehe in der Mitte der Partei, sonst wäre er nicht Bürgermeister geworden, sagt Hilgers. Das Verhältnis zwischen Kultusminister Schwier (SPD) und dem AK 13-Vorsitzenden Dammeyer (SPD) hält Hilgers für "verhakt": "Und dann kommen noch einige aus der jeweiligen Umgebung der beiden und schüren Feuerchen."
    Auf die Seite des Kultusministeriums schlägt er sich nicht. Er bezweifelt, ob eine solche Bürokratie überhaupt in der Lage ist, im Schulbereich sozusagen ex cathedra über Personal- und Organisationsprobleme zu befinden. Vielleicht lasse sich das an Ort und Stelle viel besser regeln. Hilgers plädiert für die Kommunalisierung des Schulwesens.
    Beim Stichwort "Lehrer" grübelt Hilgers auch über Sinn und Unsinn des Berufsbeamtentums. Wieso liege eigentlich das Schwergewicht der Lehrer-Tätigkeit in der Ausübung hoheitlicher Gewalt? Der Lehrer sollte doch in erster Linie Pädagoge sein. Ja, räumt er ein, die Entscheidung darüber, ob ein Schüler versetzt werde, sei Verwaltungsakt und damit hoheitliche Tätigkeit; er frage sich aber manchmal, ob überhaupt der oder die Lehrer allein über Versetzung entscheiden sollten. Er fände es besser, wenn solche Entscheidungen nur gemeinsam mit Eltern und anderen Menschen getroffen würden, die mit dem jungen Menschen zu tun haben. Hilgers: "Lehrer sollten mehr Helfer und weniger Schiedsrichter sein."
    Der Privatmann Heinz Hilgers erzählt von seinen drei Kindern zwischen 18 und sechs Jahren, von seinen Jogging-Leistungen (20 Kilometer in 1:20) und von seiner Leidenschaft für die Handball-Künste des Bundesligisten TSV Bayer Dormagen.
    Reinhold Michels

    ID: LI900143

  • Porträt der Woche: Willi Pohlmann (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 22 - 19.12.1989

    Viermal hat er den Wahlkreis 128, Herne 1, für seine Partei, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, mit klaren Mehrheiten gewonnen, zum fünften Gang, der Landtagswahl am 13. Mai kommenden Jahres, wird er nicht mehr antreten: Willi Pohlmann. Den Entschluß zum Verzicht auf die Kandidatur zum Landesparlament hat er aus freien Stücken getroffen, niemand hat den 61jährigen drängen müssen, seinen Platz freizumachen. Drängen, so sagen Sozialdemokraten, die sich in ihrer Partei auskennen, hätte auch kaum Erfolg gebracht.
    Daß es so ist, wie diese altgedienten Genossen sagen, leuchtet ein: Niemand ist in Herne und im SPD-Unterbezirk Herne so bekannt und beliebt wie Willi Pohlmann. Diese Popularität hat den Mann in das Amt des Oberbürgermeisters seiner Heimatstadt und in den Vorsitz des SPD-Unterbezirks getragen. Um zu werden, was er geworden ist, hat er keine "Seilschaften" zusammenstellen und keine "Gegengeschäfte" verabreden müssen. Sein Sinn für das Machbare in der Politik, seine Menschlichkeit und Verläßlichkeit, sein Fleiß und sein Arbeitsstil haben dazu geführt, daß er immer von anderen gefragt worden ist, ob er dieses und jenes "denn machen wolle". Und ehe Pohlmann sich entschied, tat er nach eigenem Bekunden etwas, was heute geradezu verpönt ist: Er holte sich Rat von alten, erfahrenen und kenntnisreichen Parteifreunden. Das Beispiel Pohlmann zeigt, daß so etwas nicht von vornherein falsch ist, sondern vorzeigbare Ergebnisse bringt.
    Der Lebens- und Karriereweg Willi Pohlmanns ist bezeichnend für den heute altmodisch gewordenen Typ eines gestandenen Sozialdemokraten von der Ruhr. Als jüngstes von acht Kindern einer Bergmanns-Familie am 8. März 1928 in Herne geboren, verlor er früh den an Staublunge erkrankten Vater; ein 20 Jahre älterer Bruder, der sich vor den Nazis aus Herne "abgesetzt" hatte und erst nach Kriegsende zurückgekommen war, weckte in ihm das Interesse für die Politik. So ist der Eintritt des erst 18jährigen 1946 in SPD und Gewerkschaft fast zwangsläufig. Von einer "Karriere" bei der SPD-Jugendorganisation "Falken" oder in der Gewerkschaftsjugend träumte der junge Willi Pohlmann aber nicht. Ausgebildet als Stahlbauschlosser, wechselte er 1949 als Hauer-Lehrling in den "Pütt". Seiner Mutter, die das überhaupt nicht gern sah, mußte er versprechen: Ich komme da wieder raus. 1953, die Nachkriegsverhältnisse hatten sich auch an der Ruhr gebessert, war es so weit. Eine Bewerbung bei der Berufsfeuerwehr der Stadt Herne war erfolgreich. Als ausgelernter Stahlbauschlosser erfüllte er die Einstellungsvoraussetzungen. Wenn andere in der Feuerwache Dauerskat droschen, büffelte Willi Pohlmann manche Stunde in Fernlehr- Büchern, um als Volksschüler die fehlenden Chemie-Kenntnisse zu erwerben. Kenntnisse in Chemie und in vielen anderen Disziplinen brauchte er, um Aufstiegsprüfungen zu bestehen. 1968 war er am Ziel und hatte die Prüfung für den "gehobenen feuerwehrtechnischen Dienst" mit Erfolg hinter sich.
    Zu diesem Zeitpunkt lagen bereits neun Jahre "Dienst" als stellvertretender Vorsitzender des SPD-Kreisverbandes Herne hinter ihm. Die weiteren Stationen sind schnell aufgezählt: 1970 erster Einzug in das Landesparlament, 1971 Vorsitzender des SPD-Kreisverbandes Herne, 1974 Vorsitzender des Unterbezirks Herne der SPD, 1975 und 1980 Wiederwahl in den Landtag, 1984 Oberbürgermeister von Herne, 1985 erneut Wahl in das Landesparlament, 1989 wieder OB. Und dieses Oberbürgermeisteramt will Pohlmann, wenn die Gesundheit mitspielt, voll ausfüllen. "Es macht mir Freude", so bekennt er, "dem Bürger unmittelbar helfen zu können bei der praktischen Lösung der Probleme." Im übrigen will der Mann, dem Arroganz und Eitelkeit so ganz fremd sind, mehr Zeit für die Familie haben, für Frau, Kinder und Enkelkinder. "Wenn man selbst aus einer großen Familie kommt, dann schätzt man die Geborgenheit, die nur eine intakte Familie vermitteln kann, ganz besonders." So ist es ganz selbstverständlich, daß an Fest- und Feiertagen das Haus Pohlmann für alle Familienmitglieder offen ist. "Mir würde etwas fehlen, wenn die nicht kämen."
    Für das Landesparlament ist Pohlmanns Ausscheiden sicherlich ein Verlust. Nicht nur, daß ein weiteres politisches Naturtalent fehlen wird; auch seine in langen Jahren gewachsene Erfahrung und der Durchblick werden vermißt werden. Schließlich gehörte der Sozialdemokrat aus dem Revier als Vorsitzender des Innenausschusses und als stellvertretendes Mitglied im Hauptausschuß zu den "Weichenstellern", geachtet auch wegen Fairneß und Verläßlichkeit. Sein Banknachbar im Plenum ist Diether Posser. "Solche Männer hinterlassen Lücken." Dieses Urteil stammt übrigens nicht von einem Sozial-, sondern von einem Christdemokraten.
    Karl Lohaus

    ID: LI892247

  • Porträt der Woche: Manfred Böcker (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 21 - 12.12.1989

    Schon als Jugendlicher war Manfred Bökker vielseitig interessiert und ein Schuß Neugierde kam hinzu. Dieses Wesensmerkmal des Lipper Sozialdemokraten aus Augustdorf bestimmt auch heute noch seine Tätigkeit, ob in der Politik und im kulturellen Bereich oder einfach im Kontakt mit den Mitbürgern. Seine Unvoreingenommenheit schätzen denn auch die Gesprächspartner aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Schichten und politischen Richtungen.
    Geboren in Essen und aufgewachsen im Lipper Land, interessierte den heute 49jährigen schon während der Gymnasialzeit die Fliegerei, insbesondere deren Technik. So meldete er sich nach dem Abitur freiwillig zur Bundesluftwaffe und wurde im Luftsicherheitsbereich ausgebildet. Einige Jahre später wechselte Manfred Böcker zu einer amerikanischen Fluggesellschaft auf dem Frankfurter Flughafen. Freunde animierten ihn eines Tages zum Lehrerstudium. Er absolvierte die Pädagogische Hochschule in Bielefeld, legte die beiden Staatsprüfungen für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen ab. Zunächst war er dann als Lehrer, später bis zu seiner Wahl in den Landtag 1980 als Konrektor an der Hauptschule in Augustdorf tätig. Vielseitig interessiert, widmete sich der Pädagoge während dieser Zeit auch einem anderen Gebiet — dem Film. Mit ebenso viel Freude wie Erfolg drehte er Industrie- und Werbefilme.
    Dem Pädagogen und Filmemacher interessierte aber auch die Kommunalpolitik. 1969 in die SPD eingetreten, wurde er ein Jahr später in den Rat der Stadt Augustdorf gewählt. Die rund 8000 Einwohner zählende Gemeinde ist nicht nur die drittgrößte Garnisonsstadt in der Bundesrepublik, mit einem Anteil von 16 Prozent Aussiedlern dürfte sie mit zu den Orten zählen, die die meisten Neubürger aufnahmen. Zusätzliche Probleme für eine Gemeinde. Als SPD-Fraktionsvorsitzender setzte sich Manfred Böcker vor allem für eine Verbesserung der Infrastruktur ein, nutzt die Bundeswehr doch rund die Hälfte der Gemeindefläche als Übungsgelände.
    Als der Sozialdemokrat 1980 im Wahlkreis 115 Lippe III direkt in den Landtag gewählt wurde — wie übrigens auch fünf Jahre später —, schickte ihn seine Fraktion wunschgemäß in den damals neugegründeten Kulturausschuß, dessen stellvertretender Vorsitzender er heute ist. Als der kulturelle Bereich damals seine Eigenständigkeit innerhalb der Parlamentsgremien erhielt (Schule und Kultur waren bislang in einem Ausschuß zusammengefaßt), wurde die Notwendigkeit dieser Trennung von zahlreichen Abgeordneten angezweifelt. Inzwischen habe sich dieser Schritt als richtig erwiesen, zeige sich doch immer stärker, welche große Bedeutung die Kultur für die Infrastruktur einer Kommune habe, urteilt der Parlamentarier. Sie sei auch ein Stück Wirtschaftspolitik, denn bei der Auswahl von Standorten für Neuansiedlungen sei auch das kulturelle Angebot ein mitentscheidender Faktor für die Unternehmen. Daher müsse Kultur "ortsnah" sein.
    Für den SPD-Abgeordneten gibt es schon heute keine andere Region in der Bundesrepublik, die über eine solche kulturelle Vielfalt verfügt wie Nordrhein-Westfalen. Stark engagiert, sieht der Lipper jetzt zwei Aufgaben in den Vordergrund gerückt: Einmal müsse sich das Land verstärkt um die Landestheater kümmern, "die Kulturpolitik ins ganze Land bringen", und zum anderen müsse es die Filmförderung intensivieren. Impulse erwartet er von der Gründung der "Filmstiftung NRW" und der Schaffung weiterer Ausbildungseinrichtungen für künstlerische Berufe. Im übrigen gebe es keinen Einzeletat im Landeshaushalt, der eine solche Steigerungsrate zu verzeichnen habe wie der für Kultur. Die Politik habe nach seiner Einschätzung die Bedeutung der Kultur erkannt. Daher dürfe sie auch nicht eine "Unterabteilung" des Kultusministeriums sein, sondern sie müsse auch dort einen höheren Stellenwert erhalten.
    Schließlich gehört der Sozialdemokrat auch dem Wissenschafts- und dem Wirtschaftsausschuß an. Auch in diesen Bereichen werden Manfred Böcker von seinen politischen Freunden wie Kontrahenten Sachkenntnis und Engagement bescheinigt. Bodenständig, sieht er sich insbesondere seiner Region und den dort lebenden Menschen verpflichtet. So ist es für ihn wichtiger, beispielsweise einer Rentnerin zu helfen, als durch Parlamentsreden zu versuchen, am "großen Rad der Landespolitik" zu drehen. Verheiratet und Vater von zwei Söhnen, ist Politik für ihn ein Hobby. Kein Beruf wie der des Abgeordneten biete so viele Möglichkeiten mit Menschen in Berührung zu kommen, ihnen zuzuhören. Dem mißt der Politiker Böcker hohen Stellenwert bei.
    Jochen Jurettko

    ID: LI892130

  • Porträt der Woche: Heinz Hardt (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 20 - 05.12.1989

    Den Antrag auf Mitgliedschaft in der CDU hat Heinz Hardt am 13. August 1961 ausgefüllt: In Berlin hatte Walter Ulbricht mit dem Mauer-Bau begonnen. Der damals 25jährige Düsseldorfer Hardt war gerade zu Besuch bei den Schwiegereltern. In der Rückschau erinnert er sich: Jetzt müßte jeder Demokrat Flagge zeigen. Vom Elternhaus politisch vorgeprägt, gab es für den praktizierenden Katholiken und Pfarrjugendführer keinen Zweifel, welcher Partei er sich anschließen sollte.
    Mittlerweile ist Heinz Hardt fast schon politisches Urgestein im Landtag. Dem Düsseldorfer Parlament gehört er seit 1970 an. Damals hatte der Ingenieur für Heizungs- und Lüftungstechnik bei der Stadt Düsseldorf als Kreisvorsitzender der Jungen Union den Wahlkreis im Norden der Landeshauptstadt erhalten, eine Vorentscheidung auch für die politischen Themen- Schwerpunkte des Jungparlamentariers. In Düsseldorf-Nord liegt der Groß-Flughafen Lohausen, ferner betrifft das Verkehrsproblem A44 dieses Stadtgebiet besonders. Heute ist Hardt zwar in erster Linie als Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion für möglichst reibungsloses Fraktions-Management zuständig; aber sein Augenmerk gilt nach wie vor der Verkehrspolitik. Kürzlich hat er sich auf einem Kurztrip nach Dallas/Texas über die dortige Zusammenarbeit, zum Beispiel bei der Flugsicherung der drei Flughäfen, informiert.
    Mögliche Kritik an solchen Ausflügen in die weite Welt läßt Hardt unbeeindruckt. Erstens sei so etwas keine Erholung: Neun Stunden Flugzeit pro Strecke in der Touristenklasse, das alles an einem Wochenende, seien wahrlich kein Luxus. Wenn zudem über bessere Kooperation der beiden Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn, über eventuelle Verbindung durch die Magnetschnellbahn Transrapid diskutiert werde, also über ein Investitionsvolumen von rund drei Milliarden Mark, müßten sich nordrhein-westfälische Verkehrspolitiker ausreichend informieren. Hardt: "Das Land ist zur Hälfte am Flughafen Düsseldorf und zu 34 Prozent an Köln/Bonn beteiligt, da finde ich es selbstverständlich, daß sich Politiker und nicht nur Beamte Kooperationen wie in Dallas ansehen."
    Wie fast alle Abgeordneten der CDU im Landtag, hat auch Heinz Hardt seine Partei im Parlament nur als Opposition erlebt. Er gibt zu, daß er sich vor allem 1975 sehr geärgert hat, als es mit der Regierungsübernahme wieder einmal nicht klappte. Damals habe man mit Heinrich Köppler gut 47 Prozent der Stimmen geholt, aber die F.D.P. unter Riemer hat sich geweigert, den Koalitionspartner zu wechseln. Bleibt der Zorn über die Liberalen haften? "Nein", sagt Hardt, Politik sei eine Sache der nüchternen Betrachtung und nichts für Emotionen. Im übrigen gebe es heute zur F.D.P.- Fraktion unter Achim Rohde größere politische Nähe als seinerzeit.
    Hardt spekuliert darüber, wie Nordrhein- Westfalen jetzt aussehen würde, hätte 1975 die Union wieder das Regierungsschiff gesteuert: Das wirtschaftspolitische Klima wäre besser, man hätte eine andere Schullandschaft ohne Ideologisierung, und es gäbe wohl auch nicht hundert Milliarden Mark Schulden. Hardt hofft, daß der Regierungswechsel im Land 1990 trotz gegenteiliger Vorhersagen der Demoskopen klappt. Die CDU dürfe nicht "den Hochrechnungen nachlaufen". Sie müsse die Wähler zurückgewinnen, die sich der Partei verweigert hätten. Das könne beispielsweise geschehen durch Betonung des Themas "Umweltschutz", für Hardt ein "Urthema der CDU".
    Schnell ist er auch hier wieder bei der Verkehrspolitik. Er plädiert für Tempo 30 in geschlossenen Ortschaften, für eine Schadstoffsteuer anstelle der Kfz-Steuer; er bedauert, daß die Mittel für den Personennahverkehr in den Ballungsgebieten nicht schon früher und konzentrierter geflossen sind. Und immer wieder streicht er das Magnetschnellbahn-Projekt Transrapid als enorm zukunftsträchtige deutsche Erfindung mit geringem Verschleiß und geringen Emissionen heraus. Der Ingenieur Hardt fasziniert diese Technik. Auch in seiner Freizeit liest er Fachbücher über technische Möglichkeiten für eine moderne, umweltfreundliche Verkehrspolitik.
    Das unpolitische Leben des dreifachen Familienvaters spielt sich mindestens einmal im Jahr im oberbayerischen Mittenwald ab. Fast 50mal war er in dem malerischen Bergort — zum Wandern oder zum Skilanglauf.
    Reinhold Michels

    ID: LI892046

  • Porträt der Woche: Franz-Josef Kniola (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 19 - 21.11.1989

    Er sei ein "Parteisoldat", sagt Franz-Josef Kniola von sich selbst. Der 46jährige Dortmunder, Ostermarschierer und Kriegsdienstverweigerer, durch und durch Pazifist, gebraucht den eigentümlichen, halbmilitärischen Begriff ganz ohne Bedenken. Denn dieses charakterisierende Wort scheint ihm geeignet, sein Verhältnis zur SPD, der er seit 1963 angehört, und zu ihren Würdenträgern zu beschreiben. Mit "Unterwerfung" oder gar "Hörigkeit", mit Befehlsgehorsam habe das nichts zu tun. Aber: Illoyalitäten gebe es bei ihm nicht, sagt er. Dabei verfügt er als Beisitzer im Vorstand und als Vorsitzender des Arbeitskreises 19 — Wissenschaft und Forschung — der SPD-Landtagsfraktion selbst über Macht und Einfluß genug, um für sich öffentliche Auftritte zu rechtfertigen, die kontrovers zur Meinung "seiner"Ministerin Anke Brunn stehen könnten. Aber Konflikte, die zu Illoyalitäten verleiten könnten, trägt Kniola, der das exotische Hobby der Orchideenzucht pflegt, nicht auf dem offenen Markt der Meinungen aus. Ein Arbeitskreisvorsitzender müsse es verstehen, derlei intern zu regeln, beschreibt er seinen politischen Stil.
    Sein Bürgersinn scheint ob des Vergnügens, der Presse ein Schnippchen geschlagen zu haben, durchzugehen, wenn er aufreizend beiläufig darauf hinweist, wie er in der Hochschulpolitik "viele komplizierte, zum Teil unangenehme Entscheidungen" getroffen habe, "ohne daß sie vorher in der Zeitung gestanden haben". Soviel Selbstsicherheit macht es leicht, mildes Lob auch der Ministerin Anke Brunn zu gewähren. Sie habe einen schwierigen Start gehabt und müsse jetzt damit kämpfen, daß sich das schlechte öffentliche Anfangsurteil", ein Vorurteil also, nicht verfestige. Immerhin sei sie "sehr erfolgreich, auch im Kabinett". Das Urteil in der Hochschulöffentlichkeit über sie sei "etwas ungerecht". Er jedenfalls habe sich mit Frau Brunn zusammengerauft, sagt er. Was er auch schon mit anderen Wissenschaftsministern hatte tun müssen, ob sie nun Rau, Jochimsen, Schwier oder Krumsiek hießen. Sie alle haben ihn als ruhig-fairen, aber harten Widerpart kennengelernt. Kniola versichert, er stehe "hinter jedem Punkt", den die "Hochschulplanung 2001 "gesetzt hat wie zum Beispiel die Einstellung von Studiengängen an einzelnen Hochschulen oder die Verlagerung von Stellen. "Ich bin froh, daß wir das gemacht haben" bekennt er. Weil es falsch sei, seine Politik nur daran auszurichten, "Konflikte zu minimieren".
    Kniola, der aus einem bürgerlich-katholischen Elternhaus stammt und eine entsprechende Karriere — katholische Schule, Meßdiener, Pfadfinder — hinter sich hatte, als er Sozialdemokrat wurde, hat sein politisches Engagement als Teil seines familiären Ablösungsprozesses begriffen. Im Generationenkonflikt, vor allem mit dem Vater, der auch sein Lehrherr war, hat er sich freigekämpft. Das hat ihn scharfkantig, distanziert wirkend gemacht, auch wenn er es sich, mit einer rot geränderten Brille und einem dunklen Vollbart maskiert, nicht ansehen läßt. Er sei "kein Freund von glatten Wegen", sagt er. Er ecke "gerne" an. Jeder, der im Hochschulbereich tätig sei, wisse, "daß ich meinen Weg gehe und ein unbequemer Gesprächspartner bin". Das klingt, wie es gemeint ist — ein warnender Unterton schwingt unüberhörbar mit.
    Kniola hat sich durchgebissen. Auch im Beruf, den er im väterlichen Steinmetzbetrieb erlernte. Nach Realschule und Lehre, die er 1962 mit der Gesellenprüfung abschloß, studierte er an der Höheren Fachschule für Sozialarbeit in Dortmund. Nach dem zivilen Ersatzdienst wurde er zunächst Bildungs-, später Jugendsekretär beim SPD-Bezirk Westliches Westfalen. Später, nach der Wahl in den Landtag und seinem freiwilligen Ausscheiden als hauptamtlicher Parteifunktionär, hatte er einen Lehrauftrag an der Fachhochschule Dortmund, bevor er, frei genug, 1977 nach dem Tod des Vaters den elterlichen Betrieb übernahm. In Abendkursen, zweieinhalb Jahre lang, bereitete sich Kniola auf die Meisterprüfung vor, die er, "zur eigenen Verblüffung", mit der Note "gut" bestand. Kniola ist verheiratet und hat vier Kinder.
    Seine politische Karriere hat der Mann aus Dortmund-Hombruch kühl geplant. "Zielbewußt" nennt er sich. Und deshalb hatte er auch schon bei seinem Parteieintritt ein Landtagsmandat im Blick. Das gewann er 1975 erstmals und seitdem ununterbrochen und wird es wohl auch 1990 holen. Nominiert ist er bereits, was für einen Sozialdemokraten in Dortmund so gut wie gewählt sein heißt. In der Düsseldorfer Landtagsfraktion hat sich Kniola nie als Hinterbänkler verstanden. Früh wurde er ihr Wissenschaftsexperte und hat die Arbeit der Fraktion "in ganz starkem Maße geprägt". Kniolas Selbstbewußtsein ist kräftig. Vor fünf Jahren war es noch sein "Herzenswunsch", Minister zu sein. Das ist jetzt vorbei. Er meldet andere Ansprüche an. In der Fraktion möchte er eine stärkere Rolle spielen und "auf Dauer nicht nur Beisitzer" im Vorstand sein. Die Rede geht, daß Kniola, der sich gern beim Skat entspannt, nach der Landtagswahl im Mai 1990 Parlamentarischer Geschäftsführer werden wird.
    Bernd Kleffner

    ID: LI891941

  • Porträt der Woche: Justizminister Dr. Rolf Krumslek (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 18 - 07.11.1989

    Bei einer Meinungsumfrage nach dem Bekanntheitsgrad der einzelnen Minister in der Regierung des Johannes Rau würde Rolf Krumsiek vermutlich nur einen der hinteren Ränge belegen. Doch das spricht nicht unbedingt gegen den nordrheinwestfälischen Justizminister. Denn wie könnte sich ein Landesjustizminister angesichts der Zuständigkeit des Bundes für die Straf- und Zivilgesetzgebung beim breiten Publikum anders einen Namen machen als durch aus dem Gefängnis flüchtende Verbrecher, überfüllte Haftanstalten und ähnlich unerfreuliche Dinge? So gesehen ist die mutmaßliche Unbekanntheit des Justizministers eher ein Kompliment für Rolf Krumsiek.
    Sein derzeitiger politischer Job kommt dem Naturell des stets ruhig und, wenn man so will, würdevoll daherkommenden Justizministers sehr entgegen. Daß er einmal eine Treppe emporhastet, eine Tür zuknallt oder im politischen Meinungskampf von der sicheren Mitte abweichende Vorstellungen entwickelt, ist schier unvorstellbar. In der Kabinettsrunde des Ministerpräsidenten und in der sozialdemokratischen Landtagsfraktion gehört Rolf Krumsiek folgerichtig zu den stillen Zeitgenossen. Die Gelegenheiten, bei denen er sich in diesen beiden Entscheidungsgremien der nordrhein-westfälischen Landespolitik außerhalb seines engeren Zuständigkeitsbereichs einmal zu Wort meldet, kann man, wie aus Kabinett und Fraktion übereinstimmend berichtet wird, an den Fingern einer Hand abzählen. Was Krumsiek vorher als Wissenschaftsminister und Chef der Staatskanzlei als Manko angerechnet wurde — dieser Mangel an erkennbarem sozialdemokratischen Profil, an programmatischen Entwürfen oder politischer Emotionalität — all dies gerät dem Juristen in seinem Amtszimmer am Düsseldorfer Martin-Luther- Platz zum Vorteil: Da sitzt einer, der seine Arbeit erledigt, still, unspektakulär und so effektiv, wie dies die bejammernswerte Personalsituation im Justizbereich nur eben ermöglicht.
    Der Justizminister selbst wird solche Beschreibung seiner Person und seiner Arbeitsweise nicht als strafwürdige Majestätsbeleidigung aufnehmen. Ist doch sein Ressort und dessen jeweiliger Amtsinhaber in der Sicht des Rolf Krumsiek am ungeeignetsten, auf Landesebene parteipolitisches Profil zu entwickeln. Schuld und Sühne und Gerechtigkeit sind unparteilich, sollten es zumindest sein, argumentiert der Justizminister. Daß er politischen Einfluß nehmen könnte auf die Staatsanwaltschaften, die ihm im Gegensatz zu den Richtern unterstellt sind, ist für Rolf Krumsiek deshalb eine abenteuerliche Vorstellung. Und als vor Jahresfrist auch in Nordrhein-Westfalen mit großer Erregung die Frage diskutiert wurde, ob und zu welchen Bedingungen und unter welchen Voraussetzungen die Gefangenen der Rote-Armee-Fraktion aus ihrer isolierten Haft entlassen und zu größeren Gruppen zusammengelegt werden könnten, war es der Justizminister Rolf Krumsiek, der strengstens darauf achtete, daß die RAF-Gefangenen keine Privilegien erhielten, die anderen Häftlingen verweigert werden. Die zunächst wütenden Attacken der Düsseldorfer Oppositionsparteien gegen die Zusammenlegung von vier Frauen in Köln verliefen sich denn auch schnell im Sande des politischen Alltagsgeschäfts, als CDU und F.D.P. merkten, daß sie diesem Justizminister in dieser Sache nichts ans Zeug flicken konnten. Heute ist das Thema RAF und die Situation der Gefangenen aus diesem Kreis in den nordrhein-westfälischen Gefängnissen überhaupt kein Thema mehr. Rolf Krumsiek kann das für sich als Erfolg verbuchen.
    Still und ruhig im Hintergrund zu wirken hatte der heutige Justizminister spätestens in den Jahren von 1971 bis 1980 gelernt, als er in Wuppertal als Oberstadtdirektor sein Geld verdiente. Der Oberbürgermeister Johannes Rau hatte kurz vorher das Wuppertaler Rathaus geräumt. Der jeweilige Oberbürgermeister steht nach der völlig antiquierten nordrheinwestfälischen Kommunalverfassung zwar im Licht der Öffentlichkeit. Die tatsächliche Macht im Rathaus aber hat der Oberstadtdirektor. Dennoch nach außen hin so im zweiten Glied stehen zu müssen, ist für manchen Oberstadtdirektor mit ausgeprägtem Geltungsbedürfnis ein schweres Los. Krumsiek litt, wenn man ihm glauben darf, nicht darunter. Im Gegenteil: An seine Wuppertaler Zeit erinnert er sich oft und gern. Der Mann hat sogar so etwas wie Humor. Gern erzählt der Justizminister, daß er das einzige Kabinettsmitglied in der Regierung Rau sei, der einen richtigen, einen echten Jagdschein besitze — wobei die Zuhörer dann, wenn sie denn wollen, schlußfolgern können, daß manch andere Regierungsmitglieder in der Sicht des Rolf Krumsiek manchmal so reden oder so handeln, als hätten sie den berühmtberüchtigten anderen, den unechten Jagdschein".
    Nun ja, ein Scherz... Als er noch Minister für Wissenschaft und Forschung war, gehörte Rolf Krumsiek nicht dem Düsseldorfer Landtag an. Seit dem Mai 1985 ist das anders. Da gewann er den Wahlkreis Münden-Lübbecke mit 49,1 Prozent der Stimmen, ein Erfolg, der dem Selbstwertgefühl des 1962 in die SPD eingetretenen Juristen guttat. Da oben im Westfälischen stapft Krumsiek, wann immer er es ermöglichen kann, mit der Flinte durch Wald und Wiese, um seiner Jagdleidenschaft zu frönen. Selten genug kommt das vor. Wenn er nach getaner Arbeit im Ministerium das Haus verläßt, um noch irgendwelche Vorträge zu halten, Diskussionsrunden zu schmücken oder einfach zu repräsentieren, wie das heutzutage zu dem Los eines Ministers zählt, pflegt er sich von seinen engsten Mitarbeiterinnen mit dem Satz zu verabschieden, daß er jetzt noch "für den flächendeckenden Sozialismus kämpfen" müsse. Deutlicher kann man Distanz nicht artikulieren. Aber dem Amt bekommt das nicht schlecht.
    Reinhard Voss

    ID: LI891844

  • Porträt der Woche: Hans-Joachim Kuhl (F.D.P.)
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 17 - 24.10.1989

    Sein Berufsweg unterscheidet sich deutlich von dem der meisten Kollegen im nordrhein-westfälischen Landtag: Nach Besuch der Volksschule absolvierte Hans-Joachim Kuhl, F.D.P.-Abgeordneter aus Kamp-Lintfort, erfolgreich eine Mechanikerlehre. Als nächstes folgte die Ausbildung als Werkzeugmacher mit Gesellenprüfung. Nach Erlangung der Fachschulreife kam für den Niederrheiner nach eigenem Bekunden eine "flippige Zeit", zwei Jahre lang verdiente er seinen Lebensunterhalt als Discjockey. Bei der Bundeswehr kam er zu den Fallschirmspringern und nach Abschluß des Wehrdienstes wollte er zur Kripo — doch sie hatte Einstellungsstopp. So entschied sich der Freidemokrat für die Berufsfeuerwehr. Bis zu seiner Wahl in den Landtag 1985 war er als Brandmeister in Krefeld tätig.
    Die damalige sozial-liberale Koalition unter Führung von Brandt und Scheel "imponierte" Hans-Joachim Kuhl und führte ihn 1972 in die F.D.P. Persönliches Engagement brachten den Liberalen in mehrere Parteiämter: So ist er Vorsitzender des F.D.P.-Ortsverbandes Kamp-Lintfort und gehört dem Landeshauptausschuß der NRW-FDP. sowie dem Bezirksvorstand Niederrhein an.
    Schon früh galt sein Interesse der Kommunalpolitik. So stellte er sich mehrere Jahre als sachkundiger Bürger dem Stadtrat und auch dem Kreistag in Wesel zur Verfügung. Als bei der Kommunalwahl 1979 die F.D.P. nach langjähriger Abstinenz wieder in den Kamp-Lintforter Rat kam, beriefen ihn seine Kollegen zum Fraktionsvorsitzenden. 1984 wieder aus dem Kommunalparlament ausgeschieden, stellt Hans-Joachim Kuhl auch heute noch Wissen und Erfahrung dem Weseler Kreistag als sachkundiger Bürger zur Verfügung.
    Nach einem vergeblichen Anlauf 1980 schaffte der Freidemokrat fünf Jahre später über die Landesreserveliste seiner Partei den Sprung in den Düsseldorfer Landtag. Als wohnungs- und städtebaupolitischer Sprecher seiner Fraktion findet er auch bei den beiden anderen Parteien Aufmerksamkeit. Die Liberalen beriefen ihn in den Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen, den Ausschuß für Grubensicherheit und in die Kommission Mensch und Technik. Als stellvertretendes Mitglied gehört er auch dem Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales an. Dem damaligen Untersuchungsausschuß Neue Heimat gab der heute 39jährige deutliche Impulse.
    Der F.D.P.-Abgeordnete hält die Wohnungsbaupolitik der Landesregierung für perspektivlos, weil "sie sich nur nach dem nächsten Wahltermin richtet". Statt dessen fordert er eine Kontinuität in der staatlichen Förderung. Bauwirtschaft und private Bauwillige brauchten verläßliche Daten über den geplanten sozialen Wohnungsbau. Nur so sei es ihnen möglich, das notwendige Kontingent an frei finanzierten Wohnungen zu ermitteln. Wenn dieses Verfahren in der Vergangenheit praktiziert worden wäre, gäbe es trotz Aussiedlerstroms nach seiner Auffassung die derzeitigen Wohnungsprobleme kaum. In einem anderen Bereich hat Hans-Joachim Kuhl bereits etwas bewegt. Nicht zuletzt auf seinen persönlichen Anstoß haben alle drei Fraktionen im Landtag die Landesregierung aufgefordert, ein eigenes Ingenieurkammer-Gesetz vorzulegen. Sein Anliegen ist es, daß dieses Gesetz noch in der laufenden Legislaturperiode verabschiedet wird. Der Liberale hält es zur Abwendung möglicher Wettbewerbsnachteile der deutschen Ingenieure im künftigen EG-Binnenmarkt für erforderlich und hofft darüber hinaus, daß sie durch diese Initiative im eigenen Land mehr selbstverantwortlich tätig werden können. Die Parlamentsarbeit macht dem F.D.P.- Abgeordneten viel Spaß, auch wenn sie ihn mehr als zunächst vermutet beansprucht. Als Landtagsabgeordneter einer kleinen Partei sei man zudem nicht nur für den eigenen Wahlkreis "zuständig", sondern von vielen Kreis- und Ortsverbänden gefragt, meint der gebürtige Niederrheiner vom Jahrgang 1949. Und wenn den Abgeordneten der Opposition auch die "großen Erfolge" versagt bleiben, den Menschen vor Ort helfen zu können, ist für ihn eine lohnende Aufgabe. Daher sucht der Freidemokrat auch intensiv die Gespräche mit den Bürgern. Bei der Landtagswahl im nächsten Jahr möchte Hans-Joachim Kuhl wieder für das Düsseldorfer Plenum kandidieren.
    Wenn nach der Politik noch Zeit für Familie und Hobby bleiben, entspannt sich der Freidemokrat bei Tennis und Büchern. Gern würde er auch wieder aktiv Handball spielen. Doch bei dieser "Absichtserklärung" dürfte es noch länger bleiben.
    Jochen Jurettko

    ID: LI891737

  • Porträt der Woche: Hans Wagner (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 16 - 10.10.1989

    Das katholisch-sozial eingestellte Elternhaus hat Hans Wagner geprägt, und es bestimmte auch wesentlich seinen bisherigen Lebensweg. Der gebürtige Oberhausener, Jahrgang 1934, engagierte sich schon früh für die Mitmenschen, ob zunächst in der katholischen Jugend, später in der CDU, ob in der katholischen Arbeiterbewegung, im Diözesanrat, in der Kommune oder in der Bewährungshilfe. Ungeachtet seiner großen Aktionsradien und der Berufung in eine Vielzahl von Ämtern, der CDU-Landtagsabgeordnete sucht das Gespräch zum einzelnen Menschen, für ihn ist "Bürgernähe" kein modisches Schlagwort und das "Zuhören" keine lästige Notwendigkeit.
    Die beruflichen Stationen: Nach Besuch der Volksschule Schlosserlehre, Gesellenprüfung, mehrjährige Tätigkeit im Beruf. Dann Besuch der Höheren Fachschule für Sozialarbeit der Diözese Essen, anschließend Bewährungshelfer im Strafvollzug. Bald nach seiner Wahl in den Landtag mußte er gemäß Landesrechtsstellungsgesetz diese Tätigkeit aufgeben. "Zu meinem großen Bedauern", wie er noch heute betont. Der CDU schloß sich Hans Wagner bereits 1956 an, später auch der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) und der Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV).
    Die Funktionen in der CDU seit seinem Eintritt aufzuzählen, würde den Rahmen dieses Porträts sprengen. Nur soviel, Hans Wagner zählt zu den führenden Repräsentanten der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) auf Bundes-, Landes- und Bezirksebene, ist Mitglied des CDU-Bezirksvorstandes Ruhrgebiet und steht seit vielen Jahren an der Spitze des Kreisverbandes der Oberhausener Union. Mit der Revierstadt fest verwurzelt, bestimmt er als Ratsvertreter und Fraktionsvorsitzender seit langem deren Entwicklung mit. Registriert sei noch, daß der aktive Katholik auch Mitglied des Diözesanrates des Bistums Essen ist.
    Bis auf eine eineinhalbjährige Unterbrechung gehört der Oberhausener seit 1970 dem nordrhein-westfälischen Landtag an. Während dieser Zeit berief ihn seine Fraktion in mehrere Ausschüsse. Heute leitet er als Vorsitzender den gewichtigen Ausschuß für Kommunalpolitik, der ihm nur noch wenig zeitlichen Spielraum für die Mitarbeit in anderen Parlamentsgremien läßt. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrungen vor Ort zählt der Christdemokrat zu den entschiedensten Befürwortern einer Änderung der Gemeindeordnung, die nach seiner Überzeugung allerdings nur im Konsens der großen Parteien vollzogen werden dürfte.
    Mit der derzeit gültigen Gemeindeordnung könnten die vielen Zukunftsaufgaben der Kommunen nicht bewältigt werden. In diesem Zusammenhang tendiert er für die Abschaffung der sogenannten "Doppelspitze " Bürgermeister/Hauptverwaltungsbeamte. Statt dessen sollte ein alleinverantwortlicher hauptamtlicher Ober- bzw. Bürgermeister an die Spitze von Rat und Verwaltung gestellt werden. Die Bürger würden heute fälschlicherweise den Bürgermeister als den "Chef" der Kommune sehen, das gesamte Verwaltungshandeln liege jedoch nach der Gemeindeordnung in der Verantwortung der Stadt- bzw. Gemeindedirektoren.
    Der Oberhausener plädiert dabei für eine Urwahl des Bürgermeisters, also dessen direkte Wahl durch die Bürger. Eine Abschaffung der Doppelgleisigkeit sei nach seiner Ansicht nur sinnvoll, wenn die dann dominierende Position des "ersten Bürgers" von der Bürgerschaft direkt legitimiert werde. Auch wären dann nicht nur die Parteien gezwungen, "nur gute Leute"bei der Kommunalwahl zu präsentieren, auch unabhängige Persönlichkeiten hätten eine Chance, Bürgermeister zu werden.
    Eine Änderung der Gemeindeordnung müsse auch bewirken, daß die Räte über langfristige Konzeptionen ihrer Kommunen diskutierten und nicht — wie heute häufig — über die "Einstellung von Reinigungskräften". Die Kommunalparlamente würden mit Papieren und Anträgen zu allgemeinen politischen Themen überfüttert. Für Hans Wagner ist die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung das wichtigste Ziel der Reform. Wie notwendig dies sei, habe jüngst das Auswahlverfahren der "ZIN"-Förderungsprojekte bestätigt, wo die kommunalen Selbstverwaltungsorgane ausgeschaltet worden seien. In diesem Zusammenhang macht sich der Oberhausener auch dafür stark, daß das Revier trotz aller parteipolitischen Unterschiede möglichst mit einer Stimme spricht. Derzeit blicke jeder Oberbürgermeister noch zu sehr auf den eigenen Kirchturm.
    An seine Landtagskollegen appelliert der Ausschußvorsitzende, bei der Verabschiedung von Gesetzen, die die Städte und Gemeinden tangieren, mehr als bisher zu prüfen, ob deren Vorschriften und Normen überhaupt erforderlich seien. Er habe oft den Eindruck, daß viele Kollegen bei der Abstimmung im Landtag gar nicht die finanziellen Folgen für die Kommunen kennen würden.
    Zum aktuellen Zustrom von Aus- und Übersiedlern meint der Christdemokrat, daß neben der öffentlichen Hilfe die Einstellung der Mitbürger gegenüber diesen Menschen noch viel wichtiger sei. "Empfangen wir sie mit offenen Herzen und begleiten wir sie auf ihren ersten Schritten in der Bundesrepublik", rät der Abgeordnete. Freizeit, Entspannung des Familienvaters mit drei Kindern? "Ich wandere gern, greife zu einem Buch — beides aber viel zu selten. " Eine häufige Antwort...
    Jochen Jurettko

    ID: LI891648

  • Porträt der Woche: Margarete Verstegen (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 15 - 19.09.1989

    Im nächsten Frühjahr verläßt Margarete Verstegen den Landtag. Aber sie sagt nicht der Politik ade. Nach dann fast 21 Jahren parlamentarischer Arbeit im Düsseldorfer Parlament wird sich die gebürtige Emmericherin als Ratsfrau in ihrer Heimatstadt nützlich machen. Von ihren Parteifreunden in der niederrheinischen Stadt sei sie gefragt worden; sie habe gerne zugesagt, für den Rat der Stadt zu kandidieren.
    Das ruhende Dienstverhältnis mit der Stadt Emmerich besteht seit dem 1. Juli dieses Jahres endgültig nicht mehr. Die Verwaltungsangestellte im städtischen Sozialamt ist künftig nur noch Politikerin. Politik begreift die 60jährige als praktisches Tun für die Menschen. Mit Leuten wie dem früheren CDU-Fraktions- und Landesvorsitzenden Professor Kurt Biedenkopf — einem theoretischen Kopf — verbindet sie wenig. Die Arbeit im Petitionsausschuß des Landtags paßt gut zu Margarete Verstegens Verständnis von Politik: Helfen, wo der Schuh drückt. Das könne man im Petitionsausschuß besser als woanders. "Hier kann ich auch als Oppositions-Politiker etwas bewegen, sonst werden die Oppositions-Anträge ja meist von der Mehrheits-Fraktion niedergestimmt."
    Auch in Emmerich ist Frau Verstegen als Helferin bekannt. So mancher junge Mann, der zur Bundeswehr muß, wendet sich an die CDU-Politikerin, weil er aus den verschiedensten Gründen möglichst ortsnah eingezogen werden möchte. Zur Bundeswehr hat Margarete Verstegen ein durch positive Erfahrung geprägtes enges Vertrauensverhältnis. In Emmerich liegt ein schweres Pionierbataillon. Die Soldaten seien wirkliche Bürger der Stadt, stünden nicht im gesellschaftlichen Abseits. Sie selbst habe vor acht Jahren die Festansprache zur 25jährigen Ortsansässigkeit der Pioniere in Emmerich gehalten. In der Offiziersheim-Gesellschaft sei sie die einzige Frau.
    Zum Thema Frauen in der Politik hat sie eine klare Meinung. Sie habe nie versucht, die Männer zu kopieren. Gut, es habe vor zwei Jahrzehnten im örtlichen Bereich mal Probleme mit "Paschas" gegeben, aber gravierend sei dies nicht gewesen. Frau Verstegen machte als Frau ihren Weg in der Politik: 1952 Junge Union, 1956 CDU, starkes Engagement bei Sozialausschüssen und Deutscher Angestellten Gewerkschaft (DAG), 1964 Mitglied des Landesvorstandes der rheinischen CDU, elf Jahre stellvertretende Vorsitzende unter Heinrich Köppler und Bernhard Worms. Für Emanzentum hat sie wenig Sinn. Bei der Landtagskommission für Frauenpolitik mache sie nicht mit, dort diskutiert man für ihren Geschmack teilweise zu extrem. Man könne nicht Politik machen nach dem Motto: Männer alle an die Seite, nur noch Frauen nach vorn.
    Kritisch setzt sich Frau Verstegen mit der F.D.P. im Landtag auseinander. Für deren Behauptung, sie sei die eigentliche Opposition, hat sie kein Verständnis: "Die machen viele Anträge, aber es fehlt mir ein bißchen das Seriöse und Kontinuierliche." Als langjähriges Landtags-Mitglied klagt die CDU-Abgeordnete auch über das kühler gewordene menschliche Klima unter den Volksvertretern. Das Verhältnis untereinander sei sowohl zum politischen Gegner als auch zum Parteifreund von Legislaturperiode zu Legislaturperiode schlechter geworden. Karrieredenken vermutet sie als Ursache. Seit die SPD 1980 die absolute Mehrheit im Düsseldorfer Parlament innehabe, seien die Beziehungen zur sozialdemokratischen Fraktion noch schlechter geworden. Frau Verstegen: "Die meinen, sie brauchten die Opposition nicht mehr, man spürt Überheblichkeit."
    Von neuen Parteien wie der Senioren- Truppe "Die Grauen" hält die 60jährige nicht viel. Sie habe Politik immer so verstanden, daß man für alle Gesellschaftsgruppen und Altersschichten da zu sein habe. Bei den GRÜNEN sind ihrer Ansicht nach nur wenige Politiker erwähnenswert: Schily, Fischer oder Frau Vollmer, weil sie zumindest Realpolitiker seien. Dagegen seien die grünen "Fundis" doch nach wie vor ein chaotischer Haufen.
    Privat führt die Politikerin vom Niederrhein — wie sie sagt — "ein offenes Haus" mit viel Besuch; vor allem mit ihrem Bruder und dessen Familie hat sie intensiven Kontakt.
    Reinhold Michels

    ID: LI891545

  • Porträt der Woche: Hubert Doppmeier (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 14 - 07.09.1989

    "Noch nie bin ich in eine Situation geraten, in der mich etwas umgeworfen hätte."Der stellvertretende Vorsitzende der CDU- Landtagsfraktion, Hubert Doppmeier, formuliert diesen Satz auf eine Art und Weise, die gar nicht erst die Vermutung aufkommen läßt, ein Mangel an Situationen könnte vielleicht die Ursache solcher Standfestigkeit sein: Nahezu unerschütterliches Selbstbewußtsein, das kaum Selbstzweifel zu kennen scheint, speist diese Art der Selbstsicherheit.
    Man glaubt Hubert Doppmeier unbesehen, wenn er ungefragt hinzufügt, er verfüge noch über "erhebliche Kraftreserven". Worauf diese zurückzuführen seien? Da wendet sich der 45jährige, Vater von drei Kindern im Alter zuwischen zwei und acht Jahren, seiner Kindheit und Jugend zu: In Langenberg (Kreis Gütersloh) geboren und aufgewachsen als Sohn eines Nebenerwerbslandwirts, der im Hauptberuf einen anderen Hof verwaltete. Mit 14 Entlassung aus der Volksschule, Ausbildung zum Holzfacharbeiter. Heute sagt er darüber: "Die neun Jahre an der Maschine in der Fabrik waren meine wichtigsten Jahre." Sein Lebensziel sah er darin allerdings nicht: Neben der Fabrikarbeit und der Mithilfe auf dem elterlichen Hof trieb er — ohne Billigung durch die Eltern — seine schulische Bildung voran: Als Externer erwarb er im Alter von 22 Jahren den Realschulabschluß, mit 24 folgte das Abitur. Nach dem Jurastudium in Münster und der Referendarzeit ließ er sich in seinem Geburtsort als Rechtsanwalt nieder; vor wenigen Wochen erhielt er — zum frühestmöglichen Zeitpunkt — auch die Bestellung zum Notar.
    Daß er diesen "dritten Bildungsweg" geschafft hat, daraus schöpfe er noch heute seine Kraft, versichert der Politiker Doppmeier. Der politische Weg führte ihn vom Vorsitzenden des RCDS in Münster und der Jungen Union in Gütersloh hin zu den Ämtern des Kreis- und des Bezirksvorsitzenden der CDU. Sein Erfolgsrezept? Vor Entscheidungen gründlich nachdenken, dann das Ziel sehr beharrlich und mit Risikobereitschaft ansteuern: "Bisher habe ich gesteckte Ziele immer erreicht."
    Die Bereitschaft zum politischen Risiko war nach Doppmeiers heutiger Darstellung auch mit im Spiele, als er vor der Europawahl Helmut Kohls politische Zukunft von der Hohe der Verluste bei dieser Wahl abhängig machte; oder als der Gütersloher CDU-Kreisverband unter seiner Führung im vergangenen Jahr damit drohte, keine Beiträge an die Bundespartei mehr abzuführen, falls private Flieger keine Steuern für ihr Flugbenzin zahlen müßten. Die "politische Prügel" habe er gut verkraften können, denn durch die eigene Existenzgrundlage sei er unabhängig von der Politik.
    Solche Art von Unabhängigkeit wird im Kreis Gütersloh honoriert: Der CDU-Kreisvorstand nominierte Hubert Doppmeier für den dortigen Bundestagswahlkreis, der als sicher für die CDU gilt: den Landtag wird er also im nächsten Jahr verlassen.
    Nach neun Jahren im Landesparlament und kurz vor dem "Sprung" nach Bonn unterschätzt Doppmeier nicht den Wert der Landespolitik: In Bonn würden die Grundentscheidungen getroffen, ihre Ausformungen aber, die die Bürger unmittelbar beträfen, würden in den Ländern gestaltet, etwa beim Fernstraßenbau, bei der Wohnungsbauförderung oder in der Sozialpolitik. Dennoch befinde sich der nordrhein-westfälische Landtag — da ist er sich ganz sicher — noch in einer "vorparlamentarischen Phase". Das Parlament stehe einer "aufgeblähten und übermächtigen Exekutive" gegenüber, deren Stellenpläne "völlig unbegründet" seien. Den Abgeordneten mangele es an "Zuarbeitung". Es sei doch ein Witz, wenn er als wohnungspolitischer Sprecher seiner Fraktion mit einem " Viertel-Referenten" ein ganzes Ministerium kontrollieren solle. Deshalb seien eine qualifizierte Gesetzgebungsarbeit und eine echte Haushaltspolitik des Parlaments "nicht möglich". Der Haushalt sei zu einem "Selbstbedienungsladen" für hohe Ministerialbeamte geworden. Sofort spürt er die Gefahr eines Mißverständnisses: Er meine natürlich nicht für die eigene Tasche, sondern für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich. An den Etatvorschlägen dieser Beamten würden vom Parlament allenfalls noch "Marginalien" geändert.
    Als Abgeordneter im Bundestag werde er zumindest mehr Mitarbeiter haben, hat Doppmeier inzwischen erfahren. Ob dort aber die Arbeitsmöglichkeiten besser sein werden, darüber will er sich heute noch nicht äußern.
    Ludger Audick

    ID: LI891442

  • Porträt der Woche: Karlheinz Bräuer (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 13 - 29.08.1989

    Hart in der Sache, aber konziliant im Ton, das ist Karlheinz Bräuer. Diese Haltung kennzeichnet den Sozialdemokraten sowohl bei Tarifverhandlungen wie auch in der Parteiarbeit. Sie hat dem Gewerkschafter der IG-Metall bei den Arbeitgebern den Ruf eines zwar unbequemen, aber fairen Gesprächspartners eingebracht. Die Parteifreunde loben seine Zähigkeit, seine Geduld und seine stete Präsenz; die Fraktion schätzt Bräuers soziales Engagement und seine enormen Fachkenntnisse auf diesem Gebiet.
    Im nordrhein-westfälischen Landtag gehört Karlheinz Bräuer eher zu den stillen Arbeitern, die selten im Plenum das Wort ergreifen. Doch hinter den Kulissen ist sein Einfluß unübersehbar. Als Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales weiß der SPD- Mann aus Lohmar sehr genau, wo die Gewichtung der Sozialpolitik in den kommenden Jahren liegen muß, wenn das Land in diesem Bereich erfolgreich sein will.
    Dazu gehört beispielsweise die sach- und fachgerechte Fortschreibung des Krankenhausbedarfsplanes. Der SPD-Politiker: "Darüber wird es ein heftiges Ringen und brisante Auseinandersetzungen geben. Es wird darauf ankommen, daß wir in Nordrhein-Westfalen ein bedarfsgerechtes Netz von Krankenhäusern erhalten." Nachhaltig warnt der Sozialpolitiker davor, sich einfach mit prozentualen Streichungen zufriedenzugeben. Vielmehr dürften erst nach gründlicher Analyse der jeweiligen Versorgungsgebiete Streichungen beschlossen werden. In diesem Zusammenhang erinnert Bräuer: "Einer der schmerzlichsten Punkte meiner Tätigkeit als Landtagsabgeordneter war die Tatsache, daß die Schließung des Krankenhauses in Worringen nicht zu verhindern war. Nachdem in Dormagen ein ganz modernes Krankenhaus in Betrieb genommen worden ist, gab es keine andere Lösung. Eis war trotzdem ein schwerwiegender Einschnitt." Immer müßten Sozialpolitiker das Ziel im Auge behalten, daß die flächendeckende Grundversorgung und eine ausreichende Spezialversorgung der Bevölkerung mit Krankenhausbetten gewährleistet sei.
    Im Augenblick bereiten dem Ausschußvorsitzenden vor allem die AIDS-Problematik, die Bekämpfung des Drogenmißbrauchs und die Rauschgiftkriminalität besondere Sorgen. "Hier muß noch viel getan werden", meint Bräuer und fügt sogleich hinzu, daß auch die Aussiedlerfrage und das Thema Asylanten auf seiner täglichen Tagesordnung stehen.
    In den letzten Jahren hat sich der Sozialpolitiker ganz auf die Arbeit des Ausschusses konzentriert, ansonsten verzettelt man sich und damit wäre dann niemandem gedient", erklärt er seine Selbstbeschränkung.
    Als Karlheinz Bräuer 1975 zum ersten Mal in den NRW-Landtag gewählt wurde, arbeitete er zusätzlich noch im Verkehrsausschuß mit. Zu einem Gutteil ist es seinem Engagement zu verdanken, daß der Verkehrsverbund Rhein/Sieg und die erste S-Bahn-Strecke im Kölner Norden geschaffen wurden. Nach seiner Wiederwahl 1980 setzte sich der SPD-Abgeordnete entschieden für die Neuordnung der Arbeitsgerichtsbarkeit in NRW ein.
    Bei allen seinen politischen Aktivitäten ist Bräuer immer ein Streiter für die Interessen der Arbeitnehmer gewesen, und das, obwohl es dem Mann mit dem sensiblen sozialen Engagement keineswegs an der Wiege gesungen worden ist, daß er einmal Gewerkschaftsfunktionär würde. Der heute 65jährige kommt aus einer durch und durch gutbürgerlichen Kaufmannsfamilie aus Breslau, wo er am 20. Oktober 1924 geboren wurde. Doch die Geschichte ließ dem Schlesier keine Zeit für bürgerliche Idylle. Die jüdische Großmutter litt im KZ in Theresienstadt, und er selber wurde "mit dem Kriegsabitur aus der Oberrealschule herausgeholt", genau an seinem 18. Geburtstag zur Wehrmacht eingezogen und nach Rußland an die Ostfront abkommandiert. Während der sowjetischen Kriegsgefangenschaft verlor er wegen der grausigen Kälte vier Finger seiner rechten Hand.
    1947 wurde er freigelassen und kam zunächst zur Rehabilitation nach Marburg. In einer nordhessischen Textilfabrik fand Bräuer dann als Pförtner Arbeit, brachte es schnell zum Werkmeister, wurde Betriebsratsvorsitzender und kam so 1949 zum DGB. Als Gewerkschaftsstipendiat besuchte er von 1953 bis 1955 die Akademie für Wirtschaft und Politik in Hamburg, wo er seinen graduierten Betriebswirt machte. Im gleichen Jahr trat er in die SPD ein.
    Danach war er erst einmal arbeitslos, da sein alter Betrieb ihm eine Stellung im unteren Management anbot, die mit aktiver Gewerkschaftstätigkeit unvereinbar war. Bräuer verzichtete. Als die IG Metall dann in Köln einen Fachsekretär suchte, meldete er sich und wurde genommen. 1956 siedelte der SPD- Mann in die Domstadt über, wo er bis zu seiner Pensionierung im letzten Jahr zunächst als Bezirkssekretär, dann ab 1967 als Bezirksleiter beruflich tätig war. 1968 wurde er in den DGB- Landesbezirksvorstand NRW gewählt. In der Parteiarbeit konzentrierte er sich von Anfang an auf die Arbeitsgemeinschaft für Betriebsgruppen und Gewerkschaftsarbeit, der späteren Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA), deren Chef er bereits 1956 im Mittelrhein wurde. 1977 zog er in den Landesvorstand ein, seit 1983 ist er Landesvorsitzender. Jetzt wollte er jedoch für dieses Amt nicht wieder kandidieren. Bräuers Begründung: "Auf diesen Posten gehört ein Berufstätiger."
    So allmählich zieht sich Karlheinz Bräuer, den seine Frau und seine zwei Kinder über lange Jahre nur morgens früh oder abends spät zu sehen bekamen, ins Privatleben zurück, auch wenn auf den Vollblutpolitiker noch immer genügend Aufgaben warten. Immerhin wird er sich vom kommenden Sommer an endlich einmal etwas mehr um den Garten kümmern können. Auch sein Hobby, das Reisen mit dem Wohnmobil und der Videokamera, kann er bald ausgiebiger pflegen. All das wird ihm den Abschied vom aktiven Abgeordnetendasein erleichtern... und dann ist da auch noch Mäxchen, der Kater, der sich über mehr Aufmerksamkeit freut.
    Gerlind Schaidt

    ID: LI891343

  • Porträt der Woche: Antonius Rüsenberg (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 12 - 22.08.1989

    Wenn es um die vielfältigen Probleme der Familie im nordrhein-westfälischen Landesparlament oder anderswo im Land geht, wenn über die Nöte der Jugend gesprochen oder um den Schutz des ungeborenen Lebens gerungen wird — der CDU-Landtagsabgeordnete Antonius Rüsenberg meldet sich mit viel persönlichem Engagement zu Wort. Für den 46jährigen Ostwestfalen aus Steinheim im Kreis Höxter, der bis zu seiner Wahl in den Landtag 1980 als Sozialarbeiter tätig gewesen war, sind dabei Standfestigkeit und Toleranz keine Gegensätze — dem Zeitgeist nachlaufen", das jedoch will er nicht.
    Die starke Verwurzelung mit Elternhaus, ländlich orientierter Kleinstadt und den sozialen Komponenten in Kirche und Gesellschaft prägen auch heute noch den Sohn einer Handwerkerfamilie. Nach Besuch der Volksschule und anschließender Lehre übte er zehn Jahre lang den Beruf eines Landmaschinen-Mechanikers aus. Später entschloß er sich, die Höhere Fachschule für Sozialarbeit in Köln zu besuchen. Nach deren Abschluß war er als Sozialarbeiter beim Kreisjugendamt Höxter tätig. Schon viel früher hatte sich Antonius Rüsenberg in der katholischen Jugendarbeit engagiert. Die aktive Mitgliedschaft in Kolpingfamilie und Katholischer Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) beeinflußten ebenfalls seine späteren politischen Aktivitäten.
    Schon früh, mit 18 Jahren, trat der Ostwestfale in die CDU ein, wo er seitdem in eine Reihe von Parteigremien berufen wurde. Seit 1973 Vorsitzender des Kreisverbandes Höxter, gehörte er längere Zeit auch dem Landesvorstand der CDU Westfalen-Lippe an, und seit der Fusion mit der rheinischen Union ist er im Führungsgremium der Landespartei. Dort leitet er den Fachausschuß Jugend und Familie. Bereits zum zweiten Mal wurde der Christdemokrat im Wahlkreis 116 Höxter direkt in den Landtag gewählt. Die Landtagsfraktion berief ihn in den Vorstand und zu ihrem jugend- und familienpolitischen Sprecher.
    In dieser Eigenschaft hat der praktizierende Katholik die Positionen von Partei und Fraktion zur Familienpolitik wie zum Schutz des ungeborenen Lebens formuliert und mit persönlichem Engagement im Landesparlament wie in der Öffentlichkeit vertreten. Vehement fordert der Christdemokrat von der SPD-geführten Landesregierung die Einführung eines Landeserziehungsgeldes als Ergänzung zur Bundesregelung und plädiert für die Gründung einer Landesstiftung "Mutter und Kind".
    Von Bonn erwartet er die Verabschiedung eines Bundesberatungsgesetzes noch in dieser Legislaturperiode. Die Union könne nach seiner Ansicht nicht um der F.D.P. wegen auf ihre Identität als christliche Partei verzichten. Die Beratung müsse den Schutz des ungeborenen Lebens dienen und der Sorge der Mütter. Sie solle daher auch insbesondere über solche Hilfen informieren, die die Fortsetzung der Schwangerschaft erleichterten. Gleichzeitig tritt er dafür ein, daß eine Indikationsstellung erst nach der Beratung erfolgen dürfe. Und wer diese Beratung durchgeführt habe, dürfe nicht die Indikationsstellung vornehmen.
    In seinem Wahlkreis sucht Antonius Rüsenberg das Gespräch mit möglichst vielen Bürgern, und er kümmert sich um deren persönliche Probleme. Denn, "was aus Düsseldorfer Sicht vielleicht ein Staubkorn im Getriebe der Landespolitik ist", sei für den betroffenen Menschen das für ihn im Augenblick unüberwindbare Problem.
    Eine solche Einstellung könnte nach seiner Meinung auch das oft gestörte Verhältnis zwischen Bürgern und Politikern verbessern. In diesem Zusammenhang meint der CDU-Abgeordnete, daß jeder Politiker eine klare und für den Bürger verläßliche Grundhaltung haben und trotzdem offen für die Ansicht des Andersdenkenden sein müßte.
    Trotz seines landesweiten Aktionsradius' und der Anerkennung seiner Parteifreunde zwischen Rhein und Weser, am wohlsten fühlt sich Antonius Rüsenberg daheim in Steinheim. Und wen wundert es da, daß die Mitbürger ihn auch schon zum Schützenkönig und Karnevalsprinzen proklamiert haben.
    Jochen Jurettko

    ID: LI891256

  • Porträt der Woche: Ruth Witteler-Koch (F.D.P.)
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 11 - 15.06.1989

    Immer, wenn im Landtag Kulturpolitisches debattiert wird, ist Ruth Witteler-Koch zur Stelle. Die 42jährige Liberale hat sich mit viel Engagement in dieses Thema eingearbeitet. Jüngster Beleg ihres Einsatzes ist eine große Anfrage zur Situation der Theater in Nordrhein-Westfalen.
    Auf 14 Seiten hat die F.D.P.-Frau einen Mammutkatalog zusammengestellt, in dem sie von der Landesregierung umfassend Auskunft verlangt. "Mir geht es um eine wirkliche Bestandsaufnahme. Es gibt zwar in Einzelbereichen Analysen, aber keine Gesamtschau", erklärt die Politikerin und fügt hinzu: "Beispielsweise fehlt der Themenkreis Theaterpädagogik vollständig, und es gibt nichts Konkretes über Kinder- und Jugendtheater." Auch Sondergebiete wie die Frage nach Abonnements und Zuschauerstrukturen oder das Verhältnis zwischen technischem Personal und Künstlern müsse einmal grundsätzlich durchleuchtet und daraus die notwendigen Schlüsse gezogen werden, meint die F.D.P. -Politikerin.
    Bei einer der letzten Kulturdebatten fühlte sich Ministerpräsident Johannes Rau von der Liberalen direkt angesprochen und gab Ruth Witteler-Koch auch Recht, als sie für ihre Fraktion einen Antrag auf Gründung einer "Kulturstiftung Nordrhein-Westfalen" begründete. Die Politikerin machte klar, daß die 1986 in Gang gebrachte Stiftung "Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege" nicht so funktioniere wie erhofft, weil zuviele unterschiedliche Bereiche unter einem Dach vereint worden seien. Deshalb müsse jetzt eine separate Kulturstiftung NRW geschaffen werden, in der es allein um Kunst und Kunstförderung gehe. Als Pragmatikerin hatte sie auch gleich einen Finanzierungsvorschlag parat: "Das Startkapital für diese Stiftung muß aus dem Landesvermögen kommen. Zuwendungen könnte es aus dem Bereich Lotto oder Totto, aber auch aus allgemeinen Haushaltsmitteln geben." Bei klarer Zielsetzung würden sich auch Mäzene finden, die zur weiteren Finanzierung bereit wären.
    Neben dem Schwerpunkt Kulturpolitik beschäftigt sich die Liberale auch mit der Fremdenverkehrspolitik, die ihrer Ansicht nach für Nordrhein-Westfalen immer mehr an Bedeutung gewinnt. "Hier muß genau nachgedacht werden, wie die Landesmittel optimal eingesetzt werden und die Fremdenverkehrsverbände zu einer für alle gewinnversprechenden Zusammenarbeit kommen können."
    Bei allem Engagement für Sachfragen ist Ruth Witteler-Koch festverwurzelt in der Frauenpolitik. 1980 wurde sie stellvertretende, 1983 Vorsitzende des Landesfrauenausschusses und seit 1982 ist sie Mitglied der Bundeskommission Gleichberechtigung und Familienpolitik. Seit 1983 leitet sie die Arbeitsgruppe Frauen in NRW. "Mit Vehemenz werde ich gegen das Frauenförderungsgesetz, wie es die SPD will, kämpfen", erklärt die Liberale und fügt hinzu, "zwar wäre es wahnsinnig leicht zu sagen, ich lehne mich zurück und bin für die Quote, aber das würde die Probleme nur vordergründig lösen", weiß die F.D.P.-Frau, die übrigens auch stellvertretende Fraktionsvorsitzende in der 14köpfigen F.D.P.-Abgeordnetenschar ist. Sie meint: "Man kann die Gleichberechtigung nicht per Gesetz einführen". Vielmehr müsse echte Pionierarbeit geleistet werden und zwar von den Frauen, die bereits erfolgreich im Berufsleben stehen.
    Damit ist man bei Ruth Witteler-Koch wieder an der richtigen Adresse. Sie wurde am 24. Mai 1947 in Iserlohn geboren. Der Vater war Elektromeister, das Elternhaus nicht besonders politisch ausgerichtet. "Mein Großvater war für die CDU im Stadtrat. Die ganze Familie war sehr konservativ und ich wurde streng erzogen", erinnert sie sich lachend und fügt hinzu: " Vielleicht rührte daher auch mein späterer Freiheitsdrang." Bei frühestmöglicher Gelegenheit hat sich die heutige Landtagsabgeordnete von zu Hause freigeschwommen.
    Nach der mittleren Reife hat sie die höhere Handelsschule und mehrere Sprachenschulen besucht und ist dann in die Wirtschaft gegangen. Sie hat als Auslandskorrespondentin gearbeitet, wurde bei einem großen Unternehmen PR-Assistentin und Pressereferentin. Seit 1982 arbeitet die F.D.P.-Politikerin als freie Journalistin und PR-Beraterin. Mitglied der F.D.P. ist Ruth Witteler-Koch seit 1975. "Es war ein konsequenter Schritt in meiner beruflichen und privaten Entwicklung", bilanziert die Liberale. Da alleinstehende politisch-motivierte Frauen bei den Blaugelben damals nicht eben häufig anzutreffen waren, wurde sie gleich zur aktiven Mitarbeit aufgefordert. 1976 wurde sie Bürgerschaftsvertreterin in ihrer neuen Heimatstadt Mönchengladbach und zog 1979 in den Rat der Stadt ein, wo sie vier Jahre später zur stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden aufstieg.
    1980 versuchte sie erstmals den Sprung ins Landesparlament, doch die F.D.P. scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde. Fünf Jahre später war es dann geschafft. Die Liberale zog ins Landesparlament. Die Arbeit macht der F.D.P.-Frau nach ersten Einarbeitungsschwierigkeiten soviel Spaß, daß sie 1990 wieder kandidieren möchte. "Das ist ganz klar, ich will weitermachen", sagt sie entschieden. "Ich habe mich jetzt so in die Kulturszene eingearbeitet, daß ich weiß, wovon ich spreche. Die Kulturpolitik ist eine ureigene Aufgabe des Landes und für mich ein liebgewordenens Thema, das ich nicht mehr missen möchte". Zwar wird durch ihre intensive politische Arbeit die Zeit für die Privatsphäre etwas eng, aber ihr Mann, ein Anwalt, den Ruth Witteler-Koch übrigens bei einer Parteiveranstaltung kennenlernte, hat Verständnis für das Engagement seiner Frau. Umgekehrt sagt die Politikerin: "Mein Mann und meine beiden Töchter stehen an allererster Stelle." Wenn nach Politik und Haushalt noch ein wenig Zeit für Hobbys bleibt, dann entspannt die FDP.-Frau bei Tennis oder Lesen, am liebsten aber beim Nähen. "Ich habe eine Vorliebe für schöne Stoffe. Daraus nähe ich Tischtücher, Taschentücher oder Dinge für die Kinder." Gerade ist sie dabei, ihr ganzes Heim mit neuen Vorhängen auszustaffieren.
    Gerlind Schaidt

    ID: LI891148

  • Porträt der Woche: Dr. Dieter Haak (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 10 - 06.06.1989

    Eine "Dame", erzählt Dieter Haak, habe ihn in Hagen "bedrängt". Es sei eine junge Lehrerin gewesen. Aber so weit ist es in der nordrhein-westfälischen SPD trotz aller Appelle und Bittbriefe des Landesvorsitzenden Johannes Rau noch nicht gekommen, daß irgendeine "Dame" einen ehemaligen parlamentarischen Geschäftsführer der Landtagsfraktion, einen ehemaligen Fraktionsvorsitzenden, einen Minister für Bundesangelegenheiten und Justizminister so einfach aus einem sicheren SPD-Landtagswahlkreis kegelt. Mit 111 gegen 48 Stimmen behauptete sich Dieter Haak im Hagener Wahlkreis 120 gegen die ihn bedrängende Genossin. Und deshalb kann es jetzt schon als sicher gelten, daß der umtriebige Rechtsanwalt bis 1995 auch noch Abgeordneter im Düsseldorfer Landtag sein wird. Schließlich hatte Haak diesen Wahlkreis 1985 mit satten 54,1 Prozent gewonnen. Daß ihn, den nach eigenen Schätzungen zwischen 15000 und 20000 Frauen und Männer in Hagen einfach "Dieter" nennen, die Wähler in einem Jahr durchfallen lassen könnten, kann sich Haak nicht einmal im Traum vorstellen. Schließlich habe er sich, und er lächelt dabei recht zufrieden, "nach besten Kräften bemüht", ein guter Abgeordneter zu sein. Daß er einer Frau den Weg ins Düsseldorfer Parlament verlegte, will Dieter Haak nicht als prinzipielle Gegnerschaft zu politischen Frauen verstanden wissen.
    Schließlich soll nach dem Willen der Hagener SPD — und da habe er ja wohl ein Wörtchen mitzureden — eine Frau nach Kommunalwahl im Oktober Oberbürgermeisterin werden. Sein Sieg über die junge Lehrerin stehe auf einem ganz anderen Blatt. Es komme eben immer "auf den Einzelfall" an. Jeder Wahlkreis sei ein Wahlkreis für sich und eine Quotenregelung könne es da nun einmal nicht geben. Bedauern ist aus dieser Feststellung des alten und neuen Hagener Abgeordneten nicht herauszuhören.
    Warum ein Mann, schon jenseits der 50, der Vorsitzender der Mehrheitsfraktion, der Minister war, der jetzt eine "sehr gut gehende" Rechtsanwaltskanzlei betreibt, sich danach drängte, darum kämpfte, noch einmal fünf Jahre lang einfacher Abgeordneter im Düsseldorfer Landtag zu werden? Haak verkneift sich den bequemen Ausweg in eine Phraseologie so nach der Melodie: "Dem Volke dienen, die Partei ruft, die Sache ist so wichtig, ohne mich läuft nichts" oder was es sonst noch für Ausreden gibt, mit denen die Politiker ihren Ehrgeiz zu bemänteln versuchen. Der ehemalige Justizminister, der 1985 seinen Hut nehmen mußte, weil er wegen seiner Zugehörigkeit zu einer ins Zwielicht geratenen Anwaltskanzlei zu einer Belastung der Regierung Rau zu werden drohte, ist da ganz ehrlich: Noch komme er einfach aus seinem "Lebensrhythmus" nicht heraus, er brauche einfach noch die 60- bis 80-Stunden-Woche als Anwalt und Abgeordneter, bekennt Dieter Haak freimütig.
    Einen Teil dieser Stunden arbeitet Dieter Haak heute in seinem kleinen, schmucklosen Büro im fünften Stock des neuen Landtags am Ende eines langen Flurs, weitab von jenem Teil des Gebäudes, in dem die starken Leute der SPD-Fraktion bestimmen, wo es langgeht in der Landespolitik. Ob ihn der Sturz aus dem Ministeramt, der verlorene Einfluß heute noch schmerzen? Der Hagener Angeordnete weist diese Vermutung zurück. Sicher, damals habe er keinen Grund gehabt, fröhlich über seinen Abschied aus dem Justizministerium zu sein. Haak: "Es gab da plötzlich einen Stillstand im Leben. Ich habe über vieles nachgedacht". Über was er nachgedacht hat, will Haak nicht in der Öffentlichkeit breittreten. Nur das Ergebnis gibt erpreis: "Es war ein Stück Befreiung. Ich entdeckte, daß es noch viele andere positive Dinge außerhalb der hauptamtlichen Politik gibt". Tatsächlich gehört der Mann aus Hagen nicht zu jenem Typ Abgeordneter, der unter einer Last vermeintlicher Verantwortung niedergedrückt oder zu stolzer Größe aufgerichtet durch den Landtag hetzt. Haak hält es da mehr mit der Ruhe und dem gemütlichen Plausch am Rande. Das liegt sicher auch daran, daß er diese zehnte Wahlperiode des Düsseldorfer Landtags für "die langweiligste" betrachtet — zumindest seit er dem Parlament angehört, und das sind nun fast 20 Jahre. Der beruhigenden absoluten Mehrheit der SPD-Fraktion gibt Haak — selbstverständlich — nicht die Schuld an dieser Langeweile. Schuld habe daran die CDU, die so passiv"sei. Etwas wehmütig erinnert sich der ehemalige SPD-Fraktionsvorsitzender jener Zeiten, da die sozialliberale Koalition mit einer hauchdünnen Mehrheit reagierte, als der verstorbene Heinrich Köppler "uns in Spannung gehalten hat". Damals sei noch jeder Abgeordnete eine wichtige Größe im Meinungskampf der Fraktionen gewesen, erinnert sich Haak. Und man hört ihm unschwer an, daß er diesen Zeiten nachtrauert.
    Reinhard Voss

    ID: LI891039

  • Porträt der Woche: Hanns Backes (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 9 - 09.05.1989

    Mit seinen beiden Söhnen macht er einmal im Jahr eine Segeltour — die letzte führte an die Costa Brava, mit einer Schulklasse fährt er jeden Winter in eine Ski-Gegend, und im Sommer unternimmt er eine respektable Rad-Wanderung, im vergangenen Jahr von München nach Wien. Und Spaziergänger können ihn oft noch spät abends durch das Nettetal radeln sehen. Hanns Backes, Landrat, Landtagsabgeordneter und Realschuldirektor a. D., will sich durch diese vielseitigen sportlichen Aktivitäten nicht nur fit halten, sie bieten dem heute 64jährigen Christdemokraten willkommene Entspannung und machen vor allem viel Spaß.
    Die Grundstimmung des gebürtigen Kaldenkircheners ist Optimismus, und diese Eigenschaft verhalf ihm sicherlich auch über manche Klippen seines wechselvollen Lebensweges. So wurde er als Siebzehnjähriger 1942 zur Marine verpflichtet und war bis Kriegsende Soldat. Nach dem Abitur ließ sich der Niederrheiner in sechs Wochen als "Schulhelfer" ausbilden und unterrichtete anschließend ein Jahr lang an einer Volksschule. Es folgten Lehrerstudium und Examen. Bereits als 38jähriger avancierte der Pädagoge in Kaldenkirchen zum Realschuldirektor — er war damals einer der jüngsten in Nordrhein-Westfalen. Fast zwanzig Jahre leitete dann Hanns Backes diese Schule und führte sie von ihrer Einzügigkeit zur Vierzügigkeit.
    Als Angehöriger eines vom Krieg besonders betroffenen Jahrgangs fühlte er sich verpflichtet mitzuhelfen am Ausbau eines demokratischen Staates; er trat bereits 1949 in die CDU ein. Schon drei Jahre später ließ er sich als damals 27jähriger in den Kaldenkirchener Stadtrat wählen — wegen der katastrophalen Schulverhältnisse. "Die Stadtväter versprachen, sie zu ändern, aber es geschah nichts, so wollte ich das selbst in die Hand nehmen", erinnert sich der Christdemokrat heute. In der Zeit von 1956 bis 1970 war er Vorsitzender der CDU-Fraktion, dann kam die Kommunalreform und Kaldenkirchen wurde nach Nettetal eingegliedert. Seit 1970 gehört Hanns Backes dem Parlament des Kreises Kempen und nach dessen Auflösung dem Viersener Kreistag an.
    Bereits seit 1975 Landrat des 260000 Einwohner zählenden Kreises, profitierte diese niederrheinische Region erheblich von Backes' Engagement und Ideen. So bündelte er als Aufsichtsratsvorsitzender der Wirtschaftsförderungsgesellschaft erfolgreich die Aktivitäten der Gemeinden in diesem Bereich. Das Ergebnis: Allein zwanzig japanische Firmen etablierten sich bislang im Kreis. Und auf Initiative von Hanns Backes soll ein "Berufliches Weiterbildungswerk" in Zusammenarbeit zwischen Berufsschule, Berufsorganisationen und Firmen jungen Arbeitnehmern angesichts fortschreitender Technik eine Reihe von Nachqualifikationen bieten. Manche Sorgen der Bevölkerung lernt der passionierte Radler kennen, wenn er mit den Bürgern auf dem Stahlroß unter dem Motto "Fahr Rad mit dem Landrat" unterwegs ist. "Wenn man seine Aufgabe als Landrat ernst nimmt, bringt sie einem sehr, sehr viel Arbeit", stellt Hanns Backes fest. Und er nimmt sie ernst.
    Dem Landtag gehört der Christdemokrat seit 1980 an, bislang zweimal holte er für seine Partei im Wahlkreis 57, Viersen II, dort die Mehrheit. Als stellvertretender Vorsitzender des Sportausschusses hebt er die "sachliche Arbeit" in diesem Parlamentsgremium hervor. Der "gemeinsame Nenner" sei dort viel häufiger als anderswo. Insbesondere setzt er sich in diesem Ausschuß für die Sanierung bestehender Sportstätten ein, da man schon aus finanziellen Gründen alte Anlagen möglichst erhalten sollte. Auch im Kommunalpolitischen Ausschuß, dem er angehört, gibt es nach seinen Feststellungen viele Gemeinsamkeiten unter den Fraktionen, die Stärkung der Selbstverwaltung der Gemeinden beispielsweise.
    Der niederrheinische Christdemokrat ist kein Theoretiker, sondern im wahrsten Sinne des Wortes ein Mann der Praxis. Und er ist vor allem kein Ideologe. Mit seinem ausgleichenden Wesen hat er auch Sympathien bei politischen Kontrahenten gewonnen.
    Jochen Jurettko

    ID: LI890937

  • Porträt der Woche: Johannes Wilde (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 8 - 03.05.1989

    Die Sorge um die Wahrung und Stärkung eines vielfältigen und eigenständigen Lebens in den städtischen, dörflichen und kirchlichen Gemeinschaften ist für Johannes Wilde (CDU), Landtagsabgeordneter aus Alfter-Impekoven im Rhein- Sieg-Kreis, Grundlage und Ausgangspunkt seines politischen Handelns.
    Seit 1972 gehört Johannes Wilde dem nordrhein-westfälischen Landtag an. Mit 36 Jahren war er von den damals 200 Abgeordneten nicht nur einer der jüngsten, sondern er brachte schon als Vorsitzender der Katholischen Landvolkbewegung in Nordrhein-Westfalen, aber auch als Vorsitzender der Bundesbeamtensparte der Diplomlandwirte ehrenamtliche Erfahrung mit. Sein Eintreten für die eigenverantwortliche und unmittelbare Gestaltung der vom Bürger gewählten Stadt- und Gemeinderäte haben ihn zu einem zuverlässigen und engagierten Partner seiner sechs Wahlkreisgemeinden Alfter, Bornheim, Mekkenheim, Rheinbach, Swisttal und Wachtberg werden lassen. Stets ist Johannes Wilde am Ort des Geschehens zu finden, und in enger Zusammenarbeit mit den Stadt- und Gemeindedirektoren versucht er den betroffenen Bürgern schnell zu helfen. Seine fachliche Qualifikation, Leistungsfähigkeit und sein Einsatz für die Bürger seines Wahlkreises, immer freundlich, froh und zielbewußt, zur rechten Zeit ein ehrliches und aufmunterndes Wort haben Johannes Wilde Anerkennung und Sympathie eingebracht. Die Bürgerinnen und Bürger des Rhein-Sieg-Wahlkreises haben ihn 1975, 1980 und 1985 direkt in den Landtag von Nordrhein-Westfalen gewählt. Für die rheinische CDU erzielte Wilde stets das viertbeste Ergebnis von allen 85 Wahlkreisen im Rheinland. Selbst Landtagspräsident Josef Denzer kam zum 50. Geburtstag von Johannes Wilde in das Rathaus seiner Heimatgemeinde und überreichte ihm das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.
    Zählt man die vielen täglichen Wünsche und die Anforderungen an den Abgeordneten Wilde zusammen, so kommt ein umfangreicher und vielfältiger Aufgabenkatalog zustande. Zu den wichtigsten Aufgaben gehören demnach die wirtschaftliche und kulturelle Förderung und Entwicklung der Städte und Gemeinden, die Verbesserung der Verkehrssicherheit, der notwendige Neu- und Ausbau von Straßen, die Ausstattung der Gemeinden mit den erforderlichen Landesfinanzen, der Schutz von Natur und Landschaft, die Sorge um die Existenzsicherung landwirtschaftlicher, mittelständischer und industrieller Betriebe sowie die Sicherung des gegliederten Schulsystems mit Gymnasium, Real- und Hauptschule.
    Seine Mitgliedschaften im Ausschuß für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz, im Innen-, Haupt-, Verkehrs- und Rechnungsprüfungsausschuß haben mit dazu beigetragen, daß der Landtagsabgeordnete Johannes Wilde im Düsseldorfer Landesparlament zu jenen Politikern zu zählen ist, die sich stets um einen vernünftigen und realistischen Ausgleich zwischen den Gesamtinteressen des Landes Nordrhein-Westfalen und den Erfordernissen der Menschen in seinem Wahlkreis bemühen. Belegt wird dies durch eine Vielzahl verwirklichter Maßnahmen zum Nutzen zahlreicher Bürger sowie durch entsprechende mündliche und schriftliche Anfragen, Reden im Plenum und in den Ausschüssen des nordrhein-westfälischen Landtags. Mit seinem anerkannten Fachwissen, seiner praktischen Erfahrung zunächst als Diplomlandwirt bei der Landwirtschaftskammer Rheinland, später als Ministerialrat im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat Johannes Wilde an der inhaltlichen Gestaltung des Landschafts-, des Landesforst-, des Landesfischerei- und des Landeswassergesetzes mitgewirkt und so die Landwirtschaft-, die Umwelt- und die Wasserwirtschaftspolitik für das Land Nordrhein- Westfalen mitgeprägt.
    Eberhard Gottwald

    ID: LI890822

  • Porträt der Woche: Hermann Jansen (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 7 - 18.04.1989

    Die Verwandten seines Vaters kämpften gegen die Franzosen — er war in Mönchengladbach geboren, die Angehörigen seiner Mutter zogen gegen die Deutschen ins Feld — sie war im Elsaß zur Welt gekommen. Und sein Bruder fiel vor Stalingrad. Schlüsselerlebnisse des heute 57jährigen Hermann Jansen, des SPD- Landtagsabgeordneten aus Rheydt. Sie führten dazu, daß der Niederrheiner schon in jungen Jahren zu einem entschiedenen Gegner der damals umstrittenen Wiederbewaffnung wurde, sich später in der Friedensbewegung und der Initiative "Kampf gegen den Atomtod" engagierte und auch an mehreren Ostermärschen teilnahm.
    Der gelernte Maler und Anstreicher trat auch schon früh in die Gewerkschaft ein, die IG Metall, wurde dann 1971 Betriebsratsvorsitzender eines Unternehmens der Textilmaschinenbranche und vertrat in dieser Eigenschaft fast 13 Jahre lang die Interessen der dort Beschäftigten. Gleichzeitig gehörte Hermann Jansen dem Vertrauensleute-Ausschuß im Bundesvorstand der Gewerkschaft an. 1983 berief man ihn zum Gewerkschaftssekretär der IG Metall in Mönchengladbach.
    Der Eintritt in die SPD 1963 begründete er mit der Notwendigkeit, daß möglichst viele Bürger über die Parteien an der Gestaltung des Staates mit teilnehmen sollten. Als aktiver Gewerkschaftler schloß sich der Niederrheiner dann der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AFA) der Partei an, und er ist heute im Landeswie Bezirksvorstand tätig. Zum Aktionsfeld des stellvertretenden SPD-Unterbezirksvorsitzenden zählen auch die Arbeiterwohlfahrt und die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK), wo er Vorsitzender der Vertreterversammlung ist.
    Seinem Anliegen, "Politik für die Menschen" zu machen und dabei jede Kritik ernst zu nehmen ("Große Reden interessieren mich nicht"), blieb der Sozialdemokrat auch als Mitglied des Mönchengladbacher Stadtrates von 1969 bis 1984 treu. Bei der kommenden Kommunalwahl im Herbst will er wieder für das Stadtparlament kandidieren, weil er während seiner Tätigkeit im Düsseldorfer Landtag festgestellt hat, daß Landes- und Kommunalpolitik sich gegenseitig ergänzen.
    Als ihn Freunde vor der letzten Landtagswahl 1985 dazu ermunterten, für den Landtag zu kandidieren, schien der Einzug in das Landesparlament eher unwahrscheinlich zu sein — der Wahlkreis 54, Mönchengladbach I, war seit jeher eine Domäne der Christdemokraten. Ungeachtet dessen, mit deutlichem Vorsprung, holte der Sozialdemokrat diesen Wahlkreis erstmals für seine Partei. Das Vertrauen seiner Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben sei wahlentscheidend gewesen, meint der Gewerkschaftler heute.
    Die Fraktion berief Hermann Jansen in den Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales ("Mein Wunschausschuß"), den Ausschuß für Haushaltskontrolle und in den Petitionsausschuß. Wie andere Kollegen auch schätzt Hermann Jansen die Tätigkeit im Petitionsausschuß, wo der Abgeordnete die Möglichkeit habe, dem einzelnen ratsuchenden Bürger zu helfen — selbst wenn dies oft nervenaufreibend sei.
    Von den Mönchengladbachern Wählern ins Landesparlament geschickt, sieht sich der Sozialdemokrat auch als Anwalt ihrer Interessen. Nicht ohne gewissen Stolz verweist er darauf, daß sein Bemühen um Landesmittel für die staatliche Gewerbeschule, die Maria-Lenzen-Schule, ebenso erfolgreich war wie für das Elisabeth-Krankenhaus in Rheydt. Er habe die Schließung der Kinderklinik Neuwerk verhindern können und über die Stiftung Wohlfahrtspflege sei den örtlichen caritativen Organisationen geholfen worden, berichtet Jansen. Sein Wunsch ist es, auch in der nächsten Legislaturperiode 1990 wieder "dabei zu sein".
    Neben seinen gewerkschaftlichen und politischen Aktivitäten ist der Parlamentarier, verheiratet und Vater von drei Söhnen, ein begeisterter Schwimmer, und auch das Turnen gehört zu seinen Lieblingsbeschäftigungen. In Anbetracht des randvollen Terminkalenders bleibt derzeit allerdings die wenige Freizeit fast ausschließlich für die Familie reserviert. "Sie ist heute mein einziges Hobby." Ein Kompliment für Ehefrau und Kinder.
    Jochen Jurettko

    ID: LI890746

  • Porträt der Woche: Heinz Lanfermann (F.D.P.)
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 6 - 21.03.1989

    Dichtgedrängt stapeln sich die schwarzen Aktenordner im winzig-kleinen Büro des liberalen Landtagsabgeordneten, der quasi über Nacht Schlagzeilen machte. Heinz Lanfermann, erst am 27. Mai 1988 — seinem 38. Geburtstag — in den Landtag nachgerückt, leitet den Parlamentarischen Untersuchungsausschuß zur Aufarbeitung des Gladbecker Geiseldramas. Und der gelernte Richter am Landgericht Duisburg ist sich der Herausforderung dieser Aufgabe durchaus bewußt: "Das Geschehen in Gladbeck hat bundesweit Aufmerksamkeit erregt. Nun müssen wir unseren Gesetzesauftrag erfüllen und mögliche Fehler und Versäumnisse aufklären". Bei aller Neigung für Expressionen, die im parlamentarischen Alltag immer mal durchbricht, versteht Lanfermann seine Funktion als Vorsitzender des ganzen Ausschusses — sicher keine leichte Aufgabe angesichts der Aufgeregtheiten der letzten Monate.
    Schon drei Tage nach der Vereidigung hatte der Oberhausener seinen ersten Auftritt im Landtag. Und seit dieser Jungfernrede beschäftigt den F.D.P.-Abgeordneten ein Thema: Die Politik des nordrhein-westfälischen Innenministers Herbert Schnoor (SPD). Und zumindest für die FDP. wurde der Nachrücker Heinz Lanfermann zum Glücksgriff, kannte er sich doch blendend aus in der nicht immer durchschaubaren Gesetzes-Materie. Der mit einer Richterin verheiratete Jurist hatte sich nach seinem Studium in Bonn mit Fragen des Zivilrechts befaßt, später dann im Strafrecht reüssiert. 1985/86 wurde Lanfermann zum Bundesminister der Justiz nach Bonn abgeordnet. Und nun in den Landtag, der "kein kurzfristiges Intermezzo" werden soll.
    Seit 1975 ist der Abgeordnete Mitglied der F.D.P., seit 1980 im Kreisverband Oberhausen aktiv. "Es ist schwer für uns im Ruhrgebiet", blickt Lanfermann auf die 2,9 Prozent, die die Liberalen bei der Kommunalwahl 1984 in seinem Wahlkreis erreichten. Bei der Bundestagswahl waren es zuletzt schon 4,5 Prozent. Deshalb hofft Lanfermann auf den Einzug der Liberalen in den Oberhausener Rat — und kämpft dabei selbst — um ein Mandat. All dies kostet Zeit. Zeit, die fürs Hobby fehlt. Heinz Lanfermann ist leidenschaftlicher Schachspieler, und dazu sogar ein gar nicht einmal so schlechter. Immerhin brachte es der stämmige Politiker mit dem weißen Haar bis zum Vereinsmeister und nahm in der Vergangenheit auch an Turnieren in Berlin und Zürich teil. Dazu bleibt nun keine Zeit mehr. Und da auch die eigene Frau in der F.D.P. mitmischt, "findet ein Teil des Familienlebens auf Parteitagen statt".
    Neben Plakaten des Expressionisten Kandinsky schmücken Portraits des FDP.-Landesvorsitzenden Jürgen W. Möllemann das Abgeordnetenbüro E6B46. "Auch Möllemann hat Fehler, aber ich halte viel von ihm. Er hat den Landesverband wieder zusammengeführt", verteidigt Lanfermann die Kunstwerke auf weißer Wand. Und wie entschuldigend: Außerdem stammt die Collage mit den Möllemann-Bildern von einer Parteifreundin." Lanfermann ist mit seiner Partei im reinen, hat sie ihn doch in kürzester Zeit nach oben geschwemmt. Der Nachrücker lobt das gute Klima in der 14köpfigen F.D.P.-Fraktion, die ihn hervorragend aufgenommen und ihn sofort mit wichtigen Aufgaben betraut habe. "In einer kleinen Fraktion kommt der Aufstieg schneller", hat der Jurist am eigenen Leibe erfahren. Allerdings muß in der Mini-Fraktion auch mehr gearbeitet werden, weil wenige viel machen müssen.
    Zur Erleichterung dieses Paketes kommt Heinz Lanfermann sein zweites Hobby durchaus gelegen. Der Abgeordnete hat sein Büro mit modernsten Computern ausgerüstet, die den "Dialog" zwischen seiner Arbeitsstätte und der Außenwelt erleichtern. Das sichert Freiräume, die für die politische Arbeit genutzt werden können. Denn der Liberale ist mit Herz und Seele ein homo politicus, den politische Einflußmöglichkeiten reizen — selbst wenn die Oppositionsrolle im Landtag Grenzen setzt. Außerdem hat es den 38jährigen immer schon gereizt, etwas Neues zu machen. Schon deshalb stürzt sich der beurlaubte Richter in die Arbeit des Untersuchungsausschusses.
    Während die Wahlkämpfe zu den Europa- und Kommunalparlamenten laufen, die Landtags- und Bundestagswahl von langer Hand vorbereitet werden, wühlen sich Heinz Lanfermann und die elf Ausschußmitglieder in diesen Wochen durch einen Wust von Akten. "Allen Fraktionen zeigen guten Willen, daß wir möglichst schnell mit der Arbeit fertig werden", lobt der Ausschußvorsitzende. Und daß er im Aktendschungel nicht die Übersicht verliert, dafür fühlt sich Heinz Lanfermann gut gerüstet. "Politiker und Richter müssen logisch denken und fachlich urteilen können", zieht der Abgeordnete Parallelen zwischen seinen bisherigen Berufen. Und ein Urteil steht für den mehrfach geforderten Politiker Lanfermann längst fest. "Der neue Landtag als Haus der langen Wege kostet viel Zeit", fühlt sich der F.D.P.-Abgeordnete schlecht behandelt vom Landtagspräsidenten, der die Liberalen in die hintersten Winkel des Parlamentsgebäudes abgeschoben hat. Aber auch hier bleibt Lanfermann Optimist. "Wenn bei der Landtagswahl 1990 weniger Sozialdemokraten ins neue Parlament einrücken, werden die Liberalen wohl endlich in die Nähe der eigenen Fraktionsräume ziehen können".
    Wilfried Goebels

    ID: LI890640

  • Porträt der Woche: Dr. Peter Heinemann (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 5 - 14.03.1989

    Im Handbuch des Landtags gehören seine biographischen Angaben zu den kürzesten. Ganze neun Zeilen sind sie lang, nüchtern und frei von jeder Eitelkeit. Zitat: "Dr. Heinemann (Essen), Peter, Rechtsanwalt und Notar. Geboren am 2. März 1936 in Essen; verheiratet, drei Kinder. Abitur 1955, Studium der Rechtswissenschaften in Tübingen, Heidelberg, Berlin und Bonn, erstes Staatsexamen 1960, zweites Staatsexamen 1964. Studium der politischen Wissenschaften in Paris 1964/65. Rechtsanwalt seit 1965, Notar seit 1973. Mitglied der SPD seit 1961. Presbyter der evangelischen Kirchengemeinde Essen- Heisingen. Mitglied des Kuratoriums der Friedrich-Ebert-Stiftung. Abgeordneter des Landtags Nordrhein-Westfalen seit 29. Mai 1980"
    Die knappen Angaben spiegeln den Mann wider, seine Sprödigkeit und auch seine nervöse Distanziertheit. Heinemann hat sich nicht in das Parlament gedrängt, mußte von seinen Parteifreunden vielmehr angeschoben werden. Er ahnte, daß er das Mandat nur schwer würde vereinbaren können mit seinem Beruf. Er ist der Senior einer Kanzlei, in der schon sein Vater, der frühere Bundespräsident Gustav Heinemann, und der langjährige Düsseldorfer Finanzminister Diether Posser praktizierten und die heute elf Anwälte zählt. Peter Heinemann hängt mit einer stillen, unauffälligen Leidenschaft an seinem Beruf, in dem er international geachtet ist, nicht zuletzt, nachdem er 1979/80 den Iran im Vermögensstreit (nach dem Teheraner Geiseldrama) mit den USA vertrat.
    Dieser "Fulltimejob" und das Abgeordnetenmandat liegen in permanentem Widerstreit. Und die Erfahrungen mit seinen parlamentarischen Kollegen haben ihn nicht davon überzeugen können, daß es für ihn besser sei, sich ganz der Politik zu widmen. "Der parlamentarische Betrieb ist ein riesiger Leerlauf", urteilt er bündig. Und: "Es werden Leute angezogen, die ihre Neurosen pflegen wollen." Und: .Vielen Politikern täte Selbsterkenntnis gut. Mancher würde erschrecken." Peter Heinemann, die Augen hinter der Goldrandbrille stets in Bewegung, kann rigoros sein — auch mit sich selbst.
    Ja, sagt er nicht ohne Zögern, er sei religiös, das aber sei ein hoher moralischer Anspruch. Und der Begriff "fehlbar" folgt auf dem Fuß. Für Macht hat er keinen Instinkt; sie vermittelt ihm auch nicht Lust, ein Umstand, der ihn nicht bedrückt, wohl aber seine Grenzen aufzeigt. Zuletzt in Essen, wo er nach 13 Monaten als Vorsitzender des SPD-Unterbezirks zurücktrat. Es sei sein "Fehler" gewesen, sich keiner der rivalisierenden Gruppen angeschlossen zu haben. So sei er vor einem denkwürdigen Bündnis der Parteilinken und -rechten. — Heinemann nennt das mit einem unerwarteten Anflug von verletzender Maßlosigkeit "Hitler-Stalin-Pakt" — gescheitert.
    "Wenn Hinterhalt und Intrige die vorrangigen Sicherungsinstrumente von Macht sind, dann bin ich nicht dabei", sagt er. Hier sei die Frage nach eigenen Wertvorstellungen gestellt. Und er setze andere Prioritäten. Im übrigen habe der Machtkampf in Essen, der bundesweit Schlagzeilen machte, eine lange Vorgeschichte, deren wahre Dimension ihm nicht klar gewesen sei. Jetzt freilich wisse er, daß er den Unterbezirksvorsitz in einer "Mischung aus Täuschung und Selbsttäuschung" übernommen habe. Es sei "keine Enttäuschung, aber eine notwendige und heilsame Lehre" gewesen. Gelernt hat er, daß man in der Politik schneller zugreifen müsse, wobei Ziele und Mittel in einer Art Wechselwirkung miteinander korrespondieren müßten. Heinemanns sehr protestantische Skrupelhaftigkeit gegenüber der Macht ist, falls so etwas für politische Grundüberzeugungen gilt, das Erbe seines Vaters. Der ist für ihn "Vorbild", ihm möchte er als "aufgeklärter liberaler Republikaner mit starkem sozialem Engagement" folgen. Und doch räumt Sohn Peter ein, daß der Vater eine "Vorgabe" sei, "die belastet". Darüber habe er aber erst in letzter Zeit, als Politiker, nachgedacht, gesteht er. In seinen hohen und höchsten Ämtern habe der Vater auch "wenig Zeit für die Familie" gehabt, ein Umstand, "der durch nichts gerechtfertigt" sei. Aber, schränkt Peter Heinemann ein, "das ist kein Vorwurf, es ist eine Feststellung."
    Er nehme sich jedenfalls Zeit für "Lebensqualität", versichert er. Sie sei für ihn und seine Familie "lebensnotwendig". Also reist er gerne, wandert, liest. Und denkt über die Ganzheitlichkeit des Menschen nach, der nicht "einmal Schurke, dann Menschenfreund" sei. Ihm schwebt die Fortsetzung der Aufklärung mit den Mitteln der Psychologie vor, um den Menschen von dem "Schrott, mit dem er lebt", zu befreien. Die innere Überzeugung, nicht die Konvention müsse die Leitlinie des Handelns für jedermann sein. Und der Porträtist darf den verständnisvollen Satz notieren: "Außen- und Innenansicht eines Menschen können schon einmal auseinanderklaffen."
    Bernd Kleffner

    ID: LI890549

  • Porträt der Woche: Otti Hüls (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 4 - 28.02.1989

    "Wir werden kämpfen für den Erhalt der Zeche Ibbenbüren, auch über 1995 hinaus". Otti Hüls (46), CDU-Abgeordnete aus Ibbenbüren, formuliert diesen Satz mit Entschlossenheit, allerdings auch fast wie jemand, der laut in den Wald hineinruft, um so die eigene Angst zu verscheuchen.
    Denn die Zukunft der Zeche Ibbenbüren ist wieder einmal mit Fragezeichen versehen, so viele waren es noch nie. Noch gar nicht lange ist es her, daß durch den Neubau eines Kraftwerks die drohende Zechenstillegung verhindert werden konnte; die Zechengesellschaft Preussag mußte die Belegschaft von 8000 auf 5000 verringern. Daß die Weiterexistenz der Zeche Ibbenbüren jetzt wieder ins Gerede gekommen ist, liegt an den überdurchschnittlich hohen Subventionen, die für die niederflüchtige Anthrazit-Kohle erforderlich sind.
    Trotzdem zeigt sich Otti Hüls zuversichtlich. Diese Zuversicht drückt sie in der Frage aus: "Kann es sich heute jemand politisch leisten, in Ibbenbüren die Zeche dichtzumachen?" Sie jedenfalls glaubt das nicht, da die Einstellung der Kohleförderung für die Region zur Katastrophe werden könnte. Die CDU-Politikerin verweist darauf, daß das Durchschnittsalter der Ibbenbürener Bergleute bei 33 Jahren liegt, ein frühzeitiges Ausscheiden aus dem Berufsleben also nur für sehr wenige in Frage kommt. Eine Zechenschließung würde nicht nur die 5000 Arbeitsplätze bei dem größten Arbeitgeber vernichten, sondern direkt oder indirekt auch weitere Tausende in den ohnehin strukturell schwach entwickelten Regionen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat der Kreis Steinfurt bereits den Strukturwandel in der Textilindustrie verkraften müssen, die Landwirtschaft befindet sich in einer Dauerkrise. Nach einer Stillegung der Zeche verbliebe ein Elektrochemiewerk als einziger größerer Arbeitgeber in der 42000- Einwohner-Stadt Ibbenbüren. Die gute Verkehrsinfrastruktur mit dem nahen Flughafen Münster/Osnabrück, dem Mittellandkanal und Autobahnen könnte sich auf lange Sicht als positiver Faktor erweisen.
    Bis dahin aber — und darüber läßt Otti Hüls nicht mit sich diskutieren — muß auf der Zeche Ibbenbüren welter gefördert werden, im Interesse der Region und der dort lebenden Menschen. Deshalb sei es notwendig, über den Wärmemarkt den Absatz der Ibbenbürener Kohle zu sichern. Nicht nur der Staat, auch die Energieversorgungsunternehmen seien hier in besonderem Maße gefordert.
    Auch im Landesparlament setzt sich die CDU-Abgeordnete mit Nachdruck für die Ibbenbürener Kohle ein, obwohl Wirtschafts- und Strukturpolitik nicht ihre eigentlichen Arbeitsbereiche sind. Die ehemalige Apothekenhelferin, verheiratet mit einem Finanzbeamten und Mutter von zwei erwachsenen Söhnen, ist Mitglied in den Ausschüssen für Arbeit und Soziales sowie für Jugend und Familie. Obwohl ihre Wurzeln in der Frauenpolitik liegen, hat sie die Entscheidung ihrer Fraktion mitgetragen, einen Frauenausschuß abzulehnen und stattdessen einen Unterausschuß des Ausschusses für Jugend und Familie zu fordern.
    In die CDU ist sie 1970 eingetreten, als Reaktion auf die 68er Entwicklungen. Im damals noch bestehenden Kreis Tecklenburg gründete sie die Frauenvereinigung ihrer Partei. Bei ihrem Eintritt zählte der Kreisverband 92 weibliche Mitglieder, vier Jahre später waren es bereits rund 400. Der heutige — größere — Kreisverband Steinfurt hat insgesamt 7000 Mitglieder, darunter 1700 Frauen. Rückblikkend stellt Otti Hüls fest: "Es war gar nicht so leicht, Frauen zu politischem Engagement zu bringen." Mittlerweile sei es fast selbstverständlich, daß die Zahl der CDU-Frauen in den Räten des Kreises Steinfurt sich bei der letzten Kommunalwahl um ein Drittel erhöht habe. Bei der bevorstehenden Kommunalwahl erwartet sie eine weitere Steigerung. Vor diesem Hintergrund hält sie eine Quotenregelung für einen ungeeigneten Weg.
    Radikale Lösungen entsprechen ohnehin nicht dem Naturell der CDU-Politikerin. So ist sie nicht Mitglied der CdL ("Christen für das Leben"), obwohl sie die hohe Zahl der Abtreibungen für unerträglich hält: "Da muß etwas geschehen!" Nach ihrer Auffassung jedoch keine Änderung des Paragraphen 218 StGB, sondern eine Verbesserung der Beratungspraxis. Es sei doch nicht hinnehmbar, daß in einem Wohlfahrtsstaat wie der Bundesrepublik über 80 Prozent der Schwangerschaftsabbrüche aufgrund sozialer Indikationen vorgenommen würden. Bei der sozialen Indikation müßten nach ihrer Ansicht ähnlich scharfe Maßstäbe angelegt werden wie bei der medizinischen.
    In fast 20 Jahren politischer Arbeit ist für private Interessen nur noch wenig Raum geblieben. Abwechslung bieten Reisen, um .andere Menschen und Länder kennenzulernen". Für Otti Hüls ist auch dies mit Politik verbunden: In besonderem Maße interessiert sie sich für osteuropäische Länder.
    Ludger Audick

    ID: LI890444

  • Porträt der Woche: Rudolf Wickel (F.D.P.)
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 3 - 21.02.1989

    Wann immer schulpolitische Themen auf der Tagesordnung des Landtags stehen, ist Rudolf Wickel zur Stelle. Zur Zeit beschäftigt den Liberalen der Lehrermangel an Sonderschulen besonders stark: "Hier fallen zwischen 25 bis 40 Prozent des spezifischen Unterrichts für Behinderte aus", erbost sich der stellvertretende FD.P.-Fraktionsvorsitzende, dessen Forderung nach unverzüglicher Einstellung von zusätzlichen Sonderschullehrern im zuständigen Schulausschuß von der SPD-Mehrheit mit dem Hinweis auf die leeren Haushaltskassen abgeblockt wurde. Immerhin hat Wickel für den Februar 1989 eine Sondersitzung des Schulausschusses zu diesem Thema durchgedrückt. "Da wird dann die gesamte Problematik der Sonderschule einmal gründlich aufgearbeitet", hofft der F.D.P.-Mann.
    Ein anderes aktuelles Schulthema, das der Liberale am liebsten von allen Parteien gemeinsam angepackt und auch gelöst wissen möchte, ist die Situation der Schulen auf dem flachen Land angesichts der ständig sinkenden Schülerzahlen. Wickel: "Was wir in den Städten noch lösen können, ist mangels Schülermasse auf dem Land nicht mehr zu bewältigen." Zusammen mit kommunalpolitischen Parteifreunden vor Ort arbeitet er an einer Konzeption, die für alle tragbar ist, wobei er selber sogar so weit geht, daß er das klassische einzügige Gymnasium fordert, um die Schüler ortsnah mit Schulangeboten zu versorgen.
    Sein schulpolitisches Engagement hat sich der 55jährige übrigens erst auf Wunsch seiner Fraktion zugelegt. Als die F.D.P. nach fünfjähriger Pause mit 14 Abgeordneten wieder in das Parlament zurückkehrte, ergab es sich einfach, daß die Aufgabe des schulpolitischen Sprechers auf ihn zukam. Wickel: "Eigentlich wollte ich mich hauptsächlich für die Kommunalpolitik einsetzen, aber in der Zwischenzeit habe ich mich in die Schulproblematik eingelesen, und die Arbeit macht mir Spaß."
    Die Kommunalpolitik kommt dennoch nicht zu kurz. Denn der F.D.P.-Landtagsabgeordnete aus Bonn ist seit 1975 auch Ratsherr und Fraktionschef In seiner Heimatstadt. "Ich habe zwei Seelen in meiner Brust", sagt Wikkel, dem dies offensichtlich sehr behagt. Er erklärt: "Kommunal- und Landespolitik gehen ineinander über, bedingen sich gegenseitig. Das gibt der Arbeit einen zusätzlichen Reiz." Nach den Vorstellungen des Liberalen soll das auch in Zukunft so bleiben, denn Rudolf Wickel ist gern in die Fußstapfen seines Großvaters getreten, der als Berufsschuldirektor während der Weimarer Republik bis 1933 Ratsherr in Bonn war. Der Enkel wurde am 20. März 1933 in Bonn geboren, wo er auch seine Kindheit und Schulzeit verbrachte.
    Nach seiner Ausbildung zum Verwaltungstechniker gehörte er von 1956 bis 1972 den Stadtwerken in Bonn an. Danach wechselte er zum Bundesamt für Zivilschutz, wo er zunächst als Sach-Bearbeiter, dann als Referent tätig war, ehe er 1985 wegen seines Landtagsmandats beurlaubt wurde.
    In die F.D.P. ist Wickel 1964 eingetreten. Zunächst war er ein ganz normales Mitglied. Dies hat sich geändert, als er sah, daß viel Motivation und ehrenamtliche Arbeit der Bürger — etwa für den Zivilschutz, wo er es täglich beobachten konnte — durch Gesetzgebung und Verwaltungsakte zerstört wurde. Wickel fragte sich, ob es richtig sei, soviel ehrenamtlich eingebrachte Zeit zu investieren, wenn man anschließend feststellen muß, daß die Politik diese Ehrenamtlichkeit beseitigt. Wickels Folgerung: "Man muß selber in die Politik gehen, um zu verhindern, daß die Politik Fehler macht, die der Bürger nicht mehr nachvollziehen kann."
    Konsequenterweise wurde der Liberale aktiv. 1969 übernahm er den Vorsitz des kommunalpolitischen Ausschusses im Kreisverband Bonn der F.D.P. und wurde Kreisvorstandsmitglied. Nach der Raumordnung wurde er stellvertretender Kreisvorsitzender. Seit 1977 bis heute ist Wickel Kreisvorsitzender des größten F.D.P. -Kreisverbandes im Bundesgebiet. Von 1980 bis 1983 übernahm er den Vorsitz des Bezirksverbandes Köln und gehörte dem Landesvorstand der NRW-F.D.P. an. Seit 1983 ist er stellvertretender Landesvorsitzender.
    Als Kommunalpolitiker ficht Wickel vor allem für die Gemeinde finanzen. Von 1980 bis heute seien den Gemeinden 15,3 Milliarden Mark weggenommen worden, rechnet der F.D P.-Politiker vor und betont, daß er so lange kämpfen werde, bis die Finanzverteilung vom Land wieder gerechter ausfallen werde. Am liebsten sähe es der F.D.P.-Mann, wenn die Schlüsselzuweisungen wieder auf den alten Stand von 26,5 Prozent angehoben würden. In realistischer Einschätzung der politischen und finanziellen Lage in Nordrhein-Westfalen schränkt er allerdings ein: "Zumindest schrittweise sollte das geschehen."
    Neben seinen politischen Aktivitäten gehört Wickel, der verheiratet, Vater von vier Kindern mit vier Enkelkindern ist, noch 19 Vereinen an, teilweise sogar mit aktiven Funktionen. So ist er beispielsweise im Präsidium der Schwimm- und Sportfreunde Bonn. Trotz seines immer rappelvollen Terminkalenders nimmt sich der Liberale Zeit für seine Hobbys. "Ich koche mit Begeisterung", sagt er und beteuert, auch noch ein Stündchen zur Beschäftigung mit der preußischen Geschichte zu finden. Noch eine besondere Freizeitbeschäftigung hat der Liberale. Er freut sich an wohl mehr als hundert Fischen in seinen Aquarien. Wickel: "Wenn ich aufgedreht nach Hause komme, setze ich mich in mein Fischzimmer und betrachte die Fische, die ruhig durch das Wasser gleiten und bekomme dann den Hebel, um abzuschalten... "
    Gerlind Schaidt

    ID: LI890357

  • Porträt der Woche: Dr. Christoph Zöpel (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 2 - 31.01.1989

    Auch nach 24stündiger Bedenkzeit tut sich Christoph Zöpel schwer mit der geforderten Selbsteinschätzung. Gern möchte er kneifen. Er gibt zu bedenken, daß eine Selbstcharakteristik schwierig sei und nie objektiv sein könne. Er schränkt ein, daß seine privaten Vorlieben und Laster, Stärken und Schwächen Privatangelegenheiten seien, die er öffentlich nicht zu erörtern gedenke, die deshalb aus der Selbsteinschätzung ausgeblendet bleiben müßten. Als das zugestanden ist, beschreibt sich Christoph Zöpel mit einem einzigen kurzen Satz, den er sich nach eigenem Bekunden nach längerem Überlegen genau zurechtgelegt hat: .Ich bin ein leidenschaftlicher Intellektueller, der in die Politik geraten ist."
    Als Chronist ist man versucht, "bumm" anzulügen oder "peng" oder andere Geräuschworte, um ein Ausrufungszeichen hörbar zu machen. Daß es irgendeinen Abgeordneten — von Frauen und Ministern ganz zu schweigen — im nordrhein-westfälischen Landtag geben könnte, der sich selbst so charakterisiert, ist schier unvorstellbar. Zöpel selbst sagt es etwas zurückhaltender: Die "große Mehrheit" der Kolleginnen und Kollegen im Landtag schätze sich so wohl nicht ein. Im späteren Verlauf des Gespräches hat Christoph Zöpel noch so einen wie ein Trompetenstoß gellenden Satz auf Lager. Gefragt nach seiner beruflichen Zukunft nach dem für 1990 angekündigten Abschied aus der Landesregierung, meint der Minister zunächst, daß er noch keine konkreten Vorstellungen habe und setzt dann trocken hinzu:
    "Ich brauche kein Mitglied dieser Landesregierung für eine erfolgreiche Fortsetzung meines weiteren Lebens". Dieser Satz muß Johannes Rau in den Ohren dröhnen, der ein paar Tage zuvor vor den Mitgliedern der nordrhein-westfälischen Landespressekonferenz gönnerhaft angekündigt hatte, er werde sich darum kümmern, daß Christoph Zöpel in den nächsten Deutschen Bundestag komme.
    Wer so selbstbewußt unerbetene Hilfsangebote seines Ministerpräsidenten und Parteivorsitzenden zurückweist, leidet nicht an einem unterentwickelten Selbstwertgefühl. Möglicherweise liegt es — auch — an diesem strotzenden Selbstbewußtsein, daß in der Landesregierung kein Klagen und Wehgeschrei ertönte, als der Minister für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr Ende vergangenen Jahres andeutete, daß er von der Mitarbeit in dieser Landesregierung nun die Faxen dicke habe und 1990 nicht mehr für eine weitere Regierung Rau zur Verfügung stehe.
    Dabei hütet sich Zöpel wohlweislich, auch nur in einem Nebensatz am von Rau selbst mit großem Eifer polierten Bild des über allem Parteihader schwebenden Landesvater zu kratzen. Bei diesem Thema hat Zöpel zwar ein eigenartiges ironisches Lächeln um Mund- und Augenwinkeln. Doch wer immer diese Mimik als Spitze gegen Johannes Rau interpretiert, tut dies auf eigene Gefahr und kann sich nicht auf Zöpel berufen. Wütendes Gebell gegen diese Landesregierung, mit dem sich der ehemalige Landwirtschaftsminister Hans-Otto Bäumer in Jahresabstand aus Velbert vernehmen läßt, ist — je nach politischer Interessenlage — von Zöpel nicht zu erhoffen oder zu befürchten. Mag sein, daß er denkt: »Das lohnt nicht." Wer ihm solches unterstellt, erntet leise, aber nachdrückliche Zurückweisung.
    Mit seinen nun schon zehn Ministerjahren ist der 45jährige Diplom-Ökonom der dienstälteste und zugleich lebensjüngste Minister in der Regierung Rau. Neben dem Regierungschef selbst ist er das einzige Kabinettsmitglied, das seine erste Ministerurkunde noch von Heinz Kühn erhalten hat. Daß er vor zehn Jahren der jüngste Minister war und noch heute der jüngste Minister ist, spricht nach Zöpels Worten nicht für die "dringend erforderliche Verjüngung" auf allen Partei- und Regierungsebenen. Diese Kritik trifft Zöpel allerdings auch selbst. Denn schließlich ist der Noch-Minister mit Bonner Ambitionen seit 1977 auch stellvertretender Vorsitzender der nordrhein-westfälischen SPD, die sich auf dem jüngsten SPD-Bundesparteitag in Münster einmal mehr dadurch auszeichnete, daß sie die meisten Delegierten stellte und am wenigsten zur inhaltlichen Debatte beitrug. Dennoch fühlt sich Zöpel gerade in diesem Landesverband pudelwohl. Im Westdeutschen Rundfunk begründete er dies mit dem Satz: Ich möchte mit keiner Regionalorganisation der SPD tauschen, wo man noch mehr Gedanken vielleicht wild äußern könnte, aber wo man nachher keine Wahlen gewinnt."
    Als Kurt Biedenkopf als Ordinarius an der Ruhr-Universität in Bochum lehrte, arbeitete Zöpel dort als wissenschaftlicher Assistent. In klugen Gedanken stehen sich der ehemalige Ordinarius und der ehemalige Assistent heute kaum noch nach, wenn sie über die Notwendigkeiten einer hochindustriellen Massengesellschaft im Europa des Jahres 2000 nachsinnen. Im Gegensatz zu Biedenkopf aber äußert Zöpel seine Ideen und Vorstellungen nicht ,wild". Auch deshalb ist es vorstellbar, daß dieser Mann — trotz seines im Zeitalter der von den elektronischen Massenmedien beherrschten Parteiendemokratie eher als nachteilig zu wertenden Kühlschrank-Charmes — seine eigentliche politische Karriere nach dem Ausscheiden aus der Düsseldorfer Landesregierung noch vor sich hat.
    Reinhard Voss

    ID: LI890253

  • Porträt der Woche: Gunther Sieg (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 1 - 17.01.1989

    Er will nicht einer der Akteure auf der Düsseldorfer Parlamentsbühne sein, und er sucht im allgemeinen auch nicht den rhetorischen Disput mit dem politischen Widersacher: der SPD-Landtagsabgeordnete, Rechtsanwalt Gunther Sieg aus dem münsterländischen Tecklenburg sieht sein Haupttätigkeitsfeld "vor Ort", an der Basis. Und dort fühlt er sich auch am wohlsten. Der gebürtige Münsteraner, Jahrgang 1936, der Mitte der 60er Jahre insbesondere wegen der Brandtschen "Öffnungspolitik" gegenüber den östlichen Staaten in die SPD eintrat, begann seine politische Tätigkeit denn auch zunächst in der Kommune, dann im Kreis.
    Zunächst Mitglied des Rates der heute knapp 9000 Einwohner zählenden Stadt Tecklenburg, später, von 1979 bis 1984, ihr "erster Bürger". Als Abgeordneter des damaligen Kreistages Tecklenburg gehörte Gunther Sieg zu den "Betroffenen" der Gebietsreform der 70er Jahre, und er sieht heute die sogenannte Großkreis-Lösung, den Kreis Steinfurt mit seinen fast 380000 Bewohnern, dessen Kreisparlament er ebenfalls zugehörte, nur als die zweitbeste Lösung an.
    Während das Tecklenburger Land als Ausläufer des Teuteburger Waldes von Landwirtschaft und Fremdenverkehr geprägt wird, dominiert um Lengerich die Maschinenindustrie, und schließlich ist im Kreis Steinfurt auch das nördlichste Kohlerevier der Bundesrepublik mit der Preussag-Zeche in Ibbenbüren. Ein vielschichtiger Kreis also, dessen unterschiedliche Interessen der Bevölkerung in Einklang gebracht werden müssen.
    Für den im Wahlkreis 97 (Steinfurt III) 1985 zum zweiten Mal direkt gewählten Sozialdemokraten steht gegenwärtig die langfristige Sicherung der Ibbenbürer Zeche, die niederflüchtige Kohle fördert und deren Einsatz in Spezialkraftwerken teurer ist als das Verbrennen von "normaler" Kohle, im Vordergrund seines politischen Engagements. Andernfalls wäre eine Stillegung für fast 5 000 Kumpel sowie für weitere rund 10000 Menschen, die indirekt von der Zeche abhängen, eine wirtschaftliche Katastrophe. Der SPD-Abgeordnete hält auch eine Stärkung der mittleren und kleineren landwirtschaftlichen Betriebe für dringend erforderlich, um gegenüber der mächtigen Konkurrenz der "Agrarfabriken" bestehen zu können. Für eine "Überlebenschance" hält er es auch, wenn Landwirte als Landschaftspfleger tätig werden. Zudem seien sie für den Staat kostengünstiger als eine staatliche Verwaltung. Am Beispiel des Feuchtwiesen-Programms, das bei den Landwirten "gut angekommen" sei, zeige sich, daß Naturschutz und Landwirtschaft keine gegenseitigen Berührungsängste zu haben brauchten. Als Mitglied der beiden Landtagsausschüsse für Umweltschutz und Raumordnung sowie für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz sucht Gunther Sieg Verbündete für seine Vorstellungen und Anliegen.
    Bis vor seiner Wahl 1980 in den Landtag war Gunther Sieg als Justitiar beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe tätig. Seitdem widmet er sich als Anwalt vor allem dem Verwaltungsrecht. Noch heute schätzt er die Arbeit im Tecklenburger Stadtrat, und auch als stellvertretender Vorsitzender des Freilichttheaters Tecklenburg e.V. gibt er dieser Einrichtung viele Impulse.
    Bei der nächsten Wahl 1990 möchte der Sozialdemokrat wieder für den Landtag kandidieren — und natürlich erfolgreich. Im Zeichen einer wachsenden Konfrontation auch zwischen den Parteien im Düsseldorfer Landesparlament sind jene Abgeordneten besonders gefragt, für die Sachlichkeit und Fairneß zu den Grundregeln parlamentarischer Arbeit zählen. Der Münsterländer Gunther Sieg ist einer von ihnen.
    Jochen Jurettko

    ID: LI890137

  • Porträt der Woche: Dr. Bernhard Worms (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 21 - 20.12.1988

    Den jungen Politikern eine Chance geben: das ist das Motto, nach dem Oppositionschef Bernhard Worms die 88köpfige CDU-Fraktion im NRW- Landtag führt. In der Tat haben die neuen bildungs-, finanz-, sozial- und wirtschaftspolitischen Sprecher der Union unter seiner Leitung soviel Gestaltungsmöglichkeiten und Freiraum wie nie zuvor.
    Der alte Fahrensmann Worms, seit 1970 im Düsseldorfer Landtag und damit einer der dienstältesten Landtagsabgeordneten, hatte selber einmal unter dem CDU-Ministerpräsidenten Franz Meyers eine "Chance", als dieser ihn 1965 unverhofft als persönlichen Referenten in die Staatskanzlei zu der für ihn zeitlebens prägenden "Lehrzeit" holte. Worms weiß daher, wie wichtig die Förderung des politischen Nachwuchses ist.
    Nach den langjährigen Turbulenzen der nordrhein-westfälischen CDU, bei denen Worms seinen Part als rheinischer CDU-Vorsitzender, als Spitzenkandidat und Herausforderer von Ministerpräsident Johannes Rau bei der Landtagswahl 1985 spielte, hat sich der Unionsmann jetzt ganz auf die Fraktionsarbeit konzentriert. Von Düsseldorf aus spinnt er feine, aber wichtige Fäden nach Bonn und nach Europa.
    "Ich freue mich, daß es mir gelungen ist, nicht nur innerhalb der eigenen Fraktion die politischen Schwerpunkte gesetzt, sondern auch die unmittelbar notwendige Verzahnung zwischen den Abgeordneten aus Nordrhein-Westfalen mit der CDU- CSU-Bundestagsfraktlon, aber auch mit den Europa-Abgeordneten der Union im europäischen Parlament erreicht zu haben", sagt der frühere Landrat des Erftkreises, der angesichts der Wichtigkeit des europäischen Binnenmarktes ab 1992 für Nordrhein-Westfalen längst Fühler zu seinen christdemokratischen Amtskollegen in den Anrainer-Staaten Holland, Belgien und Luxemburg ausgestreckt hat. Jis gibt schon eine ganze Reihe von Kontakten, die wir natürlich noch ausbauen und vertiefen werden", bilanziert Worms die bereits geleistete Arbeit.
    Ein anderes Thema, um das sich der CDU-Fraktionschef, der von sich selber sagt, daß ein "unbändiger Drang nach Freiheit und Toleranz gegenüber politisch Andersdenkenden" seine Wesensmerkmale sind, in den kommenden Jahren besonders bemühen will, zielt über die Parteigrenzen und über Nordrhein-Westfalen hinaus. "Ich möchte, beginnend hier im Lande Nordrhein- Westfalen, aber für alle anderen Bundesländer offen, analog dem deutsch-französischen, ein deutsch-israelisches Jugendwerk ins Leben rufen", erklärt der CDU-Politiker und fügt erläuternd hinzu: "Schwerpunktmäßig geht es mir darum, daß wir etwas Praktisches tun, um der Forderung nach Aufarbeitung des schrecklichen Geschehens in der Hitlerzeit gerecht zu werden." Nach Auffassung von Worms wäre das deutschisraelische Jugendwerk das geeignete Instrument, um die bereits bestehenden örtlichen Initiativen zu bündeln und zu unterstützen.
    Neben diesem weiten, überparteilichen Arbeitsfeld gilt sein Hauptinteresse auch weiterhin der Landesentwicklungsplanung. Von Beginn seiner politischen Laufbahn an hat der CDU-Politiker auf diesem Feld gearbeitet, wo sich die Landes- und die Kommunalpolitik oft in konfliktträchtiger Weise verzahnen. Er war einer der Väter der kommunalen Neugliederung, und es gehörte in den 70er Jahren schon Mut dazu, sich in diesem problembeladenen Bereich zu engagieren. Der Erfolg hat dem zähen, fleißigen und stetigen Politik-Arbeiter Worms recht gegeben.
    Auch nach 1990 will Worms, für den es außer Frage steht, daß er noch einmal als Landtagsabgeordneter auftritt, sich mit einem ähnlich brisanten Thema befassen: dem Abbau von Bürokratie. "Wir müssen mehr Marktwirtschaft in den Bereich der öffentlichen Verwaltung bringen", sagt er und denkt dabei vor allem an ein größeres Engagement der Bürger vor Ort bei den eigenen Belangen.
    Von Resignation oder Entmutigung ist bei Worms nichts zu spüren, obwohl seine Partei nun schon im 22. Jahr die Oppositionsbank drücken muß. Sicher schmerzt es ihn, daß so mancher gute politische Einfall, wie etwa die Notwendigkeit der Schaffung einer Landesentwicklungsbank jetzt — wenn auch in modifizierter Form — von der Regierung verwirklicht wird. Gewiß liegt es dem positiven rheinischen Charakter von Worms auch nicht sonderlich, als Oppositionsmann Immer dagegen" sein zu müssen, vor allem aber von der Gestaltungsmöglichkeit der Regierung ausgeschlossen zu sein. Daß der CDU-Politiker nie verzagt hat, hängt sicher auch mit seiner Persönlichkeitsstruktur zusammen, die von einem tiefen Harmoniestreben und einer festen Verwurzelung im Christentum geprägt ist.
    In der Politik hat sich Bernhard Worms von unten nach oben durcharbeiten müssen. Auch privat wurde ihm nichts geschenkt. Als Sohn eines Postschaffners im rheinischen Stammeln am 14. März 1930 geboren, wuchs er zusammen mit drei Geschwistern im Kölner Stadtteil Pesch auf, besuchte dort eine einklassige Volksschule und machte nach kriegsbedingtem viermaligem Schulwechsel 1951 sein Abitur. Sein Studium der Wirtschaftswissenschaften in Köln und dem österreichischen Graz hat ersieh weitgehend selber finanziert. Nach der Promotion führte der Weg von Worms zur Bundespost, bevor er 1966 in die Politik überwechselte. Ende der 60er Jahre kehrte er noch einmal zu seinem alten Arbeitgeber zurück, brachte es bis zum Abteilungspräsidenten der Oberpostdirektion Düsseldorf, ehe er 1982 ganz für die Politik beurlaubt wurde.
    Daß der Weg von Bernhard Worms zielstrebig zur CDU führte, erklärt sich aus der Familientradition. Seine Großmutter war die erste Frau, die als Zentrumsabgeordnete in den Stadtrat von Mülheim gewählt wurde, und auch sein Vater war vor 1933 Zentrumsvertreter im damaligen Gemeinderat von Sinnersdorf. Worms selber hat am Gründungstag der Kölner CDU teilgenommen und ist schon 1946 Parteimitglied geworden. Mit dem Jahr 1952 begann seine aktive politische Laufbahn zunächst als Vorsitzender des Gemeindeverbandes Pulheim, dann als Vorsitzender des Kreisverbandes Köln-Land. 1968 wurde er Landesvorstandsmitglied Rheinland, schließlich rheinischer Landesvorsitzender, Mitglied im Präsidium der NRW-CDU und im Bund und ist auch heute noch im Landes- und Bundesvorstand seiner Partei. Zu seinem politischen Durchbruch hat wohl maßgeblich beigetragen, daß es ihm Mitte der 70er Jahre gelang, eine damals sehr seltene Koalition zwischen CDU und F.D.P. zustande zu bringen.
    Bei aller politischen Geschäftigkeit findet Bernhard Worms noch immer Zeit für seine Fußbaileidenschaft. Dabei ist er nicht nur Fan des 1. FC Köln, sondern er fördert auch andere Sportclubs. Wenn daneben noch ein paar Mußestunden bleiben, nutzt sie der CDU-Politiker, um selber zu joggen oder zu lesen. Sein Spezialgebiet: das Reich der Hethiter.
    Gerlind Schaidt

    ID: LI882136

  • Porträt der Woche: Hans Vorpeil (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 20 - 13.12.1988

    Das Aachener Revier — genauer: das "Wurmrevier"— will er nicht mehr verlassen: Wenn die Zeche "Emil Mayrisch" 1992 wegen der geologischen Gegebenheiten ihre Förderung einstellen muß, wird der 51jährige Hans Vorpeil dort seine Arbeit verlieren. Er wird nicht wie viele von der Schließung betroffene Bergleute ins Ruhrgebiet wechseln, sondern in seinem Geburtsort Alsdorf bleiben. Danach muß er sich — eher notgedrungen — ausschließlich auf die Arbeit als SPD-Landtagsabgeordneter und als Ratsmitglied in Alsdorf beschränken. Vorpeil hat keine Zweifel, den für die SPD sicheren Wahlkreis Aachen II auch 1990 halten zu können.
    Die absehbare Berufsaufgabe bedauert Vorpeil außerordentlich. Denn als er 1985 zum ersten Mal in den Landtag gewählt wurde, hatte er großen Wert darauf gelegt, seine berufliche Tätigkeit beim Eschweiler Bergwerksverein fortsetzen zu können. Denn gerade dadurch — das habe er inzwischen bestätigt gefunden — habe er viele Kontakte aufrechterhalten können. Seine Arbeit in Düsseldorf sieht er so: "Für mich ist wichtig, was zu Hause stattfindet, in Düsseldorf will ich nicht Karriere machen." Bürgerbüro und Bürgersprechstunden seien für ihn von Bedeutung, um den Einsatz für die heimische Region zu ermöglichen; dazu zählt er auch, kleinen Unternehmen der Region in der Landeshauptstadt "Türen zu öffnen, damit Arbeitsplätze erhalten werden".
    Gerade dies sei in den Bergbaustädten des sogenannten "Wurmreviers" angesichts des schrumpfenden Bergbaus besonders wichtig. Schließlich habe die Bergbau-Monostruktur über 150 Jahre lang keinen Platz gelassen für die Entwicklung anderer Industrien. Neben der Sicherung vorhandener sei die Schaffung neuer Arbeitsplätze dringend notwendig, etwa mit Hilfe der Gemeinschaftsaufgabe regionale Wirtschaftsförderung oder der Zukunftsinitiative Montanregionen. Neue Ausbildungs- und Arbeitsplätze seien vordringlich für junge Leute erforderlich, damit sie der Region nicht den Rücken kehrten. Dasselbe sei für möglichst viele Bergleute anzustreben, damit sie ihre Heimat nicht verlassen müßten.
    Vorpeil ist mit dem Bergbau eng verbunden. Er arbeitete beim Eschweiler Bergwerksverein als Schlosser, elf Jahre untertage als Maschinensteiger und schließlich als Betriebsleiter. Heute leitet er die EBV-Personalabteilung allgemeine Dienste". Den Ausschuß für Grubensicherheit des Landtags hält er nach wie vor für unverzichtbar im Interesse der Gesundheit der Bergleute wie auch der Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Diesem Ausschuß gehört er seit 1985 ebenso an wie dem Wirtschaftsausschuß. Dort befaßt er sich vor allem mit Energie- und Strukturpolitik, bedauert aber die "begrenzten Kompetenzen" des Landes in diesem Bereich. Die unumgängliche Umstrukturierung des Wurmreviers, die nicht so schnell vonstatten geht, daß eine Abwanderung von Bergleuten zu vermeiden wäre, veranlaßt Vorpeil zu der lapidaren Feststellung: "Die Stimmung ist nicht gut." Und weiter wörtlich: "Es ist menschlich hart, wenn Familien, die seit Generationen dort ansässig waren, demnächst fortziehen müssen."
    Hans Vorpeil ist zwar in einem sozialdemokratischen Umfeld aufgewachsen, aber erst im Alter von 35 Jahren der Partei beigetreten. Der konkrete Anlaß sei das konstruktive Mißtrauensvotum gegen den damaligen Bundeskanzler Willi Brandt gewesen. Heute ist er Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Aisdorf- Mitte und des SPD-Stadtverbands Alsdorf sowie Mitglied im Unterbezirksvorstand des Kreises Aachen.
    In der Freizeit wandert Vorpeil gerne in den Bergen. Diese Vorliebe teilt er mit vielen Bergleuten. Dafür hat er diese Erklärung: "Wer viele Jahre zur Arbeit nach unten fährt, den treibt es offenbar in der Freizeit nach oben."
    Ludger Audick

    ID: LI882045

  • Porträt der Woche: Hans Frey (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 19 - 29.11.1988

    Sich selbst beschreibt er als einen Jinken Politiker mit Bodenhaftung". Und selbst gegen die Charakterisierung Jinker Ideologe" hätte er nichts einzuwenden, wenn man übersetzen würde. Aber Hans Frey weiß selbstverständlich, daß Worte wie Ideologie und Ideologe heutzutage gerade von rechts als Kampfbegriffe genutzt werden, mit denen diffamiert werden soll. Dabei ist es für den "gelernten" Studienrat aus Gelsenkirchen nach fast zwanzig Jahren Politik auf den verschiedensten Ebenen längst "eine Tatsache, daß die, die den Verdacht der Ideologie gegen ihre politischen Gegner ausstreuen, ausschließlich eine an Ideologien ausgerichtete Politik machen". Dies gelte ganz besonders in der Bildungspolitik.
    Hans Frey weiß da genau, wovon er spricht. Seit er 1985 — damals begann seine zweite Legislaturperiode im Düsseldorfer Landtag — Vorsitzender des Ausschusses für Schule und Weiterbildung wurde, hat der 39jährige Politiker ungezählte Male erlebt, daß Sachentscheidungen der SPD-Mehrheit in der Bildungspolitik von deren Widersachern stereotyp mit dem Stempel Ideologie"geziert wurden. Beeindrucken konnte ihn das bisher noch nicht. Gerade in dieser Aufgabe müsse man "ein bißchen dickhäutig" werden, meint Hans Frey gelassen. Dickhäutigkeit hat aber bei Hans Frey mit Dickfelligkeit gar nichts zu tun. Gerade auf dem Felde der Bildungspolitik könnte ein dickfelliger Politiker an herausgehobener Stelle nicht lange überleben. In der Schulpolitik fühlt sich jeder Mann und jede Frau als Experte, weil sie alle schon einmal in der Schule waren, weiß Frey aus leidvoller Erfahrung. In ungezählten Versammlungen hat der Ausschußvorsitzende, der gegenüber Eltern und Lehrern die SPD- Schulpolitik vertreten muß, nach eigenem Bekunden aber immer wieder erfahren, daß "unsere Position rüberkommt, wenn erst einmal die Hektik und Dramatik der Beschwerdeführer aus der Diskussion herausgenommen sind". Und Beschwerden haben sie alle — über zu viele Unterrichtsstunden klagen die Lehrer, über zu wenig Unterricht die Eltern, über zu große Klassen und zu wenig Geld Eltern und Lehrer gemeinsam. Hans Frey spricht in diesem Zusammenhang gern von der "Quadratur des Kreises", die auch er nicht leisten könne. In seiner Sicht der Dinge betreibt die Bundesregierung in Bonn seit Jahren eine Politik, die den Staat zugunsten des privaten Konsums immer ärmer macht. Von diesem so willentlich arm gemachten Staat verlangen die Menschen aber immer mehr Leistungen — auch und gerade in der Bildungspolitik. "Wir können aber kein Geld drucken", sagt Frey ganz trocken. Unzufrieden ist er dennoch nicht mit dem derzeitigen Zwischenergebnis sozialdemokratischer Bildungspolitik im Lande. Daß die Gesamtschule als Regelschule im Gesetz verankert wurde, daß es in Nordrhein-Westfalen ein Weiterbildungsgesetz gibt, das den Interessen der Arbeitnehmer entgegenkommt, verbucht Hans Frey als "Strukturreformen" im Bildungsbereich, "die sich sehen lassen können".
    Solche Strukturreformen sind nicht jede Woche möglich. Der bildungspolitische Alltag wird mehr vom Klein-Klein geprägt. Das natürliche Spannungsverhältnis zwischen den Bildungspolitikern im Kultusministerium und den Bildungspolitikern in der SPD-Landtagsfraktion beschreibt Hans Frey in diesen alltäglichen Auseinandersetzungen als einen Schwebezustand Jn kritischer Solidarität". Grundsätzlich ziehe man zwar an einem Strang. Aber daß es unterschiedliche Interessen gibt, die manchmal zu Reibereien führen, versucht der Ausschußvorsitzende gar nicht zu bestreiten. Die Ursachen für solche Spannungen zwischen Fraktion und Ministerium erklärt Hans Frey salopp mit der Bemerkung, daß "wir die Dinge nach vorn bringen wollen und unsere Kontrollfunktion der Regierung ernst nehmen". Daß es dabei gelegentlich krache, gehöre zum politischen Geschäft in einer Mehrheitsfraktion.
    Hans Frey, der seinen Wahlkreis in Gelsenkirchen 1985 mit satten 66,7 Prozent der Stimmen gewann, will auch in den nächsten Jahren in der Landespolitik bleiben. Auf die Frage, ob er 1990 wieder kandidieren werde, antwortet er: "Ich kann mich wohl der Verantwortung nicht entziehen" und persifliert dabei in Stimme und Mimik jenen bierernsten Politikertyp, dessen genaues Gegenteil dieser Sozialdemokrat aus Gelsenkirchen darstellt. Hans Frey nämlich sieht man den ehemaligen Unterbezirksvorsitzenden der Jungsozialisten heute noch an. Er selbst ist es auch, der seine Vergangenheit in der SPD-Nachwuchsorganisation im Gespräch erwähnt — nicht ohne die belustigt grienende Feststellung, daß er bei den Jusos als "Rechter" gegolten habe. Die Klagen mancher Abgeordneter über das schlechte Klima zwischen den Kolleginnen und Kollegen kann Hans Frey nicht teilen. In den acht Jahren, in denen er dem Parlament angehöre, seien Arbeitsstil und Umgangsformen zwar "immer professioneller" geworden. Es gebe auch Verhärtungen, die man einfach zur Kenntnis nehmen und die Konsequenzen daraus ziehen müsse. Hans Frey will darüber nicht klagen: "Die Leute haben verschiedene Interessen. Der Ort, wo diese Interessen aufeinanderstoßen, kann keine Kuschelecke sein." In der Gelsenkirchener SPD, in der sich Hans Frey behaupten muß, um 1990 Landtagsabgeordneter zu bleiben, herrschen oft rauhere Sitten — erzählen Leute, die die Szene rund um den Schalker Markt kennen. Und deshalb kommt es nicht von ungefähr, daß Hans Frey feststellt, daß er das Klima im Landtag "durchaus ertragen"könne. Etwas mehr Begeisterung in der Stimme wäre bei dieser Schilderung schon vorstellbar...
    Reinhard Voss

    ID: LI881943

  • Porträt der Woche: Reinhard Grätz (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 18 - 15.11.1988

    Am auffälligsten an Reinhard Grätz ist seine Unauffälligkeit. Doch die spröde, fast schüchterne, gleichwohl selbstsichere Zurückhaltung, die leise, bedächtige Art zu reden, das Grau seiner öffentlichen Auftritte, sein rissiger Charme, der kaum ein Lächeln kennt — all das kann nicht über den ausgeprägtesten Zug des 48jährigen Sozialdemokraten hinwegtäuschen: Er ist ehrgeizig und weiß Macht zu schätzen. Und genießt sie bisweilen.
    Grätz, in Schlesien geboren, auf dem platten Land im Niedersächsischen auf gewachsen, Kriegswaise. Die Erfahrungen einer entwurzelten Existenz, die dörfliche Enge, der nicht zu erfüllende Wunsch, nach der Volksschule die Realschule zu besuchen, — und wohl auch das Vorbild der beiden Großväter ließen ihn seine politische Heimat in der SPD finden. Einen Tag vor seinem 17. Geburtstag trat er in die Partei ein.
    Da war er beruflich schon fortgeschritten. Grätz lernte Ofensetzer und Fliesenleger, brachte es darin zu Höchstleistungen: Er wurde Bundesbester im Berufswettkampf dar Handwerksjugend. Nach Abandkursen und mittlerer Reife Studium an der Ingenieurschule für Keramik. Seit 1964 arbeitete Grätz, inzwischen in Wuppertal heimisch, an einem Forschungsinstitut, zuletzt als Abteilungsleiter.
    Seine politische Karriere hinkte hinterher. Eher zufällig wurde er Juso-Chef in Wuppertal und merkte schon bald, als Jinker Realist", daß es feinen Zweck hat, verbal dauernd mit dem linken Bein aufzustampfen". Man müsse seine Ideen vielmehr "im Hinterkopf haben und Stück für Stück zu verwirklichen suchen". Seit 1970 im Landtag, hält er sich an diesen Grundsatz. Die Frustrationen der frühen Parlamentsjahre kompensierte Reinhard Grätz mit einem großen Wurf, dem Weiterbildungsgesetz, als dessen Vater er sich fühlen darf. Inzwischen ist das schon Landesgeschichte.
    In Partei und Landtagsfraktion machte Grätz still und beharrlich seinen Weg. Er gehört dem Landesvorstand an, war stellvertretender Fraktionschef und übt derzeit als Parlamentarischer Geschäftsführer ein Schlüsselamt aus. Und längst hat er sich als Rundfunkpolitiker profiliert. Die Stendener Medientage der SPD hat er zu einer wichtigen Einrichtung gemacht. Im Vorsitz des Rundfunkrats des Westdeutschen Rundfunks arbeitet er diskret und wirkungsvoll. Als der Kölner Sender Anfang 1988 wegen der Affäre Höfer ins Gerede gekommen war, sorgte er für den jähen Sturz des Fernsehstars, den seine NS-Vergangenheit eingeholt hatte, vom Tresen des Internationalen Frühschoppens.
    Manche, denen der Aufstieg des Reinhard Grätz ein Rätsel ist, sehen die Lösung in der Person des Parteichefs und Ministerpräsidenten. Der fördere seinen Wuppertaler Freund nach Kräften und habe ihm auch das Geschäftsführeramt verschafft. Letzteres mag Grätz nicht bestreuen, alles andere aber nennt er "Legende". "Fast jede Funktion bekam ich ohne ihn", sagt Grätz nicht ohne Stolz. Zwar sei das Vertrauensverhältnis "senr gut", aber ein Protege" des Regierungschefs sei er beileibe nicht. Vielmehr sei ihm "diese intensive Nähe zu Rau" eigentlich unangenehm, meint er heute. Hinter einem solchen Selbstbefreiungsschlag mag auch Enttäuschung stecken. Reinhard Grätz wäre gerne Kultusminister geworden, aber Rau entschied sich nicht für ihn, sondern für Hans Schwier.
    Freilich: Wie Rau ist auch Reinhard Grätz ein engagierter evangelischer Christ. Aber auch hier betont der 48jährige den Unterschied. Er komme "aus einem ganz anderen Stall" als Rau und habe eine ganz andere Motivation, nicht jene pietisch-bergische, aus deren Umfeld der Regierungschef stammt. Stets, auch im religiösen Bekenntnis, hat er sich als "Proletarierjunge" gefühlt. Das "hochmütig Bürgerliche" ist ihm fremd geblieben.
    Über seine politische Zukunft gibt Reinhard Grätz, verheiratet, Vater einer Tochter, nur in groben Zügen Auskunft. Natürlich will er wieder für den Landtag kandidieren. Und wenig spricht dagegen, daß er dies auch wieder in dem Wahlkreis tut, den er 1985 mit 54,9 Prozent direkt gewann. Aber Grätz läßt auch andere Ambitionen durchschimmern. Ihn fasziniert die Medienpolitik in zunehmendem Maße — "nicht nur als Episode" eines Politikerlebens. Hier hat er als "Nischenriecher" (Grätz über Grätz) ein Feld entdeckt, das nicht nur Intentionen, sondern auch Intendanten kennt.
    Bernd Kleffner

    ID: LI881834

  • Porträt der Woche: Erich Kröhan (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 17 - 08.11.1988

    Der Typus des Politikers, den der 1924 in Berlin geborene gelernte Maschinenschlosser Erich Kröhan repräsentiert, stirbt aus. Das fürchten nicht wenige, die mit eher gemischten Gefühlen die (noch gar nicht abgeschlossene) Entwicklung der 125 Jahre alten Sozialdemokratischen Partei Deutschlands von der Partei der Arbeiterbewegung zur von Angehörigen des öffentlichen Dienstes dominierten "Volkspartei" registriert haben wollen. Diese Furcht ist gewiß nicht ganz unberechtigt. Denn Leute, einerlei ob Frau oder Mann, die keine Hochschul- oder zumindest Fachhochschulreife nachweisen können, haben es heute ungleich schwerer, in der SPD "Karriere"zu machen, als in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese Feststellung trifft zwar nicht nur für die Sozialdemokratie zu, für die SPD vielleicht aber doch mehr als für die "bürgerlichen" Parteien, die sich immer noch gern mit einer Frau oder Mann aus dem Arbeiterstand schmücken. Doch festzuhalten gilt, das politische Naturtalent — so etwas gibt es tatsächlich und nicht nur in der politischen Fama — wird sich auch heute durchsetzen, und selbst ohne Starthilfe durch akademische Würden. Die Frage ist eher, ob ein politisch talentierter Arbeiter überhaupt noch Lust hat, zur Ochsentour anzutreten. Denn, Talent und Berufserfahrung, guter Wille und die Bereitschaft, für den Nächsten einzustehen, nützen wenig, wenn die Zeit für ausgedehnte parteiinterne Diskussionen fehlt und wenn Wendigkeit und rhetorische Begabung beim Parteivolk höher im Kurs stehen als Inhalte von Politik und die Festigkeit im Prinzipiellen: In den demokratischen Parteien hat allerdings der Nachdenkprozeß darüber begonnen, wie man mangelnde Attraktivität bei der Jugend, kritische Distanz beim Bürger, Glaubwürdigkeit schlechthin, überwinden, wieder herstellen kann. Der Entrüstungssturm, den Spenden- und Selbstbedienungspraxis an den Staatskassen entfacht hatten, hat dazu gezwungen. Aber die Diskussion geht heute schon viel weiter. Spiegelt die Mitgliedschaft noch das Wählerpotential wider, können sich große Gruppen der Gesellschaft vertreten fühlen? Solche Fragen werden gestellt. In der SPD kam als erstes Produkt des Prozesses die Quotenfrau heraus. Wieder eine Verengung, sagen einige, endlich der richtige Weg zur Mehrheit, jubeln andere.
    Zurück zu Erich Kröhan, der nicht nur Maschinenschlosser lernte, sondern den Beruf auch ausübte, sich zum Technischen Angestellten hochrackerte und seit 1966 einen Mülheimer Wahlkreis im Landesparlament vertritt. Er gehört mit seinem Beruf zu einer verschwindend kleinen Minderheit im Landtag. Aber er gehört auch zu den angesehensten Parlamentariern. Vielleicht gerade deshalb, weil er nie versucht hat, dem hinterherzulaufen, was gerade als "modern" und besonders erfolgversprechend galt, sondern weil er immer an dem festgehalten hat, was er als notwendig für die Menschen im Land, was er als richtig für die Entwicklung des Gemeinwesens erkannt hatte. Stur und uneinsichtig war er aber nie, er hörte die Argumente anderer an, prüfte sie genau und entschied erst danach. Heraus kam dann meist etwas, was viele mittragen konnten. Dabei ist er immer ein Mann mit Grundsätzen geblieben, wenngleich seine Politik viele pragmatische Züge trägt, was ja beileibe kein Nachteil und allenfalls den ideologischen Utopisten ein Greuel ist. Fast selbstverständlich, daß ein Mann wie Kröhan sich dem Handfesten zuwendet, ohne lange zu fragen, ob man damit leicht den Lorbeer pflücken kann. So ist er Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Landtag, dem so Teures wie der öffentliche Nahverkehr, so Umstrittenes wie Autobahn- und Straßenbau und so in Verruf Gekommenes wie der Luftverkehr anvertraut ist. "Betonköppe", so weiß Erich Kröhan, sind sie von "Parteifreunden" geschimpft worden, oder, wenn das noch nicht reichte, "rechte Betonköppe".
    Inzwischen hat sich der Wind gedreht. Die Leute, die auf dem Flughafen Düsseldorf stundenlang festsitzen, weil ein Jet in die Wiese gerollt ist, die auf dem Weg zur Arbeit mit ihrem Auto im Stau stehen oder die am Abend lange und manchmal vergeblich auf einen Bus warten, sind Wähler, vielleicht sogar die Mehrheit. Die Erkenntnis beginnt zu dämmern, daß jede einseitige Ausrichtung von Politik längerfristig zum Scheitern verurteilt ist. Staatliches Handeln muß stets das allgemeine Wohl im Auge behalten. Dem Menschen zu dienen, das ist für Kröhan Sinn aller Politik. So überprüft er in regelmäßigen Bürgersprechstunden daheim in seinem Wahlkreis das, was er im Landtag tut, an der Elle der Wählermeinung. "Ohne diese Rückkopplung", so bekennt er, "könnte ich nicht arbeiten." Er leistet seit Jahrzehnten das, was man moderne Basisarbeit nennt. Die Menschen kennen ihn, sie wissen, er hört zu, er hilft, wo er kann. Er ist einer von ihnen geblieben. Und er ist kein "Fachidiot", der nur Straßen betoniert; er macht sich Gedanken darüber, ob der Mensch die Erde so beanspruchen darf, wie er es tut. Nur, er hat kein Patentrezept. Vielleicht weil er ehrlich gegen sich selbst ist und die immerwährende Unzulänglichkeit menschlichen Handelns stärker empfindet. Aber das ist beinahe Privates. Privates geht niemand etwas an, sagt Kröhan. Und deshalb gibt auch sein Lebenslauf im Landtagshandbuch darüber keine Auskunft. Schwere Schicksalsschläge hat er erlitten. Das ist vielleicht der Grund, warum er sich immer dem Mitmenschen zuwendet, ganz privat und in der sozialdemokratischen Politik gleichermaßen.
    Karl Lohaus

    ID: LI881743

  • Porträt der Woche: Joachim Schultz-Tornau (F.D.P.)
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 16 - 18.10.1988

    "In nahezu allen Bundesländern lassen sich Landesregierung und Parlament in Wissenschafts- und Hochschulfragen von Beiräten oder Kommissionen beraten", sagt der Liberale Joachim Schultz-Tornau und hebt hervor, die Einrichtung habe in Bremen so gute Arbeit geleistet, daß die Bürgerschaft sie dort sogar gesetzlich verankert habe.
    Für Nordrhein-Westfalen stellt der F.DP.-Abgeordnete auf diesem Gebiet einen "echten Nachholbedarf" fest. Deshalb hat Schultz-Tornau, der Vorsitzender des 16köpfigen Ausschusses für Wissenschaft und Forschung im NRW-Landtag ist, dieser Tage für seine Partei einen Antrag ein gebracht, in dem die Einsetzung einer solchen Kommission für NRW vorgeschlagen wird. Zuversichtlich hofft der Freidemokrat, daß die beiden großen Parteien im Interesse der Sache seinem Vorschlag folgen werden.
    Nach Auffassung das ED.P.-Mannas sollten in dem neuen Gremium Sachverständige aus Wissenschaft, Wirtschaft, Gewerkschaften, Kultur, Städten und Gemeinden vertreten sein und ehrenamtlich arbeiten. Inhaltlich begründet Schultz-Tornau sein Anliegen so: Zukünftige Schwerpunkte auf den für die Erneuerung Nordrhein-Westfalens wichtigen und notwendigen Feldern in Lehre und Forschung können nur erarbeitet werden, wenn der innerhalb und außerhalb unseres Landes vorhandene Sachverstand gebündelt genutzt wird." Davon habe das Land bisher zu wenig Gebrauch gemacht. Der Abgeordnete "Das unabhängige Sachverständigengremium könnte dabei behilflich sein, die schwierigen Probleme der Neustrukturierung aus allen wesentlichen Blickwinkeln zu beleuchten und zu lösen."
    Ebenso vehement, wie sich der 45jährige für die Kommission einsetzt, kämpft er auch für andere Belange in seinem Zuständigkeitsbereich. Als Vorsitzendem des Wissenschaftsausschusses geht es ihm dabei besonders um möglichst viel Autonomie für die Hochschulen. "Sie müssen die Chance haben, ihr schöpferisches und kreatives Potential auch möglichst frei umzusetzen" wirbt der Liberale. Keine auch noch so tüchtige Ministerialbürokratie sollte über das Schicksal der Hochschulen entscheiden, sondern sie selber müßten ihr Zukunftsprofil ganz individuell" herausfinden.
    Bei soviel Freizügigkeit ist eine Auseinandersetzung der Ausschußvorsitzenden mit der zuständigen Wissenschaftsministerin Anke Brunn programmiert. Doch der F.D.P.-Politiker versichert: "Das Verhältnis zu Frau Brunn ist menschlich in Ordnung", fügt aber auch hinzu, "ansonsten sind wir natürlich Konkurrenten." Oberhaupt lobt der Ausschußvorsitzende das "außerordentlich angenehme Klima" im Wissenschaffsausschuß über alle Parteigrenzen hinweg. Schultz-Tornau: "Die Arbeit macht richtig Freude."
    Längst hat es der Liberale verwunden, daß er ursprünglich in den Schulausschuß gewollt hat. "Das hing mit meiner kommunalpolitischen Arbeit zusammen", erklärt er, denn seit er 1983 in den Rat der Stadt Bielefeld einzog und dort auch gleich F.D.P.-Fraktionsvorsitzender wurde, beschäftigen ihn Schul- und Bildungsfragen. Sachkundiger Bürger im Bielefelder Schulausschuß ist Schultz-Tornau übrigens auch heute noch. Im Landtag hat er sich dagegen mit einer Stellvertreter-Position im Schulausschuß zufriedengegeben.
    So engagiert der FDP.-Mann heute seine politischen Vorstellungen vertritt, so wenig wurde an seiner Wiege wohl an eine politische Karriere gedacht. Als Sohn eines Juristenehepaares am 4. März 1943 in Metz in Lothringen geboren, wuchs Schultz-Tornau im Saarland auf. Das familiäre Umfeld beschreibt er als politisch liberal, aber nicht parteigebunden. Mt der Politik kam ich frühzeitig in Berührung, weil das Saarstatut, also die Frage der Europäisierung der Saar, die Bevölkerung stark beschäftigt hat", erinnert sich der Parlamentarier und weiß noch sehr genau, wie er als gerade Zwölfjähriger sich in der Schule als "Deutscher"mit den "Separatisten" Redeschlachten geliefert hat. Auch die Zeitung "Deutsche Saar" hat er verteilt und nachdem die Deutsche Partei Saar dann zur F.D.P. geworden sei, waren Persönlichkeiten wie Theodor Heuss und Thomas Dehler seine persönlichen Vorbilder.
    Partei-politisch gebunden hat sich Schultz-Tornau allerdings erst 1963 mit Beginn seines Studiums. "Da bin ich dem liberalen Studentenbund beigetreten und wurde auch Mitglied bei den Jungdemokraten", sagt er und fügt hinzu: Anfang 1966 wurde ich dann auch F.D.P.-Mitglied."
    Nach seinem Jurastudium, das er in Saarbrücken und Tübingen absolvierte, ging Schultz-Tornau mit seinem Mentor Professor Werner Maihof er nach Bielefeld, wo er zunächst als Assistent an der Uni arbeitete und nach einer kurzen Tätigkeit in einem Anwaltsbüro Rechtsdezernent der Stadt Lage wurde.
    So richtig intensiv ist er in die Parteiarbeit eingestiegen, als Maihofer 1969 Spitzenkandidat im Saarland wurde. Aus der Zeit rühren wohl auch die eigenen Ambitionen. 1971 nach Bielefeld gezogen, war Schultz-Tornau bereits zwei Jahre später Ratsmitglied und zugleich auch Fraktionschef der Liberalen.
    1975 kandidierte er, chancenlos zwar, wie er selber wußte, als Direktkandidat für den Bundestag, 1980 auf demselben Weg für den Landtag. Fünf Jahre später klappte der Sprung ins NRW- Parlament und Schultz-Tornau macht kein Hehl daraus, daß er 1990 gern wieder dabeisein möchte: "Es ist eine Aufgabe, bei der man selber etwas gestalten kann, und zugleich immer noch dazulernt", begründet er seine Einstellung. Sofern ihm sein Engagement im Hochschulbereich und seine Abgeordnetentätigkeit noch Zeit lassen, gehört das Singen zu den Lieblingshobbys des Liberalen. Außerdem wandert er gern und interessiert sich für Fußball. Wenn die Zeit reicht, beobachtet er auf dem Fußballplatz, wie sich Arminia Bielefeld gerade schlägt.
    Zur Zeit müssen diese Vorlieben allerdings etwas zurückstehen, denn Schultz-Tornau hat ein neues Hobby entdeckt. Er gründet gerade im Bielefelder Raum eine deutsch-japanische Gesellschaft, "damit", so sagt er, "die Kontakte, die ich im letzten Jahr während einer Ausschußreise in den Fernen Osten geknüpft habe, nicht wieder einschlafen".
    Gerlindt Schaidt

    ID: LI881631

  • Porträt der Woche: Franz Riehemann (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 15 - 11.10.1988

    "In meinem Wahlkreis kann ich nicht viel damit anfangen, aber es muß ja Leute geben, die sich darum kümmern." Seit 1966 kümmert sich Franz Riehemann (67) darum und will es bis zum Ende der Legislaturperiode weiter tun. Gemeint ist die Arbeit im Ausschuß für Haushaltskontrolle, der früher einmal Rechnungsprüfungsausschuß hieß. Nach seiner ersten Wahl in den Landtag wurde er Mitglied dieses Ausschusses, vier Jahre später dessen Vorsitzender. Vermutlich ist dies ein Rekord: Nach jeder folgenden Wahl wurde der CDU-Abgeordnete erneut in das Vorsitzendenamt gewählt, das er jetzt über 18 Jahre innehat.
    Doch von Rekorden hält der bodenständige Münsterländer, dem überall Sachlichkeit, Zuverlässigkeit und Fairneß nachgesagt wird, nicht allzuviel: "Der Ausschuß pocht darauf, daß die Landesregierung nach Recht und Gesetz handelt." Ohne Bedauern in der Stimme fügt er an: "Das ist nicht spektakulär". Ebensowenig spektakulär ist die Arbeit der Kommission für Wirtschaftsbetriebe des Landtags, die sich im wesentlichen mit der Verpflegung der Abgeordneten und der Landtagsmitarbeiter befaßt, und die er seit vielen Jahren leitet. Mit ganz leiser Ironie merkt er an: "Damit hat man mich wohl betraut, weil ich Hotelier bin."
    Im Zentrum von Steinfurt-Borghorst steht das mittelständische Hotel der Riehemanns. Kurz nach Rückkehr aus dem Krieg, in dem er als Fallschirmjägeroffizier fünfmal verwundet worden war, trat er dort 1945 in die CDU ein. Zu diesem Entschluß hätten die Erfahrungen aus der Nazi-Zeit und die Prägung durch das Elternhaus beigetragen, erklärt er. In seiner Heimat ist er fest verwurzelt, dort ist er Ehrenvorsitzender des Heimatvereins Borghorst und der Kreis-Mittelstandsvereinigung der CDU.
    Solides Selbstbewußtsein ist festzustellen, wenn er darauf hinweist, daß er bei allen Landtags wahlen seit 1966 in seinem Wahlkreis, der heute Steinfurt I/Coesfeld II heißt, mehr als 50 Prozent der Stimmen errungen hat. Vor der Kandidatennominierung 1985 hat er erklärt, 1990 nicht erneut kandidieren zu wollen; dabei bleibt es natürlich. Für bemerkenswert hält er jedoch diesen Umstand: Als er sich 1966 um die Kandidatur bemühte, hatte er es mit neun Mitbewerbern zu tun. Um seine Nachfolge bewerben sich bislang erst drei Kandidaten. Er führt dies u.a. darauf zurück, daß mittlerweile das Ansehen der Politik "ein wenig ramponiert"sei, teilweise trügen die Politiker selbst die Schuld daran. Nach seinem Empfinden sind die physischen und politischen Belastungen für den Mandatsträger auch schwerer geworden. Vor Ort müsse der Landtagsabgeordnete mehr auf Aktivitäten und Proteste von Bürgerinitiativen eingehen. Stärker als damals werde heute vom Abgeordneten erwartet, daß er stundenlag bei Festivitäten aller Art herumsitzt".
    Von Resignation will Franz Riehemann nichts wissen, obwohl er bis auf wenige Monate in 22 Jahren immer einer Oppositionsfraktion angehört hat. Die Landtagswahl 1966 hatte der CDU/F.D.P-Koalition eine knappe Mehrheit von 101 zu 99 Sitzen gebracht, die schon wenige Monate später zerbrach. Ein wenig Bedauern schwingt mit, wenn er feststellt, daß das Beispiel Niedersachsen zeige, daß man auch mit so knapper Mehrheit regieren könne; damals habe man wohl daran gezweifelt.
    Die heutigen Mehrheitsverhältnisse im Landtag, dessen Präsidium er seit 1969 angehört, sieht er kritischer. Wenn sich die SPD-Fraktion mit ihrer absoluten Mehrheit eine Meinung gebildet habe, sei kaum noch etwas daran zu ändern: "Der Regierungsfraktion fällt es schwer, die Regierung zu kontrollieren."
    Nach Riehemanns Beobachtungen sind die menschlichen Beziehungen zwischen den Fraktionen im Vergleich zu den 60er Jahren heute "stark abgekühlt", was sehr zu bedauern sei. Das sei wohl auf die zunehmende Hektik in der Politik zurückzuführen. Um so zufriedener ist er darüber, daß sich einige Freundschaften über Parteigrenzen hinweg gehalten hätten.
    Ludger Audick

    ID: LI881540

  • Porträt der Woche: Professor Dr. Friedhelm Farthmann (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 14 - 27.09.1988

    Zu den Feiglingen im Lande zählt er nicht. Und auch nicht zu jenen Politikern, die nur eine große Lippe riskieren, wenn sie die Mehrheit hinter sich wissen. Daß Friedhelm Farthmann vielmehr auch bereit ist, sich um Amt und Würde zu reden, wenn er denn meint, daß ein offenes Wort geboten ist, bewies der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion unlängst auf dem SPD-Bundesparteitag in Münster, als er als einer der ganz wenigen männlichen Delegierten gegen die zu diesem Zeitpunkt schon unvermeidbare Quotenregelung im SPD- Parteistatut agitierte. Das hätte ihn in der Halle Münsterland leicht seinen Sitz im SPD-Parteivorstand kosten können. Doch Farthmann wäre nicht Farthmann, wenn er in dieser für ihn wichtigen Frage geschwiegen oder gar geheuchelt hätte, wie dies in Münster so viele Männer taten, die die eine Faust — unter dem Tisch, wohlgemerkt — ballten und die andere Hand brav für mehr Frauenmacht in der SPD hoben. Die Frauen aber zeigten angesichts ihres Triumphs in Münster Großmut: Nicht Farthmann, sondern Peter Glotz und Hans Apel wurden aus dem Vorstand herausgekegelt. Wenn sich die SPD-Spitze demnächst einmal mit Querelen wegen der Quotenregelung herumplagen muß, kann der SPD-Fraktionsvorsitzende aus dem Düsseldorfer Landtag sich als einziges Vorstandsmitglied genüßlich zurücklehnen und hörbar brummein: "Ich bin schon immer dagegen gewesen."
    Die Frauen und Friedhelm Farthmann — das ist ohnehin ein dornenreicher Abschnitt auf dem politischen Lebensweg des promovierten Rechts- und Staatswissenschaftlers, dessen parteipolitische Karriere 1958 mit dem Eintritt in die SPD begann, die ihn bald in zahlreiche Führungsgremien erst der nordrhein-westfälischen und dann der Bundes-SPD führte, in den Bundestag, in die Düsseldorfer Landesregierung, 1980 in den Landtag und 1985 an die Spitze der mit absoluter Mehrheit die Regierung Rau nur an einem sehr langen Zügel kontrollierende SPD-Fraktion brachte. In seiner Zeit als Arbeits- und Sozialminister war ausgerechnet Farthmann Frauenbeauftragter der Landesregierung. Das Verhältnis zur Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) ist seitdem von gegenseitiger herzlicher Abneigung geprägt. Unvergessen ist auch jener Streit mit WDR und "Spiegel", die Farthmann mit abstrusen frauen feindlichen Geschmacklosigkeiten zitierten, die nur deshalb hier unwiederholt sein sollen, um neue Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Denn Friedhelm Farthmann fühlte sich damals mißverstanden, falsch zitiert. Dem bullerigen SPD-Fraktionsvorsitzenden geschieht das im Umgang mit Journalisten häufiger. Sein Verhältnis zur Landespressekonferenz ist denn auch eher distanzierter Art. Aber in Zeiten einer immer wilder wuchernden Mediendemokratie, in der immer mehr Politiker die Journalisten für ihre Ziele einzuspannen versuchen (und zu viele Journalisten sich zu willig einspannen lassen) spricht so eine Journalisten-Beziehung à la Farthmann nicht unbedingt gegen den SPD-Fraktionsvorsitzenden. Was die Medien über ihn zu Papier bringen oder in den Äther ausstrahlen, ist dem selbstbewußten SPD- Politiker ohnehin fast schnuppe. Laß die Hunde nur bellen, wenn die Karawane nur in der Spur bleibt und dem Leitkamel folgt, ist in puncto Presse die — unausgesprochene und dennoch deutlich zur Schau getragene — Maxime des Friedhelm Farthmann.
    Und seitdem er die Fraktion führt, bleibt sie in der vorgegebenen Spur. Johannes Rau hat da wenig Grund zur Klage. Die einstige Sorge des Ministerpräsidenten, daß die Fraktion mit Farthmann an der Spitze ein zu starkes Gegengewicht zum Kabinett bilden könnte, hat sich dank Farthmanns Loyalität dem Regierungschef gegenüber ins Nichts verflüchtigt. Selten genug, daß es einmal hinter verschlossenen Türen rappelt — in der Öffentlichkeit und im Plenum des Landtags brauchen sich Rau und seine Minister über mangelnden Flankenschutz von seiten Farthmanns und der Fraktion nicht zu beklagen. Angesichts leergefegter Kassen bestimmt das Mögliche und schon längst nicht mehr das Wünschenswerte das Maß aller Entscheidungen. Zehn Jahre Kabinettszugehörigkeit haben Farthmann da auch die Grenzen eines Fraktionsvorsitzenden deutlich werden lassen — oder genauer: er selbst hat sie auch Fraktionsvorsitzenden deutlich gemacht. Für ihn gilt, was für die Vorgänger gelten mußte: Nur kein Keil zwischen Kabinett und Fraktion. So ist er ein Manager der Macht geworden, der im Gegensatz zu seiner Ministerzeit lieber hinter als vor den Kulissen agiert: Selbstbewußt, machtbewußt, grob mit dem politischen Gegner, wenn es denn der von ihm als richtig angesehenen Sache dient, ein Politiker auch, der an den engen Grenzen seiner politischen Möglichkeiten in einem Landesparlament leidet. Ein Politiker, der sagt, was er denkt und tut, was er sagt. Und das ist schon viel in dieser Zeit in diesem Land.
    Reinhard Voss

    ID: LI881441

  • Porträt der Woche: Dr. Manfred Sanden (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 13 - 20.09.1988

    Er sieht sich als ein Mittler zwischen Politik und Wirtschaft, deren gegenseitiges Verhältnis nach seinen Erkenntnissen sehr im argen liegt — Dr. Manfred Sanden, Rechtsanwalt, Kaufmann und CDU-Landtagsabgeordneter. Diese Kombination von Beruf und Politik scheint geradezu ideal zu sein, die zweifellos schwierige Aufgabe auch erfolgversprechend anzupacken. Für den heute 48jährigen Wuppertaler ist beispielsweise die große Diskrepanz zwischer der erfolgreichen Wirtschaftspolitik der Bonner Regierung und ihrer Bewertung auch von vielen Wirtschaftlern ein Exempel für die Notwendigkeit eines verstärkten Dialogs zwischen beiden Seiten bis auf die Ortsebene.
    So ist Manfred Sanden auch persönlich davon überzeugt, daß viele Reformen, die in der Vergangenheit bereits erreicht worden sind oder in der Zukunft noch bewältigt werden müssen, nur unter einem Kanzler Kohl möglich sind. Kohl sei einer der wenigen Politiker, die sich nicht durch kurzfristige Stimmungen oder Strömungen beeinflussen ließen, sondern ihre einmal als richtig erkannten Ziele unbeirrt weiterverfolgten. Im übrigen auch auf die Gefahr, in der öffentlichen Beliebtheitskurve zu sinken. Für den Christdemokraten ist es daher "absolut ungerecht", dem Kanzler anzulasten, er würde "alles aussitzen". Im Gegenteil, man sollte ihn, meint Sanden, "dafür loben".
    Der promovierte Jurist ficht auch in zahlreichen Gremien, wie der Industrie- und Handelskammer in Wuppertal oder im öffentlichkeitsausschuß des Arbeitgeberverbandes für die Steuerreform, die vielen Unternehmern nach seiner Ansicht "erhebliche Vorteile" bringe. Andererseits sei es aber auch wichtig, Gedanken und Anliegen der Wirtschaft in die Politik einzubringen. So unterstützt der Wuppertaler, der sich als Sozius einer größeren Anwalts-Sozietät auf Gesellschafts-, Steuer- und Wirtschaftsrecht spezialisiert hat, die Forderung nach Abschaffung der Gewerbesteuer. Als Ersatz für die finanziellen Ausfälle der Kommunen müsse eine Abgabe geschaffen werden, die größere Bevölkerungsgruppen ebenfalls entrichten sollten. Bei der Gewerbesteuer handelt es sich nach seiner Auffassung um eine sehr problematische, einseitige Belastung der Unternehmer.
    Seit 1975 im nordrhein-westfälischen Landtag, gehört der CDU-Abgeordnete verständlicherweise dem Wirtschaftsausschuß an, und er ist stellvertretendes Mitglied des Rechtsausschusses. "In beiden Gremien kann ich meinen Sachverstand anbieten." Nach seiner Einschätzung gibt es nur eine sehr begrenzte Wirtschaftspolitik der Bundesländer. Sie konzentriere sich auf die äußere Darstellung des Landes und auf nur einzelne Projekte. Eine umfassende Imagepflege, die Präsentation als modernes Industrieland, habe Nordrhein-Westfalen lange vernachlässigt. Die Düsseldorfer Regierung habe sich zu sehr an ihren "Problemkindern" festgehalten, an Kohle und Stahl, meint Sanden.
    Der gebürtige Königsberger, Jahrgang 1940, absolvierte sein erstes Staatsexamen 1964 in München. Es folgten Promotion in Köln und zweites Examen in Düsseldorf. Nach Wuppertal schließlich zogen Manfred Sanden die "ehelichen Bande". Dort leitete er auch eine zeitlang als geschäftsführender Gesellschafter ein mittelständisches Unternehmen. Anfang der 70er Jahre führte ihn sein Entschluß, sich politisch zu engagieren, in die CDU. Bei den folgenden Landtagswahlen holte er erstmals den Wahlkreis 59, Wuppertal IV, für seine Partei. Zwei weitere Male kam Manfred Sanden als einer der Repräsentanten der CDU-Wirtschaftsvereinigung über die Landesliste in den Düsseldorfer Landtag.
    Der Alltag ist für den engagierten Juristen nicht selten ein Balanceakt zwischen Beruf und Mandat. Dennoch möchte er auf beide nicht gern verzichten.
    Jochen Jurettko

    ID: LI881329

  • Porträt der Woche: Norbert Burger (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 12 - 13.09.1988

    Wenn im Düsseldorfer Landtag der Name Norbert Burger fällt, heißt es zumeist im gleichen Atemzug auch "Burger-Kommission". Der Kölner Oberbürgermeister hat sich in seiner zweieinhalbjährigen Abgeordnetenzeit weniger mit tagespolitischen Beiträgen hervorgetan, er wirkt eher hinter den Kulissen, und da hat sein Name bei Kollegen, vor allem aber in der Ministerialbürokratie, einen guten Klang.
    Mit der vom Hauptausschuß eingesetzten und von Norbert Burger geleiteten und maßgeblich bestimmten "Kommission zur Effizienzsteigerung der Landesverwaltung" hat der SPD-Mann die Ministerien ganz schön unter Druck gesetzt. Bis zum Jahresende muß die Landesregierung dem Hauptausschuß über die Umsetzung der von der Kommission erarbeiteten Vorschläge Bericht erstatten. Da Burger als Jurist und Verwaltungsfachmann weiß, wo angesetzt werden muß, wenn die Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit der Verwaltung gesteigert werden sollen, herrscht in einigen Ressorts "extreme Hektik", wie ein Insider zu berichten weiß. Drei Untergruppen sind gebildet, um bis Jahresfrist die Verwaltung gründlich nach mehr Effizienz zu durchforsten. Burger ist sich bewußt, daß der mit seinem Namen verknüpfte und im März dieses Jahres verabschiedete Bericht "etwas Aufregung unter Personalräten" verursacht hat, und ihm ist auch klar, daß es sich um "einen ziemlich umfangreichen Auftrag" handelt, dennoch bleibt der Sozialdemokrat klar bei seiner Linie: " Wir werden prüfen, ob das, was die drei im Landtag vertretenen Parteien einstimmig beschlossen haben, auch wirklich umgesetzt wird."
    Neben dieser Sisyphusarbeit sind Burgers Themenganz die eines Mannes, der in der Kommunalpolitik groß geworden ist: Wahlrecht für Ausländer, Reform der Gemeindeordnung; für den Landesorden hat ersieh eingesetzt, der private Lokalfunk ist sein Steckenpferd, vor allem aber beschäftigt ihn die Sozialpolitik.
    Das soziale Engagement war wohl auch ausschlaggebend dafür, daß Burger in die Politik gegangen ist. Sein Elternhaus — der Vater Bauunternehmer und Architekt, die Mutter Hausfrau — war weder politisch noch religiös besonders ausgerichtet. Als der Vater nach einer Erkrankung erwerbsunfähig wurde, übernahm die Mutter das Geldverdienen. Burger erinnert sich: " Prägend war meine Mutter, die in der Sozialverwaltung eine Anstellung gefunden hatte. Da habe ich schon als Kind mitbekommen, wie Leute zu uns nach Hause kamen, um geholfen zu bekommen." Trotz finanzieller Schwierigkeiten konnte Norbert Burger, der am 24. November 1932 in Köln geboren und im Arbeiterviertel Ehrenfeld aufgewachsen ist, das Abitur machen und Jura studieren.
    Die soziale Arbeit seiner Mutter, das pazifistische Ideengut, das er in einem Quäkernachbarschaftsheim mitbekam, und der europäische Zeitgeist der 50er Jahre brachten dem jungen Kölner den Gedanken der Gesamtdeutschen Volkspartei (GVP) näher. Für sie machte er Wahlkampf, ohne allerdings wie Johannes Rau und Diether Posser der GVP beizutreten. Allmählich dann hatte der Jurastudent doch den Wunsch, nicht nur dabei zu sein, er wollte politisch etwas verandern und wünschte sich, daß die CDU als Regierungspartei abgelöst würde und die anderen "auch einmal drankämen". So trat er am 1. Juli 1957 in die SPD ein, übrigens nur wenige Tage später als Rau von der GVP zur Sozialdemokratie überwechselte. Mit der für ihn typischen Selbstironie meint er heute: " Das einzige, was sich bei der Bundestagswahl 1957 veränderte, war, daß die CDU zum ersten Mal die absolute Mehrheit bekam."
    Aber er hatte eine Entscheidung getroffen und seine politische Karriere verlief seither kontinuierlich nach oben. Von 1958 bis 1968 war er Vorstandsmitglied in den Kölner Ortsvereinen Ehrenfeld und Sülz. Seit 1968 ist er Mitglied des Unterbezirksvorstandes, zwischenzeitlich war er Ortsvereinsvorsitzender und wiederholt Delegierter auf Unterbezirks-, Landes- und Bundesparteitagen. 1975 wurde er in den Rat der Stadt Köln gewählt. Seit dem 28. Oktober 1980 ist er Oberbürgermeister, und seit 1985 vertritt er die Domstadt im Landtag.
    Beruflich folgte nach dem Jurastudium eine Tätigkeit als Repetitor. Von 1963 bis 1973 war er Beamter der Stadt Köln, wechselte anschließend als stellvertretender Chef in das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung über und war anschließend sechs Jahre lang Abteilungsleiter im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
    Privat ist Norbert Burger verheiratet und hat drei Kinder. Für viel Privates — etwa mit dem Schlauchbötchen in Jugoslawien oder Spanien auf dem Wasser zu schippern oder in Krimis oder Geschichtsbüchern zu schmökern — bleibt mit dem Doppelmandat als Oberbürgermeister der Fast-Milionenstadt und Landtagsabgeordneter nicht viel Zeit übrig, auch wenn Burger seine Ausschußarbeit allein auf den Hauptausschuß beschränkt hat.
    1990 möchte der SPD-Politiker wieder in den NRW-Landtag einziehen, weil es als OB einer so großen Stadt schon wichtig sei, im Landesparlament präsent zu sein. Allerdings weiß Burger auch realistisch: "Man muß nicht glauben, daß ich alles, was für Köln gut ist, auch im Landtag durchsetzen kann. Da treffen sehr viel widerstreitende Interessen aufeinander." Immerhin könne man doch das eine oder andere durchbringen. Mit dieser Doppelmitgliedschaft wird es, falls die Kommunalreform in den 90er Jahren Gestalt annimmt, allerdings Schluß sein.
    Burger selber ist ein eifriger Verfechter dieser Reform, die er für dringend notwendig hält. "Es geht gar nicht in erster Linie darum, die sogenannte Doppelspitze zu beseitigen. Es gehe vielmehr um das Verhältnis von Rat und Verwaltung. Burger: "Der Rat darf nicht als Neben- oder Doppelregierung agieren." Nach Überzeugung des Kommunalpolitikers Burger wäre eine Magistratsverfassung "etwas anders, aber ähnlich, wie sie in Hessen praktiziert wird", eine saubere Lösung für NRW. Damit dieses Ziel erreicht wird, arbeitet Kölns erster Mann, der von sich sagt, daß ihm seine Oberbürgermeistertätigkeit "zu Zweiviertel bis Zweidrittel Spaß macht", in einer weiteren Kommission.
    Gerlind Schaidt

    ID: LI881236

  • Porträt der Woche: Hagen Müller (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 11 - 30.08.1988

    Daß sich ein frei gewählter Abgeordneter nicht als " Stimmvieh" seiner Parteiführung mißbrauchen läßt, das hat der Mendener SPD-Abgeordnete Hagen Müller erst unlängst deutlich gemacht. Als die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Anke Brunn (SPD) die Fachhochschule in Hagen "mir nichts dir nichts" dichtmachen wollte, sagte der Sozialdemokrat Müller im Kreise einer Handvoll " Rebellen" mutig "nein". Trotz eines gewaltigen Drucks der "Bosse" willigte er erst ein, nachdem die Ministerin kräftig nachgebessert hatte und Hagen als Fachhochschulort erhalten blieb. "Mehr war nicht drin", weist der "Überzeugungstäter" die Kritik der " Opposition" zurück, die " Rebellen" hätten sich schließlich doch dem Fraktionszwang gebeugt. " Ohne die Korrektur wäre es bei der Ablehnung geblieben", macht Hagen Müller klar.
    Überhaupt ist der gelernte Postbeamte kein Jasager. Müller geht seinen Weg, hält überhaupt nichts von "Fensterreden" im Plenum. "Der politische Gegner ist kein Feind", fordert der Sauerländer eine "Perestrojka" des Umgangstons. Daß dies nicht unmöglich ist, beweisen seiner Ansicht nach die Landtagsausschüsse, in denen — abseits der Öffentlichkeit — die Parlamentarier "ganz anders miteinander umgehen".
    Erst spät — mit 27 Jahren -r hat es Hagen Müller in die Arme der Partei gezogen. Schon im selben Jahr wurde der Sozialdemokrat stellvertretender Vorsitzender der Jungsozialisten im heimischen Lendringsen, seit 1974 führt er den SPD-Ortsverein Lendringsen. Schon 1975 ging es die Karriereleiter weiter hinauf: Müller wurde Ratsherr in Menden und bereits 1979 stellvertretender SPD-Fraktionschef im Rat. Beim Einzug in den Düsseldorfer Landtag legte "Multifunktionär" Müller den stellvertretenden Fraktionsvorsitz im Mendener Rat nieder. "Man kann sich nicht verzetteln." Der lebensfrohe Politiker ahnte, daß man in den Gremien zu leicht den Kontakt zur Basis verliert., Und darauf legte der überzeugte Sozialpolitiker, der "bisher nie die Zeit gehabt hat zu heiraten", größten Wert. Konsequent lädt der heute 43jährige alle 14 Tage zur Bürgersprechstunde nach Neuenrade, Balvem, Menden oder Hemer ein. Da bleibt für Urlaub nicht viel Zeit, stets "drubbelt" es sich auf dem Terminkalender. "Ab und zu mal ein paar Tage raus, aber es ist immer was." Junggeselle Hagen Müller fühlt sich auch in heimischen Breiten sichtlich wohl. Und wenn es 1990 bei der nächsten Landtagswahl nichts wird mit dem Direktmandat? "Da würde mir schon was fehlen, auch wenn ich kein Berufspolitiker sein will", philosophiert Müller. Bei der letzten Wahl sprach die "Großwetterlage" für den SPD-Kandidaten, der auf Platz 51 der Reserveliste nur die Chance der Direktwahl hatte. Spätestens als der heutige Parteivorsitzende Jochen Vogel am 1. Mai 1985 in Menden von einem Meer von Menschen umjubelt wurde, war der Genösse überzeugt, "es zu packen".
    Bei aller Politik, seiner Post ist der Abgeordnete treu geblieben. Bis zu zwölf Stunden in der Woche arbeitet der Postler als freigestelltes Mitglied des Personalrates beim Postamt Iserlohn. Schließlich hatten ihn die Kollegen "mit den bei weitem meisten Stimmen" trotz seiner Parlamentstätigkeit erneut zum stellvertretenden Vorsitzenden des Personalrates gewählt. Da konnte Hagen Müller nicht ablehnen, er lud sich auch diese anstrengende Aufgabe auf. Aus seiner vehementen Abneigung gegen die Privatisierungspläne von Bundespostminister Schwarz-Schilling macht der Mendener keinen Hehl. " Wir steuern mit Pauken und Trompeten ins Defizit, die Zeche zahlt der Bürger", malt Müller schwarz.
    Einer Aufgabe hat sich der SPD-Abgeordnete, der mit dem Marler Bürgermeister Lothar Hentschel (SPD) sogar einen Schwager im Düsseldorfer Parlament begrüßen konnte, aber besonders verpflichtet. " Wir müssen die Jugendarbeitslosigkeit senken", kämpft das Mitglied des Jugend- und Familienausschusses. Schon deshalb kam kein anderer Ausschuß in Frage — Hagen Müller ist eben ein " Überzeugungstäter".
    Wilfried Goebels

    ID: LI881149

  • Porträt der Woche: Dr. Diether Posser (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 10 - 14.06.1988

    Mit Diether Posser hat ein Mann das Kabinett verlassen, der seit 1968 dem Land 20 Jahre lang als Minister für Bundesangelegenheiten, Justiz und Finanzen gedient hat. Posser ging aus freien Stücken, rechtzeitig vor seinem geplanten Ausscheiden angekündigt; keine Spur von Ärger oder Resignation war dabei. Die Motive, warum der Rechtsanwalt und Notar aus Essen den Rückweg ins Private angetreten hat, sind klar: Der 66jährige will die Jahre, die ihm noch bleiben, dafür nutzen, zu reisen und, vor allem, Bücher zu schreiben. Mit ihnen, so sieht es der Schreiber dieser Zeilen, wird der Versuch unternommen werden, ein Stück Lebenserfahrung, die profunden Kenntnisse darüber, warum die Dinge so kommen müßten, wie sie gekommen sind, weiterzugeben. Ob diejenigen, die Lehren daraus ziehen könnten, es tun werden, bleibt Hoffnung, mehr nicht. Aus der Geschichte lernen kann man nur insoweit, wie man die Fähigkeit entwickelt hat, Vergleichbares ebenso scharf zu erkennen wie Fehler, die zu Mißerfolgen geführt hatten. Die bloße Kopie das Vergangenen paßt nie auf dia 8egen wart. Daß der Abgang Possers für Regierungschef Johannes Rau ebenso wie für die Landespolitik allgemein ein Verlust ist, hat niemand bezweifelt, am allerwenigsten Rau selbst. Ihm hat der Freund seit den Zeiten der politischen Lehrjahre unter dem Mentor Gustav Heinemann und der Rivale um die Nachfolge Heinz Kühns als Ministerpräsident 1978 nicht nur stets loyal gedient, sondern ihn auch offen beraten und gestützt. Die Klugheit Possers, seine Fairneß auch im Umgang mit dem politischen Gegner, die menschliche Lauterkeit und Aufrichtigkeit haben dem engagierten evangelischen Christen Respekt und Achtung in allen politischen Lagern eingetragen. Feinde, das scheint gewiß, hat er sich nicht gemacht. Dabei war er in jeder verbalen Auseinandersetzung, die der forensisch begabte und mit einem fulminanten Gedächtnis ausgestattete Mann stets offen und fair führte, ein eher unbequemer Gegner. Das Besänftigen nach allen Seiten, das Glattbügeln von schroffen Gegensätzen, schien ihm immer so überflüssig wie der Versuch, Feuer und Wasser zu vereinen oder die als unmöglich bewiesene Quadratur des Kreises noch einmal anzugehen.
    Wenn die Erinnerung nicht trügt, ist es in all den vielen Jahren niemandem gelungen, Posser im Landtag mit Argumenten zu widerlegen. Das soll nicht heißen, daß der Ständpunkt des Ministers gebilligt worden wäre. Schließlich gehört es zur Pflicht einer jeden Opposition, ihr Argument, ihre Sicht der Dinge dagegen zu setzen. Aber wenn dann die Redeschlacht vorüber war, ist so mancher Parlamentarier aus dem anderen Lager gekommen und hat eingestanden, daß er es in der Sache auch nicht anders machen könnte. Denn die Macht des Faktischen, so weiß man, schert sich nicht im geringsten darum, ob die Staatsmacht in roten oder schwarzen Händen liegt oder ob blaugelbe Griffe dabei sind. Bleibt noch anzumerken, daß sie sich auch nicht durch irgendwelche Ideologien oder Wachträume verändern läßt. So richtig ärgerlich konnte Posser, der dem Landtag seit 1966 angehört und somit schon zur,alten Garde"zählt, nur werden, wenn ein Kontrahent die Fakten "zurechtbog". Dann ging es hart zur Sache, und der Unwahrheit mußte die Entschuldigung folgen. Daran führte, wie aus der ersten Hälfte der 70er Jahre erinnerlich, auch der Umweg über den Ältestenrat des Parlaments nicht vorbei. Zum Glück blieben solche Fälle die Ausnahme. Im allgemeinen, so kann man feststellen, war das nordrhein-westfälische Parlament Stätte des Austauschs von Argumenten und nicht von Beschimpfungen. Und nicht gerade selten fanden alle Lager zum Konsens, auch und gerade in wichtigen Fragen.
    Mit Ratschlägen an seine Freunde und an die Landespolitik hält sich Diether Posser zurück. Nur wenn es darum geht, ob die enormen finanziellen Leistungen des Landes für die Kohle und alle damit zusammenhängenden Probleme der Lastenverteilung noch einmal zum Streitpunkt gemacht werden sollten, plädiert er klar für die Auseinandersetzung in Karlsruhe. Und er ist voller Zuversicht. Denn er glaubt nicht nur schlicht an die Gerechtigkeit, sondern er kann Chancen kühl ausrechnen. Das hat der "Anwalt im Kalten Krieg", wie sein erstes Buch heißen soll, bewiesen, als er vor dem Verfassungsgericht eine Bestimmung des Strafrechts kippte, nach der bereits Kommunisten zu Strafhaft verurteilt waren. Ein in der Rechtsgeschichte bislang einmaliger Fall.
    Vor Mißdeutungen seines Handelns hat sich Posser nie gefürchtet, wenn es ihm geboten schien, so zu handeln, wie er es tat. Als der mitten im Kalten Krieg gestorbene prominente Kommunist Heinz Renner in Essen beigesetzt wurde, waren Gustav Heinemann und Posser am Grabe. Heinemann, weil er mit Renner gemeinsam in einer Landesregierung gesessen hatte, Posser, weil Renner sein Mandant gewesen war. Der Verfassungsschutz, der zu Recht davon ausging, daß die Beerdigung Mitglieder der verbotenen KPD und andere zusammenführen würde, fotografierte eifrig. Er packte die Kameras erst ein, als das vorletzte Kondolenzschreiben verlesen war: Konrad Adenauer war der Absender. Beispiele des persönlichen Mutes ließen sich für Posser, der aus dem Krieg als Leutnant der Reserve heimkehrte, noch viele finden. Daß er selbst Beispiel für andere werden möge, kann man nur wünschen und hoffen.
    Karl Lohaus

    Bildunterschrift:
    Dr. Diether Possr (SPD)

    ID: LI881040

  • Porträt der Woche: Karl Ernst Strothmann (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 9 - 31.05.1988

    Er hat sich bislang nie nach einem Mandat gedrängt — sfefs war es seine Partei, die in plötzliche "personelle Notlage" geraten, den Christdemokraten Karl Ernst Strothmann in die Pflicht nahm. Das war bei der Übernahme des Fraktionsvorsitzes im Gütersloher Stadtrat 1980 ebenso wie fünf Jahre später, als er Bürgermeister der ostwestfälischen Stadt wurde. Und auch die Kandidatur für den nordrhein-westfälischen Landtag hatte der gebürtige Bielefelder, Jahrgang 1928, nicht angestrebt. Drei Jahre nach seinem Einzug in das Düsseldorfer Landesparlament möchte der Abgeordnete das neue politische Wirkungsfeld aber nicht mehr missen.
    Der gelernte Industriekaufmann brachte eine Menge an kommunalpolitischer und beruflicher Erfahrung mit nach Düsseldorf. Seit 1961 bereits Mitglied des Rates der Stadt Gütersloh, berief ihn die Stadtvertretung während dieser Zeit in die verschiedensten Gremien und wählte ihn schließlich 1985 zum Bürgermeister. Schon früh setzte sich Karl Ernst Strothmann für mehr Attraktivität der Stadt- und Ortskerne ein. So förderte er die Schaffung von Fußgängerzonen und bemühte sich den Trend einzudämmen, Einkaufszentren auf der "grünen Wiese" zu errichten.
    Als langjähriger Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen und der regionalen Zweigstelle des Vereins zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs sorgt sich der Gütersloher ohnehin um die Zukunft der kleinen mittelständischen Geschäfte. In diesem Zusammenhang hält er eine Verschärfung des Kartellrechts für unerläßlich. Die Interessen des Mittelstandes vertritt er auch als Vorsitzender des Verwaltungsrates der Stadtsparkasse Gütersloh.
    Die CDU-Landtagsfraktjon berief Karl Ernst Strothmann in den Petitions- und den Verkehrsausschuß. Wie andere Kollegen schätzt auch er insbesondere die Tätigkeit im Petitionsausschuß, wo die Abgeordneten oft mit Problemen ihrer Mitbürger konfrontiert werden, "die wir vorher gar nicht kannten". Nach seiner Einschätzung ist es möglicherweise gerade der "Perfektionismus" in der Gesetzgebung, der "vernünftige Lösungen " oft nicht möglich macht. Um so größer sei die Freude, wenn dann doch geholfen werden könne.
    Im Verkehrsausschuß setzt sich der Ostwestfale verständlicherweise für eine bessere Anbindung der Region an die nationalen und internationalen Verkehrsnetze ein, vor allem in Nord-Süd- Richtung. Ein solcher Ausbau würde auch die Infrastruktur dieses Raumes positiv beeinflussen. Für wünschenswert hält der CDU-Abgeordnete auch die zivile Mitbenutzung des NATO—Flughafens in Gütersloh, wenigstens teilweise. Nach mehr a/s zwanzig/äbrigem kommunalen Wirken war der Einstieg in die Landespolitik für den Gütersloher Bürgermeister eine große Umstellung. Im Gegensatz zur Tätigkeit in der Gemeinde befasse man sich in Düsseldorf oft mit abstrakten Themen, und alles sei weniger durchschaubar, meint Karl Ernst Strothmann. Nach seiner Ansicht sollte daher jeder Landtagsabgeordnete zunächst die "parlamentarischen Lehrjahre" in den Kommunen absolvieren. Er werde dann auch sicherlich praxisnäher entscheiden können. Von sogenannten Berufspolitikern, die es heute leider immer mehr gebe, hält er nicht viel.
    Der Christdemokrat ist ein Freund der klassischen Musik und hört in seiner Freizeit gern Konzerte. Aber wie er keinen Komponisten bevorzugt, so hat der Ostwestfale, der ebenfalls gern liest, auch keinen "Lieblingsautor": "Ich möchte gegenüber allem Neuen unbefangen sein."
    Jochen Jurettko

    ID: LI880939

  • Porträt der Woche: Heinz Schleußer (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 8 - 10.05.1988

    So mancher Kommentator der landespolitischen Szene hat noch seine Probleme bei dem Versuch, den Oberhausener Landtagsabgeordneten Heinz Schleußer zu porträtieren. Der neue Finanzminister selber ist ins kalte Wasser eines der zur Zeit schwierigsten Kabinettsressorts gesprungen und hat bereits die ersten Orientierungspunkte fixiert.
    So will er einen Prozeß beschleunigen, der der Westdeutschen Landesbank als Kreditanstalt eine größere Rolle bei der Wirtschaftsförderung im Lande beimißt. Die Vorstellungen der Landesbank böten dafür eine vernünftige Grundlage, kommentiert der in der letzten Woche vereidigte Minister, der Rahmenbedingungen dafür schaffen will, daß in Nordrhein-Westfalen mehr privates Kapital in den technischen Wandel investiert wird.
    Ein weiterer Fixpunkt: Schleußer akzeptiert, daß die Nettokreditermächtigung bedingt durch ZIM und die Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Land zur Modernisierung des Reviers aufgestockt werden muß. Er beklagt, daß durch die Steuerpolitik der Bundesregierung die Verschuldung des Landes zusätzlich negativ beeinflußt wird. Aber beinhart fügt er hinzu: "Noch fetter darf die Nettokreditermächtigung durch Hausgemachtes auf keinen Fall werden." Nach den ersten Chefgesprächen, an denen er als frisch ernannter Minister teilnahm, räumt er ein, daß dies nicht ganz einfach sein wird". Der Hobby-Segler Schleußer ist jedoch zuversichtlich,' daß er seinen auf Sparsamkeit getrimmten Kurs am Ende einbehalten kann.
    So wird es wohl auch kommen; denn schon als finanzpolitischer Steuermann der SPD-Landtagsfraktion hat er stets die große Mehrheit der Sozialdemokraten im Landtag — trotz vielfältiger Wünsche der Facharbeitskreise — auf die Sparlinie seines Vorgängers Posser eingeschworen. Hinter den Türen des Fraktionssaales war Heinz Schleußer alles andere als die "graue Maus", wie ein Journalist den 52jährigen jüngst beschrieb. "An den von ihm geführten Finanzern hat sich schon so mancher in unserer Fraktion die Zähne ausgebissen", heißt es respektvoll unter den Sozialdemokraten. Eine stets klar erkennbare und ehrliche Linie ist es auch, die Heinz Schleußer auf der kommunalpolitischen Bühne seiner Heimatstadt große Anerkennung einbrachte. Oberhausener Tageszeitungen berichteten bei seinem Abschied als Chef der Ratsfraktion, daß er eine der tragenden Säulen sozialdemokratischer Kommunalpolitik für Oberhausen gewesen sei. Die SPD werde jetzt sehen müssen, wie sie brisante Themen ohne Schleußer in trockene Tücher bekomme, kommentierte eine Lokalzeitung unter der Schlagzeile "Ein Lotse geht".
    Dem SPD-Bezirk Niederrhein bleibt der gelernte Schlosser und ehemalige 1. Bevollmächtigte der IG Metall als Lotse erhalten. Auch hier steckt er einen geradlinigen Kurs ab, wie zum Beispiel vor wenigen Wochen, als er nach einem Umlandgespräch des Bezirksvorstandes öffentlich für den Ausbau des Düsseldorfer Flughafens plädierte. "Dafür gab es aus meiner Partei nicht nur Beifall", berichtete Schleußer anschließend. Aber es sei unehrlich, wenn die Anliegergemeinden in Wirtschaftsförderungsbroschüren mit dem Flughafen in direkter Nachbarschaft werben, in Verhandlungen über den Ausbau aber Gegenposition bezögen.
    Einem Streit in der Sache ist Heinz Schleußer, der 1957 als Pfarrjugendführer von St. Antonius im Kloster Hardt der Oberhausener SPD beitrat, nie aus dem Weg gegangen. Als Finanzminister in Zeiten leerer Kassen, aber eines kostspieligen wirtschaftlichen Wandels, wird ihm seine Standhaftigkeit zugute kommen. Denn "eingeklemmt zwischen einem Schuldenberg von fast 100 Milliarden Mark auf der einen Seite und von mächtigen Lobbyisten von Kohle, Stahl und Revierstädten auf der anderen, soll ersparen und zugleich mehr ausgeben", schrieb eine Tageszeitung nach seiner Berufung ins Landeskabinett. So wird sich "allmählich zeigen, aus welchem politischen Holz er geschnitzt ist", vermutete dieselbe Tageszeitung.
    Hans-Peter Thelen

    ID: LI880856

  • Porträt der Woche: Marianne Thomann-Stahl (F.D.P.)
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 7 - 26.04.1988

    Die Verkehrspolitik im Land ist für Marianne Thomann-Stahl Anliegen und Steckenpferd zugleich. "Das ist kein Wunder", meint die junge Liberale, "schließlich lebe ich in Paderborn und damit in einem Gebiet, das in dieser Hinsicht benachteiligt ist." Die Verkehrspolitik ist ihrer Auffassung nach außerdem ein wesentlicher Punkt der Landesentwicklungspolitik. "Alles, was unter diesen Zentralbegriff fällt, hat Einfluß auf die zukünftigen Möglichkeiten Nordrhein-Westfalens", weiß die F.D.P.- Politikerin. Wann immer und gleich welches Spezialfeld der Verkehrspolitik daher im Düsseldorfer Landtag aufgerufen wird, tritt die Diplom-Volkswirtin für die F.D.P. ans Rednerpult.
    Nach Auffassung der F.D.P.-Politikerin haben sich die wirtschaftlichen Verflechtungen Nordrhein-Westfalens in den letzten Jahren erheblich verändert. Nur habe sich die Verkehrspolitik hierauf noch nicht eingestellt. Marianne Thomann-Stahl nennt ein Beispiel: "Der östliche Teil des Landes, insbesondere Ostwestfalen/Lippe und Siegerland haben ihre wirtschaftlichen Verflechtungen in Richtung Norden und Süden stark ausgebaut. Der wachsenden Zusammenarbeit zwischen Niedersachsen und Hamburg einerseits, Hessen und Bayern andererseits, entspricht die Verkehrsinfrastruktur in keiner Weise."
    In keinem anderen Bundesland seien die ländlichen Zonen so in den internationalen Wettbewerb hineingestellt wie in Nordrhein-Westfalen. Unternehmen wie Nixdorf, Bertelsmann, Miete in Ostwestfalen/Lippe oder andere Unternehmen im Sauer-, Münster- oder Siegerland machten deutlich, daß die Verkehrspolitik für diese Bereiche eine immer wichtigere Rolle bekäme. Die F.D.P.-Dame: "Schnelle Verkehrsverbindungen per Auto. Eisenbahn und Flugzeug können helfen, diese ländlichen Regionen noch attraktiver zu machen."
    Über den Weg, wie dieses Ziel erreicht werden kann, liegt die stellvertretende Vorsitzende des Verkehrsausschusses mit den Kollegen der anderen Fraktionen häufig überquer und streitet im Plenum wie ein routinierter Parlamentarier. Dabei ist die am 23. März 1954 im württembergischen Oberkochem geborene heutige F.D.P.-Abgeordnete erst seit 1985 im Düsseldorfer Landtag. Als die Liberalen nach fünfjähriger erzwungener Abstinenz für die Landtagswahl 1985 neu rüsteten, suchten sie nach frischen, engagierten Kandidaten. Damals lag die F.D.P. mit 2,5 bis drei Prozent noch arg unter der Fünf-Prozent-Hürde. Für Marianne Thomann-Stahl war dies kein Hinderungsgrund, sich für die Landesreserveliste zu bewerben. "Allerdings habe ich nicht damit gerechnet, einen aussichtsreichen Listenplatz zu bekommen", räumt sie ein. Doch dann habe sie gleich im ersten Wahlgang drei Mitkandidaten aus dem Feld geschlagen und schließlich den Sprung ins NRW-Landesparlament geschafft.
    Den Weg zu den Liberalen hat Marianne Thomann-Stahl ganz von sich aus, ohne äußeren Anstoß gefunden. Das Elternhaus sei unpolitisch und auch ohne besonderen konfessionellen Bindungen gewesen. Schon frühzeitig, etwa mit vierzehn, fünfzehn Jahren habe sie sich für Politik interessiert und dann auch sehr bald in autonomen und Basisgruppen mitgearbeitet. Diese waren ihr dann aber rasch zu doktrinär.
    Als sie 1978 in Freiburg Volkswirtschaft zu studieren begann, führte ihr Weg recht schnell und gradlinig zur F.D.P. — Frau Thomann-Stahl heute: "Die F.D.P. war die einzige Partei, die in mir den Eindruck erweckte, daß sie bereit war, sich mit anderen politischen Meinungen auseinanderzusetzen. " Studium und Beruf auf der einen und politische Arbeit auf der anderen Seite liefen von da an parallel.
    Nach dem Examen als Diplom-Volkswirt 1978 arbeitete die Liberale zunächst als Geschäftsführerin, dann als Bundesvorsitzende eines Verbandes und wechselte 1980 als Assistentin der Geschäftsführung zur Nixdorf Computer AG. Nach einiger Zeit als Leiterin der Kundenbetreuung ist sie heute in der Abteilung für Presse und Kommunikation. Dort will die F.D.P.-Frau, die sechs Jahre lang als Betriebsrätin gearbeitet hat und seit 1983 als Arbeitnehmer-Vertreterin für den christlichen Gewerkschaftsbund im Aufsichtsrat ist, auch bleiben. Marianne Thomann-Stahl: "Man muß immer ein Standbein haben, das einen unabhängig macht von den Entscheidungen eines Parteitages."
    Parteipolitisch hat die F.D.P.-Politikerin nach ihrem Wechsel vom Süden der Republik nach Nordrhein-Westfalen zunächst in Köln mitgemacht und war dort eine der Mitbegründerinnen des "Liberalen Zentrums". Nach ihrem Umzug ins Westfälische hat sie sich dort parteipolitisch hochgehangelt. Marianne Thomann- Stahl ist heute Mitglied im F.D.P.-Landesvorstand, stellvertretende Kreisvorsitzende in Paderborn und Vorsitzende des Bezirksfachausschusses Mittelstand und Verkehr in Ostwestfalen/Lippe. Seit 1984 ist sie auch sachkundige Bürgerin im Kreistag Paderborn. Gern würde sie 1990 wieder für den NRW-Landtag kandidieren. "Es macht Spaß und man bewirkt auch etwas", meint sie offen.
    Privat ist die Freidemokratin seit 1985 mit einem kaufmännischen Prokuristen verheiratet und hat im letzten Jahr für allgemeines Aufsehen gesorgt, als ihr erstes Kind Philip Maximilian zur Welt kam. Es war das erste Mal in der fast vierzigjährigen NRW-Parlamentsgeschichte, daß eine Abgeordnete während ihrer Mandatszeit Mutter wurde.
    Angesichts ihrer Aufgaben als Hausfrau, Vollberuflerin und Abgeordnete bleibt für private Hobbys bei Marianne Thomann-Stahl nur wenig Zeit. Dennoch meint die Liberale: "Ich fahre gern mit dem Rad durch die Gegend und gehe auch schon mal abends in die Kneipe. Da hört man, wo die Bürger der Schuh drückt und was sie von einem erwarten."
    Gerlind Schaidt

    ID: LI880749

  • Porträt der Woche: Marita Rauterkus (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 6 - 19.04.1988

    "Die Frauenförderung muß effektiver werden", betont Marita Rauterkus und weiß sich bei diesem Anspruch im Prinzip mit den Frauen aller Fraktionen im Düsseldorfer Landtag im Einklang. Vage Hoffnungen aus der Männerwelt, daß die Frauenförderung möglicherweise eine modische Zeiterscheinung sein könnte, die auch wieder einmal vorübergeht, macht die SPD-Abgeordnete zunichte: "Im Gegenteil, es wird weitergehen." Deshalb setzt sich die SPD-Frau auch nachdrücklich dafür ein, daß in Nordrhein-Westfalen ein besonders wirkungsvolles Frauenförderungsgesetz zustande kommt. "Sowohl in der Arbeitsgemeinschaftsozialdemokratischer Frauen (AsF) wie auch in der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen (AsJ) hatten wir bereits Gespräche mit Mitarbeitern des Innenministeriums, denen wir die Vorstellungen, die uns besonders wichtig erscheinen, vorgetragen haben", erläutert Marita Rauferkus.
    Zur Verwirklichung das Gleichberechtigunsgebotes hält Frau Rauterkus ein Gesetz für erforderlich, wonach in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes bei gleicher Qualifikation — also Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung — unter Wahrung individueller Chancengleichheit Frauen solange bevorzugt eingestellt und befördert werden sollten, bis ein bestimmter Anteil Frauen in allen Positionen erreicht ist. Die Sozialdemokratin: "Dabei muß direkt im Gesetzestext ein Hebel eingebautsein, der sicherstellt, daß die Frauenförderung auch wirklich in die Praxis umgesetzt wird." Es dürfe nicht sein, daß zwar ein gutes Gesetz existiere, die im Personalbereich Verantwortlichen aber nicht danach handelten, meint Marita Rauterkus und fügt entschieden hinzu: "In solchen Fällen muß es die Möglichkeit von Sanktionen geben." So wie in der Frauenpolitik engagierte sich die heute 45jährige auch in der Rechts- und Kulturpolitik. Auch hier sind Ausgleich und Gerechtigkeit ihre Hauptanliegen. Als Beispiel für ihren Einsatz nennt Marita Rauterkus die Kölner Einrichtung der Waage, einem Verein, in dem Opfer und Täter einer Straftat zusammengeführt werden und versucht wird, über die Begegnung das Verhalten des Täterszu ändern. Hier hat die SPD-Landtagsabgeordnete beim Bundesjustizminister erreichen können, daß die Finanzmittel für das Projekt und seine wissenschaftliche Begleitung bis 1989 gesichert sind. "Die Bemühungen haben sich gelohnt", freut sich die SPD-Politikerin und sieht in diesem Fall einen Beweis dafür, daß man als Parlamentarier wirklich "etwas bewegen" kann.
    Seit 1985 ist Marita Rauterkus im nordrhein-westfälischen Landtag und möchte es nach der kommenden Landtagswahl 1990 auch bleiben. "Mein Ziel ist es, den Wahlkreis wieder direkt zu holen", sagt die SPD-Frau. Ihr Einsatz für die Politik ist erstaunlich, denn an der Wiege hat der heutigen Landtagsabgeordneten wohl niemand gesungen, daß sie einmal Politikerin werden würde. "Mein Elternhaus war unpolitisch", erinnert sich die am 28. Dezember 1942 im sauerländischen Althundem geborene SPD-Abgeordnete, die dort auch zur Schule ging, eine dreijährige Lehre als Großhandelskaufmann absolvierte und dann noch ein Jahr in diesem Betrieb arbeitete. Irgendwann danach hatte sie aber das Gefühl, daß sie für ein Jahr einmal "raus aus dem Sauerland" und in einer Großstadt leben müsse. Köln war das Ziel, da hier Verwandte wohnten. Nach einem Jahr in der Rheinmetropole war kein Gedanke mehr an die Rückkehr in die ländliche Heimat.
    Gleich in ihrem ersten Kölner Jahr, wo Marita Rauterkus zunächst wieder als kaufmännische Angestellte arbeitete, machte sie vom reichhaltigen politischen und kulturellen Angebot der Domstadt nachhaltig Gebrauch. Später wechselte sie als Sachbearbeiterin zu einem anderen Industrieunternehmen und wurde als Betriebsrätin und stellvertretende Vorsitzende aktiv. Wie sie sich erinnert, war sie zunächst in keiner Weise auf eine Partei fixiert. Es geschah fast von selber, daß sie inhaltlich immer mehr zur SPD tendierte. Den Aus schlag hat dann die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete und Ministerin Katharina Focke mit ihrem Wahlkampf 1969 gegeben. Marita Rauterkus: "Es hat mich fasziniert, wie diese Frau politisch und menschlich mit den Wahlbürgern umging." Ein Jahr später trat die Wahl-Kölnerin in die SPD ein.
    Danach ging es "Schrittchen für Schrittchen" auf der Erfolgsleiter der Partei aufwärts. Im Ortsverein Köln-Mitte übernahm sie verschiedene Funktionen, wurde Ersatzdelegierte und Delegierte auf Unterbezirksparteitagen, Beisitzerin bei den Jusos und war besonders aktiv in der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen, wo sie seit 1976 im Vorstand des Unterbezirks mitarbeitete und seit 1979 Vorsitzende ist. Bereits seit 1984 ist die Sozialdemokratin zudem stellvertretende AsF- Vorsitzende im Bezirk.
    Als die Landtagswahl 1985 nahte, schlugen die AsF-Frauen Marita Rauterkus für den Kölner Wahlkreis IV vor, der seit über zehn Jahren immer an die CDU gefallen war. Um diesen für die SPD recht aussichtslosen Wahlkreis riß sich bei den Sozialdemokraten niemand, doch Marita Rauterkus nahm die Herausforderung an. "Das war meine einzige Chance, ich wollte in das Parlament, und über die Liste war nichts zu machen." Also führten Frau Rauterkus, ihr Ortsverein und die AsF-Frauen einen "Wahlkampf ohne Handbremse", wie sie heute sagt. " Wir sind offensiv an die Arbeit gegangen und haben von Anfang an so Wahlkampf gemacht, als ob wir gewinnen könnten." Tatsächlich hat die Sozialdemokratin den Wahlkreis direkt gezogen. Seither pendelt Marita Rauterkus zwischen Köln und Düsseldorf und teilt ihre Arbeitszeit zwischen Frauen- und Rechtsausschuß und der Mitarbeit im Kulturausschuß.
    Wie es scheint, haben auch ihre privaten Hobbys noch ein wenig mit ihrem Politikerinnendasein zu tun. Der Bereich der Sozio-Kultur hat es Marita Rauterkus nämlich angetan. Dabei handelt es sich um Bürgerzentren oder Begegnungsstätten, wo sich jung und alt treffen und selber etwas gestalten, sei es Theater, Musik oder Spiel, ohne daß " von oben" dirigiert wird. Hier sieht die SPD-Politikerin ein großes Aufgabenfeld, denn die Genossen vor Ort wollen ihr da nicht so recht folgen. "Die Diskussion ist sehr schwierig", weiß sie aus Erfahrung. In der SPD glaubten immernoch sehr viele, was vom Staat oder von der Verwaltung komme, sei besser für die Menschen, bedauert die SPD- Frau. Um diesem Vorurteil zu begegnen, verbringt sie ein Gutteil ihrer Freizeit bei Gruppen, die vorführen, wie sozio-kulturelle Arbeit klappt. Sonstige Hobbys von Marita Rauterkus sind Theater, Lesen und Studienreisen.
    Gerlind Schaidt

    ID: LI880639

  • Porträt der Woche: Kurt Krebs (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 5 - 15.03.1988

    Die Abgeordneten im nordrhein-westfälischen Landtag, die als Arbeitnehmer neben der parlamentarischen Tätigkeit auch noch ihren Beruf aktiv ausüben, sind nicht in der Überzahl. Zu ihnen gehört Kurt Krebs aus Wuppertal. Der CDU-Abgeordnete, der über die Landesreserveliste seiner Partei im Mai 1985 den Sprung in das Düsseldorfer Landesplenum schaffte, ist Busfahrer bei den Wuppertaler Stadtwerken. Und auch nach seiner Mandatsübernahme sitzt er weiter am Lenkrad. Die Stadtwerke ermöglichten dem 43jährigen, Beruf und Mandat miteinander in Einklang zu bringen. So gehört er auch weiter dem Betriebsrat und Aufsichtsrat des städtischen Unternehmens an.
    Der gebürtige Wismarer fühlte sich schon in jungen Jahren der Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer verpflichtet. Nach Besuch der Volksschule und Ausbildung zum Kraftomnibusfahrer trat Kurt Krebs schon früh in die Gewerkschaft ein. Sehr bald fand er dann auch den Weg zu den Sozialausschüssen der CDU und über sie in die Union. Seitdem erhält der Christdemokrat viel Anerkennung für seine stets "basisbezogene" Arbeit, bei Gewerkschaftskollegen ebenso wie bei Parteifreunden. So fühlt er sich auch als "Anlaufstelle" der Sorgen und Probleme der Mitbürger.
    Als Mitglied des Verkehrsausschusses des Landtages bringt Kurt Krebs seine praktische Erfahrung in dieses Parlamentsgremium ein. Mit Nachdruck setzt er sich dort für einen "bürgernahen" öffentlichen Personennahverkehr ein. Bürgernah bedeutet für ihn, daß sich die Verkehrsbetriebe stärker nach den Bedürfnissen der Fahrgäste richten. So berücksichtigten sie noch zu wenig die Tatsache, daß der Arbeitnehmer immer mehr Freizeit habe und auch dann ein öffentliches Verkehrsmittel in Anspruch nehmen möchte. "Die Fahrpläne sind zu einseitig auf den Berufsverkehr ausgerichtet." Für den CDU-Landtagsabgeordneten sollte der öffentliche Nahverkehr nicht nur ein "Service-Angebot" sein, sondern eine Verpflichtung des Staates gegenüber seinen Bürgern.
    Der Wuppertaler ist sich im klaren darüber, daß solch ein Anliegen viel Geld kostet, das die Städte und Kreise allein nicht aufbringen können. So plädiert er auch für ein stärkeres Engagement des Landes und des Bundes. Gleichzeitig läßt Kurt Krebs keinen Zweifel daran, daß er den Individualverkehr nicht mit "Gewalt" zurückdrängen wolle. Nur ein "Miteinander" sei sinnvoll. Als stellvertretendes Mitglied gehört er auch dem Ausschuß für Jugend und Familie, dem Sport- und Petitionsausschuß an.
    Der Christdemokrat, der im politisch Andersdenkenden nicht seinen "Gegner" sieht, beklagt ebenso wie jüngst der Landtagspräsident den oft "verbissenen Umgang" zwischen den Düsseldorfer Abgeordneten. Die Bürger würden nach seiner Ansicht zwar akzeptieren, daß Politiker "hart diskutieren", sie würden aber nicht billigen, wenn Auseinandersetzungen bis an die Grenze der persönlichen Beleidigung gingen, sie sogar manchmal überschritten. Respekt und Toleranz gegenüber einer anderen Meinung sollte gerade in einem Parlament eine Selbstverständlichkeit unter Demokraten sein. Neben Beruf und politischer Tätigkeit hatte er mehrere Jahre lang noch eine weitere Aufgabe als ehrenamtlicher Richter am Verwaltungsgericht Düsseldorf übernommen. Seit seiner Mandatsübernahme ist der Abgeordnete Schöffe am Wuppertaler Landgericht.
    Auch in der Freizeit sitzt Kurt Krebs häufig am Steuer — er ist begeisterter Camper. Mit Ehefrau und vier Kindern hat er schon mehrmals die nordischen Länder besucht und kaum eine deutsche Landschaft ist für ihn unbekannt.
    Jochen Jurettko

    ID: LI880553

  • Porträt der Woche: Ursula Kraus (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 4 - 01.03.1988

    Als Mitglied im Wirtschaftsausschuß möchte Ursula Kraus, daß die ersten Projekte der "Zukunftsinitiative Montanregionen" (ZIM) möglichst bald gefördert werden und der Bund sich doch noch aufrafft, zu dem geplanten Landesdrittel von 180 Millionen Mark seinen Anteil von Zweidritteln draufzulegen. Als Oberbürgermeisterin von Wuppertal wünscht sich die Kommunalpolitikerin Kraus, daß es trotz "rückläufiger Einnahmen in den kommenden Jahren" doch noch möglich sein wird, "vor Ort" Politik zu gestalten, und als sozialdemokratische Landtagsabgeordnete ist es das Ziel der engagierten Arbeitnehmervertreterin, ihre kommunal- und landespolitischen Aufgaben so zu verbinden, daß für beide Seiten viel Positives dabei heraus springt. Ursula Kraus: "Ich möchte Ansprechpartner für beide Seiten sein."
    Dabei hat die gelernte Industriekauffrau wohl selber am wenigsten damit gerechnet, daß sie die parteipolitische Karriereleiter so rasch hinaufklettern würde. Zwar hatte die heutige SPD-Landtagsabgeordnete schon von früher Jugend an — durch ihr sozialdemokratisch engagiertes Elternhaus — in der Partei mitgearbeitet, doch dabei an eine eigene Parteikarriere nicht gedacht.
    Am 2. August 1930 im saarländischen Neunkirchen geboren, ist Ursula Kraus dennoch eine richtige Wuppertalerin. Ihre Eltern stammten aus der Stadt von Friedrich Engels und zogen bereits 1935 wieder in die bergische Heimatstadt zurück. Ursula Kraus besuchte in Wuppertal das Gymnasium, ging 1949 mit der mittleren Reife ab und machte eine Lehre als Industriekauffrau. Gleichzeitig mit dem Beginn der Berufsausbildung trat sie in die Industriegewerkschaft Druck und Papier ein. Ursula Kraus erinnert sich: "Schon damals habe ich mir gedacht, für Arbeitnehmer kann es keine andere Politik geben." Daß auch die SPD die richtige Partei für sie sein würde, war zwar ebenfalls klar, doch Parteimitglied wurde die sozial engagierte Frau erst 1956.
    Da sie überzeugt war, daß eine Frau auf eigenen Beinen stehen müsse, verbrachte sie einige Zeit in Großbritannien, wo sie als Aupair-Mädchen ihre Sprachkenntnisse erweiterte. Im Beruf hatte sie Erfolg, und ihre Arbeit als Leiterin des Verkaufs-Innendienstes einer Druckerei machte ihr auch Freude. Ursula Kraus setzte sich zunehmend als Gewerkschafterin und Betriebsrätin ein und arbeitete im niederrheinischen Bezirksvorstand für Arbeitnehmerfragen mit. In der Partei engagierte sie sich in den folgenden Jahren in mehreren Vorstandsämtern auf Orts- und Bezirksebene. Heute erinnert sie sich: "Eigentlich habe ich nicht daran gedacht, einmal ein Mandat zu übernehmen." Als dann aber 1979 der Wuppertaler SPD-Unterbezirk an sie herantrat und ihr einen der vier Wahlkreise der Stadt antrug, hat die Sozialdemokratin erst einmal nachgedacht und schließlich doch angenommen. Frau Kraus: " Wenn man der Meinung ist, daß mehr Frauen in der Politik mitmachen sollen, darf man nicht,nein' sagen, wenn man selber gefragt wird."
    In ihrem Wahlkreis, in dem sie seit ihrer Kindheit lebt, der gerade neu zugeschnitten war und zur Hälfte aus dem alten Wahlkreis von Ministerpräsident Johannes Rau bestand, holte Ursula Kraus auf Anhieb 53 Prozent und sicherte damit auch den neuen Wahlkreis für ihre Partei.
    Im Landtag sammelte sie erste Erfahrungen im Wirtschaftsausschuß und im Petitionsausschuß, wobei ihr als parlamentarischem Neuling vor allem die Arbeit in letztgenanntem besonders bei der Einarbeitung in die Parlamentsmechanismen geholfen hat. Eine zusätzliche Bedeutung bekam ihre Landtagsarbeit, als sie vier Jahre nach ihrem Einzug in das Parlament quasi aus dem Stand als Spitzenkandidatin in den Wuppertaler Kommunalwahlkampf ging und Oberbürgermeisterin wurde. Die Verzahnung beider politischer Ebenen fasziniert die Sozialdemokratin besonders, und sie sieht sich selber heute als ein Bindeglied zwischen Kommune und Land. Freimütig gibt sie zu, daß sie sich, wo immer dies möglich ist, für ihre Wuppertaler— und da für jeden einzelnen Bürger — ins Zeug wirft.
    Das gilt um so mehr, als Ursula Kraus 1985 zum zweiten Mal in den Düsseldorfer Landtag eingezogen ist. Während der laufenden Legislaturperiode ist die Wuppertaler Oberbürgermeisterin nur noch im Wirtschaftsausschuß, allerdings noch als stellvertretendes Mitglied im Petitionsausschuß und im Ausschuß für Jugend und Familie. Schwerpunktmäßig hat sie in ihrer Heimatstadt die Modelle betreut, bei denen es um die Ausbildung von Mädchen in Männerberufen ging. Denn Ursula Kraus legt viel Wert auf eine gute Ausbildung für Mädchen. Frauen seien in der Regel stärker von Arbeitslosigkeit bedroht als Männer, sagt die SPD-Abgeordnete, und daher sei eine vernünftige Ausbildung die beste Chance gegenüber den männlichen Kollegen.
    Ihre Parteiarbeit hat Ursula Kraus konzentriert. Sie ist Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen in Wuppertal, Beisitzerin im Unterbezirksvorstand und seit 1984 Mitglied im Parteirat, dem höchsten Gremium zwischen den Parteitagen. Fragt man die Sozialdemokratin nach ihren Freizeitaktivitäten, so ist die Wunschliste nach Betätigungen weitaus länger, als es angesichts der Arbeitsfülle die realen Möglichkeiten sind. Die ledige Sozialdemokratin verrät, daß sie gern und fast alles liest, was ihr zwischen die Finger kommt, daß sie gern wandert und mit dem Fahrrad fährt. Zum Kuchenbacken oder Kochen wie noch vor einigen Jahren kommt sie heute allerdings nur noch sehr selten.
    Gerlind Schaidt

    ID: LI880449

  • Porträt der Woche: Erich Heckelmann (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 3 - 09.02.1988

    Sich selbst ohne geheuchelte Bescheidenheit zu charakterisieren, ist keine einfache Sache. Erich Heckelmann steuert dieses Ziel über einen Umweg an. "Man muß kalkulierbar und berechenbar sein, wenn man politisch etwas bewegen und für die Menschen etwas erreichen will", sagt der 53jährige Sozialdemokrat, der sich vor ein paar Wochen seiner 85jährigen Mutter zuliebe den Bart abnehmen ließ. Und dann setzt er hinzu: "Das bin ich." Beim zweiten Anlauf zur Selbstbeschreibung zitiert Heckelmann die von ihm im Gespräch mehrfach erwähnte Mutter, die sich "krummgelegt" habe jahrzehntelang für ihn und seine drei Brüder. Mit großer Selbstverständlichkeit sagt der Neusser Abgeordnete deshalb auch, daß er seine Mutter "sehr verehrt". Die verehrte alte Dame also, erzählt Erich Heckelmann, habe bei der Erziehung ihrer Söhne immer an jenem Sprichwort herumgemäkelt, nach dem Bescheidenheit zwar eine Zier sei, daß man ohne sie aber weiter im Leben komme. Erich Heckelmann. "Meine Mutter meinte, hinter dem Wort ,Zier' müsse das Sprichwort aufhören. Ich denke, sie hatte nicht Unrecht."
    Erich Heckelmann gehört, wen könnte es wundern nach solchen Annäherungen an sein Selbstverständnis, zu den Stillen in der SPD-Landtagsfraktion, der er seit nun fast zehn Jahren angehört. Mit Unterbrechungen allerdings. Sich selbst nennt er mit einem Schuß Ironie in den Augenwinkeln den "Edelreservisten" der Fraktion, weil er 1978 und 1981 nur als Nachrücker in den Landtag gekommen war. 1978 hatte ihm der jetzige Kölner Regierungspräsident Antwerpes und 1981 die jetzige Wissenschaftsministerin Anke Brunn Platz im Plenum am Schwanenspiegel gemacht. 1985 dann hatte er den Wahlkreis im schwarzen Neuss direkt gewonnen. Erich Heckelmann sagt dies: "Ich habe den Wahlkreis gewonnen" so nicht. Er sagt vielmehr: "Der Wahlkreis fiel an uns", weil er die Bedeutung des einzelnen Kandidaten nicht überschätzt wissen will. Allenfalls "ein bißchen" komme es auf den Kandidaten an... Solche Bescheidenheit wirkt nur deshalb nicht penetrant, weil sie von einem ruhigen Selbstbewußtsein unterfüttert ist, das auf einem dreifachen Studium — Pädagogik, Musik und ein Fernstudium der evangelischen Theologie — einem erfolgreichen Berufsweg bis zum Schulrat und einem harmonischen Familienleben ruht, wofür, unter anderem, die beiden erwachsenen Kinder sprechen, die noch heute Jahr für Jahr mit den Eltern in den Skiurlaub fahren. In dieses Bild paßt schließlich auch Heckelmanns Hobby: Er ist begeisterter Segelflieger. "Das ist der schönste Sport, den es gibt", wird der sonst ruhige Mann plötzlich enthusiastisch, um dann gleich bedauernd hinzuzusetzen: "Leider habe ich zu dieser Fliegerei nur noch viel zu wenig Zeit."
    Im Schulausschuß des Landtags sitzt der gelernte Pädagoge nicht. Für seinen Geschmack gibt es in diesem Ausschuß auch ohne, ihn viel zu viele Lehrer. Der Acker, den er im Auftrag der Fraktion nun schon seit Jahren pflügt, ist womöglich noch freudloser als die Arbeit im Schulausschuß. Erich Heckelmann ist Europa- Beauftragter der SPD-Landtagsfraktion — eine logische Fortsetzung eines Engagements, mit dem er schon als Halbwüchsiger, damals noch in Rheinland-Pfalz, begonnen hatte. Das hindert den Schulrat a. D. allerdings nicht, eine sehr dezidierte Meinung zu den Auseinandersetzungen im Landtag über Fragen der Schulpolitik zu äußern. Kampfformeln wie "Schulkrieg" oder "Schulfriedensgesetz" sind dem Theologen ein Greuel. Das achte Gebot, mahnt er, müsse auch in der politischen Auseinandersetzung gelten. In diesem Gebot ist vom "falsch Zeugnis wider Deinen Nächsten" die Rede, das jeder Christ zu unterlassen habe. Die Wirklichkeit in den Schulen, der Alltag der Schüler und Lehrer und Eltern habe mit einem " Schulkrieg" überhaupt nichts zu tun. Dort sei dieses Wort auch überhaupt nicht zu hören, grollt Heckelmann, um dann nebenbei zu erzählen, daß die Parteien im heimischen Grevenbroich einstimmig die Schulen neu organisiert hätten.
    Den Diskussionsstil im Landtag beklagt Erich Heckelmann als gelegentliche "Hau-drauf- Methode", die sich, da ist er sich ganz sicher, auf lange Sicht gesehen nicht auszahlt. In dieser Einschätzung fühlt er sich besonders von den jungen Besuchergruppen bestärkt, die er mit Vorliebe als Gäste in den Landtag einlädt. "Die sind oft enttäuscht über den Stil unserer Plenardebatten. Die finden das in keiner Weise toll, wie wir Abgeordnete miteinander umgehen. Wie wir uns manchmal angiften ist nicht der Umgangston, den die junge Leute schätzen", wiederholt Erich Heckelmann seine Eindrücke aus den Gesprächen mit "seinen" Besuchergruppen. In dieser Beziehung sagt er ausdrücklich "wir", bezieht selbstkritisch die eigene Fraktion mit ein. Dabei hat die SPD-Fraktion in seiner Sicht überhaupt keinen Anlaß, so rüde Töne anzuschlagen. Er kann nämlich im Gegensatz zu manchem Beobachter der landespolitischen Szene außerhalb der Fraktion, die SPD keineswegs in einem Tief erkennen. Der Fraktionsvorsitzende Farthmann habe die Fraktion zu Beginn des neuen Jahres zwar "an die Krawatte gepackt". Aber doch nur, so Heckelmanns Sicht der Dinge, um sie zu noch besseren Leistungen anzuspornen. Als Hobby- Segelflieger zwischen Erde und Wolken drängt sich möglicherweise so ein Blick auf. Ob dieser Blick von oben der Realität am Boden gerecht wird, muß sich im nächsten Jahr zunächst bei der Kommunalwahl enteisen. Erich Heckelmann ist da durchaus guter Dinge: "Wenn wir in Neuss das Landtagswahlergebnis von 1985 wiederholen, könnten wir zum erstenmal den Landrat aus unseren Reihen wählen." Unter bloßes Gottvertrauen will der Theologe diese Vision nicht abgebucht sehen.
    Reinhard Voss

    ID: LI880349

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Die Fraktionen im Landtag NRW