Wilhelm Lieven ist ein handfester Mann der Basis - zudem einer von nur noch fünf Landwirten im nordrhein-westfälischen Parlament. "Ich fühle mich als Klammerzwischen den Bürgern vor Ort und den politisch Verantwortlichen im Landtag", nimmt er selber eine Standortbestimmung vor. Aus der Gemeinde, aus dem Kreis, vor allem aber aus seinen landwirtschaftlichen Gremien bringt Lieven Erfahrungen mit in den Landtag und dessen Ausschüsse und sagt dort recht deutlich, ob die Menschen in den Kommunen mit den Gesetzen und Vorschriften, die die Parlamentarier und Experten mehr am grünen Tisch erarbeiten, auch leben können. "Meistens", so der Unionsmann aus Erfahrung, "können die Planungen der Gemeinden mit den Vorgaben des Landes bei ein bißchen gutem Willen in Einklang gebracht werden."
Der gestandene Landwirt, der seinen Hof an der Wegstrecke zwischen Neuss und Aachen in Tietz von 13 Hektar im Jahr 1950 auf heute gut 70 Hektar ausgebaut hat, weiß sehr gut, wie er für seine vorwiegend ländliche Klientel eine wirksame Lobby zu betreiben hat. Ein bißchen verschmitzt meint Wilhelm Lieven, daß er schon immer gut "vor die Worte" kommen konnte, daß ihm seit Kindesbeinen "immer etwas eingefallen" sei, und es ihm nie schwerfiel, "mit Leuten ins Gespräch" zu kommen. All diese Fähigkeiten haben sicher dazu beigetragen, daß der am 2. September 1934 in seiner Heimatgemeinde Tietz geborene Wilhelm Lieven privat, beruflich und politisch gute Ausgangschancen hatte.
Nach der Volksschule, einer Müllerlehre mit Gesellenprüfung, Weiterbildung zum Landwirt, der heute vor allem Zuckerrüben, Weizen, Kartoffeln, Gurken und Zwiebeln anbaut und die unrentabel gewordene Mühle 1964 drangegeben hat, wurde der erfolgreiche Bauer, von den berufsständischen Organisationen sehr rasch in die Pflicht genommen und hat dort auch kräftig mitgearbeitet.
Mit der Politik hatte er dagegen zunächst nichts zu tun. Weder der Vater noch sonst jemand in der Familie interessierte sich sonderlich aktiv für die großen Geschehnisse in der weiten Welt. Über seine Arbeit im vorparlamentarischen Raum, dazu zählen auch Schützenverein, Heimatpflegerverbände und handfester Fußball, wurden die Politiker auf Wilhelm Lieven aufmerksam. Der damalige Landrat Johnen habe ihm dann die "Politik verordnet", indem er schlicht erklärte: "Wir brauchen Dich", erinnert sich der heutige CDU- Parlamentarier.
Darüber, daß die CDU seine Partei sein würde, gab es keinerlei Diskussionen. Entwaffnend offen, meint Wilhelm Lieven: "Bei uns gab es damals nur Einheitslisten. Da lief alles unter CDU, auch, wenn die Leute gar nicht in der Partei waren. " Das allerdings hat sich inzwischen geändert. Immerhin hat bei den letzten Landtagswahlen ein SPD-Mann den Wahlkreis 7 in Düren geholt, allerdings nicht gegen Lieven, der bislang über die Reserveliste in das Parlament eingerückt ist. 1990 möchte er diesen Wahlkreis nun für die CDU zurückholen. Nachdem er sich vom Listenplatz 37 über die Nummer 32 auf den sicheren 25. Platz vorgearbeitet habe, meint Lieven nun auch einen direkten Wahlkreis ziehen zu können.
Ende der fünfziger Jahre war der junge Landwirt über seine Berufsorganisationen zur Jungen Union gekommen. 1959 trat er der CDU-Nachwuchsorganisation bei. Fünf Jahre später wurde er CDU-Mitglied. Noch im gleichen Jahr wählten ihn die neuen Parteifreunde zum Ortsvorsitzenden. Seither mischen sich politische und landwirtschaftliche Posten, daß man nicht so recht auseinanderhalten kann, ob der Landwirt in eine politische Funktion geholt oder der Politiker mit der Betreuung von Standesaufgaben betraut worden ist.
Zu den wichtigsten Funktionen des Landtagsabgeordneten gehören heute zweifellos seine Arbeit als Kreislandwirt, Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Bonn, Mitglied des Kreistages in Düren, Mitglied des Rates und zugleich Bürgermeister von Tietz. Im Landtag, wo der CDU-Politiker während seiner ersten Legislaturperiode neben dem Westfalen Heinrich Ostrop den "rheinischen Part" in der Landwirtschaft übernommen hatte, ist Lieven jetzt Vorsitzender im Ausschuß für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz, zugleich ordentliches Mitglied im Ausschuß für Grubensicherheit und Stellvertreter im Wissenschaftsausschuß.
Mit den Ämtern haben auch die Aufgaben zugenommen. So bekennt Wilhelm Lieven: "Ich muß viel Prügel einstecken", nimmt das aber als selbstverständlich hin. Da er an vielen Fronten für die Belange der Landwirtschaft kämpfe, könne er es nicht allen recht machen. Der CDU-Mann steht zu den Vorgaben der EG-Agrarpolitik. Von der Landesregierung wünscht er sich, daß Sie nicht nur die kleinen und Nebenerwerbsbetriebe stützt, sondern gerade heute verstärkt auch für die Vollerwerbsbetriebe eintritt, damit diese auf Dauer überleben können. Der Versuch mit Mitteln der Agrar- und Sozialpolitik alle oder möglichst alle Grenzbetriebe zu erhalten, kann nach Auffassung von Landwirt Lieven nicht erfolgreich sein. Dieser Versuch verzögere das Ausscheiden dieser Betriebe und verschärfe bei dem bestehenden Verdrängungswettbewerb zudem noch den Abwanderungsdruck zu Lasten der noch wettbewerbsfähigen Betriebe, argumentiert Lieven, der als Vater von drei Söhnen und einer Tochter sehr genau weiß, daß heutzutage nur am Markt ausgerichtete, modern geführte Betriebe eine Überlebenschance haben. Was in NRW fehle, bedauert Lieven, sei ein Agrarkreditprogramm, mit dem Maßnahmen zur Strukturverbesserung durch Zinsverbilligungen erleichtert würden.
Trotz fester Standpunkte übt sich der CDU-Politiker als Ausschußvorsitzender im Ausgleich. Man müsse immer so miteinander umgehen, daß nach harter Debatte das Zusammensetzen nicht schwerfalle. Wenn es um Sachfragen geht, ist Lieven übrigens kein absoluter Parteibuch-Politiker. Als unlängst Mitarbeiter des Regierungspräsidenten Köln für eine vernünftige Realisierung der Schutzverordnungen sorgten, hat er ihnen gedankt. Lieven: " Wenn der RP dem Kreis geholfen hat, muß man sich bedanken, auch, wenn Franz-Josef Antwerpes ein Sozialdemokrat ist". Nach Hobbys und Freizeit gefragt, lacht der CDU-Mann nur. Bei seinen vielen Verpflichtungen, von denen er aber beileibe auf keine verzichten möchte, sei das kaum drin. .Aber", so räumt Landwirt Lieven ein, "in freier Luft im Feld auf dem Trecker zu sitzen", das bereite ihm noch immer große Freude und "das mache ich auch so oft wie möglich".
Gerlind Schaidt
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