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  • Porträt der Woche: Richard Winkels (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 2 - 26.01.1988

    Richard Winkels ist von Beruf Politiker. Er ist seit langem Politiker, und er ist es gerne. Doch Richard Winkels hat sich noch eine zweite Lebensaufgabe auserkoren. Das ist der Sport, besser noch: der Sport als gesellschaftliche und damit politische Aufgabe. Damit schließt sich der Kreis: Politik und Sport. Der Westfale Winkels hat sich beiden verschrieben.
    Dabei besteht keine Gefahr, daß er sich verzetteln könnte wie beispielsweise ein Vereinsvorsitzender, der über seinem sportlichen Spitzenamt seine Geschäfte vernachlässigt. Nein, bei Winkels, dem SPD-Politiker, sind Sport und Politik eine Verbindung eingegangen, die in der Biologie Symbiose genannt wird: eine Verbindung zu beiderseitigem Nutzen. Richard Winkels, seit 1970 mit dreimaliger Unterbrechung Mitglied des Landtags von Nordrhein-Westfalen, hat als anerkannter Vollblutpolitiker dem Sport im Parlament breit die Türen geöffnet. Der heute 67jährige machte den Sport, wenn man so will, parlamentarisch "hoffähig". Denn noch 1976 hat ein Journalist in einem ersten Porträt des Politikers Winkels für diese Zeitschrift mit Erstaunen festgehalten, daß im Plenum des Landtags zuvor noch nie über Sportpolitik debattiert worden sei. Das hat sich in den Jahren seitdem geändert. Sport ist entsprechend seiner zunehmenden Bedeutung in der Freizeitgesellschaft zu einem festen Bestandteil plenarer Auseinandersetzung geworden. Erst in der letzten Woche beriet der Landtag über die Zusammenhänge von Sport und Gesundheit. In der vergangenen Legislaturperiode konnte Winkels den Bedürfnissen und Anforderungen des Sports im politischen Raum kraft eines besonderen Amtes noch besonderen Nachdruck verleihen: Er war Vorsitzender des Sportausschusses. Zusätzlich hatte er ein weiteres hohes Amt, das des Vizepräsidenten des Landtags, inne. Das muß nicht unbedingt eine feste Querverbindung zum Sport herstellen. Aber es ist nie von Schaden, wenn ein Mann in einem Präsidentenamt sich um den Sport kümmert.
    Der Sport selbst hat sich inzwischen revanchiert, das bedeutet in diesem Falle keine Gefälligkeit, sondern Anerkennung der Fähigkeiten, der Kenntnisse, der Verdienste eines gestandenen Politikers, für den die herrlichste Nebensache der Welt eine Hauptsache im Sinne eines inneren Anliegens ist. Der Sport in Nordrhein- Westfalen hat dem Manne aus Warendorf im letzten Herbst sein Spitzenamt offeriert und Richard Winkels akzeptiert in einem Lebensalter, in dem es andere schon mal ruhiger angehen lassen. Winkels ist seit Oktober 1987 als Nachfolger des inzwischen verstorbenen F.D.P.-Politikers Willi Weyer Präsident des Landessportbundes. Die Wahl fand in Duisburg statt. Sie erfolgte einstimmig. Der Landessportbund hatte damit keinen Präsidenten auf seinen Schild gehoben, der erst einmal nach dem Motto verfuhr: Neue Besen kehren gut. Sport für alle, hieß vielmehr die Devise, und Winkels stellte wörtlich fest: "Auf neue Programme werden wir jedoch verzichten. Das bereits vorhandene verlangt erst einmal die Realisation, um die Vereine nicht zu überfordern.
    Da klingen die Erfahrungen des Politikers durch, der in einer Zeit knapper Kassen das Machbare nicht aus den Augen verlieren will. Für Utopien bieten sich die Zeiten nicht an, und der ehemalige Journalist Richard Winkels hat den Kopf ganz sicher nicht in den Wolken. Sportpolitik ist für ihn in den ausgehenden achtziger Jahren in erster Linie Freizeitpolitik. Er hat erkannt, daß sich der Sport in einer Phase des Umbruchs und der Umstrukturierung befindet. Er muß sich verstärkt Bevölkerungsteilen zuwenden, die rein zahlenmäßig an Bedeutung gewinnen, so den älteren Mitbürgern, während die Kinder weniger werden. Winkels verweist darauf, daß der Sport zu Neutralität verpflichtet sei. Das beinhalte indessen nicht, er müsse unpolitisch sein. Wo künftig die Schwergewichte eines gesellschaftlich ausgewogenen Sportangebots liegen sollen, ist eine immens politische Aufgabe. Richard Winkels sieht das so, und als Pragmatiker setzt er auf die Basis: im Sport und als sozialdemokratischer Abgeordneter auch in der Politik.
    Eckhard Hohlwein

    ID: LI880212

  • Porträt der Woche: Hans Kern (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 1 - 19.01.1988

    Er ist ein überzeugter Befürworter der Gesamtschule: Studiendirektor Hans Kern. Und weil der heute 54jährige Wipperfürther SPD-Landtagsabgeordnete selbst an einer solchen Schule zahlreiche Jahre bis zur Übernahme des Mandates 1985 unterrichtet hat — zuvor war er auch an Gymnasien tätig — ist seine Kritik an manchen Gesamtschulen um so glaubwürdiger. "Einige haben den Fehler gemacht, eine 'besondere Schule' sein zu wollen, und keine Angebotsschule für alle Kinder." Das Beispiel Kirspe zeige, daß eine Gesamtschule, die sich Leistung und Förderung gleichermaßen zum Ziel gesetzt habe, die Jugendlichen auf ihren späteren Lebensweg sehr erfolgreich vorbereiten könne. So hat sich Hans Kern als Leiter der gymnasialen Oberstufe bei den Abitur-Prüfungen an den Bundesländern orientiert, wo die Leistungsanforderungen besonders hoch sind. Auch seine vier Kinder haben übrigens eine Gesamtschule besucht.
    Die Schule, der Streit um die Konfessionsschule in den 60er Jahren, führte den Sohn streng katholischer Eltern auch zur Sozialdemokratie. Obwohl damals selbst im Pfarrgemeinderat aktiv tätig, zählte der gebürtige Wipperfürther zu den Verfechtern der Gemeinschaftsschule. Nach seinem Studium an der Universität Köln (Mathematik, Physik, Informatik) und den beiden Staatsexamen für das Lehreramt, waren es Theologen, die dem damaligen jungen Pädagogen "die Enge des bisher gelebten Katholizismus" nahmen. Nachhaltige Eindrücke hinterließ für ihn auch das Zweite Vatikanische Konzil mit der Öffnung der Kirche. So war der Sozialdemokrat sechs Jahre lang als sogenannter " Kirchenbeamter" beim Ursulinen-Gymnasium in Wipperfürth tätig. Diese Ordensgemeinschaft war es dann auch, die ihn zur Mitgestaltung der mit CDU-Unterstützung gegründeten Gesamtschule in Kirspe "ermunterte".
    Nach dem Eintritt in die SPD 1967 beriefen ihn Wähler und Partei bald darauf in die Kommunalparlamente, wo er sich insbesondere den sozialen und kulturellen Fragen widmete. Seit mehreren Jahren ist Hans Kern Fraktionsvorsitzender im Wipperfürther Stadtrat. Bei der letzten Landtagswahl 1985 holte der Sozialdemokrat erstmals den Wahlkreis 25, den Oberbergischen Kreis I, für seine Partei. Seitdem ist er Mitglied des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung, des Kultur- und des Petitionsausschusses.
    Freude hat der Landtagsabgeordnete vor allem an seiner Tätigkeit im Petitionsausschuß, " weil man dort dem einzelnen Bürger persönlich helfen kann und wie der Handwerkersieht, was man macht", meint er anspielend auf sein Vaterhaus, eine Handwerksfamilie mit elf Kindern. Im Ausschuß für Wissenschaft und Forschung gilt sein Augenmerk vor allem der Hochschulreform. In Anbetracht der begrenzten finanziellen Möglichkeiten und der demographischen Entwicklung könne man sich ein Überangebot an klassischer Ausbildung und ein Unterangebot an neuen, zukunftsweisenden Studiengängen nicht leisten. Zudem drohe die Gefahr, daß die Hochschulen dann die Studenten direkt in die Arbeitslosigkeit führten. Mit Genugtuung registriert das Mitglied des Kulturausschusses, daß im laufenden Haushaltsetat 1988 die Landesmittel für den kulturellen Bereich erstmals wieder aufgestockt wurden. Uneingeschränkt freut sich der SPD- Landtagsabgeordnete, daß er nach 27jähriger pädagogischer Tätigkeit nochmals in einem anderen Bereich, der Landespolitik, "gefordert" wird.
    Vielseitig wie sein beruflicher Werdegang ist auch die Gestaltung seiner Freizeit. Der Wipperfürther ist ebenso begeisterter Tänzer wie Bergwanderer, er spielt noch heute Fußball und besucht gern Konzerte. Seine Ehefrau, die in Russisch unterrichtet, weckte auch in ihm das Interesse an ausgedehnte Reisen in die Sowjetunion. Dieser große Radius von Aktivitäten hält Hans Kern auch fit für seine Aufgaben als Landtagsabgeordneter. Unter den zahlreichen "Neulingen" des Düsseldorfer Landesparlamentes zählt Hans Kern sicherlich zu den interessantesten und wahrscheinlich künftig auch gewichtigen Parlamentariern.
    Jochen Jurettko

    ID: LI880131

  • Porträt der Woche: Wilhelm Lieven (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 21 - 22.12.1987

    Wilhelm Lieven ist ein handfester Mann der Basis - zudem einer von nur noch fünf Landwirten im nordrhein-westfälischen Parlament. "Ich fühle mich als Klammerzwischen den Bürgern vor Ort und den politisch Verantwortlichen im Landtag", nimmt er selber eine Standortbestimmung vor. Aus der Gemeinde, aus dem Kreis, vor allem aber aus seinen landwirtschaftlichen Gremien bringt Lieven Erfahrungen mit in den Landtag und dessen Ausschüsse und sagt dort recht deutlich, ob die Menschen in den Kommunen mit den Gesetzen und Vorschriften, die die Parlamentarier und Experten mehr am grünen Tisch erarbeiten, auch leben können. "Meistens", so der Unionsmann aus Erfahrung, "können die Planungen der Gemeinden mit den Vorgaben des Landes bei ein bißchen gutem Willen in Einklang gebracht werden."
    Der gestandene Landwirt, der seinen Hof an der Wegstrecke zwischen Neuss und Aachen in Tietz von 13 Hektar im Jahr 1950 auf heute gut 70 Hektar ausgebaut hat, weiß sehr gut, wie er für seine vorwiegend ländliche Klientel eine wirksame Lobby zu betreiben hat. Ein bißchen verschmitzt meint Wilhelm Lieven, daß er schon immer gut "vor die Worte" kommen konnte, daß ihm seit Kindesbeinen "immer etwas eingefallen" sei, und es ihm nie schwerfiel, "mit Leuten ins Gespräch" zu kommen. All diese Fähigkeiten haben sicher dazu beigetragen, daß der am 2. September 1934 in seiner Heimatgemeinde Tietz geborene Wilhelm Lieven privat, beruflich und politisch gute Ausgangschancen hatte.
    Nach der Volksschule, einer Müllerlehre mit Gesellenprüfung, Weiterbildung zum Landwirt, der heute vor allem Zuckerrüben, Weizen, Kartoffeln, Gurken und Zwiebeln anbaut und die unrentabel gewordene Mühle 1964 drangegeben hat, wurde der erfolgreiche Bauer, von den berufsständischen Organisationen sehr rasch in die Pflicht genommen und hat dort auch kräftig mitgearbeitet.
    Mit der Politik hatte er dagegen zunächst nichts zu tun. Weder der Vater noch sonst jemand in der Familie interessierte sich sonderlich aktiv für die großen Geschehnisse in der weiten Welt. Über seine Arbeit im vorparlamentarischen Raum, dazu zählen auch Schützenverein, Heimatpflegerverbände und handfester Fußball, wurden die Politiker auf Wilhelm Lieven aufmerksam. Der damalige Landrat Johnen habe ihm dann die "Politik verordnet", indem er schlicht erklärte: "Wir brauchen Dich", erinnert sich der heutige CDU- Parlamentarier.
    Darüber, daß die CDU seine Partei sein würde, gab es keinerlei Diskussionen. Entwaffnend offen, meint Wilhelm Lieven: "Bei uns gab es damals nur Einheitslisten. Da lief alles unter CDU, auch, wenn die Leute gar nicht in der Partei waren. " Das allerdings hat sich inzwischen geändert. Immerhin hat bei den letzten Landtagswahlen ein SPD-Mann den Wahlkreis 7 in Düren geholt, allerdings nicht gegen Lieven, der bislang über die Reserveliste in das Parlament eingerückt ist. 1990 möchte er diesen Wahlkreis nun für die CDU zurückholen. Nachdem er sich vom Listenplatz 37 über die Nummer 32 auf den sicheren 25. Platz vorgearbeitet habe, meint Lieven nun auch einen direkten Wahlkreis ziehen zu können.
    Ende der fünfziger Jahre war der junge Landwirt über seine Berufsorganisationen zur Jungen Union gekommen. 1959 trat er der CDU-Nachwuchsorganisation bei. Fünf Jahre später wurde er CDU-Mitglied. Noch im gleichen Jahr wählten ihn die neuen Parteifreunde zum Ortsvorsitzenden. Seither mischen sich politische und landwirtschaftliche Posten, daß man nicht so recht auseinanderhalten kann, ob der Landwirt in eine politische Funktion geholt oder der Politiker mit der Betreuung von Standesaufgaben betraut worden ist.
    Zu den wichtigsten Funktionen des Landtagsabgeordneten gehören heute zweifellos seine Arbeit als Kreislandwirt, Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Bonn, Mitglied des Kreistages in Düren, Mitglied des Rates und zugleich Bürgermeister von Tietz. Im Landtag, wo der CDU-Politiker während seiner ersten Legislaturperiode neben dem Westfalen Heinrich Ostrop den "rheinischen Part" in der Landwirtschaft übernommen hatte, ist Lieven jetzt Vorsitzender im Ausschuß für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz, zugleich ordentliches Mitglied im Ausschuß für Grubensicherheit und Stellvertreter im Wissenschaftsausschuß.
    Mit den Ämtern haben auch die Aufgaben zugenommen. So bekennt Wilhelm Lieven: "Ich muß viel Prügel einstecken", nimmt das aber als selbstverständlich hin. Da er an vielen Fronten für die Belange der Landwirtschaft kämpfe, könne er es nicht allen recht machen. Der CDU-Mann steht zu den Vorgaben der EG-Agrarpolitik. Von der Landesregierung wünscht er sich, daß Sie nicht nur die kleinen und Nebenerwerbsbetriebe stützt, sondern gerade heute verstärkt auch für die Vollerwerbsbetriebe eintritt, damit diese auf Dauer überleben können. Der Versuch mit Mitteln der Agrar- und Sozialpolitik alle oder möglichst alle Grenzbetriebe zu erhalten, kann nach Auffassung von Landwirt Lieven nicht erfolgreich sein. Dieser Versuch verzögere das Ausscheiden dieser Betriebe und verschärfe bei dem bestehenden Verdrängungswettbewerb zudem noch den Abwanderungsdruck zu Lasten der noch wettbewerbsfähigen Betriebe, argumentiert Lieven, der als Vater von drei Söhnen und einer Tochter sehr genau weiß, daß heutzutage nur am Markt ausgerichtete, modern geführte Betriebe eine Überlebenschance haben. Was in NRW fehle, bedauert Lieven, sei ein Agrarkreditprogramm, mit dem Maßnahmen zur Strukturverbesserung durch Zinsverbilligungen erleichtert würden.
    Trotz fester Standpunkte übt sich der CDU-Politiker als Ausschußvorsitzender im Ausgleich. Man müsse immer so miteinander umgehen, daß nach harter Debatte das Zusammensetzen nicht schwerfalle. Wenn es um Sachfragen geht, ist Lieven übrigens kein absoluter Parteibuch-Politiker. Als unlängst Mitarbeiter des Regierungspräsidenten Köln für eine vernünftige Realisierung der Schutzverordnungen sorgten, hat er ihnen gedankt. Lieven: " Wenn der RP dem Kreis geholfen hat, muß man sich bedanken, auch, wenn Franz-Josef Antwerpes ein Sozialdemokrat ist". Nach Hobbys und Freizeit gefragt, lacht der CDU-Mann nur. Bei seinen vielen Verpflichtungen, von denen er aber beileibe auf keine verzichten möchte, sei das kaum drin. .Aber", so räumt Landwirt Lieven ein, "in freier Luft im Feld auf dem Trecker zu sitzen", das bereite ihm noch immer große Freude und "das mache ich auch so oft wie möglich".
    Gerlind Schaidt

    ID: LI872146

  • Porträt der Woche: Hans Jaax (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 20 - 08.12.1987

    Er zählt zu jenen Abgeordneten im nordrhein-westfälischen Landtag, die das Bindeglied zwischen dem Land und den Gemeinden stärken: Der Sozialdemokrat Hans Jaax ist seit 1965 in der Kommunalpolitik aktiv tätig; zunächst sachkundiger Bürger in der SPD-Fraktion des Kreistages des Rhein-Sieg-Kreises, dann Mitglied des Kreisparlamentes und seit 1975 Bürgermeister der Stadt Troisdorf. Mit viel Engagement und Ausdauer bemühte er sich seitdem erfolgreich, das "räumliche Umfeld" der Bürger lebenswerter zu machen und Probleme bis zu ihrer Lösung durchzufechten.
    Zähigkeit und Zielstrebigkeit sind Eigenschaften, die der gebürtige Troisdorfer schon in jungen Jahren besaß. Nach der Realschule absolvierte er zunächst eine Lehre als Betriebsschlosser, anschließend besuchte er die staatliche Ingenieurschule Köln und schloß sie mit der Ingenieurprüfung erfolgreich ab. Nach diesem Studium folgte ein weiteres, das Pädagogik-Studium. Bis zum Einzug in den Landtag 1985 konnte der heute 54jährige als Studiendirektor an einer berufsbildenden Schule den Jugendlichen auch vieles aus seiner früheren handwerklichen Praxis mit auf ihren Berufsweg geben.
    In die Sozialdemokratische Partei trat Hans Jaax bereits 1964 ein. Sie berief ihn in mehrere Parteiämter und nominierte ihn für Kreistag und Stadtrat. Die Anerkennung der Leistungen des Troisdorf er Bürgermeisters auch bei seinen politischen Gegnern wurde nach der letzten Kommunalwahl 1984 besonders deutlich, als der Sozialdemokrat mit den Stimmen der CDU-Stadträte wiedergewählt wurde. "Die Stimmen der Grünen wollte ich nicht", erklärt Hans Jaax seine ablehnende Haltung gegenüber der Politik der Alternativen.
    In der Tat hat die Stadt Troisdorf unter ihrem "ersten Bürger" viele Aufgaben erfolgreich angepackt, beispielsweise das Problem des Abbaus vieler Arbeitsplätze in der Großindustrie, so bei der Dynamit Nobel AG. Man reagierte darauf mit der Ausweisung und dem Verkauf von neuen Gewerbeflächen. Zahlreiche mittelständische Unternehmen haben sich inzwischen angesiedelt und gut entwickelt. Aber auch Betriebe, die sich in der dichtbesiedelten Innenstadt nicht mehr erweitern konnten oder "zu laut" waren, wurden mit städtischer Unterstützung ausgelagert. So konnte auf dieser Weise auch der Ortskern saniert und damit praktischer Umweltschutz betrieben werden.
    Der Sozialdemokrat gab der Stadt auch kulturelle Impulse. So beherbergt sie inzwischen ein Museum für Kinderbuch- Illustrationen und vergibt seit 1980 alljährlich einen Preis für solche Illustrationen. Den Grundstock legte ein Industrieller, der seine Sammlung der Stadt schenkte.
    Nachdem der erste Versuch von Hans Jaax 1975 nur knapp gescheitert war, die bisherige CDU-Domäne, den Wahlkreis Rhein-Sieg IV, für die Sozialdemokraten zu gewinnen, schaffte er es bei der letzten Landtagswahl 1985 um so deutlicher. Die Fraktion berief den Troisdorf er dann in den Ausschuß für Schule und Weiterbildung sowie in den Verkehrsausschuß. Im Schulausschuß widmet sich Hans Jaax insbesondere den Problemen ausländischer Jugendlicher. Für den Sozialdemokraten ist es unverzichtbar, daß jene Heranwachsenden einen Schulabschluß erhalten. Er ist die Voraussetzung für eine gute Berufsausbildung. Diese Notwendigkeit besteht für den Landtagsabgeordneten unabhängig davon, ob die jungen Ausländer später in die Heimat ihrer Väter zurückkehren oder in der Bundesrepublik bleiben wollen. Nach zweieinhalbjähriger Tätigkeit im Schulausschuß bedauert es Hans Jaax, daß vor allem in diesem Parlamentsgremium die Konfrontation zwischen den Fraktionen im Vordergrund steht.
    Im Verkehrsausschuß beschäftigt sich der Troisdorfer vor allem mit Fragen der Verkehrssicherheit. Nach seiner Ansicht sollte ein generelles Tempolimit von 30 km/h in Wohngebieten eingeführt werden. Außerdem sollte die Automobil-Industrie sich bei ihrer Produktion stärker den "wahrnehmbaren Autofarben" zuwenden.
    Wie bei all' seinen Kollegen ist die Freizeit knapp, sie gehört dann der Familie, der Ehefrau und seinen beiden Töchtern.
    Jochen Jurettko

    ID: LI872039

  • Porträt der Woche: Gerd Wendzinski (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 19 - 01.12.1987

    Nein, stromlinienförmig, damit man sich möglichst widerstandsarm überall durchschlängeln kann, will er nicht sein. Gegen "auswechselbare Typen" hat er etwas. Ein Mann mit Ecken und Kanten, so die Selbsteinschätzung, sei er: Gerd Wendzinski, stellvertretender Vorsitzender der SPD- Fraktion seit 1978, Abgeordneter im Landtag seit 1970, zuletzt, im Mai 1985, Gewinner im Wahlkreis 132, Dortmund III. "Vielleicht", sinniert er im Gespräch, "habe ich gerade deswegen gute Freunde."
    Der Aufstieg des Gerd Wendzinski an die Führungsspitze der Mehrheitsfraktion des Parlaments am Kaiserteich in Düsseldorf war von ihm nicht systematisch vorgeplant, vielmehr ergab sich manches zufällig. Sein Weg in die SPD und dann seine "Karriere" in der Partei waren auch eher die Produkte des von anderen ein wenig gesteuerten Zufalls. Vom Elternhaus war der 1935 in Dortmund Geborene nicht "sozialistisch" vorgeprägt; wie sollte er auch, der Vater fiel schon zu Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939. Gerhard Wendzinski wuchs bei Großeltern auf einem Bauernhof in Norddeutschland heran. Die sozialistische Jugendorganisation "Die Falken" waren im bäuerlichen Milieu kein Thema. Der "Christliche Verein Junger Männer", auch bekannt unter dem Kürzel CVJM, wirkte da schon eher prägend, wie das noch heute bestehende Engagement Wendzinskis in der Evangelischen Kirche belegen kann. "Vielleicht von der Bergpredigt herkommend", so sagt er, Kurt Schumacher, den unvergessenen ersten Vorsitzenden der SPD nach dem Zweiten Weltkrieg, zitierend, habe er die politische Heimat in der SPD gefunden.
    Daß er mit seinen Ansichten in diese Partei hineingehöre, darauf ist er nicht einmal selbst gekommen. Andere, die mit ihm an langen Abenden "über Gott und die Welt" diskutierten, hatten ihm sozialdemokratisch geprägte Meinungen attestiert. Wenn dem so ist, so sagte sich der damals 20jährige, dann gehe ich in die SPD. Und die SPD ist in den 32 Jahren, die Wendzinski ihr schon angehört, die Partei geblieben, mit deren Programm er, hierauf Carlo Schmid sich abstützend, "zu 60, 70 Prozent" übereinstimme.
    Die Diskussionen, die der SPD das Mitglied Gerd Wendzinski einbrachten, fanden im Anschluß an die Abendschule statt, auf der damals der junge Elektro-Installateur für Abitur und Hochschulreife büffelte. (Nach einem anstrengenden Berufstag, versteht sich.) Wer sich auskennt in den Schwierigkeiten, über den "Zweiten Bildungs weg" an das Ziel zu kommen, weiß, was es heißt, wenn einer es erreicht. Gerd Wendzinski hat es geschafft, er ist Physik-Ingenieur geworden aus eigener Kraft. Für den Karrierestart in der SPD sorgten Jusos, in deren Organisation er nie aktiv gewirkt hat. Sie nominierten ihn 1964 und setzten ihn auch durch als Kandidat der SPD für den Dortmunder Stadtrat. Sie fanden, so erinnerter sich heute, daß ein Physik-Ingenieur, der bei Hoesch werkt, für die SPD in der Stadt einiges bringen könne. Die Jusos haben wohl richtig getippt, denn zwei Jahre später kam schon der Vorsitz im SPD-Stadtbezirk Dortmund-Mengede auf Wendzinski zu, weil er durch seine Arbeit auf sich aufmerksam gemacht hatte. Der Rest war eigentlich Partei-Routine: Unterbezirksvorstand, Landesvorstand, Landtagsabgeordneter; hinzu kamen diverse Ehrenämter in der Kirche, in wissenschaftlichen Beiräten, Vorstandsmitglied der Rheinisch-Westfälischen Auslandsgesellschaft.
    Und dies alles noch neben dem Beruf als forschender Ingenieur bei Hoesch. Die Optimierung der Hochofenprozesse durch Steuerung aufgrund von Sensormeldungen aus dem Inneren waren mit sein, von Patenten gekröntes Werk. 1978, mit der Wahl in den Fraktionsvorstand, stand Wendzinski vor der Entscheidung: Beruf oder Politik. Obwohl Hoesch mit der Gehaltserhöhung winkte, fiel die Entscheidung für das Fraktionsamt in Düsseldorf. Warum:"Gestalten können in der Politik, wenn auch im kleinen Rahmen des Landesparlaments, heißt, die Gesellschaft beeinflussen, dem Menschen helfen zu können." Der idealistische Grundansatz des jungen Christen wird hier deutlich.
    Wie bei vielen Naturwissenschaftlern, so findet man auch bei Wendzinski manche Gedanken, die weit über das harte und einen langen Arbeitstag bescherende Alltagswirken in der Politik hinausgehen: Verantwortung für andere, in Armut lebende Menschen in der dritten Welt als Aufgabe und Chance für die eigene Zukunft der Industriegesellschaft. Nicht immer mehr Reichtum und Wohlstand für wenige, menschenwürdiges Dasein für alle. Schon die Selbsterhaltung der Industriegesellschaft erfordere hier ein Umdenken. Und, die politische Wirklichkeit aufgreifend, solche schwierigen Umdenk- und Umlenkprozesse könnten nur die Frucht eines Kompromisses zwischen den großen politischen Parteien in der Bundesrepublik sein. Einen bescheidenen Ansatz auf diesem Weg sieht Wendzinski in der Neubildung der "Kohlefraktion" aus SPD und CDU im Landtag.
    Karl Lohaus

    ID: LI871942

  • Porträt der Woche: Jürgen Büssow (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 18 - 17.11.1987

    Zu den politischen Alltagswahrheiten zählt der Satz, daß Wandelbarkeit Voraussetzung für Kontinuität sei. Was nichts mit opportunistischer Anpassung zu tun habe. Es soll vielmehr die Freiheit bezeichnet werden, auf aktuelle Herausforderungen unorthodox und geschmeidig zu reagieren. Der Großpolitiker läßt sich niemals einengen und bewahrt dennoch, wenn es geht, seine Integrität. Dies angesichts der Barschel-Affäre und der Verstrickung einer großen Volkspartei vorausgeschickt, erscheint ein Mann wie Jürgen Büssow als eine beachtenswerte Hoffnung der Landespolitik.
    Büssow ist freilich Sozialdemokrat und schon deshalb von Anfechtungen weitgehend frei, machtbesessen und skrupellos zu operieren. Der 41jährige zeigt nach heißspornigen Jahren vielmehr Nachdenklichkeit. Er darf zu den Dazulernern gerechnet werden.
    Noch sind manchen Abgeordneten im Düsseldorfer Landtag die frühen Reden ihres Kollegen Büssow im Gedächtnis, der mit flotter Häme und garstigem Spott die konservative Opposition geißelte, aber auch die Landesregierung nicht schonte. Selbst der Christdemokrat Kurt Biedenkopf, der um seine Parlamentsauftritte die kühle Aura des gespannten Respekts zu verbreiten pflegte, mußte der flinken Düsseldorfer Zunge Tribut zollen. Unvergessen ist Büssows süffisante Anmerkung zu einer Biedenkopf- Zwischenfrage in einer Debatte am 18. März 1981, als er den Professor beschied, wer einmal zwei Semester studiert und Wissenschaftstheorie betrieben habe, kenne das Problem, "daß aus dem Sein nicht geschlossen werden kann, was sein soll".
    Für sich selbst hat Jürgen Büssow das Problem gelöst. Was sich aus seinem Lebenslauf ergibt: Geboren am 1. April 1946 in Godesberg, Volksschule, Lehre und Gesellenprüfung als Orthopädiemechaniker, "Bildungsreifeprüfung" im Jahr der Studentenrevolte (1968), Studium der Erziehungswissenschaften, Diplom- Pädagoge, zwei Jahre Studienleiter in einem Institut der Erwachsenenbildung, danach Referent der Hans-Böckler-Stiftung. Die politische Karriere: Mitglied der SPD seit 1964, Sozialistischer Hochschulbund, Jungsozialist, SPD-Parteirat, Mitglied des SPD-Unterbezirks Düsseldorf, SPD-Landesausschuß; Gewerkschafter bei der ÖTV- ein geradezu klassisches Exempel für die sich wandelnde Sozialdemokratie.
    Als Medienexperte seiner Partei hat er sich einen Namen gemacht, war dabei immer mit der Nase im Wind. Als es für die SPD insgesamt noch angezeigt erschien, keine privaten Rundfunkveranstalter auf Hörer und Seher loszulassen, stattdessen vielmehr unbeirrt am öffentlich-rechtlichen Rundfunk allein festzuhalten, war Büssow schon auf dem Wege in die andere Richtung. Widerstand gegen eine Entwicklung, die nicht aufhaltbar, gar zukunftsträchtig erschien, baute er ab. Das gelang ihm ebenso eindrucksvoll wie die Beseitigung seines öffentlichen Images, ein aggressiver Linker zu sein.
    Das zumal hatte Büssows parlamentarischen Auftritten bislang oft ihre Bedeutung genommen. Ins Ideologie-Klischee gepreßt, erzielte er wenig Wirkung. Inzwischen zählt er zu den wenigen Abgeordneten des Düsseldorfer Landtags, die von allen Seiten als Anwärter auf größere Aufgaben angesehen werden. Seine Debattenbeiträge vor allem werden ob ihrer Schlagfertigkeit und Brillanz selbst von denen geschätzt, denen Büssows Attakken gelten.
    Er habe sich entwickelt, sagen seine Parteifreunde. Und er selbst langt mit seiner flinken politischen Begabung längst weit über seinen medienpolitischen Fachbereich hinaus. Schon hält das Fraktionsvorstandsmitglied Jürgen Büssow auch Haushaltsreden. Ohnehin fühlt er sich im puren Streit der Experten "immer noch nicht ganz sozialisiert", wie er sich auszudrücken beliebt.
    Der 41jährige, verheiratet und Vater eines Kindes, sucht deshalb nicht umsonst den engen Kontakt der Politiker zum Wähler. Der Abgeordnete, hat er einmal gesagt, müsse "wirklich Transmissionsriemen der Bevölkerung" sein. Jenseits von Fraktionszwang, Regierungsverantwortung und Parteiräson müsse er seinen Standpunkt finden, "auch wenn es dem Parteiapparat weh tut". Den Wahlkreis Düsseldorf IV hat Jürgen Büssow 1985 mit knapp 55 Prozent und einem Vorsprung von mehr als 20 Prozentpunkten auf seinen CDU-Mitbewerber gewonnen. Das ist wohl ein Auftrag von Gewicht. Büssow ist noch eine ganze Menge zuzutrauen.
    Bernd Kleffner

    ID: LI871849

  • Porträt der Woche: Hildegard Matthäus (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 16 - 20.10.1987

    Ihr Engagement gilt derzeit der Durchsetzung einer Kulturstiftung für Nordrhein-Westfalen. "Ich will die Stiftung als eine Art Bevölkerungsbewegung, für die jeder Bürger eintreten kann", sagt Hildegard Matthäus. Die CDU- Abgeordnete, die seit 1980 im Landesparlament sitzt, hat ganz konkrete Vorstellungen, wie diese Einrichtung zu finanzieren wäre. Ihrer Meinung nach würde eine solche neue Stiftung auch dazu beitragen, das Bewußtsein der Bevölkerung für Kultur zu stärken. Darüber hinaus sieht sie eine Chance, den Landeshaushalt zu entlasten und andere bisher nicht geförderte Projekte zu unterstützen.
    "Beispielsweise halte ich es für möglich, daß Bürger sich mit 100 DM beteiligen. Ganz sicher würde ihr Interesse für Kunst steigen, wenn sie finanziell auch nur ein klein wenig beteiligt wären", meint die Parlamentarierin. Die geplante Kulturstiftung sollte unter anderem die Kurzfilmtage in Oberhausen, die Akzente in Duisburg oder das Wuppertaler Tanztheater bezahlen. Die Mittel, die dafür bislang von der Landesregierung aufgebracht werden, könnten in andere Kultureinrichtungen fließen. " Vielleicht könnte man sie auch für die Weiterbildung nutzen, um die es augenblicklich im Land arg schlecht bestellt ist", regt Frau Matthäus an und hat damit bereits ein weiteres Thema ihrer Parlamentsarbeit angeschnitten. Kultur und Kunst haben die lebhafte kleine Person zeit ihres Lebens interessiert, ohne daß sich Hildegard Matthäus nun von Anfang an das Ziel gesetzt hätte, als Abgeordnete in die Politik zu gehen. Die am 13. April 1934 in Mülheim an der Ruhr geborene CDU-Dame kommt aus einem Beamtenhaus, das sich durch seine evangelische Prägung und eine damit verbundene Gegnerschaft zum Dritten Reich auszeichnete. " So richtig parteipolitisch engagiert war mein Elternhaus nicht", meint Hildegard Matthäus.
    Ihre Schuljahre waren durch die Kriegs wirren gekennzeichnet. Teilweise wurde sie in einem Sammelgymnasium in einem Bunker unterrichtet. Kurz nachdem sie die Mittlere Reife erreicht hatte, verließ sie aus familiären Gründen die Schule und bereitete sich auf der Höheren Handelsschule aufs' Geldverdienen vor. Einige Jahre war sie dann bei der Hugo Stinnes GmbH als Sachbearbeiterin für Bankfragen beschäftigt.
    Auf dem zweiten Bildungs weg absolvierte sie eine Ausbildung als Lehrerin für Kurzschrift, Maschinenschreiben und Informatik an einer berufsbildenden Schule und legte 1964 noch die Prüfung als englischer Übersetzer ab.
    Politisches Interesse hat bei ihr ein Lehrer in der Handelsschule geweckt, der sie während des Unterrichts häufig mit seinen Ansichten zum Widerspruch reizte. Dieser Pädagoge nahm sie mit zu einer politischen Diskussions runde, die er in der Volkshochschule leitete.
    Hier schärfte Hildegard Matthäus ihre politische Urteilskraft. Als sie 1961 das Lehrerinnenexamen ablegte, war ihr gleichzeitig klar, daß sie auch "politisch aktiv" werden wollte. Damals zog sie nach Oberhausen um, weil die Stadt mit dem ursprünglichen Arbeiterflair der richtige Boden für ihre politische Arbeit schien, trat in die CDU ein und zugleich auch in die Frauen vereinigung der Partei.
    Bereits drei Jahre später war sie Ratsmitglied in Oberhausen, was sie übrigens auch heute noch, 23 Jahre später, ist. "Damals hat es mir wohl geholfen, daß ich eine Frau und noch dazu evangelisch war", meint Frau Matthäus in der Erinnerung. Von Anfang ihrer Ratsarbeit an saß sie im Kulturausschuß. "Meine Jungfernrede habe ich allerdings über den Müll gehalten", erinnert sich die CDU-Politikerin lebhaft.
    Die Ratsmitgliedschaft brachte es mit sich, daß Frau Matthäus auch in die Kommunalpolitische Vereinigung (KPV) eintrat und hier nach zwei Jahren stellvertretende Vorsitzende des Fachausschusses Kultur wurde. Seit 17 Jahren hat sie den Vorsitz im Kulturausschuß der Bundes-KPV. Auch auf der Stufenleiter der möglichen Posten in der Frauenbewegung ging es rasch bergauf. Frau Matthäus ist Vorsitzende der Vereinigung in Oberhausen, stellvertretende Chefin im Bezirk Ruhr und Pressebeauftragte in der Landesgruppierung.
    Bei ihrer Basisarbeit im Rat der Stadt Oberhausen ärgerte sich die zielstrebige Politikerin zuweilen recht heftig über die Entscheidungen " vom grünen Tisch", mit der die Landespolitik den Kommunen Auflagen aufdrückte. "Das war der Ansatzpunkt, um mich für ein Landtagsabgeordnetenmandat zu bemühen", sagt Frau Matthäus. Erste Schützenhilfe für dieses Vorhaben erhielt sie von der Jungen Union, danach stellten sich auch die Frauen mit Nachdruck hinter sie. Bei der Landtagswahl 1975 langte es dann allerdings noch nicht für den Sprung in den Landtag. Doch seit 1980 ist sie Parlamentarierin in Düsseldorf.
    In der Sitzordnung des Parlaments hat sie sich inzwischen bis in die zweite Reihe gleich hinter der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Christa Thoben hochgearbeitet. In der Facharbeit ist ihr Platz im Kultur- und Schulausschuß. "In beiden gibt es soviel zu tun, daß ich auch im nächsten Landtag wieder dabeisein möchte", weiß die Oberhauserin schon heute.
    Abgeordnetendasein, Privatleben und Hobby laufen bei der CDU-Politikerin zusammen. "In Oberhausen besuche ich jede Premiere", berichtet sie und fügt hinzu: "Ich reise auch durch das Land und sehe mir interessante Aufführungen und Ausstellungen an". Wenn dann noch ein bißchen Freizeit bleibt, dann vergräbt sich Hildegard Matthäus gern in Büchern: "Ich lese mit Begeisterung: vor allem Biographien von Regisseuren, Schauspielern und natürlich Politikern!"
    Gerlind Schaidt

    ID: LI871637

  • Porträt der Woche Martin Stevens (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 15 - 13.10.1987

    Er will nicht einer der Akteure auf der Düsseldorfer Parlamentsbühne sein, und er sucht auch nicht den rhetorischen Disput mit dem politischen Widersacher: der SPD-Landtagsabgeordnete Martin Stevens aus Eschweiler sieht sein Haupttätigkeitsfeld "vor Ort", an der Basis. Und dort fühlt er sich auch am wohlsten. Unmittelbar nach seinem Einzug in den nordrhein-westfälischen Landtag im Mai 1985 hat er denn auch in seinem Wahlkreis, dem Kreis Aachen I, den er übrigens erstmals für die SPD geholt hat, ein Bürgerbüro eingerichtet. Inzwischen findet diese Einrichtung regen Zuspruch, " und es kommen die, die in großer Not sind". Verständnis für die Sorgen des "kleinen Mannes" brauchte der heute 58jährige Sozialdemokrat nicht erst zu erlernen. Als Sohn eines Arbeiters trat er nach Besuch der Volksschule eine Lehre an und wurde Modelltischler. Später machte der aktive Sportler aus seinem Hobby einen Beruf, ließ sich als Schwimmeister ausbilden und leitete dann die städtischen Bäder in Eschweiler.
    In die SPD trat Martin Stevens nach der Anstellung bei der Stadt ein, 1965, "weil man mir später nicht nachsagen sollte, ich hätte die Stelle durch die Partei bekommen". Danach betrauten ihn die Mitglieder mit mehreren Ämtern und Mandaten. So ist er seit 14 Jahren Vorsitzender des Ortsvereins Weisweiler, ist Vizechef des Unterbezirks Kreis Aachen, gehört dem Landesausschuß an und vertritt die örtlichen Parteifreunde auf Landes- und Bundesparteitagen. Der Gewerkschaft trat der Abgeordnete bereits 1955 bei, zwölf Jahre war er Personalratsvorsitzender der Stadtverwaltung Eschweiler und ist heute Kreisvorsitzender der ÖTV. In der Kommunalpolitik ist der Sozialdemokrat seit 1968 tätig. Er gehört seitdem dem Kreistag an und ist heute Vorsitzender seiner Fraktion. Als Präsidiumsmitglied des Westdeutschen Schwimm-Verbandes engagiert er sich auch im Kreistag für die Belange des Sports, wobei das Wünschenswerte immer stärker an den finanziellen Realitäten scheitert. Neben dem Sport widmet er sich im Kreisparlament der Jugendpolitik und leitet den Jugendwohlfahrtsausschuß.
    Nach seinem Einzug in den Düsseldorfer Landtag berief die SPD-Fraktion ihren "Neuling" in den Petitionsausschuß und in den Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft. Nach zweieinhalb Jahren sieht sich Martin Stevens insbesondere im Petitionsausschuß gefordert, weil die Abgeordneten dort mit den vielfältigsten Problemen der Mitbürger konfrontiert werden. Und in diesem Gremium spüre gleichzeitig der Abgeordnete, daß er "etwas bewegen kann", bilanziert der Sozialdemokrat seine bisherige Tätigkeit.
    Als Abgeordneter der von großen Strukturproblemen betroffenen Wirtschaftsregion Aachen sorgt sich der Sozialdemokrat um die Zukunft dieses Raumes, und er plädiert für ein gemeinsames Handeln aller Kräfte über die Parteigrenzen hinweg. Er begrüßt in diesem Zusammenhang das sogenannte Aachen-Programm der Industrie- und Handelskammer, in dem auch Vorschläge des SPD- Unterbezirks ihren Niederschlag fanden. Die Region Aachen-Jülich könnte aufgrund ihrer guten Infrastruktur zu einem "Modellprojekt" für eine weitsichtige Strukturpolitik gemacht werden. Diese Chance sei um so größer, als alle Verantwortlichen "relativ früh" mit den Problemen der für 1994 geplanten Stillegung der Zeche Emil Mayrisch konfrontiert worden seien. Jetzt müßten die Konsequenzen gezogen werden, fordert der Abgeordnete. Dazu gehöre auch, daß die Gemeinden den Gebietsentwicklungsplan zügig umsetzten.
    Nach wie vor hält sich der Vater von vier Kindern mit Schwimmen fit und er läuft gern Ski. Ansonsten sei sein "Hobby" die Arbeit, wie er geradeherausantwortete.
    Jochen Jurettko

    ID: LI871541

  • Porträt der Woche: Beatrix Philipp (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 14 - 29.09.1987

    "Das ist zu kurz gesprungen", kritisiert Beatrix Philipp die jüngsten Pläne von Innenminister Herbert Schnoor zur Quotenregelung im öffentlichen Dienst Nordrhein-Westfalens. Zwar meint auch die CDU-Abgeordnete aus Düsseldorf, es sei "gar keine Frage", daß "wir noch neue Wege finden müssen, um die Frauen nach vorn zu bringen", doch die Quotenregelung hält sie für keine besonders glückliche Möglichkeit.
    Als Vorsitzende der CDU-Frauenvereinigung Düsseldorf und Mitglied des Landesvorstandes der CDU-Damen betont Beatrix Philipp: "Ich arbeite dafür, daß die Frauenvereinigung einmal überflüssig wird", fügt allerdings realistisch hinzu, "vermutlich wird noch meine Tochter recht aktiv in dieser Gruppierung tätig sein, ehe dieses Ziel erreicht wird."
    Als Begründung für ihre ablehnende Haltung zur Quotenregelung meint die engagierte CDU-Politikerin: "Mir wäre es peinlich, wenn ich in ein Amt gewählt würde und anschließend nicht wüßte, ob ich nun gewählt worden bin, weil ich gut oder nur deshalb, weil ich eine Frau bin."
    Diese Einstellung nimmt man der 42jährigen Rheinländerin ab. Resolut und robust unterstützt sie seit zwei Jahren die 13köpfige Parlamentarierinnenriege der CDU-Fraktion im Düsseldorfer Landtag. Neben Frauenfragen interessiert sich die Pädagogin für ihr gelerntes Metier, die Schule. Besonders hingezogen fühlt sie sich jedoch zu allen Themen des Gesundheitswesens.
    Als Tochter eines Arztes war für Beatrix Philipp zunächst klar, daß auch sie einmal Medizin studieren würde. Doch dann entschied sie sich für die Pädagogik. Nach zwei Semestern in Freiburg fand sie an der Frankfurter Uni eine ideale Kombinationsmöglichkeit, die ihr einerseits das Pädagogikstudium ermöglichte, zum anderen aber auch die Gelegenheit "zum Herumschnüffeln" in anderen Fakultäten bot, wie sie es nennt. Ausgiebig machte sie von dieser Chance Gebrauch. Hier in Frankfurt wurde sie Ende der 60er Jahre auch erstmals so richtig für die Politik sensibilisiert. "Ich erinnere mich sehr nachhaltig an die Auftritte von Daniel Cohn-Bendit, vor allem daran, wie es ihm gelang, die Studenten zu provozieren, zu emotionalisieren und schließlich zu manipulieren." Einer dieser Polit-Auftritte wurde für die am 7. Juli 1945 in Mönchengladbach geborene Arzttochter zum Schlüsselerlebnis für ihr späteres politisches Engagement. Beatrix Philipp: "Damals wurde mir klar, es reicht einfach nicht aus, sich leise seine Meinung zu bilden und alle paar Jahre ein Kreuzchen zu machen, man muß selber Stellung nehmen." Diesen Entschluß setzte die Studentin jedoch nicht gleich in die Praxis um. Das kam erst 1972, als nach Studienabschluß, Heirat, Umzug nach Düsseldorf, zwei Kindern und Bestallung als Lehrerin an einer katholischen Grund- und Hauptschule "alles so lief", daß wieder Zeit und Raum für etwas Neues war.
    Christdemokratische Freunde hatten ein wenig gedrängelt und ihr klargemacht, daß sie genau die Richtige für die Parteiarbeit vor Ort sei. Schließlich wollte sie selber ihren Entschluß aus Studienzeiten verwirklichen. Bereits drei Jahre später trug der Ortsverein der durchsetzungsfreudigen Unionsdame die Kandidatur für ein Ratsmandat der Stadt Düsseldorf an. Der Sprung ins Stadtparlament klappte gleich beim ersten Anlauf. Schwerpunkte ihrer Arbeit dort waren der Jugendwohlfahrtsausschuß und der Ausschuß für öffentliche Einrichtungen. Innerhalb der Ratsfraktion fiel die Lehrerin, die 1982 Schulleiterin geworden war, rasch die Karriereleiter hinauf. Beim Auf- und Durchbruch in die Landespolitik hat dann die langjährige CDU-Landtagsabgeordnete Maria Hölters eine gewichtige Rolle gespielt. Sie wollte Beatrix Philipp als ihre Nachfolgerin für den Wahlkreis II in den Düsseldorfer Landtag holen. Doch die Ratsdame zögerte. Zu sehr hatte sie sich in der Lokalpolitik engagiert, als daß sie sich rasch davon lösen konnte. Erschwert wurde die Entscheidung dadurch, daß die Düsseldorfer Parteisatzung ein Doppelmandat verbietet. Schließlich gelang es Maria Hölters aber doch, ihre "Ziehtochter" von der Richtigkeit des Wechsels in die Landespolitik zu überzeugen.
    1985 zog Beatrix Philipp in den Landtag ein. Sie ist Mitglied im Ausschuß für Jugend und Familie und Mitglied im Ausschuß für Schule und Weiterbildung. "Damit sind meine Ausschußwünsche erfüllt", meint die CDU-Dame, verhehlt allerdings nicht, daß sie nur allzugern auch noch im Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales sein würde, doch das erlaubt schon der Zeitplan derzeit nicht, da beide Gremien parallel tagen. Doch der Gesundheitsausschuß wird ihr nächstes Ziel.
    Denn eines steht fest: Nachdem Beatrix Philipp in der Landtagsfraktion Fuß gefaßt hat und das Arbeitszimmer in der Elisabethstraße zu ihrer zweiten Heimat geworden ist, möchte sie bei der nächsten Landtagswahl 1990 wiederantreten.
    Ihr Arbeitspensum ist im zweiten Abgeordnetenjahr bereits so gedrängt, daß für Hobbys nicht viel Zeit bleibt. Die Motorfliegerei hat sie längst an den Nagel gehängt. Gemeinsames Reisen mit ihren Kindern, die sie allein erzieht, steht allerdings auf dem Wunschzettel von Tochter und Sohn und wird auch erfüllt. Gelegentlich ist Beatrix Philipp durchaus für einen zünftigen, aber nicht allzu ernsten Skat zu haben.
    Gerlind Schaidt

    ID: LI871438

  • Porträt der Woche: Gerd Müller (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 13 - 22.09.1987

    In wichtigen Grundfragen der nordrheinwestfälischen Wirtschaftspolitik zum Konsens zu gelangen, darin sieht der neue Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses des Landtags, Gerd Müller (46), eine seiner Hauptaufgaben. Noch heute zeigt der SPD-Abgeordnete Genugtuung darüber, daß es im Frühjahr gewissermaßen über Nacht gelungen ist, im Landtag wieder zu einer gemeinsamen "Stahlfraktion"zu kommen. Damals war er als wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion wesentlich am Zustandekommen einer gemeinsamen Stahlentschließung beteiligt. Jetzt setzt er seine Hoffnung darauf, daß in den nächsten Wochen und Monaten ein ähnlicher Konsens in der Kohlepolitik erzielt wird. In den Fraktionen von SPD und CDU sieht er bereits Ansätze dazu.
    Der sozialdemokratische Wirtschaftspolitiker, der sein Studium in Bonn und Köln mit dem Examen zum Diplom-Kaufmann abschloß, räumt bereitwillig ein, daß Landeswirtschaftspolitik im wesentlichen appellatorischen Charakter besitze, weil die meisten Zuständigkeiten in Brüssel und Bonn lägen. Deshalb habe sich der Wirtschaftsausschuß auch nur selten mit Gesetzentwürfen zu befassen. Darauf komme es auch gar nicht an, denn: "Die Wirtschaft baut auf Stimmungen, Klima, Vertrauen, weniger auf direkte Handlungsanweisungen." Im Wirtschaftsausschuß glaubt er auch eine grundsätzliche Übereinstimmung festgestellt zu haben über das Ziel, Nordrhein-Westfalen ökonomisch und ökologisch zu erneuern; in seiner Einschätzung gibt es parteipolitische Unterschiede "nur in Nuancen" darüber, wie dieses Ziel zu erreichen ist.
    Als Müller 1980 erstmals in den Landtag gewählt wurde, brachte er berufliche Erfahrungen aus der Wirtschaft mit und wurde sogleich von seiner Fraktion in den Wirtschaftsausschuß entsandt. Zunächst hatte er bei Siemens in Essen und Düsseldorf in der Datenverarbeitung gearbeitet und war danach zur Siemens- Tochter KWU in seiner Heimatstadt Mülheim a. d. Ruhr gewechselt. Er habe immer "sehr gut damit leben können", versichert er, gleichzeitig Angestellter eines Unternehmens, das auch Kernkraftwerke baut, und Mitglied einer Partei (seit 1961) zu sein, die sich für den Ausstieg aus der Kernenergie entschieden hat. Mit seinem Arbeitgeber habe es deshalb nie Ärger gegeben, im Gegenteil: "Ich konnte vielfach moderierend tätig werden, häufig Gespräche vermitteln." Zum Jahresende allerdings will er sich beruflich verändern, er geht in die Wasserwirtschaft.
    Bevor Müller in die Landespolitik wechselte, war er in seiner Geburtsstadt Mülheim elf Jahre lang kommunalpolitisch aktiv, insbesondere in der Stadtplanung und in der Wirtschaftsförderung. Bereits mit 34 Jahren wurde er zum Bürgermeister gewählt. Seine damaligen Ambitionen, nach einigen Jahren im Landtag dort Oberbürgermeister zu werden, hat er mittlerweile aufgeben müssen: Nach dem plötzlichen Tod des damaligen Amtsinhabers wurde Eleonore Güllenstern in dieses Amt gewählt.
    Seit 1985 gehört Müller auch dem Kulturausschuß des Landtags an. Daß Wirtschafts- und Kulturpolitik Berührungspunkte haben, verdeutlicht er an diesem Beispiel: Im Etat des Wirtschaftsministers werden neuerdings jährlich fünf Millionen DM für die Film förderung bereitgestellt. Damit soll die Struktur der Filmwirtschaft in Nordrhein-Westfalen verbessert werden, wodurch auch neue Arbeitsplätze geschaffen werden könnten. Ebenso könnten diese Mittel dafür eingesetzt werden, auf dem Lande Kinos zu dörflichen und kleinstädtischen Begegnungsstätten auszubauen.
    Daß Müller, der mit einer Schauspielerin verheiratet ist, ein Beispiel aus der Filmkultur wählt, ist kein Zufall: Über viele Jahre leitete er in Mülheim den örtlichen Film-Club. Er verschweigt auch nicht seinen fast schon esoterischen Filmgeschmack; seine Vorliebe gilt engagiert gemachten Kunstfilmen, etwa denen des Regisseurs Werner Nekes, der "seine Filme wie Musik aufbaut, mathematisch genau". Besonders schätzt er klassische Musik. Sein Interesse an moderner Literatur könne er, so erzählt er bedauernd, aus Zeitmangel kaum noch befriedigen.
    Ludger Audick

    ID: LI871345

  • Porträt der Woche: Wolfram Dorn (F.D.P.)
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 12 - 15.09.1987

    Er scheint die Mentalität beider Landesteile in sich zu vereinen - als gebürtiger Sauerländer die oft hartnäckige, bisweilen knorrige Stetigkeit des Westfalen und als Bonner Bürger seit 1961, die Cleverneß und allem Schönen zugeneigte Lebensphilosophie des Rheinländers. So verschieden denn auch seine Wesenszüge sind, so vielfältig war bislang auch der berufliche wie politische Weg des heute 63jährigen F.D.P.-Landtagsabgeordneten Wolfram Dorn. Und er zeigt wie selten ein anderer Höhen und Tiefen.
    Das Handbuch des NRW-Landtags nennt im Stenogrammstil die Stationen des gelernten Industriekaufmanns, doch schon diese wiederzugeben, würde eher verwirren als informieren. Daher nur einige Abschnitte auf dieser Wegstrecke: Direktor eines technisch-wissenschaftlichen Verbandes und Chefredakteur der Deutschen Architekten- und Ingenieur- Zeitschrift (1962/69), Parlamentarischer Staatssekretär im Bonner Innenministerium (1969/72), Verlagsleiter (1973/77), Direktor bei der Westdeutschen Landesbank (1983/85).
    Bereits 1948 in die F.D.P. eingetreten, war Wolfram Dorn viele Jahre kommunalpolitisch tätig und mit 29 Jahren schon Bürgermeister im westfälischen Werdohl. Dem nordrhein-westfälischen Landtag gehörte der gebürtige Altenaer bereits von 1954 bis 1961 an, dann wieder von 1975 bis 1980, und vor den Landtagswahlen 1985 hievten die Delegierten des Landesparteitages den streitbaren Liberalen auf die Landesliste - gegen den Willen des Landesvorstandes. Elf Jahre lang, von 1961 bis 1972 war er Mitglied des Bundestages, eine Zeitlang stellvertretender Vorsitzender der Fraktion. Während seiner fast vierzigjährigen F.D.P.-Mitgliedschaft hatte der Liberale auch mehrere Mandate in der Partei, so war er Kreis- und Bezirksvorsitzender, stellvertretender Landesvorsitzender und Mitglied des Bundesvorstandes.
    Trotz all dieser vielfältigen Aktivitäten fand der freie Schriftsteller Wolfram Dorn noch Muße, bislang 16 Bücher zu schreiben, politische Werke, Biographien, aber auch lyrische Bände. Zudem ist das Mitglied des Schriftstellerverbandes auch Vorsitzender der Gesellschaft für Literatur in NRW. Dieses Arbeitspensum kann man nur bewältigen, wenn man so rationell mit der Zeit umgeht wie der Düsseldorfer Parlamentarier und Fleiß wie Ehrgeiz wesentliche persönliche Merkmale sind.
    Dank dieses Naturells und jahrzehntelanger parlamentarischer Praxis zählt Wolfram Dorn auch heute zu den profiliertesten Sprechern der F.D.P.-Landtagsfraktion. Insbesondere im Bereich der Haushalts- und Finanzpolitik, wo nach Ansicht des Liberalen die Düsseldorfer Landesregierung die größten Fehler begangen hat, ist er ein scharfer wie sachkundiger Kritiker der Sozialdemokraten. Schon früher hatte Wolfram Dorn vor der "bedenkenlosen Politik der vollen Hände" gewarnt - vergeblich. Heute sieht er jede Weichenstellung für eine zukunftsträchtige Politik blockiert, falls die Landesregierung sich nicht endlich zu einer radikalen Kursänderung entschließt. Nach seiner Auffassung bleibt ihr nichts anderes übrig, als auf die Entschuldungs-Konzepte in Milliardenhöhe der F.D.P.-Landtagsfraktion einzugehen.
    Das Interesse des Freidemokraten gilt aber auch der Kultur- und der Innenpolitik. So streitet er dafür, daß Theater, Musik und Literatur stärker gefördert werden. "Das Kultusministerium führt seinen Namen zu unrecht, es müßte Ministerium für Lehrerbesoldung heißen", kritisiert Wolfram Dorn die "Pädagogen-Lästigkeit" des Ressorts. Rund 86 Prozent der Etatmittel verschlingen die Personalkosten. Als Streiter der Sicherung des Rechtsstaates beklagt er die unzureichende technische Ausstattung der Polizei. Bislang vernachlässigt worden sei auch die Kooperation zwischen Kriminal- und Schutzpolizei auf dem Gebiet der Datenverarbeitung.
    Wenn Wolfram Dorn bisweilen ein Resümee seiner langen Parlamentstätigkeit zieht, so bedauert er es, daß das Verhältnis zwischen den Abgeordneten der einzelnen Fraktionen immer mehr von der Ideologie bestimmt wird. "Die politischen Auseinandersetzungen waren früher genauso hart wie heute, aber sie waren menschlicher." Sicherlich dürften die meisten "Alt"-Parlamentarier dem Freidemokraten vorbehaltlos zustimmen.
    Jochen Jurettko

    ID: LI871260

  • Porträt der Woche: Dr. Helmut Linssen (CDU).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 11 - 14.07.1987

    Sie wollen künftig "Tandem" fahren, um die Union in Nordrhein-Westfalen wieder nach vorn zu bringen: Norbert Blüm, Bundesarbeitsminister und neuer CDU- Landesvorsitzender in Düsseldorf, und Helmut Linssen, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion und neuer Generalsekretär unter Blüm für den Landesverband der Partei. In seiner bisherigen politischen Karriere scheint Linssen damit einen kräftigen Sprung nach vorn getan zu haben. Zwar hätte er sich im Frühjahr auch schon um den Vorsitz der Landtagsfraktion und damit um die Position des Oppositionsführers im Parlament bewerben können, wenn er es gewollt hätte. Der kühl kalkulierende Kaufmann aus Geldern am Niederrhein wartete aber erst den Klärungsprozeß an der Parteispitze im Lande ab, bevor er sich entschied, am personellen Erneuerungsprozeß in herausgehobener Stellung mitzuwirken. Der neue hauptamtliche Generalsekretär im CDU-Landesverband hat "politische Vollmachten", und Linssen wird sie im Einvernehmen mit Blüm auch zu nutzen wissen.
    In der Landtagsfraktion galt Linssen schon lange als Geheimtip für kommende Aufgaben. Sein politischer Aufstieg war stetig und eher unauffällig. Linssen gehört der Fraktion seit 1980 an. Er hat am Niederrhein noch einen der wenigen direkten Wahlkreise der CDU mit fast sechzig Prozent der Wählerstimmen inne. Den Schritt vom selbständigen Großhandelskaufmann in der Landwirtschaft zum Berufspolitiker hat er sich sorgsam überlegt. Mit einigem Stolz wies er gelegentlich darauf hin: "Ich lebe nicht vom Mandat." Das belegt auch sein beruflicher Werdegang. Nach dem Abitur in Krefeld besorgte sich Linssen zuerst eine kaufmännische Ausbildung, bevor er in Hamburg und München Wirtschafts- und Sozialwissenschaften studierte und 1972 promovierte. Der 44 Jahre alte-Unternehmer hat auch danach keine Funktionsträger-Karriere in der Partei angestrebt.
    Erste politische Erfahrungen sammelte er als Kommunalpolitiker in Geldern, dann auch in der Mittelstandsvereinigung der Partei. Im Landtag machte er sich seit 1980 einen Namen als Sprecher der CDU für Umwelt- und Raumordnungspolitik. Seit geraumer Zeit ist er Vorsitzender des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der sich mit Geschäftsverquickungen der Neuen Heimat, der landeseigenen Wohnungsbauförderungsanstalt und - möglicherweise - betrügerischen Machenschaften in diesem Zusammenhang im politischen und vorpolitischen Raum beschäftigt. Auch in den Parlamentsausschüssen für Wirtschaft, für Jugend, Familie und politische Bildung hat er längere Zeit mitgearbeitet. Jetzt als einer der stellvertretenden Fraktionschefs hinter Worms und als Landesgeneralsekretär der Partei unter Blüm wird Linssen sich wohl um eine Konzentration auf das Wesentliche bemühen. Weniger kann da durchaus Mehr bedeuten.
    Man muß Helmut Linssen nach den jüngsten, zum Teil schmerzhaften Personalentscheidungen in der CDU von Nordrhein-Westfalen zur kommenden Führungsmannschaft rechnen. Er repräsentiert auch innerhalb der Union eine Generation, die auf Erneuerung drängt. Selbstbewußtsein paart sich da mit schneller Auffassungsgabe, Darstellungsfähigkeit mit einer gehörigen Portion von Durchsetzungsvermögen.
    Es liegt nahe, daß Linssen in nächster Zeit vor allem versuchen wird, die politische Arbeit der Landtags fraktion mit der des Landesvorstandes der Partei und auch der Nordrhein-Westfalen-Gruppe in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion so eng wie möglich miteinander zu verzahnen. Linssen muß auch den hauptamtlichen Apparat der Partei nach mannigfachen Reibungsverlusten im Zusammenhang mit der Fusion von Rheinländern und Westfalen in der CDU wieder neu zu motivieren verstehen. Das wird mannigfache und mühsame Arbeit eher "in der Stille" bedeuten, denn von den auf offenem Markt ausgetragenen Konflikten ist diese nordrhein-westfälische CDU lange genug gebeutelt worden. Linssen bringt unternehmerische und auch organisationspolitische Erfahrung in seinen neuen Parteiauftrag ein. Er gilt zugleich als ein heller, am pragmatischen Denken orientierter politischer Kopf.
    Lothar Bewerunge

    ID: LI871159

  • Porträt der Woche: Adolf Retz (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 10 - 30.06.1987

    Für Adolf Retz war am Abend des 12. Mai 1985 die Überraschung groß: Erstmals hatten die Sozialdemokraten den Wahlkreis Düren I "geholt", und mit einem Stimmenzuwachs von 5,8 auf 49 Prozent hatte der Leiter eines Konstruktions- und Fertigungsbereichs der Kern forschungsanlage Jülich sogar für seine Partei die dritthöchste Steigerungsrate in ganz Nordrhein-Westfalen erzielen können. "Wir hatten damals einen sehr engagierten Wahlkampf geführt", resümiert der gebürtige Aachener heute.
    Engagement zeigte Adolf Retz auch in der Vergangenheit, im Beruf ebenso wie im Jülicher Stadtrat und in der Partei. Das Ergebnis: Zahlreiche Berufungen in die verschiedensten Gremien. Als der heute 45jährige Sozialdemokrat Mitte der Sechziger Jahre die staatliche Prüfung als Maschinenbautechniker und dazu noch die Meisterprüfung im Mechaniker-Handwerk absolviert hatte, wollte er nach seinem Eintritt in die SPD eigentlich nur "ein bißchen mithelfen". Doch schon bald darauf arbeitete er aktiv im Jülicher Ortsvorstand mit und ist seit 1980 Vorsitzender dieses mitgliederstärksten Ortsvereins im Unterbezirk Düren.
    Zahlreiche Aktivitäten entfaltete der Sozialdemokrat auch nach seinem Einzug in den Jülicher Stadtrat 1979, wo er sich seitdem besonders dem Planungs- und dem Schulbereich widmet. Engagement zeigt der ehrenamtliche Vorsitzende der Kreisverwaltung Düren der Gewerkschaft ÖTV auch auf gewerkschaftlichem Gebiet. Zwei Legislaturperioden war er zudem Mitglied des Betriebsrates der Kern forschungsanlage Jülich. Seine Kenntnisse des Arbeitsrechtes machte sich auch das Arbeitsgericht Aachen/ Düren zunutze und ernannte ihn zum ehrenamtlichen Richter.
    Nach der Wahl in den nordrhein-westfälischen Landtag berief die SPD-Fraktion ihr neues Mitglied in den Ausschuß für Wissenschaft und Forschung sowie in den Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen. Zwei Parlamentsgremien also, in die Adolf Retz sowohl Fachwissen wie auch praktische Erfahrung einbringen kann.
    So sieht der frühere Mitarbeiter der TH Aachen in der beginnenden Diskussion über die künftige Struktur der nordrheinwestfälischen Hochschullandschaft auch die Chance, neue Wissenschafts- und Forschungsbereiche zu erschließen. "Was die Studenten heute nicht lernen, können sie morgen nicht in konkurrenzfähige Produkte umsetzen", mahnt Adolf Retz. Trotz gespannter Finanzlage müsse das Land in Forschung und Wissenschaft verstärkt investieren, um konkurrenzfähig zu bleiben. Angesichts der Strukturprobleme bei Kohle und Stahl sei es unverzichtbar, durch neue Techniken - wie beispielsweise im Bereich der Informatik - auch neue Arbeitsplätze zu schaffen.
    Als langjähriger Kommunalpolitiker sieht der SPD-Landtagsabgeordnete im Städtebauausschuß vor allem seine Aufgabe darin, die Städte wieder "menschengerechter" zu machen. Politiker und Behörden hätten sich in der Vergangenheit um die aktuellen Probleme des Verkehrs gekümmert und dabei nicht bedacht, daß gleichzeitig den Bürgern die "Lebensräume" weggenommen worden seien. Stadtsanierung bedeutet für den Sozialdemokraten daher vor allem, wieder Freiräume zu schaffen, "wo man nicht über Autos klettern muß". Dieses Bemühen werde allerdings nach seiner Ansicht erschwert durch die Stillegungspläne der Bundesbahn. Sie habe ihr Streckennetz teilweise unattraktiv gemacht, rügt der Abgeordnete.
    Zum gelungenen Einstieg in die Landespolitik haben nach seiner Einschätzung der Rat und die Unterstützung vor allem der älteren Fraktionskollegen beigetragen. Hingegen bedauert der Sozialdemokrat den geringen Kontakt zu den beiden anderen Fraktionen CDU und F.D.P. Das liege wohl daran, daß so viele Neulinge im Parlament seien und sie sich erst einarbeiten müßten. Seit Übernahme des Landtagsmandats kann sich Adolf Retz nur noch selten seinen Hobbys widmen - der Fotografie, Malerei und dem Kochen, und auch seine Zeit für Frau und die drei Töchter ist rarer geworden.
    Jochen Jurettko

    ID: LI871044

  • Porträt der Woche: Georg Gregull (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 9 - 10.06.1987

    Er zählt zu jenen Menschen, die sich insbesondere um die Schwächeren in der Gesellschaft kümmern - sozusagen von Berufs wegen, nicht minder aber auch aus innerer Einstellung. Der CDU-Landtagsabgeordnete Georg Gregull ist Sozialarbeiter. Und als Geschäftsführer im Caritasverband wird der Remscheider fast täglich mit den Problemen der sozial Schwachen, der behinderten und älteren Mitbürger, der kinderreichen Familien konfrontiert. Sein Anliegen: Den Anspruch dieser Menschen auf einen ihnen zustehenden Platz in der Gemeinschaft zu unterstützen und möglichst durchzusetzen. Eine schwere, eine nahezu unlösbare Aufgabe.
    Die schweren Jugendjahre von Georg Gregull dürften sicherlich die spätere Lebensplanung entscheidend beeinflußt haben. Nach der Besetzung des ostpreußischen Reichenberg durch die Sowjets wurde sein Vater deportiert. Als Sechzehnjähriger kam der gebürtige Ostpreuße 1948 allein und völlig mittellos in die Bundesrepublik, in ein Jugenddorf nach Delmenhorst. Er absolvierte die Lehre als Betonbauer, machte anschließend die Facharbeiterprüfung und war mehrere Jahre in diesem Beruf tätig. Später besuchte er die Fachoberschule für Sozialarbeit in Köln und schloß sie als graduierter Sozialarbeiter ab. Mehrere Praktika folgten.
    Nach seinem Eintritt in die CDU 1962 widmete sich Georg Gregull schon bald als sachkundiger Bürger im Sozial- und Gesundheitsausschuß des Remscheider Stadtrates den sozial Schwachen. Seit 1969 gehört der Christdemokrat auch dem Stadtparlament an und seit 1977 ist er Vorsitzender der CDU-Fraktion. Der Jugend- und Sozialbereich ist außerdem sein Wirkungsfeld in der Landschaftsversammlung Rheinland, wo er Vorsitzender des Landesjugendwohlfahrtsausschusses ist. Den CDU-Kreisverband führte er gut zehn Jahre lang, bis 1981.
    Der CDU-Landtagsabgeordnete zog nach der letzten Landtagswahl 1985 über die Reserveliste seiner Partei in das Düsseldorfer Landesparlament ein. Aufgrund seiner mannigfaltigen praxisorientierten Erfahrungen berief seine Fraktion ihn in den Ausschuß für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge, sowie in den Ausschuß Jugend und Familie. Zwei Parlamentsausschüsse, die ein besonderes Engagement ihrer Mitglieder erfordern.
    Die wachsende Zahl älterer Menschen ist für Georg Gregull eine Herausforderung an die anderen Mitbürger. "Sie brauchen vor allem unsere persönliche Zuwendung." Große Bedeutung mißt er in diesem Zusammenhang der Nachbarschaftshilfe bei. Die Altenpflege dürfe sich nicht nur auf die materielle Versorgung beschränken, ihre Helfer müßten "auch die Zeit dafür haben, um auf die persönlichen Anliegen dieser Menschen eingehen zu können". Daher sei ein enges Zusammenspiel zwischen haupt- und ehrenamtlichen Kräften notwendig. Aber auch das Freizeitangebot muß sich nach Ansicht des CDU-Abgeordneten stärker der Bevölkerungsveränderung anpassen.
    Zu einem weiteren Schwerpunkt seiner parlamentarischen Arbeit zählt der Jugendbereich. So war Georg Gregull federführend bei der Großen Anfrage seiner Fraktion zur Situation der Kindertagesstätten in NRW. Wissenschaftliche Untersuchungen hätten übereinstimmend festgestellt, daß Kinder, die solche Einrichtungen besuchten, die folgenden Lebensabschnitte besser meistern könnten. Daher müsse allen Kindern auch die Möglichkeit geboten werden, Kindergärten aufsuchen zu können, fordert der CDU-Abgeordnete. Alleinerziehenden Berufstätigen sollte es darüber hinaus möglich sein, ihre schulpflichtigen Kinder in Horte zu schicken.
    Schließlich plädiert der Parlamentarier für einen höheren Stellenwert der Familienpolitik. Ungeachtet der Finanzmisere des Landes müßten dafür auch im Haushalt ausreichend Gelder bereitgestellt werden. Statt dessen würden diese wichtigen gesellschaftlichen Zukunftsinvestitionen seit 1980 ständig gekürzt, kritisiert der Remscheider.
    Trotz eines großen Arbeitspensums versucht der Familienvater noch Zeit für seine vier Kinder zu haben - und gelegentlich auch für seine Hobbys: Skat- und Tischtennisspielen.
    Jochen Jurettko

    ID: LI870947

  • Porträt der Woche: Dr. Herbert Schnoor (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 8 - 26.05.1987

    Zwischen Dollart und Jade ist die Geduld geboren: Das Meer, der Sturm, die Kälte, lange Winter, kurze Sommer. Ostfriesen müssen beharrlich sein - so wie Herbert Schnoor, der dort in Moordorf bei Aurich am 1. Juni 1927 als Sohn eines Lehrers zur Welt kam. Der Lebensweg schien vorgezeichnet, weil die Liebe zur Poetik und Poesie den Schüler einfing; er rezitiert heute noch aus dem Stegreif Morgenstern wie Lichtenstein, und Ernst Jüngers "Stahlgewitter" widerfuhr dem Leser und Fahnenjunker Schnoor 1945 an der Elbe. Hitler hatte den Sturmangriff der Armee Wenck befohlen, die Berlin und den Führerbunker vor den Russen retten sollte, aber die letzte deutsche Offensive mit den jüngsten Soldaten der Nation versank in Blut und Tränen. Aus dem Brückenkopf Barby bei Magdeburg kämpfte sich Schnoor wie sein Kommandeur durch den russischen Ring in die amerikanische Gefangenschaft. Später an die Franzosen ausgeliefert, arbeitete der Zwangsarbeiter in Lothringens Kohlegruben, bis ihm die Flucht gelang. Knapp 20jährig kehrte er heim, ging wieder zur Schule, um das Abitur abzulegen, das der Krieg bis dato verwehrt hatte. Germanistik und Philosophie wollte Herbert Schnoor studieren, doch die alten Prüfer in Göttingen befanden ihn dafür noch nicht reif. "Da ging ich zu den Juristen", lächelt heute verschmitzt Doktor jur., der 1958 in den niedersächsischen Landesdienst eintrat, als Hinrich Wilhelm Kopf in Hannover regierte. Über den Umweg Bonn, "das mir nicht gefiel", kam der junge Beamte 1964 nach Düsseldorf, übernahm unter Kultusminister Prof. Paul Mikat (CDU) das Referat Volksschulgruppe. Sankt Proporzius hatte es dem Oberregierungsrat Schnoor erleichtert, weil die Position unbedingt mit einem Protestanten möglichst ohne CDU-Gesangbuch besetzt werden mußte. So wollte es Mikat, der dann 1966 aus allen Wolken fiel: Heinz Kühn löste die Regierung Meyers ab, Fritz Holthoff übernahm das Kultusministerium und Herbert Schnoor wurde sein persönlicher Referent.
    Sozusagen von Natur aus war Schnoor den Sozialdemokraten verbunden, denn in Ostfriesland, ja gar in Moordorf, hat die SPD tiefe Wurzeln, wenngleich der junge Mann aus dem Norden sich mehr an Rheinländern wie Heinz Kühn parteipolitisch orientierte. Der Ministerpräsident förderte ihn vorahnend, entsandte den sportlich-hageren Juristen und passionierten Waldläufer ins Innenministerium, nun schon als Ministerialdirigent und Personalchef; manch Beamter bei Willi Weyer stutzte. Es war nur ein kurzes Gastspiel, denn der unaufhaltsame Aufstieg des Johannes Rau zum Wissenschaftsminister zog 1970 Herbert Schnoor mit; seine Beamten-Karriere hatte den Höhepunkt erreicht: Staatssekretär! In den folgenden fünf Jahren vollbrachten Rau und Schnoor ein Glanzstück sozialdemokratischer Regierungspolitik; das gigantisch zu nennende Hochschulprogramm, die Regionalisierung der Universitäten mit ihren Standortvorteilen für Studenten von Bielefeld bis Siegen! Ein Lebenswerk für sich...
    Damit nicht genug, weil als einzig möglicher Nachfolger für Professor Dr. Friedrich Halstenberg erkannt, berief Kühn den nun schon mit allen Wassern der Ministerialbürokratie gewaschenen Staatssekretär zu seinem Stabschef, zum Chef der Staatskanzlei. Jetzt war auch der Diplomat gefordert, der die Sensibilität eines Seismologen benötigt, denn es bahnte sich die Zeit des Übergangs von Heinz Kühn zu Johannes Rau an. Die Turbulenzen in der Regierungspartei durften die Regierungszentrale nicht erschüttern, ein Ostfriese im Sturm. Es hat alles geklappt, und die Freundschaft zu Kühn wie zu Rau, trotz manch' bitterer Stunde für alle drei, ist geblieben.
    Wer konnte prophezeien, daß dieser Herbert Schnoor aus der Exekutive alsbald auch in die Legislative vordringen würde? Der SPD-Landesparteitag wollte es 1980 verhindern, aber Rau und Hans Otto Bäumer setzten den persönlich spartanisch bescheidenen Spitzenbeamten als Landtagskandidaten durch, ebneten seinen Weg ins Ministeramt. - Zufall oder Schicksal, die FDP konnte sich nicht mehr halten, Burkhard Hirsch mußte nach der Wahl das Innenministerium räumen, Rau berief seinen Vertrauten Schnoor zum Nachfolger. Ein Glücksfall!
    Von der Parteien Gunst und Hass nie verwirrt, entwickelte sich der neue Innenminister und Landtagsabgeordnete zum geduldigen Apologeten einer flexiblen, liberalen Politik, wie sie auch bei Demonstrationen musterhaft praktiziert wird. - Sozialdemokraten, die der bewaffneten Macht in einer rechtsstaatlichen Demokratie vorstehen, haben es oft schwer. Die einen verlangen mehr Härte, die anderen mehr Nachsicht. Fern jeder Ideologie lenkt und leitet Schnoor Polizei und Verwaltung; Demokratie hat Vorfahrt, auch im Zweifelsfalle immer für die Freiheit.
    Horst-Werner Hartelt

    ID: LI870825

  • Porträt der Woche: Klaus Stallmann (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 7 - 19.05.1987

    Persönliche Unabhängigkeit hat für Klaus Stallmann (41) einen hohen Stellenwert: Niemals möchte er in den Verdacht geraten, als Lobbyist, als Interessenvertreter Politik zu betreiben. So ist er nie der Versuchung erlegen, einer Freiwilligen Feuerwehr beizutreten, obwohl er sich während seiner zehnjährigen Mitgliedschaft im Rat der Stadt Lünen und seit Mai 1985 als CDU-Abgeordneter im Landtag zum Feuerwehr-Experten entwickelt hat.
    In seinem Streben nach Unabhängigkeit scheut Stallmann auch vor persönlichen Risiken nicht zurück. Über einen eigentlich aussichtslosen Listenplatz zog er 1985 - für ihn selbst überraschend - in den Landtag ein. Noch heute ist ihm seine Stimmung am späten Abend des 25. Mai voll gegenwärtig: Trauer über die hohe Wahlniederlage seiner Partei und gleichzeitig Jubel über das errungene Mandat. Trotz des überraschenden Wahlausgangs habe er keinen Moment gezögert, das Mandat anzunehmen, versichert er glaubwürdig. Ebenso war für den gelernten Industriekaufmann selbstverständlich, seinen Arbeitsplatz als Fahrdienstleiter eines großen Dortmunder Bauunternehmens aufzugeben, ohne jede Rückversicherung, dorthin zurückkehren zu können. Natürlich möchte er auch dem nächsten Landesparlament angehören; falls ihm dies nicht gelingen sollte, ist er jedoch zuversichtlich, als dann 45jähriger aufgrund seiner beruflichen Qualifikation wieder einen Arbeitsplatz zu finden.
    Wer so handelt, bringt auch wenig Verständnis auf für Parlamentskollegen, die neben der Abgeordnetentätigkeit ihre berufliche Arbeit fortsetzen: " Wenn ein Abgeordneter sich voll reinhängt in seine Aufgaben im Parlament, im Wahlkreis und in der Partei, dann ist er voll ausgelastet."
    In Brambauer, einem Bergbau-Stadtteil von Lünen, ist die Familie Stallmann seit 1849 "fest verankert", wie er sich ausdrückt. Sie gehört dort zu den "alten Familien". Schon als Jugendlicher engagierte Klaus Stallmann sich in katholischen Verbänden, Freunde brachten ihn 1972 zur CDU. In der Partei brachte er es bis zum stellvertretenden Stadtverbandsvorsitzenden, im Stadtrat von Lünen wurde er Vorsitzender des Ausschusses für städtische Einrichtungen.
    Mit der Wahl in den Landtag verzichtete er auf sein kommunales Mandat; in dem Ausschuß, dem er früher vorgesessen hat, ist er jetzt noch als Bürgervertreter tätig.
    Wunschgemäß kann Stallmann im Innenausschuß des Landtags in einem Bereich weiterarbeiten, in dem er schon zahlreiche kommunalpolitische Erfahrungen gesammelt hat. Sein zweiter Wunsch, der Ausschuß für Wohnungswesen, wurde nicht erfüllt; auch dort hätte er auf Kenntnisse und Erfahrungen zurückgreifen können, denn seit 13 Jahren ist er Vorsitzender des Haus- und Grundeigentümer-Vereins in Brambauer. Heute bedauert er allerdings nicht, statt dessen von seiner Fraktion in den Kulturausschuß geschickt worden zu sein. Früher habe er sich mit Kulturpolitik nie befaßt, jetzt sei er aber froh, daß er in den knapp zwei Jahren viel habe dazulernen können.
    In seinem Heimatort ist Stallmann auf vielfältige Weise aktiv: nicht nur in der CDU und im Hauseigentümerverein, sondern auch als stellvertretender Vorsitzender der Gemeinschaft Brambauer Vereine und als stellvertretender Vorsitzender des Schützenkreises Lünen sowie als Mitglied des Aufsichtsrates des Krankenhauses in Brambauer. Als "Schützenoberst" ist er im Schützenverein von Brambauer besonders tief verwurzelt, 1986 wurde er dort Schützenkönig. So nennt er denn auch - neben dem Lesen - die Aktivitäten im Schützenverein seine liebste Freizeitbeschäftigung.
    Ludger Audick

    ID: LI870767

  • Porträt der Woche: Peter Bensmann (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 6 - 05.05.1987

    Schon ein Blick in das Düsseldorfer Büro des Christdemokraten sagt viel über den Privatmann Peter Bensmann aus. Überall Bilder der Familie, Fotos der Bundeswehr, herrliche landschaftliche Aufnahmen. Der Naturfreund besitzt ein Haus mit drei Morgen Gelände und sechs Damhirschen. Hier verbringt Peter Bensmann seine knapp bemessene Freizeit. Unter dem Druck der Termine hat er sich ein zeitliches Refugium geschaffen. "Von jeweils sechs Tagen halte ich mir stets einen halben Tag frei..." Dann wird gelesen, gejoggt und gejagt. Der durchtrainierte Soldat a.D. ist ein leidenschaftlicher Sportler. Schließlich gelte die Pflicht zur Gesunderhaltung nicht nur beim Bund, sondern auch gegenüber der Familie und dem Beruf.
    In der Politik wünscht sich der Unnaer mehr Loyalität und Solidarität untereinander. Wenn eine Entscheidung getroffen sei, müsse sie verteidigt werden, das habe schon beim Bund gegolten. So hat Peter Bensmann denn auch dem neugewählten CDU-Fraktionsvorsitzenden Bernhard Worms vor der Wahl persönlich mitgeteilt, daß er ihn nicht wählen werde. Nun, da Worms wiedergewählt sei, gebe es wahrscheinlich keinen, der loyaler zu Worms stehe als er, sagt Peter Bensmann mit Nachdruck.
    Nur einem Losentscheid ist es zu verdanken, daß der beurlaubte Major überhaupt im Landtag sitzt. Hätte nicht 1983 der heimische Bundestagskandidat Richard Heintzel nach dem dritten Wahlgang durch Los gewonnen, wäre Peter Bensmann 1983 vielleicht für die Unnaer CDU in den Bundestag gezogen. Heute aber, nach knapp zwei Jahren in Düsseldorf, fühlt sich der begeisterte Zugfahrer in der Landeshauptstadtpudelwohl. Er ist seinem Motto, "Mit Arbeit kann man viel erreichen", treu geblieben und hat sich in die Fraktionsarbeit hineingekniet.
    Kein Zweifel, Peter Bensmann läßt sich nicht gern in eine Schablone pressen. Der optimistische CDU-Landtagsabgeordnete kann mit seinen gerade 44 Lenzen auf eine bewegte Biographie verweisen: Lehre, zweiter Bildungsweg, Soldat, fünffacher Familienvater, Sportler, passionierter Jäger, kurzum ein Allround-Talent. "Ich bedauere all die, die den Blick für andere Dinge neben der Politik verloren haben", sprudelt es aus dem Politiker hervor. Man hört's und glaubt's.
    Der Major a.D. hat in seinem 22jährigen Soldatendasein beinahe die gesamte Bundesrepublik kennengelernt. Hamburg, Hannover, München, Ahlen und Hemer sind nur einige Stationen seiner vergleichlichen Laufbahn. Aber schon beim Bund ist er "kein ganz typischer Soldat" gewesen. "Ich habe immer für mich in Anspruch genommen, auch eigene Gedanken zu haben." Bereits als 28jähriger hat Kompaniechef Peter Bensmann Verantwortung übernommen und Menschen geführt. Eine Erfahrung, die der Soldat auch in der Politik nutzbringend einzusetzen weiß.
    Schon während der Wehrzeit zog es den gerade 37jährigen denn auch folgerichtig in die Kommunalpolitik. Seit fast sechs Jahren leitet Peter Bensmann den CDU-Stadtverband Unna, im Mai 1985 dann der "große Sprung" in den Düsseldorfer Landtag auf die harte Oppositionsbank. Der vom Heimatverband her "gelernte Oppositionspolitiker" hat die Ziele nicht in den Himmel gesteckt, ist bescheiden geblieben und glücklich, im Ausschuß für Familienpolitik mitmischen zu können. Schließlich habe ihn gerade die Familienfrage überhaupt an die Politik herangeführt. Im Einzugsbereich Unna mit seinen 6000 stationierten Soldaten gibt es keine einzige Bundeswohnung für eine siebenköpfige Familie. "Die größeren Familien werden ständig benachteiligt." Hier setzt Peter Bensmann an.
    Da bleibt Kritik an der "Maschinerie des Parlamentarismus" nicht aus. "Die Berufspolitiker kleben zu sehr in ihrer Welt", hat der Abgeordnete erfahren. "Man muß den Blick behalten für links und rechts". Deshalb sei das Zuhören eine der wichtigsten Eigenschaften des Politikers. Ehrlich und aufrichtig müsse die Politik sein, damit man auch später einmal in den Spiegel schauen könne.
    Und dann zieht Peter Bensmann Bilder seiner Familie aus der Brieftasche. Er scheint rundum im reinen mit sich und seiner Umgebung. Eigentlich die beste Voraussetzung für eine erfolgreiche Politik.
    Wilfried Goebels

    ID: LI870612

  • Porträt der Woche: Rüdiger Goldmann (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 5 - 31.03.1987

    Der gebürtige Gablonzer Rüdiger Goldmann zählte zu jenem Millionen-Heer von Flüchtlingen und Vertriebenen, das 1945 und später seine Heimat verlassen mußte. Nach der Volkszählung 1950 befanden sich im Bundesgebiet und in der DDR jeweils rund 4,4 Millionen Menschen, die zu Kriegsbeginn 1939 in den Gebieten östlich der Oder-Neiße wohnten. Vom Sudetenland zunächst nach Österreich verschlagen und später ins Rheinland, fand der heute 45jährige Düsseldorfer CDU-Landtagsabgeordnete schließlich in der Landeshauptstadt eine endgültige Bleibe. Nach Abitur und Studium für das Lehramt trat der Pädagoge in den Schuldienst ein und unterrichtete bis zur Mandatsübernahme 1985 als Oberstudienrat an einem Düsseldorfer Gymnasium. Die Erlebnisse der Kindheit und Jugend prägten Rüdiger Goldmann und beeinflussen auch heute noch seine zahlreichen politischen Aktivitäten.
    Über die Deutsche Jugend des Ostens (DJO) fand er schon früh, 1958, zur Jungen Union und später auch zur CDU. Dort engagierte er sich insbesondere in der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der CDU, deren rheinischer stellvertretender Landesvorsitzender er bis zur Fusion beider Landesverbände im letzten Jahr war. Der Ortsvorsitzende seiner Partei im Düsseldorfer Stadtteil Garath kam 1975 in den Rat der Landeshauptstadt, wo er sich vor allem mit Strukturfragen sowie der Kultur- und Schulpolitik beschäftigte. Da die Satzung der Düsseldorfer CDU ein Doppelmandat verbietet, mußte er nach seinem überraschenden Einzug in das Landesparlament den Sitz im Stadtrat aufgeben. Der Verlust zahlreicher Direktmandate bei den letzten Landtagswahlen 1985 hatte für die Union andererseits zur Folge, daß schier chancenlose Listenplätze "zogen", also auch der 51. Rang der Landesliste, auf dem der Düsseldorfer plaziert war.
    Seine Fraktion berief ihn in den Ausschuß für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge sowie in den Ausschuß für Wissenschaft und Forschung. Nicht zuletzt wegen seines langjährigen Engagements für die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge beauftragte die Fraktion Rüdiger Goldmann, die kultur-, bildungs- und sozialpolitischen Anliegen der Ost- und Mitteldeutschen in Nordrhein- Westfalen zu vertreten. Eine ebenso wichtige wie zeitraubende Aufgabe.
    Der Christdemokrat sieht insbesondere in Nordrhein-Westfalen einen großen "Nachholbedarf". So beklagt er, daß im Kultusministerium das "Gespür" für die Notwendigkeit fehle, die deutsche Frage stärker in die Lehrpläne einzubauen. Das sei nicht nur eine "historische Angelegenheit", sondern eine ständig aktuelle Verpflichtung. So rügt der Abgeordnete in diesem Zusammenhang, daß das Düsseldorfer Ministerium im Gegensatz zu den Behörden anderer Bundesländer sich weigere, das vom Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen herausgegebene "Literatur-Paket" zur deutschen Frage den Schulen an Rhein und Ruhr zu empfehlen. Es sei zu befürchten, daß den Jugendlichen in NRW ein "anderes" Deutschland-Bild vermittelt werde als in Flensburg oder München.
    "Nachholbedarf" besteht nach seiner Ansicht auch bei der Erhaltung des reichen und vielfältigen ostdeutschen Kulturgutes. Wer wisse beispielsweise über den hohen Rang, den Dichtkunst und Philosophie seit je im Land zu beiden Seiten der Oder beanspruchten? Insbesondere fehle ein Institut für ostdeutsche Landeskunde, das an einer Universität eingerichtet werden sollte. Diese Forderung werde im übrigen auch von seiner Partei unterstützt, betont der Düsseldorfer Abgeordnete. Wünschenswert wäre auch eine musisch-kulturelle Bildungsstätte.
    Auch in der Sudetendeutschen Landsmannschaft aktiv, kümmert sich Rüdiger Goldmann nicht nur intensiv um die Eingliederung der Spätaussiedler und der in die Bundesrepublik übergesiedelten Mitteldeutschen, sondern pflegt auch Kontakte zu den Bewohnern in der DDR. In diesem Zusammenhang bedauert er es, daß das Land bereits vor drei Jahren seine Zuschüsse für das sogenannte Besuchsgeld für DDR-Bürger gestrichen hat und nun auch Gemeinden diesem "Negativ-Beispiel" folgen. Das aber widerspreche allen Bemühungen um innerdeutsche Kontakte. Der Christdemokrat ist Vater von zwei Kindern, zwei und drei Jahre alt. Und auch eines seiner Hobbys hat Beziehungen zu den Sudeten - der Kunstliebhaber Rüdiger Goldmann sammelt Bilder und Zeichnungen aus Böhmen.
    Jochen Jurettko

    ID: LI870541

  • Porträt der Woche Dr. Horst-Ludwig Riemer (F.D.P.)
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 4 - 17.03.1987

    Höhen und Tiefen der FDP Nordrhein- Westfalens personifizieren sich am ehesten in Dr. Horst-Ludwig Riemer. Als er Ende der 70er Jahre Knall auf Fall aus dem Amt des stellvertretenden Ministerpräsidenten und Wirtschaftsministers sowie Landesvorsitzenden seiner Partei stürzte, war dies der Anfang vom Ende der FDP im Landtag. Otto Graf Lambsdorf hatte sich als Exekutor aufgespielt und geglaubt, mit der Entfernung Riemers, der damals bereits an der Möglichkeit einer CDU/FDP-Koalition bastelte, die jedoch den meisten Freien Demokraten von Rang und Namen noch unerwünscht schien, jene 1980 anstehende Landtagswahl zu überstehen. Das Gegenteil war richtig: Die anstelle von Riemer Hals über Kopf eingesetzte Wirtschaftsministerin Lieselotte Funcke konnte den Verfall so wenig aufhalten wie Dr. Burkhard Hirsch, der als Innenminister und neuer FDP-Landesvorsitzender sein Bestes gab. Beide Politiker wollten auch nicht den Sturz Riemers, der durch Einerseits-andererseits- Reden, zumeist aber durch permanente Fehden mit seinem eifersüchtigen Fraktionschef Hans Koch die gewichtige Position an der Seite des Ministerpräsidenten Johannes Rau bloßlegte.
    Das politische Ende Riemers war in Bonn beschlossene und in Düsseldorf verkündete Tatsache; immerhin rettete er sich mit Hilfe Düsseldorfer Lokalfreunde in den Bundestag. Als unwiderrufliche Endstation war dies gedacht, aber wieder kam es anders!
    Die FDP Nordrhein-Westfalens setzte ihn Jahre später als "Numero 2" hinter Dr. Achim Rohde auf die Landesliste für den Landtag, der im Mai 1985 gewählt wurde. Nach fünfjähriger Abwesenheit kehrten die Freien Demokraten an den Schwanenspiegel zurück und präsentierten nun den so oft gescholtenen und geschmähten Horst- Ludwig Riemer als Vizepräsidenten des Parlaments. Gesinnung und Lust an der Politik sowie Zähigkeit, wie sie Ostpreußen eigen ist, wo er 1933 geboren wurde, haben das erstaunliche Comeback ermöglicht.
    Berufspolitiker? Nein! 1960 promovierte Riemer zum Dr. jur., gefiel sich als kecker Jungdemokrat und pfiffiger Rechtsanwalt: mehr zufällig kam er 1966 in den Landtag. Zum Vorsitzenden des Ausschusses für Reformen gewählt, nahm sich der junge Mann die Abarten der parlamentarischen Demokratie vor. Das satzungsgemäß betonierte Vorrecht aller Regierungen baute er Zug um Zug mit Landtagspräsident John van Nes Ziegler (SPD) ab. 1966 gab es noch keine Aktuelle Stunde, auch keine Fragestunde im Plenarsaal, und Oppositionsführer Dr. Lenz kam sich zuweilen wie ein Sklave der verstaubten, erz-konservativen Geschäftsordnung vor. Daß Riemer diese parlamentarische Zumutung beenden half, während seine Freunde Willi Weyer und Hermann Kohlhase auf der Regierungsbank saßen, machte ihn binnen weniger Jahre zu einer politischen Größe. Heinz Kühn holte ihn 1970 ins Kabinett, Weyer überließ ihm 1972 den FDP-Landesvorsitz. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere wagte Riemer den Kampf mit der Kernkraftindustrie. Er stellte sich gegen den Schnellen Brüter in Kalkar, warnte landauf landab vor "dieser Milliarden-Ruine". Fast alle ließen ihn fallen, nur nicht die unerschütterliche Ehefrau Mia, "Schlagmann" in siegreichen Ruderregatten. Auch Achim Rohde, einst rechte Hand Riemers im Wirtschaftsministerium und von ihm dann zum Regierungspräsidenten in Düsseldorf durchgeboxt, bewahrte, wie Johannes Rau, kameradschaftliche Kontakte.
    Der Landtagsvizepräsident macht seine Sache gut. Er weiß heute besser zu unterscheiden zwischen verläßlichen Kritikern und unzuverlässigen Heuchlern. Sehnsucht nach einem Regierungsamt hat der Staatsminister a.D. wohl nicht, aber sollte die FDP auch die nächste Landtagswahl erfolgreich bestehen und eine Koalition unausweichlich werden, wird Horst-Ludwig Riemer sich kaum versagen: vor allem dann nicht, wenn ein solches Bündnis mit den Sozialdemokraten notwendig würde, denn Johannes Rau steht er allemal näher als den zur Zeit Handelnden in der CDU.
    Horst-Werner Hartelt

    ID: LI870450

  • Porträt der Woche: Dr. Hans Kraft (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 3 - 24.02.1987

    Er bezeichnet sich nicht nur als "großer Freund" der USA, sondern er hat zur Verständigung zwischen jungen Deutschen und Amerikanern schon viel beigetragen: Der SPD-Landtagsabgeordnete und Studienrat Dr. Hans Kraft aus Ratingen vor den Toren der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt. Bis der promovierte Pädagoge das Landtagsmandat 1985 übernahm und vom Schuldienst beurlaubt wurde, hat er als Initiator einer Schul-Partnerschaft zwischen dem Ratinger Kopernikus-Gymnasium und einer High-School im US-Staat Minnesota vielen Jungen und Mädchen beider Länder einen halb- bis einjährigen Schulbesuch dies- und jenseits des Ozeans ermöglicht. Das Düsseldorfer Kultusministerium rechnet den Schülern inzwischen ihren Unterricht in den USA an, so daß sie "keinen einzigen Tag verlieren", berichtet Hans Kraft. Den Austauschschülern entstehen bis auf die Flugkosten keine weiteren finanziellen Belastungen, weil sie jeweils bei den Gasteltern wohnen. Ein zweifellos nachahmenswertes Beispiel privater Initiative, die übrigens in Ratingen immer größeren Zuspruch findet.
    Die ersten Kontakte zu den Vereinigten Staaten knüpfte der am 7. Mai 1947 in Ratingen geborene Hans Kraft schon vor seiner Lehrertätigkeit - als Industriekaufmann. Nach einer kaufmännischen Lehre schickte ihn ein Maschinenbau-Unternehmen zu dessen Generalvertretung nach Pittsburgh (1966/68). Wieder nach Deutschland zurückgekehrt, entschloß sich der Ratinger zum zweiten Bildungsweg, erwarb die Hochschulreife und studierte Englisch, Philosophie und Hebräisch an mehreren Universitäten. Es folgten die erste und zweite Staatsprüfung für das Lehramt am Gymnasium sowie 1980 die Promotion in Philosophie und Anglistik.
    Die ersten Verbindungen zur Sozialdemokratie fand Kraft über die Arbeiterwohlfahrt, in der er noch heute mitarbeitet. Nach dem Eintritt in die SPD 1972 wurde er schon wenig später stellvertretender Ortsvereins vorsitzender und dann 1979 in den Rat der Stadt Ratingen und zum Vize-Chef der SPD-Fraktion gewählt. Seitdem widmet sich der Sozialdemokrat als Vorsitzender des Planungsausschusses insbesondere der schwierigen Aufgabe, die wirtschaftlich aufstrebende Stadt vor den Toren Düsseldorfs "lebenswerter" zu machen. Vehement setzt er sich beispielsweise für die Verkehrsberuhigung in der City ein und kämpft für mehr Grünflächen. Im Schulbereich ist er Verfechter eines vielfältigen Bildungsangebotes, in dem auch die Gesamtschule einen ihr gebührenden Platz haben müsse.
    Seine Parteifreunde ersuchten Hans Kraft vor den Landtagswahlen 1985, im Wahlkreis 42 Mettmann III zu kandidieren. Diesen sogenannten "Kipp"-Wahlkreis hatte der CDU-Kandidat 1980 lediglich mit einem Plus von 23 Stimmen geholt. Mit einem Vorsprung von 7000 Stimmen eroberte der Sozialdemokrat ihn vor zwei Jahren für seine Partei. Nach dem Einzug in das Landesparlament berief ihn die Fraktion in den Ausschuß für Wissenschaft und Forschung sowie in den Sportausschuß. Zwei Bereiche, wo sich der Pädagoge und aktive Freizeitsportler "zu Hause" fühlt.
    Angesichts der an sie gerichteten hohen Anforderungen bei gleichzeitiger öffentlicher Finanzknappheit sieht der Abgeordnete die Hochschulen vor gewaltigen Aufgaben stehen. "Die Bundesrepublik muß als Export-Land im Bereich der Zukunfts- Technologien Welt-Niveau haben." Da der Staat für diese wichtige Aufgabe aber nicht genügend Geld habe, müsse die sogenannte Drittmittel-Forschung forciert werden. In diesem Zusammenhang wünscht sich Hans Kraft auch "mehr Liberalität" bei seiner Partei in dieser Frage. "Wir müssen einerseits mehr, frisches Blut' an die Universitäten bekommen und zum anderen den Transfer zwischen Hochschulen und Wirtschaft entscheidend verstärken, unbürokratischer werden." Die Industrie müsse ihre Kenntnisse in die Hochschulen tragen. "Da können wir von den Vereinigten Staaten noch einiges lernen."
    Seit knapp zwei Jahren im Düsseldorfer Landtag, bemüht sich Hans Kraft, sich auch auf anderen Gebieten der Landespolitik sachkundig zu machen. Bei dieser Fülle wäre es allerdings überheblich zu sagen, man wisse schon, wo die Glocken hingen, räumt der Sozialdemokrat realistisch ein. Daß er inzwischen aufgrund seiner Parlamentszugehörigkeit schon vielen Bürgern Im Wahlkreis helfen konnte, ist für ihn ein "besonders erfreuliches Resultat" der Abgeordneten-Tätigkeit.
    Der berufliche Werdegang des Ratingers ist nicht "typisch" für einen Politiker. Vielleicht ist daher auch sein politisches Handeln heute undogmatisch, unkonventionell. Das macht ihn für viele seiner Kollegen sympathisch, und es trägt zudem sicherlich zur Effektivität seiner Arbeit bei. Fragt man Hans Kraft nach seinen Hobbys, so zählt er eine Reihe von Sportarten auf: Waldlauf, Karate, Fußball und Abfahrtslauf.
    Jochen Jurettko

    ID: LI870344

  • Porträt der Woche: Christa Thoben (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 2 - 10.02.1987

    Wann immer es in Nordrhein-Westfalen politische Konflikte über Kernenergie und Kokskohlesubventionen, über Strompreise oder Gewerbesteuersätze gibt, mischt da seit geraumer Zeit eine Frau im Heer der Männer kräftig mit: Die 45 Jahre alte CDU-Landtagsabgeordnete Christa Thoben hat sich in erst sechs Parlamentsjahren zur wirtschafts- und energiepolitischen Sprecherin ihrer Fraktion hochgearbeitet. Und nun greift sie gar nach dem Fraktionsvorsitz der CDU. Sie will Bernhard Worms in dieser Funktion ablösen. An Argumenten fehlt es ihr nicht: Die CDU in Nordrhein-Westfalen müsse wieder eine Sprache finden, die nahe bei den Menschen sei; sie müsse Themen aufgreifen, die die Menschen beschäftigen. Einfach "Weiter so", das genüge nicht. "Wenn wir wieder Boden gewinnen wollen für die Landtagswahl 1990, dann müssen wir Barrieren abbauen und wieder mehr Menschen gewinnen. Wir müssen auch wieder zuhören lernen. Vor uns liegt unendlich viel Arbeit."
    Christa Thoben kann den politischen Ehrgeiz, der aus ihr spricht, mit viel Fleiß belegen. Sie ist fast überall präsent, am Rednerpult im Landtag, in Ausschußsitzungen, auf Kongressen und auch auf Podiumsdiskussionen. Sie hält auch Ehrgeiz und Leistungswillen für redliche Antriebskräfte. Außerdem sei es die "verdammte Pflicht" von Abgeordneten, den Auftrag ernst zu nehmen, den man auf Zeit von den Wählern erhalte.
    Eine Zeitlang galt Frau Thoben als eine vor allem vom CDU-Landesvorsitzenden Biedenkopf geförderte politische Nachwuchskraft. Davon will sie heute - mit einigem Recht - nichts mehr hören. "Das klingt ja so, als könne ich nicht selbständig denken. Jeder schwimmt sich irgendwann frei." Die Wirtschaftspolitikerin vertritt innerhalb der CDU das System der sozialen Marktwirtschaft mit starken ordoliberalen Akzenten. Ihr Werdegang zeigt, wieviel Energie sie in ihre Ausbildung investierte. Die aus Dortmund stammende Wattenscheiderin studierte Volks- und Betriebswirtschaft in Münster. Auslandssemester in Wien und Innsbruck erweiterten den Horizont. Nach dem akademischen Diplom erwarb sie erste Berufserfahrungen beim Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. Frau Thoben kennt das Ruhrgebiet und seine anhaltenden strukturellen Sorgen heute besser als viele, die ständig darüber reden. Auch politische Wettbewerber und Gegner in SPD und F.D.P. bescheinigen ihr hohe Sachkenntnis auf ihren Arbeitsgebieten, schnelle Auffassungsgabe und eine selbstbewußte Kraft der politischen Darstellung.
    1968 ging Frau Thoben zur Jungen Union. Hauptberuflich war sie noch längere Zeit als Geschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer in Münster tätig. Aber sie wollte, sagt sie, auch jungen Leuten beibringen, "wie man den Wirtschaftsteil einer Zeitung liest". Verstehen, Erkennen, Erfassen und das Zuordnen von politischen Sachzusammenhängen, darum ging es zunächst. 1970 wurde sie in der CDU aktiv. Fleißige Arbeit in der Partei brachte ihr 1980 zum erstenmal das Landtagsmandat in Düsseldorf ein. Zügig erklomm sie weitere Sprossen der Leiter: stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU im Landtag, auch stellvertretende Vorsitzende in der Landespartei, schließlich Mitglied des Bundesvorstandes der Union in Bonn.
    Vor wenigen Monaten noch munkelte man in der CDU, Frau Thoben sei als hauptamtliche Generalsekretärin des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen vorgesehen. Aber sie winkte ab. "Dieser Posten wäre nichts für mich, ich arbeite gern weiter als gewählte Parlamentarierin." Von daher muß man ihren Anspruch, künftig auch die Landtagsfraktion der CDU zu führen, als konsequent betrachten. Die Entscheidung zwischen ihr und dem amtierenden Vorsitzenden Worms wird am 17. Februar fallen. Christa Thoben will damit auch "ein Zeichen für die Frauen in der CDU, in der Politik setzen". Das liegt auf der Linie der Zeit, wenn es nicht in verkrampftes Emanzentum ausartet. Doch solche Vorwürfe braucht die stets freundliche, zugleich aber kühl agierende Abgeordnete auch nicht zu fürchten. In ihr steckt viel natürliches Selbstbewußtsein, das sich mit Mut und Engagement in der Sache verbindet. Vielleicht wird sie ein Beispiel dafür werden, daß man Karrieren in der Politik auf Dauer auch ohne "Seilschaften" begründen kann.
    Lothar Bewerunge

    ID: LI870236

  • Porträt der Woche: Wolfram Kuschke (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 1 - 03.02.1987

    Wie viele Zugewanderte ist Wolfram Kuschke (SPD) im Revier schnell heimisch geworden: "Es war recht einfach, sich mit den Menschen im Ruhrgebiet zu identifizieren." In Menden geboren, in Münster aufgewachsen, vor knapp zehn Jahren durch seine Frau nach Lünen gekommen, hat er rasch die Offenheit und Direktheit der Revierbewohner schätzengelernt. Seine eigene Anpassungsbereitschaft verhinderte auch einen Knick in der Parteikarriere infolge des Wechsels von Münster nach Lünen. Im SPD-Stadtverband Lünen setzte er sich 1985 bei der Vorentscheidung für die Direktkandidatur im Landtags Wahlkreis Unna II mit einer Stimme Mehrheit im zweiten Wahlgang gegen den Polizeigewerkschaftsfunktionär Klaus Steffenhagen durch. Seit Mai 1985 gehört der 36jährige dem Landtag an.
    Kirchliche Jugendarbeit, stellvertretender Landesschülersprecher waren die Anfänge; das gescheiterte Mißtrauensvotum gegen Kanzler Willy Brandt 1972 war für Wolfram Kuschke der Anstoß, Sozialdemokrat zu werden. Schon bald folgten in Münster und später im Kreis Unna Führungspositionen bei den Jungsozialisten sowie die Mitgliedschaft in lokalen SPD-Vorständen, seit 1985 ist er stellvertretender Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Unna.
    In der SPD der Revierstadt Lünen habe er als Akademiker zunächst Vorurteile überwinden müssen, räumt Kuschke heute ein. Indem er versucht habe, seine Kenntnisse auf verständliche Weise umzusetzen, sei ihm dies gelungen. Insbesondere durch sein Engagement in der Seniorenarbeit der Partei fand er Anerkennung, gleichzeitig wuchs sein Bekanntheitsgrad. In seiner politischen Arbeit konnte er von Ausbildung und beruflicher Tätigkeit profitieren: In Münster studierte er Geschichte und Politikwissenschaft, das Studium schloß er mit dem sozialwissenschaftlichen Magister ab. Danach war er in der Erwachsenenbildung tätig und ab 1981 zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter und schließlich als Lehrbeauftragter an der Ruhr-Universität Bochum.
    Kuschkes erste Rede im Landtag galt dem Ruhrgebiet, als dessen "Anwalt" er sich mittlerweile versteht. In einer Aktuellen Stunde wandte er sich scharf gegen ein Ruhrgebiets-Papier des CDU-Abgeordneten Wilfried Heimes, das nach seiner Auffassung schwere Diffamierungen der Revierbewohner enthielt.
    Als Mitglied des Landtagsausschusses für Wissenschaft und Forschung fand Kuschke schnell sein Schwerpunktthema: die sozialverträgliche Technikgestaltung. Dem notwendigen Strukturwandel sei ein politischer Rahmen zu setzen, um so die Gefahren neuer Technologien für den Menschen einzugrenzen. Das geplante Landesinstitut "Arbeit und Technik" werde ein breites Aufgabenfeld vorfinden. Insbesondere im Bereich der Bio-Gen-Technologien seien noch viele Probleme zu lösen; dabei komme es vor allem darauf an, mögliche Manipulationen am Menschen zu verhindern.
    Auch wenn die meisten Zuständigkeiten in der Agrarpolitik nicht in Düsseldorf, sondern in Brüssel und Bonn liegen, sieht Kuschke auch im Landwirtschaftsausschuß ein sinnvolles Betätigungsfeld. Dort will er sich vor allem für mehr Verbraucherschutz einsetzen. Nach seiner Einschätzung gehört dazu auch die Haushaltsberatung in Sachen Umweltschutz, wozu er beispielsweise Aufklärung in den Bereichen Hausmüll, Waschmittel und Wasserverbrauch rechnet. Nicht ohne Befriedigung weist er darauf hin, daß in Lünen im November die erste Umweltberaterin eingestellt worden ist, weitere 15 sollen 1987 in weiteren NRW-Städten folgen.
    Wie viele Parlamentsneulinge hat auch Wolfram Kuschke noch einige Schwierigkeiten damit, neben der Parlamentstätigkeit ausreichend Zeit für die Wahlkreisarbeit zu finden. Nach gut anderthalb Jahren beurteilt er die Landtagsarbeit durchweg positiv, nach seiner Auffassung könnte sie jedoch ein wenig bevölkerungsnäher sein. Wie dies zu erreichen wäre, dafür kennt er allerdings keine Patentrezepte. Zu überlegen sei jedoch, ob die Landtagsausschüsse nicht öffentlich tagen sollten, um so mehr Durchsichtigkeit zu erzielen.
    Die achtjährige Tochter profitiert - obwohl sie nicht den Anstoß dazu gab - von einer Sammelleidenschaft des Vaters: Er hat schon viele Kinderbücher gesammelt, besondere Faszination üben auf ihn die mehrdimensionalen aus, in denen die Figuren ausklappbar sind.
    Ludger Audick

    ID: LI870143

  • Porträt der Woche: Hagen Tschoeltsch (F.D.P.)
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 21 - 23.12.1986

    Der eigene Nachwuchs hat dem "Dauerarbeiter" Hagen Tschoeltsch längst die gelbe Karte gezeigt. Zum Leidwesen der Familie ist der Liberale nicht erst seit dem Einzug in den Düsseldorfer Landtag 1985 ständig "auf Achse". Schließlich leitet der kantige Siegerländer nicht nur ein Ingenieurbüro, viel Zeit des Abgeordneten verschlingt auch die Aufgabe als Teilhaber und Geschäftsführer einer Apparatebau-Firma am Niederrhein. "Manchmal ist die Doppelbelastung ein echtes Problem", räumt der gebürtige Breslauer nachdenklich ein. Doch Hagen Tschoeltsch hat den Aufstieg vom Kreistag Siegen-Wittgenstein in das Hohe Haus am Schwanenspiegel in den ersten 19 Monaten nicht bereut: "Die Landtagstätigkeit macht mir Freude."
    Natürlich bleiben Enttäuschungen im Abgeordneten-Dasein nicht aus. Im Kreistag seien Übereinstimmungen über die Parteigrenzen hinweg möglich gewesen, erinnert sich der 45jährige Unternehmer an die vergangenen zehn Jahre Fraktionsführung. Im Landtag hat der Abgeordnete dagegen überhaupt keine Bereitschaft der sozialdemokratischen "Beton-Mehrheit" verspürt, die 17 Sonderanträge der Liberalen aufzugreifen. Tschoeltsch setzt auf die Zeit nach den Bundestagswahlen. Danach werde es wohl leichter werden, mit den Sozialdemokraten zumindest von Fall zu Fall mit einer Stimme zu reden, hofft der blaugelbe Wirtschaftsexperte. Bis dahin ist Hagen Tschoeltsch Realist genug, seine Rolle im Plenum als "Mahner"zu verstehen.
    Der gelernte Elektroinstallateur hat seinen Beruf von der Pike auf gelernt. Volksschule, Oberrealschule, mittlere Reife. Nach der Gesellenprüfung der Wechsel zur Hochschule. Dann aber geht es Schlag auf Schlag. Bereits als 29jähriger ist Tschoeltsch Geschäftsführer in Neunkirchen - und wirtschaftlich völlig unabhängig von der Politik. Ein Zustand, den Hagen Tschoeltsch im ständigen Wechselbad der Politik nicht missen möchte. Schon aus diesem Grund verschwendet der Abgeordnete keinen Gedanken daran, beruflich kürzer zu treten. Zugeständnisse macht er lediglich bei der langfristigen Planung seiner Parlaments-Zugehörigkeit. "Auf keinen Fall wird es eine dritte Legislaturperiode des Abgeordneten Tschoeltsch geben."
    Zeit für Hobbys? Da kann der, "Workoholic" nur mit den Schultern zucken. Sein Lebensziel sieht der Siegerländer denn auch weniger in Weltreisen und Jet-Set-Urlauben als in seiner Arbeit. "Mein schönstes Ziel ist es, wenn andere sagen, der Abgeordnete Tschoeltsch hat seine Aufgabe erfüllt", quillt es zögernd und nicht einmal pathetisch aus dem Abgeordneten hervor.
    Mit der Arbeit in der eigenen Fraktion ist der gelernte Kommunalpolitiker zufrieden. Dem einzelnen Abgeordneten werde in der kleinen Partei zwangsläufig ein großer Spielraum bei der Gestaltung der Politik eingeräumt. Tschoeltsch bedauert jedoch das Diktat des Terminkalenders, der kaum Platz für ergänzende Gespräche läßt. So bleibt der Wirtschaftsexperte wesentlich auf den eigenen Themenbereich begrenzt. "Die Terminhetze läßt ressortübergreifende Diskussionen kaum noch zu", plaudert der Parlamentarier aus dem Nähkästchen.
    Auf dem eigenen Feld hat sich der Liberale ehrgeizige Ziele gesteckt. Die Landtagsfraktion müsse einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, den "Aufbruch in die Verjähre" einzuleiten. Diese Pogrammarbeit liegt dem nüchtern denkenden Unternehmer. So ist es denn auch weniger seine Sache, den politischen Gegner polemisch vorzuführen. Tschoeltsch sucht die Auseinandersetzung mit Fakten und Zahlen, wohl wissend, daß die scharfe Formulierung im Medienzeitalter häufiger über die Presse transportiert wird als das sachliche Argument.
    Der ruhige Siegerländer ist kein Mann der großen Worte, eher der Praktiker, ohne den politische Parteien auf Dauer nicht erfolgreich arbeiten können. Tschoeltsch weiß um die Nöte der Industrie, kennt die Probleme des strukturschwachen Raumes. "Aufgaben sind dazu da, daß sie bewältigt werden", lautet das Credo des "Machers", der das Ärmelaufkrempeln immer dem Lamentieren in den Hinterstuben vorgezogen hat. Verbissene Politik ist aber auch nicht alles. "Manchmal ist die Politik zu tierisch ernst", klagt der Parlamentsneuling. "Das könnte schon gelegentlich etwas lockerer zugehen. "Und das aus dem Munde eines "sturen Siegerländers". Alle Achtung. Wilfried Goebels

    ID: LI862135

  • Porträt der Woche: Karl Schultheis (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 20 - 16.12.1986

    Als "Neuling" im nordrhein-westfälischen Landtag wundert sich Karl Schultheis darüber, daß so wenig ältere Kollegen sich zur Mitarbeit im Petitionsausschuß bereit finden. Gewährt dieser Ausschuß doch einen umfangreichen Überblick über die Probleme und Sorgen der Mitbürger - und für den Parlamentarier dazu noch oft ein "Erfolgserlebnis", das er ansonsten im Parlamentsalltag kaum findet. Dieses Fazit zieht der Aachener SPD-Landtagsabgeordnete über seine bisherige Tätigkeit im Landesparlament und insbesondere in diesem Gremium. Den 33jährigen Pädagogen, der nach eigener Einschätzung "eher ein hartnäckiger Mensch" ist und "ohne Illusionen" sein Mandat übernommen hat, überrascht es dennoch, welche "Kraftanstrengung" bisweilen erforderlich ist, um sich als Abgeordneter gegen den "Koloß Exekutive", also die Ministerialbürokratie, durchzusetzen.
    Bereits unmittelbar bevor er 16 Jahre alt wurde, trat der gebürtige Aachener in die SPD ein - "so wie es bei uns in der Familie üblich war". Mehrere Jahre Vorsitzender im Ortsverein Richterich, gehört er heute dem Aachener Unterbezirksvorstand an. Der Wunsch, direkten Einfluß auf politische Entscheidungen auszuüben, veranlaßte ihn, sich 1985 um ein Mandat zu bemühen. Und auf Anhieb setzte sich der Sozialdemokrat auch gegenüber seinem christdemokratischen Konkurrenten durch. Er holte den bisherigen CDU-Wahlkreis Aachen II für seine Partei. Die Landtagsfraktion berief ihn in den Petitionsausschuß sowie in den Ausschuß für Wissenschaft und Forschung. Den SPD-Abgeordneten reizte jenes Tätigkeitsfeld einmal wegen seines eigenen Interesses und zum anderen aufgrund seiner Ausbildung.
    Nach dem Besuch des Bischöflichen Aufbau-Gymnasiums in der Heimatstadt und einer Highschool in Neuseeland sowie der Grundwehrdienstzeit studierte er an der RWTH Aachen, absolvierte die erste Staatsprüfung für das Lehramt am Gymnasium, der die Referendarausbildung und das zweite Staatsexamen folgten. Während der Studienzeit arbeitete Karl Schultheis aktiv in den Organen der Verfaßten Studentenschaften mit.
    Nach Überzeugung des SPD-Abgeordneten werden Wissenschaft und Forschung eine zunehmende Bedeutung für die künftige Entwicklung des industriestärksten wie bevölkerungsreichsten Bundeslandes haben. Die Fortschritte in der Technologie würden die Gesellschaft maßgeblich beeinflussen. Daher müsse es eine der Aufgaben auch der Politiker sein, diesen gravierenden technologischen Wandel der nächsten Jahre und Jahrzehnte auch in seiner "sozialen Dimension" zu beeinflussen. "Mir geht es darum, die Technik für den Menschen zu nutzen und nicht gegen ihn." In diesem Zusammenhang spricht sich Karl Schultheis dafür aus, in Anbetracht dieser technischen Veränderungen gerade die Geisteswissenschaften zu fördern. Der technologische Fortschritt brauche sie als "ethische Grundlagen". Beeinflusse er doch stark das Zusammenleben der Menschen, die Familien und andere kleine Lebenskreise.
    Der Aachener SPD-Abgeordnete erwartet von den Hochschuleinrichtungen seiner Heimatstadt, die im übrigen der größte Arbeitgeber und der bedeutendste Ausbilder in dieser Region seien, entscheidende Impulse für die ganze Wirtschaft in diesem Grenzgebiet. Sie könnten neue strukturelle Entwicklungen in Gang setzen, nachdem traditionelle Industriezweige immer mehr an Boden verlieren würden und sich auch ein "Ende" des Braunkohle-Bergbaus abzeichne. Als Aachener sieht sich Karl Schultheis insbesondere dazu aufgerufen, zu verhindern, "daß der Übergang zu neuen Strukturen von hoher Arbeitslosigkeit begleitet wird".
    Der Abgeordnete versteht sein Mandat auch als einen Auftrag, Kontakte mit dem Bürger zu suchen und "einfach zuzuhören". So erfreut sich sein Wahlkreisbüro, wo ersieh um jeden Problemfall persönlich kümmert, regen Zuspruchs. Aber auch auf vielen örtlichen Festen ist er zu sehen, "weil man dort oft besser diskutieren kann". Die langjährigen Erfahrungen als Mitglied der Arbeiterwohlfahrt dürften sicherlich zu seinem sozialen Engagement beigetragen haben
    Jochen Jurettko

    ID: LI862037

  • Porträt der Woche: Brigitta Heemann (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 19 - 02.12.1986

    Brigitta Heemann wehrt sich lächelnd: "Ich bin doch nur eine kleine Abgeordnete", auf ihr Urteil komme es doch noch gar nicht an, meint die junge Abgeordnete und entzieht sich damit der Aufforderung, doch einmal ein Urteil abzugeben über die innere Verfassung des Düsseldorfer Landtags. Aber immerhin, soviel läßt sie sich entlocken: Da sie nicht nach Düsseldorf gekommen sei, um die Welt im Landtag zu verändern, habe sie auch keinen Grund zur Klage.
    Den hatte vor nun schon gut eineinhalb Jahren im heimischen Soest um so mehr die CDU. Denn der verheirateten Diplom- Finanzwirtin war im ersten Anlauf gelungen, was vor ihr eine ansehnliche Reihe männlicher Kandidaten nicht geschafft hatten: der CDU den als tiefschwarz geltenden Wahlkreis 140 zu entreißen. Elf Prozent hatte zuletzt der Vorsprung der CDU vor der SPD in Soest betragen. Als alle Stimmen am 12. Mai 1985 ausgezählt waren, hatte die SPD die Nase mit hauchdünnen 0,2 Prozent vom. Brigitta Heemann hütet sich wohlweislich, diesen Erfolg nur ihrer eigenen Kandidatur zuzuschreiben. Aber dieses und jenes Prozentpünktchen mag damals wohl auch deshalb bei der SPD hängengeblieben sein, weil die Partei hier zum ersten Mal eine Frau ins Rennen geschickt hatte. Und wenn es nach ihren Wünschen geht, so soll das auch noch die eine oder andere Legislaturperiode in Soest so bleiben, meint Brigitta Heemann ganz gelassen.
    Dabei ist sie gar keine gebürtige Soesterin. Für den Vater, einen Beamten im mittleren Dienst, war das Städtchen im Westfälischen nur eine von mehreren dienstlichen Durchgangsstationen. Als die Eltern aber Anfang der siebziger Jahre wieder umziehen müßten, blieb Brigitta Heemann, wie sie selbst sagt, "in Soest hängen". Der Liebe wegen, darf hinzugefügt werden. Damals wurde sie auch Sozialdemokratin, wegen ihres ausgeprägten Gerechtigkeitsgefühls, erklärt sie rückschauend. Schon in der Schule habe es sie gestört, daß manche Lehrer, selbst der Direktor des Gymnasiums, bei ihnen passend anmutender Gelegenheit doch schon mal die Bemerkung machten, als Tochter eines nur mittleren Beamten sollte sie gefälligst froh und zufrieden sein, dieses Gymnasium besuchen zu können. Eigentlich reiche doch für Kinder aus solchem Elternhaus auch die Mittlere Reife, habe sie sich anhören müssen.
    Brigitta Heemann reichte das nicht. Sie machte Abitur, eine kaufmännische Lehre, besuchte die Landesfinanzschule. Daß sie aufgrund dieses beruflichen Werdegangs nun als einzige Frau im Haushaltskontrollausschuß des Landtags sitzt, amüsiert sie eher, als daß es Ergebnis ihrer ureigensten Interessen gewesen wäre.
    Hinter ihrem Lächeln, der verbindlichen Art und einem Schuß Koketterie mit weiblicher Zartheit verbirgt die junge Abgeordnete einen nicht unbeträchtlichen politischen Ehrgeiz. Zwar behauptet sie noch, daß ihr das politische Tagesgeschäft oft schwerfalle, daß Nacken- und Tiefschläge sie schmerzten (wobei sie nicht verhehlt, daß solche Hiebe nicht nur von der Opposition kommen) - aber daß sie als Landtagsabgeordnete gerade im heimischen Wahlkreis "schon etwas ist", daß sie diesen Zustand genießen kann, seine Möglichkeiten ausschöpft, daß sie in diesem Zustand noch viele lange Jahre leben möchte, sagt Brigitta Heemann auch ganz schnörkellos und ohne falsche Bescheidenheit. Innerparteilich zählt sie sich eher zur Linken in der SPD, obwohl dies eher ein Gefühl aus dem Bauch heraus ist, auch weil es so schwer geworden ist, diese Linke inhaltlich zu definieren und abzugrenzen von anderen Strömungen innerhalb der Volkspartei SPD.
    Frauensolidarität im Landtag über die Parteigrenzen hinweg? Die letzten Illusionen zu diesem Thema sind der sozialdemokratischen Abgeordneten in der November-Sitzung des Parlaments vergangen, als es mal wieder um den Paragraphen 218 ging. Das Verhalten der CDU-Frauen in dieser Diskussion habe sie doch "sehr betroffen" gemacht, sagt Brigitta Heemann, ihr auch die Lust genommen, Bündnispartnerinnen bei der CDU zu suchen bei Themen, die ihr als Frau besonders wichtig sind, wobei sie alles aufzählt, was sich unter den Stichworten Gerechtigkeit und Hilfe für die Schwächeren in dieser Gesellschaft subsummieren läßt. Sie weiß, daß sie auch als Mitglied der Mehrheitsfraktion mit Kompromissen leben muß, aber sie will dabei keine Ruhe geben in ihrem Bemühen, sich um die Interessen derer zu kümmern, die "keine starke Lobby haben" - im Parlament oder anderswo. Sie versteht sich seit ihrem Abschied aus dem Finanzamt als Vollzeitpolitikerin. Ob das ihrem Mann in Soest gefalle? Da lächelt sie wieder: "Begeistert war der am Anfang nicht. Er hatte,na ja'zu meiner Kandidatur gesagt." Aber jetzt helfe er ihr nach Kräften. Und das, versichert Brigitta Heemann, sei keine der sonst bei diesem Thema üblichen Phrasen...
    Reinhard Voss

    ID: LI861932

  • Porträt der Woche: Prof. Dr. Horst Posdorf (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 18 - 18.11.1986

    Am Abend des 12. Mai 1985 fiel Mathematik-Professor Dr. Horst Posdorf fast aus allen Wolken, konnte es zunächst gar nicht glauben. Ganz unvermittelt und unerwartet wurde er mit der Tatsache konfrontiert, nun Landtagsabgeordneter zu sein: "Es war mein erster Anlauf, da hatte ich nicht mit einem vernünftigeren Listenplatz als dem 64. rechnen können." Und erst recht nicht damit, daß er mit dieser Plazierung als letzter Listenkandidat der CDU ins Landesparlament "rutschen" würde. Das unerwartete Wahlergebnis machte es möglich.
    Mittlerweile hat sich der 38jährige Bochumer an die Parlamentsarbeit gewöhnt. Die Vielschichtigkeit der Aufgaben und Themen haben - so meint er- sein Blickfeld erweitert, interessant auch die komplexen Fragestellungen. Kurzum: "Die Arbeit macht mir Spaß." Ein wenig auch zur eigenen Überraschung habe er feststellen müssen, daß die Wahrnehmung des Landtagsmandats ein "Full-Time-Job" sei. Häufig bleibe kaum Zeit, "einen Gedanken zu Ende zu denken". Mit einigen Kollegen sei er sich deshalb einig darüber, daß eine Halbtagskraft zur Unterstützung im Grunde zu wenig sei. Eine Angleichung an den Bundestag hält er für erstrebenswert, damit sich jeder Landtagsabgeordnete einen Vollzeit-Mitarbeiter leisten könne.
    Seine naturwissenschaftliche Ausbildung betrachtet Posdorf als gute Voraussetzung für die parlamentarische Arbeit und bedauert gleichzeitig, daß nur wenige Naturwissenschaftler den Schritt in die Politik wagen. Der naturwissenschaftliche Denkansatz ist aus seiner Sicht "sehr sinnvoll, um Probleme anzugehen und Lösungen zu suchen, denn man erkennt so eher Kern und Hintergründe". Als Grund für die politische Zurückhaltung vermutet er, daß es vielen Naturwissenschaftlern nicht liege, auf Menschen zuzugehen. Auch mit der emotionalen Seite der Politik hätten viele Naturwissenschaftler - er schließt sich da selbst nicht aus - ihre Schwierigkeiten. Auch wenn er einräumt, daß die meisten politischen Entscheidungen auch emotional bedingt seien, sieht er hier jedoch Gefahren: "Es ist sachlich unangemessen, wenn Politik mit zuviel Emotion nach außen verkauft wird, denn dann werden die Menschen oft eher verführt als überzeugt."
    Nach dem Studium der Mathematik und Physik hat Posdorf zunächst als wissenschaftlicher Angestellter am Rechenzentrum der Universität Bochum und danach als Studienrat gearbeitet, bevor er 1981 Professor für Angewandte Mathematik im Fachbereich Maschinenbau der Fachhochschule Dortmund wurde. Die Mitgliedschaft im Landtagsausschuß für Wissenschaft und Forschung - außerdem gehört er dem Ausschuß für Haushaltskontrolle an kommt seinen beruflichen und privaten Interessen entgegen.
    Aus eigener Erfahrung weiß Horst Posdorf, daß an vielen Hochschulen dringend neue Großgeräte benötigt werden. Die vielfach noch aus den frühen 70er Jahren stammenden Rechner seien längst veraltet. Mittlerweile seien es keine Einzelfälle mehr, daß die Deutsche Forschungsgemeinschaft keine Mittel für Forschungsprojekte an NRW-Hochschulen vergebe, weil die dafür erforderlichen modernen Geräte nicht vorhanden seien. Deshalb fordert er, daß bei Investitionen in diesem Bereich Prioritäten gesetzt werden sollten.
    Auf die Hochschulen sieht Posdorf neue Aufgaben zukommen, insbesondere wenn Mitte der 90er Jahre die Studentenzahlen drastisch zurückgehen werden. Da die Veränderungen immer kurzlebiger würden, werde die Notwendigkeit wissenschaftlicher Weiterbildung der Berufstätigen immer zwingender. Wichtig sei in den nächsten Jahren auch eine Reform der Studiengänge. So erlange beispielsweise die Informatik in immer weiteren Bereichen Bedeutung, sie müsse deshalb praxisorientiert in die Studiengänge eingebaut werden. Bislang gebe es zwar an den Hochschulen schon erfreuliche Eigeninitiativen auf diesem Gebiet, sie reichten jedoch nicht aus, um die Probleme zu bewältigen.
    Posdorfs Parteikarriere ist noch kurz: 1979 Eintritt in die CDU, seit 1981 einige Ämter und Funktionen, beispielsweise Vorsitzender des Stadtbezirksverbandes Bochum-Südwest und Vorsitzender der CDU-Fraktion in der dortigen Bezirksvertretung; seit vier Jahren ist er auch Vorstandsmitglied des Fachausschusses für Schul- und Bildungspolitik der CDU Westfalen-Lippe.
    Die Frage nach Freizeit-Interessen beantwortet Posdorf (zwei Töchter, elf und acht Jahre alt) nur indirekt mit dem Hinweis auf seine Familie, die ihm Rückhalt sei für seine Arbeit. Im übrigen zitiert er einen Lieblingsspruch seines Schwiegervaters: "Lust und Liebe sind die Fittiche zu großen Taten."
    Ludger Audick

    ID: LI861841

  • Porträt der Woche: Klaus Evertz (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 17 - 11.11.1986

    Der CDU-Landtagsabgeordnete und Rechtsanwalt Klaus Evertz ist kein "Duckmäuser" - er sagt seine Meinung, und er fordert bisweilen nicht nur seine politischen Widersacher heraus, wenn er von der Richtigkeit seiner Anliegen persönlich überzeugt ist. Diese Haltung zeichnete den gebürtigen Krefelder schon als Landesvorsitzenden der rheinischen Jungen Union (1972/77) aus, wo erzürn Nutzen der Union nicht selten mit dem damaligen CDU-Landeschef Heinrich Köppler die Klingen kreuzte, und auch heute, als stellvertretender Vorsitzender der Landtagsfraktion, scheut er keine kontroverse Diskussion. "Eine Partei ist für den Bürger nur dann interessant, wenn sie sich mit dessen Problemen beschäftigt und nach Lösungen sucht."
    Erst jüngst ließ der Krefelder Landtagsabgeordnete Fraktion und Partei aufhorchen, als er öffentlich erklärte, eine "politische Profilierung" der nordrhein-westfälischen CDU sei "dringend erforderlich". Die Union müsse die Fusion beider Landesverbände nutzen, um wieder eine stärkere Identifikation der Mitglieder und Wähler sowohl mit dem sachpolitischen Konzept wie auch mit den Führungspersönlichkeiten zu erreichen.
    Nach seiner Ansicht ist eine "enorme Kraftanstrengung" notwendig, um die Voraussetzungen für einen Regierungswechsel in Nordrhein-Westfalen zu schaffen. Ob er schon 1990 geschehen könne oder ob die nächste Landtagswahl "nur eine Etappe zu einem späteren Zeitpunkt ist", werde wesentlich davon abhängen, wie Partei und Landtagsfraktion gemeinsam die nächsten beiden Jahre politisch nutzen würden. In diesem Zusammenhang widerspricht der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Auffassung, die nach der Landtagswahl im Mai letzten Jahres neugebildete CDU- Landtagsfraktion sei "schlechter" als die vorherige. Es gebe eine Menge fachlich qualifizierter und politisch begabter Kollegen, die auch inzwischen als Obleute oder Sprecher in der Fraktion tätig seien. Es werde nun darauf ankommen, deren Ideen und Aktivitäten zu einer "schlagkraftigen Mannschaft" zusammenzuführen.
    Seit 1962 CDU-Mitglied und seit 1971 Landtagsabgeordneter ("Ich habe nicht die Absicht, eine 'Silberhochzeit' als Oppositionsabgeordneter erleben zu müssen"), bedauert Klaus Evertz, daß offensichtlich heute die "Inhalte" der Politik in der Öffentlichkeit weniger Bedeutung hätten als deren "Darstellung". Argumente und Aussagen müßten aber wieder einen höheren Stellenwert zurückgewinnen als die Frage, ob der Politiker ein guter Darsteller sei.
    Kritisch äußert sich der Christdemokrat zur Haushaltspolitik der Landesregierung, die kein Konzept erkennen lasse, wie das Land wieder einen politischen Handlungsspielraum finden könne. "Auf allen Gebieten steht lediglich die Verwaltung des Managements im Vordergrund, nicht aber die Frage, wie die Zukunftsfähigkeit Nordrhein-Westfalens gesichert werden kann." Zudem gebe es eine Blockade-Politik gegenüber neuen Technologien. Als jüngstes Beispiel nennt Klaus Evertz den Landesrundfunk- Gesetzentwurf, der verhindere, daß Nordrhein-Westfalen ein Medien-Standort werde.
    Als Vorsitzender der Krefelder CDU-Ratsfraktion tritt er dafür ein, daß sich die in der Verfassung garantierte Selbstverwaltung der Kommunen auch tatsächlich entfalten kann. Finanzielle Kürzungen und engmaschige gesetzliche Vorgaben des Landes ließen eine solche Entfaltung aber nicht zu. Auf sein Ratsmandat möchte der engagierte Kommunalpolitiker nicht verzichten, weil man durch das Mandat über "tatsächliche Verhältnisse und Probleme einer Gemeinde hautnah informiert ist". Das aber sei nützlich für landespolitische Aktivitäten.
    Der Krefelder hält es für bedenklich, daß Politikern heute zu wenig Zeit gelassen wird für die eigene Familie. Das persönliche Verhalten stehe oft im Gegensatz zu politischen Resolutionen. Trotzdem versucht Klaus Evertz, "Balance" zu halten und auch mal die Freizeit für seine Hobbys zu reservieren - Tennis und Eishockey.
    Jochen Jurettko

    ID: LI861744

  • Porträt der Woche: Anke Brunn (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 16 - 28.10.1986

    Daß Anke Brunn Ministerin, also Inhaberin staatlicher Macht sei, fällt einem kaum ein, wenn man ihr zum ersten Mal begegnet. Ihrer Erscheinung, ihrem Auftreten fehlt jede gouvemementale Attitüde. Sprödes Selbstbewußtsein, von einer dünnen, zerbrechlichen Stimme getragen, zeichnet sie aus. Alles Matronenhafte, mit dem Karrierefrauen, insbesondere in der SPD, früher oft kraftstrotzend dahergekommen sind, geht ihr gänzlich ab.
    Dabei ist Anke Brunn mit ihren gerade 44 Jahren längst eine Karrierefrau. Die Stationen ihres beruflichen und politischen Weges lesen sich wie eine einzige Erfolgsbilanz: Humanistisches Gymnasium, Abitur, Studium an den Universitäten in Hamburg, Paris und Köln, Diplomvolkswirtin. Bis 1975 wissenschaftliche Angestellte am Rechenzentrum der Uni Köln, danach nur noch Politikerin. 1981 wird sie Senatorin für Jugend, Familie und Sport im letzten Berliner SPD-Senat unter Jochen Vogel.
    Zu jener Berufung gehört eine Anekdote, die auch für später mancherlei erklärt. Vogel habe bei Johannes Rau nachgefragt, ob er niemanden für den vakanten Posten wisse. Rau sei sofort der Name der damaligen stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion eingefallen. Nachts um eins, so mag es gewesen sein, telefonierte er sie zu Hause aus dem Bett. Anke Brunn nahm an. Das " Notopfer Berlin" war ein kurzes Zwischenspiel, aber es bereichert die Biografie um Regierungserfahrung. Die Kölnerin aus dem Flecken Behlendorf im Kreis Lauenburg war damit zum Kreis der Macher gestoßen, auch wenn sie diesen Begriff als unangemessen für sich zurückweisen würde.
    Minutiös hat Anke Brunn für das Handbuch des Landtags auch ihre Parteikarriere zusammengestellt, ist sie doch einer der Schlüssel für ihre politische Laufbahn: Mitglied der SPD seit 1967, von 1973 bis 1981 Mitglied des Unterbezirksvorstandes, von 1973 bis 1981 und wieder ab 1983 Mitglied des Bezirksvorstandes Mittelrhein. Dazu Bezirksvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, stellvertretende Vorsitzende der Landtagsfraktion, von 1981 bis 1983 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, stellvertretende Fraktionschefin. Mitglied der Enquete- Kommission des Bundestags "Jugendprotest im demokratischen Staat". Schließlich Gewerkschafterin, Landesvorsitzende des "Progressiven Eltern- und Erzieherverbandes" und, natürlich auch, Mitglied der Arbeiterwohlfahrt.
    Nachdem Anke Brunn wieder aus Berlin zurückgekehrt war, um eine administrative Erfahrung reicher, spielte sie im Personalkalkül Raus eine wichtige Rolle. Ihr war und da dominierten auch Überlegungen zur schmückenden Bereicherung der Landesregierung um eine Frau - schon lange vor der letzten Landtagswahl im Mai 1985 ein Sitz im Kabinett versprochen worden. Rau schwankte lediglich bei den Ressorts. Daß er Anke Brunn zur Wissenschaftsministerin machte, entspricht durchaus ihren Neigungen und Erfahrungen. Die Bildungspolitik war stets einer ihrer politischen Schwerpunkte.
    Anke Brunn, verheiratet und Mutter eines Sohnes, ist in der politischen Verkehrskunde von links zur Mitte gewandert. Das drückt sich auch in ihrer bewußt unbetonten Position gegenüber der Frauenbewegung aus. Obwohl engagiert, tut sie sich da nicht hervor. Sie gehört vielmehr zu jenem neuen Typ politischer Frauen, wie er in Rita Süssmuth, Ingrid Matthäus-Maier oder Antje Vollmer in Erscheinung tritt: Weitgehend unangepaßt ans männlich-dominierende Politiker-Ideal, scheinen sie ein bißchen außerhalb der maskulin gesetzten Normen und zugleich fern der provokanten Emanzenklischees zu stehen. Sie sind nicht die besseren Männer, wollen es auch nicht sein.
    Frau Brunns Regierungsamt gilt als besonders schwierig. Der Umgang mit Hochschulen, also Professoren, verlangt viel Fingerspitzengefühl, sollen nicht Überheblichkeit und Herablassung provoziert werden. Und mitunter wiegt auch die "Erblast" schwer. Wie z. B. ist das Verhältnis Staat Katholische Kirche für beide Seiten befriedigend zu lösen, wenn durch die erst vor wenigen Jahren vereinbarten Staatskirchenverträge, in Folge des sogenannten Preußen-Konkordats, die Hochschulen in ihrer Souveränität bei der Besetzung von Professorenstellen im Fachbereich Theologie beschnitten werden können? Frau Brunn will dafür sorgen, daß sie bei kirchlichem Widerspruch auf eine Berufung wenigstens den Grund erfährt - immerhin.
    Als Wissenschaftsministerin fällt ihr vor allem die schwierige Aufgabe zu, in Zeiten knappen Geldes und sinkender Studentenzahlen die Hochschullandschaft in NRW ohne Abbruch zu pflegen. Dabei setzt sie auf Kooperation. Hochschulschließungen will sie vermeiden. Die kleine Uni mit 6000 bis 7000 Studenten erscheint ihr als denkbar.
    Zunächst aber muß Anke Brunn das nordrhein-westfälische Gesetz über die wissenschaftlichen Hochschulen, kurz WissHG, an das geänderte Hochschulrahmengesetz des Bundes anpassen. Dabei steht für sie außer Zweifel, daß es eine Rückkehr zur alten Ordinarien-Universität nicht geben wird.
    Bernd Kleffner

    ID: LI861644

  • Porträt der Woche: Dr. Hans-Dieter Fischer (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 14 - 23.09.1986

    Der Hagener CDU-Landtagsabgeordnete gehört sicherlich zu den Fleißigen im Düsseldorfer Parlament. Dr. Hans-Dieter Fischer verpaßt keine Plenarsitzung, will lernen. Denn vom Lernen und Lehren versteht der am 12. Mai 1985 erstmals ins Haus am Schwanenspiegel gewählte Unionspolitiker etwas: Schließlich ist der 43jährige bis zu seiner Beurlaubung Akademischer Oberrat an der Universität Dortmund gewesen.
    Fischer ist sich seiner Rolle als "Hinterbänkler" durchaus bewußt. Aber er will die erste Legislaturperiode nutzen, sich in die neue Materie einzuarbeiten. Der Hochschullehrer kommt aus der Kommunalpolitik, hat früh begonnen und ist bereits als 27jähriger Vorsitzender der CDU Hagen-Mitte geworden. Er hat sich schnell emporgearbeitet und leitet seit 1980 den Kreis Hagen. Mit viel Zeitaufwand und Engagement kümmert sich der dreifache Familienvater intensiv um die Basisarbeit. Manchmal zum Leidwesen seiner Frau - und zum eigenen dazu. "Es fällt schon häufig sehr schwer, zu einer Parteiveranstaltung aufzubrechen, wenn die Kinder mit dem Vater spielen wollen", skizziert der Abgeordnete den Zwiespalt zwischen Beruf und Familie.
    Trotz allen Ringens, im "roten Hagen" hatte der CDU-Politiker seinen Einzug in den Landtag lediglich dem Listenplatz zu verdanken. Erst der hohe Wahlsieg des SPD-Spitzenkandidaten Johannes Rau ermöglichte den Sprung nach Düsseldorf. Am Abend des Wahlsonntags im Mai 1985 stellten die Hagener Landtagskandidaten fest, daß stolze vier Abgeordnete gewählt waren. Neben den beiden direkt gewählten SPD-Kämpen Dieter Haak und Wilfried Kramps auch die Christdemokraten Hans-Dieter Fischer und Helmut Diegel.
    Hans-Dieter Fischer gelangte über die Sozial- und die Bildungspolitik an die CDU. Begeistert vom Sozialpolitiker Karl Arnold unterschrieb der damalige Student 1964 den Mitgliedsantrag der Union. Augenblicklich beschäftigt sich der promovierte Germanist aber intensiver mit der Bildungspolitik. In seiner Heimat tobt der "Schulkrieg" um die Errichtung einer zweiten Gesamtschule. Fischer ist kein dogmatischer Gegner der Gesamtschule, lehnt jedoch die Zerschlagung des bestehenden Schulsystems entschieden ab. Den Kampf um die zweite Hagener Gesamtschule hat die CDU verloren. Fischer will aber weiter informieren, um die Bürger vor einer einseitigen Umkrempelung der Schullandschaft zu bewahren. Seit 1979 arbeitet der Abgeordnete als Bürgerschaftsvertreter in verschiedenen Ausschüssen, seit 1979 ist Fischer Mitglied des Rates der Stadt Hagen und Vorsitzender des Ausschusses für Erwachsenenbildung.
    Als Kollege der damaligen Professorin und heutigen Familienministerin Rita Süssmuth reicht der Arm des Hageners sinnbildlich bis ins Bonner Kabinett Helmut Kohls. Dr. Fischer hat die muntere Ministerin bereits als Gastrednerin in seinen Kreis geladen, als der Name Süssmuth selbst in den Reihen der Union weitgehend unbekannt war. Der Altgermanist hält große Stücke auf die neue Hoffnungsträgerin der CDU.
    Auch politisch fühlt sich der Akademische Oberrat der Hochschule weiter verpflichtet. In seiner ersten kleinen Anfrage hat sich der Parlamentsneuling bei der Landesregierung nach dem Beförderungsstau an den Hochschulen erkundigt. Die persönliche Entscheidung, ob er 1990 endgültig die politische Laufbahn einschlagen will oder wieder zurück zur Universität geht, hat Dr. Fischer noch nicht getroffen. Die Weichenstellung Richtung Politik würde ihn schon reizen, sagt er. Aber er muß sich vor der nächsten Wahl entscheiden. Danach wäre eine Rückkehr in die Forschung kaum noch machbar.
    In die Parlamentsarbeit hat sich der Abgeordnete nach einem Jahr gut eingearbeitet. Er hat seine Jungfernrede mit Erfolg absolviert, sich in der wenig publikumswirksamen Ausschußarbeit als fleißiger Handwerker einen Namen gemacht. Was das aktive Ratsmitglied aber noch heute wurmt, ist der vorlesungsähnliche Charakter der Plenarsitzungen. Die "Großkopf erten" führen das Wort, die "Hinterbänkler" sind zum Zuhören verdammt. Da wundert es den Politiker nicht, daß sich nach einigen Stunden Debatte die Reihen des Landtags lichten.
    Die Rolle des machtarmen Oppositionspolitikers ist dem leidenschaftlichen Hobby-Basketballer nicht fremd. Gemeinsam mit den beiden Hagener SPD-Politikern Haak und Kramps bemüht sich die Hagener CDU-Riege aber darum, die heimischen Belange im Parlament zu vertreten. Parteiübergreifende Treffs sind eingeplant, werden auch im Beisein des Hagener Oberbürgermeisters durchgeführt. Die Arbeit für den Bürger, da fälltauch der Opposition eine wichtige Rolle zu.
    Eine Stärkung der "Diaspora-CDU" verspricht sich der Volmestädter vom neugegründeten Unionsbezirk Ruhrgebiet. Dr. Fischer hat sich entschieden gegen Pläne in der Partei gestellt, die Hagener CDU dem Bezirk Sauer-/Siegerland anzugliedern. "Hagen gehört ins Revier", sagt der überzeugte Biedenkopf-Fan. Die CDU müsse nun dafür kämpfen, die roten Hochburgen im Ruhrgebiet aufzuweichen. "Dann haben wir auch im Landtag wieder die Möglichkeit, die eigene Politik mehrheits fähig zu machen", hofft Fischer auf bessere Zeiten für seine Partei in NRW.
    Wilfried Goebels

    ID: LI861439

  • Porträt der Woche: Georg Aigner (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 13 - 16.09.1986

    Georg Aigner (52), Vater von zwei erwachsenen Söhnen, Diplom-Ingenieur, Geschäftsführer der Vestischen Straßenbahn- Gesellschaft, in Bochum bereits zum dritten Mal direkt in das Landesparlament gewählt, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion und deren verkehrspolitischer Sprecher, Mitglied der Gewerkschaft ÖTV, Unterbezirksvorsitzender seiner Partei in Bochum.
    Eine solche stichwortartige Aufzählung von persönlichen, beruflichen und politischen Daten sagt über den Mann nur wenig, über seine Persönlichkeit gar nichts. Um einen Mann, der die Politik zu einem Teil seiner Lebensaufgabe gemacht hat, vorstellen zu können, muß dieser bereit sein, sich im Gespräch zu öffnen, neue Einblicke gewähren, die Erkenntnisse jenseits dessen bringen, was man beobachten, nachlesen kann.
    Georg Aigner war dazu bereit. Zum ersten Mal 1977, als er gerade zwei Jahre dem Parlament angehörte, und jetzt wieder. Stand damals der berufliche und politische Lebensweg, der in das Parlamant gemündet hatte, im Vordergrund, so bewegte sich diesmal das Gespräch, das Ausloten und Abtasten in jenen Bereichen, in denen man Erfahrungen, Wandlungen, Reifeprozesse vermutet. Kurzum: so eine Art Bilanz nach mehr als zwölf Abgeordnetenjahren sollte es werden.
    Glaubhaft bleiben, so Georg Aigner vor neun Jahren, sei am wichtigsten für einen Politiker, die eigene Linie "sauber" durchhalten. Und heute? Im Grundsatz ist der Mann klarer geworden: "Bei aller Taktik nicht vorsätzlich die Unwahrheit sagen. Dann lieber schweigen." Ein feiner, doch wichtiger Unterschied; glaubhaft bleiben kann man im Zweifels fall auch dann noch, wenn man lügt, sofern andere den Sachverhalt nicht kennen.
    Zugeständnisse hingegen macht er nun, wenn es um die saubere eigene Linie geht. Er hat gelernt, daß eigene Vorstellungen nicht immer "lupenrein" durchzusetzen sind. Die Fähigkeit zum Kompromiß sei ausgeprägter geworden. Dabei meint er nicht jene landläufig als "faul" charakterisierten Vereinbarungen, sondern jene Kompromisse, ohne die eine Demokratie nicht funktionieren kann, die als das Resultat des Austragens von Gegensätzen, des Ringens um die bestmögliche Lösung anzusehen sind. Sie müssen nicht, gemessen mit der Elle theoretischer Problembetrachtung, die besten sein, aber sie sind immer die am besten verträglichen, weil sie das größte Maß an Zustimmung finden. Will man in jedem Fall das absolut Beste, darf man die Demokratie nicht wollen.
    Und auch im Umgang mit Menschen, politischen Freunden und Gegnern, hat Aigner dazugelemt, wie er bekennt. Unter dem Begriff Lebenserfahrung ordnet er das ein. Habe er früher keine Ecke ausgelassen, an der man sich stoßen konnte, und dabei keine Rücksicht genommen, so will er heute Menschen nicht unnötig verletzen. Das heißt für ihn aber nicht Verzicht auf eigene Einsichten, auf das Ringen um die für richtig gehaltene Lösung. Doch unterliegt man schließlich in einer Auseinandersetzung, so hat man, bitteschön, die Pflicht, die Entscheidung der Mehrheit mitzutragen. Kompromißlos aber will und muß er sein, wenn es um Grundsätze, Grundwerte geht. In der alltäglichen Politik findet man die jedoch selten, wenngleich viele sie ständig im Munde führen.
    Im Parlamentsalltag geht es mehr um die profanen Dinge des Lebens; für Georg Aigner in erster Linie in der Fraktion um die politische Koordinierung und in der Sachpolitik um die Belange des Verkehrs. Dem "öffentlichen Personen-Nah-Verkehr" - das Sprachmonstrum wird durch die gebrauchte Abkürzung öPNV nicht besser - gehört seine Sympathie, obwohl er kein Feind des Autos ist. Aber er weiß auch, wenn die Leute in die Stadt mit der Bahn oder den Bussen statt mit dem eigenen Auto fahren sollen, geht es nicht mit Verboten oder Schikanen. Die Busse und Bahnen müssen schneller und bequemer sein und pünktlich fahren. Bis es soweit sein wird, bleibt noch viel zu tun, zu organisieren und zu bauen. Vielleicht 1995, so der erfahrene Praktiker, kann es soweit sein.
    Karl Lohaus

    ID: LI861337

  • Porträt der Woche: Franz Skorzak (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 12 - 15.07.1986

    Er ist kein Senkrechtstarter in der politischen Landschaft - der CDU-Landtagsabgeordnete aus dem münsterländischen Ahaus und Landrat des Kreises Borken, Franz Skorzak, zählt vielmehr zu jenen Parlamentariern, die Sprosse für Sprosse "nach oben" kamen. Und das soziale Engagement des heute 57jährigen zieht sich wie ein roter Faden durch dessen Biographie. Der berufliche wie politische Weg der letzten Jahrzehnte wurden von der aktiven Mitarbeit in Partei und Gewerkschaftsbund geprägt.
    In Flensburg geboren, absolvierte Franz Skorzak nach Besuch der Volksschule zunächst die Dreheriehre in einer Maschinenfabrik und anschließend noch die Ausbildung als Kfz-Schlosser. Der Grund: Jene Maschinenfabrik stand auf der damaligen Demontageliste der britischen Besatzungsmacht. Bereits mit 19 Jahren im Besitz von zwei Gesellenbriefen, fand er in einem größeren privaten Busuntemehmen eine Anstellung, wurde kurz darauf in den Betriebsrat und zwei Jahre später - mit 23 Jahren, zu dessen Vorsitzenden gewählt. Bereits in der "Stunde Null", unmittelbar nach Kriegsende, war er in die Gewerkschaft eingetreten.
    Als der DGB auf den jungen Gewerkschaftler aufmerksam wurde, schickte er ihn auf die Akademie der Arbeit nach Frankfurt und später zur Düsseldorfer Landesgeschäftsstelle. Die weiteren Stationen: Gewerkschaftssekretär in Moers (1955/63), anschließend Vorsitzender des DGB-Kreises Ahaus bis zur Freistellung nach Übernahme des Landtagsmandates im letzten Jahr. Bis vor kurzem auch Mitglied des DGB-Landesvorstandes, zählte der Christdemokrat zu den wenigen Kreisvorsitzenden mit CDU-Parteibuch.
    Über die katholische Jugend fand Franz Skorzak seine "politische Heimat" 1949 in der Union. Seitdem beriefen ihn die Partei und die Wähler in zahlreiche Gremien. Schließlich wurde er 1968 zum Landrat des damaligen Kreises Ahaus gewählt und übernahm nach dessen Auflösung im Zuge der Kommunalreform 1974/75 diese Position dann im neugebildeten Kreis Borken. Ein Kreis übrigens, der mit seinen über 300000 Einwohnern vom Niederrhein bis zur niederländischen Landesgrenze sich erstreckt. Seit 17 Jahren ist der Ahauser Sprecher der Landräte des Münsterlandes und ebenso lange im Vorstand des Landkreistages Nordrhein-Westfalen.
    Es ist kein Zufall, daß Wirtschafts- und Strukturfragen seit vielen Jahren die wichtigste Rolle in der politischen Tätigkeit des Borkener Landrates spielen. Das westliche Münsterland hatte eine ausgeprägte Monostruktur - achtzig Prozent der Arbeitsplätze stellte die Textilindustrie, und es hat auch heute noch den höchsten Geburtenüberschuß. Neue Arbeits- und Ausbildungsplätze zu schaffen, die Wirtschaftsstruktur dieses Raumes zu verbessern, ist daher eine besondere Herausforderung für die politisch Verantwortlichen. Der Christdemokratkann inzwischen Erfolge für sich buchen: Nach der Schrumpfung der Textilbranche faßte allmählich die Möbelindustrie Fuß, Kunststoff- und Metallbetriebe siedelten sich an. Die Mehrzahl von Ihnen sind kleinere und mittlere Unternehmen mit Zukunftschancen.
    Zugleich bemühte sich der Kommunalpolitiker, den großen Mangel an Ausbildungsplätzen zu lindem. Auch in diesem Bereich ist beachtlich, was nichtstaatliche Aktivitäten bewirken können. Eine Berufsbildungsstätte wurde in Zusammenarbeit mit Industrie, Handel und Handwerk geschaffen, die heute eintausend Jugendlichen eine Ausbildung ermöglicht. Und mit dem sogenannten Ausbildungsverbund in Kooperation mit dem Nachbarkreis Coesfeld stehen weitere 600 Lehrstellen zur Verfügung. Mit beachtlichen 55,7 Prozent der Wählerstimmen sicherte Franz Skorzak, der erstmals für den Düsseldorfer Landtag kandidierte, wieder den Wahlkreis 93 (Borken III) der Union. Besonders erfreut ist der Münsterländer, daß seine Fraktion ihn in den Ausschuß für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie berief, wo er nicht nur seine praktischen Erfahrungen aus der regionalen Tätigkeit einbringen kann, sondern wo er auch die Interessen des westlichen Münsterlandes engagiert vertreten will. DerParlaments-"Neuling" sieht den Schwerpunkt seines Wirkens in Düsseldorf denn auch insbesondere im Ausschuß, in Fraktion und Arbeitskreisen, "dort, wo noch etwas bewirkt werden kann".
    Der Vater von vier Söhnen sucht in seiner knapp bemessenen Freizeit Entspannung bei Gartenarbeit und auf dem Fahrrad, er greift gern zu einem (politischen) Buch, und im Urlaub schätzt er ausgedehnte Bergwanderungen.
    Jochen Jurettko

    ID: LI861246

  • Porträt der Woche: Brunhild Decking-Schwill (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 11 - 01.07.1986

    "Politiker müssen Wettbewerb ertragen können, auch Niederlagen." Gelassen äußert Brunhild Decking-Schwill (49) diesen Satz: Den politischen Wettbewerb nahm sie vor zwölf Jahren auf, als sie in Dortmund in die CDU eintrat, persönliche politische Niederlagen hat sie bislang allerdings nicht einstecken müssen.
    Die Karriere ging stetig bergauf. Sie begann als Vorsitzende der Dortmunder Bezirksvertretung Innenstadt-Ost, setzte sich in sechsjähriger Ratsmitgliedschaft fort und mündete im Mai 1985 im Landtag. In der Dortmunder CDU ist sie seit 1980 stellvertretende Kreisvorsitzende, seit vielen Jahren leitet sie den CDU-Stadtbezirk Innenstadt-Ost, und seit wenigen Wochen hat sie den stellvertretenden Vorsitz des neuen CDU-Bezirks Ruhrgebiet inne. Diesen Werdegang gibt sie ohne Überheblichkeit, aber auch ohne falsche Bescheidenheit zur Kenntnis.
    Selbstbewußt weist Brunhild Decking- Schwill daraufhin, daß sie sich in allen Fällen in Kampfabstimmungen durchgesetzt hat; als politische "Alibi-Frau" habe sie sich nie gefühlt, das entspreche auch nicht den Tatsachen. Eine Ausnahme räumt sie allerdings ein: Bei der Aufstellung der Reserveliste für die Landtagswahl 1985 hatte ihr Kreisverband sie für Listenplatz 48 vorgeschlagen, einen Dortmunder - männlichen - Mitbewerber für Rang 18. Das Auswahlgremium folgte dieser Empfehlung nicht und ließ beide die Plätze wechseln. In der Abstimmung erhielt Frau Decking-Schwill zwei Stimmen mehr als ihr Konkurrent. Dabei habe wohl ihr Frausein eine Rolle mitgespielt, aber "eine Frau Niemand hätte gewiß nicht die Stimmenmehrheit bekommen".
    Der Landtag wählte die "Newcomerin" in sein Präsidium. Im Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen sowie im Untersuchungsausschuß Neue Heimat kann sie auf Fachkennntnisse zurückgreifen: In Münster hat sie ein Lehramtsstudium in den Fächern Anglistik und Geographie mit den Schwerpunkten Politische Geographie und Siedlungsgeographie absolviert, auch in der Kommunalpolitik lag hier ihr Hauptarbeitsgebiet. Städtebaupolitik müsse sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren, wobei es - so meint sie - vor allem darauf ankomme, sich vor Modetrends zu hüten. Beispielsweise habe sich inzwischen erwiesen, daß Wohnungsverdichtungen in Hochhauskomplexen eine solche Modetorheit gewesen seien. Heute befürchtet sie, daß die oft propagierte Verkehrsberuhigung in Wohngebieten sich schon bald als neuer Modegag herausstellen werde. Wahrscheinlich müsse schon in naher Zukunft vieles wieder zurückgebaut werden, weil man zuvor nicht geklärt habe, wo denn der Verkehr nach der Beruhigung bleiben solle.
    Zwischen ihrem Fachgebiet und ihrem Hobby besteht eine enge Verbindung. Brunhild Decking-Schwill unternimmt gern Städtereisen; dabei "erobert" sie die fremden Städte immer vom Mittelpunkt aus und kann so zurückverfolgen, wie diese gewachsen sind und sich um ihre Kerne gruppieren.
    Gefragt, was sie für ihre hervorstechende politische Eigenschaft hält, nennt sie die Toleranz. Diese zu üben habe sie schon in Kindheit und Jugend in ihrer ostwestfälischen Geburtsstadt Bünde gelernt. Sie war das einzige Kind einer damals sogenannten "Mischehe", Mutter katholisch, Vater evangelisch. Als Katholikin in der Diaspora hat sie von ihrer Umwelt viel Toleranz erfahren. Sie hoffe, ihre damals erworbene Lebenseinstellung bis heute bewahrt zu haben: "Man muß zu dem stehen, was man ist, und offen sein für andere." Dieser Grundsatz habe sich auch in der Dortmunder Kommunalpolitik bewährt, wo sich die CDU fast schon traditionsgemäß in der Minderheit befindet.
    Als Lehrerin hat Brunhild Decking-Schwill nur sehr kurz gearbeitet, Folge der Geburt von zwei - mittlerweile erwachsenen Töchtern. Nach dem Tod ihres ersten Mannes kehrte sie nicht in die Schule zurück, sondern entschied sich für politische Aktivitäten. Seit kurzem ist sie plötzlich "sechsfache Mutter": Mitte April heiratete sie den - ebenfalls verwitweten - Dortmunder CDU-Kommunalpolitiker Theo Schwill, Vater von vier Kindern.
    Ludger Audick

    ID: LI861135

  • Porträt der Woche: Witfried Kramps (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 10 - 10.06.1986

    Seine ersten Schritte in die Politik verdankt der SPD-Landtagsabgeordnete Wilfried Kramps einem Kommunisten. Der bewohnte das Parterre im Wittener Elternhaus und nutzte jede Gelegenheit, sich mit dem gewerkschaftstreuen Vater politisch zu reiben. Er habe bei diesen Wortduellen des Vaters mit dem Kommunisten manches gelernt, blickt der Parlamentarier zufrieden auf seine Jugendjahre zurück. Auch, daß man sich trotz politischer Gegensätze menschlich verstehen könne. Denn persönlich verstand sich Vater Kramps mit dem linken Mitbewohner gut.
    Der Hagener Wilfried Kramps ist ein in der Wolle gefärbter Sozialdemokrat. Keiner aus der grauen Masse linker Hochschulabgänger. Kramps hat den langen Marsch über Volksschule und kaufmännische Lehre zurückgelegt. Aber die Politik hat ihn über die Jahre nicht losgelassen. Der Onkel wirkte als Bürgermeister in Dortmund, also zog es den damals 21jährigen 1961 an die Dortmunder Sozialakademie, wo er nach neun Monaten sein Diplom ablegte. 1960 in die Partei eingetreten, stieg Kramps bereits 1963 zum Vorsitzenden des SPD-Stadtverbandes Herdecke auf. Von 1965 bis 1985 verdiente der Politiker seine Brötchen als Geschäftsführer im SPD-Unterbezirk Hagen.
    Ein Parteimensch? Nach mehr als 20 Jahren Parteiarbeit sei ein Schritt zurück in den alten Beruf natürlich utopisch. Er hat seine Arbeit gemacht. "Manchmal war es schon zuviel. Ich habe meine Familie kaum noch gesehen", erinnert sich der frühere Parteisekretär. Als Abgeordneten-Kandidat habe er sich seiner Partei erst angeboten, als der damalige Amtsinhaber Nolzen seinen Rücktritt angekündigt habe. Denn "als Parteisekretär jemanden aus dem Sattel heben, das macht man nicht". Hagen ist eine sichere Bank der "Roten". 1985 holte Wilfried Kramps in seinem Wahlkreis 58,9 Prozent.
    Sich selbst ordnet der 45jährige als einen "praktischen Politiker mit Ideen" ein. Jeder müsse Utopien einbringen in die Politik, die Tagespolitik dürfe die Perspektive nicht verdrängen. Großes Vorbild des Hageners ist das Urgestein Herbert Wehner. Kramps hat den Alten kennengelernt. Heute bezeichnet sich Kramps als Fan von Jochen Vogel.
    Als Ratsmitglied und Landtagsabgeordneter sieht der Politiker im Düsseldorfer Landtag eine "Bühne für höhere Kommunalpolitik". Deshalb wäre es gut, wenn jeder Abgeordnete schon einmal im Rat seiner Gemeinde gearbeitet hätte. Die Umwidmung der Landtage in "Ersatz-Bundestage" lehnt der Sozialdemokrat entschieden ab. Der Ton im Landtag sei schärfer als in den Kömmunalparlamenten. Trotzdem hat Kramps mit den Hagener Abgeordneten Haak (SPD), Fischer (CDU) und Diegel (CDU) einen parteiübergreifenden "Bund" geschlossen. Die Abgeordneten sitzen in unterschiedlichen Ausschüssen und hocken sich regelmäßig bei Oberbürgermeister Loskand zusammen, um die drängenden Strukturfragen Hagens gemeinsam zu lösen.
    Der vierfache Vater hat seinen politischen Fahrplan abgesteckt. Höchstens drei Perioden will Kramps dem Düsseldorfer Landtag angehören. In den ersten fünf Jahren müsse man sich einarbeiten und sich gegen die "Platzhirsche" durchsetzen. Nach drei Amtszeiten sei man dann wieder zu sehr festgefügt. Ein großes Ziel? Wirtschaftsfragen interessierten ihn schon sehr. Vorsitzender eines Arbeitskreises, das wäre schon was.
    Im Wahlkampf hat der leidenschaftliche Sportfan vor Ort für furore gesorgt. Auf einer "Tour de Kramps" lernte der frische Kandidat per Fahrrad seinen gesamten Wahlkreis kennen, der sich wie ein Band um die Volme-Stadt zieht. Auch ein Jahr später steht der Drahtesel nicht rostig verwaist in der Garage. Wenn es die Zeit zuläßt, dann radelt der Abgeordnete mitsamt Familie und Hund ins Münsterland. Ansonsten besucht Wilfried Kramps Basketball-Spiele des SSV Hagen und Eishockey-Matches beim Iserlohner ECD. Seine Leidenschaft Jazz teilt im Familienrund niemand.
    Er möchte Ansprechpartner für seine Wählersein, setzt sich der Sozialdemokrat in die Pflicht. Ein Blick auf die Uhr. Die Zeit drängt. Eine Mutter hat angerufen und den Abgeordneten um einige Telefonnummern aus dem Düsseldorfer Branchenteil gebeten. Der Sohn sucht dringend eine Lehrstelle. Kein ungewöhnlicher Auftrag. Wilfried Kramps kümmert sich darum.
    Wilfried Goebels

    ID: LI861031

  • Porträt der Woche: Brigitte Speth (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 9 - 03.06.1986

    Mit leiser Stimme, zögerlich und doch selbstverständlich sagt sie manchmal Sätze, die einem männlichen Abgeordneten nie über die Lippen kämen. Zum Beispiel: "Manchmal habe ich auch Angst vor meinen Wählern." Oder: "Weinende Menschen machen mich hilflos. So vielen kann ich nicht helfen. Es ist so hoffnungslos manchmal." Sie bekomme dann schon beim Telefonieren feuchte Hände...
    Die das sagt, hat sich vor Jahren schon als Physikstudentin bis zum Diplom durchgebissen, damals noch viele Semester als einziges weibliches Wesen unter männlichen Kommilitonen im Hörsaal. Und sie hatte im vergangenen Jahr den Düsseldorfer Wahlkreis 49 übernommen, den kein Mann haben wollte, weiter als uneinnehmbare CDU-Hochburg galt. Aber im Sog von Johannes Rau eroberte Brigitte Speth mit 46,5 Prozent die schwarze Hochburg, war am Wahlabend nach eigenem Bekunden selbst ein bißchen traurig und erschrocken, als sie plötzlich Landtagsabgeordnete war und ihre Arbeit als Organisationsleiterin der Düsseldorfer Gesamtschule aufgeben mußte. Viele Jugendliche hatten der beliebten Lehrerin vordem 12. Mai versichert, sie würden ihre Eltern beknien, Frau Speth auf keinen Fall zu wählen, damit sie bloß in der Schule bleiben müsse. Ein bißchen Wehmut schwingt schon mit, wenn Brigitte Speth sich daran erinnert...
    Aber mit Sanftmut, Bangigkeit und empfindsamem Herzen allein macht eine Frau in der Sozialdemokratischen Partei keine Karriere. Man(n) soll sich da nicht täuschen: Brigitte Speth, 1944 im Thüringischen geboren, hat eine Kämpfematur, ist, wenn sie sich recht erinnert, "immer eine Kämpferin gewesen", leise aber beharrlich, eher unauffällig, aber von solcher Glaubwürdigkeit, daß andere Frauen In der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen die neue Genossin - sie trat erst 1979 in die Partei ein - schon früh baten: "Sag das mal für uns", wenn sie sich von den Wortführerinnen in dieser Arbeitsgemeinschaftandie Wand geredet fühlten.
    So ist es nicht verwunderlich, daß es für Brigitte Speth "absolutschädlich" wäre, würden die Frauen die - wie sie sagt - Männerstrukturen - im politischen Kampf nachahmen oder gar übernehmen. Sie beharrt darauf, daß es sehr wohl auch in der politischen Auseinandersetzung weibliche Verhaltensstrukturen gibt, die den Kampf um Mehrheit und Mandate erträglicher machen. Für Brigitte Speth zählen dazu unter anderem eine größere Bereitschaft zum Zuhören, mehr Nachdenklichkeit, weniger Selbstgerechtigkeit - die Aufzahlung könnte sie noch lange fortsetzen.
    Da die Düsseldorfer Abgeordnete aber auch eine illusionslose Frau ist, glaubt sie nicht daran, daß solch weibliche Verhaltensstrukturen den Frauen irgendwann einmal in den politischen Entscheidungsgremien sozusagen automatisch die Mehrheit bescheren. Sie ist deshalb für die Frauenquotierung, die sie als "Hoffnung und Chance" versteht. Als einzige Frau in einer Männerrunde habe man es nun einmal schwer, machten es einem die Männer auch schwer, begründet Brigitte Speth ihr Votum für die Quotierung, die den Frauen mittelfristig zumindest jenen Prozentsatz an Vorstandsämtern und Mandaten verschaffen soll, den sie an der Parteibasis bilden.
    Ob sie sich als Feministin versteht? Die Abgeordnete zögert mit der Antwort keine Sekunde: "Selbstverständlich", aber dann setzt sie hinzu: "Doch bin ich mehr Genossin als Feministin, das kann ja auch gar nicht anders sein." In dieser Ausschließlichkeit gilt das aber wohl nicht für alle sozialdemokratischen Feminisfmnen oder - ganz wie man will - feministische Sozialdemokratinnen.
    Seit 1972 schon hatte sich Brigitte Speth in sozialdemokratischen Wählerinitiativen engagiert. Nach dem großen Wahlsieg Willy Brandts wurden damals viele ihrer Mitstreiterinnen Genossinnen. Brigitte Speth tat diesen Schritt nicht. Vielleicht ist auch das bezeichnend für die Düsseldorfer Abgeordnete: Sie trat erst in die Partei ein, als - so sagt sie es "vieles unter Schmidt den Bach runterging, was ich unter SPD-Politik verstehe". Und das sind für sie die Friedenspolitik, eine Gesellschafts- und Sozialpolitik zugunsten der Schwachen und zu Lasten der Wohlhabenderen, eine chancengerechte Bildungspolitik, Chancengleichheit für die Frauen.
    Welche Möglichkeiten sie hat, diese Ziele als Landtagsabgeordnete zu erreichen? Brigitte Speth räumt ein, daß es da nur begrenzte Möglichkeiten gibt. Bereut aber habe sie ihre Entscheidung für die Politik bisher noch nicht, wenn es auch selten Spaß mache, Erfolgserlebnisse nicht gerade nach jeder Sitzung der Mehrheitsfraktion zu feiern seien. Dennoch: Sie hat sich nun einmal reingekniet in diese Arbeit, will sie fortsetzen, solange sie einen Sinn darin sieht. Einen Sinn in erster Linie für jene, die Hilfe und Gerechtigkeit nötiger haben als Brigitte Speth selbst und all die anderen Abgeordneten des Düsseldorf er Landtags.
    Reinhard Voss

    ID: LI860948

  • Porträt der Woche: Heinrich Kruse (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 8 - 20.05.1986

    Er ist nicht der "Typ" eines Politikers, der "aus der Hüfte schießt" oder "auf den Putz haut" - er geht lieber bedächtig ans Werk. Der CDU-Landtagsabgeordnete Heinrich Kruse hält es für politisch ergiebiger, zunächst Eindrücke und Fakten zu sammeln, um dann desto nachhaltiger seine Position vertreten zu können. "Ich hatte mit dieser Einstellung in der Vergangenheit meistens Erfolg", resümiert der Bocholter Landwirtschaftsmeister und Besitzer eines Bauernhofes mit mehr als tausendjähriger Tradition. Dieser Wesenszug ist dem heute vierzigjährigen Münsterländer auch bei seinem Anliegen behilflich, ein möglichst großes Verantwortungsgefühl gegenüber seiner Umgebung zu haben.
    Und in "irgendeiner Verantwortung" sei er schon seit seinem 19. Lebensjahr gewesen, so Heinrich Kruse. Damals hatte er die selbständige Bewirtschaftung des elterlichen Hofes übernommen und sich gleichzeitig auch in der katholischen Landjugendbewegung engagiert. In den Jahren 1971/79 war er Bildungsreferent der Diözese Münster. Bereits mehrere Jahre zuvor war er in die CDU eingetreten. Engagiert in der Partei hatte sich Heinrich Kruse allerdings erst während der kommunalen Neuordnung, als sein Geburtsort Mussum in die Stadt Bocholt eingegliedert wurde.
    Der "Neu"-Bocholter kam 1975 in den Stadtrat, wurde vier Jahre später stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzender und führt seit 1981 die Fraktion. Zu den Schwerpunkten seiner parlamentarischen Tätigkeit zählen seitdem die Verkehrs- und Wirtschaftsförderung sowie der Umweltschutz. Ein gut ausgebautes Straßen- und Schienennetz ist insbesondere in dieser ohnehin strukturschwachen Grenzregion die unerläßliche Voraussetzung für die Schaffung neuer und den Erhalt bestehender Arbeitsplätze. Inzwischen hat die früher fast ausschließlich von der Textilindustrie geprägte Stadt einen deutlichen Strukturwandel erlebt: die Maschinenbau- und die Elektrobranche siedelten sich an, Bocholt wurde zur Einkaufsstadt dieser Region. Ein Erfolg, zu dem Heinrich Kruse entscheidend beigetragen hat. Und wenn der CDU-Politiker seit Jahren täglich mit der Bahn fährt, so will er damit dokumentieren, daß das "Schienensterben" in dem Grenzraum nicht fortgesetzt werden dürfe. "Ich verzichte halt auf ein Stück persönlicher Gestaltung, um konsequent zu bleiben."
    Einen gewissen Stolz verheimlicht der Kommunalpolitiker nicht, wenn er davon spricht, daß man in Bocholt schon "sehr umweltbewußt" war, als es noch keine "Grünen"gab. Bereits in den Fünfziger und Sechziger Jahren seien die öffentlichen Grünflächen erheblich vergrößert und in den Wohngebieten Freiräume geschaffen worden. Die Innenstadt habe man saniert und die öffentlichen Versorgungsanlagen seien zukunftsorientiert ausgebaut worden.
    Der Bocholter kandidierte im letzten Jahr erstmals für den Landtag und holte den Wahlkreis 91 wieder für seine Partei. Die Fraktion berief ihn in den Ausschuß für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz. Landtagsgremien also, in die Heinrich Kruse seine langjährigen Erfahrungen als Kommunalpolitker und Anregungen aus dem Bezirksplanungsrat einbringen kann, dem er seit 1984 angehört. Auch wenn mit diesen Mandaten auf Kommunal- und Regionalebene viel Arbeit verbunden ist, möchte er auf diese zusätzliche Belastung nicht verzichten. "Es ist vorteilhaft, wenn man eine Rückkoppelung hat."
    Der Christdemokrat, der aufgrund der jahrzehntelangen absoluten Mehrheit seiner Partei in Bocholt politisch mitgestalten konnte, sieht sich nun mit der Rolle eines Oppositionsabgeordneten konfrontiert. "Vieles in Düsseldorf hat mich desillusioniert." Trotzdem: "Resignieren werde ich nicht, auch wenn ich mir manchmal mehr Partnerschaft zwischen Opposition und Regierungsfraktion wünsche."
    Jochen Jurettko

    ID: LI860853

  • Porträt der Woche: Ilse Oel (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 7 - 29.04.1986

    Sie sei manchen Männern zu kritisch. Mit dieser Feststellung hat die stellvertretende westfälische CDU-Frauenvorsitzende Ilse Oel am eigenen Leib erfahren, was es heißt, bewußte Frauenpolitik zu machen. Das Direktmandat bleibt der sympathischen Iserlohnerin mit Ecken und Kanten verwehrt. Aber die Frauenvereinigung, ihr "politisches Kraftfeld", hat sie aufs Schild gehoben. Auf Listenplatz 32 gelang Ilse Oel am 12. Mai der Sprung in den Landtag.
    In der knapp bemessenen Freizeit bevorzugt die 53jährige Lehrerin am Klavier die leisen Töne. Im rauhen politischen Alltag kann sich die Frauenrechtlerin dagegen auch heute noch "Feinde machen". Sie genieße es eben manchmal so richtig, etwas zu sagen, schmunzelt der überzeugte "Biedenkopf-Fan". Erst die Bildungspolitik hat die zweifache Mutter 1972 in die Arme der CDU geführt. Ilse Oel steht der Gesamtschule skeptisch gegenüber, will sie aber nicht verteufeln. Die Pädagogin kämpft dafür, daß der Elternwille Gewicht behält und nicht manipuliert wird.
    Als ihr Ehemann am Wahlabend um 18 Uhr 10 die Sektkorken knallen ließ, wußte die Politikerin um den anstehenden Erfolgsdruck. Nun, die Doppelbelastung durch Schule und Politik war für die ersten fünf Jahre erst einmal vom Tisch. Aber der Schritt vom Feierabend-Politiker zur "Frau Abgeordneten" erforderte eine gewaltige Umstellung. Den "Aktionismus" und die Papierflut, die Ilse Oel tagtäglich zu bewältigen hat, bewertet die Iserlohnerin auch elf Monate nach der Wahl kritisch.
    Beim Blick in die "Personalakte" drängt sich der Verdacht der Ämterhäufung auf: Stellvertretende Vorsitzende im mächtigen CDU-Bezirk Sauerland/Siegerland, Landesfachausschuß Kultur und Bildung, Kommission Gesundheit und Umwelt der Europäischen Frauenunion, Vorsitz Kreiskulturausschuß, diverse Pöstchen im märkischen Krankenhausbereich. Ämterhäufung? Ilse Oel sieht ihre Aufgabe als "Informations-Schiene" für die Frauen. Die "Polit-Damen" scheinen die Aufforderung zum Mittun verstanden zu haben: Im 23köpfigen CDU-Kreisvorstand Mark sitzen zehn Frauen.
    Am Düsseldorfer Schwanenspiegel hat Ilse Oel denn auch nicht lange gefackelt. Mutig hat sie eine Frauengruppe gegründet, in der 13 Parlaments-Frauen ihre Arbeit tun. Und die Iserlohnerin scheint den richtigen Riecher für Zeitfragen mitzubringen. Als Bundeskanzler Helmut Kohl 1985 zur allgemeinen Überraschung die Dortmunder Professorin Rita Süssmuth zur Gesundheitsministerin ernannte, hatte Ilse Oel das politische Talent Süssmuth längst zu einem Familienseminar eingeladen.
    Politik ist nicht nur Kampf. Sie empfinde auch Freude und Begeisterung, sagt die Landtagsabgeordnete. Aber sie hält es für unertäßlich, in der Politik finanziell unabhängig zu sein. Als beurlaubte Deutschlehrerin kann Ilse Oel jederzeit zurück an die Schule. Doch so weit ist es längst noch nicht. Emsig "tingelt" die Sauerländerin mit Referaten über die Lande, um die Partei munter zu machen. Seit 1979 besucht sie alle Bundesparteitage der CDU.
    Im nächsten Jahr wollen die nordrheinwestfälischen Frauen der CDU einen gemeinsamen Dachverband gründen. Schon heute ist absehbar, daß Ilse Oel in der Landesfrauenvereinigung NRW ein gewichtiges Wort mitreden wird. Und auch in der fusionierten CDU-NRW selbst. Sind doch 26 Prozent der 260000 Parteimitglieder Frauen.
    Bis dahin muß die passionierte Reisende auf größere Exkursionen verzichten. Einen 14tägigen Griechenland-Urlaub will sie sich mit dem Gatten jedoch gönnen. Bei aller Reiselust bewertet die gebürtige Dortmunderin die Ausschuß-Reisen des Landtags sehr kritisch. Es müsse weniger gereist werden, dafür aber dann mit dem gesamten Ausschuß. Bisher gebe es Abgeordnete erster und zweiter Klasse.
    Im Landtag hat die bürgernahe Politikerin ihren "Wunschausschuß" bekommen. Die Arbeit im Petitionsausschuß bereite "unwahrscheinlich viel Freude". Schließlich seien die Ausschüsse die einzige Ebene, wo man etwas politisch bewegen könne. Im Plenarsaal halten sich die Neulinge zurück. In ihrer Jungfernrede vor dem Hohen Haus hat Ilse Oel jedoch den sogenannten "Girgensohn-Erlaß" gleich kräftig bei den Hörnern genommen.
    Und ihr schönstes Erlebnis im Parlament? Im allgemeinen Durcheinander des Neubeginns habe ihr der Abgeordnete Doppmeier spontan seine Hilfe angeboten. Darüber hat Ilse Oel den Zorn über die Parkplatzprobleme des Landtags und die fehlende Einführung der Neulinge in die Landtagsarbeit fast vergessen. "Am Anfang schwimmen die Anfänger. Da könnten die Fraktionen ruhig mehr Hilfestellung leisten", kämpft Frau Oel, inzwischen "Routinier", nun für die nächste Generation.
    Wilfried Goebels

    ID: LI860749

  • Porträt der Woche: Hans Alt-Küpers (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 6 - 15.04.1986

    Daß er Landtagsabgeordneter werden könnte, hatte sich Hans Alt-Küpers vor dem 12. Mai vergangenen Jahres nicht einmal im Traumeinfallenlassen: Auf der Landesreserveliste stand er irgendwo bei Platz einhundert. Und ein Direktmandat im "schwarzen" Aachen, dazu noch gegen den Platzhalter Dietmar Katzy? Alt-Küpers: "Unsallenhierin Aachenschien das völlig aussichtslos. "Aber im Sog von Johannes Rau gewann Hans Alt-Küpersam 12. Mai zu seiner eigenen großen Überraschung doch den Wahlkreis I mit 46,1 Prozent vor der zuvor als unschlagbar geltenden Konkurrenz.
    Seitdem ist der 37jährige gelernte Maschinenschlosser, der sich über Ingenieurschule und Lehrerstudium zum Studienrat an einer Kölner Berufsschule hocharbeitete, Berufspolitiker. Er selbst sagt dazu, daß er mit dem Landtagsmandat seinen zweiten Beruf zum Hauptberuf gemacht habe. Als Mitglied des Aachener Stadtparlaments und des Bezirksplanungsrates hatte Hans Alt-Küpers schon vorher Mühe gehabt, den Brotberuf und sein politisches Engagement unter einen Hut zu bringen. "Jetzt brauche ich zum Glück nicht mehr zu pendeln", weiß der junge Abgeordnete die Früchte seines Erfolges zu schätzen.
    Hans Alt-Küpers hat in seiner jungen Karriere schon einmal in Düsseldorf so etwas wie Schlagzeilen gemacht. Das war damals im Mai vergangenen Jahres, als er als erster nicht in Düsseldorf wohnender Abgeordneter mit dem Fahrrad zum Landtag kam. Das war damals mehr als nur ein Gag. Denn der gelernte Maschinenschlosser versteht zwar etwas von Autos - nur: einen Führerschein hat er nicht. Küpers: "Früher fehlte mir das Geld dazu. Inzwischen aber bin ich aus Überzeugung Nicht-Autofahrer geworden. Das ist mein Beitrag zum Umweltschutz." Und nicht sein einziger. In Aachen haben Alt-Küpers und seine politischen Freunde schon vor Jahren ein Umweltbüro - er sagt, es sei das erste in der ganzen Republik gewesen - gegründet, eine Anlaufstelle für alle Bürger, die sich für praktischen Umweltschutz interessieren, die etwas machen oder verhindern wollen, Gesprächsstätte zwischen örtlicher SPD und Ümweltschutzverbänden wie "Bund" und Greenpeace. Wenn Hans Alt-Küpers von diesem Büro erzählt, hört man den Stolz auf diese Initiative unschwer aus jedem Satz.
    Seine ersten Erfahrungen im Landtag? Vor der Osterpause hielt er seine erste Rede im Plenum. Das Thema: Die Neue Heimat. Von der Fraktion erhielt er dafür viel Beifall. Ministerpräsident Johannes Rau aber war nicht völlig zufrieden. Ganz so scharf und polemisch habe der neue Mann aus Aachen das Thema doch nicht anzupacken brauchen, ließ der Regierungschef den jungen Abgeordneten wissen. Hans Alt-Küpers ist da anderer Meinung: "Ich bin der Auffassung, daß man den Unterschied zum politischen Gegner klar aufzeigen muß. Es muß Grenzen der vielbesch worenen politischen Gemeinsamkeit im Parlamentgeben. Da darf man die politische Kontroverse nicht scheuen. Erst recht nicht bei der Neuen Heimat", meint der Aachener selbstbewußt und unbeeindruckt vom Rüffel Raus. Friede, Freude, Eierkuchen sei sein Motto jedenfalls nicht. Kein vernünftiger Mensch könne doch bestreuen, daß es Konflikte zwischen Kapital und Arbeit gebe. Hans Alt-Küpers: "Die dürfen nicht verschleiert werden."
    In den nächsten Wochen ist der junge Abgeordnete aber in erster Linie damit beschäftigt, andere Schleier wegzureißen. Hans Alt-Küpers ist nämlich von seiner Fraktion in den Untersuchungsausschuß über das Geschäftsgebaren der Neuen Heimat geschickt worden - so etwas wie eine Auszeichnung, bestimmt aber kein Vergnügen. Weil der Ausschuß hinter verschlossenen Türen tagt, will Alt-Küpers überseine bisherigen Erfahrungen in diesem Ausschuß nichts sagen. Nur soviel läßt er sich entlocken: "Ein hartes Stück Arbeit. Für die Neue Heimat wird das nicht leicht..."
    Seine politischen Erfolgserlebnisse hat Hans Alt-Küpers eher in Aachen. Daß die örtliche SPD-Rathausfraktion jetzt endlich einmal einen Landtagsabgeordneten in ihren Reihen hat, erleichtere doch sehr die Arbeit der ganzen Fraktion, weiß der Abgeordnete zu berichten. Als Rathausfraktion habe man sonst nie Kontakt mit der Regierungsmehrheit in Düsseldorf gehabt. Sein Doppelmandat nütze unter dem Strich der ganzen Fraktion: "Es gibt mehr Kontakte zu den entscheidenden Leuten in Düsseldorf, es gibt Informationen, die wir hier sonst in Aachen nicht hatten, man kann auch hier und da zum Nutzen seiner Heimatstadt direkt eingreifen", freut sich der gebürtige Aachener. Er räumt allerdings auch ein, daß er von der CDU-Mehrheit in Aachen als Aachener Lobbyist noch nicht akzeptiert wird. Alt-Küpers sieht das eher ironisch: "Der örtliche schwarze Filz läßt sich nur ungern von einem sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten durchdringen - selbst wenn das für alle Aachener Vorteile brächte." Aber immerhin: " Unterderhand" - laut wagt das noch niemand zu sagen - werde auch im Rathaus sein Engagement für Aachen anerkannt. Ein Anfang also zur Veränderung lang gewachsenen Bewußtseins. Alt-Küpers ist ganz optimistisch, daß sich diese Entwicklung fortsetzen läßt. Schließlich haben die schwarze Mehrheit im Rathaus und der rote Landtagsabgeordnete noch vier lange Jahre Zeit, sich aneinander zu gewöhnen.
    Reinhard Voss

    ID: LI860647

  • Porträt der Woche: Anne Garbe (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 5 - 18.03.1986

    Die Gleichstellung der Frau in Gesellschaft und Beruf ist für Anne Garbe ein persönliches Anliegen. Seit dem Eintritt in die SPD 1970 konzentrieren sich ihre Aktivitäten vor allem auf diesen Bereich der Politik. Zunächst war es der Orts-, dann der Kreis- und Unterbezirksverband, wo die münsterische Sozialdemokratin um Verständnis für die Anliegen der Frauen warb und für Ihre Rechte kämpfte. Inzwischen gehört Anne Garbe dem Bundesvorstand der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) an und nach ihrem Einzug in den nordrhein-westfälischen Landtag im Mai letzten Jahres hat sie ein weiteres Tätigkeitsfeld gefunden. Die Gründung eines Arbeitskreises Frauenpolitik innerhalb der SPD-Fraktion war von ihr initiiert worden.
    Die Wahl in den Düsseldorfer Landtag kam für die Sozialdemokratin am Abend des 12. Mai völlig überraschend. Der Wahlkreis 99 Münster II war bislang eine CDU-Domäne und der Abstand zwischen den beiden großen Parteien betrug bei der 80er Wahl immerhin noch neun Prozent. Mit beachtlichen 42,7 Prozent bezwang sie ihren christdemokratischen Mitbewerber, den bisherigen Landtagsabgeordneten Rolf Klein und gewann erstmals in der Nachkriegsgeschichte einen münsterischen Wahlkreis für die SPD. Auf die Frage, warum sie sich damals überhaupt um eine Nominierung im traditionellen CDU-Wahlkreis bemüht habe, meint Anne Garbe: " Wer immer dafür kämpft, daß Frauen einen größeren Einfluß in der Politik erhalten, der muß auch selbst die gebotenen Möglichkeiten nutzen."
    Diese Einstellung führte die im münsterländischen Epe (Kreis Borken) geborene Landtagsabgeordnete als 25jährige auch zur SPD. "Man kann nicht immer Kritik an politischen Parteien und ihrer Arbeit üben, ohne sich nicht selbst zu engagieren. "So wollte sie sich auch nicht "mit der Zahlung des Mitgliedsbeitrages begnügen", sondern sie versuchte, die Politik mitzugestalten und Verantwortung zu übernehmen.
    Heute ist Anne Garbe nicht nur Vorsitzende des Ortsvereins Roxel und Mitglied des Unterbezirksvorstandes Münster, ihre Stimme wird auch in den verschiedensten Führungsgremien der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen aufmerksam gehört.
    Es gibt viele Beispiele für ihr Engagement für die Frauen, aber auch für soziale Randgruppen. So zählte sie zu den Mitgründern der münsterischen Initiative "Frauen im Rat". Diese Initiative warb nicht nur erfolgreich für die Nominierung von mehr Frauen für den Stadtrat, sondern sie unterstützt auch die gewählten weiblichen Abgeordneten bei ihrer kommunalen Arbeit. "Es ist für viele Frauen schwer, Familie, Beruf und Politik miteinander zu verbinden." Die Düsseldorfer Parlamentarierin spricht da aus eigener Erfahrung: Sie ist Mutter von zwei Töchtern und als EDV-Lohnbuchhalterin tätig. Ihre Fraktion berief Anne Garbe in den Ausschuß für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge sowie in den Petitionsausschuß. Aufgrund ihrer bisherigen Tätigkeit wünschte sie sich, in den Arbeitsausschuß delegiert zu werden. Und der Petitionsausschuß ist ihr inzwischen ans Herz gewachsen. "In diesem Gremium kann man einzelnen Menschen konkret helfen." Und es sind eben jene Randgruppen, um die sich die Abgeordnete schon früher kümmerte und die vor allem die Petenten sind.
    Als Neuling hat man es anfangs nicht leicht, auf dem landesparlamentarischen Parkett festen Fuß zu fassen. "Ein Problem ist, daß man plötzlich so viele Menschen kennenlernt, mit denen man zusammenarbeitet", gesteht die Münsteranerin. So schätzt sie besonders die Hilfestellung der Fraktionskollegen. Beständigkeit und Zielstrebigkeit waren bislang die dominierenden Eigenschaften im politischen Alltag von Anne Garbe. Diese Wesenszüge will sie auch in ihrem neuen Tätigkeitsfeld nutzen, und sicherlich mit ebenso großem Erfolg.
    Jochen Jurettko

    ID: LI860529

  • Porträt der Woche: Dagmar Larisika-Ulmke (F.D.P.)
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 4 - 11.03.1986

    Zur Premiere gab's für das Geburtstagskind noch Applaus von allen Fraktionen des Hohen Hauses. Daß aber nicht jeder Tag ein Feiertag sein würde, war der frischgekürten F.D.P. -Landtagsabgeordneten trotz der Rosen des Präsidenten von Beginn an klar. "Politik ist harte Arbeit." Diese Lektion hat die 42jährige Fröndenbergerin in den zwei Jahrzehnten ihres politischen Wirkens lernen müssen.
    Seit zehn Jahren verschafft sich die sympathische Liberale mit scharfer Zunge Aufmerksamkeit im Fröndenberger Rat. Den Umgang mit scharfen Waffen hat die Kriminal-Kommissarin allerdings bei der Polizei gelernt. Als einzige Frau auf der Dienststelle kümmerte sich die Ordnungshüterin um Sittendelikte, Vermißtensachen und Brandschäden. Im nordrhein-westfälischen Landtag sieht Dagmar Larisika-Ulmke denn auch eine ihrer vorrangigen Aufgaben darin, sich um die Probleme der Polizei zu kümmern. Das erwarten schon die Kollegen von früher.
    Daß der politischen Amazone der Gesprächsstoff auch nach ihrer Beurlaubung vom aktiven Dienst nicht ausgeht, dafür sorgt der Ehemann höchstpersönlich. Als Kriminalbeamter und F.D.P.- Landtagskandidat von 1980 weiß der "Kollege Gatte" um die Aufgaben von Politik und Polizei. Sie habe ihren Mann für die liberale Partei geworben, lacht Dagmar Larisika-Ulmke. Da kann es eigentlich nur gerecht sein, daß sie der erste Parlamentarier der Familie wurde. Dem Ehemann bleibt ein Trost; Er ist als F.D.P.-Ortsvorsitzender weiter der Chef in Fröndenberg.
    Die Landespolitik macht der F.D.P.-Abgeordneten mehr Arbeit als die Kripo früher. Vor allem der häufig tagende Petitionsausschuß verschlingt viel Zelt; Zeit, die sie für die Sorgen der Bürger aber gern einsetzt. Ihr schönster Erfolg im ersten halben Jahr? "Eine Lärmschutzwand für einen verkehrsgeschädigten Anwohner in Steinhagen", kommt es wie aus der Pistole geschossen. Der handfeste Einzelfall. Er ist es, der Dagmar Larisika-Ulmke an der Politik reizt.
    Da bleibt für die passionierte Reiterin nicht mehr viel Raum für das Hobby. "Ausritte" auf dem Drahtesel müssen immer häufiger den stilvollen Trab ins Grüne ersetzen. "Am Anfang habe ich noch gestutzt, als mich Wanderer und Radler mit, Frau Abgeordnete' begrüßten." Mittlerweile hat sich die langjährige stellvertretende Bürgermeisterin von Fröndenberg an die weiter gewachsene Popularität in der eigenen Heimat gewöhnt. " Man muß nur auf dem Teppich bleiben", weiß die Liberale.
    Und die langfristige berufliche Perspektive? Darüber hat sich Dagmar Larisika-Ulmke bisher noch keine Gedanken gemacht. Sie, die mit 6,4 Prozent Wählerstimmen und Listenplatz elf auf Anhieb in den Düsseldorfer Landtag rutschte, hat auch schon vergeblich für den Bundestag kandidiert. "Ich gehe aber später einmal gern wieder zur Kripo zurück", hält sich die Politikerin abseits von Höhenflügen alle Wege offen.
    Doch noch interessiert sich die Fröndenbergerin vor allem für die Innen- und Rechtspolitik. Gerade beim Kampf für den Datenschutz könne das "kleine Bohren dicker Bretter" zum Erfolg führen. Bei der Debatte über den Verfassungsschutzbericht gab Dagmar Larisika-Ulmke bereits eine Kostprobe dessen, was sie sich unter aktiver Politik vorstellt.
    Eine parteiübergreifende Fraktion det Frauen hat die überaus schick gewandete Kommissarin bisher nicht aufspüren können. Sie habe einen guten Kontakt zu den anderen Parlamentsdamen, vor allem in der eigenen Fraktion, sagt die Neuabgeordnete. "Ich habe mich aber in meiner Dienststelle daran gewöhnt, mich als Frau durchzusetzen", betont die F.D.P.-Abgeordnete selbstbewußt. Wer wollte an diesen Worten der 42jährigen Politikerin zweifeln?
    Wilfried Goebels

    ID: LI860436

  • Porträt der Woche: Hermann Heinemann (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 3 - 25.02.1986

    Durchaus gern, aber eher beiläufig erzählt Hermann Heinemann (56), welche Ämter und Aufgaben er übernehmen sollte, jedoch nicht wollte oder konnte: Da er nicht schon früh Berufspolitiker werden wollte, lehnte er 1970 eine Kandidatur für den Bundestag ab. Auch Willy Brandt gab er einen Korb, als dieser ihn einige Jahre später fragte, ob er nicht SPD-Landesvorsitzender werden wolle. Ebenso wies er das Ansinnenzurück, das Amt des Bundesschatzmeisters seiner Partei zu übernehmen. Schließlich mußte er 1980 aus Gesundheitsgründen das Angebot von Johannes Rau ablehnen, nordrhein-westfälischer Ministerin Bonn zu werden.
    Daß er immer wieder im Gespräch war-bis ihn Rau im vergangenen Jahr zum Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales berief-, ist vor allem auf Heinemanns erfolgreiche Führung des SPD-Bezirks Westliches Westfalen zurückzuführen, dem mit über 130000 Mitgliedern größten Parteibezirk, den er seit mehr als elf Jahren leitet. Hintergründig lächelnd reagiert er, wenn man ihn aus diesem Grunde einen "mächtigen Bezirksfürsten" nennt, und weist sogleich daraufhin, daß dieser Bezirk in der Partei über großen Einfluß verfüge und auch 1985 ein deutliches Mitgliederplus verzeichnen konnte.
    In Bonn und Düsseldorf ist aber auch immer wieder an Hermann Heinemann gedacht worden, weil sich mittlerweile seine unbestrittenen Managerqualitäten herumgesprochen hatten. Nach 16 Jahren als Fachsekretär und Geschäftsführer der ÖTV in Dortmund war der gelernte Sparkassenbeamte 1971 zum Hauptgeschäftsführer der Westfalenhalle GmbH gewählt worden. Als Chef dieses großen Veranstaltungs- und Ausstellungszentrums schien er seine Lebensaufgabe gefunden zu haben, die er nicht ohne Zögern für das Ministeramt aufgab. Der Abschied von der Westfalenhalle sei ihm schwergefallen, gibt er offen zu: "Es war eine interessante und vielseitige Arbeit, die nicht vom Schreibtisch aus zu erledigen war." Nicht ohne Stolz weist er auf den Bau neuer Hallen, eines neuen Hotels und die Modernisierung der Gastronomie hin, im Laufe der Jahre habe er das Westfalenhallen-Zentrum zu einem erfolgreichen Betrieb entwickelt. Da er diesen Beruf sehr ernstgenommen habe, habe er immer versucht, sich nicht in der Politik zu "verzetteln".
    Heinemanns Zurückhaltung - vor allem in den 70er Jahren - gegenüber den unterschiedlichen Angeboten ist wohl auch auf eine gewisse Scheu zurückzuführen, vertrautes Gelände zu verlassen. Der gebürtige Dortmunder wohnt noch heute vor den Toren der Stadt und läßt sich täglich nach Düsseldorf chauffieren. Sein Vater, ein Dreher, starb früh; aufgewachsen sei er in einer "katholischen Familie, die schon vor 1933 sozialdemokratisch gewählt hat". Mitglied der SPD wurde Hermann Heinemann jedoch erst 1951, "eher zufällig" angeregt durch den Handball-Obmann im Apierbecker Sportverein. Gegen Ende des Krieges hatte er sich freiwillig zur Wehrmacht gemeldet, nachdem er mehrfach von der Gestapo wegen angeblicher- aber nicht zutreffender - Kontakte zu den Edelweißpiraten verhört worden war.
    Über parlamentarische Erfahrungen verfügt Hermann Heinemann nur in geringem Umfange: Bevor er Westfalenhallen-Boß wurde, gehörte er etwa zwei Jahre lang dem Rat der Stadt Dortmund an, 1983/84 war er als Nachrücker für Willy Brandt Mitglied des Europäischen Parlaments. Zum MdL wurde er erstmals am 12. Mal 1985 gewählt, wenige Wochen später war er bereits Minister.
    Ihn als rechten, konservativen Sozialdemokraten einzustufen, bezeichnet Hermann Heinemann als "ausgemachten Quatsch". Sein bedächtiges, westfälisches Naturell, das ihn oft vor voreiligen Entschlüssen bewahrt hat, wird deutlich, als er ergänzt: "Ich springe nicht auf jeden Zug, der abfährt." Sein Ziel sei es, "für breite Schichten eine sehr menschliche Politik" zu machen. Diese Einstellung entspricht - das weiß Heinemann aus jahrzehntelanger Erfahrung - der Mentalität der meisten Bewohner des Ruhrgebiets. Dasselbe dürfte gelten für seine Beharrlichkeit: Seinen wenig erfolgreichen Vorstoß für eine gesetzliche Regelung zum Abbau von Überstunden zugunsten der Arbeitslosen hat er keineswegs zu den Akten gelegt. Nicht ohne Selbstironie erzählt er davon, daß er schon vor Jahren in der Westfalenhalle damit gescheitert sei, einen Abbau von Überstunden durchzusetzen. Dies alles ändere allerdings nichts an der Tatsache, daß immer noch viel zuviele Überstunden geleistet würden.
    Einräumen muß er jedoch, daß sein Ministeramt nur durch "Überstunden" zu bewältigen ist. Dafür hält sich der Vater von zwei erwachsenen Kindern fit durch lange Spaziergänge mit seiner Riesenschnauzerhündin "Gilda".
    Ludger Audick

    ID: LI860354

  • Porträt der Woche: Marie-Luise Woldering (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 2 - 04.02.1986

    Ihren Beruf sieht Marie-Luise Woldering als eine "ideale Voraussetzung" für politisches Wirken. Die CDU-Landtagsabgeordnete aus Bocholt ist Rechtsanwältin und Notarin. Und wie die 51jährige als Juristin die ihr gestellten beruflichen Aufgaben objektiv bewältigen muß, so will sie auch landespolitisch unvoreingenommen tätig sein. "Ich halte ohnehin nicht viel von Heißspornen", meint die Mutter von drei inzwischen erwachsenen Kindern.
    Das heißt allerdings nicht, daß sie ihre politischen Überzeugungen nicht engagiert vertreten würde. Als Stadtverordnete in Bocholt von 1969 bis 1984 hatte sie sich besonders als "Anwältin" der Eltern verstanden, wenn schulpolitische Probleme auf der Tagesordnung standen. So leitete sie zwei Jahre lang den Schulausschuß und arbeitete auch im Fraktionsvorstand. Aufgrund der gewonnenen kommunalpolitischen Erfahrungen in diesem Bereich schickte die CDU-Landtagsfraktion die Bocholterin denn auch in den Schulausschuß des Landesparlamentes, in dem sie dann stellvertretende Vorsitzende wurde.
    Nach ihrer Ansicht ist die Schule für die Entwicklung der Kinder so wichtig, daß "sie gar nicht gut genug sein kann". Ungeachtet der desolaten Finanzlage des Landes plädiert Marie-Luise Woldering für die Neueinstellung von Lehrern. Sie tritt ebenso vehement für die Beachtung des Mitspracherechtes der Eltern im Schulbereich ein. "Ich werde ganz argwöhnisch, wenn es irgendwo angekratzt wird." In diesem Zusammenhang anerkennt sie zwar die Gesamtschule als eine gleichberechtigte Schulform, doch sie dürfe nicht gegenüber den gegliederten Schulen bevorzugt werden. Die Errichtung einer Gesamtschule bedeute heute bei sinkenden Schülerzahlen die Schließung einer oder mehrerer "herkömmlicher" Schulen. Für die Juristin ist es daher unverständlich, daß über den Willen der Eltern jener Kinder, die von der Schließung einer Schule betroffen sind, nicht entschieden wird.
    Die Landtagsabgeordnete ist auch Mitglied des Rechtsausschusses. Aus eigener beruflicher Erfahrung hält sie es für dringend erforderlich, daß die personellen Bedingungen der Gerichte verbessert werden; Engpässe gebe es auch bei den Rechtspflegern und im Strafvollzug. Für sie ist es ein "unzumutbarer Zustand", daß aufgrund des Personalmangels viele Bürger lange warten müßten, bis sie zu ihrem Recht kämen.
    Für Politik interessierte sich die Abgeordnete schon in jungen Jahren. Im Elternhaus wurde viel diskutiert und auch in der Schule mit den Mitschülerinnen. Der CDU schloß sie sich allerdings erst 1967 an. Die Abgeordnete wollte sich erst ein berufliches "Standbein" schaffen - und dazwischen kamen Pflichten als Ehefrau und Mutter. So mußte Marie-Luise Woldering mehrere Male ihr Studium unterbrechen, bevor sie 1968 auf Anhieb das Zweite Staatsexamen absolvierte. Seitdem arbeitet sie gemeinsam mit ihrem Ehemann, der auch Anwalt und Notar ist, in einer Praxis. Die Juristin widmet sich besonders Familiensachen. "Das hat sich so ergeben", sagt sie, auch wenn Straf- und allgemeine Zivilprozesse ihr ebenso liegen.
    Seit ihrem Einzug am 12. Mai in den nordrhein-westfälischen Landtag muß die Juristin allerdings beruflich kürzer treten. Das Mandat kam für die Bocholterin völlig überraschend, war sie doch auf der im allgemeinen aussichtslosen 54. Stelle der Landesliste ihrer Partei plaziert. "Die Nachricht löste bei uns in der Familie Freude und auch ein bißchen Bestürzung aus." Der Alltag hat sich für sie radikal verändert. Mit viel Energie arbeitet sich die Anwältin in ihr neues Aufgabengebiet ein und merkt, daß "man von Tag zu Tag mehr Boden unter die Füße bekommt".
    Mit ihrem Ehemann verbindet die Christdemokratin nicht nur der gleiche Beruf, sie haben auch ein gemeinsames Hobby - die klassische Musik. Ihre Lieblingskomponisten sind Beethoven, Brahms und Chopin. Ein kraftspendender Kontrast zu Beruf und Mandat.

    Jochen Jurettko

    ID: LI860252

  • Porträt der Woche: Prof. Dr. Kurt H. Biedenkopf (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 1 - 21.01.1986

    Wer heute in Düsseldorf über Professor Kurt Biedenkopf schreibt, tut das nicht ohne einen Gedanken der Wehmut. Denn es scheint, daß er die landespolitische Bühne - zumindest was das Parlament anbetrifft - bald verlassen wird. Ende des vergangenen Jahres kündigte er an, er werde ein politisches Mandat nach der Bundestagswahl 1987 in Bonn anstreben. Für die Mitstreiter, die er in Düsseldorf zurückläßt, mag eines tröstlich sein: Biedenkopf wird - bei allen Ausflügen in die Weltpolitik - ein Fürsprecher Nordrhein-Westfalens sein. Deutlich war dies bei seinem bislang letzten großen Auftritt auf der Rednertribüne des Landtages, bei der Auseinandersetzung um den Haushalt für 1986. Auf kaum einen anderen ist der in Stein gemeißelte Sinnspruch des nordrhein-westfälischen Landtages so zutreffend wie auf ihn: Wort und Widerwort und wieder Wort. Geschliffene Argumente, rhetorische Überzeugungskunst und Klarheit zeichnen die Sprache Biedenkopfs aus. Es ist kein Geheimnis, daß die politischen Gegner - ob sie nun Johannes Rau heißen oder Friedhelm Farthmann - diese Gabe durchaus fürchten. Man sah ihn in letzter Zeit selten im Ständehaus - seine Fraktion stellte ihn frei. Sie hofft, daß er ungebunden von den Pflichten eines Abgeordneten mit Sitz, Stimme und Arbeit in mehreren Ausschüssen die große Linie für die CDU mitschafft.

    Wechselhaft ist die Karriere dieses begabten Politikers. Nach der Lehrtätigkeit in Bochum und einem Ausflug ins Management des Düsseldorfer Henkel-Konzerns berief ihn der CDU-Bundesvorsitzende Helmut Kohl 1973 als seinen Generalsekretär nach Bonn. Biedenkopf formte die CDU von der Partei der Honoratioren zu einer Volkspartei. Doch die Alleingänge Biedenkopfs fanden und finden nicht immer Zustimmung in der CDU. Schnelldenker wird er genannt, Vor- und Nachdenker - aber auch Querdenker. Er läßt den Eindruck gelten, daß ihm die Idee wichtiger ist als seine eigene Person und wundert sich inzwischen auch nicht mehr, wenn Biedenkopf Biedenkopf im Weg steht. Das Urteil über ihn schwankt zwischen Bewunderung und Zorn - doch hat der früher mimosenhaft Empfindliche gelernt, damit zu leben. Als Vorsitzender des zweitgrößten Verbandes der CDU, der von Westfalen- Lippe, versprach er bei seiner vorletzten Wiederwahl, "seine" Westfalen zur Vorhut der gesamten Partei zu machen.

    Seitdem gibt es nur wenige politische Themen, zu der Biedenkopf und seine Truppe nichts zu sagen hätte. Sei es zur Frage der Umwelt, von SDI oder Parteispendenaffäre. Überall taucht der schlaue Professor auf, bemerken Spötter und Neider. Wie helle Feuer leuchten seine Blitzideen in der sonst oft grauen Landschaft der Politik - aber auch nicht ohne Süffisance bemerkte sein innerparteilicher Gegner Bernhard Worms: "Wir haben etwas, was uns auszeichnet, wir haben etwas, das uns gemeinsam ist: Wir sind Ehrenbrandmeister, und zwar geprüfte Ehrenbrandmeister der freiwilligen Feuerwehr. Wir sind also im Löschen von Bränden erprobt." Doch verlöschen die Feuer, die Biedenkopf anzündet, häufig auch von allein. Die schwere Niederlage, die ihm Worms 1982 in Mülheim zufügte, als er ihn vom Thron des designierten Spitzenkandidaten stieß, ist nicht nur verwunden. Biedenkopf - so scheint es - hat auch daraus gelernt. Sehr viel später bekannte er: "Diese Niederlage war verletzend". Aber auch "Ich will nicht immer alles besser wissen, und ich weiß es auch nicht immer besser." Diesen Eindruck aber hatte er jahrelang - wissend oder auch nicht wissentlich - verbreitet. Seit Mülheim, sagt er, ist dies anders geworden. Und "seine" Westfalen geben ihm darin recht.
    Wilm Herlyn

    ID: LI860143

  • Porträt der Woche: Prof. Dr. Reimut Jochimsen (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 21 - 17.12.1985

    Reimut Jochimsen provoziert niemals Begeisterungsstürme, aber auch selten nachhaltigen Zorn. Der nordrhein-westfälische Wirtschafts- und Technologieminister, seit 1980 nach einem kurzen Vorspiel als Wissenschaftsminister im Amt, lebt politisch vielmehr in einer eigentümlichen Grauzone der wechselnden Farben. Jochimsen ist freilich kein Chamäleon, aber ein differenzierender Denker, dem die Kontrastmittel zu fehlen scheinen. Er entzieht sich der wohlfeilen Beschreibung.
    Die Sprache des gelernten Professors, der in Harvard und Bologna lernte und lehrte, ist in Deutsch merkwürdig uneindringlich, weitschweifig. Der gebürtige Nordfriese scheint in seiner Muttersprache nicht über jene präzisen Vokabeln zu verfügen, für die ihn Italiener und Anglophone, deren Idiome er fließend spricht, fast bewundernd rühmen. Mancher seiner Freunde wünschte sich, daß der schlaksig-spröde Mann aus Niebüll auch in seinem deutschen Vokabular zur Präzision fände.
    Das aber macht die Irritation aus: Jochimsen ist Wissenschaftler, Nationalökonom, Hochschullehrer, dem die politischen Machtworte nicht zu Gebote stehen. Er argumentiert leise, bescheiden, als wäre er seiner Sache nicht sicher. Nicht selten, rühmen aber seine Mitarbeiter, rege er so zu Nachdenklichkeiten an.
    Als Minister, und gerade für das Wirtschaftsressort, wirkt er verglichen mit einem Bangemann oder Lambsdorff wie ein Außenseiter. Jochimsen läßt sich mit Künstlern wie Beuys ein, für den er als Kunstmäzen eine jener basalt-gesicherten Eichen vor sein Amtshaus stellte. Von einem smarten Manager hat er nichts, scheint es.
    Die Daten seines Lebenslaufs lesen sich wie aus dem Akademiker-Lehrbuch: Abitur, danach Studium in Harvard, Bologna, Freiburg und Bonn; 1957 Diplomvolkswirt, zwei Jahre später Doktor-Promotion. Nach Gastprofessur in Bologna Habilitation und Berufung auf einen Lehrstuhl als ordentlicher Professor in Kiel. Das war 1964. Später wurde er Chef der Planungsabteilung im Bundeskanzleramt, danach Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft. 1978 holte ihn der gerade zum Regierungschef aufgestiegene Johannes Rau als Minister ins Wissenschaftsministerium. 1980 berief ihn Rau als Wirtschaftsminister. Die Karriere des 52jährigen Nordfriesen, verheiratet und Vater von zwei Kindern, steht seitdem auf dem Prüfstand. Denn Jochimsen hat zum Beispiel den gewiß schwierigen Versuch einer Erneuerung des Ruhrgebiets zu verantworten. Aber den will er. Sehr zum Ärger der ansässigen Kommunalpolitik hat er einmal gemeint, daß die Industriepolitik Vorrang vor der Kommunalpolitik haben müsse.
    Kohle und Stahl - der leise Nordfriese läßt sich da eher Vorwürfe gefallen, als daß er den Konflikt sucht. Dabei hat er sein Verhandlungsgeschick 1983 erfolgreich in die Kohlenrunde mit dem Bund eingebracht. Ähnlich erfolgreich agiert Jochimsen, ein notorischer Vielreiser, wenn er irgendwo fern in anderen Strichen der Welt für die Belange der NRW-Industrie wirbt. Er selbst begreift sich da als "An- und Aufreißer" oder als "oberster Handlungsreisender" des Landes. Mit der Kabinettsumbildung nach der für die Sozialdemokraten so überaus erfolgreichen Landtagswahl am 12. Mai 1985 ist dem "Sensibilitätsminister" (ein Parteifreund) das heikle Thema "Schneller Brüter Kalkar" zugefallen. Macht Jochimsen den ungeliebten Reaktor dicht oder läßt er ihn ans Netz gehen? Vieles deutet darauf hin, daß Jochimsen, ganz seinem Naturell folgend, auf diese Fragen keine präzisen Antworten geben wird.
    Sicher aber ist, daß Jochimsen, in Übereinstimmung mit allen anderen Kabinettsmitgliedern, starke Vorbehalte gegen den Plutonium-Reaktor vom Niederrhein hat. Nach seiner Einschätzung darf der Brüter nicht in Betrieb gehen. Aber ganz offen ist es derzeit, wie dies zu erreichen sei.
    Denn der Minister wird zwar den rechtlichen Vorgang des Genehmigungsverfahrens für den Brüter korrekt und einwandfrei zu regeln versuchen, er möchte durch sein Nein zum Brüter aber auch keinesfalls riskieren, daß die technologische Intelligenz der SPD verlorengehe.
    Dieser "Spagat" kostet sehr viel Kraft und taktisches Vermögen.
    Jochimsens stille Art, den Brüter durch zähes Zögern allmählich außer Gefecht zu setzen, scheint sich durchzusetzen. Die plakative Konfrontation hat unter Regierungschef Rau ohnehin schon längst der Angebotsstrategie zum versöhnlichen Dialog Platz gemacht. Jochimsen wirkt da als Raus Minister durchaus konsequent.
    Bernd Kleffner

    ID: LI852133

  • Porträt der Woche: Professor Dr. Friedhelm Farthmann (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 20 - 10.12.1985

    Die Kunst der - manchmal sogar tiefsinnigen - Blödelei beherrscht Johannes Rau wie wenig andere zwischen Rhein und Weser. Niemand ist da vor ihm sicher. Auch nicht Friedhelm Farthmann, der in der vergangenen Woche seinen 55. Geburtstag feierte und von seinem Ministerpräsidenten mit einer launigen Ansprache geehrt wurde: Der Vorsitzende der SPD-Landtags fraktion sei ja bekannt für sein ruhiges Naturell, für seine tolerante Art, die Fraktion am langen Zügel zu führen, für seine zurückhaltende Art, der Regierung Hinweise zu geben, wie das Land zu regieren sei, lobte Rau mit tiefernster Miene (aber das geliebte Pils in der Hand) das leicht errötende "Geburtstagskind".
    Die Geburtstagsgäste grinsten sich einen. Wer es wagte, lachte laut. Ruhig? Zurückhaltend? Tolerant? Im politischen Geschäft zumindest gilt für Friedhelm Farthmann in allem eher das Gegenteil. Herumpalavert wird in der Fraktion nicht mehr, seit er dort die Nummer eins ist. Da führt die Fraktion einer, der weiß, was er will, der zu wissen beansprucht, wo es langzugehen hat, der auf diesem Weg Hindernissen nicht ausweicht, sondern sie wegzuräumen versucht. Die Opposition im Düsseldorfer Landtag kann davon ein Lied mit schon vielen Strophen singen - obwohl Farthmann gerade erst ein halbes Jahr die Mehrheitsfraktion führt.
    Geblödelt war es deshalb nicht, als Johannes Rau auf besagter Geburtstagsfete den Fraktionsvorsitzenden auch als "wichtig" und "unersetzlich" für die Sozialdemokraten im Lande charakterisierte. Ein gewichtiges Wort, dieses "unersetzlich", das nicht einmal für Johannes Rau gilt, der sich ja aufmachen will, Bonn für die SPD zu erobern. Ob dann vielleicht Friedhelm Farthmann in die Staatskanzlei wechselt, vorausgesetzt, Rau erreicht sein Ziel? Auf solche Spekulationen reagiert Farthmann in der von Rau beschriebenen Art ganz ruhig und tolerant mit Worten wie "Quatsch, Blödsinn" oder dem zarten Hinweis, daß er nicht zu denjenigen zähle, die über ungelegte Eier gackern.
    Und er zählt auch nicht zu denen, die gern "lau baden", um ein berühmt-berüchtigtes Wort von Herbert Wehner über Willy Brandt zu wiederholen. Wehner zu Brandt wie Farthmann zu Rau wer sich die beiden Gespanne betrachtet, kann durchaus Ähnlichkeiten in den Beziehungen zueinander entdecken, vielleicht gar Parallelen auf natürlich niedrigerer, landespolitischer Ebene. Soviel kann man immerhin sagen: Farthmanns Vorgänger Karl Josef Denzer hatte Johannes Rau stets fest im Griff. Bei Farthmann wird Rau das nicht behaupten wollen. Trotz aller gegenteiligen Versicherungen bleibt es deshalb auch eine Tatsache, daß Rau nicht gerade jubelte, als Farthmann nach dem Fraktionsvorsitz griff und dafür das nach außen repräsentativere Ministerbüro nach zehnjähriger Amtszeit gänzlich freiwillig und ohne übergroßes Bedauern verließ.
    Was der Minister Friedhelm Farthmann in diesen zehn Jahren gewollt, gesagt, getan hat, braucht hier nicht aufgezählt zu werden: Es füllt ganze Bände in den Archiven der Zeitungsverlage überall in der Republik. Denn Farthmann gehörte als Minister zu jenen Leuten, die nach dem Motto handeln: " Tu nicht nur Gutes, sondern rede auch drüber" - und so war er in all den Jahren der mit Abstand öffentlichkeitsfreudigste Minister im Kabinett Rau. Kaum verging einmal eine Woche, in der Farthmann nicht zu einer Pressekonferenz einlud. Mit den Ärzten legte er sich an in seiner Funktion als Gesundheitsminister, mit der nicht weniger mächtigen Industrielobby wegen der Umweltverschmutzung, mit den Gewerkschaften wegen ihrer Tarifpolitik die Reihe ließe sich beliebig verlängern. Wie Klaus Matthiesen, der andere starke Mann in jenem engen Kreis um Johannes Rau, in dem die sozialdemokratische Politik hierzulande gemacht wird, ist Friedhelm Farthmann ein politischer Überzeugungstäter, einer, der sagt, was er denkt: oft laut, immer deutlich, ein Freund klarer Verhältnisse, nicht immer zur ungetrübten Freude des großen Harmonisierers an der Regierungsspitze. Aber um dessen Beifall hat Farthmann auch noch nie gebuhlt.
    Reinhard Voss

    ID: LI85201F

  • Porträt der Woche: Günter Harms (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 19 - 03.12.1985

    Er ist kein Senkrechtstarter - und er will es auch nicht sein. Der SPD-Landtagsabgeordnete und Oberstudienrat Günter Harms aus dem westfälischen Ahlen ist es gewohnt, durch "dicke Bretter zu bohren", dauerhaft und zielstrebig zu arbeiten, denn da "stecken auch mehr Perspektiven drin", urteilt er. Und dieser (westfälisch geprägte) Wesenszug soll auch seine künftige parlamentarische Tätigkeit im nordrhein-westfälischen Landtag am Schwanenspiegel bestimmen.
    Der heute 38jährige Pädagoge war am Abend des 12. Mai selbst überrascht, daß er bereits beim "ersten Versuch" im Wahlkreis 101 (Warendorf 2) den Sprung in das Landesparlament geschafft hat - mit ihm hatte er eigentlich erst bei der nächsten Wahl, in fünf Jahren, gerechnet. Bis zum letzten Frühjahr hatten die Christdemokraten in jenem münsteriändischen Wahlkreis eine beachtliche Mehrheit.
    Wie so viele seiner Parlamentskollegen hat auch Günter Harms seine ersten politischen Aktivitäten in der Kommune entwickelt, in einer Stadt wie Ahlen übrigens, die ebenso große Strukturprobleme wie schwierige Mehrheitsverhältnisse im Rat hat. Die Gemeinde zählt zu den wenigen in Nordrhein-Westfalen mit traditioneller DKP-Beteiligung im Parlament. 1975 schickten ihn die Wähler in den Stadtrat, seit 1980 ist er stellvertretender Bürgermeister. Das kommunalpolitische Engagement des Sozialdemokraten gilt insbesondere den sogenannten Randgruppen in der Gesellschaft, und da wiederum den Jugendlichen. Zahlreiche Initiativen gingen von dem Vorsitzenden des Ahlener SPD-Stadtverbandes auch für eine bessere Infrastruktur des Freizeitbereichs aus, der immer größere Bedeutung gewinnt. Der Pädagoge möchte den Bürgern Gelegenheit bieten, daß sie die Freizeit so sinnvoll wie möglich nutzen können und nicht nur "passive Konsumenten" der Freizeitindustrie sind.
    Bevor der Ahlener politisch tätig wurde, baute er sich mit viel Energie die berufliche Zukunft auf. Nach Besuch der Volksschule, nach der Lehre als Industriekaufmann und anschließendem eineinhalbjährigen Wehrdienst kehrte Günter Harms wieder in seinen Beruf zurück und erwarb gleichzeitig in Abendkursen die Fachhochschulreife. Sie ermöglichte ihm, Betriebswirtschaft an der Dortmunder Fachhochschule zu studieren.
    Die Bonner Atmosphäre erlebte er in den folgenden eineinhalb Jahren als Wissenschaftlicher Mitarbeiter eines SPD-Bundestagsabgeordneten. Dieser Tätigkeit schloß sich ein Studium der Politischen Wissenschaften, der Wirtschafts- und Erziehungswissenschaften an der Universität Münster an. Nach einer zweijährigen Studienreferendarzeit in Bielefeld fand er 1979 Anstellung bei den kaufmännischen Schulen in Ahlen und war bis zur Übernahme des Landtagsmandats im Mai als Oberstudienrat tätig.
    Die SPD-Landtagsfraktion berief den "Neuling" auf dem landespolitischen Parkett in den gewichtigen Haushalts- und Finanzausschuß sowie in den Ausschuß für Haushaltskontrolle, wo sich der Ahlener ebenso engagiert wie behutsam in die drängenden Probleme einarbeitet. Dabei ist für den SPD-Abgeordneten ein besonderes Anliegen, den "zentralistischen Entwicklungen" in der Bundesrepublik auch im finanziellen Bereich entgegenzuwirken. Alle Änderungen des Grundgesetzes beispielsweise seien zu Lasten der Länder erfolgt. Aber auch der Handlungsrahmen der Kommunen würde immer mehr eingeschränkt.
    Der Ahlener hält es daher für wichtig, sich in der Landes- wie auch in der Bundespolitik zu engagieren und gleichzeitig ein "Standbein" in der Kommune zu haben, wo die Auswirkungen der politischen Entscheidungen von Bund und Land am nachhaltigsten sind. So gehört Günter Harms auch einem SPD- Arbeitskreis an, der sich mit wirtschaftspolitischen Fragen beschäftigt.
    In seiner neuen parlamentarischen Wirkungsstätte hat der Abgeordnete bereits Fuß gefaßt - dank der Unterstützung vor allem von Fraktionskollegen aus dem Bezirk Westliches Westfalen, die er aus seiner Parteiarbeit bereits kannte. Diese Unterstützung ist für "Neulinge" unerläßlich angesichts der ohnehin begrenzten Möglichkeiten gegenüber der mächtigen Ministerialbürokratie.
    Der Abgeordnete widmet die Freizeit insbesondere der Familie, wobei die beiden Töchter, zwei und fünf Jahre jung, der verständliche Stolz des Vaters sind. Auch geht er gern zum Fußballplatz mitunter als aktiver Spieler in der Altherren-Mannschaft. Angesichts der zusätzlichen Aufgaben dürfte er allerdings die Fußballschuhe künftig seltener anziehen können....
    Jochen Jurettko

    ID: LI851921

  • Porträt der Woche: Klaus Strehl (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 18 - 19.11.1985

    Fische und Pflanzen im Zierteich des eigenen Gartens in Bottrop-Fuhlenbrock finden seine ganze Aufmerksamkeit, der reinrassige Rauhhaarteckel "Hummel von der Schloßstadt" begleitet ihn auf langen Spaziergängen: Fast idyllisch klingt, was Klaus Strehl (42), verheiratet und Vater von zwei Kindern, seit Mai Mitglied der SPD-Fraktion im Landtag, auf die Frage nach seinen privaten Interessen antwortet. Mit Idylle haben dagegen seine politischen Interessensgebiete gar nichts zu tun: Kohlevorrangpolitik, Landesplanung, Umweltschutz.
    Für den Sohn eines alten Gewerkschafters ist es 1966 "gewissermaßen zwangsläufig" gewesen, in die SPD einzutreten. Schon bald wird Strehl stellvertretender Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Fuhlenbrock (was er noch heute ist), Vorstandsmitglied und für zwei Jahre auch Vorsitzender der Bottroper Jungsozialisten, Mitglied im Unterbezirksvorstand. Parallel dazu verläuft der berufliche Werdegang von der Inspektorenausbildung über das Studium zum "Diplom-Kommunalbeamten" an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie bis hin zum Amtsrat im Rechnungsprüfungsamt der Stadt Oberhausen. Seit zehn Jahren gehört er dem Bottroper Stadtrat an, wo er sofort zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt wurde, seit acht Jahren dem Bezirksplanungsrat.
    Im Landtag vertritt Klaus Strehl den Bottroper Wahlkreis als Nachfolger der "Bottroper Institution" Ernst Wilczok, der 15 Jahre lang Abgeordneter war und seit 1949 mit kurzen Unterbrechungen Oberbürgermeister ist. Strehl spricht nicht gerne darüber, aber er hat nicht vergessen, daß Wilczok 1982 seine Wahl zum Stadtkämmerer verhindert hat. Im darauffolgenden Jahr löste er Wilczok als Vorsitzender des SPD-Unterbezirks ab. Ein wenig Triumph klingt schon mit als er von der Kandidatenaufstellung für die Landtagswahl berichtet: "Am 12. Mai 1985 kam es zu einer Kampfabstimmung, auf mich entfielen 67, auf Ernst Wilczok 50 Stimmen."
    Als Mitglied des Landtagsausschusses für Landesplanung und Umweltschutz kann Strehl auf seine kommunalpolitischen Erfahrungen zurückgreifen. Der abstrakte Begriff "Kohlevorrangpolitik" wird bei ihm sofort konkret: Die Nordwanderung des Bergbaus ist für ihn unverzichtbar, wenn man diesen Grundsatz weiterhin verwirklichen will. Aus Gründen des Umweltschutzes sollten im südlichen Münsterland aber nur Seilfahrt- und Wetterschächte errichtet werden und die Förderschächte im Emscher-Lippe-Raum erhalten bleiben.
    Zum Kohlevorrang gehören für den Bottroper Abgeordneten auch verstärkte Anstrengungen zur Kohleveredelung, bei seinem Wahlkreis auch nicht verwunderlich. Seit Jahren wird in Bottrop eine Versuchsanlage zur Kohleverflüssigung betrieben. Jetzt geht es ihm darum, Bottrop als Standort einer größeren Demonstrationsanlage für Kohlehydrierung - möglicherweise in Kombination mit dem Einsatz von Schweröl - durchzusetzen, 1000 Dauerarbeitsplätze könnten damit verbunden sein. Da scheut der eher zurückhaltende Strehl auch vor großen Worten nicht zurück: "Ein Verzicht auf die Kohlehydrierung wäre ein schwerer Schlag für die Kohlevorrangpolitik, eine große Gefahr für die Zukunftschancen der heimischen Kohle." Auch wenn die flüssige Kohle auf dem Markt noch längst nicht konkurrenzfähig ist, so hegt Strehl keine Zweifel an der Notwendigkeit einer neuen Großanlage: "Wir müssen demonstrieren, daß diese Technologie funktioniert, nur so wahren wir spätere Chancen auf dem Exportmarkt."
    Aus der Kommunalpolitik bringt er zwei weitere Themen mit in die Landespolitik. Bei den Entscheidungen über die "Auskiesung" der Kirchhellener Heide hat er schmerzhaft feststellen müssen, daß hier allein das Bergamt das Sagen hat; er fordert ein Mitspracherecht der betroffenen Kommunen, die auch für eine schnellere Rekultivierung der Landschaft sorgen müßten. Daneben nennt er die Errichtung von neuen Kleingartenanlagen eine wichtige Aufgabe der Umwelt- und Freizeitpolitik vor allem in Ballungsräumen. Hier sucht er nach Möglichkeiten, den Fördersatz des Landes zu erhöhen. Ihm schwebt auch ein Modell vor, bei dem die Kleingärtner gleichzeitig für den Erhalt der ihre Anlage umgebenden Natur mitverantwortlich sein sollen.
    Für den Petitionsausschuß hat sich Strehl nicht von sich aus gemeldet. Schon nach wenigen Monaten bekennt er jedoch, daß ihm die Arbeit dort viel Spaß macht und befriedigt, denn sie biete die "Möglichkeit zu direkter Hilfe für den Bürger".
    Die Landtagsverwaltung will der Neu-Parlamentarier zwar nicht kritisieren, dennoch formuliert er vorsichtig, daß "mehr technisch-organisatorische Hilfen" für Parlamentsneulinge notwendig seien: ein kurzer Leitfaden mit nützlichen Tips könnte viel Zeitaufwand ersparen. Bei ihm selbst hätten sich die Anlaufschwierigkeiten in Grenzen gehalten, erfahrene Fraktionskollegen seien mit Ratschlägen hilfreich gewesen.
    Ludger Audick

    ID: LI851837

  • Porträt der Woche: Dr. Achlm Rohde (F.D.P.)
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 17 - 05.11.1985

    "Wir sind noch bei der Grundlagenforschung", sagt Dr. Achim Rohde, der neue Vorsitzende der neuen Fraktion der Freien Demokraten im Düsseldorfer Landtag, wenn man ihn fragt, wie er und seine dreizehn Mitstreiter sich denn in die neue parlamentarische Verantwortung hineingefunden hätten, die ihnen die Wähler mit sechs Prozent der Stimmen seit dem Frühjahr in Nordrhein- Westfalen wieder aufgetragen haben. "Wir machen zwölf Stunden täglich unsere Schularbeiten, lernen aber unheimlich schnell dazu." Eine so kleine F.D.P.- Fraktion hat es wahrlich nicht leicht. Die SPD kontrolliert "ihre" Regierung Rau wegen der absoluten Mehrheit faktisch im eigenen Ermessen. Rohde und seine Abgeordnetenmannschaft wollen und müssen das zwar auch versuchen, sich zugleich aber auch neben der wesentlich größeren Oppositionsfraktion der CDU selbständig profilieren.
    Nun hat der Vorsitzende Rohde ein so gehöriges Selbstbewußtsein, daß ihm um all das nicht bange ist. In den wenigen ersten Arbeitsmonaten hat er seine Fraktion mehrfach zu Klausurtagungen zusammengerufen, einen Stab wissenschaftlicher Mitarbeiter aufgebaut, die 19 Parlamentsausschüsse mit seinen nur 14 Abgeordneten besetzt und auch aus der beengten Unterbringung der F.D.P. als neuer dritter Fraktion im viel zu klein gewordenen alten Landtag noch das Beste gemacht. Erste "Zielbestimmungen" seiner Arbeit sind zu erkennen: ein Entschuldungsplan für das unter Zins- und Tilgungslasten stöhnende Land, eine inhaltliche Neubesinnung von Schulpolitik unter Anwendung der neuen Informations- und Kommunikationstechniken, Entbürokratisierung der Verwaltungen, Gründung einer Exportakademie im Lande, um den Produktions- und Wirtschaftswandel zu fördern und noch einiges mehr.
    Für einen Parlamentsneuling führt Rohde eine kecke, manchmal freche Rede, deren politische Pointen noch nicht immer so treffsicher sind, wie er das wünschen möchte. Doch das gehört auch zu den Lernprozessen, deren er fähig ist. Der Düsseldorfer Zahnarztsohn galt in seiner Partei noch vor Jahresfrist als Verlegenheitslösung. Das änderte sich während des Wahlkampfes und des damit eingetretenen Erfolges schnell. Rohde ist heute in der F.D.P., deren neues Selbstverständnis als Wirtschaftspartei er im Lande mitgeprägt hat, unbestritten. Wahrscheinlich hat er seine eigentliche politische Karriere noch vor sich. Nach dem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften, nach beiden Staatsprüfungen und der Promotion begann er als persönlicher Referent der früheren Düsseldorfer F.D.P.-Minister Kienbaum und Kohlhase. Schon Ende der sechziger Jahre gehörte er zu den engen Mitarbeitern des damaligen F.D.P.-Vorsitzenden und Außenministers Scheel. Insofern sahen viele in ihm ein Ziehkind des ehemaligen sozial-liberalen Bündnisses in Bonn und in Düsseldorf.
    Doch dann begann, als Rohde 1975 durchaus im Sinne des üblichen Koalitionsproporzes - zum Regierungspräsidenten von Düsseldorf bestellt wurde, wieder einer dieser Lernprozesse. Rohde sammelte profunde Verwaltungserfahrungen; er begann, das Verhältnis von Kabinettspolitik, umsetzender Administration und mangelnder Bürgemähe vieler Planungen kritischer zu sehen. Der Konflikt mit der Regierung Rau in planerischen, ordnungs- und auch energiepolitischen Fragen war bis 1983 so weit gediehen, daß seiner Entfernung aus dem Staatsamt des Regierungspräsidenten auch ein Stück eigener Provokation zugrunde lag.
    Rohde wollte offenkundig politisch wieder handlungsfrei werden. Als Unternehmensberater wäre er beinahe noch in eine Falle geraten, die ihm politische Widersacher stellten. Das Wahlkampfprogramm, das dann bei der F.D.P. im Lande unverkennbar seine Handschrift trug, bleibt Arbeitsprogramm auch seiner Landtagsfraktion: gegen Verbandsmacht, Gängelung und Gleichmacherei, für Leistungsprinzip und Wettbewerb, für Strukturwandel und neue Techniken. "Wir werden jetzt im Landtag liberale Zeichen setzen", sagt er. Die kommenden schwierigen Haushaltsberatungen geben Gelegenheit dazu. Man sieht es Rohde an: er liebt das Scharmützel von Rede und Gegenrede, er freut sich, wenn er sich im parlamentarischen Wortgefecht "tummeln" kann.
    Lothar Bewerunge

    ID: LI851726

  • Porträt der Woche: Ruth Hieronymi (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 16 - 22.10.1985

    Ihr Landtagsmandat hat sich Ruth Hieronymi redlich erkämpft. Als Jürgen Rosorius im Bonner Wahlkreis 32 seine Entscheidung bekanntgab, daß er in der zehnten Wahlperiode nicht noch einmal antreten wolle, zeigte die CDU-Stadtverordnete aus dem Rat der Bundeshauptstadt ihr Interesse.
    Mit einer überraschend deutlichen Mehrheit von 62 Prozent der Mitgliederstimmen setzte sich die Unionsdame gegen ihren männlichen Mitbewerber durch. "Es war eine gute und faire Auseinandersetzung", meint sie rückblickend.
    Am 12. Mai 1985 zog sie dann eines der 26 CDU-Direktmandate für den Landtag in Düsseldorf. Zwar ist die 1947 in Bonn geborene, fast immer fröhlich-heitere Ruth Hieronymi im Landesparlament ein Neuling, auf der politischen Bühne ist sie jedoch schon eine gestandene Frau. Nach einer strengen Klosterschulzeit bei den Sacre-Cceur-Schwestern in Beuel-Pützchen, die sie 1967 mit dem Abitur beendete, hat Ruth Hieronymi gleich im Anschluß an die schulische Reifeprüfung den Hafen der Ehe angesteuert. Studium und erste politische Aktivitäten liefen dann nebeneinander her. Ruth Hieronymi studierte Geschichte und Soziologie in Köln, während Ehemann Albert sich in Aachen zum Ingenieur promovierte.
    Das Jahr 1971 war für die Bonnerin dann von entscheidender Bedeutung. Die damals 24jährige trat in die CDU ein, wo ihr Mann schon vor ihr aktiv war, sie wurde im gleichen Jahr noch Vorsitzende der Jungen Union in Beuel und nahm im Beueler Bezirksausschuß ihre kommunalpolitische Arbeit auf. Zudem wurde Tochter Tonia geboren.
    Bis das Kind in den Kindergarten kam blieb Ruth Hieronymi zu Hause, ließ sich jedoch nicht exmatrikulieren, um später das Studium schneller durchziehen zu können. Bereits 1975 hielt es sie nicht mehr am Herd. Sie zog als Stadtverordnete in den Rat der Stadt Bonn ein. 1976 nahm die Jungpolitikerin ihr Studium wieder auf und machte bereits ein Jahr später bei Erwin K. Scheuch ihr Magisterexamen - zwei Wochen bevor sie zur Vorsitzenden der Jungen Union Rheinland gewählt wurde. Daß die CDU- Frau eine moderne Ehe führt, machte sie deutlich, als sie von Ende 1978 bis März 1981 als Abteilungsleiterin in der Geschäftsstelle des Bonner Konrad- Adenauer-Hauses ganztägig arbeitete, während ihr Mann auf eine Halbtagsbeschäftigung umstieg und als Hausmann die Tochter einhütete.
    Als 1981 dann noch Sohn Philip geboren wurde, steckte Ruth Hieronymi die Berufstätigkeit auf und teilte ihre Zeit zwischen Familie und Politik. "Ohne die Mithilfe meines Mannes, meiner Eltern und Schwiegereltern wäre die politische Tätigkeit gar nicht möglich", räumt die CDU-Politikerin freimütig ein. Ihre politische Arbeit hat sie nach zwei Schwerpunkten gegliedert: zum einen ist da die Arbeit im Wahlkreis zum anderen die Sachpolitik. Bei ihrer neuen Düsseldorfer Arbeit kommt es Ruth Hieronymi sehr zugute, daß sie bereits seit über zehn Jahren als Stadtverordnete im Bonner Rat sitzt und weiß, wo die Bürger der Schuh drückt.
    Die CDU-Frau engagiert sich vor allem in der Gesellschafts- und Sozialpolitik. Ihre Fraktion schickte sie in den Ausschuß Arbeit und Soziales und im Ausschuß für Jugend und Familie wurde sie zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. "Ich bin der Fraktion dankbar dafür, daß sie mich in diese Ausschüsse gesandt hat, denn hier kann ich auf meinen kommunalen Erfahrungen aufbauen", sagt Ruth Hieronymi.
    Im Düsseldorfer Landtag hat sie sich schon recht gut eingelebt. "Die politische Arbeit im Bonner Rat und in der Jungen Union erleichtern mir das Eingewöhnen. Es geht besser, als ich gedacht habe", meint sie froh. In der Sache geht es der CDU-Dame darum, angesichts leerer Haushaltskassen im Landesetat in allen sozialen Bereichen die Selbsthilfegruppen zu unterstützen. "Ob es nun Frauen, Behinderte, Ausländer oder ältere Menschen sind, sie alle müssen lernen, wie man sich am besten gegenseitig und untereinander hilft", sagt Ruth Hieronymi.
    Eine besondere Herausforderung für ihre politische Arbeit sieht die Landtagsabgeordnete darin, trotz der noch immer erschreckend hohen Arbeitslosigkeit den schon am Arbeitsmarkt Benachteiligten wie etwa Strafentlassenen, Suchtgefährdeten oder benachteiligten Jugendlichen doch noch eine Chance zu verschaffen. Die politischen Aktivitäten der Unionsdame lassen für Hobbys wie Rad- und Skifahren nur wenig Zeit. "An vier bis fünf Abenden in der Woche bin ich nicht zu Hause", räumt Ruth Hieronymi ein und niemand dürfe sie fragen, wann sie denn das letzte Mal im Theater gewesen sei.
    Für Familie und Politik ist sie bereit, auf persönliche Freizeit zu verzichten, versichert sie. Als "Luxus" leistet sich die 38jährige Politikerin den Verzicht auf die Freifahrt mit der Bundesbahn. Sie kutschiert zwischen Bonn und Düsseldorf mit dem eigenen Wagen hin und her. "Damit schlage ich eine gute Stunde für die Familie heraus", meint Ruth Hieronymi "und das ist mir das Geld schon wert."
    Gerlind Schaidt

    ID: LI851619

  • Porträt der Woche: Reinhold Hemker (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 15 - 01.10.1985

    Mit einer Drehorgel lenkte der überraschend in den nordrhein-westfälischen Landtag eingezogene Pastor Reinhold Hemker am ersten Plenartag nach den Wahlen die Aufmerksamkeit seiner Kollegen auf sich. Das Alt-Berliner Musikinstrument ist für den Sozialdemokraten ein wichtiges Requisit bei seinen "Spendensammel-Touren" für Arbeitslose und Entwicklungsländer. Damit sind auch schon zwei Engagements des vierzigjährigen Abgeordneten genannt.
    Nicht ohne gewisse Genugtuung verweist er denn auch darauf, daß in "seinem" Wahlkreis 96, Steinfurt II, "vermutlich die meisten Dritte-Welt-Initiativen in der Bundesrepublik existieren". Die Hilfe für die Menschen in den Entwicklungsländern hat sich Reinhold Hemker schon lange zu seinem persönlichen Anliegen gemacht; ob als Student, Dozent, Lehrer, Pfarrer und auch jetzt als Landtagsabgeordneter. Seine Fraktion berief den Neuling auf dem landesparlamentarischen Parkett überraschend schnell in den gewichtigen Hauptausschuß, der sich u. a. auch mit den Fragen der Entwicklungspolitik beschäftigt. Der SPD-Abgeordnete möchte nun dieses Aufgabenfeld des Landtagsgremiums aktivieren und u. a. eine Stiftung "Entwicklung und Frieden" ins Leben rufen. Und mit ebenso großem Engagement wie in seinem münsterländischen Heimatkreis will er auf Landesebene sich dafür einsetzen, daß Jugendliche aus Entwicklungsländern in Nordrhein-Westfalen ausgebildet und junge Deutsche als Entwicklungshelfer für jene Staaten gewonnen werden.
    Bis zur Übernahme des Landtagsmandats im Mai in ev. Gemeinden tätig, kennt der "Sozialpastor" und Politiker ("Ich kann beides nicht trennen") auch die Probleme von Jugend und Familie hautnah. Der gebürtige Burgsteinfurter fühlt sich verpflichtet, insbesondere jene kleineren unabhängigen Selbsthilfe- Gruppen und Initiativen zu unterstützen und ihnen auch Anerkennung bei den Behörden zu verschaffen. Stärker gefördert sollten auch Modell-Maßnahmen von solchen Trägern, die vor allem sozialschwache Familien zu entlasten versuchen.
    Die Tätigkeitsfelder von Reinhold Hemker entsprechen sicherlich seinem beruflichen wie politischen Lebensweg. Nach Abitur und Grundwehrdienst studierte er an der Universität Münster zunächst Philologie und Geschichte, dann Religion und Pädagogik, unterrichtete nach bestandenem Lehrerexamen an Haupt- und Realschule. 1971/72 folgte das theologische Examen. Weitere berufliche Stationen: Gemeindepfarrer in Rheine und Burgsteinfurt, Schulreferent in den Kirchenkreisen Steinfurt, Tecklenburg und Coesfeld, Dozent für entwicklungsbezogene Bildungsarbeit im Pädagogischen Institut der Ev. Kirche von Westfalen in Villigs.
    Die ehrenamtliche Tätigkeit in kirchlichen Vereinen und im Sportbereich führte Reinhold Hemker schließlich 1967 in die SPD, "weil ich erfuhr, daß solche Aktivitäten durch politische Entscheidungen beeinflußt werden". Die Kommunalpolitik lernte er zunächst als sogenannter "sachkundiger Bürger" in Gronau kennen, und 1975 schickten ihn die Wähler in den Borkener Kreistag. Schwerpunkte seiner Mandatsarbeit bis 1983 waren Sozial- und Jugendfragen und natürlich auch die Entwicklungs- und Friedenspolitik. Auf Drängen seiner Parteifreunde kandidierte der Sozialdemokrat bereits 1980 für den Landtag. Doch der Vorsprung seines christdemokratischen Konkurrenten war damals noch nicht einholbar. Fünf Jahre später, bei der Landtagswahl am 12. Mai, schaffte er es.
    Für den SPD-Abgeordneten hat der Wahlsieg über seinen Mitbewerber, den CDU-Kandidaten Helmut Brömmelhaus, allerdings einen "bitteren Beigeschmack". - "Ich hätte mir gewünscht, daß mein Kontrahent nicht ausgerechnet ein alter Gewerkschaftler gewesen wäre." In seiner Rolle als Landtagsabgeordneter versteht er sich als "Makler" für alle Bürger und als "Briefträger nach Düsseldorf". Viel Unterstützung findet der Vater von zwei Söhnen auch bei seiner Ehefrau Kerstin - auch sie ist übrigens Pastorin mit großem Engagement.
    Trotz seines großen Aktionsradius will sich Reinhold Hemker auch weiterhin Zeit nehmen für seine Hobbys: Tischtennis, Reisen und Skat. Zweifellos gewinnt die SPD-Fraktion mit ihm ein belebendes Element.
    Jochen Jurettko

    ID: LI85151E

  • Porträt der Woche: Klaus Matthlesen (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 14 - 24.09.1985

    Montag morgen im Düsseldorfer Landtag: Klaus Matthiesen hat gerade ein sehr kostspieliges Programm zur weiteren Luftverbesserung in Nordrhein-Westfalen den Journalisten der Landespressekonferenz vorgestellt. Da fragt ihn ein Reporter, ob er vom Finanzminister genug Geld bekomme, um dieses ehrgeizige Programm in die Tat umzusetzen. Klaus Matthiesen hebt die Augenbrauen und sagt ganz einfach: "Die Frage verstehe ich nicht." Und dann lächelt er ein bißchen und fragt zurück: "Glauben Sie im Ernst, ich stelle hier ungedeckte Schecks aus? Die Haushaltsberatungen für den Etat 1986 sind zwar noch nicht beendet, aber Sie können davon ausgehen, daß ich nicht in drei Tagen zu einer neuen Pressekonferenz einlade und Ihnen mitteile: Das Programm fliegt in den Papierkorb, ich habe nicht die erforderlichen Mittel bekommen..."
    Die Szene ist typisch für den Mann aus Kiel, den Ministerpräsident Johannes Rau unlängst in Bonn als die "wichtigste Dauerleihgabe" des Landes Nordrhein-Westfalen gelobt hatte: Selbstbewußt ohne überheblich zu sein, nüchtern ohne norddeutsche Drögheit.
    Seit etwas mehr als zwei Jahren ist Klaus Matthiesen nun schon Minister in Düsseldorf, seit dem Mai auch Abgeordneter des nordrhein-westfälischen Landtags. Er selbst nennt sich einen "Überzeugungstäter" und grenzt sich harsch ab von den "viel zu vielen Anpassern", die in der Politik - aber beileibe nicht nur dort Karriere machen. Wen er zu den Anpassern beispielsweise in Düsseldorf zählt? Namen mag Klaus Matthiesen nicht nennen - was brächte das auch mehr als Ärger ein? Aber es spricht für die Glaubwürdigkeit und Gradlinigkeit des Flensburgers in Düsseldorf, daß er die Anpasser nicht nur beim politischen Gegner ausgemacht hat. Wenn Journalisten in diesen Tagen spekulieren, wer denn Nachfolger von Johannes Rau in der Staatskanzlei am Rheinufer werden könnte, falls der Regierungschef den Sprung ins Bonner Kanzleramt schaffen sollte, fällt in schöner Regelmäßigkeit der Name Klaus Matthiesen. Spricht man ihn darauf an, kann Matthiesen ausgesprochen unfreundlich werden: Er habe weiß Gott Wichtigeres zu tun als über einen solchen Quatsch überhaupt nachzudenken, winkt der Minister unwillig ab. Natürlich hat er Ambitionen. Matthiesen: "Aber die zielen nicht auf das Amt des Regierungschefs. Wenn ich einmal meine Arbeit als Umweltminister erledigt habe, möchte ich durch das Land fahren und sichtbare Erfolge meiner Bemühungen sehen - an möglichst vielen Orten."
    Dennoch: Daß Matthiesen zu den ganz starken Figuren in der Regierung Rau zählt, ist seit dem triumphalen Wahlsieg der Sozialdemokraten im Mai dieses Jahres noch deutlicher geworden. Im Zuge der Kabinettsumbildung erhielt Klaus Matthiesen von Rau so viele zusätzliche Aufgaben und Kompetenzen hinzu, daß er seitdem in Düsseldorf unwidersprochen als der "Superminister" der Landesregierung charakterisiert werden kann. Er selbst hört das natürlich nicht gern, betont vielmehr mit Nachdruck, daß die ökologische Erneuerung des Landes eine Aufgabe der gesamten Landesregierung sei - aber an seinem besonderen Gewicht in der Landesregierung ändert solches Bekenntnis zum Teamgeist nichts.
    Dieses Gewicht hat nicht nur etwa deshalb zugenommen, weil Umweltschutz seit Jahren nun schon "in" ist. Vielmehr weiß man in der Landesregierung und der sie tragenden SPD, daß es Matthiesens Politik - und seine Art sie zu "verkaufen" - in erster Linie zu verdanken ist, daß sich die Sozialdemokraten nach dem 12. Mai nicht mit den Grünen im Düsseldorfer Landtag herumplagen müssen. Die Grünen unter die Fünf-Prozent-Hürde zu drücken war eines der erklärten Ziele gewesen, mit denen Matthiesen im Herbst 1983 in Düsseldorf angetreten war. Viele hatten dies damals nicht mehr für möglich gehalten. Um so größer die Genugtuung, daß es dann doch gelang - wenn auch mit Schützenhilfe der Grünen, die im Endspurt des Wahlkampfes mehrere Eigentore schössen.
    Ein Mann der Kompromisse ist Klaus Matthiesen nicht. Eine sozusagen "augenzwinkernde Umweltschutzpolitik" nach dem Motto: "Grüne Fassade verbirgt trefflich die Interessen der Industrie" - so etwas gibt es mit Matthiesen nicht. Er sagt vielmehr: "Die Probleme sind radikal, sie bedürfen radikaler Lösungen." Daß das Instrumentarium eines Landesministers nicht ausreichen könnte, um radikale Lösungen zu erzwingen, hat Matthiesen schon hier und da zu spüren bekommen. An seiner Arbeitswut änderte das nichts. Der Mann aus dem Norden kommt gerade im Ruhrgebiet, wo er mit einem persönlichen Triumph den Wahlkreis gewann, besonders gut an, weil er kein verbohrter Umweltschutzideologe ist, dem sich alle anderen Interessen unterzuordnen hätten. Er selbst sagt das etwas pathetisch klingende Wort vom "Blut" der SPD, das nicht etwa die organisierten Umweltschützer, sondern die Arbeitnehmerschaft sei. Mit diesem "Lebenselixier" der Partei sei besonders in Bonn der sozial-liberalen Ära viel gesündigt worden, merkt Matthiesen kritisch an. Die Partei hätte "viel eher sagen müssen, daß wir uns alle umzustellen haben auf die mageren Jahre, daß wir das Wenige gerechter verteilen müssen", meint der Minister in einem kritischen Rückblick auf jene Jahre.
    In Nordrhein-Westfalen hat die SPD die Kurve ja trotzdem noch einmal gekriegt. Matthiesen hat daran Anteil. Darauf ist er stolz - und schaut im übrigen mit norddeutscher Gelassenheit in die Zukunft. Mit ihm zu reden ist darüber nicht.
    Reinhard Voss

    ID: LI851418

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Die Fraktionen im Landtag NRW