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  • Porträt der Woche: Dr. Fritz Schaumann (F.D.P.)
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 13 - 17.09.1985

    Posaune und Post, Politik, Pädagogik und Psychologie - dieser Alliteration folgend läßt sich sein bisheriger Lebensweg am einfachsten aufzeigen: Dr. Fritz Schaumann, Parlamentarischer Geschäftsführer der F.D.P.-Fraktion, ist nicht leicht in ein Klischee zu pressen. Beginnen wir mit der Posaune. Der 1946 im niedersächsischen Wallensen geborene Fritz blies sie schon als Jugendlicher in der Kapelle der Freiwilligen Feuerwehr, in der Hannoveraner Jazzband "Trapper" folgte der Wechsel vom Marsch- zum Dixieland-Rhythmus. Mit dieser Band tingelte er durch die Lande und verdiente sich so einen Teil seines Lebensunterhalts: Nach dem Realschulabschluß bildete ihn die Post zum Fernmeldehandwerker aus, danach kam er seiner Wehrpflicht nach, studierte in Dortmund und Münster Pädagogik und Psychologie. Die Posaune verrostete bis heute nicht, mit Freunden bemüht er sich zur Zeit, eine Feierabend-Jazzband auf die Beine zu stellen.
    Musik spielte auch eine Rolle bei seinem politischen Engagement Ende der 60er Jahre. Er gehörte als einer der Vorgänger zu jenem studentischen Protestchor, der durch das Absingen umgetexteter Weihnachtslieder den feierlichen Gründungsakt der Dortmunder Universität im damals neuen Stadttheater massiv störte. Bundespräsident, Ministerpräsident, Kultusminister und Oberbürgermeister fanden die Gesänge gar nicht lustig, Polizei mußte dem unwillkommenen musikalisch-politischen Programm ein Ende bereiten. Schon damals war Fritz Schaumann politisch vor allem hochschulpolitisch - aktiv. Als Mitglied des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) war er studentischer Gründungsbeauftragter für die Uni Dortmund, die ursprünglich eine Gesamthochschule werden sollte. Mit einem leicht wehmütigen Lächeln erinnert er sich an diese feit: "Damals fand ich es schick, mich links zu nennen." Heute lehnt er für sich eine Einordnung als "Linker" ab, da "links" und "rechts" überholte Kategorien seien. Seinem Fraktionsvorsitzenden Achim Rohde kann er allerdings nicht folgen, wenn dieser von der F.D.P. als einer "Wirtschaftspartei" spricht.
    Noch heute sieht er keinen Widerspruch darin, daß er gleichzeitig Mitglied des SDS und der F.D.P. (seit 1967) war. Diese parallele Mitgliedschaft habe er nie als Problem gesehen. An der F.D.P. habe ihn besonders die Ost- und Deutschlandpolitik beeindruckt, deren Kurs die Partei bis heute beibehalten habe. Daneben habe ihn die Bildungspolitik der Liberalen angezogen: die Öffnung der Hochschulen habe sich als richtig erwiesen, ebenso die größere Durchlässigkeit des Schulsystems, die durch die Einrichtung von Gesamtschulen erreicht worden sei. Nach wie vor bezeichnet er sich als Anhänger von Gesamtschulen, die allerdings "nicht um jeden Preis" eingeführt werden dürften - neue Lösungen müßten gesucht und gefunden werden.
    Seit vielen Jahren gilt Fritz Schaumann als Bildungsexperte seiner Partei, deren Dortmunder Kreisvorsitzender er seit neun Jahren ist und deren Landesvorstand er angehört. Das bildungspolitische Engagement hängt eng mit seinem beruflichen Werdegang zusammen: Diplom in Pädagogik, Promotion in Psychologie, Assistent und Dozent an den Dortmunder Hochschulen, zuletzt Akademischer Oberrat mit dem Schwerpunkt Arbeits- und Betriebspsychologie. Auch nach seiner Wahl in den Landtag will er die Bemühungen fortsetzen, einen Studiengang für dieses Fachgebiet einzuführen. Als Sonderschullehrerin arbeitet auch Ehefrau Ursula im Bildungsbereich.
    Nicht wenig überrascht zeigten sich seine Fraktionskollegen, als der Bildungsexperte sich nicht für einen bildungspolitischen, sondern für den Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landtags nominieren ließ. Für ihn selbst war das nur konsequent: Zweifel an rein theoretischer Arbeit hatten ihn schon vor Jahren veranlaßt, sich vorübergehend von der Uni-Tätigkeit beurlauben zu lassen, um Aufgaben im Personalmanagement eines Unternehmens übernehmen zu können. Einen solchen Ausflug in die Praxis bezeichnet er als sehr wichtig für jeden Wissenschaftler. Ihm selbst habe er auch viel Spaß gebracht, dasselbe gelte für das jetzt übernommene Fraktionsmanagement.
    Im Landtagsausschuß hofft er, einiges anstoßen zu können: Nach seiner Auffassung gehen alle bisherigen Konzepte fälschlicherweise davon aus, daß es in absehbarer Zeit gelingen könnte, wieder genügend Arbeitsplätze zu schaffen. Dies hält er für illusorisch. Deshalb will er eine "Arbeitspolitik" - nicht so sehr "Arbeitsmarktpolitik" - betreiben. Ziel müsse eine "neue Wertigkeit von Arbeit" sein, er denkt dabei an Tätigkeiten im sozialen und kulturellen Bereich.
    Von politischem Engagement seiner Kinder berichtet Fritz Schaumann nicht- Tochter Sabine (21) studiert in Hamburg Theaterwissenschaften, Sohn Sven (15) geht zu Schule. Auf die obligate Frage nach dem Hobby fällt ihm eine ganze Skala ein: neben der Posaune, Schwimmen, Segeln, Surfen, Skat und Sammeln afrikanischer Masken. Seinen Traum von einer kulturgeschichtlichen Reise durch Afrika hat er bislang nicht verwirklichen können.
    Ludger Audick

    ID: LI851324

  • Porträt der Woche: Heide Busch (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 12 - 03.09.1985

    Sie ist - ganz ohne Zweifel - ein Farbtupfer in dem vom Männer-Grau und -Blau beherrschten Parlament. Nicht nur, weil sie eine junge Frau ist, die sich modisch anzieht und keine Scheu zeigt vor knalligen Kombinationen. Genauso unbekümmert erobert sie sich ihren Platz in der CDU-Fraktion, genauso selbstbewußt werden ihre Kolleginnen und Kollegen sie in den Ausschüssen erleben. Denn die Elevin im Ständehaus am Schwanenspiegel, die einer Generation angehört, von der vielfach gesagt wird, sie sei politisch desillusioniert und desinteressiert, scheint sich ihre Überzeugungen und ihren Elan aus der Schülerzeit mit Mitverwaltung und Junger Union hinübergerettet zu haben.
    Für sie ist Politik etwas Selbstverständliches, nichts Fremdes, ohne Berührungsängste, weil sie mit ihr aufgewachsen ist und sich ihr verbunden weiß. Trotz - oder vielleicht wegen - einer Pause: Denn nach den stürmischen Jahren in der Jungen Union in Köln, in denen sie die Polarisierung in der Schulpolitik miterlebte, wollte sie Abstand gewinnen beim Studium in München. Doch nach dem Lehrexamen (Geschichte, Sport, Theologie) ging sie doch wieder zurück, zurück von der Isar an den Rhein und zurück in die Politik. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Kölner Bürgermeisters und Bundestagsabgeordneten Heribert Blens verdiente sie ihr Geld im Bonner Parlament und ließ sich - "weil es so nicht weitergehen konnte" - im Wahlkreis 18 der Domstadt zu den Landtagswahlen aufstellen. Das ist der frühere Kreis des früheren Landtagspräsidenten Lenz im Norden der Stadt. Ihr enormer Fleiß hätte der Lehrerin allein nicht geholfen - doch das überraschende Ergebnis am 12. Mai ließ sie trotz ungünstiger Plazierung auf der Liste doch einen Platz im Parlament erobern.
    Gegenkandidatin war übrigens die heutige Wissenschaftsministerin Anke Brunn. Gemeinsames Thema im Wahlkampf: Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, wenn auch die vorgeschlagenen Heilmittel je nach Parteifarbe anders ausfallen. Heide Busch setzt auf den unternehmerischen Mittelstand nach dem Motto: "Die Zukunft gehört uns allen, wir müssen alle gemeinsam etwas dafür tun." Wichtigstes Anliegen bleibt ihr aber die Schulpolitik - auch wenn diesem Thema ein bißchen das Negativ-Image anhaftet, es sei so richtig für Frauen da. "Ich lasse mich da nicht woanders hinschieben", sagt sie selbstbewußt, "denn das ist mein Fach, da verstehe ich etwas, da kann ich meine Vorstellungen durchkämpfen."
    Ihre Vorstellungen, das sind weniger organisatorische Firmen von Schule, sondern mehr die Auffüllung des Lehrstoffes mit Inhalten, die größere Berücksichtigung der Forschungsarbeiten und -ergebnisse und deren Umsetzung in die Praxis. Daß damit einhergehend sie die Felder der Jugend- und Sozialpolitik besonders interessieren, ist sozusagen eine logische Konsequenz. So kritisch sie ihr Fachthema sieht, so kritisch sieht Heide Busch das Verhältnis der Bevölkerung zur Politik überhaupt. Sie fordert von den Funktionsträgern, sich "mehr zu stellen, die Bürger häufiger einzuladen, um mehr Verständnis zu werben". Sie hat festgestellt, daß es "zu wenig Diskussionen und zu wenig Aktionen zwischen den Wahlen gibt".
    Fleiß und Ehrlichkeit sind ihre Hauptforderungen an die Politiker. Kein Wunder, daß sie zu dem Kreis der jungen Abgeordneten zählt, die erst einmal die verstaubten Protokolle der vergangenen Legislaturperiode angefordert haben. Das macht zwar weniger Spaß als Schwimmen und Surfen oder Skifahren - favorisierte Hobbys der sportlichen Lehrerin -, aber "es ist ganz einfach Grundlage für unsere Sacharbeit". Daß sie den Job in Bonn aufgegeben hat, bereut sie nicht - auch wenn das Mandat in Düsseldorf ihr noch wie "eine Schwebebalkenkür" vorkommt. Aber selbst dann, wenn Politik nicht nur Berufung, sondern auch Beruf wird, will sie komme was wolle - ihre Eigenständigkeit bewahren. Wilm Herlyn

    ID: LI851226

  • Porträt der Woche: Albert Leifert (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 11 - 18.06.1985

    Er ist zwar einer von vier Landwirten, die am 12. Mai in den nordrhein-westfälischen Landtag gewählt wurden, doch als berufsständischer Interessenvertreter sieht sich Albert Leifert nicht. Der im Wahlkreis Warendorf I direkt gewählte Christdemokrat entspricht keineswegs dem schablonenhaften Bild vom Bauern, das bei vielen "Städtern" noch immer existiert. Der heute 48jährige studierte Chemie und Volkswirtschaft an der Universität Münster, bevor er infolge eines tragischen Unglücksfalls in der Familie 1977 den elterlichen Hof in Drensteinfurt übernahm. Inzwischen haben viele junge Landwirte auf diesem Anwesen ihre Ausbildung absolviert.
    Während der Studentenzeit auch, Anfang der sechziger Jahre, trat Albert Leifert in die CDU ein - "es war ein spontaner Entschluß", erinnert er sich heute. Doch viel später erst beschäftigte er sich intensiver mit der Politik, stellte sich auf Orts-, Kreis- und Landesebene für Aufgaben und Ämter zur Verfügung. Seit 1979 ist der langjährige Kommunalpolitiker auch Bürgermeister der rund 11000 Einwohner zählenden Stadt Drensteinfurt im Münsterland. Bereits zehn Jahre gehört er dem Agrar-Ausschuß des westfälisch-lippischen CDU-Landesverbandes an. Auf den Vize-Vorsitz im CDU-Kreisverband Warendorf/Beckum verzichtete der neugewählte Landtagsabgeordnete nach seinem Einzug in das Düsseldorfer Landesparlament. Der Neuling auf dem landespolitischen Parkett möchte sich auf die Tätigkeitsfelder konzentrieren, wo er bereits Erfahrungen gewonnen hat: in der Kommunalpolitik, im Umweltschutz- und Agrarbereich.
    Der Münsterländer sieht es denn auch als eine seiner Aufgaben an, dazu beizutragen, daß die Eigenverantwortlichkeit der Kommunen weiter gestärkt wird. Die Landesplanung beispielsweise dürfe nicht länger "parzellenscharf" bis auf die Gemeindeebene heruntergezogen werden. Dabei nennt er ein Negativ-Beispiel aus seiner Heimatstadt: Dort konnte bei der Aufstellung des Landschaftsplanes eine schutzbedürftige Waldfläche nicht in das angrenzende Landschaftsschutzgebiet einbezogen werden, weil der rechtskräftige Gebietsentwicklungsplan für das Münsterland dies gegenwärtig nicht vorsieht.
    Für reformbedürftig hält der Drensteinfurter Bürgermeister auch die Landeszuweisungen an die Gemeinden. Wenn das Land wegen seiner gespannten Finanzlage die Mittel schon nicht erhöhen könne, so sollte ihr Umfang wenigstens mittelfristig vorausschaubar sein und die Gelder sollten während dieses Zeitraums nach den gleichen Kriterien vergeben werden. Außerdem müsse das Gemeindefinanzierungsgesetz so rechtzeitig vom Landtag verabschiedet werden, daß die Gemeinden bei der Aufstellung ihrer Haushaltspläne wüßten, "wo sie dran sind". Das ständige Manipulieren auch der Verteilungsbedingungen erzeuge große finanzielle Unsicherheiten in den Kommunen.
    Schließlich ist es für den Landwirt und Politiker Albert Leifert ein besonderes Anliegen, das Vertrauen zwischen Bauern, Naturschützern und Politikern zu stärken. "Es ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Natur- und Landschaftspflege. "Aber besonders da gebe es noch Probleme, weil viele Landwirte infolge der unklaren Grenzen der Sozialpflichtigkeit sich in ihrem Eigentum eingeschränkt fühlten. Der CDU-Abgeordnete hält es für dringend erforderlich, daß die Entschädigungsansprüche in den jeweiligen Gesetzen klar geregelt werden, "damit die Bauern sich nicht durch X Instanzen durchklagen müssen".
    Der Parlamentarier gehört zweifellos zu jenen "Neuen" in der CDU-Fraktion, die den Willen und die Fähigkeit haben, zur Erneuerung der Opposition beizutragen. Eigenschaften wie Fleiß, Ehrgeiz und Selbstbewußtsein dürften ihm dabei den Einstieg in das neue Tätigkeitsfeld erleichtern. Allerdings wird der Münsterländer künftig für sein Hobby weniger Zeit haben - die Lektüre von Biographien und historischen Büchern. Jochen Jurettko

    ID: LI851119

  • Porträt der Woche John van Nes Ziegler (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 8 - 07.05.1985

    Mit dem rapiden Abschied des 64jährigen John van Nes Ziegler von der politischen Promenade verstärkt sich der Eindruck, daß die nach-drückende Generation den Traditionsbruch pflegt, wie ihn Soziologen vornehmlich seit den 60er APO-Jahren in allen Gemeinschaften und Partien konstatieren: Die Söhne stützen die Väter nicht!
    Es waren Sozialdemokraten jüngeren Datums, die Nes Ziegler den schon geebneten Weg vom Düsseldorfer Präsidentenamt zum Sitz des Europa-Parlaments in Straßburg verbauten. Ob die Verweigerer glaubten, es handele sich um eine Alters-Apanage durch die Parteiführung, ob sie meinten, der Kandidat sei schon zu alt - einerlei! Ein Politiker starken Geblüts, jenseits aller Ideologie und Technokratie, wurde abgeblockt, auf Leistung und Persönlichkeit keine Rücksicht genommen, auch nicht auf Autorität, die zusehends in der politischen Landschaft von Bund und Ländern nebst Kommunen versandet, weil zu viele Politik nur noch als Geschäft wie jedes andere begreifen, weil zu viele Politiker sich immer mehr nur als Manager verstehen. Gesichtslose und geschichts-arme Karrierejünglinge schieben sich in allen Organisationen nach vorn. Originale werden oft durch Abziehbilder ersetzt.
    Die Popularität des Parlamentarismus steht und fällt mit einen Repräsentanten. Ein Landtagspräsident hat wenig Macht und doch große Verantwortung. John van Nes Ziegler war sich bewußt, daß sein Amt dem Landtag gehört, der allzeit Schutz und Glanz nötig hat. - Kein Staat lebt ohne Symbol, van Nes Ziegler hat dies nach unrühmlichen Schwächeanfällen seiner Vorgänger gegen alle Widerstände praktiziert, als er Zug um Zug den wie ein Kolosseum anmutenden Neubau des Landtags durchsetzte.
    Durch und durch Pragmatiker, der nicht abends rechts einschläft, um morgens links aufzuwachen, ging er seinen bemerkenswert geraden Weg: 1946, nach Heimkehr aus dem Zweiten Weltkrieg, schloß sich der 1921 in Köln geborene Patriziersohn der SPD an. Zwei Jahre später stand der Jurastudent auf der ersten politischen Plattform, und dies als Vorsitzender des Sozialistischen Studentenbundes (SDS). Kurt Schumacher und Erich Ollenhauser waren seine Chefs, Helmut Schmidt schlichtes Mitglied der sozialdemokratischen Akademiker-Quelle, die seinerzeit noch klares Waser und Solidarität spendete. Van Nes Zieglers Blick zurück: "Sonst wären wir auch rausgeflogen..."
    1956 zog der junge Rechtsanwalt in den Kölner Stadtrat ein, um auf Anhieb Fraktionschef zu werden und es bis 1973 zu bleiben. Dann löste er Theo Burauen ab, dessen Oberbürgermeister-Kette der Kölner John, seine Hamburger Urverwandten nicht verleugnend, voller Stolz sieben Jahre trug. Nur ungern und nach selbstquälerischem Erforschen der weiteren Laufbahn machte er den Stuhl des großen Stadtvaters frei. Die Konsequenz einer bis dato schon erfolgreichen Vergangenheit holten den handfesten, zuweilen auch derben Politiker ein ... Nach Heinz Kühns Wahlsieg 1966 in Nordrhein-Westfalen war van Nes Ziegler zum Landtagspräsidenten gewählt worden, ab 1970 dann für die Dauer von zehn Jahren Landtagsvizepräsident gewesen, und so bewahrte das Haus am Schwanenspiegel würdige Kontinuität, indem es 1980 abermals dem ersten Kölner Repräsentanten wiederum das erste Präsidentenamt des Parlaments einstimmig übertrug.
    Gemessen an allen seinen Vorgängern, ähnelte der Führungsstil des van Nes Ziegler dem des verstorbenen und fast schon vergessenen Wilhelm Johnen. Beide Politiker, obwohl in ganz verschiedenen Parteien zu Hause, handhabten Mehrheit im Sinne von Herrschen. Beide Männer ließen sich aber nicht von ihren. Parteifreunden den Eintopf der Majorität aufzwingen. Im Falle des Nes Ziegler ging dies so weit, daß er gegen Druck vieler Sozialdemokraten zum Pressesprecher im Landtag den engsten Mitarbeiter des am 20. April 1980 plötzlich verstorbenen Heinrich Köppler berief, ohne jenen versierten Friedhelm Geraedts persönlich näher gekannt zu haben. Mit gleicher Umsicht setzte der Präsident seinen Kandidaten für die Nachfolge des Landtagsdirektors Brentrup durch. Diesmal lief die CDU vergeblich Sturm ...
    Erfrischend, wie er alten Kurialien zu Düsseldorf schon 1966 den Bart abnahm und zur Eröffnung der neuen Legislaturperiode nicht im bis dato üblichen Bratenrock erschien ... Reformerisch, wie er etwa als plötzlich gerufener Kapellmeister sich in die fremde Partitur des Vorgängers stürzte, sie presto umkrempelte und sogleich zum großen Dirigenten wurde.
    Der arg konservativ ausgerichtete Landtag bis 1966 war stets zuerst die Arena der Regierung, die Opposition durfte Saaldienern ähnlich Eintrittskarten abreißen. Mehr Demokratie wagen, dies wurde jetzt erst zum Programm, die verstaubten Geschäftsordnungen mit ihren knebelnden Bedingungen zu Lasten der Regierungs-Kontrolleure korrigiert - so unter anderem das Recht des Oppositionsführers, gleich nach dem Ministerpräsidenten sprechen zu können: so die Pflicht, "Aktuelle Stunden" jederzeit durchzusetzen, so die Notwendigkeit des "schnellen" Antrags, so Erleichterung für Abgeordnete, in der Fragestunde jeden einzelnen Minister zu stellen. Die vielen peinigenden Vorrechte der Regierungen Amelunxen, Arnold, Steinhoff und Meyers wurden abgeschafft.
    Ganz gewiß hat John van Nes Ziegler auch seiner Hinterlassenschaft manchen Gegner überantwortet, freilich konnte auch er nicht immer im Gewände Salomons den ganz gerechten Ausgleich zwischen den streitenden Parteien finden, aber: Auch den Journalisten wird er lange im Gedächtnis bleiben als robuste, eigenwillige, nicht biegbare Natur. Weder Praline-Journalisten, die es mit Süßigkeiten versuchten, noch Pressur-Kommentatoren gab er nach. Manche Medien-Nase stieß sich an diesem Politicus, der auch ein Stück Bad Godesberger SPD-Geschichte zwei Jahrzehnte lang durchdachte, auf daß Sozialdemokraten als Bewahrer der linken Volkspartei nicht ihre Mitte im Volk einbüßen, ohne die Heinz Kühn wie auch Johannes Rau die Führung in Nordrhein-Westfalen nie gewonnen hätten.
    Horst-Werner Hartelt

    ID: LI850828

  • Porträt der Woche: Dr. Hans-Ulrich Klose (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 7 - 23.04.1985

    Je länger Hans-Ulrich Klose als eine der handelnden Personen im politischen Geschehen Nordrhein-Westfalens wirkt, je deutlicher treten die Fundamente seiner Überzeugung zutage. Das allein ist kein verwunderlicher Vorgang - bemerkenswert daran aber ist die Stärke und Kraft seiner Argumentation, die Ruhe, die er ausstrahlt. Es mag sein, daß diese Attitüde das Amt mit sich bringt - seit dem Mai 1982 ist Klose Vizepräsident des Landtages. Es mag aber auch sein, daß Klose zu den Politikern zählt, die mit der Würde und der Bürde von Aufgaben über sich selbst wachsen. Erinnerlich wird bleiben, wie er bei der Parlamentsdebatte um das WDR-Vorschaltgesetz im Februar die Erregung und den Streit um das Wort und das Widerwort glättete - mit logischen, juristischen, mit sauberen Schlußfolgerungen, sozusagen die Basis legend. Dabei nicht der Diskussion ausweichend, aber der Zwietracht, dem Hader. Gradlinigkeit, Sauberkeit und Ehrlichkeit im Denken und im Handeln sind Maxime, Richtschnur seines Lebens, Engagement in der Politik Aufgabe, für das er nicht Lob und Dank ernten will, weil es für ihn Selbstverständlichkeit ist. Mit "preußischer Wertvorstellung" wird das allgemein umschrieben - und es trifft auf Klose, den gebürtigen Brandenburger, exakt zu. Seit 1956 lebt er im Rheinland - über die Zeit davor redet er nicht gern. Schon als 17jähriger, noch vor dem Abitur, Mitglied der Ost-CDU, als Student Kontakte in Berlin zur West-CDU, Verdächtigungen, Bespitzelungen. Staatssicherheitsdienst vor der Tür, Verhaftung, Zuchthaus. Kein Geringerer als der hessische Kirchenpräsident Martin Niemöller setzt sich für Klose ein, Freilassung, Fortsetzung des Jurastudiums im Westen, Promotion, Beginn der Karriere als Richter. In der Bundesrepublik wird Klose aktiv in der Jungen Union und bei den CDU- Sozialausschüssen. Der überzeugte Protestant - seine Dissertation schrieb er über "Kirche und Staat im Lande Hessen" - sieht seine Aufgabe auch in der Kirche, und wird - zwangsläufig fast - Mitglied der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland.
    Vor Ort wirkt er am liebsten: "Es ist für mich immer noch die allerersprießlichste Politik, wenn man in seinem Gemeinwesen vor allem die sozialpolitische Entwicklung ganz maßgeblich mitbestimmen kann." Der Jurist, der Rechtsexperte seiner Fraktion, fühlt sich vor allem der Sozialpolitik verbunden. Das ist für ihn kein Widerspruch, sondern Ergänzung. Die Funktion des Rechts ist "eine reine Dienstfunktion, es ist nie Selbstzweck, sondern nur eine Hilfe, Probleme zu lösen".
    So sieht er auch seine politische Tagesarbeit. Sprechstunden hat er abgeschafft, denn "ich bin für Ratsuchende telefonisch immer erreichbar". Er wirkt gerne im stillen und widmet sich sozialen Randgruppen, die nicht jeden Tag lauthals demonstrieren, aber wirklich bedürftig sind.
    Bekannt wurde Klose durch seine scharfen Auseinandersetzungen mit dem früheren Justizminister Josef Neuberger (SPD), wobei er eine Zeitlang eher eine gewisse Neigung zum schweren Säbel denn zum leichten Florett erkennen ließ. Heute weiß er, daß "nicht nur der harte Schlagabtausch, sondern manchmal auch ein versöhnliches Wort zu besseren Ergebnissen führt". Er weiß es - und er lebt und handelt danach.
    Stetig und fleißig füllt er auch sein Amt als Vizepräsident des nordrhein-westfälischen Landtages aus. Und versteht es trotz der doppelten und dreifachen Belastungen, das nachdenkliche Gespräch mit Freunden zu suchen. Die aber wissen zu schätzen, daß er auch - nach der Arbeit - Lebensfreude nicht zu kurz kommen läßt.
    Wilm Herlyn

    ID: LI850742

  • Porträt der Woche: Richard Winkels (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 6 - 19.03.1985

    Vizepräsident des Landtags ist Richard Winkels seit fünf Jahren, und er ist es gern. Auf dem elften Listenplatz seiner Partei abgesichert, hofft der SPD-Politiker, auch nach der Wahl am 12. Mai seine Arbeit im Parlamentspräsidium fortsetzen zu können. Dort gibt es aus seiner Sicht noch viel zu tun: Das Ansehen der Abgeordneten in der Öffentlichkeit sei zu verbessern. Ohne Verklausulierungen geht er die Ministerialbürokratie an, die oft ihre Informationsvorsprünge dazu nütze, die Kontrollaufgaben des Parlamentes zu unterlaufen: "Die Ministerialbeamten machen uns zu viele unnötige Schwierigkeiten."
    Mit der Arbeit des Parlaments in der jetzt auslaufenden Wahlperiode zeigt sich der Vizepräsident recht zufrieden, sie sei in den vergangenen fünf Jahren "sehr diszipliniert" abgelaufen. Ob das künftig - mit drei oder vier Fraktionen im Landtag - so bleibt, dazu äußert er sich zurückhaltend: "Das könnte anders werden."
    Daß es im Wahlkreis 100 zu wesentlichen Änderungen kommen wird, davon geht er realistischerweise nicht aus. Im konservativen ostmünsterländischen Kreis Warendorf dürfte sein CDU-Gegenkandidat Heinrich Ostrop erneut das Direktmandat erringen. Zweimal zog Winkels als "Nachrücker" ins Parlament, 1961/62 für acht Monate und 1968. Bei allen Wahlen seit 1970 erhielt er einen sicheren Listenplatz.
    In seiner Heimatstadt Warendorf ist Richard Winkels fest verwurzelt. 1920 im nahen Beelen als Sohn des Bahnhofsvorstehers geboren, wuchs er "in der Obhut des katholischen Ortspfarrers" auf, war im Krieg Marineoffizier und arbeitete 20 Jahre lang als Lokalredakteur in Warendorf, wo er 1968 Leiter des städtischen Amtes für Sport, Verkehr, Presse und Öffentlichkeitsarbeit wurde. Seit 1950 Mitglied der SPD, nahm er in den folgenden Jahrzehnten viele lokale und regionale Parteiämter wahr.
    In der Leitung von großen Sitzungen ist Richard Winkels nicht erst seit 1980 geübt. Seit über 20 Jahren ist er Präsident der "Warendorfer Karnevalsgesellschaft von 1856 , deren närrischen Sitzungen er regelmäßig präsidiert.
    Noch größer als seine Liebe zum Karneval ist offensichtlich sein Engagement für den Sport. Nicht ohne Stolz berichtet er, daß Warendorf in den letzten Jahrzehnten durch sein Mitwirken bundesweit als "Stadt des Sports" bekannt geworden ist. Heute ist die nur 33000 Einwohner zählende Kreisstadt Sitz des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei, der Deutschen Reitschule, des Landesgestüts und der Sportschule der Bundeswehr. Als langjähriger Geschäftsführer des Verbandes der Modernen Fünfkämpfer trug er dazu bei, daß Warendorf ein Leistungszentrum für diese Minderheiten-Sportart erhielt, in dem bereits zweimal Weltmeisterschaften ausgetragen wurden.
    Leistungssport hat Winkels selbst nie betrieben, in der Schule sei er jedoch "im Sport recht gut" gewesen. Im politischen Bereich erkannte er schon recht früh die Bedeutung des Sports, gab Anstöße zu den ersten Sportkonferenzen und Sportprogrammen der SPD. Seit Beginn seiner parlamentarischen Laufbahn gehört er dem Sportausschuß des Landtags an, dessen Vorsitzender er seit zehn Jahren ist. Daneben hat er sich im Petitionsausschuß engagiert, wozu ihn der enge Kontakt mit vielen Bürgern gebracht hat, die bei ihm Rat und Hilfe im Umgang mit Behörden suchten.
    Durch die wachsende Freizeit sieht Winkels neue Aufgaben auf den Sport zukommen, an ihrer Bewältigung will er in den kommenden fünf Parlamentsjahren mitarbeiten. Dafür fühlt er sich "fit und jung" - im Juli wird er 65 Jahre alt. Was bedeutet ein mehr als drei Jahrzehnte währendes Politikerleben für die eigene Familie? Richard Winkels wird nachdenklich. Seine vier Kinder hat er zwar bewegen können, der SPD beizutreten, politisch aktiv betätigt sich jedoch keines von ihnen. Er mutmaßt die Gründe: "Sie haben hautnah miterlebt, wie sehr die politische Arbeit das Familienleben beeinträchtigt."
    Ludger Audick

    ID: LI850607

  • Porträt der Woche Karl Nagel (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 5 - 12.03.1985

    Politisches Wirken ist für ihn keine "todernste Aufgabe" - im Gegenteil, ein Schuß Humor sei oft unentbehdich, meint Karl Nagel, CDU-Landtagsabgeordneter aus Borken. Und so hat der gebürtige Raesfelder sein "obligatorisches Döneken" auf einer Sitzung des Kreistages ebenso parat wie vor der Landtagsfraktion. Und solch ein meist aktueller wie tiefgründiger Witz hat schon oft eine gespannte Atmosphäre gelöst, brachte selbst verkrampfte Ideologen zum Schmunzeln.
    Dieser Wesenszug (wie übrigens etliche andere) unterscheidet den heute 56jährigen Christdemokraten von zahlreichen Politikern der eigenen und anderer Parteien der folgenden Generationen, von jenen kühlen Technologen und Karriere- Strebern. Karl Nagel zählt zur sogenannten Kriegsgeneration, und als er aus der Gefangenschaft zurückkehrte, schloß er sich schon acht Tage später der CDU an. "Die bittere Erfahrung des Machtmißbrauchs in der Nazi-Diktatur und die Absicht, am demokratischen Wiederaufbau mitzuwirken, veranlaßten mich dazu." Doch zunächst schlug er parteipolitische Ämter aus, schuf für sich und seine spätere Familie eine wirtschaftliche Existenz, die ihn auch unabhängiger machte: Abitur, Studium, Lehrerprüfungen und schließlich Rektor an einer Hauptschule.
    Das erste Mandat übernahm Kari Nagel 1964, er kam in den Borkener Kreistag und wurde CDU-Fraktionsvorsitzender. Dieses Amt übt er übrigens noch heute aus. Der Kommunalpolitik will der Münsterländer auch weiterhin verbunden bleiben, "weil man als Landtagsabgeordneter dann auf dem Teppich bleibt". Nützlich sei dieses Doppelmandat auch wegen der engen Verzahnung von Kommunal- und Landespolitik. Dem Landtag gehört der Abgeordnete seit 1966 an und engagiert sich seitdem insbesondere für die Kultur- und die Schulpolitik. In den großen schulpolitischen Debatten der 60er und 70er Jahre trat er als entschiedener und glaubwürdiger Fürsprecher jener auf, die während der damaligen sozial-liberalen Bildungseuphorie das Nachsehen hatten, die Hauptschüler. Aber auch anderen Stiefkindern, wie den Berufsschülern und den Kindern der ausländischen Arbeitnehmer, gilt noch heute sein Engagement. Natürlich ist es für einen solchen Abgeordneten "bitter", fast zwanzig Jahre Schulpolitik auf den Bänken der Opposition machen zu müssen, räumt Karl Nagel ein - "wo man nicht gestalten, nur die Regierung angreifen und kontrollieren kann". Trotzdem: Der Oppositionsabgeordnete erfuhr auch "Erfolgsedebnisse" während dieser Zeit allerdings nicht im Landesparlament, sondern durch die münsterischen Verfassungshüter. Als drei "markante Punkte" nennt er das erfolgreiche Volksbegehren gegen die von der früheren SPD/FDP- Koalition geplanten Kooperativen Schulen sowie die Verfassungsklagen gegen das Ersatzschul-Finanzierungsgesetz und das Gesamtschulgesetz.
    Neben diesen parlamentarischen Aktivitäten hat der ausdauernde CDU-Abgeordnete im letzten Jahr noch eine weitere Aufgabe übernommen. Nach dem freiwilligen Verzicht seines langjährigen Parteifreundes Heinrich Ostrop übernahm er den Vorsitz im gewichtigen CDU-Bezirksverband Münsterland. Sein Anliegen ist es, das Gewicht dieses mitgliederstarken und von einem großen Zusammengehörigkeitsgetübl geprägten Verba nöes in die Landes-CDU einzubringen, programmatisch wie aber auch personell. Die persönliche Ausgeglichenheit dürfte ihm von Nutzen sein.
    Doch das Porträt dieses Abgeordneten wäre unvollständig, würde man es nur auf den großen politischen Wirkungsradius von Karl Nagel beschränken. Für den passionierten Pättkesfahrer gibt es noch andere gewichtige Lebensbereiche. Da ist seine Familie mit fünf Kindern, und da sind jene vier Morgen Land. Der "Hobby- Nebenerwerbslandwirt", wie ersieh gern bezeichnet, ist stolzer Besitzer von Hühnern und Schafen, und eines Tages möchte er auch Weinreben pflanzen. Sympathische Züge eines Mannes, den die Politik nicht zu ihrem Untertan gemacht hat.
    Jochen Jurettko

    ID: LI850537

  • Porträt der Woche: Rainer Maedge (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 4 - 05.03.1985

    Kölner Klüngel? Da kann Rainer Maedge nur lachen. Bitte schön, wer das dicht verwobene Beziehungsgeflecht zwischen Politikern, Verwaltung und ehrbaren Bürgern kreuz und quer durch alle Parteien und Interessengruppen so nennen will der Kölner hat nichts dagegen. Ärgern tut es ihn jedenfalls nicht. Wie er denn seine Rolle in dem Kölner Klüngel sehe? Rainer Maedge redet da nicht lange rum: "Ich kenne viele, rede mit vielen, bewege viel mit wenig Auseinandersetzungen" - so einfach ist das.
    Daß die CDU beispielsweise bei der vorjährigen Kommunalwahl in Köln bös auf die Nase fiel, die SPD sich aber trotz 10,8 Prozent für die Grünen glänzend behauptete, ist, wenn man so will, Erfolg Kölner Klüngelei ä la SPD - und Reiner Maedge setzt ganz ruhig und selbstverständlich hinzu: "Und ich bin der Vorsitzende der Kölner SPD."
    Seit ein paar Wochen ist er auch Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im nordrhein-westfälischen Landtag, Nachfolger in diesem Amt von Hilmar Selle, dem der Empfang der inzwischen berühmt-berüchtigten Briefumschläge aus dem Hause Flick zum politischen Verhängnis wurde. Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses, das ist schon ein recht einflußreicher Posten. Wie Maedge es wurde, ist "typisch Maedge": Nach ein paar Gesprächen hinter den Kulissen still und selbstverständlich. "Ich wollte das machen", sagt er einfach. Und so wurde er es eben.
    Wer etwas vom politischen Geschäft hierzulande versteht, der weiß, daß jahrelange Knochenarbeit nötig ist, bis es so flutscht. Der 1944 in Leipzig geborene Maedge, der so gern verschmitzt die Augen klein macht und unter seinem Schnurrbart lächelt, hat diese Knochentour nach der Flucht aus der DDR und der mittleren Reife beruflich im Kölner Rathaus, politisch in der SPD- Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen hinter sich gebracht. Die Kindheit und Jugend in der DDR hat ihn geprägt, die Schikanen, denen sein Vater ausgesetzt war, sind noch immer unvergessen. Ganz ohne Pathos sagt er deshalb: "Die Freiheit ist unser größtes Gut." Nur: Von Freiheit allein kann der Mensch nicht leben. Maedge sagt deshalb auch: "Ein Mensch ohne Arbeitsplatz ist nicht mehr frei, ein drohender Verlust des Arbeitsplatzes bedroht auch die Freiheit." So ist es nur logisch, daß der neue Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit als Thema Nr. 1 aller Politik betrachtet, wohl wissend, daß Landtagsabgeordnete - und seien sie noch so engagiert bei der Sache - in einer privatwirtschaftlich-kapitalistischen Wirtschaftsordnung wenig bewirken können. Es sei denn: im öffentlichen Dienst des Landes. Aber da hat Finanzminister Diether Posser schon längst angesichts leerer Kassen die Notbremse gezogen.
    Rainer Maedge ist auch stellvertretender Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion. Vorsitzender will er nicht werden, falls Karl Josef Denzer nach dem 12. Mai auf den Sessel des Parlamentspräsidenten wechselt - vorausgesetzt, die Wähler machen die SPD wieder zur stärksten Fraktion. "Ich bin ein Farthmann-Mann", ordnete sich Maedge ungefragt in die politischen Strömungen innerhalb der Mehrheitsfraktion ein. Er würde deshalb auch im Fall des Falles Friedhelm Farthmann zum Fraktionsvorsitzenden mitwählen.
    Doch das sind noch ungelegte Eier, über die sich kaum zu gackern lohnt. Erst einmal kommt jetzt der Wahlkampf. Rainer Maedge hat auch da Erfahrung, war er es doch schließlich, der 1980 als Landesgeschäftsführer jenen Wahlkampf organisierte, der der SPD zum ersten Mal die absolute Mandatsmehrheit im Düsseldorfer Landtag bescherte. Zwei Jahre lang hatte er neben seinem Abgeordnetenmandat diesen Job gemacht, still, nachdrücklich und sehr effizient. Über alte Kamellen mag er heute nicht mehr reden. Die - wie er es untertreibend nennt - "kleine Krise" im Landesbüro, die den Vorstand damals bewog, Maedge als Landesgeschäftsführer in das Parteibüro in der Düsseldorfer Elisabethstraße zu entsenden, war jedenfalls nach kurzer Zeit überwunden, ohne daß es - zumindest "nach draußen" großen Krach gegeben hätte. Das ist zwar nun schon fünf Jahre her - aber in der Partei ist das noch unvergessen.
    Neben seiner Arbeit in Fraktion und Partei ist Rainer Maedge noch immer beschäftigt beim Verband kommunaler Unternehmen in Köln. "Referent" steht etwas allgemein (vielleicht auch ein bißchen bewußt verschleiernd) im Handbuch des Landtages. Maedge ist da mit zuständig für Personal und Organisation, Personalstruktur und -Verwendung - und was da noch alles dranhängt. Da gibt es allerlei zu reden und zu bewegen, um seine Interpretation des Begriffs vom Kölner Klüngel noch einmal aufzunehmen. Rein finanziell gesehen, stände er sich als Vollzeitpolitiker kaum schlechter als jetzt. Aber, sagt er, das nicht-politische Standbein in Köln gebe ihm die Freiheit, "jederzeit Götz von Berlichingen zu zitieren", wenn er mal genug habe von der Politik. Aber bis dahin wird noch viel Wasser von Köln nach Düsseldorf durch das Rheinbett fließen. Rainer Maedge wurde in diesem Monat erst 41 Jahre alt. Und wer ihm im Landtag oder in Köln begegnet, merkt schnell, daß er an alles Mögliche denkt - nur nicht in puncto Politik an Götz von Berlichingen...
    Reinhard Voss

    ID: LI850427

  • Porträt der Woche: Uwe Herder (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 3 - 12.02.1985

    Ein Stück steht er schon im Windschatten von Johannes Rau, in dem sich optimistisch Wahlkampf machen läßt. Seinen Wahlkreis hat Uwe Herder in der Nachbarschaft der Privatwohnung des Ministerpräsidenten - und einen Vorsprung von 3,2 Prozent gegenüber seinem "guten Gegenkandidaten" Dr. Hans Jürgen Lichtenberg (CDU) seit den letzten Kommunalwahlen. Und: Es macht ja Spaß, im Landtag zu sitzen, meint Herder. Es wäre schade, wenn er in den kommenden fünf Jahren nicht an den Beratungen zu Verkehrsthemen teilnehmen könnte. Nach einem Jahr "Mund halten" hat sich der Verkehrsbauingenieur ganz auf das Spezialgebiet Verkehr konzentriert - und weitgehend beschränkt. Das Fazit seiner ersten Sitzungsperiode im Düsseldorfer Landtag: Wenn man erst einmal die Strukturen kennt, wenn man weiß, wie überhaupt ein Gesetz zustande kommt, läßt auch das Gefühl von Ohnmacht nach.
    Als blutiger Laie ging der Sozialdemokrat 1980 nicht an den Schwanenspiegel, nachdem er 1975 am Pech der Stichwahl gegen seinen CDU-Mitbewerber scheiterte. Der ehemalige Wuppertaler Juso-Vorsitzende saß und sitzt im Stadtrat Wuppertals und ist dem "bergisch Pepita" der Kommunalpolitik vor Ort eng verbunden. Gerade diese Doppelfunktion ist ihm "ungeheuer wichtig". Wer das Gefühl für kommunale Bedürfnisse nicht habe, sollte nicht "von oben in die Landespolitik einfliegen". Während sich Herder beruflich und im Landtag mit U-Bahn-Bau, Flughäfen oder Landstraßen befaßt, vertritt er zudem im Rat der Heimatstadt mitunter weit weniger reibungslose Dinge. Das Engels- Denkmal zum Beispiel, das inzwischen seine Skandalkraft verloren und lokalpolitische Possenspiele überstanden hat. Er hat wieder ein Denkmal, verrät er. Diesmal für Else-Lasker-Schüler-ebenfalls Wuppertalerin, oder besser in Elberfeld geboren. Einen Platz hat er bereits. Natürlich an einer Straßenkreuzung. Nur der Künstler wird noch gesucht.
    Spannung ist vorprogrammiert in der zweifachen Rolle, hat Herder in den letzten fünf Jahren erfahren. Zwar empfindet er es als gut und nützlich, daß man abends nach Hause zurückkommt - also auch zu den Wählern. Hier unterscheide sich Düsseldorf von Bonn. Aber begreiflich zu machen, daß man als Vertreter seiner Stadt im Landesinteresse gegen "die eigenen Leute" Entscheidungen fällt, ist schwer zu vermitteln. So beim Gemeindefinanzierungsgesetz, dem er auch in den Einschnitten zustimmte, obwohl seine Heimatstadt dagegen Sturm läuft. Landtagsarbeit ist ein Stück "Kirchturmspolitik", schließt er daraus. Und sie schafft die Einsicht, daß es auf Landesebene ein Regulativ geben muß.
    Die Perspektive für das übergeordnete Regulativ am Rhein ist für die kommenden Jahre nicht einfach vorherzusehen. Die Grünen kommen - mit deutlich artikulierten Vorstellungen und Forderungen, gerade auch in Bereichen, die zu Herders Beritt zählen. Zwar prognostiziert der 42jährige den eigenen Genossen eine Mehrheit der Mandate im neuen Landtag nach dem 12. Mai. Nicht aber die absolute Mehrheit der Stimmen - auch "wenn ich sie erhoffe", wie es sich für einen Wahlkämpfer dreieinhalb Monate vor dem Urnengang gehört. Für die Rücksicht auf das gestiegene Umweltbewußtsein in der Bevölkerung habe er sich schon sehr früh ausgesprochen, wenn ihm dies Kritiker in Wuppertal auch nicht so ganz abnehmen wollen und ihn an ein Landstraßenprojekt erinnern, das durch eines der größten Naherholungsgebiete im Bergischen Land führen sollte.
    Bei der Ökologenpartei sieht er "grundsätzlich" Gleichklang der politischen Seelen in vielen Fragen, aber keine Chance zur Verwirklichung konkreter Konzepte. Im öffentlichen Nahverkehr, bei der Bundesbahn, beim Straßenbau "mit gebremstem Schaum" oder beim Ausbau von Radwegenetzen entdeckte er Gemeinsames. "Aber es hapert an den Maximalforderungen", an zu vielen Illusionen und an mangelnder Kompromißbereitschaft. Eine Koalition hält der gebürtige Königsberger daher für undenkbar und ausgeschlossen. Nicht nur aus Parteiräson. Bonn gebe dafür das beste Beispiel. Für den Fall der Fälle kann Herder in seiner zweiten politischen Funktion dennoch Fingerübungen machen. Die Fäden laufen wieder zurück nach Wuppertal. Dort gab es nach den Kommunalwahlen die erste grüne Bürgermeisterin in der Bundesrepublik.
    Stephan A. Heuschen

    ID: LI850324

  • Porträt der Woche: Hans Wichelhaus (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 2 - 05.02.1985

    Die Arbeit als Landtagsabgeordneter macht ihm Freude - im Düsseldorfer Parlament ebenso wie "draußen" in seinem Wahlkreis, dem Oberbergischen Kreis. Für den CDU-Abgeordneten Hans Wichelhaus aus Gummersbach ist Politik kein "mühseliges Geschäft", die Ausübung ist vielmehr eine "willkommene Chance", für die Gemeinschaft etwas positiv bewirken zu können. Dabei sucht der Landrat des Oberbergischen Kreises auch das Gespräch mit seinen politischen Gegnern - und,, weil ich Im Grunde ein kontaktfreudiger Mensch bin", fällt es dem heute 66jährigen auch nicht schwer, oft menschliche Brücken zu schlagen.
    Drei Aufgaben fühlt sich der CDU-Politiker besonders verpflichtet: den Bürgern bei Schwierigkeiten mit den Behörden zu helfen, bis hin zur Unterstützung von Petitionen an den Landtag. Die Interessen der Kommunen seines Raumes bei den Düsseldorfer Ministerien zu vertreten. Und schließlich als Mitglied des Ausschusses für Landesplanung und Verwaltungsreform an der die Gemeinden berührenden Gesetzesgebung intensiv mitzuwirken.
    Als "bergischer Junge" kennt Wichelhaus vor allem die Strukturprobleme dieses Raumes; seine Bemühungen um eine Verbesserung der Wirtschaftskraft des Oberbergischen Kreises tragen Früchte. Und er versucht auch, die finanziellen Härten bei der in Landgemeinden besonders kostenträchtigen Abwasserfrage auszugleichen. Andererseits sieht der CDU-Politiker es auch als persönliches Anliegen, dörfliche Strukturen zu erhalten, wo "die Nachbarschaftshilfe noch kein Fremdwort ist". Von ausgeprägter liberaler Grundhaltung bedauert er den immer lauter werdenden Ruf nach dem Staat in schwierigen Situationen. "Der Bürger muß erkennen, daß dies eine Einschränkung seiner persönlichen Freiheit zur Folge hat." So tritt Wichelhaus für ein "sehr sorgfältiges Abwägen"zwischen erforderlichen Ausgleichsfunktionen des Landes und "dem, was Bürger leisten können", ein. Der Abgeordnete stieß erst spät zur Politik - 1964. Dazu er selbst: "Es war typisch für die Kriegsgeneration, daß sie sich infolge eines gewissen Maßes an Skepsis zunächst zurückhielt." Doch dann folgte der Aufstieg sehr rasch: Noch im selben Jahr kam er in den Stadtrat von Gummersbach und in den Oberbergischen Kreistag. Zwei Jahre später wählte man ihn zum CDU-Vorsitzenden und seit 1969 steht er dem Kreistag als Landrat vor.
    1975 erstmals in den Landtag gewählt, gehört Wichelhaus seit Beginn der laufenden Legislaturperiode auch dem Präsidium des Düsseldorfer Landesplenums an. Die Delegierten seiner Partei haben ihn inzwischen erneut zu ihrem Kandidaten für die bevorstehenden Landtagswahlen gewählt. Die erfolgreiche Arbeit in Düsseldorf wie im Wahlkreis dürfte mitentscheidend gewesen sein - und eben jenes "Brückenschlägen". "Das Wort ,absolut' gibt es für mich nicht", sagt er von sich.
    Seitdem der Vater von drei inzwischen erwachsenen Kindern die Politik als eine persönliche Aufgabe sieht, treten andere Neigungen in den Hintergrund. Dazu gehört vor allem die Literatur, besonders die klassische. Der Radius reicht von Dostojewski bis Rilke. "Mit den Modernen tue ich mich etwas schwer", gesteht er. Allerdings trifft dies offensichtlich nur für die Literatur zu.
    Jochen Jurettko

    ID: LI850234

  • Porträt der Woche: Gerhard Brock (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 1 - 22.01.1985

    Er gehört der "Kriegsgeneration" an und war dann bis September 1949 in sowjetischer Gefangenschaft - diese für viele Deutschen schweren, entbehrungsvollen Jahre haben auch Gerhard Brocks weiteren Lebensweg wie dessen Einstellung zu seiner Umwelt geprägt. Der CDU-Landtagsabgeordnete aus dem niederrheinischen Kleve schätzt keine spektakulären Auftritte und vermeidet auch wahlträchtige Versprechungen. Seine Worte sind abwägend und daher um so glaubwürdiger.
    Diese Charaktereigenschaften sind sicherlich auch begründet in der Herkunft, in den bodenverwurzelten Handwerker-Generationen, aus denen der selbständige Schneidermeister stammt. Als der Spätheimkehrer im Herbst 1949 wieder zu Hause war, schloß er sich sofort der Jungen Union an und trat später der CDU bei. Wie schon früher sein Vater für das Zentrum, so engagierte auch ersieh in den folgenden Jahren für die Union. Bereits 1956 wurde Gerhard Brock in den Kreistag gewählt und 1961 als 38jähriger zum Landrat dieses niederrheinischen Kreises. Dieses Amt bekleidete der Christdemokrat übrigens bis zur Gebietsreform 1974 und wurde dann stellvertretender Landrat des neugeordneten und vergrößerten Kreises.
    Sein Hauptbetätigungsfeld ist verständlicherweise denn auch die Kommunalpolitik - und nicht nur auf Kreisebene. Bei mehreren Unterbrechungen gehört der Parlamentarier seit 1961 auch dem Stadtrat seines Heimatortes an und wurde nach der letzten Kommunalwahl im Herbst sogar zum Bürgermeister der rund 45000 Einwohner zählenden Stadt gewählt. Damit anerkannte der Rat auch das große erfolgreiche Engagement Brocks für diese ehedem geschichtsträchtige Stadt. Seit seinem Einzug in den nordrhein-westfälischen Landtag 1970 bemüht sich der Niederrheiner auch um einen engen Kontakt zwischen Land und Kommunen, "denn die Entscheidungen in Düsseldorf beeinflussen entscheidend die Gemeinden".
    So könne beispielsweise das aktuelle wie drängende Problem des Umweltschutzes weder vom Land noch den Kommunen allein gelöst werden. Und im noch landwirtschaftlich stark geprägten Kreis Kleve drängt sich auch die Frage des Landschafts- und Naturschutzes besonders auf. Der Christdemokrat zählt zu jenen realistischen Politikern, die sich um einen vernünftigen Ausgleich zwischen den Gesamtinteressen des Landes und den Erfordernissen der Bauern bemühen, "die ja hier leben und ihre Existenz behalten müssen". Das gleiche gilt auch für die bessere Qualität von Flüssen und Luft. Sie müsse zwar gesteigert werden, doch dürfe dieses Ziel nicht durch den Verlust von Arbeitskräften erreicht werden. "Und wir müssen dem Bürger offen sagen, daß eine hohe Lebensqualität auch mehr Geld kostet." Als "grenznaher" Politiker und Mitglied der Regio Rhein/Maas tritt Gerhard Brock schon seit vielen Jahren für den Ausbau der Kontakte zu den Niederländern ein, von denen übrigens rund 11000 im Kreis Kleve wohnen. Insbesondere liegen ihm die menschlichnachbarschaftlichen Verbindungen am Herzen. Dank seines persönlichen Einsatzes fand jüngst ein deutsch-niederländisches Senioren-Treffen statt, das in gegenseitigen Patenschaften von Altenstuben weitere Früchte tragen dürfte. Für den CDU-Abgeordneten eröffnet sich mit diesen Patenschaften auch ein neues Betätigungsfeld für die älteren Mitbürger.
    "Es lohnt sich Politik zu machen für den Kreis wie auch für das Land", resümiert der Parlamentarier über sein fast 15jähriges Wirken in Düsseldorf. Und bei dieser Tätigkeit kennt Gerhard Brock keine "regionalen Scheuklappen", denn "die Probleme der Ballungsräume müssen auch unsere sein". "Wenn es den Menschen dort gutgeht, profitiert davon das ganze Land."
    Anregungen für seine politische Tätigkeit gehen nicht selten auch von seiner Familie aus, von denen zwei der vier Kinder übrigens schon verheiratet sind. Die Familie ist für Gerhard Brock auch der ruhende Pol in seinem arbeitsreichen Leben.
    Jochen Jurettko

    ID: LI850154

  • Porträt der Woche: Ilse Ridder (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 21 - 18.12.1984

    Ihr schlechtes Gewissen, das sie manchmal plagt, verhehlt sie nicht. Ganz selbstverständlich und ohne Pathos benutzt Ilse Ridder auch das Wort "leiden", wenn man sie fragt, wie sie ihre Aufgabe als Mutter zweier Kinder mit den zeitraubenden Pflichten einer Landtagsabgeordneten unter einen Hut bringt. Früher, als die beiden jetzt dreizehn- und achtzehnjährigen Söhne noch kleiner waren, war das für sie noch bedrückender als heute, gibt die Abgeordnete aus Coesfeld freimütig zu und schickt dann schnell - als habe sie eine Rechtfertigung nötig - den Satz hinterher: "Aber meine Söhne sehen auch, daß diese Aufgabe in der Politik mir etwas bringt."
    Das ist so einer der Unterschiede zwischen Müttern und Vätern in der Politik: Zumindest sagen es die Mütter offener, daß sie unter der Doppelaufgabe leiden, daß es sie anstrengt - nicht nur körperlich. Ilse Ridder ist allerdings weit davon entfernt (Norbert Blüms Vision von der "sanften Macht der Familie" folgend) die Politik an den Nagel zu hängen. Nicht umsonst ist die gebürtige Oberschlesierin mit dem westfälischen Akzent, der immer dann hörbar wird, wenn sie sich ereifert, unlängst fast einstimmig wieder zur Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen in der nordrhein-westfälischen SPD wiedergewählt worden. Das Vertrauensvotum ist für Ilse Ridder eine Aufforderung, mit noch mehr Nachdruck für die Interessen der Frauen "zu kämpfen". Und da fehlen ihr in der Männerpartei SPD wahrhaftig nicht die Arbeitsfelder. Daß es nur sechs Frauen in der Fraktion gibt, es zur Zeit auch nicht so aussieht, als ließe sich dieser Mini-Anteil wenigstens verdoppeln in der nächsten Legislaturperiode - für die AsF-Vorsitzende ist das kein Anlaß für Klagen und Resignation. Was hülfe das auch, fragt sie, ohne eine Antwort zu erwarten. Die Vertretung der Frauen in den Parlamenten, eigentlich ihre Nicht-Vertretung, spiegele eben die gesellschaftliche Wirklichkeit auch außerhalb der Parlamente wider. Und die zu ändern sei ein langer, mühsamer Weg.
    Wer wüßte das besser als die Vorsitzende der SPD-Frauen, die ihresgleichen weder in der Runde der Staatssekretäre noch gar im Kabinett des Ministerpräsidenten Johannes Rau finden. Dabei ist es für Ilse Ridder gar keine Frage, daß Fragen trotz allen gegenteiligen Sonntagsgeredes der Männer die Probleme der Frauen in Familie, Gesellschaft, Politik, einfach überall zumindest besser verstehen, darstellen können als die Männer. Ilse Ridder ganz lakonisch: "Das ist einfach eine Frage der Betroffenheit - und Frauen sind nun einmal mehr von den Benachteiligungen in der Gesellschaft betroffen als Männer." Die lange Latte der Beweise für diese These soll hier nicht noch einmal aufgerichtet werden, an Beispielen fehlt es der streitbaren Abgeordneten jedenfalls nicht. Aber zu klagen ist eben nicht ihre Sache. Sie selbst bezeichnet sich als einen "aktiven Typ", der sich immer "voll einsetzt". Anderenfalls wäre sie wohl auch nicht schon mit 28 Jahren Fraktionsvorsitzende der SPD im Stadtrat von Coesfeld geworden. Mit Hilfe eines "Frauenbonus"? Ilse Ridder weist diese Frage zurück: "Ich habe hart gearbeitet dafür in Partei und Fraktion. "Als sie den Sprung an die Coesfelder Fraktionsspitze schaffte, war sie gerade sechs Jahre Sozialdemokratin. Warum sie überhaupt in die Partei gegangen sei? Ilse Ridder machte da keine großen Worte, sucht nicht nach eindrucksvollen Erklärungen. Sie sagt vielmehr einfach: "Ich war nicht mehr ausgelastet, ich wollte etwas tun" - und dabei kam für sie, die gerade ein Jahr zuvor ihr Abitur gemacht hatte, ohne viel nachzudenken eben nur die SPD als Betätigungsfeld in Frage.
    Seit Anfang 1977 sitzt sie im Düsseldorfer Landtag. Hier beackert sie die Themen, die ihr schon in der Coesfelder Kommunalpolitik am meisten am Herzen gelegen haben: Verkehrspolitik, Städtebau, Wohnungspolitik. Ein weites Arbeitsfeld, in dem die sozialdemokratische Abgeordnete als "Hauptgegner" sozusagen des Deutschen liebstes Spielzeug ausgemacht hat: Das Auto. Erst das Auto, dann der Mensch - für Ilse Ridder ist es schon ein Erfolg, daß diese Reihenfolge in ihrer Partei zumindest in der Programmatik nicht mehr gilt. Schlagworte wie die "menschliche Stadt" oder was es da ähnliche Slogans mehr gibt, betrachtet sie mit Mißtrauen. Viel wichtiger ist es für sie, daß zu Hause in Coesfeld beispielsweise drei Ortsdurchfahrten "zurückgebaut", also verschmälert, werden für die Autos. Oder besser: gegen die Autos, für die Menschen.
    Diese Politik der kleinen Schritte - längst hat sie gelernt, daß mehr nicht machbar ist - will Ilse Ridder auch in der nächsten Legislaturperiode weitermachen. Das "schwarze" Coesfeld kann sie als Direktkandidatin nicht für die SPD erobern. Aber als Mensch, als Frau und als Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen wird sie diesmal mit ganz vorn auf der SPD-Kandidatenliste abgesichert. Noch hofft sie, daß dies noch mehreren anderen Frauen von der Männer- Mehrheit in der Partei zugestanden wird. Schließlich hat kein Geringerer als Willy Brandt die SPD aufgefordert, mehr Frauen in die Parlamente zu entsenden. Mal sehen, lächelt sie leise, was das Wort des Vorsitzenden wert ist in den Delegiertenkonferenzen ...
    Reinhard Voss

    ID: LI84210C

  • Porträt der Woche: Doris Altewischer (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 20 - 04.12.1984

    "Wenn Nordrhein-Westfalen heute im Behindertenbereich nicht ganz schlecht dasteht, dann darf sich die CDU-Fraktion einen Teil dieses Erfolges anrechnen", meint Doris Altewischer im Gespräch. Daß sie selber es war, die vor allem auf dem Gebiet der Sonderschulen immer wieder gedrängt und schließlich "einiges vorangebracht" hat, verschweigt die Unionspolitikerin bescheiden. Ihr Engagement ging so weit, daß ihre Parlamentskollegen für sie den Spitznamen "Miß Sonderschule" erfanden und die SPD-Abgeordnete Ingeborg Friebe respektvoll witzelte: "Was brauchen wir auf dem Sektor ein Gesetz - wir haben doch Frau Altewischer."
    Die heute 55jährige gehört zu den Stillen im Land. Sie hält mehr Kontakt mit den Kleinen als mit den Großen. Auch nach 18jähriger Zugehörigkeit zum Parlament gibt sie zu, daß sie noch immer vor jeder Rede Lampenfieber hat.
    Dabei wollte die Unionsdame ursprünglich Schauspielerin werden. Doch dann entdeckte die Tocher eines Journalisten und aktiven Zentrumspolitikers, der im Dritten Reich verfolgt, inhaftiert und mit Berufsverbot bestraft worden war, ihr soziales Engagement. Vor allem behinderten Mitbürgern, die selber nicht für ihr Recht eintreten können, gehörte ihr Mitgefühl. Tief religiös, zog Doris Altewischer die Konsequenz.
    Sie vertauschte den Schauspielunterricht mit dem Lehrerseminar und studierte an der Pädagogischen Hochschule in Dortmund, in Weilburg in Hessen und an der Abteilung für Heilpädagogik in Köln, machte 1953 ihr erstes und 1956 ihr zweites Lehrerexamen, bestand das Montessori-Diplom und die Sonderschullehrerprüfung. Sie unterrichtete Lernbehinderte und Zöglinge in Fürsorge-Erziehungsheimen. Schließlich kam die sozial engagierte Pädagogin Mitte der sechziger Jahre an das Westfälische Institut für Jugendpsychiatrie und Heilpädagogik in Hamm.
    Während ihrer Ausbildung wurde Doris Altewischer klar, daß sie für ihre Schützlinge nur etwas erreichen konnte, wenn sie den politischen Weg einschlug. 1961 trat sie der Union bei. Danach ging es mit ihrer politischen Karriere schnell voran. "Ich habe nie ein Amt angestrebt. Die Posten sind mir immer zugefallen", erinnert sich die CDU-Politikerin heute. Noch im gleichen Jahr ihres Parteieintritts wurde sie zur Landesbeauftragten der Jungen Arbeitnehmerinnen im CDU- Landesverband Westfalen-Lippe gewählt und dadurch in den Landesvorstand der CDU-Sozialausschüsse. 1964 wurde sie für den stellvertretenden Vorsitz ihrer Landespartei von Hermann- Josef Dufhues vorgeschlagen und mit großer Mehrheit gewählt. Die Nominierung auf der Reserveliste als Nummer eins der westfälisch-lippischen Frauen ergab sich dann bei der nächsten Landtagswahl fast von selbst. Seit 1966 ist Doris Altewischer im Düsseldorfer Landtag. "Ich habe mich im Parlament immer als Stimme der Stimmlosen und Außenseiter verstanden, der Menschen, die sich nicht artikulieren können", umreißt die Unionsdame ihr politisches Selbstverständnis.
    Im Landtag stellten die Kollegen bald fest, daß in der CDU-Fraktion jemand war, der mit Fingerspitzengefühl und einer gehörigen Portion Zähigkeit für die Belange der behinderten Mitbürger eintrat. Besonders im Sonderschulbereich wurde Doris Altewischer aktiv.
    Mit Erfolg warnte sie aber auch vor modischen Trends in der Sozialpolitik. So erhob sie mahnend ihre Stimme, als Parlamentskollegen die Heimerziehung abschaffen wollten. Lange ehe andere das Thema aufgriffen, machte sie - wohl als erste Politikerin überhaupt - auf das Problem ausländischer Jugendlicher in der Bundesrepublik aufmerksam. Doris Altewischer setzte sich für eine Strafvollzugsreform ein. Immer sah man sie an vorderster Front, wenn es darum ging, sich für einen Abbau von Vorurteilen gegen Zigeuner und Obdachlose einzusetzen.
    Dem nächsten Landtag wird Doris Altewischer nicht mehr angehören. "Neunzehn Jahre Abgeordnetenzeit sind genug", meint sie und fügt hinzu, "es gibt ja auch noch andere Dinge und Werte in Leben." Die engagierte Sozialpolitikerin, die seit 1975 in Dortmund-Westerfilde in einer Bergarbeitersiedlung lebt, möchte sich künftig in diesem sozialen Umfeld um die Probleme ihrer Mitbürger kümmern. "Die Menschen haben so viele Sorgen, angefangen von Mietproblemen bis zu ganz persönlichen Dingen, mit denen sie nicht fertig werden, da möchte ich helfen."
    Eine noch größere Rolle als bisher wird in Doris Altewischers neuem Lebensabschnitt die Religion spielen. In ihrer Kirchengemeinde will sie die Bibelarbeit vorantreiben und sich selber verstärkt mit religiöser Literatur auseinandersetzen. "Das heißt nun aber nicht, daß ich auch hin und wieder gern einen verjazzten Bach höre oder auch einmal ein kitschiges Buch mit Happy-End lese", verrät sie über ihre Freizeithobbys.
    Gerlind Schaidt

    ID: LI842021

  • Porträt der Woche: Dr. Manfred Dammeyer (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 19 - 20.11.1984

    Die Ehre, den berühmten Fragebogen im "FAZ"-Magazin ausfüllen zu dürfen, ist ihm noch nicht zuteil geworden. Über alle der dort üblichen Fragen hat er sich auch noch keine Gedanken gemacht. Aber für die letzte Frage, die nach dem Lebensmotto, hätte Manfred Dammeyer eine Antwort, die dort noch nicht zu lesen war: "Besser für eine gute Sache stottern als für eine schlechte Sache singen." Gerade jetzt paßt das prima. Denn die (bildungs-)politischen Zeiten sind nun einmal so, daß der bildungspolitische Sprecher der sozialdemokratischen Landtagsfraktion schon seit geraumer Zeit stottern muß. Bildungspolitik wird in der ganzen Republik - das sozialdemokratisch regierte Nordrhein-Westfalen hat sich da völlig dem Bundeschor angepaßt - wenn überhaupt nur noch ganz leis nach einer Melodie gesummt, bei der es auf den Text eigentlich gar nicht mehr ankommt. Hauptsache es klingt harmonisch. Manfred Dammeyer macht keinen Hehl daraus, daß dies ihn fuchst. Aber der Oberhausener ist zu lange im politischen Geschäft, als daß er nicht wüßte, daß es zur Zeit nicht opportun ist, gegen den um im Bild zu bleiben - Chorleiter anzusingen. Die "Machtfrage", sagt er, allerdings ohne jede Resignation, "soll man nur dann stellen, wenn man sie auch positiv beantworten kann". Und da sozialdemokratische Bildungspolitiker, besonders vom Kaliber des engagierten Dammeyer, heute weiter denn je von der politischen Macht entfernt sind, muckt Manfred Dammeyer, öffentlich zumindest, nicht mehr gegen das auf, was im Düsseldorfer Kultusministerium als sozialdemokratische Bildungspolitik ausgeheckt wird. Ganz salopp sagt er, daß Hans Schwier "nicht mein Problem ist" - soll heißen: Kultusminister kommen und gehen, die Werte emanzipatorischer, von Abhängigkeit befreiender, zu wirklicher Chancengerechtigkeit führender Bildungspolitik bleiben bestehen.
    Und so ganz langsam geht es ja auch immer noch voran: Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit haben meist von Sozialdemokraten getragene Elterninitiativen in zwölf verschiedenen nordrhein-westfälischen Städten damit begonnen, jene nach dem neuen Schulgesetz geforderten Elternbefragungen zu organisieren, die auf die Einrichtung neuer Gesamtschulen zielen. Dammeyers Freunde und Mitstreiter in der Arbeitsgemeinschaft für Sozialdemokraten im Bildungsbereich unterstützen diese Bewegungen nach Kräften. Der Abgeordnete ganz lapidar: "Das ist eine sehr befriedigende Sache."
    Was in den Wochen seit dem Wechsel von Girgensohn zu Schwier bildungspolitisch in der Landesregierung lief, befriedigt Manfred Dammeyer schon weniger. Aber, er sagte es bereits, das ist für ihn kein Thema, über das er sich mit dem Kabinett und der Mehrheit seiner Fraktionskollegen in "Landtag intern" streiten mag. Um so weniger, als er weiß, daß Bildungspolitik nicht nur aus jenen Texten besteht, die in Schwiers Ministerium in der Hoffnung ausgebrütet werden, die bildungspolitische Auseinandersetzung nach Möglichkeit aus dem kommenden Landtagswahlkampf herauszuhalten. Aber eine Mördergrube will der im Plenum zu den streitbarsten, angriffslustigsten Debattenrednern gehörende Dr. paed, aus seinem Herzen auch nicht machen: Es sei doch wohl aus sozialdemokratischer Sicht zumindest zweifelhaft, eine Maßnahme als Erfolg zu bewerten, "wenn ihr 85 Prozent der Bild-Leser zustimmen", ironisiert Dammeyer die Bemühungen des Kultusministers, die bildungspolitischen Gegensätze einzuebnen. Er benutzt bei dieser Gelegenheit, wenn auch in anderem Zusammenhang, jenen Begriff, mit dem Oscar Lafontaine einmal Helmut Schmidt bis aufs Blut gereizt hatte: Wenn jetzt Sekundärtugenden wie Ordnung, Sauberkeit, Fleiß, Aufmerksamkeit und was es da ähnlich Schönes gibt ein neues Gewicht erhielten, dann sei dies eine "antiaufklärerische Politik". Aber nicht solche Sekundärtugenden einzubleuen sei erste Aufgabe der Schule, meint Manfred Dammeyer und fordert statt dessen kategorisch: "Die Schule muß qualifizieren", müsse aufrichten, nicht ducken.
    Geduckt vor den Mächtigen in der Partei hat er sich nie - auch so manche Niederlage hat ihn dies nicht gelehrt. Als er 1957 - Adenauers CDU hatte gerade im Bundestagswahlkampf die absolute Mehrheit gewonnen - Mitglied der SPD wurde, war er in seiner Schule der einzige Genosse. Zwei Jahre später schon gehörte er auf dem legendären Godesberger Parteitag zu jenen, die, wie er es sagt, "die Opposition organisierten", damals war er Bundessekretär des inzwischen auch schon fast legendären Sozialistischen Deutschen Studentenbundes, jenes SDS, der den Muff von tausend Jahren aus den Talaren der Hochschuleminenzen treiben wollte.
    Nebenberuflich lehrt Manfred Dammeyer heute selbst an der Düsseldorfer Universität. Im Wintersemester 1984/85 liest er über "Bildungspolitik im föderativen System". Ob Studenten das heute noch fesselt? Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Mehrheitsfraktion, der in der Uni auch aus der Praxis plaudern kann: "Das will ich doch hoffen." In den vergangenen Semestern habe er keinen Grund zur Klage gehabt.
    Reinhard Voss

    ID: LI841917

  • Porträt der Woche: Horst Hein (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 18 - 13.11.1984

    In die SPD wollte er ursprünglich schon 1966 eintreten - doch da war die "Große Koalition" in Bonn, und Horst Hein hält nichts von Bündnissen zwischen den beiden "Großen". So machte der gebürtige Pommer aus Stargard seinen Vorsatz erst zu Beginn der sozialliberalen Ära wahr. Seitdem hat der seit Kriegsende im westfälischen Höxter wohnende Sozialdemokrat in beachtlicher Vehemenz sich in Partei und Landtagsfraktion durchgesetzt.
    Inzwischen ist der 43jährige Landtagsabgeordnete nicht nur im Bezirk Ost- Westfalen "dienstältester" Unterbezirksvorsitzender, seit zweieinhalb Jahren fungiert er auch als stellvertretender Bezirkschef.
    Die Fraktion hat den Steuerbeamten im einstweiligen Ruhestand zu Beginn der Legislaturperiode zu ihrem innenpolitischen Sprecher berufen, nachdem er bereits in den Jahren zuvor Stellvertreter war. Bereits seit seinem Einzug in das nordrhein-westfälische Landesparlament setzte denn auch Horst Hein deutliche Akzente in der Innenpolitik von Fraktion wie Regierung.
    So gehörte er als Mitglied der damaligen inten'raktionellen Arbeitsgruppe "Datenschutz" zu den Vätern des 1980 schließlich verabschiedeten Landesdatenschutzgesetzes. Und er setzte sich dafür ein, daß dieses Recht auf den Schutz persönlicher Daten in die Landesverfassung aufgenommen wurde. Nordrhein- Westfalen war mit dieser Verfassungsverankerung übrigens das erste Bundesland.
    Nachdem das Bundesverfassungsgericht 1983 das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zum Grundrecht erklärt hat, müssen auch alle Landesgesetze überprüft werden. Mit mehreren Initiativen hat Horst Hein inzwischen Fraktion und Regierung zu einer Verbesserung des Datenschutzes in Nordrhein- Westfalen veranlaßt.
    Ein großes Anliegen ist für den langjährigen Vorsitzenden des Personalrates beim Finanzamt Höxter auch die Verabschiedung des Landespersonalvertretungsgesetzes noch in dieser Legislaturperiode. Allerdings sollten nach seiner Auffassung die Rechte der Arbeitnehmer noch verstärkt werden gegenüber dem von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurf. So drängt der SPD- Abgeordnete darauf, daß die Arbeitnehmer unter anderem ein größeres Mitspracherecht bei der "Ausweitung neuer Arbeitsmethoden, insbesondere Maßnahmen der technischen Rationalisierung" in den öffentlichen Verwaltungen und Unternehmen erhalten. Schließlich seien sie die Betroffenen der Rationalisierung und des damit verbundenen Verlustes von Arbeitsplätzen. Für den Abgeordneten könnte dann dieses Gesetz auch ein "Signal" setzen über den öffentlichen Dienst hinaus.
    Zweifellos auch ein persönlicher Erfolg ist für Horst Hein die vom Landtag gutgeheißene Einschränkung der Nebentätigkeit von öffentlich Bediensteten. Seit Jahren schon setzte sich der Parlamentarier für eine Korrektur ein. Für ihn war es "unfaßbar", daß angesichts der hohen Arbeitslosigkeit noch immer Landesbedienstete mit Nebenjobs ihr Gehalt zusätzlich aufstocken konnten.
    Seine parlamentarischen Aktivitäten erstrecken sich auf zahlreiche weitere Felder. So zählt er zu den entschiedensten Gegnern jener Politiker, die das Demonstrationsrecht einschränken wollen, spricht sich für eine Verbesserung des Aufenthaltsrechts für Ausländer aus und tritt für eine stärkere soziale Gerechtigkeit ein. Die parlamentarische Arbeit macht ihm Spaß, "kann ich doch etwas bewegen und Menschen helfen". Das versucht der Sozialdemokrat im übrigen auch im Stadtrat von Höxter, dem er seit 1975 ebenfalls angehört.
    Ohne Zögern meint Horst Hein, daß er sich dem "linken Flügel" der SPD "zugeordnet" fühlt. Doch gleichzeitig sieht er sich auch als "linker Pragmatiker", weil er gelernt hat, "wie notwendig es ist, Kompromisse zu schließen". Ein Politiker mittleren Jahrgangs, der zweifellos noch nicht am Ende seiner Laufbahn steht. Jochen Jurettko

    ID: LI84181A

  • Porträt der Woche: Helmut Loos (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 17 - 30.10.1984

    Die Zahl der Abgeordneten, die die Hitler-Diktatur bewußt erlebt haben, harte Jahre in Krieg und Gefangenschaft ertragen müßten, ist klein. Helmut Loos von der Fraktion der CDU gehört dazu. 1924 in Engers (bei Neuwied) geboren, in einem "gut katholischen Elternhaus" aufgewachsen, wurde der Abiturient des Jahrgangs 1943 gleich Soldat; statt studieren zu können, sah er sich an der Ostfront. Gegen Kriegsende geriet er schwer verwundet in russische Gefangenschaft. Als die 1949 ihr Ende fand, trug sich Loos, dem der Vater "das Staatsverständnis auf den Pelz geschrieben" hatte, an der Pädagogischen Akademie Aachen ein und legte 1951 und 1954 die Staatsprüfungen für das Lehramt an Volksschulen ab. Der Lehrer mit den Kernfächern Deutsch und Geschichte, inzwischen in Lülsdorf (Rhein-Sieg-Kreis) seßhaft geworden, ließ "schon damals täglich ein Diktat schreiben" - was der Kultusminister erst kürzlich anordnete. ("Ein paar Jahre früher wäre besser gewesen", kommentiert Loos.) Er war längst Rektor, als die CDU ihn, der seit seinem Eintritt in diese Partei (1954) reichlich kommunalpolitische Erfahrungen sammeln konnte, für den Landtag NRW nominierte.
    Seit 1970 fährt Loos nun in die Landeshauptstadt, sitzt seit all den Jahren im "Innenausschuß" und ist seit 1980 Vorsitzender des Petitionsausschusses, des mit 25 Mitgliedern kopfstärksten aller 19 Ausschüsse. Zehn Jahre vorher hatte er dort schon seine "Lehrzeit verbracht". Nun kommen im Monatsdurchschnitt an die tausend Eingaben auf seinen Tisch, von Bürgern, die diesen Parlamentsausschuß als "Kummerkasten", oft auch als letzte Hilfe werten, wenn sie sich von Ämtern und Behörden ungerecht behandelt oder gar verprellt fühlen. So zeigt sich im Bericht des Petitionsausschusses, der dem Parlament jährlich zu erstatten ist, viel menschliches Leid.
    Mancher "Fall" braucht Jahre, bis er entschieden werden kann. Loos nennt als Beispiel den irreparablen Impfschaden eines Säuglings. "Liegengebliebene" Beförderungsurkunden von zwei Beamten ("daß die sauer waren, versteht sich - sie wurden zurückgestuft") machten auch schon Ärger. Sogar ein Hahn: Sein Weckruf in allzu früher Stunde störte einen Bürger derart, daß es zu einem umfangreichen Schriftwechsel darüber kam, ob solches Krähen "beachtlicher Lärm im Sinne des Paragraphen 12 des Landesimmissionsschutzgesetzes" ist oder nur "naturgemäß mit Geräusch verbundene Lebensäußerung von Federvieh", die besagtes Gesetz nicht erfaßt. "Ein gnädiges Schicksal", erinnert sich Loos, "bewahrte den Ausschuß vor einer endgültigen Entscheidung" - der Flattermann fiel in ein Wasserbecken und ertrank. (Ob da einer "nachgeholfen" hat, wurde nie geklärt.)
    Der CDU-Politiker spricht "besonders die junge Generation" an, wenn er "Wert darauf" legt, "daß es sehr wohl notwendig ist, daß Einzelinteressen sich einbinden müssen in das Gesamtwohl", sieht freilich "auch schwer zu lösende Konflikte zwischen den Interessen der Allgemeinheit, die durch das dichte Geflecht von Normen umrissen sind, und den Interessen des einzelnen, der sich darin erdrückt fühlt, vielleicht auch allzu deutlich liberalistische Selbstverwirklichungsansprüche vertritt". Zwar "verträgt sich Demokratie schlecht mit Attitüden von Vollkommenheit,'menschelt' es auch in unserem Staat, aber wir sollten den jungen Mitbürgern gegenüber unseren Staat nicht mies machen - er muß achtenswert, gar liebenswert bleiben".
    Loos ist auch Vorsitzender des Landeskuratoriums Unteilbares Deutschland; der Stellvertreterposten, der der SPD zusteht, ist vakant.
    Der Vater dreier Töchter schätzt die Satiren Kishons und die Aphorismen Schopenhauers. 1959 hat er - "für die Pänz" - einen Fußballverein gegründet, war lange selbst Vorsitzender dieser Spielvereinigung Lülsdorf, die immerhin 1800 Mitglieder hat. Ob Loos 1985 weitermacht? Er hofft, daß die Parteifreunde und die Wähler ihm "dies gestatten". Seiner Meinung nach "gehört Erfahrungskapital nicht zur persönlichen Aufbewahrung in den Sparstrumpf, sondern auf eine öffentliche Bank, damit es Nutzen bringt".
    Hans Krieger

    ID: LI84170D

  • Porträt der Woche: Hans Jürgen Büssow (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 16 - 23.10.1984

    Er sei der ,,geborene Sozialdemokrat" ist wohl nur ein Kalauer. Daß Hans Jürgen Büssow 1946 auf sozialdemokratisch historischem Boden von Bad Godesberg geboren wurde, imponierte seinen Parteigenossen rheinaufwärts in Düsseldorf ebensowenig wie seine ersten politischen Fingerübungen seit 1964 als Jungsozialist nahe der Bundeshauptstadt in einer Zeit, in der sich eine "allgemeine Politisierung der Bevölkerung breitmachte". Den "Frontwechsel" von der Studentenbewegung, aus der heraus der studentische Parlamentär mit den Landtagsvertretern Maria Hölters (CDU) und Hans Reymann (SPD) 1969 um die Akademiegesetzgebung gefochten hatte, hin zur Laufbahn in der etablierten Politik quittierte die Partei mehr mit Skepsis als mit einer Freikarte für die ersten Bänke im Düsseldorfer Landtag. Der Linke werde den "ganzen Laden durcheinanderbringen'', befürchtete man und baute Büssow drei Hürden in die erste Kandidatur um ein Landtagsmandat 1975. Der Nachfolger des ehemaligen Justizministers Josef Neuberger setzte sich gegen seine drei Gegenkandidaten durch und zog am Düsseldorfer Schwanenspiegel ein. Nach neun Jahren ist er Sprecher des gewichtigen Hauptausschusses und Medienexperte der SPD-Fraktion - mit Sitz weit vorne im Plenum.
    Die großen Themen der zurückliegenden beiden Legislaturperioden reizten den jungen Abgeordneten seit seinem Start. Wohl kaum aus Hang zum schnellen Profil. Über seine Studien und praktischen Erfahrungen in der Erwachsenenbildung und Arbeitnehmerfortbildung rutschte der Abgeordnete mit dem "klaren gewerkschaftlichen Hintergrund" des ÖTV-Mitgliedes in die Bildungspolitik, die bis 1979 ihre wichtigen Reformen erlebte. Schulmitwirkungsgesetz und der nordrhein-westfälische Versuch Gesamtschule sind wichtige Stationen der ersten fünf Jahre Landtagsarbeit. Nach abgeschlossener Lehre als Orthopädiemechaniker hatte Büssow zunächst in Düsseldorf Sozialarbeit studiert und nach einer Kölner Zwischenstation 1974 in Wuppertal als Diplom-Pädagoge abgeschlossen. Praxiswissen vermittelte seine Arbeit für das Gustav-Stresemann-Institut Bergisch Gladbach und die DGB-eigene Hans-Böckler-Stiftung Düsseldorf, die sich mit dem Erleben Ende der 60er Jahre mischte, "daß man etwas erreichen kann, wenn man sich einbringt". Hartnäckigkeit und ein eigener Standpunkt in der fraktionellen Behandlung - nicht nur - bildungspolitischer Themen haben es ihm aus heutiger Sicht leicht gemacht, den stärkeren Zwang zum Kompromiß in der konkreten tagespolitischen Arbeit erträglich zu finden.
    In der zu Ende gehenden Legislaturperiode arbeitete sich Büssow in der Hauptsache in einem Bereich ein, der "weitgespannt und spannend", aber auch spröde in der Vermittlung ist. Wenn es auch schwerfällt, technische und gesellschaftspolitische Aspekte der Medienpolitik im Wahlkreis Düsseldorf-Süd oder auf der Straße zu vertreten, "es ist ein faszinierendes Feld". Wo er sich im aktuellen Beitrag seiner Partei zur Mediendiskussion wiederfindet: In der Schaffung einer Medienlandschaft Nordrhein-Westfalen, "in der ein Gleichgewicht zwischen frei verfaßter Presse und einem gemeinnützigen lokalen Rundfunk existiert". Meinungsvielfalt als Maxime einer Medienzukunft ganz neuer technischer Dimension, fordert Büssow: "Aber ohne Verdrängungswettbewerb und ohne Doppelmonopole."
    Daß sich der Experte Büssow gleichzeitig gegen ein "Parlament der Fachidioten" ausspricht, mag die trösten, die den Grad bürgernaher Politik aus der Zahl besetzter oder leerer Plenumsbänke ablesen. Im ausschließlichen Streit der Fachleute fühlt sich Büssow nicht wohl, "immer noch nicht ganz sozialisiert". Sein engagiertes Plädoyer fordert wieder den Abgeordneten, der "wirklich Transmissionsriemen der Bevölkerung" ist, der jenseits von Fraktionszwang, Regierungsverantwortung und Oppositionsdasein frei seine Meinung in der Debatte vertritt: "Auch wenn es dem Parteiapparat mal wehtut." Seine Partei nimmt der Funktionär - er ist Mitglied des Landesvorstandes und des Landesausschusses der SPD - nicht aus: "Diese vorgestanzten Reden sind doch furchtbar langweilig."
    Stephan A. Heuschen

    ID: LI84160E

  • Porträt der Woche Ernst Kraft (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 15 - 09.10.1984

    Einen Politiker ohne Ehrgeiz, gibt's den? Ernst Kraft zählt sich selbst zu dieser seltenen Spezies. Und er sagt dies so, daß man geneigt ist, ihm zu glauben. Umgehend schränkt er allerdings diese Aussage wieder ein: Sein Ehrgeiz hat sich nie auf die Erlangung politischer Ämter gerichtet, wie er sagt, Freunde haben ihn zur Übernahme politischer Aufgaben gedrängt; erst danach hat er den Ehrgeiz entwickelt die übernommenen Aufgaben zu erfüllen.
    Drei Jahre lang war er Soldat gewesen, drei Jahre hatte er in russischer Kriegsgefangenschaft verbracht, als er 1948 in seine Heimatgemeinde Beim zurückkehrte: "Von Politik wollte ich zunächst nichts wissen, wie viele damals vertrat ich den ,,Ohne-mich-Standpunkt". Statt dessen wurde er in der Katholischen Arbeiterbewegung (KAB) aktiv, vor allem in der Katholischen Werkjugend, wie deren Jugendorganisation damals hieß. Auch heute noch, so berichtet Kraft, ist die KAB in der kleinen Stadt am Übergang zwischen östlichem Ruhrgebiet und südlichem Münsterland überdurchschnittlich stark vertreten. Damals wie heute sieht der Stahlformer Kraft die Hauptaufgabe der KA6 darin, die Interessen der Arbeiter in Kirche und Gesellschaft zu vertreten.
    Von seinen KAB-Freunden, erzählt Ernst Kraft, wurde er 1952 gebeten, für den Gemeinderat zu kandidieren. Er ließ sich von der CDU aufstellen, trat aber erst einige Monate nach der Wahl in die Partei ein. Dem Selmer Rat gehört er seitdem - immerhin 32 Jahre - ununterbrochen an. Fast 20 Jahre ist er Bürgermeister, davon die letzten 15 Jahre ohne Unterbrechung. Auch für die Kommunalwahl in diesem Monat hat ihn seine Partei wieder als Spitzenkandidat aufgestellt.
    Durch seine lange Erfahrung kennt er die Probleme seiner Heimatstadt wie kaum ein anderer: Noch heute leidet Beim unter den Folgen einer Entscheidung, die vor fast 60 Jahren gefällt wurde. 1926 schloß eine französische Bergbaugesellschaft ihre Selmer Zeche "Herrmann" und setzte die Grube unter Wasser. Damals begann das "Pendler- Problem", noch heute arbeiten viele Selmer in Dortmund und Lünen, Bergmannssohn Ernst Kraft wohnt noch heute in der alten Bergarbeitersiedlung Beifang, deren Privatisierung schon zu einem Zeitpunkt betrieben wurde, als anderswo - wie er zufrieden rückblickend berichtet - noch niemand an solcherart Vermögensbildung für Arbeiter gedacht habe.
    Wie über 20 Jahre vorher für den Rat, kandidierte Kraft 1975 auf Drängen seiner Freunde für den Landtag und errang ein Direktmandat. Fünf Jahre später zog er über die Liste ins Landesparlament, nachdem die Wahlkreisgrenzen geändert worden waren. Seit 1975 ist er Mitglied im Sozialausschuß und im Grubensicherheitsausschuß, dessen stellvertretender Vorsitzender er heute ist. Nach einer schweren Krankheit im vergangenen Jahr hat er sich entschlossen, für den nächsten Landtag nicht mehr zu kandidieren.
    Bis vor vier Jahren hat Kraft in einer mittelständischen Stahlgießerei in Lüdinghausen als Former gearbeitet, seit 1975 allerdings nur in den Parlamentsferien. Nicht ohne Bedauern stellt er fest, daß er einer der ganz wenigen Facharbeiter unter den Parlamentariern ist. Die unmittelbaren Erfahrungen aus der Arbeitswelt in Produktionsbetrieben könnten der Landtagsarbeit vielfach förderlich sein, meint er dazu. Realistischerweise erwartet er hier so schnell keine Wende. Diese könne wohl erst kommen, wenn mehr Abiturienten mit praktischer Berufsausbildung politisch aktiv würden. Ernst Kraft ist Vater von zwölf Kindern zwischen zwölf und 31 Jahren. Der Gesprächspartner weiß dies aus dem Landtagshandbuch. Doch wie bringt man diesen gewiß nicht alltäglichen Kinderreichtum ins Gespräch, ohne aufdringlich, ja indiskret zu wirken? Die Lösung scheint in einem kleinen Umweg, der Frager versteckt sich hinter anderen Fragern: Wie er denn reagiere, wenn er auf die große Kinderzahl angesprochen werde? Die indirekte Frage beantwortet Ernst Kraft direkt: "Meine Frau und ich haben unser christliches Eheversprechen ernst genommen." Ob dies denn von den Fragenden verstanden werde? "Das ist mir gleichgültig." Keines der Kraft-Kinder ist bisher dem Vater in die CDU gefolgt. Ernst Kraft sagt, er bedauere dies nicht, denn schließlich seien sie in ihrer politischen Entscheidung frei. Einige der jüngeren Kinder haben sich in Gruppen der Friedensbewegung engagiert: "Ein ausgesprochener Grüner ist bislang aber nicht dabei". Ludger Audick

    ID: LI84151C

  • Porträt der Woche: Ingeborg Friebe (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 14 - 25.09.1984

    Ihre sozialdemokratischen Parteifreunde vor Ort in Monheim nennen sie anerkennend "Mutter Courage". Diesen Ehrentitel hat sich die heute 53jährige Ingeborg Friebe redlich verdient. Denn es ist vor allem ihr zu verdanken, wenn Monheim aus der allgemeinen Eingemeindungswelle weiter als freie Stadt hervorgegangen ist. Als Dank dafür wählten die Monheimer sie 1976 zu ihrer Bürgermeisterin.
    Doch das ist keineswegs der Anfang der politischen Karriere der sympathischen Landtagsabgeordneten. Sie kommt aus einer "durch und durch politischen Familie", wie man das nur selten findet. Bereits ihre Großmutter hatte als Betriebsrätin in einer Blechwarenfabrik für die politischen Rechte der Frauen gekämpft.
    Ihr Vater, gelernter Maschinenheizer, bekam als Gewerkschafter und KPD-Mann schon frühzeitig die Knute der Nationalsozialisten zu spüren, bis er in ein KZ verschleppt wurde, wo er umkam. Die Familie hat nie wieder etwas von ihm gehört.
    Ingeborg Friebe, die am 20. April 1931 im niedersächsischen Braunschweig geboren wurde, hat die Zeit des Nationalsozialismus zusammen mit ihren zwei Brüdern sehr wach erlebt. "Wenn meine Mutter zur Gestapo mußte, hat sie uns mitgenommen. Sie wurde dann etwas weniger geschlagen", erinnerte sich Ingeborg Friebe. Solche Erfahrungen prägen.
    Da sie als Tochter eines "Staatsfeindes" keine höhere Schule besuchen durfte, hatte Ingeborg Friebe in der Nachkriegszeit großen Nachholbedarf an Ausbildung und Bildung. Am Tage verdiente sie für das Auskommen der Familie hinzu und abends - während andere junge Mädchen zum Tanzen gingen - büffelte sie in Kursen Englisch und Gesellschaftskunde.
    Politische Freunde ihres Vaters, die in der Gewerkschaftsbewegung zu Hause waren, hatten sich nach dem Krieg der Familie angenommen. So kam Ingeborg Friebe 1947 zum DGB. "Da habe ich halt die Ochsentour gemacht", weiß sie heute zu berichten. Zunächst arbeitete sie als Hilfskraft in der Kasse, dann als Telefonistin. "Mein Ziel war es, Rechtsschutzsekretärin zu werden", bekennt die gestandene Politikerin heute.
    Fast hätte sie das auch geschafft. An Fähigkeiten dazu hat es nicht gemangelt. Vielmehr lernte die junge Braunschweigerin 1951 ihren Mann kennen, den sie ein Jahr später heiratete. Als sich dann der erste von zwei Söhnen anmeldete, war die ehrgeizige Dame zwar schon in der Rechtsschutzabteilung, aber noch als Sekretärin. Die Mutterrolle war Ingeborg Friebe dann wichtiger als berufliches Fortkommen. So endete die berufliche Karriere an diesem Punkt.
    Nicht so die politische. Ingeborg Friebe war vom Gründungstag an Mitglied bei den Falken. Über ihre Arbeit beim DGB kam sie schon 1950 in die SPD. "Ich habe sehr schnell eingesehen, daß man viele Gewerkschaftsforderungen nur über die Gesetzesschienen erreichen kann", sagt sie. "Da war es nur folgerichtig, in die SPD einzutreten."
    Im heimatlichen Braunschweig war die Sozialdemokratin vor allem in der gewerkschaftlichen Frauenarbeit tätig. "Mein Ziel war es, möglichst viele Frauen für die Betriebsratsarbeit zu qualifizieren. Immerhin hat sie selber es bei dieser Arbeit bis zur HBV-Landesfrauenvorsitzenden gebracht.
    Als ihr Mann 1966 aus beruflichen Gründen nach NRW ging und die Familie sich in Monheim niederließ, "da reizte mich plötzlich die Kommunalpolitik", meint Ingeborg Friebe. Sie gründete einen Arbeitskreis für Kommunalpolitik, und "wie das dann so ist, wenn man selber aktiv arbeitet, bald wird man gefragt, ob man denn nicht kandidieren möchte", gibt die Genossin zu. So kam es, daß die Sozialdemokratin Friebe seit 1969 im Stadtrat von Monheim und auch im Rhein- Wupper-Kreistag saß. 1972 wurde sie zudem noch zur ersten weiblichen SPD-Unterbezirksvorsitzenden gewählt.
    "1975 haben mich dann Freunde für die Landtagskandidatur vorgeschlagen", berichtet Frau Friebe. Zunächst kam das für die engagierte SPD-Dame überraschend. "Doch dann habe ich mir gesagt, warum eigentlich nicht, und zugestimmt." Nachdem sie zwei männliche Gegenkandidaten überzeugend geschlagen hatte, zog sie über die Landesliste in das Düsseldorfer Parlament ein. Hier engagierte sie sich in den Ausschüssen für Arbeit, Gesundheit und Soziales, im Petitionsausschuß und im Justizausschuß. Als dann die Eingemeindungsfrage auf der Tagesordnung stand, war Ingeborg Friebe "glücklich", daß sie schon im Landtag war. "Da konnte ich doch etwas bewegen." Zurückblickend sagt sie heute: "Damals habe ich mit fast jedem einzelnen Abgeordneten gesprochen, um die Eigenständigkeit für Monheim durchzusetzen."
    Schon jetzt, acht Monate vor der Landtagswahl 1985 ist Ingeborg Friebe als SPD-Kandidatin für den Wahlkreis Mettmann unumstritten. Auch sie selber möchte die begonnene Arbeit fortsetzen. "In der ersten Legislaturperiode muß man zuhören und lernen. In der zweiten beherrscht man schon das Handwerkszeug und kann aktiv mittun." Das hat Ingeborg Friebe für die nächste Legislaturperiode vor allem auf dem Gebiet der Gemeindefinanzen vorgenommen.
    Bei all ihren politischen Aufgaben und Verpflichtungen bleibt für die engagierte SPD-Dame für Hobbys keine Zeit. Entweder sie arbeitet oder sie muß repräsentieren. Wenn allerdings einmal Pause zwischen den vielen Verpflichtungen ist, "dann lasse ich alle fünfe gerade sein", gibt Ingeborg Friebe lachend zu. "Dann faulenze ich so richtig - am liebsten mit einem guten Buch und unter viel Sonnenschein!"
    Gerlind Schaidt

    ID: LI84140D

  • Porträt der Woche Prof. Dr. Wolfgang Brüggemann (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 13 - 11.09.1984

    Für die nächsten Landtagswahlen an Rhein und Ruhr steht er seiner Partei als Kandidat nicht mehr zur Verfügung. Zwar hat sich die westfälische CDU mit dem "Professor aus Bochum", der an der Pädagogischen Hochschule in Dortmund politische Bildung und Didaktik der Geschichte lehrte, immer etwas schwergetan. Doch an der Lauterkeit seiner Argumente, seinem persönlichen und politischen Stehvermögen mochte niemand zu zweifeln. Und noch eines: Auch in der parlamentarischen und politischen Arena blieb Brüggemann immer auf dem "Fechtboden des Geistes".
    In "kritischer Loyalität" zum Landesvorsitzenden der westfälischen CDU Prof. Kurt Biedenkopf, aber auch zu seiner eigenen Landtagsfraktion, der er seit 1966 angehört, hält er die letzten Monate seiner Abgeordnetenzeit im Landtag von Nordrhein-Westfalen durch. Zwar war er im vergangenen Jahr im Professorenduell mit Kurt Biedenkopf diesem bei der Wahl zum Landesvorsitzenden deutlich unterlegen, doch sein Antreten aus dem Stand blieb dennoch ein unbestreitbarer persönlicher Achtungserfolg.
    Steht Wolfgang Brüggemann am Ende seiner selbstbestimmten parlamentarischen Karriere im Schatten von Professor Kurt Biedenkopf, so stand er am Anfang seiner Tätigkeit als Landtagsabgeordneter im Schatten von Josef Hermann Dufhues, der neben seinem Landesvorsitz bald Innenminister in Düsseldorf, dann Konrad Adenauers Generalsekretär in Bonn und schließlich Landtagspräsident wiederum in Düsseldorf war. Brüggemann ließ sich durch solche Spitzenämter nie beeindrucken.
    Während andere immer wieder Ausflüge in die Bundes- und Außenpolitik unternahmen, sah er seine Aufgabe vor allem darin, der Kulturpolitik Anstöße zu geben, um deren praktische Verwirklichung er ebenso beharrlich in der Abgeschiedenheit der nichtöffentlichen Landtagsausschüsse wie vor der Öffentlichkeit des Landtagsplenums rang, solidarisch mit seiner Fraktion, aber auch dem Ganzen verpflichtet.
    Als Bürgermeister von Bochum erfüllte er sich seinen Jugendtraum, es einmal seinem Großvater gleichzutun, als Bundesvorsitzender des Ringes Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) scheute er nicht die Auseinandersetzung auf Bundesebene, als Landtagsabgeordneter gab er der Kulturpolitik seinen Prägestempel, immer aber fühlte er sich Rolf Darendorfs Wertmaßstab "Konflikt ist Freiheit" verpflichtet. Auch ohne parlamentarische Würde und Bürde wird er diesem Freiheitsbegriff verbunden bleiben. Seine Sorge ist es, das Wohl des Ganzen in einer von Interessen und Konflikten bestimmten Gesellschaft der modernen Demokratie zu sichern.
    Dem Landtag von Nordrhein-Westfalen wird nach den Landtagswahlen im Mai nächsten Jahres ein wortgewandter Debattierer, ein kreativer Denker und überzeugter Kämpfer für christlich-demokratische Vorstellungen und Ziele fehlen. Sein Vermächtnis: Wahlen müssen im Revier gewonnen werden.
    Karl Fischer-Reichenberg

    ID: LI841319

  • Porträt der Woche: Dr. Wilfried Heimes (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 12 - 28.08.1984

    Zur nicht geringen Verblüffung des sozialdemokratischen Oberbürgermeisters, der im feinen Essener Süden residiert, ist Dr. Wilfried Heimes vor sieben Jahren in den bei weitem nicht so feinen Norden der Ruhr-Metropole gezogen: Der CDU-Politiker baute in Altenessen ein Haus, im Zentrum des Wahlkreises, in dem er seit 1970 für den Landtag kandidiert und wo er für seine Partei noch nie so recht einen Blumentopf gewinnen konnte. Bei Wahlen pendelt sie dort zwischen 24 und 28 Prozent. Heimes war immer - und wird es wohl auch in Zukunft sein - auf die Landesliste angewiesen. Mit leiser Ironie bekennt sich der 57jährige zum Etikett, das er sich selbst anheftet: "Ich bin der Abgeordnete aus dem für die CDU schlechtesten Wahlkreis in Nordrhein- Westfalen."
    Manchmal empfindet Heimes die Situation im Essener Norden schon als frustrierend, wo für ihn und seine Partei die über Generationen vererbte sozialdemokratische Familientradition kaum aufzubrechen ist. Ermutigung schöpft er jedoch aus der Beobachtung, daß es für seine Partei langfristig in kleinen Schritten vorangeht. Früher, so erinnert er sich, mußten die Wahlkampfhelfer noch großen Mut aufbringen, wenn sie in den nördlichen Essener Stadtteilen werbend auf die Straße gingen: "Heute ist die ehemals verbissene Feindschaft gegen die CDU nicht mehr da", nennt er einen der langsamen Schritte.
    Das Ruhrgebiet ist für Heimes - er wuchs als Sohn eines Volksschullehrers in Haan im Rheinland auf- wie für viele Zuwanderer schnell zur zweiten Heimat geworden. Fast gerät er ins Schwärmen, wenn er von seinen Nachbarn in Altenessen spricht, rühmt Herzlichkeit und Direktheit. Schon oft hat er am Tresen der Eckkneipe den Spruch gehört: "Du bist ja 'neu toften Kerl, Deine Partei kann ich aber doch nicht wählen." Ihm persönlich bringt solche Aussage Freude und wohl auch Genugtuung; sie bestätigt ihm allerdings auch, daß für seine Partei noch viele kleine Schritte folgen müssen.
    Schon in jungen Jahren stieß Wilfried Heimes zu dieser Partei, in die er 1947 als 20jähriger eintrat. Den Anstoß dazu gab Karl Arnold mit einer Rede über die katholische Soziallehre; noch heute sieht er seinen politischen Standort bei den Sozialausschüssen, obwohl er- wie er einräumt - nicht den typischen "Stallgeruch" mitbringt. Das Kriegsende hatte der junge Mann, der illegal in der katholischen Jugendarbeit tätig gewesen war, "fast wie einen Aufbruch" erlebt, es wurde mit Jubel begrüßt. Für ihn stellte sich der Eintritt in eine demokratische Partei als logische und notwendige Konsequenz aus der Vergangenheit dar. Für seine heute erwachsenen vier Kinder scheint das später gar nicht so selbstverständlich gewesen zu sein. Die drei Söhne - so berichtet er mit väterlich-mildem Lächeln - "machten alle linken Phasen durch", bis sie heute schließlich zu seinen eifrigsten Wahlhelfern wurden. Noch hat er die Hoffnung nicht aufgegeben, daß sie irgendwann auch Parteimitglieder werden. Ohne Zögern räumt er ein, daß wohl auch das Beispiel des Vaters, dessen politisches Engagement die Kinder zeitweilig als "personenfressend" empfanden, bislang bei ihnen zu weitgehender parteipolitischer Enthaltsamkeit geführt hat. Seit Ende der 40er Jahre sind Studium, Beruf und Politik bei Wilfried Heimes eng miteinander verzahnt. Er studierte Germanistik, Geschichte und Geographie, promovierte aber erst als 34jähriger zum "Dr. phil." über ein Thema aus der historischen Geographie. Das war für ihn erst zweite Wahl, denn einer der damaligen Germanistik-,.Päpste", Richard Alewyn, hatte vorher von ihm die Tilgung des kritischen Ansatzes aus der ersten Promotionsarbeit über Thomas Mann verlangt. Heimes lehnte ab.
    Bereits Jahre vor der Promotion begann die berufliche Laufbahn: Zunächst CDU-Kreisgeschäftsführer, später Jugend- und Erwachsenenbildungsreferent in kirchlichen Diensten in Köln und Essen. Heute ist er als Referent vom Essener Generalvikariat beurlaubt, arbeitet dort nur noch auf Honorarbasis. Nach vielen Jahren in der Jugend- und Kommunalpolitik wurde Dr. Heimes 1970 erstmals in den Landtag gewählt; bis 1975 leitete er die "Arbeitsgruppe Bau", einen Unterausschuß des Landtags, der sich mit öffentlichen Bauten befaßte. Damals war Heimes, wie er heute nicht ohne Stolz mitteilt, einer der ersten Kritiker des Aachener Großklinikums. In seiner zweiten Landtagsperiode arbeitete er als CDU-Obmann im Wissenschaftsausschuß, dessen Vorsitzender er seit 1980 ist. Über ein Jahrzehnt lang ist er bereits Sprecher der CDU-Abgeordneten aus dem Ruhrgebiet.
    Die Politik wird auch in Zukunft das Leben von Wilfried Heimes bestimmen, obwohl gelegentlich Überdruß über das hektische Alltagsgeschäft spürbar wird. Davon erholt er sich bei dem einzigen Hobby, das er nennt: ausgedehnte Wanderungen, vor allem durch die Rhön.
    Ludger Audick

    ID: LI84121E

  • Porträt der Woche: Hans Wagner (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 11 - 20.06.1984

    In der Hinwendung zum Mitbürger sieht er seine wesentlichste Aufgabe - und die Aufgabe der Politiker überhaupt. So ist denn auch die parlamentarische Tätikeit des CDU-Landtagsabgeordneten Hans Wagner aus Oberhausen gekennzeichnet vom sozialen Engagement. "Nicht große Reden halten, sondern immer dort, wo Not tut, handeln." Diese anspruchsvolle Devise des heute Fünfzigjährigen dürfte entsprungen sein aus dessen Elternhaus, der Umgebung und der Jugendjahre.
    Der Vater war Schlosser auf einer Zeche und sein Sohn Hans wurde es auch, bevor er später die Höhere Fachschule für Sozialarbeit besuchte und dann als Sozialarbeiter und Bewährungshelfer tätig war und mit der Kehrseite der sogenannten Wohlstandsgesellschaft der sechziger und siebziger Jahre konfrontiert wurde. Dazwischen lagen auch aktive Jahre in der katholischen Jugendarbeit.
    In dieser Zeit, 1956, trat Hans Wagner in die CDU ein, "denn sie war die Partei, der ich mich nahestehend fühlte". Seit 1961 ist der gebürtige Oberhausener Mitglied des Stadtrates und seit 1969 Vorsitzender der CDU-Ratsfraktion seiner Heimatstadt. Auch gehört er seit vielen Jahren dem Landes- und dem Bundesvorstand seiner Partei an.
    Der politische Wirkungsradius des sozial engagierten Christdemokraten ist groß. Im Petitionsausschuß sieht er sein Anliegen darin, für den "kleinen Mann" gegen die Behördenwillkür zu kämpfen. Dabei vertritt der Oberhausener die Auffassung, "dieser Ausschuß muß so erfolgreich arbeiten, daß er sich eines Tages selbst überflüssig macht". Im Justizausschuß widmet er sich vor allem dem Stafvollzug. Man müsse in der Bevölkerung Verständnis dafür gewinnen, daß der Strafvollzug human und darauf orientiert sein sollte, die Inhaftierten auf die Zeit nach der Haftentlassung vorzubereiten. "Sie müssen dann draußen ihren Mann stehen." Diese Fortführung der Strafvollzugsreform könne aber nur mit und nicht gegen die Bevölkerung gelingen.
    Als langjähriges Mitglied des Landes- und Bundesvorstandes der CDU-Sozialausschüsse betrachtet er die "Stabilisierung" der Familie als eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen. Dabei gehe es nicht nur um materielle Verbesserungen, sondern auch um den ideellen Wert der Familie. "Mich regt es immer auf, wenn ich das Wort von der 'Nur-Hausfrau' höre; das ist eine Diskriminierung." Nach seiner Auffassung müssen die Politiker entsprechende Rahmenbedingungen schaffen, die es den Frauen ermöglichen, sich für Beruf, Familie oder aber für beides zu entscheiden. Die Konsequenz sei, daß einer Mutter die Erziehungszeiten für ihre Kinder bei der Rente angerechnet werden müßten.
    Der viele Jahre in der Jugendarbeit tätig gewesene Landtagsabgeordnete hat auch mit zunehmendem Alter sein Engagement für die Jugend nicht aufgegeben. So hält er die junge Generation für "viel besser als ihr Ruf". Dabei verweist Hans Wagner darauf, daß kaum eine andere sich so stark für soziale Belange eingesetzt habe wie die heutige Jugend. Schließlich muß nach Ansicht des CDU- Politikers Abhilfe geschaffen werden, daß "ältere Mitbürger in den Altenheimen ein Taschengeld vom Sozialamt bekommen, obwohl sie ein ganzes Leben lang gearbeitet haben". Er setzt sich für die Zahlung eines "Vorab"- Betrages der Rentenversicherungsträger an die Heimbewohner ein: "Auch das hat etwas mit Menschenwürde zu tun."
    Aus seinem politischen Verständnis heraus mahnt Hans Wagner die Politiker, "erst immer die Sache zu sehen und nicht - um in der eigenen Partei ein Schulterklopfen zu erhalten - dem politischen Gegner in den Bauch zu treten". Fair play auch in der Politik - es wäre nicht selten erforderlich.
    Jochen Jurettko

    ID: LI841124

  • Porträt der Woche: Franz Püll (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 10 - 14.06.1984

    Wem es in den Sinn käme, sich um sechs Uhr morgens im Witthaus-Busch zu Mülheim an der Ruhr zu ergehen, der träfe dort einen einsamen Waldläufer den Landtagsabgeordneten Franz Püll. In Wind und Wetter ist der 57jährige Bezirksschornsteinfegermeister in aller Früh schon unterwegs, um sich fit zu halten für einen neuen, allemal mit Terminen vollgestopften Tag. Für seinen Betrieb hat Püll zwar einen Meister eingestellt, seit er Ende April 1980 für den plötzlich verstorbenen Heinrich Köppler als nächstfolgender Bewerber der Landesreserveliste der CDU in den Landtag einzog und nach der Wahl vom 11. Mai, wieder über die Reserveliste, dort verblieb, aber das Mandat bedeutet für einen selbständigen Handwerksmeister keineswegs die Trennung vom Beruf; Püll muß auch heute noch den Bürgern aufs Dach steigen, wenn es einmal besondere Probleme gibt. Das ist in seinem Gewerbe nicht eben selten der Fall zu Zeiten, da Umweltschutz ganz groß geschrieben wird und ein Bezirksschornsteinfegermeister als verlängerter Arm des Regierungspräsidenten mit hoheitlichen Aufgaben betraut ist.
    Der gebürtige Duisburger begann 1941 im Alter von 14 Jahren, wie das früher üblich war, eine Schornsteinfegerlehre, legte 1943 die Gesellenprüfung ab und war mit 22 Jahren im Besitz des Meisterbriefes, bevor er 1960, wie schon der Vater, zum Bezirksschornsteinfegermeister bestellt wurde. Vorher war er bereits Bundesvorsitzender des Zentralverbandes Deutscher Schornsteinfegergesellen, auch Vizepräsident der Handwerkskammer Düsseldorf für die Gesellenseite, ehe er dann auf der Arbeitgeberseite vielfältige Aufgaben übernahm. Sie brachten ihn zwangsläufig mit der Politik in Verbindung.
    So trat der Landesinnungsmeister Püll 1969 der CDU bei, wurde bald Vorsitzender der Kreis-Mittelstandsvereinigung und ist längst einer der bekanntesten Mittelstandspolitiker der Landespartei. Da auch im rheinischen Teil des Ruhrgebiets nach allen Erfahrungen selten ein Direktmandat für die CDU anfällt, weiß Püll, daß er für die nächste Landtagswahl im Mai 1985 wieder einen sicheren Listenplatz braucht, um seine Arbeit in Düsseldorf fortsetzen zu können. Weil aber die CDU gerade dort, wo neue Existenzen am dringendsten benötigt werden, die Mittelstandskarte ziehen dürfte, sollte Püll auch dem zehnten Landtag in Nordrhein-Westfalen angehören.
    Hier hat er sich längst Anerkennung und Ansehen erworben, zumal er "als Neuling gleich mit verantwortungsvollen Aufgaben betraut wurde". So wählte ihn die Fraktion zum Sprecher für die Novellierung der Landesbauordnung. Wer an die mehrfachen Anhörungen der Betroffenen und die Debatten im Plenum denkt, an die - allgemein unstreitigen "Schwerpunkte" Entbürokratisierung und Entstaatlichung, an die alte CDU- Forderung, staatliche Aufgaben weitgehend zu privatisieren (hoheitliche ausgenommen), wer sich den Bericht der Ellwein-Kommission zur Gesetzes- und Verwaltungsvereinfachung in Nordrhein- Westfalen vom Oktober 1983 ins Gedächtnis zurückruft, weiß, daß hier auch auf den nächsten Landtag noch eine Menge Arbeit zukommen wird.
    Im Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen, dem Püll angehört, sind erste Schritte getan: die novellierte Landesbauordnung tritt vermutlich zum 1. Januar 1985 in Kraft. Püll im Rückblick: "Allen Unkenrufen zum Trotz sah ich große Bereitschaft des Ministeriums für Landes- und Stadtentwicklung, die Entbürokratisierungs-Bestrebungen zu unterstützen."
    Im Petitionsausschuß, "Kummerkasten des Parlaments", wo Püll sich als "Makler zwischen Bürgern und Betrieben" sieht, deren gleichermaßen berechtigte Interessen sich zuweilen beißen, fehlt es eh nicht an Arbeit, kann auch oft ein Ärgernis ausgeräumt werden. Die Lektüre politischer Biographien wird das Weltbild des CDU-Politikers weiterhin in der Waage halten. Dafür sorgt auch die Familie: Vater, Mutter, Tochter und zwei Söhne - freut sich Püll - "fahren immer noch zusammen in Urlaub". Der findet auf dem Wasser statt.
    Hans Krieger

    ID: LI841029

  • Porträt der Woche: Günter Meyer zur Heide (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 9 - 23.05.1984

    Der Streich ist unvergessen: Nachdem alle Briefe, Eingaben, Verbesserungs- und Änderungsvorschläge von der sturen Verwaltung abgeblockt worden waren, packte sich Günter Meyer zur Heide einen Schweißbrenner ins Auto und zerlegte damit jene Leitplanke, die einen seiner Wähler im heimischen Lipperland die Zufahrt zur Straße abschnitt, fachgerecht in ihre Einzelteile, legte sie sorgfältig am Straßengraben auf einen Haufen, grüßte zufrieden seinen Wähler und fuhr wieder nach Hause. Der Oberkreisdirektor war damals weniger glücklich als jener Wähler, der jetzt wieder eine freie Zufahrt zur nahen Straße hatte. Er verklagte den sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten wegen dessen eigenwilligen Wählerservice. Und auch das ist wohl charakteristisch für Günter Meyer zur Heide: Die Geldstrafe in Höhe von 1200 Mark ließ er nicht auf sich sitzen, auch nicht die Entscheidung der 2. Instanz, die sich mit 800 Mark begnügte. Er war erst zufrieden, als er nach einem erfolgreichen Revisionsbegehren in einem dritten Verfahren mit einer Verwarnung nach Hause geschickt wurde.
    Dabei ist sonst Politik mit der Brechstange bzw. dem Schneidbrenner nicht die Sache des Günter Meyer zur Heide. Der gelernte Elektromechaniker aus Hiddenhausen ist ein ruhiger Typ. Nicht umsonst hat ihn schließlich seine Fraktion in das Landtagspräsidium entsandt. Aber die Sache mit der Leitplanke hatte ihn damals so gefuchst, daß er einfach handwerklich tätig werden mußte. Ob er in einem ähnlichen Fall heute noch einmal zum Schneidbrenner greifen würde? Meyer zur Heide, der nun schon seit 14 Jahren dem Parlament angehört, wiegt bedächtig den runden Schädel und drückt sich mit einem unbestimmbaren Lächeln um eine eindeutige Antwort.
    14 Jahre Landtag, dem Sozialdemokraten, der sich hörbar stolz zur "Teutonenriege" rechnet, ist das noch nicht genug. Zehn Jahre als Abgeordneter in einer Regierungskoalition würde er gern zehn Jahre in einer Fraktion mit absoluter Mehrheit folgen lassen. Ob er das mit der absoluten Mehrheit ernst meine? Günter Meyer zur Heide: "Warum nicht? Wenn wir unsere Umweltpolitik fortsetzen in der Art, wie Klaus Matthiesen sie anpackt, dann können wir die Grünen raushalten aus dem Landtag. Und wenn die nicht reinkommen, gewinnen wir auch wieder die absolute Mehrheit." Die F.D.P. ? Für Meyer zur Heide lohnt sich für den ehemaligen Koalitionspartner kein Gedanke.
    Dem Mann mit der obligatorischen Fliege im obersten Hemdenknopf sieht man heute auf den ersten Blick nicht mehr an, daß er eine Juso-Karriere hinter sich hat. Auf dem schon legendären Münchner Juso-Kongreß hatte Meyer zur Heide sogar für den Bundesvorstand kandidiert, aber knapp das Ziel verfehlt. Seitdem sind einige Jahre ins Land gegangen. Aber im Gegensatz zu manchen seiner damaligen Mitstreiter bezeichnet sich Meyer zur Heide noch heute ohne zu zögern als einen Linken, nicht ohne hinzuzusetzen, daß diese plakativen Etikettierungen heute kaum noch etwas besagen. Aber immerhin: In einer Zeit, in der alles in der SPD zur Mitte drängt, weil man dort die besseren Chancen wittert, ist es nicht selbstverständlich, daß einer in Amt und Würden von sich sagt: "Ich bin ein Linker."
    Auf die Frage, ob die Fraktion mit ihrer absoluten Mehrheit in den vergangenen vier Jahren nicht mehr hätte machen können, antwortet Meyer zur Heide mit der lakonischen Gegenfrage, was sie angesichts der Möglichkeiten eines Landtags, der gesellschaftlichen Umstände und der leeren Kassen denn mehr hätte tun können. Natürlich, alle Wünsche seien nicht erfüllt worden. Doch vor dem Wahlkampf im Wahlkreis Herford I, den er zuletzt mit 50,1 Stimmen für sich und die SPD gewonnen hatte, hat der Abgeordnete keine Bange: "Unsere Bilanz ist positiv." Nur der nachdrückliche Hinweis, daß "Landtag intern" keine Wahlkampfplattform sein wolle, konnte Günter Meyer zur Heide daran hindern, diese Erfolgsbilanz aufzuzählen.
    Ein böser Zusammenbruch während einer Reise des Parlaments nach Spanien ließ den erst 47jährigen Politiker innehalten und sich vornehmen, sich nicht nur für die Politik abzurackern. Dabei hatte ihn schon vor Jahren sein damals dreijähriger Sohn mit dem Hinweis aus der Küche jagen wollen, er habe hier als sozusagen fremder Onkel nichts verloren. Meyer zur Heide: "Das ging mir damals ganz schön nahe." Seitdem versucht er, wenigstens die Wochenenden der Familie zu widmen. Immer gelingt das nicht. Aber wenn es ihm gelingt, hat er auch kein schlechtes Gewissen: "Wir machen uns doch völlig unglaubwürdig, wenn wir für eine bessere Gesellschaftsordnung kämpfen wollen und unsere Familie geht dabei kaputt", zieht Meyer zur Heide harsch die Grenzen seines politischen Engagements. Der Kollaps in Spanien bewies, daß vieles auch bei Günter Meyer zur Heide Vorsatz bleiben muß. Aber weitermachen will er trotzdem.
    Reinhard Voss

    ID: LI84092D

  • Porträt der Woche Eckhard Uhlenberg (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 8 - 08.05.1984

    Fest verwurzelt im heimischen Boden im sauerländischen - ganz so, wie es das Berufsbild gemeinhin zwingend vorschreibt. Denn Landwirt ist er, der Eckhard Uhlenberg aus Werl. Und einer der jüngsten Abgeordneten der CDU-Fraktion mit seinen 36 Jahren. Gemessen an der parlamentarischen Erfahrung - seit dem 29. Mai 1980 gehört er dem Hohen Hause am Düsseldorfer Schwanenspiegel an - und seiner Jugend ist aber sein Selbstbewußtsein groß. Mit - erlaubter Jungenhaftigkeit, mit - gewünschter Standfestigkeit und auch - gebotener Zurückhaltung, wenn's sein muß.
    Eckhard Uhlenberg gehört nicht zu den Politikern die meinen, sich durch ständige Redebeiträge in Fraktion, Arbeitskreis, Ausschuß oder Plenum profilieren zu müssen. Auch da ist ersieh sauerländischer Tradition bewußt: Etwas sagen, wenn man etwas zu sagen hat. Und etwas zu sagen - wieder gemessen an seiner Jugend und seiner parlamentarischen Erfahrung - hat er im Ausschuß für Ernährung, Land-, Forst- und Wasserwirtschaft. Er wäre wohl auch ganz gern in die Ausschüsse für Schule und Weiterbildung oder Landesplanung und Verwaltungsreform als ordentliches Mitgliedgegangen, doch sein Beruf ließ die Fraktionsführung anders entscheiden.
    Dort aber fühlt er sich auch längst heimisch und kompetent: Nicht nur Landwirtschaft, auch Landschaftsplanung, auch Umweltschutz. Das sind die Themen, die er als selbständiger Landwirt Uhlenberg führt einen mittelbäuerlichen Betrieb von 45 Hektar mit Schweine- und Entenmast - ohnehin aus dem Effeff beherrschen muß. Den Stellenwert seiner Arbeit schätzt er logisch ein: immerhin sind in Nordrhein-Westfalen mehr Menschen in der Landwirtschaft beschäftigt als im Bergbau.
    Freunde bezeichnen ihn gern als Senkrechtstarter und verweisen auf seine Parteikarriere. Die verläuft so geradlinig wie seine Argumentation:
    Mitglied der CDU seit 1969, CDU-Kreis- Vorsitzender im Kreis Soest schon mit 27, Landtagsabgeordneter mit 32 Jahren. Und seit einem Jahr ist Uhlenberg auch Mitglied des geschäftsführenden Fraktionsvorstandes und Obmann der Westfalen in der Fraktion.
    Uhlenberg argumentiert geradeheraus ohne Wenn und Aber, ohne Schnörkel, zielstrebig und zur Sache. Die Anforderungen, die er an sich stellt, stellt er auch an seine Partei: deutliches Profil zeigen, als Volkspartei den Ausgleich von Arbeit und Kapital suchen, um Aussagen ringen und sich nicht davor drücken. Kein Wunder, daß er eng mit den Sozialausschüssen seiner Partei zusammenarbeitet und sich deren Gedankengut verpflichtet fühlt. Und Kontinuität verlangt er von sich und der CDU, keine nur aufflakkernde Begeisterung, die schnell wieder in sich versinkt, sondern beharrliches Arbeiten und Einstehen für eine Sache. Gelernt hat er das in der Kommunalpolitik, die für ihn heute als Landtagsabgeordneter "eine Verbindung ist, die mir auch Spaß macht". Er weiß, daß der Blickwinkel der Abgeordneten in Düsseldorf durch die kommunalen Belange nur geschärft werden kann, daß sich gute Landespolitik entscheidet in den Gemeinden und Städten. Darum legt er auch besonderen Wert darauf, weiter im Kreistag von Soest zu arbeiten, dem er seit 1975 angehört.
    In diesem Jahr erwarten seine Frau Bernhardine und er ihr drittes Kind, nach der Tochter Pia und Sohn Tim. Familie ist für Uhlenberg mehr als Hort, Familie ist für ihn auch Quelle, aus der er Kraft schöpfen kann. "Hobby" sagt er jungenhaft lächelnd - und es verbirgt sich viel mehr dahinter. Wilm Herlyn

    ID: LI840829

  • Porträt der Woche: Margarete Verstegen (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 7 - 10.04.1984

    "Wenn andere kuschen, ist Margarete immer für ein offenes Wort gut", meint ein Parteifreund über die streitbare Unionsdame Margarete Verstegen, die nun schon seit dem Oktober 1969 Landtagsabgeordnete ist.
    Manche Beobachter gehen sogar so weit, die zierliche Frau als "einzigen Mann" zu bezeichnen, wenn es darum geht, auch in ungemütlichen Situationen Farbe zu bekennen. Bekannt ist auch, daß die Unionsabgeordnete aus Emmerich im Präsidium des Landtags der rechte Konterpart für Landtagspräsident John van Nes Ziegler ist, der mit seinem zeitweiligen recht rauhbeinigen Charme Mitglieder gern einzuschüchtern versucht.
    Margarete Verstegen, heißt es, weiß sich da besonders gut zu wehren, und es gibt sogar Stimmen, die meinen, der Präsident fürchte die scharfe Zunge der CDU-Parlamentarierin. Ohne die streitbare Margarete Verstegen ist die Unionsfraktion im Düsseldorfer Landtag zumindest kaum mehr vorstellbar.
    Neben ihrer Parlamentsarbeit und der aufreibenden Tätigkeit im Partei-Präsidium geht bei der CDU-Politikerin viel Zeit drauf für die Parteiarbeit. Margarete Verstegen ist nicht nur stellvertretende Landesvorsitzende der CDU-Rheinland, auch in der rheinischen CDU-Frauenvereinigung ist sie im Vorstand und stellvertretende Vorsitzende. Sie gehört ferner dem Kreisvorstand der CDU in Kleve an. Nicht genug damit ist sie Mitglied der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft, dort auf Bundesebene im Gewerkschaftsrat, auf Bezirks- und Landesebene stellvertretende Vorsitzende und auch in ihrer Heimatstadt als solche tätig.
    Dabei hatte an ihrer Wiege niemand gesungen, daß sie einmal eine politische Laufbahn einschlagen würde. Holländischer Abstammung, wurde sie am 12. Juni 1929 in Emmerich geboren. Ihr Vater war Bankangestellter, die Mutter Hausfrau. Zusammen mit ihrem Bruder wuchs Margarete Verstegen in einem konservativ-katholischen Elternhaus auf, das politisch jedoch nicht sonderlich engagiert war. Nach dem Besuch der Oberschule für Mädchen trat Margarete Verstegen - durch die Kriegswirren etwas zeitverschoben - 1948 in die Stadtverwaltung ihrer Heimatstadt ein. Dort durchlief sie mehrere Positionen bis sie auf eigenen Wunsch im Sozialamt "festmachte".
    Hier hatte sie eine Aufgabe gefunden, die ihrem Temperament und ihrer Auffassung von sinnvoller Arbeit genau entsprach. Bis 1975 ein Gesetz die gleichzeitige Betätigung als Verwaltungsangestellte und Parlamentarierin verbot, arbeitete Margarete Verstegen hier an vorderster Front, in direktem Kontakt mit den betroffenen Bürgern.
    Politisch ist die engagierte Katholikin schon sehr früh aktiv geworden. Ihr Weg in die Politik führte über die Mitarbeit in der Kirche. Schon als 13jährige hatte Margarete Verstegen in der katholischen Jugend, im "Heliand" mitgearbeitet. "Das war praktisch vorparlamentarische Arbeit", erinnert sie sich heute. Bald stellte sie fest, daß man wirklichen Einfluß auf die Politik nur gewinnen kann, wenn man auch Mitglied einer Partei ist. So trat die engagierte Sachbearbeiterin im Sozialamt 1952 in die Junge Union ein und wurde 1956 Mitglied der CDU.
    Dann ging es mit der Karriere schnell voran. Bereits 1966 hatte sie für den Landtag kandidiert. Durch eine etwas unglückliche Panne entging ihr in letzter Minute das Mandat. Margarete Verstegen: "Ich war nicht weiter enttäuscht, weil ich wußte, daß ich beim nächsten Mal eine um so bessere Chance haben würde."
    Doch die CDU-Politikerin mußte nicht einmal bis zur nächsten Legislaturperiode warten. Bereits im Oktober 1969 kam sie als Nachrückerin für zehn Monate in das Landesparlament. "Da konnte ich schon mal etwas Landtagsluft schnuppern", erinnert sie sich heute.
    1970 ging es dann schnurstracks in den Landtag. Als engagierte Befürworterin des Föderalismus begnügte sich Margarete Verstegen mit dem Landtagsmandat und wollte keineswegs weiter nach Bonn durchstarten. "Wer ja sagt zum Föderalismus, darf den Landtag nicht als Durchgangsstadium ansehen", ist auch heute noch ihre Meinung. Im Parlament engagierte sich die Unionspolitikerin vor allem für Frauen- und soziale Fragen. Sie ging in den Innen- und den Petitionsausschuß. Hier war sie zehn Jahre lang aktiv. 1980 wechselte sie zwar vom Innen- in den Ausschuß für Arbeit und Soziales, und für 1985 überlegt sie, ob sie nicht in den Justizausschuß gehen sollte, doch dem Petitionsausschuß bleibt Margarete Verstegen treu. "Das ist der Ausschuß, in dem man dem Bürger am unmittelbarsten helfen kann."
    Zwischen Partei- und Landtagsarbeit bleibt nur wenig Luft für Freizeit und Familie. "Ich genieße es, wenn ich einmal zu Hause bin", betont Margarete Verstegen. Soweit die Freizeit reicht, nutzt die temperamentvolle CDU-Frau sie zum Schwimmen oder Radfahren in ihrer niederrheinischen Heimat.
    Doch auch Kulinarisches verschmäht die immer Gertenschlanke nicht. "Wenn ich mal Pause habe oder abgespannt bin, dann koche ich oder probiere neue Rezepte aus." Zum Essen holt sie sich dann mit Vorliebe ihre Neffen. Die wissen solche Einladungen zu schätzen.
    Gerlind Schaidt

    ID: LI84072E

  • Porträt der Woche: Heinrich Schürmann (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 6 - 27.03.1984

    Wollte man heute Ausschau halten nach einem "Vollblutpolitiker", so dürfte er nicht auf Anhieb zu finden sein. Ihre Reihen im Parlament lichten sich zusehends. Zu den wenigen zählt aber zweifellos Heinrich Schürmann, CDU-Landtagsabgeordneter aus Essen. Mit ebenso großem Engagement wie persönlicher Freude an politischen Mitgestaltungsmöglichkeiten setzt sich der gebürtige Essener schon seit vielen Jahren für die Belange der Mitbürger vor allem an der Ruhr ein".
    So kann er verständlicherweise mit einem gewissen Stolz darauf verweisen, daß er als einziger CDU-Kandidat im Ruhrgebiet seit 1966 einen Wahlkreis direkt für seine Partei holte, Essen-Süd - mit Ausnahme bei der letzten Landtagswahl. Im vergangenen Jahr rückte Heinrich Schürmann schließlich über die Landesliste in den Landtag nach. Angesichts der langjährigen parlamentarischen Erfahrung war es für den heute 61jährigen CDU-Politiker keine Schwierigkeit, seine Arbeit auf jenen Gebieten fortzusetzen, für die er sich in den vorausgegangenen Legislaturperioden engagiert hatte. Das ist die Wohnungspolitik mit ihrer ganzen in die Verkehrs- wie Freizeitbereiche reichenden Palette. Dabei kommt dem Christdemokraten zugute, daß er kein Theoretiker ist. Er "lernte" den Wohnungsbau und ist seit Kriegsende in der Wohnungswirtschaft tätig.
    Von 1961 bis 1979 Mitglied des Rates der Stadt Essen, setzte sich Heinrich Schürmann auch in diesem Gremium mit Erfolg für eine aktive, familienfreundliche Wohnungspolitik ein. Ein Beispiel ist dafür der Essener Stadtteil Überruhr- Holthausen, wo dank seiner Initiative 4500 Menschen ein neues Zuhause fanden, 65 Prozent davon in Eigenheimen. Der Wohnungsbauexperte der CDU-Op- Position hat schon früher den Anfang der 70er Jahre begonnenen, unverantwortlichen hohen Subventionsaufwand für jeden Quadratmeter einer neuen Sozialwohnung hart attacktiert. "Das war eine Inflations-Mentalität." Heute sieht der Essener CDU-Landtagsabgeordnete sich in seiner Kritik bestätigt. Die Sozialmieten sind verschiedentlich zu Preisführern am Wohnungsmarkt geworden, Mietpreisverzerrungen und Fehlbelegungen ein fortwährendes Ärgernis. Der CDU-Abgeordnete fordert: "Die Finanzierung muß umgestellt werden."
    Auch die Infrastruktur in den Wohngebieten spielt für ihn eine gewichtige Rolle. So hat Heinrich Schürmann mitentscheidend dazu beigetragen, daß der Süden Essens ein Schwerpunkt der Erholung von vielen Menschen an der Ruhr geworden ist. Erinnert sei dabei an seine vielfältigen Aktivitäten für die Entschlammung des Baldeney-Sees. Im Verkehrsbereich setzt sich der CDU- Landtagsabgeordnete für ein attraktives S-Bahn Netz ein, und er plädiert für einen Regional-Flughafen in der Kirchhellener oder Dingdener Heide. Im Gegensatz zum heutigen Landeplatz Essen/Mülheim könne durch diesen Standort auch das Münsterland in die NRW- Verkehrskonzeption eingeschlossen werden.
    Die leidvollen Erfahrungen des Krieges führten Heinrich Schürmann schon früh, im Jahre 1950, in die CDU. Viele Jahre arbeitet er seitdem auf Orts-, Kreis- und Bezirksebene. Seine Erfahrungen werden auch in kirchlichen Organisationen geschätzt. Ob in der Partei, den Verbänden oder der CDU-Landtagsfraktion, zielstrebig und mit viel Energie packt der Abgeordnete die vor ihm liegenden Aufgaben an. Politisches Gestalten macht ihm eben Spaß.
    Jochen Jurettko

    ID: LI840617

  • Porträt der Woche: Werner Linkner (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 5 - 20.03.1984

    Es ist schon das zweite Mal, daß Werner Linkner die nicht leichte Aufgabe übernimmt, im letzten Viertel der Legislaturperiode über die Landesliste der SPD in den nordrhein-westfälischen Landtag nachzurücken. Das war in der letzten fünfjährigen Wahlperiode und auch diesmal kam der Klever Sozialdemokrat erst Ende letzten Jahres in das Landesplenum am Düsseldorfer Schwanenspiegel. Natürlich kann er nach seinen Worten "nicht dort anfangen, wo man vor vier Jahren begonnen hat", doch ist der erneute Einstieg in die landespolitische Szene für Werner Linkner zweifellos nicht so zeitraubend und strapaziös wie 1979. Damals geknüpfte Kontakte zu Abgeordneten und Ministerien werden aktiviert.
    Dabei kommt dem 55jährigen Mann vom Niederrhein ebenso zugute, daß er zwei gewichtigen Parlamentsausschüssen angehört, dem Innen- und dem Petitionsausschuß, wie auch seine jahrlange politische Erfahrung auf der kommunalen Ebene. So gehörte der gebürtige Duisburger etliche Jahre dem Stadtrat von Kleve an und rückte 1969 in den Klever Kreistag ein, wo er Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten war. Im selben Jahr wurde er auch in die Landschaftsversammlung Rheinland berufen. In beiden Gremien sind seine Aktivitäten auch heute noch groß.
    Der SPD-Politiker, dessen besonderes Engagement dem Sozial- und dem Umweltbereich gelten, sieht derzeit als seine Hauptziele an den Erhalt der linken niederrheinischen Bundesbahnstrecke sowie des Huckepack- und Containerverkehrs im rechtsrheinischen Emmerich. Eine Stillegung der Bahnlinie würde sich katastrophal für die Wirtschaftsförderung auswirken und diesen Raum mit einer ohnehin hohen Arbeitslosigkeit vor kaum noch lösbare Arbeitsplatzprobleme stellen. " Was nutzt uns die Strukturförderung dann, wenn wir von der Infrastruktur abgenabelt sind."
    Werner Linkner, den es 1949 als 20jährigen Zollamtsanwärter in die Grenzregion verschlug und der heute Vorsteher des Bundesbahn-Grenzzollamtes Kranenburg ist, kümmert sich seit vielen Jahren mit großem Fleiß und Ausdauer um die Probleme dieses Landstriches, kennt die Sorgen von dessen Bewohnern. Dazu zählt beispielsweise die Erhaltung des Reichswaldes als Erholungsgebiet ebenso wie als Trinkwasser- Reservoir.
    Seit langer Zeit schon im Gesundheitsausschuß der rheinischen Landschaftsversammlung, trug der SPD-Abgeordnete wesentlich zum patientengerechten und technisch-modernen Ausbau des Landeskrankenhauses Bedburg bei, dem größten psychiatrischen Zentrum Europas vor den Toren Kleves. Die allgemeine Klimaverbesserung für diese benachteiligten Menschen in der Öffentlichkeit bleibt aber weiter sein Anliegen. " Wir müssen mehr Verständnis und Gefühl für die Behinderten aufbringen." Der Sozialpolitiker Werner Linkner richtet sein Augenmerk auch auf die ältere Generation, setzt sich für neue Impulse in der Altenbetreuung ein.
    Der niederrheinische Politiker, dessen Vater Gewerkschaftler und ebenfalls Sozialdemokrat war, stieß 1958 zur SPD und hatte seitdem zahlreiche Parteiämter inne. Anerkennung für einen Parteifreund, der trotz mancher Rückschläge in einer "SPD-Diaspora" stets für seine Partei warb und kämpfte. "Man muß viel Idealismus haben", räumt er heute ein. Und diese menschliche Eigenschaft müssen ihm auch seine politischen Widersacher anerkennend zugestehen.
    In den Monaten bis zum Ende der Legislaturperiode will Werner Linkner vor allem für die Interessen des Kreises Kleve in Düsseldorf kämpfen, beherzt - aber ohne markige Worte. So, wie es eben dem Wesen des niederrheinischen Menschenschlages entspricht.
    Jochen Jurettko

    ID: LI840524

  • Porträt der Woche: Marlis Robels (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 4 - 21.02.1984

    Wenn sie zwischen Beruf und Politik wählen müßte, würde sich Marlis Robels für ihre Arbeit als Fernsehredakteurin entscheiden. Die 46jährige Nachrückerin in das NRW-Landesparlament macht keinen Hehl daraus, daß sie ihren Beruf nicht missen möchte. Die CDU-Dame aus Köln: "Meinen Beruf würde ich nie für die Politik aufgeben", sagt sie ehrlich. Außerdem fühlt sie sich durch ihre Vollbeschäftigung politisch auch freier: "Andernfalls hätte ich Angst, von den häufigen Zufälligkeitsentscheidungen abhängig zu werden", meint sie freimütig.
    Dieses offene Bekenntnis bedeutet allerdings keineswegs, daß Marlis Robels die politische Arbeit ohne weiteres aufgeben könnte. "Für mich ist beides gleichwertig. Die Beschäftigung mit der Politik bedeutet für mich Entspannung vom Beruf und umgekehrt ist es das gleiche."
    Ihre politische Karriere registriert sie zuweilen selber mit Erstaunen. "Meine Mutter hat immer gesagt 'Politik verdirbt den Charakter'." Sie selber habe zwar, wie ihre Eltern, CDU gewählt, doch nie an eine politische Laufbahn gedacht. Am 5. September 1937 in Geldern am Niederrhein als Tochter eines Steuerbeamten und einer Hausfrau geboren, hat Marlis Robels 1958 in ihrer Heimatstadt das Abitur gemacht und ist anschließend nach Köln zum Medizinstudium gegangen. Um den elterlichen Wechsel ein wenig aufzubessern, hat sie dann zunächst als Aushilfskraft beim Fernsehen gejobbt. Als ihr Vater starb und die Finanzierung des Studiums schwieriger wurde, das Fernsehen ihr zudem eine gute Position anbot, sattelte Marlis Robels kurzentschlossen um. Nach einem Volontariat war sie von 1967 bis 1970 Sachbearbeiterin und ist seit 1970 Fernsehredakteurin.
    Zur Politik kam sie über ihren Mann, den sie bei den AStA-Arbeiten an der Kölner Uni kennengelernt hatte. Die Christdemokratin heute: "Sein politisches Engagement hat mir die Politik überhaupt erst einmal nähergebracht." 1967 trat sie in die Union ein, doch erst nach dem frühen Tod ihres Mannes 1971 ist Marlis Robels dann politisch selber aktiv geworden.
    Es war die CDU-Frauenvereinigung, die sie zum Mitmachen drängte. "Ich bin gleich in den Vorstand der Kölner Frauenvereinigung gewählt worden. Damals wußte ich noch gar nicht so recht, wie sich das alles anließ", gesteht die CDU-Abgeordnete. Über die Frauenvereinigung erhielt sie dann auch einen Wahlkreis im Kölner Norden für die Kommunalwahlen. 1975 war Marlis Robels dann bereits Stadtverordnete. "Die anderen haben immer von meinem kometenhaften Aufstieg gesprochen. Mir war gar nicht klar, daß es keineswegs normal ist, so schnell in der Partei voranzukommen. Im Kölner Rat wurde die frischgebackene Stadträtin dann gleich "ins kalte Wasser geworfen". Sie wurde zur CDU-Sprecherin im Gesundheitsausschuß gewählt. Die Arbeit in diesem Ausschuß war ihr besonders wichtig, weil sie da ein wenig ihre früheren Neigungen für Gesundheit und Psychiatrie weiterschulen konnte. Säuglingssterblichkeit, Kind im Krankenhaus und Humanität in der Psychiatrie waren Themenbereiche, mit denen sie sich besonders nachhaltig beschäftigte.
    1979 gelang Marlis Robels die Wiederwahl in das Kölner Stadtparlament mit Bravour. Sie zog einen Wahlkreis, der bis dahin fest in Händen der Sozialdemokraten gewesen war. Dieser Sieg wurde um so mehr beachtet, als es der CDU-Frau gelang, den in Köln damals mächtigen SPD-Fraktionschef Günter Herterich zu schlagen.
    Als 1980 die Landtagswahlen anstanden und die Union ihr die Kandidatur für das Düsseldorfer Landesparlament antrug, meinte sie, den Versuch wagen zu dürfen. Realistisch, wie sie ist, rechnete sie sich keine Chance aus. Mit Platz 45 stand sie auch wirklich reichlich weit hinten auf der Kandidatenliste. Als dann überraschenderweise die Liste bis Platz 42 zog, verbesserte sich die Position der Kölnerin. Dann kamen die vorgezogenen Bundestagswahlen im März 1983 und der Landtagsabgeordnete Bernhard Wilz ging als MdB nach Bonn. Das war die Stunde von Marlis Robels. Seit dem 31. März 1983 ist sie Parlamentarierin im NRW-Landtag.
    "Ich fühle mich in meiner neuen Umgebung recht wohl", bilanziert sie nach einem knappen Jahr Landtagsarbeit. Sie konnte auch in Düsseldorf gleich auf ihrem Interessengebiet, der Gesundheitspolitik, weiterarbeiten. Außerdem ist Marlis Robels noch stellvertretendes Mitglied im Justiz- und im Sportausschuß.
    Auch atmosphärisch gefällt ihr die Landtagsarbeit. "Ich arbeite zwar relativ allein: aber ich habe Kontakt zu den Kölner Abgeordneten und alle Kollegen sind sehr hilfsbereit." An der Landtagsarbeit reizt sie vor allem das Neue. "Während man im Rat einer Stadt doch mehr praktisch arbeitet, geht es im Landtag theoretischer zu." Sie ist überzeugt, hier fundierte Kenntnisse in Sachen Gesetzgebungsmaschinerie zu erwerben. "Das kommt mir dann wieder im Kölner Rat zugute", kombiniert sie ihre Aufgaben.
    Bei den anstehenden Kommunalwahlen wird Marlis Robels wieder im Kölner Norden kandidieren. Allerdings will sie das Gemeindemandat niederlegen, falls ihr 1985 der direkte Sprung in den Düsseldorfer Landtag gelingen sollte.
    Gerlind Schaidt

    ID: LI84041F

  • Porträt der Woche: Paul Krings (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 3 - 14.02.1984

    Als Jahrgang 1917 ist er der Senior der SPD-Fraktion. Doch wer Paul Krings gegenübersitzt, vergißt rasch das Alter des Solingers. Unter den buschigen Brauen liegen zwei Augen, die den Gegenüber fest anpacken. Und wenn er gleich zu Beginn des Gespräches sagt, daß er immer sagt, was er denkt, dann merkt man rasch, daß dies keine Phrase ist - von Abgeklärtheit keine Spur.
    Paul Krings sitzt erst seit 1980 im Landtag. Gedrängt hat er sich danach nicht. Warum der gelernte Schlosser, 1979 als Geschäftsführer der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr pensioniert, ein Jahr später doch noch in die Landespolitik einstieg? Krings lacht: "Die Genossen hier in Solingen suchten nach einem kämpferischen Gegenkandidaten zum Wahlkreisinhaber der CDU, um dem den Wahlkreis abzujagen. Da sind sie auf mich verfallen." Am Abend des Wahlsonntags im Mai 1980 erwies es sich, daß dies keine schlechte Idee gewesen war. Krings gewann den "schwarzen" Wahlkreis für die SPD. Sein Stimmenzuwachs lag mit acht Prozent weit über dem Landesdurchschnitt. Krings im Rückblick auf dieses Ergebnis: "Ich habe hier in Solingen einen guten Namen. Und ich konnte die Arbeitnehmer mobilisieren." Geschrieben lesen sich solche Sätze vielleicht etwas zu selbstbewußt. Aber der Solinger sagt sie mit so ruhiger, selbstverständlicher Stimme, daß man gar nicht auf die Idee kommen kann, hier lasse jemand verbal die Muskeln spielen.
    Paul Krings kommt aus einer sozialdemokratischen Familie. Als "Sohn meines Vaters" war es für ihn ganz selbstverständlich, noch 1932, als Fünfzehnjähriger, in die SPD einzutreten. Wenige Wochen später feierte er seinen 16. Geburtstag in einer Gefängniszelle der Nazis. In der gleichen Zelle saß sein Vater. Krings: "Da wurde aus dem Sohn des Vaters der Freund des Vaters."
    Als er nach Krieg und fünfjähriger Kriegsgefangenschaft in Jugoslawien ins heimatliche Solingen zurückkehrte, verdiente sich Paul Krings sechs Jahre lang seinen Lebensunterhalt als Straßenbahn- und Autobusfahrer - und stieg - ganz unten - wieder ein in die SPD.
    Nostalgie ist ihm im Rückblick auf diese Jahre dennoch fremd. Nicht in den fünfziger, sondern in den siebziger Jahren habe er sich am wohlsten in der SPD gefühlt. Warum? Krings zögert keinen Augenblick mit der Antwort: "Damals wurde in der Partei am konstruktivsten diskutiert. Da haben wir in der SPD und mit der SPD etwas verändert." Und dennoch: Für einen alten Sozialdemokraten hat Paul Krings ein merkwürdig distanziertes Verhältnis zur Partei: Von allen Übeln sei die SPD in der Parteienlandschaft noch das kleinste. Mit ihr und in ihr könne er am ehesten Kompromisse schließen. Paul Krings: "Ich bin nie ein Mitläufer oder Jasager gewesen. Der wäre ja ein schlechter Sozialdemokrat, der keine Kritik übte an seiner Partei." Auch das sagt er ruhig, selbstbewußt, unaufgeregt.
    Solingen gehört - parteiorganisatorisch - zum SPD-Bezirk Niederrhein. Paul Krings geniert sich nicht einzugestehen, daß er für dessen langjährigen Vorsitzenden Hans-Otto Bäumer "fast ein bißchen geschwärmt" habe. Diese Wertschätzung für den Polterer aus Velbert habe auch nach dessen Ausfällen gegen Johannes Rau vor und nach dem Rücktritt des Ministers nicht gelitten, obwohl Krings sie in Ton und Sache nicht teilt. Aber, so meint der gar nicht alte Senior der SPD-Fraktion: "Wer keine Fehler macht, macht auch nichts Gutes."
    Schwerpunkte seiner landespolitischen Arbeit sieht Paul Krings in seiner Tätigkeit im Justizausschuß und im Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Die Arbeit macht ihm da so viel Freude, daß diese erste nicht seine letzte Legislaturperiode sein müßte. Krings hütet sich allerdings wohlweislich, jetzt schon Ansprüche auf eine erneute Kandidatur anzumelden. Aber wenn die Partei ihn noch einmal zur Kandidatur auffordert, er würde nicht nein sagen.
    Voller Selbstironie nennt sich Paul Krings "ein Stück Solinger Inventar". Begrenzt auf seine Heimatstadt ist er dennoch nicht, was bewiese dies besser als sein letztes Ehrenamt, nämlich das wenig Ruhm und viel Arbeit einbringende Amt des Vorsitzenden der heimischen Europa-Union. Die Wahlbeteiligung aller Solinger am 17. Juni über 50 Prozent zu bringen, ist sein nächstes Ziel. Dies zu erreichen dünkt ihm schwieriger, als im nächsten Mai zu Hause die Mehrheit für die SPD zu gewinnen. Krings: " Von Europa nur zu reden, hilft nichts. Man muß etwas dazu tun." Ist es typisch, daß ein "Alter" dafür etwas tut?
    Reinhard Voss

    ID: LI840323

  • Porträt der Woche: Lukas Schaa (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 2 - 31.01.1984

    Wenn Lukas Schaa morgens an seinem Schreibtisch im Raum 410 des Landtags sitzt, hat er eine zweistündige Anreise hinter sich. Und eine zweistündige Rückreise vor sich nach einem anstrengenden Arbeitstag. Eine solche Belastung mutet man kaum einem Arbeitnehmer zu. Doch Schaa nimmt das gelassen als gegeben hin, kann er doch die Strecke vom heimatlichen Ehringhausen zudem trefflich nutzen - zum Arbeiten: Zeitungen, Fachliteratur, Rechnungen mit Zahlen. Er ist ein Kommunalpolitiker wie aus dem Lehrbuch für Politikwissenschaften: Schnurgerader Weg im Verwaltungsdienst bis zur Verwaltungsakademie in Münster, 1960 Diplom für den damals 34jährigen, dann Amtsdirektor des Amtes Störmede.
    Dort lernte er, daß der Verwaltungschef der Feuerwehrmann für die Bürger ist ob tagsüber oder abends, an Sonn- und Feiertagen. Wenn der Schuh drückt, erhoffen sich die meisten Linderung vom Direktor persönlich. Dort spätestens lernte er auch, ein offenes Ohr zu haben und im Gespräch mit den Bürgern ein Gespür für die Anliegen seiner Schäfchen in damals elf Gemeinden zu entwickeln. Das hat ihm geholfen - in der Partei, in die er erst relativ spät eintrat, 1960 nämlich "aus eigenem Antrieb, nicht auf Werbeslogans hin", wie jetzt als Abgeordneter in der CDU-Landtagsfraktion. Und daß dies ankommt, beweisen die Mehrheiten die hinter ihm stehen: Die Direktkandidatur seit 1970 in Soest - übernommen von Hermann Josef Dufhues - ist mehr als ein Vertrauensbeweis.
    Seine Talente, als Persönlichkeit mit Sachkompetenz zu vermitteln und auszugleichen, wirft er vor allem als Vorsitzender des schwierigen Landtagsausschusses für Kommunalpolitik in die Waagschale wie auch als Mitglied des nicht weniger diffizilen Haushaltsausschusses. Dabei ist ihm wichtig, seine Kenntnisse und Erfahrungen einzubringen, die helfen sollen, daß Gesetze nicht im luftleeren Raum entstehen, sondern pragmatisch vor Ort auch angewandt werden können. So kann er auch manche Brücke schlagen zu dem für Kommunalpolitik zuständigen Ressortleiter, Innenminister Herbert Schnoor (SPD). Als Schaa 1970 vor der Frage stand, ob er für die Kommunen mehr vor Ort etwas leisten könne oder doch direkter und schneller in der Landespolitik, entschied er sich für Düsseldorf, wohlwissend, daß die Bürger auf den ersten Rang die Bundespolitik, dann die kommunalen Belange und zuletzt erst die Landespolitik setzen. Schaa fand für sich den Mittelweg. Denn er weiß als Pragmatiker auch, daß Kommunalpolitik nur dann richtig betrieben werden kann, wenn dazu das notwendige Geld zur Verfügung steht. Und gerade dieser Punkt bereitet ihm die größten Sorgen: Die Abhängigkeit der Gemeinden, die kaum aus eigener Vollkommenheit Finanzkraft für sich schöpfen können und an den Steuerverbund gebunden sind.
    Ideal sei es, argumentiert er, wenn der Verbundsatz, der in den vergangenen Jahren um drei Punkte zurückgenommen wurde, peu a peu wieder auf die früheren 28,5 Prozent angehoben werden könnte. Doch die Aussichten dafür sind nicht so rosig. Sie ähneln eher dem Wunsch Schaas, seinem Hobby mehr Raum zu geben: Historische Bücher. Zu häufig bleibt es bei dem Wunsch - "nur das Lesezeichen, das finde ich immer wieder".
    Wilm Herlyn

    ID: LI84022C

  • Porträt der Woche: Paul Mohr (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 1 - 24.01.1984

    Für Paul Mohr, Rektor einer katholischen Grundschule im westfälischen Warburg, war es lange Zeit unrealistisch, noch an einen Einzug in das Düsseldorfer Landesparlament zu denken. Schließlich war der 47jährige Pädagoge auf Rang 46 der CDU-Landesliste piaziert. So fiel ihm im November letzten Jahres auch der Entschluß sehr schwer, die Nachfolge seines plötzlich verstorbenen Parteifreundes Paul Lakämper im Landtag am Schwanenspiegel anzutreten. "Ich habe zehn Tage mit mir gerungen." Die laufende Legislaturperiode geht schon Mitte 1985 zu Ende - wenig Zeit also, die Früchte der zeitraubenden wie mühevollen parlamentarischen Einarbeitung in die Landespolitik zu ernten.
    Nach einem Rückblick auf mehrere Wochen lobt der CDU-Abgeordnete allerdings die große Kontaktbereitschaft der Landtagskollegen und der Ministerien gegenüber dem "Neuling". Für den langjährigen aktiven Kommunalpolitiker ist auch die menschliche Atmosphäre unabhängig von der Fraktionszugehörigkeit sehr erfreulich. "Auf der kommunalen Ebene übt man mehr Zurückhaltung gegenüber dem politischen Gegner." Die Schwerpunkte seiner parlamentarischen Tätigkeit in Düsseldorf sieht Paul Mohr im Schul- und Weiterbildungsbereich sowie in der Sportpolitik. Gebiete also, mit denen sich der engagierte Pädagoge schon seit langem auf der kommunalen Ebene beschäftigt.
    Nach den Organisationsfragen muß nach seiner Ansicht die inhaltlich-erzieherische Gestaltung der Schule wieder in den Vordergrund gestellt werden. Für den Christdemokraten spielt dabei auch die religiöse Komponente verständlicherweise eine gewichtige Rolle. Die Jugendlichen müßten zur Eigenverantwortung ebenso hingeführt werden wie zur persönlichen Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft. In diesem Zusammenhang sorgt sich der lange in der Jugendarbeit tätige Abgeordnete über die "oft negative Beeinflußung" der Jugendlichen durch die elektronischen Medien. "Auch das Positive sollte von Medien herausgestellt werden."
    Sorgen bereitet dem stellvertretenden Landrat des Kreises Höxter und Vize-Chef der Warburger CDU-Ratsfraktion aber auch die Resignation in den Kommunalparlamenten und bei der Bevölkerung. "Es gewinnt eine regelrechte Verdrossenheit allmählich Überhand über die mangelnden Kompetenzen der Bürger vor Ort." Die Folgen seien, daß kommunale und private Initiativen der Bürger erlahmten, die Ratssitzungen immer schlechter besucht würden. Für den CDU-Abgeordneten ist es nicht akzeptabel, daß den Kommunen beispielsweise die Straßenreinigung oder die Kindergartengestaltung landesgesetzlich "aufoktroyiert" würden.
    " Weniger Staat und dafür mehr Selbstbestimmung in den Kommunen", ist sein Anliegen, für das sich Paul Mohr im Landtag auch einsetzen will. Andererseits sollte auch der Bund Kompetenzen an die Länder zurückgeben.
    Zur Politik stieß der Pädagoge verhältnismäßig spät, mit 36 Jahren. Bis dahin hatte ihn die Jugend- und Vereinsarbeit voll beansprucht. Besonders stark engagierte er sich dabei im musischen Bereich. Seine Popularität brachten ihm denn auch überdurchschnittliche Stimmenergebnisse bei den Kommunalwahlen. Das Vertrauen der Partei berief Paul Mohr in eine Reihe von Ämtern, so ist er unter anderem Vorsitzender des CDU- Stadtverbandes Warburg und Mitglied des Kreisvorstandes Höxter und des Bezirks Vorstandes Ostwestfalen-Lippe.
    Gegenwärtig findet der Düsseldorfer Landesparlamentarier wenig Zeit für seine vielfältigen Hobbys. An erster Stelle steht dabei natürlich die Musik. Daneben sind die Literatur - vor allem die Sachbereiche Psychologie und Biologie - und das Wandern seine beliebtesten Freizeitbeschäftigungen.
    Jochen Jurettko

    ID: LI840153

  • Porträt der Woche: Friedrich Schreiber (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 21 - 20.12.1983

    Seine harte Aussprache macht ihn als Import-Westfalen kenntlich. Aber gerade deshalb ist Friedrich Schreiber, der gebürtige Siebenbürger Sachse, doch wieder typisch für das Land von Kohle und Stahl. Da, am östlichen Rande des Völkerverschmelztiegels Ruhrgebiet, in Schwerte, ist der 49jährige Sozialdemokrat zu Hause, politisch und familiär. Er ist ebenso gut Reviermensch wie Westfale, könnte aber auch Rheinländer sein. Ihn als Nordrhein-Westfalen zu bezeichnen, ganz im Sinne eines sperrigen staatlichen Identitätsbegriffs, den dieses Bindestrich-Bundesland nur schwer vermittelt, trifft wohl genauer. In Kronstadt 1934 geboren, siedelte Schreiber 1952 mit den Eltern von Rumänien in die Bundesrepublik über. Hier mußte er 1954 das Abitur wiederholen, weil die schon 1951 bestandene rumänische Reifeprüfung hier nichts galt. Schreiber studierte Recht an den Universitäten Freiburg und München, legte beide Staatsprüfungen ab, wurde 1967 Anwaltsassessor und trat anschließend in die Finanzverwaltung ein. Nach Stationen bei verschiedenen Finanzämtern wurde er 1972 Oberregierungsrat bei der Oberfinanzdirektion Münster. Heute ist er Fachanwalt für Steuerrecht. Schreibers fiskalische Beamtenlaufbahn endete mit dem Beginn seiner Karriere im Landtag, in den er 1975 gewählt wurde. Schon zuvor betätigte er sich kommunalpolitisch für die SPD, in die er 1964, in vergleichsweise reifem Alter, eingetreten war. Er gehört dem Rat der Stadt Schwerte an, ist stellvertretender Fraktionschef. Er fühle sich, sagt er, "absolut in der Mitte" seiner Partei. Gleichwohl gilt er manchen als ein heimlicher Öko-Freak. Als Vorsitzender des Arbeitskreises "Ernährung, Land-, Forst- und Wasserwirtschaft" in der SPD-Landtagsfraktion hat er sich den Ruf eines nicht gerade modisch-, eher konservativ-grünen Roten erworben. (Als er noch nicht dem Landtag angehörte, war er schon längst auf dem Umwelt- Trip: Auf dem schwiegerväterlichen Hof im heutigen Schwerter Vorort Geisecke ließ er sieben Schafe als "Bio-Rasenmäher" grasen.) Anderwo fiel seine Zähigkeit auf, zuletzt im parlamentarischen Untersuchungsausschuß, der die Indiskretionen im Zusammenhang mit Parteispenden- und Flick-Affäre aufklären sollte. Es kam nicht viel dabei heraus. Aber sein hartnäckiges Bohren trug Schreiber, diesem kantigen Juristen, den Titel eines unbequem-spröden Inquisitors ein, immerhin. Schreibers Herkunft, seine Erfahrungen, die nicht zuletzt auch in der Begegnung mit schwerer Krankheit, einem Knochenmarks(eiden, wvrze/n, aber auch sein zuweilen urwüchsig-derber Witz scheinen ihn für seine neue Funktion in der Führung der SPD-Landtagsfraktion zu prädestinieren. Als er in der Nachfolge Günther Einerts, der als Bundesratsminister nach Bonn ging, zum Parlamentarischen Geschäftsführer gewählt wurde, bekam er freilich keine Vorschußlorbeeren. Von den 82 anwesenden SPD- Abgeordneten stimmten nur 44 für ihn, 26 votierten mit Nein, elf enthielten sich der Stimme. Schreiber hat das als Herausforderung zur Integration verstanden. Denn er muß so etwas wie ein Dolmetscher für alle 106 SPD-Parlamentarier sein. Die Geschäftsordnung der Fraktion beschreibt das in nüchternem Juristendeutsch: Der Parlamentarische Geschäftsführer erledige "im Einvernehmen mit dem Fraktionsvorsitzenden die parlamentarischen, juristischen und organisatorischen Aufgaben der Fraktion". Außerdem muß er "den vom Fraktionsvorstand zu genehmigenden" Finanzplan der Fraktion aufstellen und die "einfachen Geschäfte der laufenden Verwaltung" führen - Funktionen allesamt, die Schreiber nach Herkunft, Profession und Neigung zu entsprechen scheinen. Zu Hause, in der nun knapperen Freizeit, wird er dennoch zuweilen - zum Vergnügen von Frau und Töchtern (drei) - zum Akkordeon greifen. Da dilettiert er, ganz Autodidakt, am liebsten mit Wanderliedern. Briefmarken- und Münzsammlung werden jetzt wohl auch ein wenig vernachlässigt werden. Und abgehen wird er auch jenen Parlamentskollegen, gleich welcher Fraktion, mit denen er nach heißen Landtagsdebatten ganz versöhnlich, aber wie man so sagt: Zünftig Doppelkopf oder Skat drosch. Für dieses Vergnügen mit dem hohen zwischenmenschlich-bindenden Wert hat er als "Parlamentarischer", bedauert Schreiber, jetzt leider keine Zeit mehr. Bernd Kleffner

    ID: LI832116

  • Porträt der Woche: Inge Donnepp (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 20 - 13.12.1983

    Einen Tag nach ihrem 65. Geburtstag wird Justizministerin Inge Donnepp am 14. Dezember aus ihrem Amt scheiden. Nach der früheren Kultusministerin Christine Teusch war die Sozialdemokratin die zweite Frau in einem Düsseldorfer Landeskabinett. Die langjährige Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen wird allerdings noch nicht gänzlich von der politisch-parlamentarischen Bühne abtreten. Bis zum Ende der Legislaturperiode 1985 wird sie ihr Abgeordnetenmandat ausüben.
    "Mädchen, lerne etwas Richtiges, alles andere hat keinen Sinn", spornte sie ihre Mutter schon in jungen Jahren zum Leistungswillen an. So studierte die gebürtige Westfalin aus Unna wie ihr Vater Rechtswissenschaften. Als Anwältin stellte sie sich 1947 auf eigene berufliche Beine und wechselte später zur "anderen Seite" über - sie wurde Richterin am Sozialgericht. 1957 trat die Juristin in die SPD ein, blieb jedoch zunächst im Hintergrund. Familie und Beruf gingen ihr vor, die Politik mußte zunächst zurückstehen.
    Das änderte sich, als die beiden Söhne aus dem Haus gingen. Sie engagierte sich zunehmend in der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen und wurde 1973 deren Vorsitzende. Schließlich holte der damalige Ministerpräsident Heinz Kühn zwei Jahre später die engagierte Frauenrechtlerin in das Kabinett. Zunächst als Ministerin für Bundesangelegenheiten in Bonn und seit 1978 als Justizministerin kämpfte sie weiter für die Belange der Frau in der Gesellschaft.
    Zwar hatte Inge Donnepp wiederholt versichert, daß sie mit 65 Jahren den Ministersessel räumen wolle, doch hat sie sich den Eintritt ins Pensionsdasein sicherlich freundlicher vorgestellt. Seit Aufkommen der Gerüchte über eine Kabinettsumbildung schon im letzten Jahr wurde ihr Name immer wieder genannt. Sie fügte sich der Ungewißheit über den Zeitpunkt der Entlassung. Auch Vorwürfe mußte die Ministerin noch in den letzten Monaten hinnehmen, als ein Untersuchungsausschuß des Landtags ermittelte, daß im Zusammenhang mit den Indiskretionen in der Parteispenden-Affäre es "undichte Stellen" in ihrem Hause gab.
    Allerdings müssen selbst ihre Kritiker einräumen, daß sie sich stets mühte, den ihr gestellten Aufgaben gerecht zu werden und sie gewichtige Akzente gerade im Justizbereich setzte. Seit Jahren führt die Sozialdemokratin einen engagierten Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität. Mit ebenso großem persönlichen Engagement begegnet sie den Gefahren des Videomarktes vor allem für die Jugendlichen. Während der Parlamentsdebatten gewann ihre Natürlichkeit Respekt auch bei der Opposition. "Sie ist eine ehrliche Haut, die niemanden verletzen möchte", urteilte jüngst eine Kommentatorin.
    Auch während ihrer Ministertätigkeit gab die Sozialdemokratin schlichten bürgerlichen Lebensstil nicht auf. Und nicht selten genierte sie sich, wenn ihr Fahrer sie nach irgendwelchen Veranstaltungen nachts nach Hause bringen mußte. Diese Eigenschaften brachten Inge Donnepp viele Sympathien ihrer Umgebung. Die Politik ist ihre Passion, und wenn sie sich in der Vergangenheit zu entscheiden gehabt hätte zwischen einer kulinarischen Reise zu den Schlössern im Loire-Tal und einer strapaziösen Studienfahrt durch Israel, so wäre dies keine Qual der Wahl gewesen. Sie hätte sich für die nächste Strapaze entschieden.
    Allerdings wird die Politikerin jetzt ein lange Zeit vernachlässigtes Hobby wieder stärker pflegen können - das Klavier- und Orgelspielen. Die Liebe zum Klavier verbindet Inge Donnepp übrigens mit Ex-Kanzler Helmut Schmidt. "Im Orgelspielen ist er mir allerdings weit überlegen ", meint sie bescheiden.
    Jochen Jurettko

    ID: LI832012

  • Porträt der Woche: Waltraud Lauer (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 19 - 06.12.1983

    Im Präsidium des Landtags sitzt sie folgerichtig links neben dem Präsidenten. Die Sozialdemokratin Waltraud Lauer ist eine von den drei Frauen, die den Chef des Landtags John van Nes Ziegler und seine zwei Stellvertreter bei der Arbeit im Plenum unterstützen.
    Seit 1975 ist die gebürtige Duisburgerin im Parlament und genießt bei ihren Genossen und auch bei der CDU-Opposition ein gleichermaßen gutes "Standing". Mit ihrer freundlichen und natürlichen Art hat sie jeder gern, und man hört auch auf sie. Die heute 57jährige hat keine Probleme, wenn es um die Anerkennung als Frau geht: " Wir haben die gleiche Arbeit zu leisten wie die Männer. Wenn wir das tun, werden wir auch anerkannt."
    Damit hat sich die Duisburgerin dann allerdings auch einige Belastungen aufgeladen. Sie ist nicht nur stellvertretende Fraktions vorsitzende der SPD, sondern auch Mitglied des Schulausschusses, Sprecherin im Ausschuß für Jugend, Familie und politische Bildung und außerdem noch Mitglied in der Landschaftsversammlung Rheinland.
    Aus dieser Auflistung geht schon hervor, daß ihr Interesse bislang vor allem im sozialen Bereich gelegen hat. Hier etwas zu bewegen, war ihr Hauptanliegen. Und ein bißchen stolz ist Waltraud Lauer darauf, daß es ihr im letzten Jahr gelungen ist, die Verpflichtungen des Landes so nachdrücklich darzustellen, daß trotz der heiklen Haushaltslage vier zusätzliche Millionen Mark für die Bildungspolitik im Etat lockergemacht wurden. Die Sozialdemokratin: "Ich komme aus einer Stadt mit hoher Arbeitslosenquote. Ich weiß, wovon ich spreche, wenn ich sage, daß hier Hilfe dringend notwendig ist." Konkret umreißt die Abgeordnete, was mit den Millionen geschieht: "Mit den Geldern wird beispielsweise auf Elternseminaren geübt, was Familien bei der Vorschulerziehung beachten müssen, oder es geht darum, das Problem Kind und Fernsehen anzupacken." Aus Erfahrung weiß Waltraud Lauer, daß Familien bei schmalem Geldbeutel für solche gesellschaftspolitischen Fragen kein Geld ausgeben und deshalb der Staat einspringen muß.
    Fast gleichrangig mit der Familienpolitik beschäftigt die SPD-Frau die Kommunalpolitik. Schließlich kommt sie aus der Gemeindearbeit. Bevor Waltraud Lauer aus dem Duisburger Rat in die Landespolitik überwechselte, war sie bereits über zehn Jahre lang Ratsherrin in ihrer Heimatstadt. Überhaupt ist Waltraud Lauer eine überaus politische Frau. Dazu hat ihre Familie viel beigetragen. Ihre Mutter, eine gebürtige Holländerin, war schon in der SPD, als es Frauen noch verboten war, an Parteiversammlungen teilzunehmen.
    Ihr Vater, der vor 1933 für die Duisburger SPD im Rat gesessen hatte, wurde nach der Machtergreifung arbeitslos, verfolgt und eingesperrt. Doch die Nachkriegszeit sah ihn ungebrochen politisch aktiv im Düsseldorfer Landtag, da, wo heute seine Tochter sitzt. Aus dem wachen Miterleben der Geschehnisse im Dritten Reich wollte Waltraud Lauer zunächst gar nichts mit der Politik zu tun haben. Auf Grund des väterlichen politischen Engagements war für sie der Besuch einer Oberschule oder gar eine Universität auch finanziell "gar nicht drin". Statt dessen absolvierte Waltraud Lauer nach der Volksschule die Handelsschule, machte eine kaufmännische Lehre und wurde Buchhalterin. Doch die Politik liegt ihr so im Blut, daß sie 1946 Mitbegründerin der Duisburger Falken wurde und im gleichen Jahr noch in die SPD eintrat.
    Bei den Falken lernte sie übrigens ihren Mann kennen, der heute als SPD-Fraktionsgeschäftsführer im Duisburger Stadtrat arbeitet. Als 1957 ihr Sohn geboren wurde, machte die aktive Genossin erst einmal beruflich eine Pause. Doch schon vier Jahre später war sie Ratsherrin in ihrer Heimatstadt: "Ich konnte einfach nicht zu Hause bleiben", meint sie heute.
    Der Umzug aus dem Stadtrat in das Landesparlament hat ihr keine Schwierigkeiten bereitet. Die Sozialdemokratin: "Es ist nur eine andere Ebene." In der wenigen ihr verbleibenden Freizeit liest sie gern - auch mal einen Krimi - kocht und hat mit besonderer Freude Gäste. In der Politik würde sie übrigens gern einmal "etwas anderes machen" als Familien- und Bildungspolitik. Ihr Interesse geht in Richtung Finanzen. Denn eines steht schon heute fest: Auch in der nächsten Legislaturperiode wird die wackere Sozialdemokratin wieder im Landtag mitarbeiten. Ihr Wahlkreis hat sie schon nominiert - und zwar einstimmig.
    Gerlind Schaidt

    ID: LI831907

  • Porträt der Woche: Paul Schmitz (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 18 - 29.11.1983

    Er schätzt keine spektakulären Auftritte und liebt keine großen Worte - sein politisches Wirken geschieht meist unauffällig und ist um so intensiver: Paul Schmitz, seit 1966 CDU-Landtagsabgeordneter aus dem Kreis Steinfurt. Bereits viermal trug den heute 63jährigen KAB- Diözesanvorsitzenden das Vertrauen der Wähler in das Düsseldorfer Landesparlament. Und der engagierte Politiker konnte in einem Wahlkreis hohe Zustimmungsquoten für sich buchen, der infolge der langanhaltenden schweren Strukturkrise in der Textilindustrie zu den schwierigsten und problemreichsten in Nordrhein-Westfalen zählt. Der Zusammenbruch des Textilkonzerns van Delden mit seinen schweren Folgen für viele Menschen im Münsterland ist nur ein Beispiel.
    Tief verwurzelt in der christlich-sozialen Arbeit, gilt das persönliche Engagement des aktiven Gewerkschaftlers stets dem Erhalt von Arbeitsplätzen. Ob damals als Gemeindevertreter in Südlohn, als Kreistagsmitglied und späterer Fraktionsvorsitzender in Ahaus, ob im Borkener Kreisparlament oder im Düsseldorfer Landtag: die Sorge um den Arbeitsplatz seiner Mitbürger stand und steht im Vordergrund der politischen Tätigkeit von Paul Schmitz. Der CDU-Politiker gab viele wichtige Impulse zur Strukturverbesserung und damit zu Schaffung neuer Arbeitsplätze, aber er mußte auch Niederlagen hinnehmen - so im Textilbereich.
    So berührt es Paul Schmitz besonders stark, daß trotz persönlicher Bejahung der Sozialpläne für die Großindustrie, die entlassenen Textilarbeiter aber leer ausgehen und lediglich auf das Arbeitslosengeld angewiesen sind. Nach Ansicht des Münster/anders ist es auf Dauer nicht tragbar, daß damit zwei Kategorien von Arbeitnehmern existieren. Für den CDU-Landtagsabgeordneten ist es ein unerläßliches Gebot der Gleichheit und Gerechtigkeit, daß diese Sozialpläne für eine möglichst breite Schicht der Arbeiter realisiert werden.
    Der persönliche Einsatz im sozialen, im menschlichen Bereich hat mehrere Wurzeln: Als der Ex-Flugzeugführer Paul Schmitz nach Krieg und Gefangenschaft 1945 vor dem zerstörten Elternhaus in Südlohn stand, in dem ein Bruder den Tod gefunden hatte - ein Schwager war in Dachau umgebracht worden -, versprach er sich selbst, alles zu tun, "damit so etwas nicht noch einmal vorkommt".
    Die Vermenschlichung der Arbeitswelt, das Verstehen der Menschen untereinander, das Verständnis des einen für die Probleme des anderen hielt und hält der CDU-Abgeordnete für den sichersten Weg, das selbstgesteckte Ziel zu erreichen.
    Der berufliche Werdegang des gelernten Textilarbeiters, dessen Kriegs- und Nachkriegserlebnisse mögen auch zum beispielhaften Kontakt des Politikers mit seinen Mitbürgern beigetragen haben. In unzähligen Einzelgesprächen und zahlreichen Versammlungen vor Ort sammelt er Erfahrungen, hört zu, analysiert und versucht dann, das Mögliche zu erreichen. Stets auf festem Boden stehend, hat Paul Schmitz ein Augenmaß für das politisch Erreichbare ebenso wie für unrealisierbare Wunschbilder. So wünscht er sich auch ein Verhältnis der Generationen untereinander, das bestimmt wird von gegenseitigem Verständnis statt aufreizender Parolen.
    Seine langjährigen kommunal- wie landespolitischen Erfahrungen machten sich zahlreiche Gremien im Landtag und außerhalb des Parlaments zunutze. Besonders für den Bereich des Sozialen Wohnungsbaus wurde er dabei zum engagierten Fachmann für eines der wichtigen Anliegen auch des heimatlichen Bereichs. Viele Freunde und vor allem seine Familie - Frau, Tochter und vier Söhne - geben dem sympathischen Münsterländer die Kraft für seinen breiten Wirkungsradius.
    Jochen Jurettko

    ID: LI831817

  • Porträt der Woche: Helmut Hellwig (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 17 - 15.11.1983

    Der Mann sammelte bei der letzten Landtagswahl 65,3 Prozent für die SPD. So ganz "untypisch", wie Helmut Hellwig von sich behauptet, kann der Abgeordnete für die Region rund um Wanne- Eickel dann wohl nicht sein. Immerhin sagt Hellwig gänzlich unaufgeregt Dinge, die man von sozialdemokratischen Landespolitikern aus dem Ruhrpott in dieser Bestimmtheit selten hört. Zum Beispiel: "Pershing II und Cruise missiles sind Angriffswaffen. Wenn die Nato diese Waffen aufstellt, wird aus dem Verteidigungsbündnis ein Angriffsbündnis." Johannes Rau, neben dem Hellwig im SPD-Landesvorstand sitzt, wird dies wohl kaum unterschreiben. Im Gegensatz zu manch anderen Sozialdemokraten aus dem Ruhrgebiet, die sich in atemberaubendem Tempo aus Schmidt- Fans zu Nachrüstungsgegnern mauserten, kann Helmut Hellwig auf eine lange, persönliche Tradition kritischer Distanz zur oft bequemen Mehrheitsmeinung der Partei, seiner SPD, zurückschauen. Der ehemalige "Falke" - von 1963 bis 1967 gehörte er dem Bundesvorstand dieser sozialistischen Jugendorganisation an zählte zu den aktiven Ostermarschierern, er demonstrierte gegen die US-Aggression in Vietnam und sagte "Berufsverbot", als die meisten Sozialdemokraten dieses Wort noch nicht in den Mund zu nehmen wagten. Aber zu Hellwig gehört es auch, daß er es war, der damals das öffentliche Streitgespräch zwischen Rudi Dutschke und Johannes Rau organisierte. Weil die Genossen im heimischen Wanne-Eickel dafür keinen Saal zur Verfügung stellen wollten, suchte sich Hellwig eben einen Saal im nahen Wattenscheid. Der eher still wirkende Abgeordnete steht für seine Überzeugungen. Und deshalb ist es vielleicht doch nicht untypisch, daß in Herne, wo die Mehrheit der Bevölkerung wohl in diesen weltpolitischen und prinzipiellen Fragen anders denkt, 65,3 Prozent Helmut Hellwig wählten.
    Helmut Hellwig ist Vorsitzender des Ausschusses für Jugend, Familie und politische Bildung. Bei diesem Thema kann er sich schon ereifern. Für ihn gibt es "keine Entschuldigung", daß - auch von der eigenen sozialdemokratischen Landesregierung - nicht mehr investiert wird, um allen Schulabgängern einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu garantieren. Natürlich, die 200 Millionen Mark, die im Landeshaushalt 1984 für diesen Zweck ausgewiesen sind, seien besser als die Streichungen in den zurückliegenden Jahren. Aber Hellwig sagt es ohne Umschweife: "Die 200 Millionen reichen noch nicht aus." Der Abgeordnete hat noch immer nicht aufgehört, sich darüber zu wundern, daß in den westlichen Demokratien der, so sagt er es, "Stellenwert der Jugendpolitik" nicht in seiner ganzen Bedeutung erkannt wird. Hellwig leise aber provokativ: "Die Nazis und die Kommunisten, die haben mehr in ihre jeweilige Jugend investiert." Der Abgeordnete weiß natürlich ganz genau, daß die Kassen leer sind. Um so wichtiger erscheint es ihm, daß die Politiker.- und ganz besonders die Sozialdemokraten - peinlichst darauf achten, daß gerade im Umgang mit der Jugend zwischen Theorie und Praxis der Politik "keine zumindest nicht zu erklärenden Lücken klaffen". Wie lange es wohl dauern mag, bis die SPD (falls überhaupt jemals wieder) auf die Jugend eine derartige Anziehungskraft ausübt wie in den ersten Jahren der Kanzlerschaft von Willy Brandt? Hellwig gibt sich da keinen Illusionen hin: "Das dauert zehn Jahre - mindestens."
    Immerhin, der Mann aus Wanne-Eickel, der sich selbst, ungefragt, dem linken Spektrum der Partei zuordnet, sieht die SPD wieder auf dem richtigen Weg, den sie in seinen Augen während der Kanzlerschaft Helmut Schmidts verlassen hatte. Hellwig hält es da eher mit seinem Parteivorsitzenden und dessen Vision von einer Mehrheit links von der Mitte. Die gebe es wahrlich, meint er trocken, man müsse diese linke Mehrheit nur in den richtigen Themen bündeln. Die SPD könne das natürlich nicht, wenn sie zur Partei des öffentlichen Dienstes degeneriere. Hellwig weiß, wovon er spricht. Eines Tages, erzählt er, habe er im heimischen SPD-Ortsverein bemerkt, daß elf von 15 Vorstandsmitgliedern in der Stadtverwaltung beschäftigt waren. Hellwig kurz und bündig mit einem leisen Lächeln in den vom Kinnbart halb verdeckten Mundwinkeln: "Das habe ich dann aber schnell geändert." Wie es mit ihm selbst weitergehen mag? Über seine persönliche politische Zukunft will er nicht reden. Er sei dagegen, Personen, die eigene eingeschlossen, in den Mittelpunkt zu stellen. Helmut Hellwig: "Mir geht es um die Sache. Und da haben wir gerade in 'meinem' Ausschuß noch auf Jahre mehr als genug zu tun."
    Reinhard Voss

    ID: LI83171C

  • Porträt der Woche: Hartmut Schauerte (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 16 - 08.11.1983

    Die Studentenunruhen in den sechziger Jahren motivierten ihn zum politischen Handeln. Der damalige Student der Rechtswissenschaften Hartmut Schauerte engagierte sich im Ring Christlich- Demokratischer Studenten (RCDS), war zeitweise sein stellvertretender Bundesvorsitzender und wurde in Dutzenden von Streitgesprächen an den Universitäten zum Kontrahenten der Wortführer der "Außerparlamentarischen Opposition", kurz APO genannt.
    Der heutige CDU-Landtagsabgeordnete des Wahlkreises Olpe trat dann mit 24 Jahren in die Union ein, bevor er eine "gewisse Hemmschwelle" überwunden hatte, wie er jetzt sich erinnert. Seit Gründung der Bundesrepublik in der Regierungsverantwortung, war ihm die CDU Mitte der sechziger Jahre "zu satt" geworden, tat ihr die Regenerierung in den folgenden Oppositionsjahren gut.
    Trotz oder gerade wegen seines starken Engagements für die CDU hat sich der 1944 in Kirchhundem-Flape geborene Sauerländer seine kritische Haltung bewahrt. Die Unionsparteien dürften nach dem Bonner Regierungswechsel 1982 nicht wieder zu einem "Wahlverein" verkümmern, sondern mußten ihre in der Opposition erarbeiteten programmatischen Grundsätze jetzt zu realisieren versuchen. Dabei nennt der Abgeordnete beispielsweise die Vermögensbildung der Arbeitnehmer und den Abbau der Subvention. Hier ginge es auch um die Glaubwürdigkeit der Partei.
    Bereits mit 28 Jahren wurde Schauerte 1973 zum Kreisvorsitzenden der CDU Olpe gewählt. Seitdem hat sich übrigens die Mitgliederzahl verdoppelt. Der Politiker gehörte schon mehrere Jahre dem Kreistag an, als er 1980 schließlich für den nordrhein-westfälischen Landtag kandidierte. Dieses zusätzliche politische Mandat wollte der praktizierende Rechtsanwalt und Notar erst übernehmen, nachdem er sich eine wirtschaftliche Unabhängigkeit geschaffen hatte. Nach seiner Überzeugung sollte ein Parlamentarier kein "Nur-Abgeordneter" sein, sondern durch seine berufliche Tätigkeit eine "gewisse Bodenhaftung" haben. So hat denn auch für den Juristen Schauerte seine Anwaltskanzlei einen erheblichen Stellenwert.
    Dank seiner reichen kommunalpolitischen Erfahrung faßte der Sauerländer schnell Fuß auch im Düsseldorfer Landtag. Dabei trugen persönliche Aufgeschlossenheit und ein gesundes Maß von Kontaktfähigkeit zum inzwischen hohen Bekanntheitsgrad auch in den verschiedenen Ministerien bei. Als Vertreter der jüngeren Generation belastet Schauerte allerdings die "verspielte Zukunft" seiner Alterskollegen, indem sie den hohen Schuldenberg abtragen müssen. Den jüngeren Parlamentariern sei der politische Handlungsspielraum genommen worden, bedauert der Christdemokrat. Das Mitglied des Haushalts- und Finanzausschusses kritisiert, daß dem schon lange drohenden finanziellen Kollaps des Landes nicht früher entgegengetreten worden sei. Spätestens 1979 hätten die entscheidenden Schritte zur Konsolidierung der Landesfinanzen erfolgen müssen.
    Ebenso überrascht wie befriedigt ist Schauerte darüber, daß die Landtagsabgeordneten die "bevorzugte Adresse" rat- wie hilfesuchender Bürger und Kommunen seien. "Mag der Bundestagsabgeordnete auch mehr Reputation in der Öffentlichkeit genießen, was den Kontakt zum Bürger betrifft, ist das umgekehrt." Das zeige sich auch in der großen Zahl der alljährlich eingehenden Petitionen, die andererseits aber auch dokumentieren, daß es "noch viele Mißstände gibt".
    Wenn der CDU-Abgeordnete zum Rednerpult tritt, so ist ihm die Aufmerksamkeit des Parlamentes sicher. Seine Argumente sind wohlabgewogen, seine Analysen exakt - Emotionen gehören nicht zum Wortschatz des Sauerländers. Zweifellos dürfte der Olpener CDU-Abgeordnete im Verlaufe seiner parlamentarischen Tätigkeit seiner Fraktion und dem Landtag noch viele Impulse geben.
    Jochen Jurettko

    ID: LI83161C

  • Porträt der Woche: Fritz Wirtz (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 15 - 02.11.1983

    Mit Ablauf dieser Legislaturperiode, im Frühsommer 1985, will Fritz Wirtz aus der Fraktion der SPD sein Mandat nieder/egen - "Jüngere müssen ran!'t meint er schon heute, mit 62 Jahren. Sein Nachfolger im Wahlkreis 124 Bochum I dürfte auf einer "Bank" sitzen; denn dieser Wahlkreis ist einer von denen, die der SPD traditionell sicher sind mit mindestens 60 Prozent der Wählerstimmen. "Leute aus dem Arbeitsleben, die die Probleme kennen" - so Wirtz finden alle Male mehr Vertrauen dort, wo viele noch im "Blaumann" ihre Brötchen verdienen und solche besser verstehen, die ihre klare Sprache sprechen, die die SPD aber auch wieder mehr ansprechen muß, solange für sie das Alphabet noch bei A wie Arbeiter beginnt.
    Der Name Fritz Wirtz stand und steht für eine solche Politik, er ist das geradezu klassische Beispiel für den - bis in die 60er Jahre typischen - Aufstieg eines Arbeiters und Gewerkschafters in der SPD. Geboren wurde er in Gelsenkirchen, einstmals "Stadt der 1000 Feuer", als Sohn eines selbständigen Malermeisters, dem die Nazis die Werkstatt schlossen, weil "der Sozialdemokrat den Mund nicht halten konnte". Sohn Fritz absolvierte die Volksschule und lernte Werkzeugmacher, bis er 1941 "dienstverpflichtet" wurde, zu den Marinewaffen nach Eckernförde. Dort wurde er umgeschult zum technischen Zeichner.
    Die Internierung nach Kriegsende dauerte nicht allzu lange, schon im August meldete sich der Heimkehrer wieder in seinem früheren Lehrbetrieb. Ein Jahr später trat Wirtz in die SPD ein ("Was sonst!"); seine Arbeitskollegen wählten ihn in den Betriebsrat. Damit begann seine eigentliche berufliche Laufbahn, die ihn als Geschäftsführer ausweist im Handbuch des Landtags - bei der Gewerkschaft, bei der IG Metall. Die schickte den "Neuen" erst einmal auf die Akademie der Arbeit nach Frankfurt, dann wurde Wirtz Jugendsekretär im DGB-Ortsausschuß Bochum- Wattenscheid. Als infolge plötzlichen Todes des Amtsinhabers ein Nachfolger für den DGB-Vorsitz im Kreis Neuss-Grevenbroich gesucht wurde, fiel die Wahl auf Wirtz. Von 1954 bis 1960 war er inzwischen verheiratet und Vater von zwei Kindern - Pendler zwischen Bochum und Neuss, ehe er die gleiche Aufgabe in seiner Heimatstadt übernehmen konnte. Seit 1967 ist er 1. Bevollmächtigter der IG Metall in Bochum- Wattenscheid, auch Mitglied des Beirates und der Großen Tarifkommission. 1970 wechselte Wirtz aus dem Rat der Stadt Bochum (seit 1969) in den Landtag über, wo er in Ausschüssen tätig ist, die seinem beruflichen Weg und seinen Erfahrungen besonders entsprechen: Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Ausschuß für Grubensicherheit. Versteht sich, daß Wirtz sich leidenschaftlich zur Kohle-Vorrang-Politik bekennt, Braunkohle einbegriffen - "wir müssen da möglichst viele Arbeitplätze halten"! Zurückhaltung empfiehlt er beim verstärkten Einsatz von Kernenergie, "solange die Entsorgungsfrage nicht eindeutig geklärt ist". Einen "Wald- oder Umweltpfennig" hält Wirtz für "gut denkbar; alle sollten zahlen, nicht nur die Industrie". Mit der Einführung von bleifreiem Benzin "sollte die Bundesrepublik ein Beispiel setzen".
    Wer heute in Sachen Kohle und Stahl politisch aktiv ist, muß das Wort "Freizeit" zwangsläufig ganz klein schreiben. Dabei hat Wirtz mit den Spielcasinos in Bad Aachen und Bad Oeynhausen zu tun, von Amts wegen. Die führen zehn Millionen Mark jährlich an die Stiftung Wohlfahrtspflege ab; Vorsitzender dieser segensreichen Einrichtung des Landes Nordrhein-Westfalen ist Fritz Wirtz. Mit den neun Mitgliedern des Stiftungsrates konnte er im vergangenen Jahr in 132 Fällen bestimmte Maßnahmen mit Zuschüssen aus der Spielbankabgabe fördern. In diesem Jahr sind es wieder zehn Millionen, über die die Stiftung Wohlfahrtspflege verfügen kann; behinderte und alte Menschen werden sich darüber ganz besonders freuen.
    Hans Krieger

    ID: LI831519

  • Porträt der Woche: Dr. Klaus Heugel (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 14 - 11.10.1983

    Die Tatsache, daß er ausgerechnet im Landtagswahlkreis 13 kandidiert hat, also dem Wahlkreis Köln I, hat den gebürtigen Berliner keineswegs bange gemacht. Auch beim Einzug in den nordrhein-westfälischen Landtag, dem er seit dem 29. Mai 1980 angehört, hatte Dr. Klaus Heugel zu keiner Zeit das Gefühl, von einem neuen Informationsfluß überschwemmt zu werden. Der Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion im Kölner Stadtparlament, der mit seinem Landtagsmandat so etwas wie eine Verbindungsklammer zwischen Kommunalpolitik und Landespolitik bildet und sich dessen auch voll bewußt ist, kam illusionslos in das Landesparlament. Für ihn ist Landespolitik eine Fortsetzung der Kommunalpolitik auf höherer Ebene, ist es notwendig, als Kommunalpolitiker zu wissen, was im Lande gespielt wird und als Landtagsabgeordneter bei Sachfragen auf seine kommunalpolitischen Erfahrungen zurückgreifen zu können. Dazu bedarf es eines vollen persönlichen Einsatzes und einer Standhaftigkeit, sei es im Stadtrat von Köln, sei es im Düsseldorfer Landtag. Klaus Heugel, vom Jahrgang 1936, hat das bisher verkraftet, fühlt sich auf beiden Parlamentsebenen zu Hause und kann für sich außerdem noch die Erfahrungen in Anspruch nehmen, die er zwischen 1971 und 1975 als Referent im Bundeskanzleramt unter Professor Horst Ehmke gesammelt hat. Im Landtag selbst sitzt er im Haushalts- und Finanzausschuß, eine Tätigkeit, die dem Diplomkaufmann und promovierten Dr. rer. pol. wie auf den Leib zugeschnitten ist. Mit Geld umzugehen, hatte er schon als Projektsprecher bei der Deutschen Entwicklungsgesellschaft Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre gelernt. Aber auch persönlich weiß er den Wert des Geldes zu schätzen, hat er sich doch sein Studium selbst mitfinanzieren müssen und dabei ein Jahr unter Tage gearbeitet und die Befähigung als Lehrhauer erworben.
    Neben den parlamentarischen Funktionen, als Beobachter im Bundestag, Ratsherr in Köln und Abgeordneter im Landtag sowie seine beruflichen Erfahrungen verfügt der heute 46jährige auch über eine nicht zu unterschätzende Erfahrung in seiner Partei, in der er sich seit seinem Eintritt im Jahre 1978 bis zum Ortsvereinsvorsitzenden und Mitglied des Unterbezirksvorstandes vorgearbeitet hat. Darüber hinaus hat Heugel als Mitglied der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, der Arbeiterwohlfahrt und des Arbeiter- und Samariterbundes sich freiwillig weitere Verpflichtungen aufgeladen.
    Im Landtag versucht er, auch das Anliegen seiner Kölner Wahlheimat durchzusetzen, aber er ist kein Mann mit Scheuklappen, dazu hat er zu lange in Essen, Duisburg und Dortmund gelebt, und dazu weiß er zu umfassend, daß es die Sorgen der Domstadt auch noch anderswo gibt. Wenn die Politik und andere öffentliche Verpflichtungen ihm nur halbwegs Zeit lassen, dann verbringt er sein Wochenende daheim in Köln am Stadtwaldgürtel, dann hält er sich mit Tennisspielen fit oder besucht auch mal ein Fußballbundesligaspiel in seiner Heimatstadt. Und wenn Spitzenspiele im Hallenhandball anstehen, dann zieht es den früheren Handballer auch schon mal in die Westfalenhalle nach Dortmund. Heugel ist Sportler, aber kein Typ eines Leichtathleten, der über kurze Strecken sprintet oder sich über lange Strecken quält - er bleibt lieber am Ball, sei es beim Tischtennis oder beim Tennis-, Hand- oder Fußballspiel. Vor allem aber in der Politik will er am Ball bleiben, in seiner sozialdemokratischen Partei, im Kölner Stadtrat und in der Landespolitik. Ob er am politischen Ball noch Höheres anpeilt, darüber schweigt er, lächelt in sich hinein, sieht sich als Realist, will aber auch nichts ausschließen.
    Karl Fischer

    ID: LI831423

  • Porträt der Woche: Erich Kröhan (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 13 - 04.10.1983

    Wer den Weg des 58jährigen Erich Kröhan nachzeichnet, der seit Juli 1966 als Mitglied der SPD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag sitzt, entdeckt einen jener Männer, wie sie gerade in dieser Partei als Mandatsträger immer seltener werden: Der gebürtige Berliner, Sohn eines selbständigen Schneidermeisters, besuchte die Volksschule, lernte Maschinenschlosser und wurde - nach dreijähriger Soldatenzeit Fabrikarbeiter. Das blieb er auch, als er 1947, frisch verheiratet, über Duisburg nach Mülheim an der Ruhr übersiedelte. Da war er bereits, wie auch seine Frau, Mitglied der SPD. Kurt Schumacher und Ernst Reuter hatten ihm "den Weg gewiesen".
    Wer den Zweiten Weltkrieg und die schlimmen Jahre danach erlebt hat, in Berlin wie an der Ruhr, wer ein kaputtes Land aus den Trümmern auferstehen sah, mit seiner Hände Arbeit dazu beitrug, monatelang sogar als Minensucher, der "weiß, worum es einer Friedensbewegung wirklich gehen muß"; weiß auch besser als andere, warum die SPD bei der letzten Bundestagswahl gerade im Arbeitnehmerlager an Rhein und Ruhr deutliche Stimmenverluste erlitt: "Es sind zu wenige, die die Arbeitswelt kennen und ihre Probleme", betont Kröhan. Und da könne er "nur hoffen, daß bei künftigen Kandidatenwahlen wieder mehr Wert daraufgelegt wird; die gesamte Breite einer Volkspartei muß auch bei den Mandatsträgern ihren Ausdruck finden". Wenn Kröhan heute hört und liest, daß die SPD ihre Zielgruppenarbeit verstärken muß, wieder mehr in die Vereine und Vereinigungen hineinwirken muß - für ihn, der über Jahrzehnte "nur Ortsarbeit" betrieb, sind dies alte Erkenntnisse. Sie brachten ihm permanent Erfolg.
    Da sind Kommunalpolitik und Sport ganz naheliegend. Kröhan war über viele Jahre hinweg Mitglied des Rates der Stadt Mülheim, Vorsitzender des Stadtsportbundes ist er heute noch. Wenn er sagt, daß die 175000 Einwohner zählende Stadt 118 eingetragene Sportvereine mit 37000 Mitgliedern hat, so ist die "Weltmacht" Sport da erst recht ein Faktor, der in der Politik zählt. Versteht sich, daß seine Fraktion ihn bereits 1966 als Neuling in den Sportausschuß entsandte. Dort sitzt er heute noch und - "man kann gerade den kleinen Vereinen eine Menge helfen bei ihrer unschätzbaren Arbeit für die Jugend; Sport ist die beste Art von Jugendpolitik". Er ist schon ein bißchen stolz, daß es "inzwischen Sporteinrichtungen in ausreichender Zahl gibt, außer gedeckten Hallen". Freilich "müssen auch viele Einrichtungen jetzt modernisiert werden", deshalb "müssen wir die für 1983 um 20 Prozent gekürzten Mittel auf diesem Stand unbedingt halten". Auch die Übungsleiterhonorare - da geschieht "schon sehr viel Ehrenamtliches, im Interesse unserer Kinder".
    Den "Blaumann" hatte Kröhan 1961 mit dem Kittel eines technischen Angestellten im städtischen Amt für Brücken- und Ingenieurbau vertauscht, wobei er schnell sein "Herz für den Nahverkehr entdeckte". Das veranlaßte die Fraktion, ihn in den Verkehrsausschuß zu entsenden, dessen Vorsitzender er längst ist. "Kernstück" seiner Arbeit dort - während der letzten Legislaturperiode schon - war die Einführung des Verkehrs- Verbunds Rhein-Ruhr (VVR), "eine überzeugende Lösung, weil man mit einer Fahrkarte die verschiedensten Verkehrssysteme benutzen kann".
    Inzwischen hat der SPD-Verkehrsexperte "die meisten Großstädte im Ruhrgebiet unter der Erde durchwandert", nachdem er "die Stadtbahnidee seit 1968 verfolgt". Da will er "die ersten großen Baustufen noch im Verkehr erleben, begonnene Arbeiten nach 1985 gerne weiterführen". Das heißt, daß sein Arbeitstag weiterhin 16 Stunden haben wird, "wofür die Ehefrau viel Verständnis haben muß". Das dürfte ihr etwas leichter fallen; denn "drei Generationen wohnen einträchtig unter einem Dach". Wodurch sich "auch die Gartenarbeit von selbst erledigt", meint Kröhan schmunzelnd.
    Hans Krieger

    ID: LI831318

  • Porträt der Woche: Helmut Elfring (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 12 - 27.09.1983

    Er hat sich der Politik verschrieben Helmut Elfring, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion und seit kurzem auch ihr Parlamentarischer Geschäftsführer. Der heute 50jährige Abgeordnete aus dem Münsterland gehört jener Generation an, die den Krieg als Kind schon bewußt miterlebt hat und die nach dem Zusammenbruch das "Pflänzchen Demokratie" sprießen sah. Man war damals neugierig auf das Neue - so auch Helmut Elfring, der als 15jähriger sich in abendliche Wahlkampfsäle mogelte und zu jener Zeit noch rationierte Zeitungen begierig las.
    So wuchs der gebürtige Billerbecker regelrecht in die Politik hinein. Während seines Studiums der Rechts- und Politischen Wissenschaften wurde er 1955 Vorsitzender des Allgemeinen Studentenausschusses der Universität Münster und trat im selben Jahr der CDU bei. Nach der juristischen Staatsprüfung 1960 und seiner Berufsentscheidung für den Journalismus folgte die eigentliche politische Lebensetappe. Als damals kaum 30jähriger kam er in den Landtag. Die Gründlichkeit, mit der Helmut Elfring seine neue Aufgabe anpackte, brachte ihm schnell Anerkennung bei den Parlamentskollegen und Beifall bei den Wählern im Kreis Coesfeld. Und jener Kreis, dessen Interessen der CDU-Abgeordnete inzwischen seit über zwei Jahrzehnten umsichtig und engagiert vertritt, zählt mit zu den problemreichsten im Land. Mit dem steten Zurückgehen der früher dort dominierenden Landwirtschaft und Textilindustrie wurde seine Wirtschaftsstruktur zunehmend geschwächt. So liegt das Bruttosozialprodukt im Kreis Coesfeld stets unter der Zweidrittelmarke des durchschnittlichen Landeswertes - andererseits aber zählt diese Region zu den geburtenreichsten in Nordrhein- Westfalen. Die Verbesserung der Wirtschaftsstruktur und die Förderung familienpolitischer Maßnahmen zählen daher zwangsläufig zu den besonderen Anliegen des Christdemokraten.
    Man würde das Wirken des CDU-Abgeordneten schmälern, wenn der Beobachter des Düsseldorfer Parlamentsalltags die anderen Aktivitäten von Helmut Elfring unerwähnt ließe. Da ist der Schul- sowie Bildungsbereich und insbesondere die Medienpolitik. Seit 1980 auch stellvertretendes Mitglied des Rundfunkrates des Westdeutschen Rundfunks hat er gerade in letzter Zeit entscheidend dazu beigetragen, die Haltung der CDU-Fraktion zu den sogenannten neuen Medien zu erarbeiten und zu formulieren.
    Im Verlauf seiner über 20jährigen Zugehörigkeit zum nordrhein-westfälischen Landesparlament hat Helmut Elfring eine umfassende Kenntnis gewonnen von der gesamten Breite und den vielfältigen Problemen der Landespolitik. Das und sein persönliches Engagement, verbunden mit einer großen Aufgeschlossenheit, dürften ausschlaggebend gewesen sein für die Wahl zum Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU-Opposition. Wie nur wenige Abgeordnete kennt er das "Innenleben" der Fraktion, ist er ein "alter Fuhrmann" der parlamentarischen Abläufe.
    "Ich will mich nicht verheddern im Abzeichnen von Buchungsvermerken - obwohl auch das wichtig ist", meint er zu seiner neuen Aufgabe. Vielmehr möchte er dazu beitragen, daß "wir auch in schwierigen Fragen offen miteinander reden und in den oft unvermeidlich nüchternen Fraktionsalltag gelegentlich ein etwas familiäres Klima einzieht". Der Münsterländer hat nie Zweifel an seiner Ablehnung gegenüber Ämterhäufungen gelassen. So sieht er diese Doppelfunktion - Geschäftsführer und Vizevorsitzender der Fraktion - auch nicht als eine Dauerlösung an, will sie nur bis zum Ende dieser Legislaturperiode ausüben. Doch gleichzeitig gesteht Helmut Elfring freimütig ein, daß er diese Führungsaufgabe gern übernommen hat. "Sie ist die Verwirklichung eines Wunsches, den ich seit langem hatte."
    Seine Ehefrau und die drei Kinder werden noch mehr Verständnis in den nächsten Monaten aufbringen müssen. Die Politik, der sich der CDU-Abgeordnete schon in jungen Jahren verschrieben hat, fordert ihren Tribut.
    Jochen Jurettko

    ID: LI831216

  • Porträt der Woche: Günther Einert (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 11 - 20.09.1983

    Ob er sich als Minister in Lauerstellung fühle? Günther Einert wäre kein Profi, wenn er diese Frage nicht mit gekonnt demonstrierter Abwehr zurückweisen würde. Nein, er habe keinen Ehrgeiz, wiegelt der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion ab. Und schon gar nicht warte er darauf, daß Johannes Rau den Kopf durch den Türspalt stecke und mit der Ernennungsurkunde winke. Dennoch: Der 52jährige graduierte Volkswirt, der seit Beginn dieser Legislaturperiode als parlamentarischer Geschäftsführer dafür zu sorgen hat, daß der Laden läuft in der Mehrheitsfraktion, ist der einzige SPD-Abgeordnete, dessen Name immer wieder genannt wird, wenn von der Rau aufgeredeten Regierungsumbildung geredet und geschrieben wird. Günther Einert versteht das sogar. Als " Vielzweckwaffe", wie er sich selbst charakterisiert, sei er eben wie geschaffen für solche Spekulationen, räumt er ein, nicht ohne noch einmal schnell hinzuzusetzen, daß er sich an solchen Spekulationen nicht beteilige.
    Der gebürtige Schlesier ist einer jener zahlreichen Akademiker in der SPD, die aus der Arbeiterschaft kommen. Als Schlosser und Schweißer verdiente er nach seiner Flucht in den Westen seine ersten harten D-Mark. Daß Arbeit - er sagt es so - "existenzieller Zwang" sein kann, weil es damals für ihn kein schützendes Elternhaus mehr, kein Härten abfederndes soziales Netz gab, gehört zu Einerts prägenden Erfahrungen. Was Handarbeit, was Knochenarbeit ist, hat Einert nicht vergessen, auch wenn es schon lange Jahre zurückliegt.
    Ein Aha-Erlebnis, das ihn zum Sozialdemokraten machte, hatte Günther Einert nicht. Seine Mitgliedschaft in der SPD (seit 1951) ist für ihn eine " logische Konsequenz" aus den Erfahrungen, die er am Arbeitsplatz und - stärker noch später als Gewerkschaftsmitglied machte. In der sozialdemokratischen Partei machte der junge Mann, inzwischen nach einem Studium in Hamburg und Illinois zum Volkswirt avanciert, auch schnell Karriere. Mit 34 Jahren - auf dem Papier also noch ein Jungsozialist wurde er schon Oberbürgermeister von Iserlohn. Und er blieb es zehn Jahre lang bis 1974. Damals war er schon Mitglied der SPD-Fraktion, die ihn vor zwei Jahren zu ihrem parlamentarischen Geschäftsführer wählte.
    Jetzt also ein Funktionär? Günther Einert fühlt sich von diesem Wort nicht gekränkt. In jedem größeren Betrieb müsse es Leute geben, die dafür verantwortlich seien, daß der Laden funktioniert. Wenn man solche Leute Funktionäre nenne - bitte, ihn störe das nicht, versichert der parlamentarische Geschäftsführer selbstbewußt. Ungehalten werde er nur, wenn man den "Funktionär" in die Nähe des "Apparatschick" rücke. Das sei er nun wahrlich nicht.
    Günther Einert ist ein nüchterner Mann, der sich selbst, seine Rolle in der Fraktion, auch die Möglichkeiten von Mehrheitsfraktion und Landtag nicht überschätzt. Der manchmal künstlich aufgeregte Alltag im Landtag - für den parlamentarischen Geschäftsführer sind das oft "die im politischen Geschäft vorgeschriebenen Kampf- und Schlachtgesänge", mit denen man sich selbst Mut und dem Gegner Angst machen will. Daß die parlamentarische Gangart mit der Opposition nach Einerts Beobachtung "ruppiger" geworden ist, daß die Kollegen von der CDU die Nase etwas höher tragen, seit ein Christdemokrat im Kanzleramt sitzt, nimmt Einert nichts von seiner Ruhe, die darauf gründet, daß in Düsseldorf die SPD-Fraktion und nicht etwa die Christdemokraten über Macht verfügen. Einert scheut das Wort von der Macht nicht. Im Gegenteil: "Das wäre ja eine traurige Fraktion, die nicht wüßte, daß sie Macht hat und diese auch gebraucht", diktiert der Geschäftsführer dem Fragesteller in den Schreibblock. Dies klingt nur deshalb nicht überheblich, weil gerade Einert nur zu gut weiß, daß die "Macht" selbst einer über die absolute Mehrheit verfügenden Fraktion ihre engen Grenzen hat. Besonders wenn die Kassen so leer sind, wie sie nun einmal nicht nur in Düsseldorf sind. Sein derzeitiger Job macht ihm dennoch Spaß. Und wenn es nach ihm ginge, würde er ihn auch noch gern ein paar Jahre lang behalten - sagt er. Was natürlich nicht bedeuten soll, daß er Johannes Rau einen Korb geben würde, falls der doch einmal den Kopf durch die Tür steckt und mit einer Ernennungsurkunde winke ...
    Reinhard Voss

    ID: LI831120

  • Porträt der Woche: Heinrich Ostrop (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 10 - 13.09.1983

    Lediglich ein Vorstandsmitglied befürwortete damals seine Kandidatur - die Delegierten des CDU-Kreisverbandes Münster und später die Wähler schickten ihn trotzdem nach Düsseldorf. Das war 1966 - heute ist er einer der einflußreichsten Abgeordneten der CDU-Landtagsfraktion und einer der profiliertesten Mitglieder der nordrhein-westfälischen Union: Heinrich Ostrop, stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Landtag und Vize-Chef des CDU-Landesverbandes Westfalen-Lippe. Und wo und für was er auch immer heute kandidiert, ein überzeugendes Abstimmungsergebnis ist ihm sicher.
    Wenn Beobacher der politischen Szenerie den 58jährigen Münsteraner zuweilen als "Graue Eminenz" der Partei und Fraktion bezeichnen, hört er es nicht gern - eher schon läßt er sich das Attribut "Landesschlichter" gefallen. Die Gründe für diese gewichtige Position ließen sich mit einigen Begriffen leicht belegen: Unabhängigkeit, Geradlinigkeit, Offenheit, Arbeitseifer. Doch wer ein Porträt des gebürtigen Olfener aus dem münsterländischen Kreis Lüdinghausen zeichnen will, muß auch den Lebensweg, die Umgebung dieses Politikers kennen, dessen Beobachter durch den Alltag sein.
    Der im Wahlkreis Warendorf I 1980 direkt gewählte Abgeordnete hat eine landwirtschaftliche Berufsausbildung, einschließlich Fachschule absolviert und zehn Jahre lang den elterlichen Hof bewirtschaftet, bevor er ihm seinem Bruder übergab. Wenn er auch schon lange nicht mehr auf diesem geschichtsträchtigen Anwesen, das nachweislich seit 1602 in Familienbesitz ist, arbeitet und heute nach eigenen Angaben in Münster-Nienberge lediglich "auf 786 qm vier Kinder, eine Frau und einen Dackel hält", so wird Heinrich Ostrop trotzdem noch von den Landwirten als einer der ihren betrachtet. Gelegentlich wird ihm sogar ein Bock zum Abschuß angeboten, "doch da muß ich verzichten, einen Jagdschein besitze ich nicht".
    Der Münsterländer ist ohnehin auch kein "Jäger" nach persönlicher Anerkennung, nach Auszeichnungen oder lukrativen Posten wie so mancher Politiker. "In die Politik" kam er, als er 1945 aus dem Krieg heimkehrte und wie viele aus seiner Generation entschlossen war, "eine bessere Welt aufzubauen". Diese Aufgabe ist heute noch gültig. Und in dieser Zielsetzung unterscheidet er sich ebenso von den vielen kühlen Technokraten wie von den unduldsamen Ideologen.
    Nicht wenige Beobachter meinen, Heinrich Ostrop sei nie aus der Ruhe zu bringen, sei ausgestattet mit dem "dicken Fell", das für manche Westfalen charakteristisch zu sein scheint. Wer ihn allerdings besser kennt, weiß auch, daß er sensibler ist, als es für den politischen Alltag gelegentlich ratsam scheint. Wenn der Christdemokrat vor dem Landtag spricht, ist er der Aufmerksamkeit auch seiner politischen Widersacher sicher, einschließlich der auf der Regierungsbank.
    Temperamentvoll kämpferisch und mit einer gehörigen Portion Humor - aber niemals persönlich verletzend - trägt der Vorsitzende des Ernährungsausschusses des Landtages seine Argumente vor, vor allem als leidenschaftlicher Verfechter von Landschafts- und Umweltschutz. Verständlich für einen Politiker, der zwischen münsterländischen Wallhecken groß geworden ist.
    Münsterland - als langjähriger CDU- Bezirksvorsitzender dieser Region hat Heinrich Ostrop insbesondere die Landtagsabgeordneten zu einer von anderen Landschaften beneideten Gemeinschaft zusammengeschweißt, wobei er natürlich einen Vergleich mit den bayerischen CSU-Abgeordneten in Bonn kategorisch ablehnt. All diese Erfolge haben letztlich ihren Ursprung im menschlichen Handeln dieses Politikers. Und wenn das Zitat von "ein Mann - ein Wort" auch noch so abgenutzt sein mag, in Heinrich Ostrop findet es seine Bestätigung.
    Jochen Jurettko

    ID: LI83101D

  • Porträt der Woche: Johannes Rau (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 9 - 28.06.1983

    Sogar manche Weggefährten und nicht nur seine politischen Gegner bringt Johannes Rau mitunter an den Rand der Verzweiflung. Sein früherer Königsmacher Hans Otto Bäumer warf ihm kürzlich geradezu wütend die Brocken vor die Füße und verabschiedete sich aus dem Kabinett mit der bitterbösen Begründung, dem Ministerpräsidenten fehle es an Führungskraft. Das mit der mangelnden Führungskraft - pflicht- und rollengemäß - perpetuierend zu behaupten, werden auch die Union und die kleine mittelständische Möllemann- APO, die F.D.P., nicht müde. Wenn's denn stimmt, nimmt es allerdings wunder, daß sich die oppositionelle CDU überhaupt und dann auch noch so lange und verbiestert über die Frage zerstritt, wer diesen Regierungschef mal schlagen könnte.
    Führung hin, Mangel her - mit seiner Tour und auf seine Weise hat Rau (fast) immer Erfolg gehabt, und das schon seit langem. Der politische Zögling Gustav Heinemanns kam über dessen kurzlebige "Gesamtdeutsche Volkspartei" 1957 zur SPD, zog nur ein Jahr später - also inzwischen vor genau 25 Jahren - in den Düsseldorfer Landtag ein, brillierte dort bald mit rhetorischen Attacken auf die streng konservative CDU-Kultusministerin Christine Teusch, stieg Ende der sechziger Jahre zum SPD-Fraktionsvorsitzenden auf, mehrte seine Popularität als Wuppertaler Oberbürgermeister und wurde - ohne Abitur und Hochschulstudium - 1970 Wissenschaftsminister unter Heinz Kühn. Mit seinem Namen sind die Gründungen der nordrhein-westfälischen Gesamthochschulen und der ersten deutschen Fernuniversität in Hagen verbunden. 1977 avancierte Rau zum Chef der Landes-SPD, hatte damit die entscheidende Weiche für den lange geplanten Einzug in die Düsseldorfer Staatskanzlei gestellt und wurde 1978 Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.
    Und weiter ging's bergauf: Mit dem absoluten Wahlsieg der NRW-Sozialdemokraten im Mai 1980 und der Bestimmung Raus zum stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden durch den Münchener Parteitag knapp zwei Jahre später.
    Reiht man nur einen Teil der auf ihn gemünzten Attribute - gerechte wie möglicherweise fahrlässige - aneinander, so entsteht ein geradezu schillerndes Persönlichkeitsbild von dem 52jährigen Politiker: bibelfester Predigersohn und "Bruder Johannes", "Hoffnungsträger" einer bundesweit darniederliegenden SPD, harter "Malocher" mit 17-Stunden-Tag und jungenhafter Attitüde, "Zauderer" und politischer Daueraufsteiger, zuwendungsbereiter "Dialog-Präsident", raffinierter Taktiker, bierfreudiger Skatbruder, fröhlicher Selbstdarsteller und - dies allerdings ist durch Umfragen belegt - beliebter und anerkannter "Landesvater".
    Unbestreitbar gehört Rau nicht zu jenen politischen Kraftakteuren, die forsch Pflöcke einschlagen, an denen sich andere reiben. Vielmehr will und kann er zuwarten, bis Kompromisse und Konsens gefunden sind, in denen sich selbst bei heikelsten Sachproblemen eine breite Zustimmung in Partei, Fraktion und Kabinett wiederfindet. Das gilt für innerpolitisch so strittige Themen wie Nachrüstung und das Verhältnis zu den "Grünen", das gilt ebenso für das landespolitisch existentielle Bemühen um die Lösung der schier erdrückenden Strukturprobleme, die Bewältigung der Kohle- und Stahlkrise, und das gilt gleichermaßen für die Suche nach einem Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie.
    Offenkundig diesem auf Integration angelegten Kurs ist es ganz wesentlich zuzuschreiben, daß hinter Rau eine weitgehend loyale Partei auch in jenen Jahren stand, in denen andernorts Sozialdemokraten sich am zerstörerischen Bazillus unversöhnlicher Genossenanfeindungen infizierten und ihre Vorderleute demontierten.
    Schlagzeilenträchtiges Vorpreschen, das ist nicht die Marschtaktik von Johannes Rau. In kleinen Schritten möchte er vorankommen, dafür aber, wenn irgend möglich, mit der geschlossenen Mannschaft.
    Christoph Lütgert

    ID: LI83092E

  • Porträt der Woche: Landtagspräsident John van Nes Ziegler (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 8 - 14.06.1983

    Vor 30 Jahren noch stritten eifersüchtige Politiker, wer auf der Bühne staatlicher Landesherrlichkeit die Nummer eins sei - der Ministerpräsident oder der Landtagspräsident? Heute fragt keiner mehr danach! Nicht das Protokoll, die Persönlichkeit gibt den Ausschlag. 25 Jahre - ein nicht alltägliches, gewöhnliches Jubiläum für einen Parlamentarier - gehört jetzt John van Nes Ziegler dem Landtag an, ein treuer Angehöriger der großen Familie des deutschen Föderalismus, und dies nicht in Onkel-Rollen oder Cousin-Pose, sondern in der Position des Vaters.
    Am 25. Juli 1966 wurde der Kölner mit einem Schuß Hamburger Blut in den Adern erstmals zum Präsidenten des Landtags gewählt. Das Ereignis an sich war die Sensation, denn daß Sozialdemokraten zur stärksten Fraktion unter Oppositionsführer Heinz Kühn aufrücken würden, wollte so recht keiner wahrhaben. Ein junger, noch nicht einmal 50 Jahre alter Präsident übernahm die Glocke und Regie des Hohen Hauses. Zur Vereidigung kamen die meisten im Bratenrock, er selbst im hellen Sommeranzug. Eine Provokation?
    Wie John van Nes Ziegler dachte, bekannte er in seiner einzigen großen, auf Jahrzehnte hin bedachten Rede anläßlich einer Festversammlung, die 1969 dem Besuch des Bundespräsidenten Dr. Gustav Heinemann galt. Mit der neuen Epoche, mit den aufflammenden Zeichen einer stürmischen Zeit des jugendlichen Aufbegehrens beschäftigte sich van Nes Ziegler wie folgt:
    "... wer wollte das materiell orientierte Denken und Handeln von Menschen verurteilen, die sich, in ihren Idealen verraten und enttäuscht, nach 1945 auf das konzentrierten, was ihnen Befreiung aus der bittersten Not verhieß: den Wiederaufbau ..." Und der Präsident fuhr fort: "Pragmatisch und vielleicht auch egoistisch wollten sie in Ablehnung jeder Ideologie Wohlstand, Sicherheit und bescheidenes Glück ganz bewußt für sich." Der Präsident meinte, daß die geschundene Generation nicht an kommende Generationen dachte und leitete über:
    "Gewiß, mit dieser Einseitigkeit sehe ich uns nicht in der Nachfolge jenes '... Geschlechts erfinderischer Zwerge, die für alles gemietet werden können', von denen Brechts Galilei spricht; denn diese sind durch ihren Verrat gebunden, während uns nur die Trägheit des Herzens hindert. Aber selbst dies ist verhängnisvoll genug, weil wir an Glaubwürdigkeit verlieren und sie schließlich ganz einbüßen, wenn es uns nicht gelingt, die Selbstzufriedenheit zu überwinden und unsere Taten wieder zu legitimen Kindern unserer Worte zu machen."
    Schließlich sagte van Nes Ziegler: "Die zufriedene Bequemlichkeit und der übertriebene Stolz auf das Geleistete sind natürlich Reflexe auf die individuellen Nöte und Entbehrungen, welche die Älteren von uns in Deutschlands dunkelsten Stunden erleiden müßten. Aber so verständlich von da her unser Verhalten auch sein mag, wir dürfen uns nicht den Blick dafür versperren, daß die Jugend dieses Verständnis nicht teilen kann - oder jedenfalls nur dann, wenn wir uns sehr darum bemühen ..."
    Wer noch weiß, wo 1969 die Bundesrepublik stand, und wo heute - 14 Jahre später - die sogenannte Nachkriegspolitik der klassischen Demokraten von links bis rechts sich im Dialog mit der Jugend befindet, der muß jener selbstkritischen Weisheit des John van Nes Ziegler Nachdenklichkeit widmen - zumindest.
    Daß dieser Mahner 1980 zum zweiten Mal an die Spitze des Landtags trat, war ganz gewiß nicht eine Laune des Schicksals, sondern eher schon ein Akt der Gerechtigkeit, nachdem wieder die SPD als stärkste Fraktion auftrumpfen konnte. Die Übernahme, die Rückeroberung des Präsidentenamtes war allerdings mit dem quälenden Verzicht auf den liebgewordenen Stuhl des Oberbürgermeisters von Köln verquickt. So hat alles seinen Preis.
    In die Geschichte des Landes begibt sich John van Nes Ziegler auch als Erbauer des neuen Landtags. 30 Jahre lang haben die Parteien und Fraktionen, die Journalisten und die Öffentlichkeit gestritten, gefeilscht, miteinander und gegeneinander paktiert, auch intrigiertein Knäuel der Widersprüche, selbst Heuchelei war manchmal dabei. "NES", das freundschaftliche Kürzel seines langen, umständlichen Namens, durchschlug den Knoten mit der Kraft seiner ganzen Persönlichkeit.
    Demokratie hat auch mit "Herrschen" etwas zu tun, es herrscht die Mehrheit, und John van Nes Ziegler macht dies wahr. Praktisch angewandte Macht ohne Wenn und Aber bekamen zuletzt jene Widersacher zu spüren, die dem alten Fuchs einen Personalvorschlag zu entreißen versuchten. In solchen Augenblicken blitzt in dem sonst so kühlen Juristen die Leidenschaft des Politikers auf. Sein schneller Pfeil trifft, doch er trägt kein Gift.
    Horst-Werner Hartelt

    ID: LI83082A

  • Porträt der Woche: Dr. Bernhard Worms (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 7 - 07.06.1983

    Für das Landesparlament von Nordrhein-Westfalen eröffnet sich mit der Entscheidung der Union, ihren CDU-Abgeordneten Dr. Bernhard Worms zum Herausforderer des Ministerpräsidenten Johannes Rau bei der Landtagswahl im Frühjahr 1985 zu erklären, eine neue und reizvolle Perspektive. Schon die Rededuelle der letzten drei Jahre zwischen dem sozialdemokratischen Regierungschef und dem damaligen Oppositionsführer Kurt Biedenkopf waren für den Landtag ein Gewinn. Der künftige Wettstreit der Argumente zwischen Rau und dem neuen Oppositionsführer Worms wird gewiß ebenfalls die parlamentarische Debatte bereichern, wenn auch auf andere Weise.
    Worms und Rau, die neuen Gegenspieler also, haben von ihrer Persönlichkeitsstruktur her manches gemeinsam. Beide sind Politiker, die mit Herz und Verstand arbeiten. Beide setzen im Wettbewerb um die Gunst der Wähler Techniken der Zuwendung, des Harmoniestrebens, der "Teilnahme" ein, die durchaus politische Waffen sind. Beide haben sich auch in ihrer eigenen Partei von unten nach oben durchgearbeitet, kommen aus der Kommunalpolitik und sind auf ihre Weise den vom Christentum geprägten ethischen Rechtfertigungen von Politik besonders verhaftet, der eine in evangelischer, der andere in katholischer Konfession.
    Worms gehört dem Düsseldorfer Landtag schon seit 1970 an. Er hat von Anfang an auf dem Felde der Landesplanung gearbeitet, wo sich Landes- und Kommunalpolitik oft in konfliktträchtiger Weise verzahnen. Und Worms ist auch einer der "Problem"-Väter der kommunalen Neugliederung des Landes. Es gehörte Mut dazu, sich gerade in diesem Bereich zu engagieren. Wer bereit ist, als Parlamentarier Verantwortung auch für harte Entscheidungen zu übernehmen, kann nicht immer nur mit Applaus rechnen. Aber dieser Bernhard Worms war immer schon ein zäher, fleißiger, stetiger politischer Arbeiter in seiner Partei. Hinter der rheinischen Bonhomie, die er verströmt, steckt ein starker Wille, viel Energie und - wie die letzten Monate bewiesen haben - auch eine vom zumindest innerparteilichen Erfolg her belohnte Durchsetzungskraft.
    Der Aufstieg von Worms war wenig spektakulär. Mancher Beobachter hat das erst im nachhinein ernsthaft registriert. Worms hat sich sein Studium der Wirtschaftswissenschaften in den Nachkriegsjahren ohne Staatshilfe weitgehend durch Arbeit finanziert. Damals war das selbstverständlich, heute muß man es hervorheben. Er schuf sich auch sein erstes materielles Fundament als Industriekaufmann, bevor er nach Examen und Promotion seinen Weg als Beamter bei der Bundespost begann, der ihn bis zum Abteilungspräsidenten einer Oberpostdirektion führte. In der Düsseldorfer Staatskanzlei, in die er 1985 mit der CDU zurückstrebt, saß er schon einmal vor 1966, als persönlicher Referent des damaligen CDU-Regierungschefs Franz Meyers. In der Landtagsfraktion der CDU arbeitete er viele Jahre lang loyal hinter dem 1980 gestorbenen Vorsitzenden Heinrich Köppler. 1980 wurde er Köpplers Nachfolger als Vorsitzender der rheinischen CDU. Beide Landesverbände, der rheinische und der westfälische, übertrugen ihm dann Anfang Mai dieses Jahres die Spitzenkandidatur für das Wahljahr 1985. Seit zwei Wochen ist er auch formell zum neuen Fraktionsvorsitzenden gewählt, seit einer Woche ist er einer der sieben Stellvertreter von Kohl im Bundespräsidium der Union.
    Verba docent, exempla trahunt, sagte Worms unmittelbar nach seiner Nominierung als Rau-Herausforderer durch die CDU. Diese lateinische Spruchweisheit soll ein Hinweis darauf sein, daß Politiker die Bürger durch Reden zwar belehren, aber nur durch persönliches Beispiel überzeugen können. Dahinter steckt der Anspruch auf die Einheit politischen Denkens, Redens und Handelns. Daß Worms diesen Eindruck bislang vermitteln konnte, ist ein wesentlicher Grund für die Glaubwürdigkeit, die er in der Union inzwischen genießt. Freilich, die Partei hat ihm damit auch eine Vorgabe, einen Vorschuß an Vertrauen eingeräumt, den sie eines Tages durch zusätzliche und weit höhere Leistungsnachweise als bisher wieder einfordern wird. Worms macht sich über die Schwere der vor ihm stehenden Aufgabe keine Illusionen. Er weiß, in welch schwierigem strukturellen Prozeß das Ruhrgebiet als industrielles Herzstück dieses Landes steckt. Er kennt die Nöte der Stahlindustrie und die daraus wachsenden neuen Schwierigkeiten des Steinkohlenbergbaus. Ihm sind die finanziellen Sorgen der Städte, Gemeinden und Kreise dieses Landes vertraut, und er weiß auch, welche ungeheure Last an öffentlicher Verschuldung jeder Ministerpräsident in Düsseldorf verantworten muß, ob er nun regiert oder ob er eines Tages regieren will. Ob die Oppositionspolitik im Landtag sich unter Worms in den nächsten beiden Jahren verändern wird, ob die CDU andere Akzente setzen, vielleicht auch einen anderen Arbeitsstil entwickeln wird, das dürfte sich sehr schnell nach der Sommerpause dieses Jahres zeigen. Worms will mit seinen politischen Freunden im Landtag zunächst einmal in einer Klausur Lage, Anspruch und Ziele der CDU in diesem Lande beraten. Es geht um mehr als um eine Standortbestimmung. Auch der politische Handlungsrahmen bis zur Wahl 1985 soll ausgemessen und abgesteckt werden. Danach haben Landtag und Öffentlichkeit einen Anspruch, das Konzept des Bernhard Worms für die Wohlfahrt der Bürger dieses Landes zu hören.
    Lothar Bewerunge

    ID: LI830724

  • Porträt der Woche: Dr. Ottmar Pohl (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 6 - 10.05.1983

    Wer immer ihm zum 50. Geburtstag im Mai oder zum 20. "Dienst"-Jubiläum im Herbst dieses Jahres eine Laudatio widmen will, der wird bei Ottmar Pohl nicht lange nach Stichworten oder auch Anekdoten suchen müssen, um die Leistungen des stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden im nordrhein-westfälischen Landtag gebührend würdigen zu können. Denn der promovierte Jurist und Kölner aus Leidenschaft ist einer der erfahrensten Abgeordneten im Parlament am Düsseldorfer Schwanenspiegel, zählt zu den profiliertesten Sprechern der Opposition und gehört zu den wenigen Parlamentariern, die vor und hinter den Kulissen die politische Arbeit des Landtags planen und lenken.
    Es spricht für Ottmar Pohl, daß dieser Einfluß und die Macht, die ihm in fast zwanzigjähriger verantwortlicher Parlamentsarbeit zugewachsen sind, nicht zu arrogantem Technokratentum führten. Deswegen gehört er auch zur kleinen Schar derer, die nach einer steilen Karriere glaubwürdig von sich behaupten können, auf diesem Weg mehr Freunde gefunden als verloren zu haben. Dieses Glück, in allen politischen Lagern Freunde zu haben, verdankt Pohl sicherlich auch seinem Mutterwitz und seiner munteren rheinischen Spontanität. Aber mehr noch als diese sehr kölschen Begabungen erklären Herkunft, Ausbildung und die Lebensstationen den Erfolg des Mannes, dem man sich in einer CDU-Landesregierung nicht nur als kompetentesten Innenminister vorstellen kann.
    Schließlich lernte der am 14. Mai 1933 auf der "schääl Sick" des Rheins, in Köln- Deutz, geborene Sohn eines aus Mecklenburg stammenden Kaufmanns und einer waschechten Kölnerin sein politisches Handwerk vor allem auf den harten Bänken der Opposition, der sie und er seit 1966 angehört. Allerdings hatte Ottmar Pohl damals, in den Gründerjahren der inzwischen auch in Düsseldorf längst verblichenen sozialliberalen Koalition, nicht die Würden eines Volksvertreters, sondern die Bürden des ersten wissenschaftlichen Assistenten im Landtag Nordrhein-Westfalens zu tragen. Im Lebensplan des Juristen, der 1959 an der Universität seiner Heimatstadt über den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Staatsrecht promovierte, eine Verwaltungslaufbahn anstrebte und nach dem zweiten Staatsexamen und einem kurzen Gastspiel in einer Kölner Anwaltskanzlei 1963 Assistent der unumstritten scheinenden CDU-Regierungsfraktion wurde, sicher nicht begründet. Doch der Pimpf, der nach dem Zusammenbruch 1945 von seinem Kinderlandverschickungsort in der heutigen CSSR quer durch Deutschland "zu Foss nor Kölle" laufen und sich durchbetteln mußte, um anschließend mit Klassenkameraden seine zerstörte Schule aufzubauen (der Hammer zum Steineklopfen mußte von zu Hause mitgebracht werden), hatte zähe Ausdauer gelernt. 1953 war er in die CDU eingetreten, bereits 1961 Vorsitzender eines Kölner Ortsbezirksverbandes seiner Partei geworden und schlug 1963 das Angebot des damaligen CDU-Fraktionschefs und späteren Landtagspräsidenten Wilhelm Lenz nicht aus, das Pohl auch nach dem Sturz in die Opposition an den Landtag band. Während er in diesen Jahren "allzuständig" den wissenschaftlichen Dienst seiner Fraktion aufbaute, erlebte er gleichzeitig die Nöte einer Partei, die sich schwertat, in die neue politische Rolle als Opposition hineinzuwachsen.
    Der Assistent Pohl diente von 1966 bis 1970 gleich vier Spitzenkandidaten der CDU. 1970 kam Heinrich Köppler "mit neuen Männern, entschlossen zum Handeln", wie Ottmar Pohl heute diesen damaligen Wahlslogan fröhlich zitiert. Gerade Köppler, der 1970 dem frischgebackenen Abgeordneten das Amt des Parlamentarischen Fraktionsgeschäftsführers anbot, das Pohl zehn Jahre lang souverän führte, wurde für ihn zum prägenden politischen Partner und Freund, "ein Mann, der Menschen führen und Freundschaften schließen konnte und vor allem Vertrauen hatte", wie Pohl nicht ohne Wehmut und einer auf die Gegenwart bezogenen Bitterkeit formuliert.
    Das menschliche Klima habe sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten im Landtag nicht verschlechtert. Doch vermißt Pohl die großen politischen Debatten früherer Jahre. Nach seiner Meinung ist das "Geschäft" am Schwanenspiegel steriler, detailverliebter und pragmatischer geworden.
    "Beide Fraktionen scheuen sich heute, den Paukboden der Plenardebatte zu betreten, weil sie befürchten, ein kräftiger Schlagabtausch um der Sache willen könnte draußen Nachteile bringen. Gleichzeitig beklagen alle, daß der Landtag zuwenig Sensibilität für die Ereignisse im Land zeigt. Das sollte anders werden."
    Helmut Breuer

    ID: LI830617

  • Porträt der Woche: Reinhard Grätz (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 5 - 26.04.1983

    Vielleicht charakterisiert dies den Reinhard Grätz ganz treffend: Seit 13 Jahren ist der Wuppertaler Ingenieur jetzt schon Mitglied des Düsseldorfer Landtags aber duzen tut er sich, im Gegensatz zu den allermeisten Kollegen in der SPD- Fraktion, mit keinem einzigen Christdemokraten. Immerhin: "Mit einigen ganz wenigen" Kollegen von der Opposition habe er ein "stilles, menschliches Einvernehmen", auf das man zurückgreifen könne, wenn es nötig wäre, gibt Grätz zu erkennen, nicht verhehlend, daß ihm im Interview Persönliches schwer über die Lippen kommt. Der vor 43 Jahren in Schlesien geborene stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion gehört zu den Stillen im Ständehaus am Schwanenspiegel. Höchstens einmal im Jahr, so schätzt er, werde er mal so wütend, daß seine Stimme durch die gut gepolsterten Türen des SPD-Fraktionssaals auf den Flur dringe. Der letzte Anlaß für einen solchen Ausbruch, an den er sich erinnern könne? Grätz, nun doch lächelnd: "Das war schon zu später Stunde während einer Diskussion über Selbstverständnis und künftigen Kurs meiner Partei. Da mußte ich einfach mal losbrüllen. . . "Aber es scheint so, als sei ihm auch dieser einmalige jährliche Ausbruch irgendwie peinlich. Er sei kein "Pathetiker", habe vielmehr aus seiner schlesischen Heimat noch schwereres Blut mitgebracht, als es die Menschen in seiner bergischen Wahlheimat ohnehin haben.
    Reinhard Grätz ist seit 1957 Sozialdemokrat. Das Eintrittsdatum hat er noch genau im Kopf. "Es war einen Tag vor meinem 17. Geburtstag." An so eine Art Aha-Erlebnis, das ihn zu dieser Entscheidung bewegt hätte, kann er sich dagegen nicht erinnern. Das hat es wohl auch nicht gegeben. Das politische Interesse sei bei ihm so etwas wie ein "Naturereignis" gewesen. Ein bißchen sei er von den sozialdemokratischen Großvätern geprägt worden - aber, setzt er hinzu: "Entscheidend war wohl das eigene Erleben sozialen Unrechts, der Benachteiligung, der man als Vertriebener ausgeliefert war." Damals, nach dem Krieg, lebte Grätz mit seiner Mutter im Niedersächsischen. Die Realschule in der Kilometer entfernt liegenden Kreisstadt zu besuchen, blieb ein unerfüllbarer Wunsch. Aber er wurde nach nur siebenjähriger Volksschule auch nicht Knecht auf einem der umliegenden Höfe, wie viele seiner Altersgefährten, machte vielmehr eine Lehre als Ofensetzer und Fliesenleger, biß sich durch bis zum graduierten Ingenieur für Keramik. Heute ist Reinhard Grätz in seinem eigenen Selbstverständnis ein Politiker, ein Mensch, dem die Beschäftigung mit der Politik, mit öffentlichen Dingen - ja, er sagt es so - "Freude macht". Und das, obwohl manche Blütenträume, die nicht nur er nach dem Gewinn der absoluten Mehrheit am 5. Mai 1980 über die landespolitischen Möglichkeiten einer solchen Mehrheit längst verdorrt sind. Die Landeskasse ist leergefegt, daran ändert auch die absolute Mehrheit nichts. Grätz sagt es ganz lapidar: "Politik kostet Geld." Und das gelte auch für gesellschaftspolitische Reformen, selbst wenn es manche Genossen geben mag, die das nicht einsehen wollen. Dennoch: Am Bildungsurlaubsgesetz hält der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende eisern fest. Er rechnete es sich als Verdienst an, daß Johannes Rau dieses Versprechen ausdrücklich in seine achtziger Regierungserklärung aufgenommen hatte. Er will weiter dafür streiten, daß trotz der zögerlichen Haltung des Ministerpräsidenten noch in dieser Legislaturperiode "ein gesetzlicher Ansatzpunkt" für einen Bildungsurlaub für die Arbeitnehmer vom Landtag festgemacht wird.
    Daß er Einfluß auf die Landespolitik in Nordrhein-Westfalen hat, Einfluß auch nimmt, manchmal direkt in die Ministerien hinein, Reinhard Grätz streitet das nicht ab. Er möchte das auch noch gern lange Jahre weitertun. Vorausgesetzt, der Wähler gibt ihm dazu die Möglichkeit. Sehr bange braucht Grätz da nicht in die Zukunft zu schauen. Bei der Wahl 1980 wurde er mit stolzen 51,5 Prozent der Stimmen in den Landtag gewählt.
    Reinhard Voss

    ID: LI830517

  • Porträt der Woche: Franz Riehemann (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 4 - 22.03.1983

    "Familie - Beruf - Politik", das ist die Rangfolge, mit der Franz Riehemann, Westfale vom Jahrgang 1921, Mitte der sechziger Jahre in die Politik gegangen ist.
    Zwanzig Jahre nach seinem Eintritt in die CDU drängten ihn seine münsterländischen Parteifreunde, sich im Wahlkreis 95 Steinfurt I-Coesfeld II als Direktkandidat für die sechsundsechziger Landtagswahlen zur Verfügung zu stellen. Der Fallschirmjägeroffizier des Zweiten Weltkriegs hatte sich um die Kandidatur nicht beworben, aber er zierte sich auch nicht, sie anzunehmen, und die Wähler lohnten es ihm mit einer Fast-Zweidrittelmehrheit der Wahlkreisstimmen. Verantwortung für andere zu übernehmen, das war für ihn nichts Neues.
    Mit zweiunözwanzig Jahren hatte er an der italienischen Front bei Monte Cassino miterleben müssen, daß seine Kompanie im wahrsten Sinne des Wortes aufgerieben wurde. Nur sieben von 87 Fallschirmjägern überstanden den Kampf um die Bergfestung lebend.
    Nach einem Besuch des früheren Schlachtfeldes und der Soldatengräber in Nettuno im vergangenen Jahr bekannte er freimütig, daß ihn dieser befohlene Einsatz noch heute bedrückte. Seinen Dienst als Reserveoffizier der Bundeswehr will er folgerichtig nur als persönlichen Beitrag zur Sicherung des Friedens verstanden wissen.
    Nach dem Einzug in den Landtag kümmerte er, der als Hotelier und Freiberufler den väterlichen Betrieb weiterführt, sich konsequenterweise um den Landtagsausschuß, der denjenigen auf die Finger und in die Bücher schauen sollte, die die Aufgabe haben, öffentliche Gelder zu verwalten und auszugeben. Riehemann wurde Mitglied des parlamentarischen Rechnungsprüfungsausschusses. Bereits vier Jahre später schlug ihn seine Fraktion für den Vorsitz dieses Gremiums vor und seither steht er, der von Wahl zu Wahl von seinen Westfalen als Direktkandidat bestätigt wurde, an der Spitze eben dieses Ausschusses, der sich nicht als parlamentarischer "Buchhalter-Klub" versteht, sondern den Auftrag, die öffentlichen Ausgaben zu prüfen, sehr ernst nimmt.
    Das Ansehen, das sich eben dieser Rechnungsprüfungsausschuß des Landtags unter Vorsitz von Franz Riehemann nicht nur im Parlament selbst, sondern auch bei der Ministerialbürokratie und dem Landesrechnungshof erworben hat, läßt sich nicht unmißverständlicher charakterisieren als durch den Stoßseufzer eines Haushaltsexperten der Landesregierung: "Den Riehemännern" - so der Ministeriale - "läßt sich längst nicht mehr ein X für ein U vormachen!"
    Dennoch geben sich Riehemann und seine Landtagskollegen im Ausschuß unbeschadet ihrer politischen Couleur mit dem Erfolg der Prüfungsarbeit nicht zufrieden. Sie möchten für ihren Aufgabenbereich endlich jenen bundesweiten Erfahrungsaustausch mit den Kollegen der Rechnungsprüfungsausschüsse anderer Bundesländer, aber auch des europäischen Auslandes erreichen, der für andere Parlamentsausschüsse längst gang und gäbe ist. Nur eben - weder das Landtagspräsidium noch der Landesrechnungshof, von der Landesregierung ganz zu schweigen, zeigen ein dringliches Interesse daran, den Rechnungsprüfern die Chance einzuräumen, Erfahrungen auszutauschen und damit vielleicht Prüfmöglichkeiten zu verbessern oder zu verfeinern. Nur eben was für Düsseldorf gilt, ließe sich auch aus anderen Landeshauptstädten berichten. Riehemann gibt dennoch nicht auf. Die Auszeichnung mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik ist für den Mann, der einmal für seine persönliche Tapferkeit mit dem Deutschen Kreuz in Gold ausgezeichnet worden war, nur ein Ansporn, unbeirrt weiterzumachen!
    Wenn ihn die Abgeordnetenpflicht entschuldigt, steht er im Familienbetrieb seinen Mann. Das Gespräch mit den Gästen, mit seinen Parteifreunden, aber auch der Austausch der Argumente mit seinen parteipolitischen Gegnern, vor allem aber das Gespräch mit der Jugend, das er bewußt immer wieder sucht, sind für ihn die Rückkoppelung seines parlamentarischen Auftrags. Franz Riehemann will für die Erfüllung seines parlamentarischen Mandats wissen, was,, vor Ort Sache ist''!
    Karl Fischer-Reichenberg

    ID: LI830423

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Die Fraktionen im Landtag NRW