Ein Schalke-Fan ist Hans Frey nicht. Und das, obwohl er in Gelsenkirchen geboren wurde, dort zur Schule ging und heute mit Frau und zwei Kindern dort auch wohnt. Die Ehrenkarte, die ihm als Mitglied des Rates von Gelsenkirchen vom traditionsreichsten Fußballverein des Reviers überreicht worden war, gab er deshalb kühlen Herzens zurück. Als Abgeordneter des Wahlkreises Gelsenkirchen I, wo er am 5. Mai 1980 stolze 62,0 Prozent einheimsen konnte, hat Hans Frey an den Königsblauen ein nur wirtschaftspolitisch motiviertes Interesse. "Wenn Schalke in der ersten Bundesliga spielt, kommen mehr Zuschauer aus der Region, das gibt mehr Einnahmen. Deshalb bin ich für den Wiederaufstieg von Schalke." Sonst aber sei Fußball für ihn kein Thema, winkt der junge Abgeordnete ab.
Hans Frey, der am 24. Dezember Weihnachten und Geburtstag zusammen feiern muß, machte seine ersten politischen Gehversuche bei den Jungsozialisten. Das war Ende der sechziger Jahre, als die Apo die Universitäten durchlüftete, für heilsame Unruhe sorgte im Land. Jahrgang 1949 gehört er heute altersmäßig noch immerzu den Jusos, fühlt sich mit ihnen auch durch "gemeinsame Grundüberzeugungen" verbunden. Aber wenn Hans Frey von seinen Erfahrungen spricht, die er im Gelsenkirchner Rat und im Landtag machte, wenn er von der Notwendigkeit einer Integration auch der kritischen Geister in die demokratischen Institutionen des Staates spricht, dann wird die Kluft sichtbar, die den "alten Juso" aus den Zeiten der Voigt, Roth und Wieczorek-Zeul trennt von jenen desorientierten und desillusionierten jungen Genossen, die Anfang Dezember in Köln-Chorweiler die nordrhein-westfälischen Jusos des Arbeitsjahrgangs 1981 repräsentierten.
Hans Frey war Gymnasiallehrer, ehe er Landtagsabgeordneter wurde. Obwohl selbst Studienrat, hat er sich nie als "typischen Studienrat mit gedrechselter Sprache" sehen wollen. Von einem derartigen Berufsbild und Selbstverständnis habe er sich - auch äußerlich erkennbar - ganz bewußt abgesetzt. Der jetzige Abgeordnete versichert, gern Lehrer gewesen zu sein. Warum er dann diesen Job an den Nagel gehängt habe? "Noch lieber" sei er sozusagen hauptberuflich in die Politik gesprungen, als sich nach dem Verzicht des jetzigen Oberbürgermeisters Werner Kuhlmann die Chance bot, das Mandat in Gelsenkirchen zu gewinnen.
Hans Frey ist ein ruhiger Typ. Er redet langsam und bedächtig, zögert, wenn er von sich selbst sprechen soll. Munterer, auch schärfer in der Sprache, wird der junge Abgeordnete, wenn die Rede auf seine Heimatstadt Gelsenkirchen kommt. Über einhundert Jahre lang sei die Stadt ausgepowert worden. Die Region um Gelsenkirchen habe am meisten unter der industriellen Entwicklung gelitten, von der sehr viele im Land profitiert hätten, reich geworden seien. Um so unverständlicher, auch ungerechter empfindet der Gelsenkirchener Hans Frey das mokante Lächeln vieler Menschen außerhalb des Reviers über jene, die dort heute noch leben. Im Bewußtsein zu vieler Zeitgenossen lebten da im Zentrum des Reviers doch nur noch "die Deppen", die es nicht geschafft hatten, in gesündere, lieblichere Gegenden zu entkommen, erbost sich der Abgeordnete. Den in dieser ausgebeuteten, ausgebluteten Region Ausharrenden mit größerer Achtung vor ihrer und ihrer Vorfahren Leistung zu begegnen, ist eine jener Forderungen Freys, die so gar nicht zu dem Schreckensbild passen, das in vielen Köpfen - aus was für Gründen auch immer über " die Jusos " berumgeistert.
Den Einfluß, den so ein Landtagsmandat seinem Inhaber verschafft, will Hans Frey für eine Bewußtseinsveränderung in Sachen Revierbewohner nutzen. Dabei macht er sich keine Illusionen. Er war zu lange Jungsozialist, engagiert in den theoretischen Auseinandersetzungen des SPD-Nachwuchses in der Periode der hoch fliegendsten Anstrengungen und der daraus abgeleiteten Ansprüche, als daß er die Möglichkeiten des einzelnen in einer hochindustrialisierten Massengesellschaft überschätzen würde. Hans Frey sieht die Sache vielmehr ganz nüchtern. Als Abgeordneter des nordrhein-westfälischen Landtags habe er unbestritten mehr Möglichkeiten, Einfluß zu nehmen, als ein, sagen wir, SPD-Ortsvereinsvorsitzender in Gelsenkirchen. Um diesen Einfluß auszuschöpfen, will Hans Frey, er sagt das ganz freimütig, zunächst mal zwei Legislaturperioden im Landtag bleiben. Seiner Ansicht nach kann man erst nach einer solchen Zeitspanne beurteilen, ob man etwas bewegen konnte oder ob man wie ein Hamster im Laufrädchen durch den Käfig gerannt sei. Käme er zu dem zweiten Ergebnis, dann will Hans Frey gern aufs Mandat verzichten, noch einmal etwas anderes machen. Aber das ist noch vage. Kann es ja auch bleiben. Denn noch hat der junge Mann viel Zeit.
Reinhard Voss
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