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  • Porträt der Woche: Helmut Müller (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 3 - 15.03.1983

    Er sagt, er sei eine "Rarität" in der SPD-Landtagsfraktion. Und er sei ein "Spätberufener". Und er lächelt bei beiden Bemerkungen verschmitzt, ganz so, als ob er sich wohl fühle als spätberufene Rarität. Die Rarität bezieht sich auf Helmut Müllers Beruf. Der SPD-Abgeordnete aus Düren ist selbständiger Vertriebskaufmann. Und die Selbständigen sind tatsächlich dünn gesät in der Regierungsfraktion. Spätberufen ist Helmut Müller in doppelter Hinsicht. Einmal, weil er erst 1967, damals immerhin "schon" 36 Jahre alt, Mitglied der sozialdemokratischen Partei wurde. Spätberufen ist er aber auch als Landtagsabgeordneter, gehört er dem Parlament doch erst seit dem 11. Oktober 1982 an. Er ist also noch ein richtiger Neuling im Landtag. Als solcher weiß er natürlich, daß nicht alle Wünsche sofort in Erfüllung gehen. Daß er als stellvertretender Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Selbständigen in der SPD (AGS) nicht dem Wirtschaftsausschuß des Parlaments angehört, wo er sein eigentliches Betätigungsfeld sieht, sondern sich zunächst mit einem Sitz im Ausschuß für Schule und Weiterbildung begnügen mußte, nimmt er mit der gebotenen Gelassenheit des Neulings. Ihm sei nie etwas geschenkt worden, und er habe dennoch das meiste von dem erreicht, was er sich vorgenommen habe, mahnt sich Müller selbst zu Geduld.
    Wie kommt ein selbständiger Kaufmann in die SPD, macht dort so etwas wie eine kommunale Karriere und erringt gar einen der begehrten Plätze im Düsseldorfer Landtag? Helmut Müller muß da etwas ausholen, um das zu erklären. Sozialdemokratisch angehaucht sei sein Elternhaus in Düren schon immer gewesen, wenn Mutter und Vater auch nicht Mitglied der Partei gewesen waren. Das Gymnasium - Müller: "Ich war der erste in der Familie, der eine höhere Schule besuchte" - mußte er nach der mittleren Reife verlassen, um Geld zu verdienen, weil der Schwerkriegsbeschädigte Vater als Frühinvalide die Fabrik verlassen mußte und seitdem jeder Pfennig umgedreht wurde im Hause Müller. Helmut Müller machte eine Lehre als Industriekaufmann, bildete sich später fort an der Kölner Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie, unterzog sich einer Spezialausbildung als Büroorganisator. Doch überall hatte er dabei - er lächelt wieder, wenn er sich dessen erinnert - einen "unheimlichen Freiheitsdrang". So war es nur logisch, daß er sich 1963 als Vertriebskaufmann selbständig machte. Erst vier Jahre später wurde Helmut Müller Mitglied der SPD. Hans Iven, damals Bundestagsabgeordneter in Düren, heute - noch Bundesbeauftragter für den Zivildienst, überzeugte den nicht mehr ganz jungen Mann, daß es nicht ausreiche, über Mehrheiten, die einem nicht passen, nur zu mosern. Heute ist Helmut Müller Vorsitzender des Dürener SPD-Ortsvereins. Ein Selbständiger an der Spitze eines SPD-Ortsvereins, der dazu noch mit den Jungsozialisten zu Hause ordentlich auskommt, so ordentlich, daß die sogar seine Kandidatur für den Landtag mit unterstützten - dies gibt es nicht oft in der SPD. Und das ist wohl auch der Grund, warum sich Helmut Müller auch als Neuling sicher fühlt im Düsseldorfer Landtag, gut aufgehoben und gut aufgenommen (er betont es ausdrücklich) von den Kollegen in der SPD-Fraktion.
    In seiner Jugend war Helmut Müller stark in der katholischen Jugendarbeit engagiert. Das "Christentum der Tat" sieht er noch heute in der SPD besser vertreten als in der Partei, die das Christlich im Namenszug führt. Er gehöre "weiß Gott" nicht zum linken Flügel der Partei, sei auch kein "Sozialist schlechthin". Aber er habe seinen Marx genau gelesen, schätze ihn als scharfen Analytiker und brauche deshalb Diskussionen mit den jungen Leuten in der Partei nicht zu fürchten. Nicht zu theoretisieren, sondern den "kleinen Leuten" zuzuhören und ihre berechtigten Forderungen in der "großen Politik" durchzusetzen - darin sieht Helmut Müller seine Aufgabe im Düsseldorfer Landtag. Eine "grundsolide Politik" müsse die SPD betreiben, verlangt der grundsolide Mann aus Düren. Dann kämen auch wieder bessere Zeiten für die SPD als jener 6. März 1983, der auch ihm, Helmut Müller verhehlt es gar nicht, schwer in die Knochen gefahren sei. Eine grundsolide Politik - das heißt für Helmut Müller zuallererst und ganz konkret: Sicherung der Arbeitsplätze. Seine Losung für die nächsten Jahre: "Auf Erfahrung aufbauen, aber aufgeschlossen sein gegenüber allen neuen Problemen." Dabei vergißt Helmut Müller aber nicht, besonders mit Blick auf die jungen Leute, hinzuzusetzen, daß "demokratisch nur Dinge machbar sind, für die es per Stimmzettel eine Mehrheit gibt". Diese Mehrheit endlich auch einmal in seiner Heimatstadt Düren zu erreichen, liegt dem Abgeordneten womöglich noch dringlicher am Herzen als die Arbeit in Düsseldorf. Er gesteht es freimütig ein: "Meiner Heimatstadt bin ich sehr verbunden" - es klingt wie ein Geständnis, das man eigentlich Frauen, nicht aber Städten macht.
    Reinhard Voss

    ID: LI83032C

  • Porträt der Woche Dr. Hans Horn (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 2 - 08.02.1983

    Der in seinem Elternhaus tief verwurzelte oberbergische Protestantismus hat ihn geprägt, bestimmt bis heute die Zielrichtung seines politischen Weges und erklärt das große Engagement des 49 Jahre alten Landtagsabgeordneten Hans Horn aus Waldbröl. Unvergeßlich bleibt für den promovierten Oberstudienrat - nicht nur aus Anlaß von makabren historischen Gedenktagen - sein erster direkter Kontakt mit den Nationalsozialisten: Hans Horn entging der Aufnahme in die Hitlerjugend, weil das erste HJ- Treffen, zu dem der Zwölfjährige kommandiert wurde, wegen Tieffliegerangriffe ausfiel. Doch damals bereits hatte der Vater Horns seinen Sohn durch sein Beispiel immun gemacht gegen die Ideologie dieser in Trümmer versinkenden Gewaltherrschaft.
    Der Pflastermeister und Prediger gehörte in der Weimarer Republik dem auch im Reichstag vertretenen Christlich-Sozialen Volksdienst an und unterstützte während des "Tausendjährigen" Reiches die Bekennende Kirche. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Vater Horns Gründungsmitglied der Union, der sich viele seiner Gesinnungsfreunde anschlossen, und war später 14 Jahre lang Bürgermeister seiner Heimatstadt.
    Für Hans Horn, der bereits als Schüler Plakate für die Partei des Vaters klebte, war deshalb sein Eintritt in die CDU fast selbstverständlich. Während der Studienjahre an der Universität Bonn, wo er Geschichte, Anglistik und evangelische Theologie belegte, wurde er Mitglied und bereits drei Jahre später Kreisvorsitzender der Jungen Union im Oberbergischen Kreis. Im Landesverband der CDU-Jugendorganisation leitete er viele Jahre den evangelischen Arbeitskreis. Der Studienrat mit den Schwerpunktfächern Geschichte und Religion engagierte sich ab Mitte der sechziger Jahre stark in der Kommunalpolitik seiner Heimatstadt Waldbröl.
    Stellvertretender CDU-Kreisvorsitzender, seit 1973 Kreisvorsitzender der Oberbergischen CDU, Mitglied des Kreistages seit 1967 und zwei Jahre später das Ratsmandat in Waldbröl waren die politischen Stationen, die Hans Horn lange vor seiner Arbeit im Landtag eine Dauerbeschäftigung bescherten und seit dem Düsseldorfer Mandat mit einer 70- bis 80-Stunden-Woche belasten. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Kreistag, der sich vor allem dem Ausbau des beruflichen Schulwesens widmete, kandidierte 1980 im zweiten, zusätzlichen Landtagswahlkreis und eroberte ihn knapp. Seitdem muß er seine Arbeit noch mehr konzentrieren, hat sich aber mit der Doppelbelastung abgefunden. Denn nach den üblichen Anfangsschwierigkeiten im Landesparlament profitiert der Landtagsabgeordnete Horn von seinen großen kommunalpolitischen Erfahrungen, während der oberbergische Fraktionschef Horn das Wissen nutzen kann, das ihm in seiner Landtagsarbeit zuwächst.
    Der kontaktfreudige und gesellige Familienvater hat inzwischen in seiner Fraktion viele Freunde gefunden. Diese persönlichen Bindungen und seine kluge Konzentration auf die Arbeit im Ausschuß für Schule und Weiterbildung neben der stellvertretenden Mitgliedschaft im Planungsausschuß und im Ausschuß für Kommunalpolitik haben Hans Horn eine Kompetenz erwerben lassen, die nicht nur in der eigenen Fraktion geschätzt ist. Auch Sozialdemokraten haben Respekt vor dem Engagement des Waldbröler CDU-Abgeordneten, während die Fachbeamten des Kultusministeriums ihn spätestens seit seinem Antrag zur Reform der Oberstufenreform kennen.
    Es ist schon überraschend, daß ein solcher Vollzeit-Politiker, der eigentlich den Vorstellungen der Karlsruher Richter sehr nahe kommt, bei der Routinefrage nach Freizeit und Hobbys nicht ins Stottern gerät oder sich in Gemeinplätze flüchten muß. Der Vater von fünfzehnjährigen Zwillingen, der etwas Heimweh nach dem Waldbröler Gymnasium hat, antwortete auf die eher oberflächlich formulierte Frage fast mit dankbarer Begeisterung. Denn das gab Hans Horn Gelegenheit, von den Monatsheften für rheinische Kirchengeschichte zu erzählen, deren ständiger Autor er ist. Bei dieser "Freizeit'-Beschäftigung leistete der Historiker und Theologe Pionierarbeit. Er entdeckte und wertete zahlreiche neue Quellen zur Geschichte der Erweckungsbewegung und des Liberalismus im 19. Jahrhundert aus, was ihm noch im Ruhestand Themen liefern dürfte. Doch daran denkt der 49 Jahre alte Philologe noch lange nicht, der auch in der 10. Wahlperiode des Landtags Sitz und Stimme im neuen Landtag am Düsseldorfer Rheinufer behalten möchte.
    Helmut Breuer

    ID: LI83020E

  • Porträt der Woche: Willi Wessel (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 1 - 25.01.1983

    Er gehört zu denen, die anpacken können. Für ihn sind Probleme da, um sie zu lösen. Nicht lange reden, handeln. Oder auch: Wenn Menschen Fragen haben, geduldig zuhören, gemeinsam überlegen. Aber auf keinen Fall um sich die Mauer von Vorurteilen aufbauen. Das ist Willi Wessel aus Herten. Das heißt: Eigentlich ist er Niedersachse; aber wer kann schon im Ruhrgebiet sagen, er sei ein seit Generationen dort Ansässiger? Das Revier ist Willi Wessel längst Heimatgeworden. Mit 15 Jahren schon kam er hierher. Warum? "Ich wollte eine vernünftige Ausbildung haben und Arbeit. " Er ging in den Bergbau und zog bald darauf auch die väterliche Familie nach. Denn in dieser neuen Heimat wird nicht gefragt, woher jemand kommt oder wohin er geht. Hier wird gefragt, was er kann, was er leistet. Ein Feld, so richtig geschaffen für Männer wie Willi Wessel. Kein Wunder, daß der Berglehrling auf der Zeche "Schlägel und Eisen" schnell Anerkennung fand und er bald zum Jugendsprecher gewählt wurde. Angelpunkt war das Lehrlingsheim mit seinen 600 Insassen. Dort lernte er schnell die Probleme der Jugendlichen kennen - in der Arbeit wie in der Freizeit. Aber er lernte sie nicht nur kennen, sondern setzte sich dafür ein, daß Mißstände aufgehoben wurden, zum Beispiel die Lesebänder, an denen Sommer wie Winter, in brütender Hitze oder zugiger Kälte, in Lärm und Staub bis zu 100 "Auszubildende" standen, um das Gestein von der Kohle zu trennen. Da wurde auch das soziale Gespür von Wessel gespürt und geformt.
    Mit 21 Jahren war er im Betriebsrat einer der jüngsten Räte im Revier. Sechs Jahre später - wieder als Jüngster - Betriebsratsvorsitzender im Steinkohlenbergbau. Das war kein Ehrgeiz nach Posten, sondern die Verpflichtung, die ihm seine Arbeitskollegen schon früh übertrugen, weil sie wußten: Durch ihn fühlen sie sich am besten vertreten.
    Seit dem 15. Lebensjahr ist Wessel in der Gewerkschaft, selbstverständlich in der IGBE, und mit dem 18. Jahr ging er in die SPD, ebenso selbstverständlich, geprägt von Elternhaus und Arbeitswelt. Aber dafür hatte er sich ein besonderes Datum ausgesucht: den Tag der Arbeit, den 1. Mai 1955. Seit 1975 ist er Bürgermeister der Stadt Herten - noch eine Pflicht mehr für den Betriebsdirektor für Personal- und Sozialfragen. Auch das wurde er bei Gründung der Ruhrkohle AG 1970 als Jüngster.
    Herten ist eine schwierige Stadt mit vielschichtigen Sorgen. Dort wird in den drei Zechen soviel Kohle gefördert wie im ganzen Saarland zusammen, 50 Prozent aller Arbeitsplätze sind im Bergbau. Jeden Tag steht Wessel vor der Frage, wie der Dreiklang Industrie - Wohnen Leben in der 70000-Einwohner-Stadt harmonischer zum Klingen zu bringen ist. "Bürgermeister bin ich am liebsten", bekennt er. Aber weil er dieses Amt mit soviel Engagement ausfüllt, ist Willi Wessel auch für die Arbeit im Düsseldorfer Landesparlament geradezu prädestiniert. Denn hier will und kann er seine kommunalpolitische Erfahrung einbringen und dafür sorgen, daß nicht unnötiges Papier produziert wird und leere Vorschriften, sondern Verordnungen oder Gesetze, die "draußen im Land auch in die Praxis umgesetzt werden können". Da ist es dann auch verständlich, daß für Hobbys wenig Zeit bleibt. Gerne würde er im Garten wirken "aber das muß ich leider meiner Frau oder den drei Söhnen überlassen". Ein wenig Entspannung findet er beim Kartenspiel. Schon Tradition - und Ausgleich - ist der Skat mit dem politischen Gegner nach der Ratssitzung. Zu Hause zieht er Doppelkopf vor.
    Die größte Herausforderung, die er mit seiner Stadt jetzt bestehen muß, ist die Problematik der Bergehalden. Aber da ist sich Willi Wessel ganz sicher: Auch das wird er mit seinen Freunden und den Bürgern schaffen. Und Freunde hat er sehr viele: Man kennt sich in Herten. Und die Hertener kennen ihn, ihren Bürgermeister Willi Wessel. Wilm Herlyn

    ID: LI830108

  • Porträt der Woche: Dr. Bernhard Worms (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 28 - 21.12.1982

    5. November 1982, Stadthalle Oberhausen, 11.45 Uhr: Die Mehrzahl der 470 Delegierten des Parteitags der CDU Rheinland springt von den Plätzen und feiert stehend minutenlang den Vorsitzenden, der soeben seine Rede beendet hat. Bernhard Worms verläßt das Rednerpult und dankt fast verlegen für die Ovationen seiner Parteifreunde, deren Beifall ihn wieder und wieder von seinem Stuhl am Vorstandstisch zwingt. "Worms kommt" - "Ovationen für den CDU-Chef" lauteten am nächsten Morgen Kommentare in den Tageszeitungen.
    Fast auf den Tag genau zwei Jahre zuvor war der Landtagsabgeordnete Worms zum Nachfolger Heinrich Köpplers gewählt worden, der im Frühjahr 1980 mitten im Wahlkampf gestorben war. Die Wahl des Nachfolgers in Köln wurde außerhalb Nordrhein-Westfalens kaum beachtet und auch an Rhein und Ruhr häufig als Kompromißlösung und Übergangserscheinung gewertet, da der Landrat und Post-Abteilungspräsident doch eine "graue Maus" ohne Bekanntheitsgrade und politischen Stellenwert sei. Auch schien diese Nachfolge manchem Zyniker fast symbolhaft für den Niedergang der CDU im bevölkerungsreichsten Bundesland, die im Frühjahr ihre dritte und schwerste Niederlage bei der Landtagswahl erlitten hatte.
    Heute scheinen zwischen den Stationen Köln und Oberhausen weit mehr als nur 48 Monate zu liegen. Die Union stellt nach dreizehnjähriger Opposition wieder den Kanzler der Bundesrepublik Deutschland und fühlt sich auch in Nordrhein-Westfalen im Aufwind und nimmt neueste Umfragezahlen und einen stürmischen Mitgliederzuwachs als Bestätigung. Dieser Wandel von einer fast resignierenden zu einer optimistischen Partei ist auch ein Verdienst von Bernhard Worms, der schon vor seiner Wahl in den Düsseldorfer Landtag 1970 alles andere als eine "graue Maus" war.
    Dem in Stommeln, im Schatten des Kölner Doms, 1930 geborenen Sohn eines Postschaffners, der noch fünf weitere Kinder ernähren mußte, machte es das Leben nie leicht. Bereits der Pennäler Bernhard Worms mußte wie der spätere Student der Volkswirtschaft sein Studium selbst verdienen, auf dem Bau, als Werkstudent. Nachdem der Katholik sich als Industriekaufmann ein materielles Fundament gesichert hatte, konnte er sein Studium mit Examen und Promotion beenden und seine Karriere bei der Bundespost beginnen. Bereits während dieser Aufbaujahre arbeitete Worms aktiv für die CDU seiner Heimatstadt Pulheim, der er sofort nach dem Krieg 1946 beigetreten war und deren Vorsitz er 1952 übernahm. Nach zwölfjähriger zäher und beharrlicher Basisarbeit gelang ihm sein erster politischer Durchbruch 1964, als seine Partei die seit Kriegsende ungebrochene SPD-Mehrheit in Pulheim beendete. Der gegen den Landestrend erstrittene Sieg brachte dem Postassessor Worms einen Anerkennungsbesuch des damaligen rheinischen CDU-Vorsitzenden Grundmann, der Folgen haben sollte. Der Parteichef empfahl dem CDU-Ministerpräsidenten Meyers, der gerade einen persönlichen Referenten suchte, den hoffnungsvollen jungen Mann aus der Provinz. Worms akzeptierte und war ab 1965 in der Staatskanzlei Augenzeuge der "großen" Politik und des Niedergangs der CDU-Herrschaft. Nach dieser ihn prägenden "Lehrzeit" kam der frischbestallte Landtagsabgeordnete nach 1970 schnell als Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion ins Gespräch und war 1974 nach dem Wunsch Köpplers auch als Generalsekretär der Landespartei vorgesehen. Beide Pläne zerschlugen sich, und Worms baute in der "zweiten Reihe" der Oppositionsfraktion mit Fleiß, Zuverlässigkeit und Organisationsgeschick seine Position aus, die immer wieder auch um den Brückenschlag ins Lager der anderen Parteien bemüht war. Diese Fähigkeit zum Dialog, zum Zuhören und seine Klugheit, nie den dritten vor dem ersten Schritt zu tun, machte den Vater dreier Kinder zum unumstrittenen Fachmann der CDU bei der Gebietsreform und zum Begründer einer 1975 seltenen Koalition mit der F.D.P. im Erftkreis, die Worms bis heute als Landrat auch durch seine Persönlichkeit sichert.
    Auch für die Freunde von Bernhard Worms war es 1980 erstaunlich, wie energisch der eher zurückhaltende Politiker nach dem jähen Tod von Köppler für seine Kandidatur warb und sich mit dem Satz "Die Zeit der Mietlinge ist vorbei" gegen die vorhandene Tendenz stellte, einen "Staatsmann" von draußen nach Nordrhein-Westfalen zu berufen. Worms wurde ohne Vorschußlorbeeren gewählt, und der Satz einer seiner politischen Weggefährten "Täuscht euch nicht, der Bernhard ist wie ein Panzer, der nicht schießt, aber rollt und rollt" blieb damals ohne Echo. Heute dagegen haben es viele Parteifreunde schon immer gewußt und bauen auf Worms als den neuen Hoffnungsträger der Union an Rhein und Ruhr, dem auch ein Wahlsieg 1985 zuzutrauen sei. Doch der mit Mutterwitz, Humor und Lebensart begabte Rheinländer Worms liebt solche voreiligen Sandkastenspiele nicht. Ihm geht es um die Sache, nicht um die Person: Nicht wer, sondern daß die CDU 1985 das Land regiert, ist für Worms entscheidend. Deshalb wirbt er wie früher in Pulheim an der Basis in Rheinland und Westfalen für die gemeinsame Politik, rakkert sich durch Ortsverband und Ortsverband und imponiert ebenso durch die Fähigkeit des Zuhörens wie durch die Kunst, andere zu überzeugen. Und da Bernhard Worms die Menschen liebt, ist seine Sympathiewerbung auch im Revier erstaunlich erfolgreich, weil er Freundschaften begründen und erhalten kann, was auch den engen persönlichen Kontakt zu Helmut Kohl erklärt.
    Helmut Breuer

    ID: LI822816

  • Porträt der Woche: Karl-Heinz Schnepel (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 27 - 13.12.1982

    "Da hängt ein Haufen Arbeit dran", sagt Karl-Heinz Schnepel und meint seine Aktivitäten im Petitionsausschuß des Düsseldorfer Landtags. Diese Belastung hat er sich allerdings selber gewählt.
    Ursprünglich war der SPD-Abgeordnete Mitglied im Ausschuß für Jugend, Familie und politische Bildung. Das hat ihm zwar auch Freude gemacht, doch als sich die Möglichkeit ergab, tauschte er seinen Platz doch lieber gegen ein Mandat im Petitionsausschuß.
    Sein Argument dafür: "Mehr als in jedem anderen Gremium hat man im Petitionsausschuß die Möglichkeit, dem Bürger direkt zu helfen." Diese pragmatische Arbeit ist für den altgedienten Kommunalpolitiker zudem das richtige Betätigungsfeld.
    Alle 14 Tage hat er so zwischen sechs und acht Petitionen zu erledigen, und obwohl dabei so manches Wochenende drauf geht, tut es Karl-Heinz Schnepel nicht leid, daß er diese Wahl getroffen hat. "An jedem einzelnen Fall hängt doch ein Einzelschicksal", meint er.
    Der gelernte Former ist 1980 in den Landtag eingezogen. Wie er versichert, ist er gern Landtagsabgeordneter. "Die Atmosphäre in der Fraktion und zwischen den Kollegen ist besser als in manchem Gemeindeparlament", meint der SPD-Politiker und fügt hinzu: "Das hatte ich gar nicht erwartet; vielmehr hatte ich eine kalte und gleichgültige Stimmung befürchtet."
    Der Sozialdemokrat stammt aus Westfalen, wo bereits seine Eltern als Zigarrenheimarbeiter lebten. Im damaligen Löhne, das erst später mit fünf anderen Dörfern zu Löhne-Obernbeck zusammengefaßt wurde, erblickte er 1932 das Licht der Welt.
    Nach dem Volksschulbesuch machte er eine Formerlehre und erhielt 1949 den Facharbeiterbrief. Über 30 Jahre lang hat er dann in drei verschiedenen Gießereien gearbeitet. Schnepel: "Ich bin einer der wenigen Abgeordneten, die unmittelbar aus der Firma in den Landtag übergewechselt sind."
    Dabei hat sich der SPD-Mann für die Parteipolitik erst relativ spät engagiert. 1960 faßte er - etwas geschoben von seinem Bruder- den Entschluß, in die SPD einzutreten. Da war er aber bereits 16 Jahre Mitglied der IG Metall. Der SPD-Politiker: "In der IG Metall bin ich seit 1946; 1955 wurde ich zum Vertrauensmann gewählt." 1970 stieg er auf zum Betriebsrat.
    Das Interesse an seiner Umwelt brachte Karl-Heinz Schnepel dann aber doch in die Politik. 1962 wird er stellvertretender Vorsitzender im Ortsverein Obernbeck, 1975 Ortsvereinsvorsitzender, seit 1977 ist er im Ortsvereinsvorstand. Das Jahr 1964 sah ihn bereits parallel dazu als Ratsmitglied in Obernbeck. Von 1969 an ist er Mitglied im Rat der Stadt Löhne und seit 1975 bis heute erster stellvertretender Bürgermeister von Löhne.
    Als die Landtagswahlen 1980 näherrückten, bewarb sich der Westfale Schnepel um ein Mandat. In einer Kampfabstimmung hat er den Wahlkreis knapp gewonnen und ist mit 54 Prozent direkt in den Landtag eingezogen.
    Als Neuling mußte er sich erst einmal einen Platz erobern. "In drei Jahren ist das gut machbar", meint er heute und fühlt sich schon ganz wie ein alter Hase. Der SPD-Mann hat sich inzwischen auf seine besonderen Interessensgebiete spezialisiert: neben den Fragen der Petitionen gehört die kommunale Finanzpolitik dazu. Mit dem Einzug in das Landesparlament hat er seinen Beruf als Former aufgegeben. Schnepel: "Für einen Industriearbeiter gibt es keine Möglichkeit, seinen Beruf weiterzuführen", meint er und fügt hinzu: "Das macht kein Werk mit, so habe ich eben meinen Job an den Nagel gehängt." Jetzt ist Schnepel Voll-Politiker und möchte das auch noch eine ganze Weile bleiben. Zur Zeit beunruhigt ihn die desolate Finanzlage des Landes und der Kommunen besonders und er weiß: "Unsere Finanzen sind nicht so, daß man damit große Erfolgserlebnisse haben kann." Schnepel meint, daß es angesichts dieser Situation eben Aufgabe der Parlamentarier in dieser Legislaturperiode sein werde, Bestehendes zu erhalten, statt Neues zu schaffen.
    Schnepel: "Nehmen Sie den Abbau der Standards und die Auswirkungen auf die Kommunen. Da kann meiner Auffassung nach ein guter Mittelweg gefunden werden zwischen dem, was uns die Finanzlage abfordert und dem neuen Selbstverantwortungsgefühl, das in uns wächst." Seiner Meinung nach ist die Landesregierung auf dem richtigen Weg, wenn sie bei der Vereinfachung der Landesvorschriften gegenüber den Kommunen ansetzt. Der Parlamentarier: "Da ließe sich noch eine ganze Menge mehr machen." Am Beispiel der Kindergärtensituation weist er nach, daß die zu kurz gewordene Finanzdecke auch wieder ihre Vorteile hat, weil sie zur Eigeninitiative antreibt.
    Das ist auch genau die Haltung, die dem Privatmann Schnepel entspricht. In seiner Freizeit ist der gelernte Former nämlich ganz mit seinem Haus und Garten beschäftigt. Wenn er nicht über Petitionsakten büffelt, nützt er die Zeit, um im Garten seine Bäume zu schneiden oder Gemüse zu züchten. Schnepel: "Das macht Freude und es entspannt. Etwas anderes brauche ich als Hobby nicht."
    Gerlind Schaidt

    ID: LI82271C

  • Porträt der Woche: Manfred Hemmer (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 26 - 06.12.1982

    Sein politisches Ziel, sagt er, sei es eigentlich nicht gewesen, Abgeordneter im nordrhein-westfälischen Landtag zu werden. Daß Manfred Hemmer im Mai 1980 dennoch in Hamm kandidierte und mit 54,6 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis erzielte, das die SPD jemals in diesem Wahlkreis verbuchen konnte, sei auf seine Einsicht zurückzuführen, daß die Kommunalpolitik ohne einen Einfluß auf die Landespolitik nur sehr schwer erfolgreich betrieben werden könne. Hemmer macht deshalb auch nach zweieinhalbjähriger Zugehörigkeit zum Düsseldorfer Landtag keinen Hehl daraus, daß er sich noch immer in erster Linie als Kommunalpolitiker fühlt, daß das Düsseldorfer Mandat "nur" wenn auch sehr willkommene und inzwischen sehr geschätzte - Hilfsfunktionen für ihn hat bei seiner Arbeit als Ratsherr in Hamm und womöglich demnächst als künftiger Oberbürgermeister der Stadt. Zu diesem Thema mag sich Manfred Hemmer jetzt noch nicht so gern öffentlich äußern. Daß er aber in den Kreis jener drei, vier Frauen und Männer gehört, die als Favoriten für die Nachfolge von OB Figgen gezählt werden, will Hemmer auch nicht abstreiten. Wer den bisherigen Lebensweg des gebürtigen Hammers (Jahrgang 1937) nachliest, braucht sich darüber nicht zu wundern. Viele Politiker reden zwar gern von der Basis - Manfred Hemmer ist einer von dieser Basis. Als er 1952 die Volksschule beendet hatte, fand er keine Lehrstelle. So verdingte er sich zunächst für ein Jahr als Hilfsarbeiter in einer Drahtfabrik. Er landete dort bald in der Schreinerei. Hemmer im Rückblick auf diese schwere Zeit: "Das hat mir dennoch Spaß gemacht. Und als ich die Möglichkeit erhielt, eine Schreinerlehre zu machen, habe ich sofort zugegriffen." Er beendete diese Lehre mit einer erfolgreichen Gesellenprüfung. Später qualifizierte sich Manfred Hemmer weiter zum technischen Zeichner und zum technischen Angestellten beim Landschaftsverband Westfalen Lippe. Damals hatte seine "Ochsentour" in der SPD schon längst begonnen. Hineingeboren in eine sozialdemokratische Arbeiterfamilie, war er schon Jahre vor dem Parteieintritt mit dem Vater, der damals und heute noch Unterkassierer im Ortsverein ist, von Genosse zu Genosse gelaufen, um den Mitgliedsbeitrag zu kassieren. Als er dann 1960 in die Partei eintrat, kannten ihn die meisten im Ortsverein schon. Manfred Hemmer kletterte langsam, aber beharrlich Stufe um Stufe in der Parteihierarchie, bis er es zum Unterbezirksvorsitzenden in Hamm, Mitglied des Bezirksvorstandes Westliches Westfalen und zum Vorstandsmitglied der SPD-Ratsfraktion im heimatlichen Hamm gebracht hatte. Sein ganz unspektakuläres Erfolgsrezept? Hemmer: "Ich meine, daß die Politiker eine Bringschuld den Bürgern gegenüber haben. Und das nicht nur jeweils sechs Wochen vor dem nächsten Wahltermin, sondern täglich." Manfred Hemmers Terminkalender beweist, daß diese Bringschuld für ihn keine Phrase ist: Da gibt es wenig Termine in Gremien und Konferenzen, desto mehr aber in den Vereinen und sozialen Einrichtungen seiner Heimatstadt. Er sei, sagt er, "für die großen Reden nicht zuständig". Vielleicht ist auch deshalb seine montägliche Bürgersprechstunde in Hamm immer überfüllt, weil die Leute inzwischen wissen, daß Hemmer hilft, wo immer er kann. Auch da hilft - natürlich ein Landtagsmandat. "Manche Türen öffnen sich einem Abgeordneten leichter als einem sozusagen gewöhnlichen Bürger", räumt er freimütig ein. Daß er diese Möglichkeit nach Kräften nutzt, um den Rat- und Tat suchenden Bürgern zu helfen, hält er für legitim und erlaubt. Mehr noch: Das sei eine nicht unwichtige Aufgabe eines Abgeordneten.
    Manfred Hemmer nennt sich selbst "einen Mann des Volkes". Bei dem gelernten Schreiner - "ich bin ein Mann der Praxis" - kann das nicht überheblich klingen. Ein ganz klein bißchen Bammel habe er deshalb schon gehabt, als er Landtagsabgeordneter wurde. Da gebe es, habe er gedacht, so viele kluge Leute. Ob er da mit seiner Volksschule wohl mithalten könne, überhaupt akzeptiert werde? Heute lächelt Manfred Hemmer über solche Neulings- Ängste. Sein auf solider kommunalpolitischer Basis ruhendes politisches Selbstbewußtsein ist in den zweieinhalb Jahren im Landtag eher gestiegen als gesunken. Die, wie er sie nennt, "Senkrechtstarter" in der SPD hätten der Partei eher geschadet. Von denen gebe es zu viele in der Partei, eine Einsicht, die sich zu Hemmers großer Befriedigung in der SPD immer mehr Raum verschafft.
    Zu Manfred Hemmer gehört, er sagt es gleich am Anfang des Gespräches, seine Frau. Ohne sich einen dabei abzubrechen, spricht er von ihrer großen Hilfe bei seiner Arbeit. Ohne sie sei er nicht das, was er heute ist, stünde er nicht dort, wo er heute steht, möchte der Abgeordnete festgehalten haben. Mit ihr und der 13jährigen Tochter Britta wandert er gern im Sauerland, wenn an einem Wochenende doch einmal etwas Zeit für die Familie ist. Dort tankt er nach eigenen Worten "Luft für die Arbeit an der Basis, die immer schwieriger wird, weil man den Leuten ehrlich sagen muß, daß vieles nicht mehr geht, was lange Zeit lief".
    Reinhard Voss

    ID: LI822623

  • Porträt der Woche: Dr. Hans-Jürgen Lichtenberg (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 25 - 29.11.1982

    Unter den 201 Abgeordneten des Landtags Nordrhein-Westfalen gibt es einige, die sich ihr Mandat besonders schwer erkämpfen müßten. Sie sind in sogenannten aussichtslosen Wahlkreisen nominiert worden und haben nicht immer zugleich die "Hausmacht", auf günstigen Plätzen der Landesreserveliste abgesichert zu sein. So hat auch der Wuppertaler CDU-Kandidat Hans-Jürgen Lichtenberg drei Anläufe gebraucht, ehe er MdL wurde. Dazwischen lag noch eine Bundestagskandidatur (1972), bei der er zwar gegen den SPD-Mann Adolf Scheu nichts ausrichten konnte, aber er lernte sehr viel aus diesem Wahlkampf. Lichtenberg sagt von sich - nachdem er, 30 Jahre alt, bei der Landtagswahl 1970 einen ersten Anlauf genommen hatte als erster in Nordrhein-Westfalen "Canvassing" eingeführt zu haben, jene amerikanische Art der Wahlwerbung mit Hausbesuchen von Tür zu Tür, die in einer Großstadt Knochenarbeit bedeutet. So hat Lichtenberg 1972 etwa 8300 Haushalte aufgesucht, war in rund 200 Kneipen, stand er an manchem Morgen um fünf Uhr an den Werkstoren, um CDU-Politik zu "verkaufen".
    Solch intensive Werbung um die Wählergunst in den Vordergrund eines Porträts zu stellen, liegt nahe, da hierzulande während der nächsten zweieinhalb Jahre mindestens vier weitere Wahlen stattfinden werden. In der letzten, im Frühjahr 1985, will sich Lichtenberg wieder um ein Landtagsmandat bewerben. Er ist "der ehrlichen Auffassung, Anwalt der Bürger Wuppertals und des Bergischen Raumes zu sein". Die Schwebebahn-Stadt ist dem gebürtigen Essener "längst zur wirklichen Heimat geworden, ist eine sehr liebenswerte Stadt". Lichtenberg, der mit Frau und drei Kindern im Stadtteil Cronenberg wohnt, spricht von einem "tief verwurzelten Heimatgefühl". So ist er auch Mitglied mehrerer Vereine ("Sie können hier gar nicht anders"); denn die menschlichen Bezüge stehen eh obenan, wenn einer wie Lichtenberg "Politik vor Ort machen, etwas bewegen will". Das versucht er in der Bezirksvertretung des 22000 Einwohnerzählenden Cronenberg genauso wie im Rat der Stadt Wuppertal oder im Bezirksplanungsrat beim Regierungspräsidenten in Düsseldorf. Dazu ist Lichtenberg auch seit 1975 Vorsitzender der Wuppertaler CDU.
    Mit 16 Jahren war er bereits in die Junge Union eingetreten, drei Jahre später in die CDU - "weil ich hier die besten Möglichkeiten sah, meine sozialen Vorstellungen zu verwirklichen". Berufungen in die verschiedensten Parteiämter ließen seither nicht auf sich warten. Der Abiturient, der aus einem Arbeiterhaus kommt, in Köln historische Fächer studierte (als Soldat und Offiziersanwärter - "damals etwas ganz Neues, ein Pilotstudium im geisteswissenschaftlichen Bereich"), hat sich - getreu seiner Devise "Man darf nie aufgeben!" - mit Fleiß und Zähigkeit immer wieder durchzusetzen verstanden. Langjährige Bundeswehr-Erfahrungen in der Menschenführung mögen ihm dabei hilfreich gewesen sein wie USA-Eindrücke, die Lichtenberg als Pilot der Luftwaffe "im Rahmen der Ausbildung an modernen Waffen drüben" erlebte.
    Als er 1980 in den Landtag kam, über einen "sehr guten Listenplatz", gab es keinerlei Einpassungsschwierigkeiten. Vor allem hat der rheinische Landesverbandsvorsitzende Dr. Bernhard Worms "viel geholfen". "Er hat mich unter seine Fittiche genommen", sagt Lichtenberg. Er gehört den Ausschüssen für Innere Verwaltung und für Landesplanung und Verwaltungsreform an. Für die CDU- Fraktion ist er auch der Kontaktmann zur Bundeswehr.
    Lichtenberg ist Major außer Diensten, hat sich 1975 bei Professor Schieder an der Uni Köln als Dr. phil. promoviert und arbeitet als freier Publizist. Bis Mitte 1983 soll sein Buch über Theodor Blank, den ersten Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland, fertiggestellt sein. Ihm macht das Schreiben "mordsmäßigen Spaß". Lichtenberg liest aber auch "sehr, sehr viel, oft drei Bücher zugleich". Das können ein "Gedichtband von Werfet" sein, "ein Roman von Graß und Novellen von Storni". Das größte Hobby, Wandern mit der Familie, kommt dabei freilich oft zu kurz.
    Hans Krieger

    ID: LI82251C

  • Porträt der Woche: Friedhelm Ottlinger (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 24 - 15.11.1982

    Über seine eigenen Vorzüge und Stärken zu reden, fällt Friedhelm Ottlinger schwerer als manch anderem Politiker. Aber nachdem er ein paar Momente nachgedacht hat, glaubt der 52jährige Abgeordnete aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis, den er im Mai 1980 mit glatten 63 Prozent der Stimmen gewonnen hatte, doch zu wissen, warum seine Karriere in der SPD und der Gewerkschaft von früher Jugend an stetig und ohne Abschwünge nach unten aufwärts geführt hat: "Ich bin eine Integrationsfigur. Ich habe mich nie vor irgendwelche Flügel spannen lassen. Ich habe in all meinen verschiedenen Ämtern nie etwas verheimlicht oder geschönt." Und er setzt dieser kurzen Selbstcharakterisierung lächelnd hinzu: "Deshalb mögen mich wohl eine ganze Menge Leute."
    Daß er einmal beliebter Oberbürgermeister in Witten und - nach der heftig von ihm bekämpften Gebietsreform - geachteter Landrat im Ennepe-Ruhr-Kreis werden würde, war dem Arbeiterkind aus Witten wahrlich nicht an der Wiege gesungen worden. Als gerade 15jähriger begann er nach dem Zweiten Weltkrieg eine Bäckerlehre. Warum? Friedhelm Ottlinger sucht da gar nicht nach hochtrabenden Erklärungen: "Da gab es immer was zu essen. Und das war damals wichtig für einen, der oft Hunger hatte." Nach der Lehre aber wechselte Ottlinger das Arbeitsfeld. Er band die weiße Bäckerschürze ab und schlüpfte in den "Blaumann" bei den Mannesmann-Röhrenwerken. Nicht etwa, um eine zweite Lehre zu machen, sondern als ungelernter Arbeiter. Auch für diese Entscheidung hat er eine ganz einfache Erklärung: "Da konnte ich mehr Geld verdienen als in der Backstube."
    Aber Friedhelm Ottlinger wäre nicht geworden, was er heute ist, wenn er sich mit dem Geldverdienen zufriedengegeben hätte. Der junge Arbeiter wurde im neuen Betrieb gleich Mitglied der IG Metall, und zwar nicht nur zahlendes, sondern stark engagiertes Mitglied. Und so dauerte es nicht lange, bis er Jugendvertreter und Betriebsrat, freigestellter Betriebsrat und schließlich 1. Bevollmächtigter in Witten wurde, ein Amt, das er heute noch ausübt.
    In der SPD ging es ähnlich flott bergauf. Schon ein Jahr nach seinem Parteieintritt 1953 - "wochenlang hatte ich den Aufnahmeantrag mit mir rumgetragen, bis ich ihn, zufällig in eine Mai-Feier der 'Falken' geraten, spontan abgab" - war Friedhelm Ottlinger schon Ortsvereinsvorsitzender. Damit begann der Weg, der ihn bei der Landtagswahl vom 10. Mai 1980 mit stolzen 63 Prozent als vorläufiger politischer Endstation in den Düsseldorfer Landtag führte. Als richtiger Neuling hatte er sich hier von Anfang an nicht gefühlt. Als ehemaliger Oberbürgermeister (1967 bis 1978) traf er viele bekannte Gesichter. Und worum es im Landtag ging, wußte er auf Grund seiner reichen politischen Erfahrung natürlich auch. Er verhehlt denn auch gar nicht, daß es in erster Linie kommunalpolitische Interessen waren, die ihn nach Düsseldorf lockten. Friedhelm Ottlinger: "Hier wird das Geld verteilt, das die Kommunen so dringend brauchen. Es ist immer nützlich, möglichst selbst am Ort der Entscheidung zu sein, nach Möglichkeit sogar mitbestimmen zu können." Dabei sind Illusionen über seine Handlungsmöglichkeiten selbst als Mitglied einer Mehrheitsfraktion seine Sache nicht. Besonders nicht, wenn es ums Geld geht. Als Bund, Land und Gemeinden das Geld noch mit leichter Hand ausgaben in der Erwartung, ein ständig steigendes Wirtschaftswachstum werde die Kassen immer wieder füllen, habe er, erinnert sich Friedhelm Ottlinger, schon vor dieser Politik gewarnt. Mit solchen Mahnungen zur Mäßigung habe er sich damals nicht nur Freunde gemacht. Im Gegenteil: "Viele haben mich dumm angeguckt und gemeint, ich sei ein Miesmacher." Daß er in dieser Sache recht behalten hat, ist für den Abgeordneten, der sich als "Vertreter des kommunalen Einflusses im Landtag" bezeichnet, kein reiner Grund zur Freude. Beim Gemeindefinanzierungsgesetz werde es diesmal besonders hoch hergehen, glaubt der neue Abgeordnete zu wissen.
    Bei seinen vielen Verpflichtungen als Landrat, IG-Metall-Bevollmächtigter und Landtagsabgeordneter bleibt für Friedhelm Ottlinger nicht viel Platz für Privates. Da ist er zufrieden, daß die beiden Söhne - einer wurde Polizist, der andere Schlosser- schon aus dem Haus sind. "Verwandtschaftspflege", sagt er und Spaziergänge in den schönen Wäldern rings um Witten bieten ihm Entspannung. Und der vierzehntägliche Stammtisch im "Försterhaus". Eine Stunde lang wird dort politisiert, danach holt die Runde Musikinstrumente hervor, spielt und singt. Rings um Witten ist das eine Art Geheimtip. Wo sonst kann man einen leibhaftigen Landrat noch in trauter Runde sozusagen öffentlich singen sehen ?
    Reinhard Voss

    ID: LI822420

  • Porträt der Woche: Eckhard Uhlenberg (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 23 - 08.11.1982

    Wenn er zwischen Politik und Beruf wählen müßte, würde er ohne Zögern seinem bäuerlichen Betrieb im westfälischen Werl-Büderich den Vorzug geben. Eckhard Uhlenberg, CDU-Landtagsabgeordneter, ist gern Bauer. Und bevor er am Morgen nach Düsseldorf fährt, hat er schon in der Frühe die ersten Stallarbeiten verrichtet. Die Verbundenheit mit der heimatlichen Scholle, die Fortführung des vom Vater übernommenen bäuerlichen Erbes ist für den 34jährigen Landwirt keine sentimentale Floskel.
    Der Landwirtschaftsmeister wuchs sozusagen auch mit der Politik auf. Schon der Großvater war Bürgermeister und auch sein Vater war im Gemeinderat tätig. Schließlich führten Eckhard Uhlenberg auch das Wirken in der Landjugend und die aktive Teilnahme an politischen Bildungskursen 1969 zur CDU. Der parteipolitische "Erfolg" ließ nicht lange auf sich warten: So wurde er bald Kreissprecher der Jungen Union und als damals 27jähriger Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Soest mit seinen 7000 Mitgliedern. Diese Funktion, die der Landtagsabgeordnete auch heute noch innehat, macht ihm besonders viel Freude. "Man lernt auf den einzelnen Ortsversammlungen am besten die Stimmung der Mitglieder kennen und die Diskussionen sind recht lebhaft."
    Bereits 1975 kandidierte er erfolgreich für den Kreistag, dem er noch angehört. Die Zugehörigkeit zu diesem kommunalen Gremium hält er als Landtagsabgeordneter für besonders wichtig, weil man die Erfahrungen und Kenntnisse aus Düsseldorf in den Kreistag einbringen könne. Gleichzeitig nehme man auch gewichtige Argumente aus der Kommunalpolitik mit nach Düsseldorf. Trotz seiner bäuerlichen Herkunft will er kein "Interessenvertreter" der Landwirtschaft sein. "Die Dörfer werden heute auch von Nicht-Landwirten entscheidend mitgeprägt."
    So sieht er auch seine Mitgliedschaft im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft, Forst- und Wasserwirtschaft als eine Aufgabe in den vielfältigsten Bereichen an. Umwelt- und Wasserprobleme würden vor allem im ländlichen Raum entschieden. Der 1980 erstmals in den nordrhein-westfällschen Landtag gewählte Abgeordnete kritisiert in diesem Zusammenhang, daß es offensichtlich nicht möglich sei, in einem Landesparlament wie Nordrhein-Westfalen, dessen Bild von der Landwirtschaft entscheidend mitbestimmt wird, eine Debatte über eben diese Landwirtschaft durchzuführen. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern, wo umfangreiche Programme entwickelt worden seien, nehme man sich dieses Bereiches in Düsseldorf zu wenig an. Das habe nichts mit einem "Gegeneinander-Ausspielen" der einzelnen Regionen zu tun. Im Gegensatz zu den Ballungsräumen sei es den ländlichen Gebieten nicht gelungen, ebenfalls in den Vordergrund der landespolitischen Diskussionen zu kommen.
    Trotz parlamentarischer Arbeit in Düsseldorf und beruflicher Anstrengung pflegt Eckhard Uhlenberg intensiv den Kontakt zu seinem Wahlkreis Soest I. "Diese Wahlkreistätigkeit hat für mich Priorität." Als Landtagsabgeordneter könne man nicht nur dem einzelnen Bürger oft helfen, sondern auch Kontakte zwischen den Kommunen und Ministerien herstellen. "Auch für einen persönlich ist es ein freudiges Gefühl, wenn man gebraucht wurde." Politik und Mandat sind für den Westfalen eben kein "Job".
    Etwas ratlos ist Eckhard Uhlenberg, wenn man ihn nach seinen Hobbys fragt. Der Beruf - auch die politische Tätigkeit. Und da sind natürlich seine beiden Kinder, drei und ein Jahr jung, mit denen der Familienvater "liebend gern" spielt.
    Jochen Jurettko

    ID: LI822322

  • Porträt der Woche: Bernd Poulheim (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 22 - 02.11.1982

    Weil ihm in seiner Heimatgemeinde "so manches nicht paßte", kam er in die Politik. Heute könnte sich Bernd Poulheim (50) ein Leben ohne sie "überhaupt nicht mehr vorstellen". Der im Wahlkreis 9, dem Kerngebiet des Rheinischen Braunkohlenreviers, direkt gewählte SPD-Abgeordnete ist auch Bürgermeister der 50000-Einwohner-Stadt Bergheim und Mitglied des Kreistages des Erftkreises. Außerdem gehört der ehemalige kaufmännische Angestellte und Arbeitsgruppenleiter der Rheinischen Braunkohlenwerke als IGBE- Mann dem Betriebsrat des Kohlekonzerns an. Als Angestelltenvertreter der Gruppenverwaltung Fortuna, die den größten Tagebau betreut, ist er bereits seit 1971 von seiner früheren Tätigkeit freigestellt.
    Der Ursprung der politischen Karriere des gebürtigen Kölners datiert vom Ende der fünfziger Jahre. Damals war der junge Familienvater (ein Sohn, eine Tochter) mit einigen Beschlüssen des Rates seiner Wahlheimat Oberaußem nicht einverstanden. Er schrieb, allein auf sich gestellt, Briefe und Beschwerden ans Gemeindeparlament des seinerzeit noch selbständigen Bergarbeiter-Dorfes. "Da haben mich ein paar alte Knacker ausgelacht und gefragt, warum ich sie nicht persönlich angesprochen hätte", erinnert sich Poulheim. Jedenfalls begriff der junge Mann den Hinweis auf die ortsübliche Basis-Demokratie, er wurde zum regelmäßigen Zuhörer im Ratssaal und trat 1961 in die SPD ein.
    Im Jahr darauf war er Mitbegründer der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) im Ortsverein und kandidierte, "nachdem ich mich über die Verfahrensabläufe sachkundig gemacht hatte", 1968 erfolgreich für Gemeinderat und Amtsvertretung. 1972 zog er auch in den Kreistag ein. Planungs- und Strukturfragen und speziell auch die Schulpolitik wurden zum Steckenpferd des SPD- Kommunalpolitikers und ehemaligen Realschülers.
    Da er bedächtiges Abwägen und Ausloten des Für und Wider dem spontanen Wort vorzieht, da er zäh verhandeln, aber auch abwarten kann, erwarb sich Bernd Poulheim über den heimatlichen Sprengel hinaus ein gutes Ansehen bei der Bevölkerung zwischen Braunkohle und Zuckerrüben. Sein Rat war bald auch beim politischen Gegner geschätzt. Den eigentlichen Durchbruch zum Erfolg schaffte er nach der kommunalen Neuordnung, die im Kölner Raum Anfang 1975 vollzogen wurde. Wenige Monate später wurde er stellvertretender Bürgermeister in der erheblich vergrößerten alten Kreisstadt Bergheim und rückte allmählich zum führenden Sozialdemokraten an der mittleren Erft auf.
    Als der damalige langjährige Lokalmatador Richard Kasper sich aus der Politik zurückzog und in die Steiermark auswanderte, war es gar keine Frage, daß der gleichaltrige Bernd Poulheim sein Nachfolger für die Landtagskandidatur werden würde. Unausgesprochene Befürchtungen im SPD-Lager, der Wechsel könne Stimmen kosten, weil der ruhigsachliche Poulheim so ganz anders auftrat als "Volkstribun" Kasper, strafte das Wahlergebnis Lügen. Poulheim erzielte mit 52,5 Prozent noch zwei Prozentpunkte mehr als sein Vorgänger und eines der besten SPD-Ergebnisse in ganz Nordrhein-Westfalen.
    Dieser Vertrauensbeweis der Wähler hat Bernd Poulheim weiteren Auftrieb gegeben. Die zwölf bis 15 Stunden, die er aufgrund seiner vielen Ämter täglich unterwegs sein muß, die Repräsentationspflichten auch am Wochenende scheut er nicht. Nein, er habe sein politisches Engagement "bisher nicht bereut", sagt er. Und er fügt gleich hinzu: "Wenn meine Genossen mich noch wollen, stehe ich auch 1985 wieder zur Verfügung." An der Tätigkeit im Landtag hat er nach eigenem Bekunden "viel Spaß". Er gehört hier den Ausschüssen für Schule und Weiterbildung und dem Rechnungsprüfungsausschuß als ordentliches Mitglied sowie dem Wirtschaftsausschuß und dem Ausschuß für Landesplanung und Verwaltungsreform als Stellvertreter an. Fürs Private bleibt Bernd Poulheim nur noch wenig Zeit. Nun, die beiden Kinder sind inzwischen erwachsen, Ehefrau Christa hat wieder eine berufliche Tätigkeit aufgenommen. Zum Schwimmen, das er früher ebenso wie Wasserball als Wettkampfsport betrieben hat, kommt der vielbeschäftigte Politiker nur noch gelegentlich. Einer, der zu Hause stets auf ihn wartet, kommt aber noch täglich zu seinem Recht: Terrier "Terry". Er begleitet seinen Herrn allabendlich beim Spaziergang am Tagebaurand, der manchmal bis auf die Zeit nach Mitternacht verschoben werden muß, und auch frühmorgens, wenn Bernd Poulheim "so oft es eben geht" durch die Erft-Niederung radelt.
    Karlegon Halbach

    ID: LI82221E

  • Porträt der Woche: Dr. Dr. Dieter Aderhold (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 21 - 11.10.1982

    Auf seinem Briefkopf steht ganz einfach "Dieter Aderhold". Dabei könnte er dem Namen einmal Prof. und zweimal Dr. vorsetzen. Daß er es nicht tut, ist für den sozialdemokratischen Abgeordneten aus Kierspe kein Akt der Koketterie. Der Dr. jur. und der Dr. phil. (in Politologie) und die Professur für Politikwissenschaft sind in Aderholds Augen "berufliche Qualifikationen und keine Titel" im politischen Alltag bei sich zu Hause im Sauerland manchmal eher störend, weil sie ihn als einen reinen Theoretiker ausweisen könnten, der er nicht sein will. Die jahrelange engagierte Tätigkeit im Sozialrat des Märkischen Kreises, wo er sich für ein Frauenhaus, für Seniorenarbeit und die Behinderten einsetzte und vergangene Woche mit dem Bundesverdienstkreuz gewürdigt wurde, beweisen die praktische Seite des Dieter Aderhold. Für Behinderte habe er gearbeitet, ihnen das Leben zu erleichtern versucht, "ohne daß ich wußte, daß es mich selbst treffen könnte", erzählt der 1939 im heutigen Tansania als Sohn eines Missionars geborene Aderhold. Der Hochschullehrer aus Kierspe leidet seit einem Jahr an multipler Sklerose. Als er diesen Befund seinen politischen Freunden vom Krankenhausbett aus schriftlich mitteilte und begründete, warum er seine politischen Funktionen und Mandate nicht niederlegen werde, schrieb er, er sei zuversichtlich, daß er dem wesentlichen Kern seiner Aufgaben gerecht werden könne und fuhr dann fort: "Meine Zuversicht umfaßt auch die Bereitschaft der Umwelt, einen Behinderten in öffentlichen Funktionen zu akzeptieren und ihm in gewohnter Unbefangenheit gegenüberzutreten." Und damit ist für Dieter Aderhold das Thema abgehakt.
    Aderhold ist seit 1980 Mitglied des Düsseldorfer Landtags. Aber er ist kein Neuling (auf welchen Abgeordneten kann dieses Wort überhaupt noch zutreffen in der Mitte einer fünfjährigen Legislaturperiode?). Als er im Mai 1980 den Märkischen Wahlkreis II mit einem Zugewinn von 5,4 Prozent für die SPD von der CDU zurückeroberte, wußte er schon, was ihn in Düsseldorf erwartete, hatte er doch schon von 1966 bis 1970 im Landtag gearbeitet. Bei der Kandidatenaufstellung 1970 sei er dann aber "ausgestiegen worden", erinnert sich der "neue" Abgeordnete ohne Grimm an jene turbulenten Zeiten, als nach der Gebietsreform auch im Sauerland "alles durcheinanderging und die Mehrheiten sich änderten". Die politische Zwangspause nutzte Dieter Aderhold, um seine juristische Ausbildung mit der zweiten Staatsprüfung und dem Referendariat abzuschließen.
    Als Regierungsrat im Düsseldorfer Wissenschaftsministerium erweiterte er anschließend, wie er es formuliert, "ganz enorm seinen Horizont". Warum er nicht Karriere im Ministerium machte? Darauf hat Dieter Aderhold eine einfache Erklärung, die eingefleischten Düsseldorfern nicht gefallen mag: "Die emotionalen Beziehungen und Verflechtungen zum schönen Sauerland" hätten ihn zurückgezogen. Da oben im Märkischen sei es doch viel schöner als am Rhein. Also wurde Aderhold Professor in Siegen und fuhr von dort jeden Tag nach Hause ins schöne Kierspe zur Frau und dem jetzt 17jährigen Sohn. In dieser Zeit schrieb er auch sein nach eigener Einschätzung wichtigstes Buch. Der Titel "Kybernetische Regierungstechnik in der Demokratie" hört sich abstrakter an, als es der Inhalt ausweist. Jetzt, da die Staatskassen leergefegt sind, fühlt er sich mit diesem 7. Band des Deutschen Handbuchs der Politik eindrucksvoll bestätigt. Es werde jetzt erst "so richtig aktuell", lächelt er leise, denn jetzt müßten alle Politiker aller Parteien endlich überlegen, wie "die Dinge strukturell zu ändern sind", deren Mängel lange Jahre mit finanziellen Pflastern zugedeckt worden seien.
    Politik ist für Aderhold, auch im nordrhein-westfälischen Landtag, "die Summe von ganz vielen kleinen administrativen Schritten". Und wenn jetzt die Finanznot die Politiker zwinge, die Folgen auch dieser kleinen Schritte sorgfältiger und eher zu überdenken, als dies in der Vergangenheit oft der Fall gewesen sei, dann seien die leeren Staatskassen kein Grund, "um nur traurig zu sein". Der von ihm beklagte "tiefe Graben zwischen Theorie und Praxis in der Politik" könne jetzt vielleicht, hoffentlich, ein bißchen zugeschüttet werden. Auf diesem Gebiet, meint Aderhold, könne man von den Amerikanern durchaus lernen. Über seine Zukunftspläne und -hoffnungen zu reden, scheut sich Dieter Aderhold mit Blick auf den Rollstuhl, an den ihn die Krankheit gefesselt hat. Aber Wehleidigkeit ist seine Sache nicht. "Man muß einfach arbeiten", sagt er knapp: in der SPD, die ihren Standort neu definieren müsse und, mehr noch, im Lande mit den Leuten, die, zu Recht, von den Politikern mehr erwarteten als Reden, die oft nicht im Einklang stünden mit dem, was sie tun.
    Reinhard Voss

    ID: LI822122

  • Porträt der Woche: Peter-Olaf Hoffmann (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 20 - 04.10.1982

    Er ist zwar erst zweieinhalb Jahre Mitglied des nordrhein-westfälischen Parlaments, doch nicht mehr wegzudenken aus der Führungsgruppe seiner Fraktion: Peter-Olaf Hoffmann, Schulexperte der Opposition und Obmann des CDU- Arbeitskreises für Schule und Weiterbildung. Die Wahl des schlanken, unauffälligen Juristen in diese wichtige Funktion verlief nicht ohne Widerstände, da die "Lehrergewerkschaft" der CDU sich eine Zeitlang gegen den Neuling aus einem anderen akademischen Bereich sperrte. Doch der 35 Jahre alte ehemalige Richter für Patent-, Zivil- und Strafrecht in Düsseldorf hat längst durch Fleiß, Sachkunde und Detailkenntnisse bewiesen, daß er eine gute Wahl war und gerade als Jurist befähigt ist, die immer stärkere Verrechtlichung der Schulpolitik kritisch zu beobachten. Außerdem hat der Vater zweier Kinder, von denen eins bereits schulpflichtig ist, durch seine Frau, die als Grundschullehrerin in Dormagen arbeitet, nicht nur theoretischen Kontakt zur Praxis der Schulsituation an Rhein und Ruhr.
    Der Weg des im schleswig-holsteinischen Badeort St. Peter-Ording geborenen Peter-Olaf Hoffmann in die Christlich-Demokratische Partei Deutschlands begann in Freiburg. Dort erlebte der junge Jurastudent 1967 vor der Halle des F.D.P.-Parteitags hitzige Diskussionen zwischen den F.D.P.-Politikern Hamm-Brücher und Professor Dahrendorf mit dem damaligen Führer der außerparlamentarischen Opposition, Rudi Dutschke. Die Demonstration gegen die Rechtsordnung der Bundesrepublik, die Diffamierung der sozialen Marktwirtschaft und die Ablehnung der demokratischen Grundüberzeugungen in jenen Jahren wurden für Hoffmann zum Schlüsselerlebnis. Ihm wurde klar, daß er unser staatliches System nur in einer demokratischen Partei aktiv verteidigen konnte und entschied sich für ein persönliches Engagement. Doch der Sohn eines Richters legte auch Wert auf seine Unabhängigkeit von den Wechselfällen der Politik und beendete erst sein Studium und seine Referendarausbildung, bevor er im Jahr seines zweiten juristischen Staatsexamens 1974 in seiner neuen Heimat Dormagen Mitglied der CDU wurde.# Die Wirren der kommunalen Neugliederung führten ihn bereits ein Jahr später in den Rat der neuen Stadt Dormagen, wo er bereits ein Jahr später Vorsitzender der CDU-Fraktion und 1979 für ein Jahr Bürgermeister wurde, bevor eine Koalition von SPD und Zentrum dieses Amt neu besetzte. Hoffmann verteidigte erfolgreich in der Landtagswahl 1980 den CDU-Wahlkreis und konnte trotz der ungünstigen damaligen Stimmung das Stimmergebnis noch ausbauen. Der Neuling im Düsseldorfer Parlament sah seine erste Priorität in der Schulpolitik, nachdem er zwei Jahre zuvor bei seinem Einsatz im gewonnenen Volksbegehren gegen die,,Kooperative Schule" die gesellschaftliche Bedeutung der Bildungspolitik "an der Front" kennengelernt hatte. Seine Fraktion, in der vor allem der heutige Landtagsvizepräsident Hans-Ulrich Klose zum Mentor des jungen Abgeordneten wurde, entsprach dem Wunsch. Hoffmann wurde Mitglied im Ausschuß für Schule und Weiterbildung, wurde in den Hauptausschuß entsandt und als stellvertretendes Mitglied im Justizausschuß bestimmt.
    Für den passionierten Briefmarkensammler gilt es als Hauptaufgabe, das Bewußtsein der Öffentlichkeit für die Lehr- und Lerninhalte zu schärfen. Auch eine Überprüfung der Stufenlehrerausbildung hält Hoffmann für dringend erforderlich, da es der SPD trotz ihrer absoluten Mehrheit nicht gelungen sei, die Gesamtschule zur alleinigen Regelschule zu machen. Besonders aber am Herzen liegt ihm die nach seiner Meinung von der Regierung Rau "stiefmütterlich" behandelte Hauptschule mit ihrem hohen Anteil an ausländischen Kindern.
    Der schulpolitische Obmann der CDU setzt sich in diesem Zusammenhang dafür ein, mehr deutsche Lehrer dafür zu gewinnen, die Sprache ihrer ausländischen Schüler zu lernen. Auch der Reform der gymnasialen Oberstufe steht er kritisch gegenüber. Hoffmann fordert einen strengeren Fächerkanon, der die Schüler nicht unterfordert. In der Öffentlichkeit wirbt er akzentuiert für die Änderung des Schulmitwirkungsgesetzes, das in seiner jetzigen Form der Schule, den Eltern und Lehrern nur mehr Bürokratie und weniger Entscheidungsmöglichkeiten gebracht habe.
    Helmut Breuer

    ID: LI822019

  • Porträt der Woche: Dieter Blumenberg (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 19 - 20.09.1982

    Darin ist sich der Gewerkschafter Blumenberg mit dem Genossen Blumenberg einig: "Die Gewerkschaften sind auf eine gute Zusammenarbeit mit der SPD angewiesen", sagt er und schiebt die Begründung gleich nach: "Wir brauchen die Sozialdemokratie als Partei, um unsere Ziele durchzusetzen."
    Dennoch sähe es der DGB-Kreisvorsitzende Köln, Chef des mit 160000 Mitgliedern größten Gewerkschaftsbezirks in der Bundesrepublik, recht gerne, wenn die Sozialdemokraten beim augenblicklichen Koalitionsgerangel ihre eigenen Ziele etwas nachhaltiger gegenüber dem kleinen Partner F.D.P. durchsetzen würden.
    Für den SPD-Mann und Gewerkschafter der frühen Stunde steht trotz augenblicklicher atmosphärischer Störungen fest, daß viele Ziele der SPD mit denen der Gewerkschaften identisch bleiben. Dazu zählt Blumenberg etwa die Mitbestimmung, den Bildungsurlaub und auch die Verkürzung der Lebensarbeitszeit.
    All dies sind nach Auffassung von Blumenberg auch politische Ziele, die angesichts magerer Haushaltsjahre durchgesetzt werden können. Der SPD-Mann: "Man braucht nicht immer Geld, um politisch etwas zu bewegen, oft sind nur ein paar Ideen notwendig."
    Der gebürtige Pommer hat sich seinen politischen Weg selbst gezimmert. Er ist nicht über das Elternhaus oder irgendwelche Traditionen zur Sozialdemokratie gekommen. In dem kleinen Ort Stepenitz geboren, hat er nach der Volksschule eine Schriftsetzerlehre absolviert, ehe er 1942 eingezogen wurde, an die Front kam und schließlich in britische Kriegsgefangenschaft geraten ist.
    Als er 1948 aus einem Lager in Ägypten zurückkehrte, beschloß er im Westen zu bleiben. Es verschlug ihn in den Kölner Raum. Die Domstadt wurde zu seiner Wahlheimat, weil ihm hier zuerst Arbeit mit Unterkunft angeboten wurde.
    Für eine Tiefbaufirma entrümpelte er im Stadtteil Ehrenfeld zerbombte Wohnviertel. Mit voller Berechtigung kann der Arbeitnehmer Blumenberg daher auch in Anlehnung an die Bonner Kanalarbeiterriege von sich behaupten: "Ich kenne den Kanalbau auch von innen."
    Die Kanalarbeiterei ließ er dann aber doch rasch sein, als er eine eigene Bleibe gefunden hatte, und machte lieber im angestammten Beruf als Schriftsetzer weiter.
    Während sich Blumenberg ohne Zögern gleich nach seiner Rückkehr für den Eintritt in die Industriegewerkschaft Druck entschied, machte er sich über einen Parteieintritt nachhaltig Gedanken. "Ich gehöre einer Generation an, die eine Menge Vorbehalte gegen politische Aktivitäten hat", bekennt er freimütig.
    So hat er sich denn gründlich in der Parteienlandschaft der fünfziger Jahre umgesehen. "Ich kenne Gustav Heinemann von Parteiversammlungen der Gesamtdeutschen Volkspartei, habe Hans Reimann bei der DKP erlebt, und mitbekommen, wie autoritär Konrad Adenauer mit der Union umsprang."
    Nach dieser Erkundungsphase war für den Gewerkschafter klar, daß sein Herz zur SPD gehörte. "Nur die kam in Frage", bekräftigt er heute. Hier muß er sich politisch schon lange zu Hause gefühlt haben, denn als er 1959 ein Beitrittsformular anforderte, waren die Genossen sehr erstaunt: Sie hatten geglaubt, er sei schon längst Mitglied bei ihnen. Seither schmelzen bei Dieter Blumenberg gewerkschaftliche und parteipolitische Aktivitäten immer mehr zusammen.
    Hatte er Mitte der fünfziger Jahre zunächst den ehrenamtlichen Vorsitz der IG Druck übernommen, wurde er im Mai 1960 Sekretär der Bezirksvertretung. Seit 1979 ist er DGB-Kreisvorsitzender in Köln.
    Als SPD-Mitglied war er bis zur Eingemeindung der 30000-Seelen-Gemeinde Lövenich nach Köln im dortigen Rat; zunächst als Fraktionsvorsitzender, später dann als stellvertretender Bürgermeister tätig.
    Nach der Eingemeindung kandidierte Blumenberg dann für den Rat der Domstadt und wurde auch hier bald stellvertretender Fraktionsvorsitzender. 1980 kam dann der Sprung in den nordrhein-westfälischen Landtag.
    Nach einigen Umgewöhnungsschwierigkeiten hat sich Dieter Blumenberg auch mit dieser neuen Aufgabe angefreundet: "Als Kommunalpolitiker ist man daran gewöhnt, täglich Entscheidungen zu treffen, konkret etwas zu bewirken! Hier im Landtag ist alles mittelbarer", meint er. Doch hat er sich arrangiert, gehört dem Hauptausschuß an und sitzt im Ausschuß für Kommunalpolitik. Blumenberg: "Im Hauptausschuß habe ich die Medienpolitik im Auge, und im Ausschuß für Kommunalpolitik kann ich die Position der Großstädte gegenüber dem Land vertreten", erklärt er.
    Privat ist Dieter Blumenberg verheiratet und hat eine Tochter. In der Freizeit segelt er gern und liest jede Menge neue Literatur.
    Gerlind Schaidt

    ID: LI821905

  • Porträt der Woche: Toni Schröder (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 18 - 13.09.1982

    Die Gängelei des Staates ist ihm ein Dorn im Auge - sie engt den Handlungsspielraum der Kommunen zu ihrem Schaden ein und erstickt Initiativen der Bürger schon im Keim. Seitdem der Landtagsabgeordnete Toni Schröder 1964 zur CDU gestoßen ist und bereits ein Jahr später in den Rat seiner Heimatstadt Salzkotten gewählt wurde, kämpft der heute 51jährige gegen den Reglementierungswucher ebenso an, wie er die Bürger zur Selbsthilfe ermuntert - mit Erfolg.
    So war es die St.-Johannes-Schützenbruderschaft, die ohne staatliche Gelder die Stadthalle errichtete. Und auch ohne Zutun der öffentlichen Hand wurde ein Altenheim errichtet. Für den stellvertretenden Bürgermeister sind lebendiger Bürgersinn und praktiziertes kommunales Sparen auch, wenn beispielsweise örtliche Vereine die Pflege der Parkanlagen übernehmen. "Wir müssen nicht immer nach dem Staat rufen, sondern selbst Hand anlegen", meint der CDU- Politiker.
    Andererseits erwartet er von den Kommunen, daß sie den Bürgern mehr Freiheiten geben. So hält der langjährige Vorsitzende im Bauausschuß seiner Heimatstadt nichts davon, daß beispielsweise die Bebauungspläne "alles zwingend vorschreiben". Würde man die straffen Zügel lockern, würde der bebaute Raum optimal ausgenutzt werden und viele Wohngegenden nicht so kasernenähnlich aussehen. "Das käme uns allen zugute."
    Wen wundert es, daß der Praktiker Schröder in realistisch-westfälischer Selbsteinschätzung auch als Landtagsabgeordneter vor allem dort seinen Wirkungskreis sieht, wo er viele Erfahrungen hat: im Verhältnis Land und Kommunen. So ist für ihn auch das Gemeindefinanzierungsgesetz das "kommunale Schicksalsbuch", von dem die Entfaltung der Gemeinden abhängt. Mehr Entscheidungsmöglichkeiten wünscht sich der CDU-Abgeordnete ebenfalls in Bereichen ohne finanzielle Folgen. So fragt sich der Kommunalpolitiker mit Recht, warum für die Anlegung eines Zebrastreifens bislang der Regierungspräsident zuständig war und der Bau eines Sportplatzes nur vom Staat gefördert werde, "wenn er zwischen 350000 und 400000 Mark kostet". Für die sportinteressierte Jugend ließen sich auch Anlagen errichten, die weit weniger kosteten. Die CDU-Fraktion hat ihren 1980 erstmals in den Landtag gewählten Kollegen in den gewichtigen Haushalts- und Finanzausschuß delegiert. Außerdem ist Anton Schröder stellvertretendes Mitglied des Sportausschusses sowie des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge. Parteifreunde wie politische Gegnerin diesen Gremien anerkennen seinen Sachverstand und seine ausgleichenden Eigenschaften.
    Wie schon als Kommunalpolitiker bemüht sich Toni Schröder als Landtagsabgeordneter in engem Kontakt mit den Bürgern zu bleiben und überall dort unbürokratisch zu helfen, wo es erforderlich ist. Nicht zuletzt deshalb hat er die Leitung seines Getränkefachgroßhandels nach dem Einzug ins Landesparlament seiner Ehefrau übergeben. "Wenn ich eine Aufgabe übernehme, dann möchte ich mich für sie auch voll einsetzen können."
    Mit Heimat und Brauchtum eng verbunden, ist der CDU-Politiker natürlich auch noch in einer Reihe von Vereinen weiterhin aktiv tätig. In ihnen wird bei aller Pflege der Nachbarschaft auch der Blick auf die Probleme außerhalb der regionalen Grenzen nicht vergessen. So startete das Kolpingwerk jüngst eine Aktion unter der Schirmherrschaft von Toni Schröder, die jungen Brasilianern den Start ins Berufsleben ermöglichte.
    Jochen Jurettko

    ID: LI82180F

  • Porträt der Woche: Dr. Bernd Brunemeier (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 17 - 06.09.1982

    Aktive Arbeit in der Kommunalpolitik und in der Landespolitik können über weite Strecken des Jahres kaum Freizeit bringen. Aber "wenn Freizeit, dann ist klassische deutsche Literatur das Attraktivste, das ich mir denken kann. Goethe und Heine besonders." Es ist der SPD- Abgeordnete Dr. Bernd Brunemeier aus Brackwede bei Bielefeld, der mit einem solchen Bekenntnis überrascht. Welcher Politiker aus der jüngeren Generation Brunemeier ist 39 Jahre alt - hat heute schon Dichterfürsten im Herzen und im Kopf. Es paßt zusammen, wenn Brunemeier auch noch sagt, daß er die Natur bewundert, sehr gerne spazierengeht. Zwar "hat auch Ostwestfalen manchen Reiz", doch Brunemeier, in Brackwede geboren, zieht es zur Urlaubszeit gen Süden, in den deutschen Süden: "Ich brauche Bayern", meint er und schränkt gleich augenzwinkernd ein: "Jedenfalls die Landschaft."
    Freilich ist dies für den "Lehrer aus Berufung", der aus einem Arbeiterhaus kommt, Werkzeugmaschinenmacher lernte, über den zweiten Bildungsweg die mittlere Reife nachholte und 1966 das Abitur ablegte, längst nicht die Erfüllung des Daseins. Als "Sternstunde" bezeichnet es Brunemeier, "wenn man manchmal als Vermittler zwischen Kommunalpolitik und Landespolitik hilfreich sein kann.
    Er war noch nicht drei Jahre SPD-Mitglied ("das ist bei Brunemeiers alte Familientradition"), da berief ihn die Partei bereits in die Bezirksvertretung Brackwede (1973). Seit 1979 führt er dort die Fraktion. Seine politischen Aktivitäten liefen parallel zum Studium der Germanistik und der Geographie an der Ruhr-Universität Bochum, wo er 1978 zum Dr. phil. promovierte. Das erste Staatsexamen für das Lehramt folgte im gleichen Jahr. Dann war Brunemeier als wissenschaftlicher Angestellter an der Ruhr-Uni, anschließend Studienreferendar in Paderborn bis 1980. Als er Studienassessor wurde, mußte er sich bald "außer Diensten" auf die Besuchskarten drucken lassen: Mit 48,8 Prozent gewann er deutlich am 11. Mai 1980 den Wahlkreis 107 Bielefeld III für die SPD. Seine Eingliederung in die Landtagsfraktion empfindet Brunemeier im Rückblick als "freundlich und harmonisch", das Zustandekommen von Entscheidungen "für alle Neulinge zunächst nicht so leicht durchschaubar". Nun, nach mehr als zwei Jahren ist dies Erinnerung, steht die Ausschußarbeit im Vordergrund. Brunemeier ist "mit voller Absicht" in nur einem Ausschuß, dem für Schule und Weiterbildung, wo er einen "enormen Arbeitsanfall" sieht. Er will hier die Bemühungen seiner Partei fortsetzen helfen, "alle Bildungsreserven auszuschöpfen und soviel wie nur möglich zu fördern, damit die Chance der Selbst verwirklichung für jeden einzelnen verbessert wird. Aber auch in Hinsicht auf das Leben in einer freiheitlichen Gesellschaft". Für ihn gilt "als oberstes Ziel, soziale Barrieren abzubauen".
    Die finanziellen Nöte machen für Brunemeier "zu einem der bedrückendsten Probleme des Landes, daß nicht alle studieren können, die es möchten. Gerade der Lehrerberuf- und wir brauchen Lehrer! - ist so attraktiv". Und er wünscht sich auch "mehr Einstellungen; zu viele stehen jetzt draußen vor der Klassentür..." Im Ausschuß ist, seiner Ansicht nach, der Beratungsschwerpunkt von den Gesamtschulproblemen auf die Hauptschulprobleme verlagert worden. Und in absehbarer Zeit, so vermutet Brunemeier, wird die Gymnasium-Oberstufe Thema Nummer eins sein, "weil die reformierte Oberstufe jetzt so heftig kritisiert wird, gerade von den Universitätslehrern".
    Ist solche Kritik nicht berechtigt? Brunemeier: "Das eigentliche Problem ist das Verhältnis der Spezialisierung zur Allgemeinbildung. Falls Vorwürfe überhaupt berechtigt sind, dann sind sie jedenfalls überzogen." Der Abgeordnete "weiß, wovon er spricht"; es ist doch nicht so lange her, daß er selbst an der Oberstufe unterrichtet hat. Ob er dies eines Tages wieder tun wird, wird der Lauf der Zeiten zeigen. Immerhin möchte er,.gerne im Landtag bleiben".
    Hans Krieger

    ID: LI821711

  • Porträt der Woche: Hans-Karl von Unger (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 16 - 05.07.1982

    Nicht jeder Manager in der Industrie hat das Glück, vom Fenster seines Arbeitszimmers aus auch seinen Verantwortungsbereich zu übersehen. Wenn Hans-Karl von Unger, Diplomingenieur und Geschäftsführer der Krupp-Stahltechnik-Duisburg, im linksrheinischen Rheinhausen aus dem Fenster der Chefetage blickt, eröffnet sich ihm eine gigantische Industriekulisse, hinter der 60 Prozent des deutschen Stahls geschmolzen werden. Da liegen sie nebeneinander, die Werke von Thyssen, Krupp und Mannesmann, und der Himmel über Rheinhausen ist noch längst nicht so blau, wie ihn auch viele Abgeordnete des Landtags in Düsseldorf sich gerne wünschen würden.
    Der "Preuße am Rhein", Jahrgang 1930, und in Wunstorf bei Hannover geboren, trat nach sechsjährigem Maschinenbaustudium an der TH-Hannover und einer halbjährigen Studienreise um die Welt, finanziert mit einem Stipendium des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute, mit 27 Jahren als Betriebsingenieur der Maschinenbetriebe in die damaligen Hütten- und Bergwerke Rheinhausen ein. Über Abteilungs- und Betriebsleiter arbeitete er sich zielstrebig zum Betriebschef empor und empfahl sich damit im Jahre 1967 bei der Fusion der Krupp-Hütte mit dem "Bochumer Verein" als Leiter einer Projektgruppe "Reorganisations- und Rationalisierungsvorschläge für den Gesamtbereich ,Krupp-Hüttenwerke'". Zeitweilig auch für große Auslandsprojekte der Investitionsgüterindustrie beratend tätig, wurde er wenige Jahre später Betriebsdirektor und schließlich auch mit Prokura ausgestattet.
    Den Schwager des "Regierenden" in Berlin, Richard von Weizsäcker, zog es weder in den Bundestag noch ins Europa-Parlament. Darin witterte er die Gefahr, sich zu sehr von seinem Beruf zu entfernen. Die Aufgaben eines Landtagsabgeordneten dagegen lassen sich - inzwischen seine Erfahrung - nachgerade noch neben seiner beruflichen Tätigkeit verkraften. Die ganze Spannweite seiner öffentlichen Tätigkeit - sein Vater war einmal ebenfalls Ingenieur und damals im Widerstand engagiert - zeigt von Ungers parlamentarische Betätigung in den Ausschüssen für Haushalt und Finanzen, Wirtschaft und Wissenschaft, gleichgültig ob als ordentliches Mitglied oder als Stellvertreter. Mit seiner umfangreichen Berufserfahrung, angereichert durch eine zwanzigjährige Tätigkeit, sowohl in den verschiedensten kommunalen und regionalen Parteifunktionen der niederrheinischen CDU als auch als Ratsherr der ehemals freien und später zu Duisburg gehörenden Stadt Rheinhausen, fühlte er sich im Düsseldorfer Landtag fast vom ersten Tag an fest im Sattel.
    Als von Unger während einer beruflichen Reise in die Schweiz Professor Kurt Biedenkopf zufällig begegnete, versuchte der heutige Oppositionsführer, den Mann aus der Wirtschaft davon zu überzeugen, daß es darum gehe, auch politische und parlamentarische Mandate zu übernehmen. Von Unger hatte sich längst entschieden, war aber 1970 und 1975 als Folge nicht ausreichender Plazierung auf der Landesreserveliste nicht zum Zuge gekommen. Jetzt ist er seit zwei Jahren dabei. Kritisch begleitet er die Wirtschaftspolitik von Professor Reimut Jochimsen, dem er, im Gegensatz zu manchen Vorgängern, die Kompetenz nicht abspricht, wohl aber von seiner Partei dazu verurteilt, halt mehr zu reden als zu handeln. Als im Düsseldorfer Landtag auch die Stahlkrise zur Debatte stand, vertrat er in seiner Partei die Auffassung, daß die europäische Stahlindustrie keiner Subventionen, sondern des Schutzes davor bedürfe. Härter, als hierzulande erwünscht, ist seine Meinung zu den Osthandelskrediten. Billigkredite suggerierten - so der Wirtschaftsexperte - den Comecon-Ländern - und dabei wollte er die jüngst von Ministerpräsident Johannes Rau in Begleitung von Bankern und Industriemanagern besuchten Länder Tschechoslowakei und Ungarn nicht ausnehmen - die Illusion, daß ihre Staatswirtschaft funktioniere, genau das aber sei ein Danaergeschenk!
    Auch der Erfolg im eigenen Lande, beispielsweise das Ruhrprogramm, sei weniger von Krediten als von einer Änderung der Rahmenbedingungen, beispielsweise beim Stahlstandorte-Programm, beim Abstandserlaß und der Energiepolitik abhängig. Eines übrigens hat von Unger nach seiner Wahl in den Landtag sofort klargestellt: An die Adresse der Duisburger Lokalredakteure gewandt, sagte er: "Ihr werdet mich immer als Lobbyisten für die Belange Duisburgs ansprechen können, aber ihr werdet mich nie ,St. Florian' nennen dürfen."
    Karl Fischer-Reichenberg

    ID: LI82161F

  • Porträt der Woche: Jürgen Schaufuß (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 15 - 28.06.1982

    Wohin geht ein Lehrer, wenn er in den Landtag gewählt wird? Natürlich in den Schulausschuß. Für Jürgen Schaufuß (SPD) ist diese Logik einsichtig. "Denn hier habe ich keine Schwierigkeiten, von Anfang an voll mitarbeiten zu können." Schaufuß gehört zu den Neulingen im Parlament. Darum ist diese Legislaturperiode für ihn "in vielen Bereichen eine Zeit des Zuhörens, des Sehens, des Informiertwerdens, des Einarbeitens". So bescheiden der Rektor a. D. auftritt, so selbstbewußt ist er aber auch, wenn er zugibt: "Natürlich ist die Gefahr gegeben, wenn ausschließlich Fachleute über ihr Fach entscheiden. Da halte ich auch in den Ausschüssen eine gesunde Mischung - und die ist ja im Schulausschuß gegeben - für erforderlich." Zu den "abwartenden Menschen" gehöre er, sagt Schaufuß über sich, und "wem ist schon damit gedient, wenn man in allen Bereichen mitmischen wollte?". Ihn habe, nach der großen Freude am Wahlabend ein etwas beklommenes Gefühl beschlichen, von nun an mit Leuten zusammenzuarbeiten, die er häufig bisher nur dem Namen nach kannte. Darüber lange Zeit nachzudenken, hatte er nicht: Schon ein halbes Jahr später hielt er vor dem Parlament seine Jungfernrede zum Familienbericht.
    Schaufuß gehört nicht zu den Parteipolitikern, die das Thema Jugend erst dann entdecken, wenn sie ein politisches Mandat haben. Seine Arbeit galt diesem Problem auch schon zu der Zeit, als er - seit 1970 - Mitglied des Rates der Stadt Frechen ist. Sein Interesse an Politik wurde im Aufbaugymnasium in Herchen an der Sieg geweckt. " Wir hatten einen Schulleiter, der der Bekennenden Kirche angehörte und uns lehrte, gerade in politischen Fragen nachzuhaken." 1940 in Halle/Saale geboren, erlebte Schaufuß zwar die nationalsozialistische Herrschaft nicht mehr bewußt, aber seine Generation fühlte eine stärkere Bindung an die Zeit zwischen 1933 und 1945 als die Jugend heute. Im Gymnasium gründete und leitete er einen politischen Arbeitskreis, lud "große Namen" zu Gesprächen ein - "ich erinnere mich an Diskussionen mit Gustav Heinemann und Erich Ollenhauer". Er beklagt, daß die Schule heutzutage auf dem Feld der politischen Bildung zu wenig leiste - daß auch die Lehrer sich zu wenig engagieren.
    Noch während seines Studiums in Bonn und Münster trat er 1962 in die SPD, 1963 in die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ein. Er engagierte sich außerdem als Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Studenten an Pädagogischen Hochschulen und im AStA.
    Seine politische Karriere hat er nicht gesteuert. "Ich mag keine Gruppenabsprachen und Kungeleien hinter den Kulissen - ich habe mich einfach interessiert gezeigt, mitgemacht und mich engagiert." Folgerichtig verlief so seine Laufbahn: 1970 Ratsmitglied in Frechen, fünf Jahre später dort Fraktionsvorsitzender, Mitglied des Kreistages des Erftkreises von 1975 bis 1980. Die Sorge des engagierten Schulpolitikers: "Die Leistungsfähigkeit unseres Bildungsangebotes muß erhalten bleiben." Um so schwerer fiel ihm, angesichts der schmalen Landeskasse, die zum Teil enormen Abstriche in diesem Bereich mitzutragen. Dabei sieht er auch, daß Nordrhein-Westfalen - im Vergleich mit den anderen Bundesländern - noch einen großen Nachholbedarf im Rahmen des Bildungs-Gesamtplanes hat: "Das ist für mich keine Frage der Lehrerbesoldung, sondern vielmehr eine Frage der Schüler/Lehrer-Relation, eine Frage des Ausfalls von Stunden und vor allem des Unterrichts für ausländische Schüler." Gerade in diesem Bereich möchte er mehr tun, "damit nicht das alles Sonntagsreden bleiben". Und er sagt auch: "Ich würde auf ein Prozent meines Gehaltes verzichten, wenn damit mehr Lehrerstellen geschaffen werden könnten."
    Schaufuß ist seit 1963 verheiratet und hat eine 14jährige Tochter. Für Hobbys - außer Familie und Politik - hat er kaum Zeit. Er liest zum Ausgleich und wandert gerne. Und die Briefmarken, die er noch von Verwandten aus der DDR bekommt, wandern zunächst erst einmal in einen Karton.
    Dr. Wilm Herlyn

    ID: LI821514

  • Porträt der Woche: Siegfried Jankowski (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 14 - 21.06.1982

    "Wenn jeder nur fünf Prozent von dem täte, was er vom anderen erwartet, sähe diese Welt anders aus", sagt Siegfried Jankowski und meint das auch so. Zumindest für sich selber versucht er diese Lebensphilosophie in die Tat umzusetzen. Da er zudem kein Radikaler ist, sondern Ausgleich, Toleranz und Kompromiß auf seiner Fahne stehen, hat der mit 1,86 Meter Größe nicht zu übersehende Siegfried Jankowski im Düsseldorfer Landtag schnell Freunde gefunden.
    Bei der letzten Landtagswahl im Mai 1980 hat er für sich selbst und auch für seine Parteifreunde überraschend den kippligen Wahlkreis 22 (Leverkusen II, Rheinisch- Bergischer Kreis) im ersten Anlauf direkt geholt, obgleich er für die CDU hochgerechnet war. Seither sieht man den SPD- Mann mit der Vorliebe für ein gepflegtes Äußeres - Jankowski über sich selbst: "Ich ziehe mich gern gut an." - im Plenarsaal, in der Lobby und nach den Sitzungen im interfraktionellen Kreis in der Kaffeeklappe, wo er für fröhliche Stimmung sorgt. "Politik ist doch nicht nur Konfrontation. Das ist doch auch Verständnis für den anderen und ein Aufeinanderzugehen", meint denn auch der seit 22 Jahren als Betriebsrat bei der Firma Dynamit Nobel freigestellte Jankowski. Seine ausgleichende Freundlichkeit hat ihm diese Aufgabe beschert und sicher auch die raschen Sympathien im Landtag eingebracht.
    Als Redner hat er sich im Parlament zwar bislang nicht hervorgetan und steht auch dazu: "Da halte ich mich noch zurück. Man soll sein Pulver nicht zu früh verschießen." Doch in seinem Bereich, dem Ausschuß für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge, da wirkt er aktiv mit in der Landespolitik.
    Sein Sonderinteresse für Flüchtlinge erklärt sich aus der eigenen Vergangenheit. Siegfried Jankowski kam selber als Flüchtling aus der DDR in die Bundesrepublik und hat hier mit Arbeitslosenfürsorge neu angefangen. Der SPD-Politiker wurde 1927 in Frankleben/Merseburg geboren, ist also Sachsen-Anhaltiner und als Rheinländer nur ein "Imi". Das verrät aber nur ab und an seine leicht sächselnde Sprachmelodie.
    Eine politische Laufbahn war bei dem heute 53jährigen nicht vorprogrammiert. "Ich komme aus einer ganz normalen Familie", meint der SPD-Mann, fügt aber selbst hinzu, daß das Leben schon dafür gesorgt hat, daß er nicht unpolitisch bleiben konnte. Nach der Volksschule absolvierte Jankowski eine Laborantenlehre, und als 16jähriger kam er an die Front in Kurland. Aus der amerikanischen Gefangenschaft wurde er rasch entlassen und begann ein Chemiestudium in Zwickau. Doch politische "Unbilden" störten den Studiengang, und nach drei Semestern ging er in einer "Nacht-und-Nebelaktion" über die grüne Grenze in den Westen.
    Zunächst fand er Unterschlupf bei Verwandten in Wolfsburg, verdingte sich auf dem Bau und als Anstreicher. Als dann auch seiner Frau der Sprung in den Westen gelungen war, zog es das junge Ehepaar in das Rheinland. Leichlingen wurde die Wahlheimat des Sachsen-Anhalters.
    Auf seinen heutigen Arbeitsplatz gelangte er auf kuriose Weise: Freunde halfen nach. Sie bewarben sich an seiner Statt, einfach, weil sie den Posten für Siegfried Jankowski für richtig hielten. Er selber hatte abgewinkt und kein Interesse gehabt. Als dann von der Firma die Aufforderung kam, exakte Bewerbungsunterlagen zu schicken, griff er zu - und hat es bis heute nicht bereut. Ein ähnlicher Schicksalsknuffer hat Siegfried Jankowski in die Politik gebracht. Beim Kartenspiel in einer Gaststätte witzelte er über die gewichtigen Ratsherrn, die in Wirklichkeit gar nicht so viel täten. Er selber, so verkündete Jankowski, würde das mit der linken Hand machen. Ein paar Kommunalpolitiker hörten den flotten Spruch und hielten ihm vor, daß es viele gäbe, die so kritisierten, doch aufs Bessermachen käme es an und hielten ihm gleich ein Aufnahmeformular für die SPD unter die Nase. Das war 1964. Danach rückte er über die Reserveliste in den Leichlinger Rat, wurde 1969 stellvertretender Fraktionsvorsitzender, dann 1970 ihr Vorsitzender, kandidierte für den Kreistag im rheinisch-bergischen Kreis und landete als Mann der Basis mit einem Direktmandat im nordrhein-westfälischen Landtag. Heute hat er mitten in Leichlingen ein Büro für Bürgerberatung und hält enge Kontakte zu den Bürgern, für die er ein Parlamentarier zum Anfassen bleiben will.
    Mit seiner beruflichen und politischen Karriere ist der überzeugte Rheinländer aus Sachsen-Anhalt recht zufrieden; doch er verkennt nicht: "Ich habe immer das Glück gehabt, daß ich zur richtigen Zeit Menschen getroffen habe, die geholfen haben."
    Gerlind Schaidt

    ID: LI821418

  • Porträt der Woche: Siegfried Zellnig (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 13 - 07.06.1982

    Er gehört zu der Gruppe, die in den Parlamenten immer kleiner wird, auch im nordrhein-westfälischen Landtag. Siegfried Zellnig ist Rechtsanwalt, somit Freiberufler. Die Entscheidung, sich für die Landtagswahl 1980 zum ersten Mal als Kandidat der CDU im Wahlkreis 50 Neuss I - aufstellen zu lassen, hat er sich schwer gemacht. Ihm war bewußt, daß die anwaltliche unter seiner politischen Tätigkeit leiden würde, "und so ist es auch gekommen, denn Politik ist mehr als ein Halbtagsjob". Zumal er schon seit 1975 auch Mitglied des Rates der Stadt Neuss ist und stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzender. Wenn er heute über diese Belastung spricht, klingt es gelassen - vielleicht weil er weiß, daß seine Frau und seine beiden Kinder dafür Verständnis aufbringen, daß er selten zu Hause ist. Dabei hatte selbst er den zeitlichen Umfang falsch eingeschätzt. Denn neben den örtlichen Verpflichtungen, neben Plenum, Ausschüssen, Arbeitskreis und Fraktion wartet Fachliteratur auf ihn, warten auch Gespräche mit Interessengruppen. Da bleibt wenig Freiraum. Etwa zum Tennis spielen oder mit der gesamten Familie ein Bundesliga-Spiel vorzugsweise von Mönchengladbach zu besuchen. Allerdings ist der Rheinländer auch noch Schalke-Fan. Zellnig wurde 1941 in Stolberg bei Aachen geboren. "Als Neunjähriger spielte ich in der dortigen Fußballmannschaft, die sich auch 'die Königsblauen' nannten - daher mein Bezug zu Schalke."
    Der "organisierten Politik" stand er zunächst skeptisch gegenüber - "auch wenn ich mich schon immer für Politik interessierte". Und ihn, der 1960 in die CDU eintrat, faszinierten vor allem die Reden von Carlo Schmid, die er als Schüler bei den Bundestagsübertragungen im Fernsehen verfolgte. Der berufliche Aufstieg war schwer - voller Dornen: Volksschule, Industriekaufmann, Abendgymnasium, Jura-Studium. Vor acht Jahren machte er sich als Rechtsanwalt selbständig. In der Berufsschulzeit fielen die ersten Kontakte zur Katholischen Soziallehre durch einen Benediktiner - und als er zum Abendgymnasium nach Neuss wechselte, "da wollte ich eigentlich noch Jesuit werden". Die Grundaussagen dieser Lehre bestimmen auch heute sein politisches Handeln, dazu setzt er "Solidarität, Gemeinwohlprinzip und die Forderung, Politik für die Menschen vom Menschen heraus zu machen". Auch wenn er am 11. Mai 1980 als Neuling in den Landtag kam "und da hatte ich das Gefühl wie damals, als ich zum ersten Mal in der Kölner Uni stand"- so waren ihm weder Gebäude noch viele Kollegen fremd. Er hatte sie bei seiner kommunalpolitischen Tätigkeit kennengelernt. Neu war für ihn die Arbeitsweise: "Wenn ich in diesem Punkt einen Vergleich ziehe zu den Entscheidungen im Stadtrat, dann muß ich sagen: dort geht man systematischer und auch durchschaubarer vor." Als Anwalt beschäftigt sich Zellnig vor allem mit Miet- und Baurecht. Kein Wunder also, daß er in den Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen ging. Schon als Gymnasiast und als Student hatte er sich in einem Neusser Wohnungsbauverein um das Rechnungswesen als Buchhalter gekümmert. Das kommt ihm heute zugute - denn "wenn ich etwa über Mietrecht rede, dann ist das aus der Praxis selbst erlebt" - da kann ihm keiner ein X für ein U vormachen. Auf diesem Feld setzt Zellnig seine Schwerpunkte. Auch wenn die Bundesgesetzgebung den Ländern einen nur engen Handlungsrahmen läßt, sieht er noch genug Bewegungsspielraum. Er wünscht sich vor allem bei der geplanten Neuordnung der Landesbauordnung, Vorschriften zu vereinfachen, Bauverfahren zu beschleunigen und damit billiger zu machen. "Meine Partei ist mit dieser Forderung in den Wahlkampf gezogen, und jetzt kann ich mit meinen praktischen Erfahrungen dazu beisteuern, daß sich auf diesem Gebiet tatsächlich etwas bewegt", sagt er selbstbewußt. Eine andere Sorge sind die Wohnungsbaufinanzierungsbestimmungen. Zellnig plädiert dafür, das Land solle den Kommunen Pauschalzuweisungen geben. Denn nach seiner Erkenntnis können die Gemeinden vor Ort besser entscheiden, was wirkungsvoll zu tun ist. Allerdings verknüpft er seinen Wunsch mit der Forderung, daß das Land die Kontingente vorgibt und darauf achtet, daß Mietwohnungsbau und Eigentumsmaßnahmen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Arge Versäumnisse sieht er dabei vor allem im Ruhrgebiet, in dem lange Zeit einseitig auf den Mietwohnungsbau gesetzt wurde.
    Dr. Wilm Herlyn

    ID: LI821321

  • Porträt der Woche: Franz Brodowski (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 12 - 01.06.1982

    Der SPD-Landesvorsitzende Johannes Rau hat einmal gesagt, daß er sich auch im politischen Geschäft gelegentlich mehr Fröhlichkeit wünsche. Man müsse auch mal zusammen feiern und lachen können. Franz Brodowski aus der Fraktion der SPD ist solch ein Mann, den gesellige Fröhlichkeit prägt, der - so sagen seine Freunde - "auch mal einen guten Witz erzählt". Eigenschaften, die jenen im besonderen eigen sein sollen, die von dort kommen, wo der Wein wächst. Bei Brodowski ist das Gegenteil der Fall. Er kommt aus Bergenau in Ostpreußen, aus der Landschaft um die Masurischen Seen, die Stille atmet, Beschaulichkeit. Er ist dort am 6. April 1922 geboren, als Sohn eines mittelständischen Bauunternehmers, "mit Landwirtschaft nebenbei", wie dortzulande üblich. Das führte dazu, daß Brodowski "als Kind schon ganz schön ran mußte", mit Vaters Säge und Hammer so gut umzugehen lernte wie dessen erwachsene Mitarbeiter.
    Es kam ihm zugute, als er 1949 aus russischer Kriegsgefangenschaft nach Nordrhein-Westfalen gelangte und als Werkstudent im Bergbau sein Studium an der Pädagogischen Hochschule in Kettwig an der Ruhr finanzierte. Es waren jene Zeiten, da kein Mensch daran dachte, daß es einmal ein Honnefer Modell geben sollte oder gar BAFÖG. Brodowski blickt zurück: "90 Mark von der Zeche und 90 Mark vom Arbeitsamt - das war's!" Zwei Staatsprüfungen für das Lehramt an Volksschulen (1953 und 1956) öffneten die beruflichen Türen. Ein berufsbegleitendes Studium am Heilpädagogischen Institut an der Pädagogischen Hochschule Dortmund, nochmals erweitert auf Sprachheilpädagogik, schloß ab mit der Staatsprüfung für das Lehramt an Lernbehindertenschulen und an Sprachheilschulen. Brodowski war dann zwei Jahre Sonderschullehrer, anschließend Rektor einer Lernbehindertenschule. Längst in Dinslaken ansässig, wurde er 1964 Sprachheilbeauftragter für diesen Kreis, 1975 für den Kreis Wesel.
    Bereits 1958 hatte er sich zum Eintritt in die SPD entschlossen: "Und zwar nicht als Beitragszahler, sondern um aktiv mitzumachen." Dies fand bald Ausdruck in Berufungen: 1961 saß er bereits im Rat der Stadt Dinslaken (bis 1980), und der Vorsitzende des Ortsvereins (von 1964 bis 1978) führte auch sechs Jahre lang die Ratsfraktion. Sicher kam es ihm zugute, daß "man bei dem Pädagogen Brodowski bewundert, daß er nicht zwei linke Hände hat", erklärt er dies selbst. Daß das Herz "links" schlägt, ist im Wahlkreis 64 (Wesel III) eh kein Nachteil, sondern der besten Voraussetzungen eine, von der Kommunal- in die Landespolitik zu wechseln. Es gelang Brodowski im Mai 1980 mit guten 58,3 Prozent.
    Der Rektor außer Diensten sagt von sich selbst, daß er "mit allen Demokraten, denen es um die Sache geht", einen Ausgleich findet Das habe "wohl auch dazu beigetragen, daß man ihm Ämter übertrug". Seit eineinhalb Jahren ist es ihm eine "große Befriedigung", daß er im Petitionsausschuß des Landtages "vielen Bürgern helfen konnte". Man glaubt es ihm, wenn er hinzufügt, "ich tue mein Bestes, wenn so mancher Bürger sich untergepflügt sieht in Verwaltungsdingen". Im Ausschuß für Schule und Weiterbildung paßt Brodowski nach eigenen Worten "nicht in die Schablone", kocht er "auch kein eigenes Süppchen. Die Sachentscheidung ist immer vorrangig." Politik sieht er überhaupt und prinzipiell "nicht einseitig". Er möchte "immer wieder wählbar sein. Auch für solche, die parteipolitisch nicht gebunden sind. Wenn das so gesehen wird, wird es auch honoriert", zieht er das Fazit. Und er fühlt sich auch als MdL "nicht als etwas Besseres, sondern als Mensch wie jeder andere auch". Die Fraktion hat ihn "sofort akzeptiert und mit menschlicher Wärme aufgenommen", erinnert er sich. "Da ist alles aus einem Guß. Ein sehr gutes Klima. Was ja keineswegs selbstverständlich sein muß ..."
    Dem Vater von drei Töchtern, allesamt auch in pädagogischen Berufen oder im entsprechenden Studium, sieht man an, daß er "zeitlebens gerne und viel gewandert" ist. Mit Schulklassen vor allem, weil er - "vom Hochgebirge bis zur See" - die Natur liebt. Beschäftigung im Garten, wenn immer möglich, gehört dazu. Die Lust am Fotografieren ist ein "kleines Hobby", das immerhin schon Preise eintrug. Was er am liebsten liest? Moderne Literatur.
    Hans Krieger

    ID: LI821226

  • Porträt der Woche: Dr. Hans-Ulrich Klose (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 11 - 10.05.1982

    Wenn ein Rheinländer "berlinert', evangelischer Konfession ist, aus Preußen stammt und gleichwohl lebensfrohe Geselligkeit schätzt, fügt sich das Klischee nicht mehr leicht zum Bilde. Der nordrhein-westfälische Landtag hat in dieser Woche den CDU-Abgeordneten Dr. Hans-Ulrich Klose zu seinem neuen ersten Vizepräsidenten gewählt. Das ist für jeden, der dieses Vertrauen des Hauses erhält, eine Auszeichnung, denn das Präsidium dieses Verfassungsorgans hat in der repräsentativen parlamentarischen Demokratie nach wie vor eine herausgehobene Stellung.
    Klose ist nicht, wie viele seiner jüngeren Kollegen, in diesen freien Rechtsstaat hineingeboren worden. Das Elternhaus stand in Rüdersdorf in der Mark Brandenburg. Kindheit und erste Schuljahre waren noch vom Nationalsozialismus beherrscht. Mit siebzehn Jahren trat der junge Mann in die Ost-CDU ein. Doch der von der Sowjetunion vorgeschriebene machtpolitische Weg des anderen Teiles Deutschlands in den Kommunismus war nicht mehr aufzuhalten. Klose hat in dieser Spannung zeitweise, worüber er im offiziellen Lebenslauf nie spricht, um sein Leben fürchten müssen. Er wohnte in der DDR, konnte aber an der Freien Universität in West-Berlin Jura studieren, bis man ihn 1956 als politischen Häftling ins Zuchthaus verschleppte. Martin Niemöller kämpfte für seine Freilassung. Im Westen konnte Klose dann sein Studium vollenden. Er promovierte zum Doktor beider Rechte, war einige Jahre als Richter tätig und arbeitet seit vielen Jahren als Justitiar.
    Der neue Vizepräsident ist seit 1966 Abgeordneter. Heute, im Alter von erst 47 Jahren, kann er also schon auf eine gehörige Portion an Parlamentserfahrung zurückblicken. Dazu kommt über den Gemeinderat des Heimatstädtchens Korschenbroich und den Kreistag von Grevenbroich ein reicher Schatz an kommunalpolitischem Wissen. Beides zusammen war immer ein guter Fundus für Landespolitiker in allen Parteien. Klose hat aber auch das Feld der Rechtspolitik, auf dem er sich umtat, stets mit dem der Sozialpolitik verbunden. Bei ihm hat politische Arbeit auf ganz unpathetische Weise noch eine ethische Komponente. Auch sein Wirken als Presbyter in der rheinischen Landeskirche und sein Engagement im evangelischen Arbeitskreis der CDU sind Belege dafür. Es gibt immer noch Politiker, die vieles tun, außer darüber zu reden. Sie stehen oft an der Seite derer, die keine lautstarke Lobby haben, gehen den vermeintlichen kleinen Mängeln und Fehlentwicklungen in der Gesellschaft nach, bemühen sich auch um jene tatsächlichen Randgruppen, die nicht in täglichen Demonstrationskolonnen durch die Lande ziehen. Hans-Ulrich Klose gehört zu ihnen.
    Er hat einen sensiblen Sinn für die Rechte des Staates und der Bürger entwickelt, auch für die jeweiligen Grenzen, die um der gemeinsamen Wohlfahrt willen nicht überschritten werden dürfen. Ein wieder aufkeimender, politischen Anspruch begehrender Extremismus, gar noch ein gewalttätiger, links und auch rechts, bereitet ihm Sorgen. Man kann im Gespräch darüber mit Klose viel Nachdenkliches hören. Da spielen böse Jugenderfahrungen mit zwei demokratiefeindlichen Regimen eine nachwirkende Rolle. Gleichwohl, Klose weiß den oft mühseligen politischen Alltag mit Lebensfreude zu verbinden. Er wird auf beiden Seiten des Parlaments hoch geschätzt, jenseits von "Wort und Widerwort", auf das Demokraten in gemeinsamer Verfassung verpflichtet sind. Das neue Amt verlangt von ihm diesen Blick für das Gemeinsame. Es ist auch ein Stück Arbeit für einen Parlamentarismus, der sein rechtmäßiges Ansehen immer wieder durch Leistung nachweisen muß.
    Lothar Bewerunge

    ID: LI82110F

  • Porträt der Woche: Volkmar Schultz (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 10 - 03.05.1982

    Noch vor ein paar Jahren war es völlig "außerhalb seines Gedankenkreises", daß er einmal ein politisches Mandat anstreben könnte. "Als städtischer Beamter bin ich nie auf den Gedanken gekommen", meinte Volkmar Schultz. Heute ist der Sozialdemokrat aus Köln Landtagsabgeordneter, hat sich beurlauben lassen und sieht sich in seinem neuen Arbeitsbereich als Vollpolitiker. 1965 war er in die Partei eingetreten und hatte vom Plakatkleben über das Kouvertieren alle Basisarbeiten mitgemacht. Als zur letzten Landtagswahl 1980 die Wahlkreise neu geschnitten wurden, war just in seinem heimatlichen Porz der Wahlkreis 7 vakant. Als Parteifreunde ihn fragten, wie es denn mit einer Kandidatur stünde, griff Volkmar Schultz zu und eroberte das Mandat im ersten Anlauf in direkter Wahl.
    Daß der in Boeken bei Schwerin geborene Journalist seine politische Heimat bei den Sozialdemokraten gefunden hat, war nach eigner Auffassung vorprogrammiert. "Mein Vater war Volksschullehrer, und die galten im Mecklenburgischen wegen ihrer geistigen Aufmüpfigkeit als 'rot'. Das hat sich wohl vererbt", berichtet der SPD-Mann. 1938 geboren, kam der heutige nordrhein-westfälische Landespolitiker mit zehn Jahren 1948 über die grüne Grenze ins Rheinland nach Leverkusen, wo seine Familie nach den Kriegswirren wieder zusammenfand.
    Volkmar Schultz fühlt sich ganz als Rheinländer. "Alle wichtigen Ereignisse in meinem Leben, habe ich hier erlebt, das prägt", sagt er. Sein erstes bewußtes Erlebnis vom Rheinland war ein Haufen Trümmer. So sah er die Silhouette von Köln, als er zusammen mit seiner Mutter mit einer Fähre den Rhein überquerte. "Da habe ich zum ersten Mal richtig begriffen, was Krieg bedeutet", erinnert sich der heute 44jährige.
    Echtes politisches Bewußtsein ist bei ihm 1955 erwacht, als er für ein Jahr als Austauschschüler in den USA lebte. "Dort wurde ich mit der Geschichte Deutschlands in einem Ausmaß konfrontiert, wie ich es in der Bundesrepublik nicht gekannt hatte. "Immer wieder wollten die Amerikaner von dem jungen Deutschen wissen, wie das mit "Nazideutschland" habe passieren können. Volkmar Schultz: "Wir jungen Menschen sollten in den USA als Botschafter des guten Willens fungieren. Wir fühlten uns auch angesprochen und konnten dennoch nicht alle Fragen beantworten."
    "Die Zeit in den USA war der auslösende Faktor für meinen politischen Werdegang", meint Volkmar Schultz heute. Er sei damals noch nicht parteipolitisch aktiv geworden, aber es war "mein Schlüsselerlebnis", bekräftigt er.
    Nach dem Abitur begann er mit dem Studium der Geschichte und Anglistik. Das Geld dafür verdiente er sich als Fremdenführer in Köln. Volkmar Schultz: "Das brachte neben dem Verdienst zwei weitere Vorteile: ich konnte meine Sprachkenntnisse vervollkommnen und zugleich die Historie vertiefen." Als die Stadt Köln ihm dann ein verlockendes Angebot im Verkehrsamt machte, hängte er sein Studium an den Nagel und widmete sich der Pressearbeit für die Domstadt.
    Nach acht Jahren ließ er sich dann von der damals noch unabhängigen Stadt Porz für die dortige Pressearbeit abwerben und versuchte mit viel Verve die Eingemeindung nach Köln zu verhindern. "Als das dann doch geschah, kehrte ich ungewollt in den Schoß von Mutter Colonia zurück", berichtet er über seinen beruflichen Werdegang.
    Als stellvertretender Nachrichtenamtschef verkaufte er die neuesten Nachrichten aus Köln. Nebenher lief da aber schon seine parteipolitische Karriere, die ihn dann 1980 voll einholte.
    Heute sitzt Volkmar Schultz im Landtag und hat sich für seine erste Legislaturperiode ein Ziel gesetzt: lernen, lernen und nochmals lernen. Als Schwerpunkte für seine parlamentarische Arbeit hat er den Wohnungsbau und die Verkehrspolitik gewählt. "Das sind zwei Themenbereiche, die auch für Köln als Knotenpunkte des Handels immer lebenswichtiger waren", begründet er sein Interesse.
    Für seine Hobbys "Reisen mit Familie" und Fotografieren, bleibt kaum noch Zeit. "Überhaupt", meint der SPD-Politiker, "die Parlamentarierlaufbahn braucht viel mehr Zeit als die Bürger gemeinhin denken." Die 60-Stunden- Woche sei die Regel. Volkmar Schultz: "Das geht nur gut, weil meine Familie voll mit meinem Wechsel in die Politik ein verstanden ist."
    Gerlind Schaidt

    ID: LI82101F

  • Porträt der Woche: Helmut Kupski (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 9 - 29.03.1982

    Inzwischen hat er sich an das "Genosse" und das "Du" unter den Genossen längst gewöhnt. Mehr noch, er hat es als Ausdruck besonderer Verbundenheit und Solidarität untereinander schätzengelernt. Aber Helmut Kupski verhehlt nicht, daß er Schwierigkeiten gehabt hatte mit dem "Du" und dem "Genosse", damals, 1972, als er in Krefeld von der CDU zur SPD wechselte. Damals arbeitete Kupski schon ein Dutzend Jahre beim Landeskirchenamt in Düsseldorf, sozusagen ein Arbeitsplatz nach Wunsch für den gebürtigen Ostpreußen, der in einer betont christlich geprägten Familie aufgewachsen war und in eine ähnlich stark geprägte Familie hineingeheiratet hatte. Warum er die CDU verlassen hatte und statt dessen - unter "Mitnahme" seines kommunalpolitischen Mandates in Krefeld - in die SPD eingetreten war? Helmut Kupski wird diese Frage natürlich nicht zum erstenmal gestellt. Er hat darauf eine klare Antwort: "Ich habe gesehen, daß die praktische CDU-Politik mit dem Anspruch des 'C' in ihrem Namen nicht übereinstimmt." Er habe auf die Sozialausschüsse gehofft, gehofft, daß sie sich mit ihrer Politik in der CDU durchsetzen, wenigstens einen Teil des Ahlener Programms in die Tat umsetzen könnten. Als diese Hoffnung in immer weitere Ferne rückte, begann Kupski über einen Wechsel zu den Sozialdemokraten nachzudenken, weil deren politischer Anspruch und deren praktische Politik mehr miteinander übereinstimmten, als dies für sein Empfinden bei der CDU der Fall war.
    Das Tüpfelchen auf dem i war für den Parteiwechsel dann der Anspruch der CDU, für alle Vertriebenen zu sprechen. Noch als CDU-Mitglied habe er, der Ostpreuße, sich genötigt gesehen, öffentlich der Vertriebenenpolitik der CDU zu widersprechen, erinnert sich der Gewerkschafter und Presbyter an diese wilde Zeit des Wechsels. Und er erinnert sich auch, daß seine Frau "gewisse Schwierigkeiten" hatte mit der Entscheidung ihres Mannes und bei den beiden Schwägern bestehen diese Schwierigkeiten noch heute.
    Für das, was einen engagierten Christen besonders anspricht in der SPD, hat Helmut Kupski eine griffige Formel parat. Er schickt den Satz voraus, daß das Wort von der Nächstenliebe bei vielen Christen leider zu einem Lippenbekenntnis verkümmert sei, und fährt dann fort: "Solidarität ist Nächstenliebe plus Konsequenzen - das ist für mich sozialdemokratische Politik, oder", setzt er selbstkritisch lächelnd hinzu, "das ist es zumindest im Ideal fall." Solche Idealfälle sind selten.
    Ein Idealfall ganz anderer Art verhalf Helmut Kupski in den Landtag. Daß er den Wahlkreis 59 (Krefeld II) mit 45,7 Prozent der Stimmen gewann, rechnet er zuletzt seinem eigenen Verdienst an. Da hätten vielmehr die früheren Parteifreunde von der CDU geholfen, weil die Franz Josef Strauß zum Kanzlerkandidaten der Union für die Bundestagswahl gekürt hätten, eine Fehlentscheidung, die auf die nordrhein-westfälische Landtagswahl einen für die CDU Kurt Biedenkopfs dunklen Schatten warf. "Strauß hat mir geholfen", räumt Kupski freimütig ein. Mit Hilfe des Bayern jagte der Neuling keinem Geringeren als Konrad Grundmann den Wahlkreis ab, eine Niederlage, an der der heutige Landtagsvizepräsident damals im Mai 1980 schwer zu schlucken hatte. Erst beim Gottesdienst vor der ersten Plenarsitzung brachte es Grundmann über sich und gratulierte dem Sieger mit Handschlag. Kupski nimmt ihm diese Verspätung nicht krumm: "Wir kommen heute gut miteinander aus." In der sozialdemokratischen Landtagsfraktion wissen die Kollegen Kupskis inzwischen, daß der Neue aus Krefeld zu den harten Arbeitern gehört, dem nichts ferner liegt, als ständig fromme Sprüche zu klopfen. Und wenn er doch mal etwas über seinen Glauben und seine berufliche Bindung an das Landeskirchenamt sagt, hört sich das ganz handfest an. Etwa so: Das Christsein habe sich hier auf der Erde zu beweisen. Kupski: "Ob es ein Leben nach dem Tod gibt, ist da von sekundärer Bedeutung. "Dieses Christsein hier auf Erden kann sich für Kupski an so banalen Dingen wie an einer Straßen führung erweisen. Der Abgeordnete gehörte zu den Initiatoren und Haupttreibern, die sich gegen die linksrheinische Autobahn wehrten. Gegen die Autobahn wurde der Kampf verloren. "Aber wir haben immerhin erreicht, daß der Nordzubringer in Krefeld nicht autobahnmäßig ausgebaut wurde, wie dies ursprünglich geplant war, und wir haben Lärmschutzmaßnahmen durchgesetzt." Das sei mehr als nichts.
    Reinhard Voss

    ID: LI82091C

  • Porträt der Woche: Heinz Paus (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 8 - 22.03.1982

    Der Rechtsanwalt Heinz Paus hat vor knapp zwei Jahren, als die CDU ihn auf Platz 40 ihrer Landesliste nominierte, "nicht ernsthaft" damit gerechnet, für die laufende fünfjährige Legislaturperiode in den Düsseldorfer Landtag einzuziehen. Zu aussichtslos erschien ihm dieser Warteplatz. Aber die Wahlarithmetik, die sich aus dem Ausscheiden der F.D.P. ergab, begünstigte ihn und auch einige andere CDU-Bewerber. Gleichwohl, meint Paus, hat ihn das vor Illusionen geschützt. Er kam damals "ohne große Erwartungshaltung" von Detmold nach Düsseldorf und dies, sagt er, erspare ihm heute, wo er nahezu arbeitstäglich anreisen muß, die Enttäuschung mancher seiner Kollegen.
    Heinz Paus ist soeben 34 Jahre alt geworden. Er gehört zu den jüngsten unter den 201 Abgeordneten. Zur CDU stieß er 1972, über die Junge Union. "Das war nach der verlorenen Barzel-Wahl in Bonn", als beim konstruktiven Mißtrauensvotum im Bundestag Korruptionsverdacht aufkam. "Da habe ich mich entschieden, jetzt muß man sich engagieren. "Paus führte erst sein Studium der Rechtswissenschaften in Münster und Tübingen zu Ende, ließ sich zusätzlich an der Verwaltungshochschule in Speyer ausbilden. Nach beiden Staatsprüfungen ließ er sich 1976 als Anwalt in Detmold nieder. Ein früh verknöcherter Jurist, ein blutarmer Advokat?
    Keineswegs. Da müßte man über das Elternhaus sprechen, das bei Ahaus im Münsterland steht. Ein kleiner Landwirtschaftsbetrieb, wo von der Großmutter bis zum Enkel, jeder im Stall und auf dem Felde anpacken mußte. Im Nebenerwerb die Dorf kneipe, wo nach getaner Arbeit hinter dem Tresen ein gutes Pils gezapft wurde. Als Junge lernte er dort, wie man offen und vernünftig miteinander spricht, nicht in den oft schablonenhaft erstarrten Sprachformeln der Berufspolitiker. Nimmt es wunder, daß Paus auch in der Düsseldorfer CDU- Landtagsfraktion eine Art von Stammtischrunde eingeführt hat? "Wir sollten viel mehr miteinander reden, denken, uns austauschen", meint er, bevor man mit großer Attitüde vor die Wähler und Bürger trete.
    Lehrer gehen in die Schulausschüsse, Juristen in die Justizausschüsse. So ist das überall in den Parlamenten. Paus lobt die Freiheit der politischen Arbeit, die sein Vorsitzender Kollege Klose ihm im Justizausschuß gewähre. Doch man hat nicht den Eindruck, dieser junge Abgeordnete habe damit schon sein endgültiges Arbeitsfeld gefunden. Er tut sich auch in anderen Bereichen um: die Ausländerproblematik beschäftigt ihn, auch kirchenrechtliche Fragen. Was wird aus der Förderung der Landestheater? Wie geht es mit der allgemeinen Wirtschaftsförderung weiter? Erhalten mittelständische Unternehmen die Chance, ihr Eigenkapital so zu verstärken, daß sie widrigen Winden der Konjunktur besser widerstehen können? Paus sorgt sich um die Möbelindustrie in Ostwestfalen, die noch stark handwerklich orientiert ist.
    Er formuliert Einsichten, die sympathisch wirken, weil sie ehrlich sind: Man könne als Abgeordneter nicht die großen Dinge bewegen, schon gar nicht in der Opposition. Man habe sich dem Detail zu widmen, der täglichen Kleinarbeit, wenn man etwas verbessern wolle. Und auch dann müsse man sich das meiste mühsam selbst erarbeiten. Die Ausstattung der Abgeordneten sei unzulänglich bei der Aufbereitung von Themen, bei der Zuarbeit von Problemlösungen. Recht hat er, denn nur Berufspolitiker genießen alle Vorteile des Systems. Paus widmet zwei Wochentage seiner Anwaltskanzlei, drei weitere gehören der Landtagsarbeit. Dann muß man, wenn andere Bürger ihre 40-Stunden- Woche abhaken, noch an die Rückkoppelung zur Parteibasis denken, die heimische Wählerschaft betreuen. "Was da oft läuft an ununterbrochenem latentem Wahlkampfeinsatz, ist eine fürchterliche Ressourcenvergeudung", sagt er, "vor allem bei den Spitzenpolitikern." Auch der einfache Landtagsabgeordnete habe nach spätestens zwei Parlamentsjahren gelernt, daß Freizeit nur noch ganz kleingeschrieben wird. Paus zieht sich dann die Jogger-Schuhe an, läuft in die Wälder hinaus, oder er spielt Squash, oder auch ein wenig Fußball. Und dennoch bleiben Skrupel, denn da liegen zugleich Stapel von Büchern, Schriften, Akten auf dem Schreibtisch, die auch noch gelesen werden müßten. Vielleicht haben Juristen da einen Vorteil: Man erkenne das Wesentliche und beschränke sich dann auch darauf.
    Lothar Bewerunge

    ID: LI820807

  • Porträt der Woche: Manfred Ludwig Mayer (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 7 - 15.03.1982

    Manfred Ludwig Mayer ist das, was man sich landläufig unter einem ordentlichen, erdverbundenen Sozialdemokraten vorstellen mag: sachlich, eher ruhig als temperamentvoll, kein begnadeter Redner, vielmehr einer, der zuhört und abwägt, ehe er, dann aber beharrlich, eine Sache anpackt. Der 1934 in Magdeburg geborene, nun aber schon seit Jahren in Düsseldorf lebende Abgeordnete sagt von sich selbst, daß er kein "Senkrechtstarter" sei. Die Umstände seines Lebens waren auch nicht danach. Nach dem Volksaufstand 1953 in der DDR verließ Manfred Ludwig Mayer seine Heimat. Über die Schwierigkeiten, die er damals nach dem niedergeschlagenen Aufstand hatte, mag er heute nicht mehr viele Worte machen. Er war eine kurze Weile inhaftiert und haute nach der Entlassung gleich ab über die Grenze. Da saß er dann im Auffanglager bei Hannover. In seinem Beruf als Elektrotechniker gab es damals keinen Job. "Bergbau oder Landwirtschaft wurde uns angeboten, sonst nichts", erinnert sich Mayer mit einem leisen Lächeln in den Mundwinkeln. Weil er aus dem Lager raus, arbeiten und den Lebensunterhalt selbst verdienen wollte, meldete er sich als Knecht auf einem Hof im Rheinischen, in der Nähe von Radevorm wald. Das war, Mayer lacht heute darüber, ein Schuß in den Ofen. Er habe beinahe Angst vor den Hühnern gehabt, und eine Kuh zu melken - allein der Gedanke war ihm unvorstellbar. Der Bauer war ihm dennoch nicht gram. Denn der neue Knecht ohne Draht zu Feder- oder Borstenvieh verstand um so mehr von anderen Drähten: Manfred Ludwig Mayer erneuerte und modernisierte die gesamte elektrische Installation des Hofes. Und als das gemacht war, zog er wieder seiner Wege. Er fand dann bald einen Job in seinem Fach, aber die Fummelei mit den Kabeln füllte ihn doch nicht aus. "Ich wollte", erzählt Mayer, "mit Menschen zu tun haben, im weitesten Sinne, irgendwie mehr kreativ." Er träumte eine Zeitlang davon, Dramaturg zu werden, klopfte sogar ganz arglos einmal beim großen Gustaf Gründgens an die Tür.
    Von den Träumen in die Realität zurückgekehrt, schulte Mayer um. Er wurde Berufsberater, machte so etwas wie Karriere in dem Beruf und ist heute Leiter einer Arbeitsgruppe, die überall im Lande versucht, im direkten Kontakt mit den jungen Leuten deren Berufswünsche zu erfahren - und wenn möglich - zu erfüllen.
    Weil er nicht nur nörgeln, sondern selbst "etwas gestalten" wollte, wurde Manfred Ludwig Mayer Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Acht Jahre später saß er im Rat der Stadt Düsseldorf, wieder zehn Jahre später erhielt er dort den Ehrenring der Stadt. Er fühlte sich "rundum wohl" als Kommunalpolitiker. Handfeste Arbeit sei das dort gewesen, erinnert sich Mayer gern an diese Zeit zurück. Die Düsseldorfer Bürger waren mit seiner Arbeit offensichtlich zufrieden. Denn als Mayer 1980 in einem als "todsicher schwarz" geltenden Wahlkreis antrat, jagte er seinem Mitbewerber von der CDU rund acht Prozent der Stimmen ab und sorgte damit, zum ersten und bisher einzigen Mal in seinem Leben, für eine Schlagzeile: "Der große Sieger heißt Mayer", meldete die "Rheinische Post" in ihrem Lokalteil am Montag nach der Wahl ihren Düsseldorfer Lesern.
    Es gibt Menschenkenner, die teilen die Leute in zwei Gruppen auf: in eine große, von denen man kein, und eine sehr viel kleinere, von denen man unbesehen jedes gebrauchte Auto kaufen würde. Mayer gehört zur zweiten Kategorie. Vielleicht hat er deshalb auch so viel Erfolg als Schiedsmann, ein Ehrenamt, das er mehr als ein Dutzend Jahre ausübte, zuletzt als Vorsitzender der Schiedsmannsvereinigung im Landgerichtsbezirk Düsseldorf. Und vielleicht rührt auch von dieser Tätigkeit Mayers überraschendste Bemerkung während des Gesprächs für dieses Porträt. Wenn es nach ihm gegangen wäre, dann wäre Karl Heinz Hansen heute noch wie er selbst Mitglied der Düsseldorfer SPD. Manfred Ludwig Mayer: "Die Partei hätte ihn ertragen müssen. Wo kommmen wir hin, wenn wir alle kritischen Geister ausgrenzen?" Womit sich der Düsseldorfer Landtagsabgeordnete nicht mit den politischen Inhalten - und schon gar nicht mit der Form des bekannteren Düsseldorfer Bundestagsabgeordneten identifizieren möchte. Aber, so weiß Mayer auch aus eigener Erfahrung: "Wenn man in einer für einen selbst sehr wichtigen Sache immer gegen die Wand zu laufen meint, kann man schon wütend werden, sich auch mal im Ton vergreifen." Doch bei allem Verständnis zu Hansen Über einen Unterschied /äßt Mayer keinen Zweifel: "Hätte ich solche Konflikte mit der Partei, gäbe ich mein Mandat zurück." Solche Konflikte sind zur Zeit nicht in Sicht. Aber das ist kein Grund, an der Ernsthaftigkeit von Mayers ehrenwerter Absicht für den Fall X zu zweifeln.
    Reinhard Voss

    ID: LI820719

  • Porträt der Woche: Otto-Friedrich von Schönberg (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 6 - 08.03.1982

    Er lehnt es ab, sich einseitig auf irgendwelche Gruppierungen festlegen zu lassen. "Ich bin CDU-Mitglied und gehöre dem Bauernverband an", meint Otto-Friedrich von Schönberg. "Ansonsten zähle ich mich zu den ,Sofas', den Selbständigen ohne fremde Arbeitskräfte." Eine weitere Einschachtelung in Kästchen lehnt der Diplomlandwirt aus Bartrup im Westfälischen ab. Seit dem Mai 1980 sitzt er im nordrhein-westfälischen Landtag und setzt sich für eine vernünftige Landwirtschaftspolitik ein. Nach dem Sprichwort "Schuster bleib bei deinem Leisten" will er im Plenum immer nur dann mitreden, wenn er von einer Sache auch "hundertprozentig" etwas versteht. Im Ernährungsausschuß kümmert sich der Landmann um Wasserwirtschaft, Abwasserbeseitigung und Umweltschutz.
    Sein besonderes Steckenpferd sind die "nachwachsenden Energien". Daß er diese Materie beherrscht, hat er unlängst bewiesen, als er im Parlament seine Jungfernrede zu diesem Thema hielt. Wenn er davon spricht, wie man sechs Millionen Tonnen Öl und damit drei Milliarden DM einsparen kann pro Jahr, lebt seine sonst so ruhige Stimme auf, wird er ganz lebhaft. In die Politik gekommen ist er, weil Nachbarn ihn baten, im Rat von Bartrup doch "mitzumachen". Damals, 1956, ging es um die Wasserversorgung und die Straßenbeleuchtung. "Du kannst so gut reden", drängten ihn Freunde, "tu doch mal was für uns." So kam es, daß Otto-Friedrich von Schönberg als Parteiloser in den Rat der Stadt einzog; denn eine CDU gab es damals in Bartrup noch nicht. Erst 1968 wurde der Diplomlandwirt dann Christdemokrat.
    1969 wurde er stellvertretender Kreisvorsitzender der CDU, seit dem gleichen Jahr ist er Fraktionsvorsitzender im Rat. "Auf Anhieb habe ich da 30 Prozent der Stimmen bekommen", freut er sich noch heute. 1975 übernahm er dann auch noch das Bürgermeisteramt. Als die F.D.P. 1979 bei den Kommunalwahlen die Hälfte ihrer Stimmen abgeben mußte, verlor der CDU-Mann seinen Bürgermeisterposten. Seither ist er wieder CDU-Fraktionschef.
    Auf die Frage, warum er nicht eher für das Landesparlament kandidiert habe, wozu ihn doch Parteifreunde ermuntert hätten, meint er offen, daß die Zeit dafür noch "nicht reif gewesen sei". Zunächst einmal habe er sein Haus bestellen müssen, sprich: den Hof aufbauen. "Jetzt mit dem Landtagsmandat beginnt ein neuer Beruf", erklärt er. Das spricht für die Gründlichkeit des Landmannes.
    Otto-Friedrich von Schönberg wurde am 24. Oktober 1924 in Dresden geboren. Mit 17 Jahren wurde er, das Notabitur in der Tasche, an die Front geschickt. Verwundet kam er in britische Gefangenschaft. Das große landwirtschaftliche Anwesen im Sächsischen, seit 800 Jahren im Familienbesitz, war verloren. Von Schönberg begann beim Punkt Null. Zunächst machte er eine landwirtschaftliche Lehre, dann die Gesellenprüfung, und 1947 begann er mit dem Landwirtschaftsstudium. Seinen Unterhalt verdiente er sich in den Semesterferien auf dem Bau. Beim Häuserbauen hat er dann auch seine Frau kennengelernt.
    Beruflich führte sein Weg nach dem Diplom über die Stellung eines Pressereferenten der Versuchsstation Limburger Hof der BASF über den stellvertretenden Abteilungsleiter der Versuchsabteilung Rheinstahl-Hanomag zum selbständigen Landwirt, als er den Betrieb seiner Schwiegermutter kaufen und übernehmen konnte. Heute hat er einen "gemischten Betrieb", wie er es nennt, ist Herr über 1000 Schweine und einen 120 Hektar großen Getreideanbau. Nachdem der älteste Sohn von vier Kindern in die Landwirtschaft eingetreten ist, zieht sich der Mann vom Landadel in die Politik zurück.
    Niemand zweifelt daran, daß er dies mit der gleichen Gründlichkeit und dem selben Beharren tun wird, wie er seine bisherige Laufbahn gemeistert hat. Den politischen Erfolg kann man zwar nicht erzwingen, die Voraussetzungen bringt der CDU-Mann aber durchaus mit. Und noch eines wird ihm von Nutzen sein: Er besitzt Humor. Kollegen in der Fraktion haben ihm bereits bescheinigt: "Er ist geistreich und witzig. Zitiert nicht nur Ringelnatz, Kästner und Tucholski, sondern unterhält auch sonst eine gesellige Runde." Der neue Mann: offensichtlich eine Bereicherung auf dem parlamentarischen Parkett.
    Gerlind Schaidt

    ID: LI82061C

  • Porträt der Woche: Johannes Pflug (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 5 - 15.02.1982

    Zwar wird er zu den sogenannten "Linken" in seiner Partei gezählt, doch gleichzeitig kann er gute Kontakte zur CDU aufweisen: Johannes Pflug, direktgewählter SPD-Landtagsabgeordneter im Wahlkreis Duisburg II, wird vermutlich auch von politischen Gegnern geschätzt wegen seiner Offenheit und Geradlinigkeit. Der aus einer Bergbaufamilie in Duisburg-Hamborn stammende 36jährige Sozialdemokrat focht für Umweltschutz und Stadtsanierung schon zu einer Zeit, wo beide Probleme noch im Hintergrund der öffentlichen Diskussion standen.
    Dieses Interesse dürfte mitausgelöst worden sein durch die räumliche Umgebung, die Zechenhäuser und den Berufsweg des heutigen Ingenieurs (grad.) für Vermessungstechnik. Mit 18 Jahren in die SPD eingetreten, und später als Mitglied des Duisburger Stadtrates auch Vorsitzender des Sanierungsausschusses, setzte sich Johannes Pflug mit Nachdruck für die Abkehr von der damaligen Flächen- zur sogenannten Objektsanierung ein. Gegen den Widerstand der Verwaltung kämpfte der gleichzeitige SPD-Fraktionsvorsitzende der Hamborner Bezirksvertretung auch für umweltgerechtere Straßen in den Sanierungsgebieten. "Wir haben alles getan, um die Pläne von klotzigen, vierspurigen Fahrbahnen kaputt zu machen", erinnert er sich heute. So wurden aus Fahrbahnen Grünflächen. Für den Kommunalpolitiker ist es unerläßlich, daß die Bebauungspläne für den Bürger verständlicher konzipiert, und dieser stärker daran beteiligt werden müsse. "Im Vorfeld der Planungen muß die Diskussion stehen."
    Nach der letzten Landtagswahl von seiner Fraktion in den Ausschuß für Landesplanung und Verwaltungsreform delegiert, sind dort seine Schwerpunkte der Umweltschutz und die Entbürokratisierung. Nach seiner Ansicht müssen die "Doppel- und Dreifach-Prüfungsverfahren" bei der Gewährung von Fördermitteln abgeschafft und "mehr Vertrauen in den Sachverstand und die Eigenverantwortung der Gemeinden" gesetzt werden. Als Duisburger Abgeordneter sieht er es als seine Aufgabe an, die VEBA-Ansiedlung im Orsoyer Rheinbogen zu verhindern. Es müsse bei der Landesplanung zu einem ausgewogenen Verhältnis der Standorte für Kraftwerke und industrielle Großprojekte im Lande kommen. Auch sollten die Art und Größe neuer industrieller Ansiedlungen auf die jeweilige Wirtschafts- und Siedlungsstruktur des betroffenen Raumes zugeschnitten sein.
    Im Ausschuß für Wissenschaft und Forschung will der SPD-Politiker neue Akzente setzen. Die strukturpolitische Bedeutung einer Hochschule für die Region werde noch zu wenig erkannt. Am Beispiel der Universität Duisburg lasse sich verdeutlichen, daß sie auch die Aufgabe habe, in einer Region neue Arbeitsplätze zu schaffen, wo durch Forschung und Lehre viele Arbeitsplätze vernichtet worden seien. Die Universitäten müßten die Probleme ihrer Regionen "aufnehmen". Ein untragbarer Zustand ist es schließlich nach Meinung des Ausschußmitgliedes, daß die Hochschulen den Wünschen der Studenten für bestimmte Studiengänge, wie Sozialarbeiter, Politologe und Pädagoge immer noch in großem Umfange Rechnung tragen, obwohl nur eine geringe gesellschaftliche Nachfrage vorhanden sei. Überdies setzt sich der SPD-Abgeordnete für eine "landesspezifische" Konzentrierung der Forschungspolitik ein.
    Das langjährige Gewerkschaftsmitglied wurde vor der letzten Landtagswahl zu einer Kandidatur für das Landesplenum von Parteifreunden ermuntert. Als "Neuling" fühlt sich Johannes Pflug nach gut eineinhalb Jahren bereits in die Fraktion integriert. Für den "Sozialdemokraten der Basis" bleibt aber die Arbeit im Wahlkreis der Schwerpunkt seines politischen Wirkens. Und wenn der Vater eines Sohnes einmal von Politik nichts hören will, dann greift er zum Fotoapparat oder zieht die Fußballschuhe an...
    Jochen Jurettko

    ID: LI820520

  • Porträt der Woche: Leonhard Kuckart (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 4 - 08.02.1982

    Zu den vermutlich ganz wenigen Parlamentariern, die Tag für Tag bereits um fünf Uhr aufstehen, gehört Leonhard Kuckart von der Fraktion der CDU. Sein Beruf, den er liebt, der ihn wirtschaftlich unabhängig halten soll, erfordert es: Kuckart, kürzlich 50 Jahre alt geworden, ist Prokurist in einem mittelständischen Unternehmen des Maschinenbaus in Schwelm (Westfalen). Genauer gesagt: Verkaufsleiter und somit viel unterwegs. Das wiederum bedeutet, daß er das ,,Ständehaus", wie das Parlamentsgebäude früher hieß, aus den verschiedensten Richtungen ansteuert. Ansonsten sitzt er um halb sieben schon am Schreibtisch in seiner Firma. Dort hat er sich vom kaufmännischen Lehrling hochgearbeitet. Im nächsten Jahr begeht er das 25jährige Arbeitsjubiläum.
    Auf dem morgendlichen Rundgang durch den Betrieb, wie Kuckart die notwendigen Kontakte zur Produktion bezeichnet, "laden die Arbeitnehmer aber jetzt ganz schön ab", hat er festgestellt. "Man kennt sich seit langen Jahren, weiß, für welche Partei das Herz schlägt." Der CDU-Mann, Handwerkersohn, in Schwelm geboren und Mitglied der Katholischen Arbeiterbewegung, merkt "deutlich, daß die Stimmung sich gewandelt hat". Er werde "oft darauf angesprochen, was die Genossen in Düsseldorf für'n Murks machen (Die Metaller drückten dies in der saftigen Umgangssprache des Reviers allerdings etwas anders aus, erläutert Kuckart.) "An ein Minderheitendasein und an politische Ohnmachtsgefühle von Schwerte aus gewöhnt" - dort hat die SPD "noch", dies betont Kuckart, die absolute Mehrheit - ist er "fest davon überzeugt, daß die CDU 1985 den Wechsel schafft". Dann würde er gerne im Landtag weiterarbeiten.
    Die ersten eineinhalb Jahre dort sieht er ganz nüchtern. Er ist "verwundert, daß relativ wenig über die wirtschaftspolitischen Themen debattiert wird angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit und der nach wie vor ungelösten Strukturprobleme. Die Arbeitsmarktlage ist gesellschaftspolitisch äußerst wichtig; man denke an die vielen Jugendlichen, die in die Ausbildung drängen, an die möglicherweise weiter wachsende Ausländerfeindlichkeit." Es "erstaunt" Kukkart auch, "die offensichtlichen Lieblingsthemen von Bildungspolitikern gelegentlich in Überlänge anhören zu müssen". "Gehen wir nicht an den drängendsten Aufgaben des Landes vorbei?" sinniert er.
    Kuckart ist Mitglied im Sportausschuß des Landtags. Und das nicht deshalb, weil er in jüngeren Jahren sich an jedem Sonntag gleich doppelt damit beschäftigt hat, den Ball ins Tor zu bringen, vormittags per Hand, nachmittags per Fuß, sondern weil er als langjähriges Vereins-Vorstandsmitglied bestens Bescheid weiß, wie die Politik den Sport fördern kann und soll. Im Ausschuß ist Kuckart CDU-seitig für Fragen der Vereinshilfe zuständig, zuvörderst der Zuschüsse für die Übungsleiter. Im Ausschuß für Landesplanung und Verwaltungsreform bringt er kommunalpolitische Erfahrungen aus zwei Jahrzehnten ein.
    Dabei hatte seine politische Laufbahn 1961 recht ungewöhnlich begonnen: Der parteilose Pfarrjugendführer wurde von der örtlichen CDU für den Rat der Stadt Schwelm vorgeschlagen. Das war für ihn ein "so unwahrscheinlicher Vorgang", daß er das Programm der Christlichen Demokraten genauer prüfte, bevor er das Mitgliedsbuch beantragte. 20 Jahre lang saß er im Rat der Stadt, seit 1975 gehört er dem Kreistag Ennepe-Ruhr an. In einem der drei dortigen Wahlkreise kandidierte er 1980 auch erstmals; der Landeslistenplatz machte ihn zum MdL.
    Ach ja, Kuckart kommt aus der Wirtschaft. Weil er an seinem Beruf hängt, nimmt er es als Selbstverständlichkeit hin, daß er an Samstagen ebenfalls tätig ist und "daß der Urlaub schon mal recht kurz ausfällt" - damit die Firma nicht zu kurz kommt; denn Kuckart möchte "keine Vorteile aus dem politischen Mandat ziehen". Deshalb auch die ständige "Frühschicht". Die Gattin hat dafür sehr viel Verständnis, die Tochter ist vollbeschäftigt mit ihrer Doktorarbeit. Und wenn Urlaub, dann "nur im Schwarzwald".
    Hans Krieger

    ID: LI82041B

  • Porträt der Woche: Rudolf Drese (SPD).
    Porträt
    S. 14 in Ausgabe 3 - 01.02.1982

    Er ist kein ideologischer Schwärmer, noch ein Mann großer Worte - Rudolf Drese (49) haben seine Umgebung und berufliche Tätigkeit geprägt: der Pütt. In Essen geboren, begann der heutige SPD-Landtagsabgeordnete nach Absolvierung der mittleren Reife seinen Berufsweg bei Krupp - wie übrigens auch sein Vater. Der Kaufmannsgehilfenprüfung folgte die Tätigkeit als Magazinverwalter zunächst auf der Essener Zeche Rossenray und seit 1970 auf der Zeche Niederberg im niederrheinischen Neukirchen-Vluyn. Er erlebte das Wachsen und den Niedergang der Ruhrkohle, kennt die Sorgen der Menschen rund um die Fördertürme.
    Schon früh der IG Bergbau und Energie beigetreten, wurde Rudolf Drese zunächst Stellvertreter und dann Vorsitzender des Betriebsrates. Über die Gewerkschaft fand er 1967 den Weg zu den Sozialdemokraten, kam drei Jahre später in den Rat der Stadt Kamp-Lintfort und war bis zu seiner Wahl in den Düsseldorfer Landtag 1980 Fraktionsvorsitzender. Der mit einem Zugewinn von 6000 Stimmen gegenüber der letzten Landtagswahl eroberte Wahlkreis Wesel I ist einer der flächengrößten des Landes; industriell geprägt im Süden, landwirtschaftlich im Norden. Der Zielkonflikt zwischen Industrie und Umweltschutz ist hier allgegenwärtig, zwischen Kohle und Grün.
    So ist es auch kein Zufall, daß sich der erfahrene Kommunalpolitiker bemühte, von seiner Fraktion in den Ausschuß für Ernährung, Land-, Forst- und Wasserwirtschaft berufen zu werden, in den sogenannten "Grün"-Ausschuß, der sich nach Einschätzungen Dreses "mit der Industrie zuweilen beißt". Der Gewerkschaftler tritt dabei für einen vernünftigen Ausgleich zwischen Landschafts-/Umweltschutz und der Schaffung neuer Arbeitsplätze ein. "Der Bergmann ist Realist genug, um zu wissen, daß wir Kohlekraftwerke und Halden in Kauf nehmen müssen, um Arbeitsplätze zu erhalten. Sonst können wir den Pütt schließen." Der SPD-Politiker sieht einen Nachteil darin, daß sich die sogenannten "Grünen" "besser artikulieren können" als beispielsweise die Bergleute.
    Der Abgeordnete weiß aus seiner kommunalpolitischen Praxis auch, daß die Sicherung und der Ausbau von Arbeitsplätzen ohne angemessene Wohnungen unmöglich sind. Dabei sieht er die Modernisierung von Altbauten und die Schaffung von Mietwohnungen wie Eigenheim als gleichberechtigt an.
    Früher selbst aktiver Fußballer und heute noch am Sport interessiert, ist Rudolf Drese auch Mitglied des Sportausschusses. Sein besonderes Anliegen in diesem Gremium ist es, daß auch jene verstärkt die Möglichkeit erhalten sich sportlich zu betätigen, die nicht in Vereinen organisiert sind. Zudem will er der Versuchung begegnen, daß die Randzonen gegenüber den Ballungsräumen vernachlässigt werden.
    Wie die anderen "Neulinge", so mußte sich auch der Kamp-Lintforter erst mit seiner jetzigen parlamentarischen Wirkungsstätte bekanntmachen. Dabei halfen ihm die älteren Fraktionskollegen, aber auch eigener Fleiß. So studierte er während der Sommerpause Sitzungsprotokolle, Drucksachen und vieles mehr der letzten Legislaturperiode. Auch sein parlamentarisches Selbstbewußtsein half ihm zum erfolgreichen Einstieg. Ein Selbstbewußtsein übrigens, "das den häufig anzutreffenden falschen Respekt vor ministeriellen und administrativen Größen nicht kennt", wie jüngst ein Kollege lobend feststellte.
    Der SPD-Politiker, Vater von drei Kindern, sucht das Gespräch mit den Bürgern, ob als Mitglied zahlreicher lokaler Vereine oder in seiner Eigenschaft als Abgeordneter. Und das gibt Rudolf Drese Rückhalt für seine Arbeit in Düsseldorf.
    Jochen Jurettko

    ID: LI82031B

  • Porträt der Woche: Christel Wagner (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 2 - 25.01.1982

    Sie gehört zu den charmanteren Neulingen in dieser neunten Legislaturperiode des Landtags: die CDU-Abgeordnete Christel Wagner aus Hüllhorst, nahe der Porta Westfalica. Und das soll ein politisches Prädikat sein. Viele Politikerinnen kompensieren nicht selten durch Schärfe und Bissigkeit, was ihnen an männlicher Lautstärke gebricht. Da hat die stete und offene, im Ton eher leise, aber herzliche, in der Sache hartnäckige Rede der Frau Wagner ihre sympathischen Züge. Natürlich, sagte sie, fühle sie sich auch nach nun bald zwei Mandatsjahren in Düsseldorf noch neu und lernfähig; doch die erste Euphorie über den Einzug ins Parlament, auch eine vielleicht zu hohe Erwartungshaltung seien geschwunden. Die Realität setze sich durch: jeder sei im Grunde Einzelkämpfer, mancher dazu noch manches anderen Konkurrenten.
    Christel Wagner hat viel Vorarbeit in dieses Mandat gesteckt. Da war zunächst die Berufsausbildung zur Damenschneiderin, dann kamen die Pflichten der Hausfrau und Mutter. Relativ spät erst ging sie in den öffentlichen Dienst, als Vermittlerin bei einem Arbeitsamt, schließlich als Ausbilderin bei einem Berufsbildungswerk. Innerhalb der CDU führte der Weg ab 1971 aufwärts in der Frauenvereinigung und bei den Sozialausschüssen. Das Listenmandat 1980 erstritt sie gegen vier männliche Mitbewerber. Doch da sind nicht einmal Ansätze von Emanzentum zu erkennen. "Die Gleichberechtigung", sagte sie, "darf auf keinen Fall zur Gleichmacherei führen." Und sie deutet mit einem Lächeln an: "Die Frauenvereinigung ist schon gute Schule genug."
    Im Landtag hat Frau Wagner zwei Arbeitsfelder besetzen können, zu denen sie immer ein Talent, eine natürliche Neigung empfand: Den Petitionsausschuß und den Ausschuß für Jugend und Familie. Im einen könne man als Mittler zwischen Bürger und Verwaltung viel Vernünftiges tun, könne man lernen, wie die Bürokratie und ihre Erlaßfluten die Menschen zu ersticken drohen. Das andere habe noch mehr Zukunft. Denn wo bei immer höherer Staatsverschuldung immer weniger Geld verteilt werden könne, sei die Zeit der sozialen Geschenke zu Ende. "Wir brauchen neue, vor allem auch wieder ideelle Denkansätze." In der Politik für die Frauen werde das besonders deutlich, weil ihre Entfaltungschancen zwischen Schule und Beruf in dieser Zeit schwindender Arbeitsplätze mehr gefährdet seien als je zuvor.
    Frau Wagner hat den Mut, auch schon erste kritische Einsichten über Möglichkeiten und Grenzen eines solchen Landtagsmandates, zudem noch in der Opposition, zu formulieren. "Ich wünschte mir mehr Teamwork um der Sache willen, der Zwang zur Profilierung vereitelt vieles." Auch die Parteien, meint sie, müßten ihre Abgeordneten durch mehr Mitarbeit tragen. Das Mißverständnis greife um sich, Fleiß und Leistung des Abgeordneten seien nach der Fülle der wahrgenommenen Termine, der Versammlungsauftritte zu bewerten. "Ich war zeitweise fast zermürbt", gesteht Frau Wagner ein. So wie bisher könne das mit der Sieben-Tage-Woche nicht weitergehen. Doch das sind keineswegs Anflüge von Frustration. Diese Abgeordnete verbindet politische Urteilskraft mit gesunder Bescheidenheit: "Ich lasse bestimmte Fachgebiete, etwa Außen- oder Wirtschafts- oder Energiepolitik, einfach außen vor. Das muß man einräumen können, auch einmal sagen können: diese und jene Fach frage kann ich zur Zeit nicht beurteilen." Es sei wichtiger, weniges sachkundig beurteilen und danach richtig handeln zu können, als vieles oder gar alles halb zu wissen.
    In Wahrheit: genauso ist es, obwohl viele Politiker das nur ungern eingestehen. Politiker, sagt Christel Wagner, sollten überhaupt etwas weniger reden und dafür viel mehr und sorgsamer zuhören können. Das Mandat, das man für die Bürger ausübe, bedürfe der ständigen Rückkoppelung. Von sich selbst glaubt sie, ihr Stil und ihre Methode der politischen Arbeit würden bei den Wählern daheim oft positiv angenommen. Sie will auch daran festhalten, daß einige oft hämisch bespöttelte, zynisch zerredete Verhaltensweisen, die sie mit "Mütterlichkeit, Weiblichkeit" beschreibt, selbst in der parlamentarischen Arbeit ihren Nutzen haben. Man muß schon sagen, daß die rhetorischen Heroen des Parlamentarismus nicht selten den Pfau schon für intellektuell halten, nur weil er sein Gefieder spreizt.
    Christel Wagner liest sehr viel, doch sie will in der freien Zeit auch vom Kochen, Nähen, Werkeln und Basteln nicht lassen. Des einen Streß kann - wohlverstanden - des anderen Muße, Entspannung und Regeneration sein.
    Lothar Bewerunge

    ID: LI82021A

  • Porträt der Woche: Hans Frey (SPD).
    Porträt
    S. 14 in Ausgabe 1 - 18.01.1982

    Ein Schalke-Fan ist Hans Frey nicht. Und das, obwohl er in Gelsenkirchen geboren wurde, dort zur Schule ging und heute mit Frau und zwei Kindern dort auch wohnt. Die Ehrenkarte, die ihm als Mitglied des Rates von Gelsenkirchen vom traditionsreichsten Fußballverein des Reviers überreicht worden war, gab er deshalb kühlen Herzens zurück. Als Abgeordneter des Wahlkreises Gelsenkirchen I, wo er am 5. Mai 1980 stolze 62,0 Prozent einheimsen konnte, hat Hans Frey an den Königsblauen ein nur wirtschaftspolitisch motiviertes Interesse. "Wenn Schalke in der ersten Bundesliga spielt, kommen mehr Zuschauer aus der Region, das gibt mehr Einnahmen. Deshalb bin ich für den Wiederaufstieg von Schalke." Sonst aber sei Fußball für ihn kein Thema, winkt der junge Abgeordnete ab.
    Hans Frey, der am 24. Dezember Weihnachten und Geburtstag zusammen feiern muß, machte seine ersten politischen Gehversuche bei den Jungsozialisten. Das war Ende der sechziger Jahre, als die Apo die Universitäten durchlüftete, für heilsame Unruhe sorgte im Land. Jahrgang 1949 gehört er heute altersmäßig noch immerzu den Jusos, fühlt sich mit ihnen auch durch "gemeinsame Grundüberzeugungen" verbunden. Aber wenn Hans Frey von seinen Erfahrungen spricht, die er im Gelsenkirchner Rat und im Landtag machte, wenn er von der Notwendigkeit einer Integration auch der kritischen Geister in die demokratischen Institutionen des Staates spricht, dann wird die Kluft sichtbar, die den "alten Juso" aus den Zeiten der Voigt, Roth und Wieczorek-Zeul trennt von jenen desorientierten und desillusionierten jungen Genossen, die Anfang Dezember in Köln-Chorweiler die nordrhein-westfälischen Jusos des Arbeitsjahrgangs 1981 repräsentierten.
    Hans Frey war Gymnasiallehrer, ehe er Landtagsabgeordneter wurde. Obwohl selbst Studienrat, hat er sich nie als "typischen Studienrat mit gedrechselter Sprache" sehen wollen. Von einem derartigen Berufsbild und Selbstverständnis habe er sich - auch äußerlich erkennbar - ganz bewußt abgesetzt. Der jetzige Abgeordnete versichert, gern Lehrer gewesen zu sein. Warum er dann diesen Job an den Nagel gehängt habe? "Noch lieber" sei er sozusagen hauptberuflich in die Politik gesprungen, als sich nach dem Verzicht des jetzigen Oberbürgermeisters Werner Kuhlmann die Chance bot, das Mandat in Gelsenkirchen zu gewinnen.
    Hans Frey ist ein ruhiger Typ. Er redet langsam und bedächtig, zögert, wenn er von sich selbst sprechen soll. Munterer, auch schärfer in der Sprache, wird der junge Abgeordnete, wenn die Rede auf seine Heimatstadt Gelsenkirchen kommt. Über einhundert Jahre lang sei die Stadt ausgepowert worden. Die Region um Gelsenkirchen habe am meisten unter der industriellen Entwicklung gelitten, von der sehr viele im Land profitiert hätten, reich geworden seien. Um so unverständlicher, auch ungerechter empfindet der Gelsenkirchener Hans Frey das mokante Lächeln vieler Menschen außerhalb des Reviers über jene, die dort heute noch leben. Im Bewußtsein zu vieler Zeitgenossen lebten da im Zentrum des Reviers doch nur noch "die Deppen", die es nicht geschafft hatten, in gesündere, lieblichere Gegenden zu entkommen, erbost sich der Abgeordnete. Den in dieser ausgebeuteten, ausgebluteten Region Ausharrenden mit größerer Achtung vor ihrer und ihrer Vorfahren Leistung zu begegnen, ist eine jener Forderungen Freys, die so gar nicht zu dem Schreckensbild passen, das in vielen Köpfen - aus was für Gründen auch immer über " die Jusos " berumgeistert.
    Den Einfluß, den so ein Landtagsmandat seinem Inhaber verschafft, will Hans Frey für eine Bewußtseinsveränderung in Sachen Revierbewohner nutzen. Dabei macht er sich keine Illusionen. Er war zu lange Jungsozialist, engagiert in den theoretischen Auseinandersetzungen des SPD-Nachwuchses in der Periode der hoch fliegendsten Anstrengungen und der daraus abgeleiteten Ansprüche, als daß er die Möglichkeiten des einzelnen in einer hochindustrialisierten Massengesellschaft überschätzen würde. Hans Frey sieht die Sache vielmehr ganz nüchtern. Als Abgeordneter des nordrhein-westfälischen Landtags habe er unbestritten mehr Möglichkeiten, Einfluß zu nehmen, als ein, sagen wir, SPD-Ortsvereinsvorsitzender in Gelsenkirchen. Um diesen Einfluß auszuschöpfen, will Hans Frey, er sagt das ganz freimütig, zunächst mal zwei Legislaturperioden im Landtag bleiben. Seiner Ansicht nach kann man erst nach einer solchen Zeitspanne beurteilen, ob man etwas bewegen konnte oder ob man wie ein Hamster im Laufrädchen durch den Käfig gerannt sei. Käme er zu dem zweiten Ergebnis, dann will Hans Frey gern aufs Mandat verzichten, noch einmal etwas anderes machen. Aber das ist noch vage. Kann es ja auch bleiben. Denn noch hat der junge Mann viel Zeit.
    Reinhard Voss

    ID: LI82011C

  • Porträt der Woche: Karl Böse (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 31 - 21.12.1981

    Eine Stadt, die jetzt in aller Munde ist - Dortmund -, ist fest in der Hand der SPD, was ihre Repräsentanz im Landtag von Nordrhein-Westfalen betrifft. Ihre sechs Wahlkreise wurden am 11. Mai 1980 mehr oder weniger deutlich "geholt": 56,7 Prozent der Stimmen waren das mindeste, 68,0 Prozent das höchste Ergebnis. Einer der Dortmunder Wahlsieger ist Karl Böse, 41 Jahre alt, verheiratet und Hauptschulrektor außer Diensten. Er packte "auch ein paar Punkte drauf" im Wahlkreis 134 (Dortmund V), "und der Genösse Trend marschierte auch noch für mich mit" - bis auf 59 Prozent. Dieser Wahlkreis im Süden der Stahlstadt scheint ein Erbhof.
    Spekulationen, was wäre, wenn die Wähler in den Stahlstandorten heute an die Urnen gehen mußten, wehrt Böse ab. Das mag überraschen; denn er hat sich gerade in seinem Wahlkreis mit vielen "Hoescbianern " zu befassen, die ihm derzeit wohl nicht nur Freundlichkeiten sagen. Aber sie haben dem Sohn eines Kesselschmieds zum Mandat verholten, weil sie ihn für einen der Ihren halten, obgleich er Lehrer ist: Böse: "Ich bin ja nicht wegen meines Berufes gewählt worden, sondern wegen meiner Arbeit für die Arbeitnehmer; sonst hätte ich in Dortmund überhaupt keine Chance auf ein Mandat."
    Die sattsam bekannte Kritik, daß in den Parlamenten heute zu viele Lehrer sitzen, läßt sich zwar durch Zahlen erhärten, aber Böse bezieht sie "überhaupt nicht" auf sich selbst. Der in Schwerte Geborene hat nach dem Abitur - den Vater hatte der Gymnasium-Besuch noch Schulgeld gekostet in den fünfziger Jahren - ein Studium an der nahe gelegenen Pädagogischen Hochschule begonnen, ,,und zwar aus Liebe zu diesem Beruf", und 1964 die erste Staatsprüfung abgelegt. Eintritt in den Schuldienst und in die SPD folgten fast gleichzeitig. "Wer die Demokratie stärken will, muß sich auch selbst engagieren", erklärt Böse diese Entscheidung, die für ihn in seinem sozialen Umfeld "gar nicht anders ausfallen konnte". Seither ist er aktiv im Ortsverein, seit 1974 dessen Vorsitzender, und strebt keine weiteren Funktionen an - "man kann nicht mehreren Herren dienen, das würde sich auf meine Arbeit hier auswirken". Daß er Mitglied des Rates der Gemeinde Holzen wurde (1969 bis 1974), war nur folgerichtig: man kannte und schätzte ihn, zumal er sich in der sportlichen Jugendarbeit längst Meriten erworben und selbst auch Handball gespielt hatte, bevor er sechs Jahre lang Vereinsvorsitzender des TuS Holzen wurde. So etwas zählt im Revier.
    Als Holzen 1979 eingemeindet wurde, kam Böse in den Rat der Stadt Dortmund, zu dem er weiterhin "engste Beziehungen"pflegt. Wenn schon in der dortigen SPD Doppelmandate in der Kommunal- und Landespolitik strikt abgelehnt werden, so praktizieren die sechs Dortmunder die vielzitierte und durchaus wünschenswerte Verzahnung auf ihre Art: die Ratsfraktion lädt die "Düsseldorfer" regelmäßig zu ihren Sitzungen ein; man bespricht sich und stimmt sich ab.
    Im Falle Böse strahlt das auf die Arbeit in den Ausschüssen für Verkehr und Arbeit, Gesundheit und Soziales aus. Beide sind "aus Dortmunder Sicht sehr wichtig", betont Böse, der sich im Verkehrsausschuß besonders um den öffentlichen Personennahverkehr sorgt. In dem anderen Ausschuß geht es ihm vor allem um Arbeitsmarkt- und Ausländerfragen. Diese Probleme kennt er bis ins Detail aus eigener Praxis; in 15 Jahren hat er sich ein Urteil bilden können darüber, was es bedeutet, wenn an einer Schule der Ausländeranteil 50 Prozent und mehr beträgt. "Solche Überfrachtung abbauen, die Kinder der ausländischen Mitbürger gleichmäßig auf alle Schulen verteilen" - Böse weiß wohl, daß sich hier sozialer Sprengstoff ansammeln könnte. Möglicherweise wird er damit noch einmal befaßt, wenn er in den Schuldienst zurückkehrt und Mathematik, Geschichte und Sport wieder an die Stelle jener Aktenberge treten, mit denen er es als MdL zu tun hat. "Die Kopierer haben auch mein Leben verändert, sie werden überreichlich genutzt", sinniert er nach eineinhalb Jahren Landtagserfahrungen.
    Hans Krieger

    ID: LI813125

  • Porträt der Woche: Wilhelm Lleven (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 30 - 11.12.1981

    Er zählt zu jenen letzten vier Abgeordneten im nordrhein-westfälischen Landtag, die noch den Acker pflügen und das Feld bestellen: Wilhelm Lieven aus Titz legt noch die Hand an auf seinem Hof. Schon als Junge hat der heute 47jährige Landwirt auf dem elterlichen Anwesen, der "Spieler-Mühle" zugepackt, seit längerem versucht der CDU-Abgeordnete darüber hinaus die Interessen der in der Landwirtschaft tätigen Menschen und der Region in den verschiedensten Gremien mit Erfolg zu vertreten. "Mein Herz schlägt für die Landwirtschaft", räumt denn auch Wilhelm Lieven freimütig ein.
    Bereits mit 24 Jahren wurde er Vorsitzender der Ortsbauernschaft Titz-Spiel. Das Vertrauen seines Berufsstandes führte den Landwirt mit viel Energie und realistischem, Weitblick zu weiteren Aufgaben und Ämtern: stellvertretender Vorsitzender der Kreisbauernschaft Düren/Jülich, Kreislandwirt und Mitglied des Hauptausschusses der Landwirtschaftskammer Rheinland sind nur einige von vielen Stationen.
    Den Weg zur CDU fand Wilhelm Lieven 1964, nachdem er bereits zuvor viele Jahre mit der Jungen Union symphatisiert hatte. Als er 1968 in den Titzer Rat kam und ein Jahr später Bürgermeister der Gemeinde wurde, stand der Raum vor der kommunalen Neuordnung mit all ihren Problemen. Viel Fingerspitzengefühl und Argumentation bedurfte es in den folgenden Jahren, die teilweise unterschiedlichen Interessen der in sich geschlossenen Gemeinden und Ortschaften auszugleichen. Wenn heute mit einer Zunge gesprochen wird, so ist es zweifellos ein Mitverdienst des weiterhin amtierenden Bürgermeisters. Als Kreistagsmitglied fühlte sich der Kommunalpolitiker verpflichtet, auch die Integration der ehemals selbständigen Kreise Jülich und Düren zu forcieren. Wer heute durch diesen Raum fährt erlebt, wie der Braunkohle-Tagebau immer mehr Raum in Anspruch nimmt. "Jeden Tag geht irgendeine landwirtschaftliche Fläche verloren", registriert Wilhelm Lieven. Insgesamt 350 Höfe werden der Braunkohle weichen müssen, nur wenige der betroffenen Bauern werden sich wieder auf ähnlich großem Ersatzland ansiedeln können. Diesen unfreiwillig in Existenznot geratenen Menschen widmet sich der CDU-Landtagsabgeordnete mit Rat und Tat. Die Umsiedler, die die Landwirtschaft weiter betreiben können, müssen meist durch Hinzunahme eines zweiten Veredlungszweiges ihre Zukunft zu sichern versuchen. Viele andere aber, vor allem junge Bauernsöhne, werden sich einem neuen Berufzuwenden müssen. Der Kreislandwirt lobt in diesem Zusammenhang die gute Zusammenarbeit mit der Braunkohle-Gesellschaft, wo manch einer der vom Tagebau verdrängten Bewohner eine neue Existenz gefunden hat. "Wir können nicht immer auf die Industrie-Giganten schimpfen."
    Der Agrarausschuß der rheinischen CDU, dessen Vorstandsmitglied Wilhelm Lieven ist, hat ihn 1980 für einen sicheren Listenplatz empfohlen. Heute gehört der Abgeordnete dem Ausschuß für Ernährung, Land-, Forst- und Wasserwirtschaft an und ist gleichzeitig stellvertretendes Mitglied der Ausschüsse für Landesplanung und Verwaltungsreform sowie für Grubensicherheit. Als engagierter Kommunalpolitiker möchte er in Fraktion und Ausschüssen dazu beitragen, daß das politische Handeln von Regierung und Parlament bürgedreundlich und nachvollziehbar für die Gemeinden ist.
    "Vor jeder Entscheidung muß die Diskussion mit dem Bürger stehen." Ein solches Verhalten räumt nach seiner Ansicht auch Mißverständnisse und nicht selten Bedenken fort. So gelang es ihm beispielsweise in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Landschaftsbeirates die Zustimmung aller Betroffenen für einen der ersten Landschaftspläne im Land zu finden.
    Verwurzelt mit der Scholle, hat das Wort Heimat für den Vater von vier Kindern einen unverminderten Wert. "Wir müssen uns darauf wieder mehr besinnen." Dazu zählt für den CDU-Politiker auch die Pflege des Brauchtums, der Nachbarschaft. Der tägliche Kontakt mit dem Bürger ist für Wilhelm Lieven keine "Pflichtaufgabe", sondern ein naturelles Bedürfnis.
    Jochen Jurettko

    ID: LI81301B

  • Porträt der Woche: Manfred Böcker (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 29 - 30.11.1981

    Sich selbst charakterisiert er als ,,ruhig, besonnen, ausgeglichen, mit einer gewissen Bescheidenheit ausgestattet".
    Die energische Mundpartie und die tiefen Falten über der Nasenwurzel aber zeigen, daß Manfred Böcker bei aller Bescheidenheit auch sehr genau weiß, was er will. Und das sind nicht immer Kleinigkeiten. Zur Zeit legt sich der Lipper Sozialdemokrat mit keinem Geringeren als den britischen Streitkräften an, die ihren Truppenübungsplatz Sennelager vergrößern wollen. Böcker, in aller Bescheidenheit, versteht sich: "Ich hoffe, daß meine Freunde und ich solche Pläne kaputtkriegen." Und dann setzt er ganz ohne Bescheidenheit hinzu: "So etwas können wir uns nicht bieten lassen. Der Truppenübungsplatz ist für die Briten groß genug."
    Illusionen über die Möglichkeiten eines Landtagsabgeordneten in Düsseldorf hat Manfred Böcker keine mehr, hat sie wohl auch nicht gehabt, ehe er im vergangenen Jahr seinen Job als Konrektor der Hauptschule im lippischen Augustdorf an den Nagel hängte und mit 48,3 Prozent der Stimmen im Rücken in das Düsseldorfer Parlament kam. Aber für das, was möglich ist, will erstreiten. Zum Beispiel auch gegen die Absicht der eigenen Regierung, die Eltern der Fahrschüler nun auch noch an den Kosten für die oft lange, nervtötende, anstrengende Fahrerei der Kinder zu den Schulen zahlen zu lassen. Auch diese Absicht des Kabinetts Rau möchte der Sozialdemokrat "kaputtkriegen" - und er hat einige Aussicht, daß dies gelingt. Es spricht für das Selbstbewußtsein des 1940 in Essen geborenen Abgeordneten, daß er sich nicht scheut, die von der Landesregierung noch nicht aufgegebene geplante Kostenbeteiligung der Eltern an den Fahrtkosten als "eine einzige Katastrophe" zu kennzeichnen. Die Kollegen in Fraktion und Regierung hätten wohl nicht gewußt, was sie da mit solchen Plänen auf dem flachen Land anrichteten, argwöhnt Manfred Böcker. Für ihn ist das um so unverständlicher, weil nach seiner Einschätzung die SPD die nächsten Wahlen auf dem flachen Land gewinnen muß - "oder wir gewinnen sie gar nicht".
    Manfred Böcker weiß, wovon er spricht. Als er 1969 in Augustdorf Mitglied der SPD wurde, zählte der dortige Ortsverein 23 Mitglieder, die Partei war im Gemeindeparlament in einer schier hoffnungslos erscheinenden Opposition. Heute ist der Augustdorfer Bürgermeister ein Sozialdemokrat - Manfred Bökker stellt dies ganz sachlich, ohne Anflug von Triumph fest. Wie er - gleich ein Jahr nach dem Parteieintritt Ortsvereinsvorsitzender geworden - diesen Wandel geschafft habe? Manfred Böcker: "Wir haben erst einmal ein bißchen kommunalpolitischen Krach gemacht. Das war nötig, um überhaupt ins Gespräch zu kommen." Weil die Leute aber kein Interesse, auch kein Verständnis für parteipolitisch motivierten Zank haben, wurde auch in Augustdorf die Krachphase rasch durch ruhige Arbeit abgelöst - bis die Mehrheitsverhältnisse sich endlich drehten.
    Solcher Sacharbeit für die Anliegen der ganz gewöhnlichen Zeitgenossen, die mit den Parteien gewöhnlich nicht viel im Sinn haben, will sich Manfred Böcker "ich bin extra nicht in den Schulausschuß gegangen" - auch im Landtag widmen. Für ihn sind die parlamentarischen Sternstunden nicht "große" Reden im Plenum. Mit den Möglichkeiten eines Abgeordneten der Mehrheitsfraktion Bürgerwünsche, so sie denn gerechtfertigt sind, erfüllen zu können, Dinge auf den Weg zu bringen, die im Zuständigkeitsdschungel der Behörden hängenblieben, politische Gestaltungsmöglichkeiten für die Kommunalpolitiker draußen auf dem Lande freizuhalten, erfolgreich freizukämpfen gegen das Begehr der Ämter, "alles festzurren zu wollen" - das sind Manfred Böckers Sternstunden als Parlamentarier. Kleine Erfolge auf diesen Feldern sind es, die ihn voller Überzeugung sagen lassen: "Noch macht es Spaß in Düsseldorf."
    Ehe der Lipper Sozialdemokrat Volksschullehrer und später Konrektor wurde, diente er vier Jahre bei der Luftwaffe. Befehl und Gehorsam als Strukturprinzip einer Armee habe er auf die Dauer nicht ertragen können, begründet Böcker seinen damaligen Wechsel von der Flugüberwachung zur Pädagogischen Hochschule. Natürlich: Sachkompetenz beuge ersieh - "still und gehorsam", lächelt er ein bißchen ironisch - aber solche Kompetenz müsse erfahrbar sein, nicht nur abzulesen an Dienstgrad, Gehaltsstufe oder Titel auf dem Türschild. Überflüssig, eigentlich hinzuzusetzen, daß dies in Manfred Böckers Augen nicht nur für die militärische Seite des Lebens gilt.
    Reinhard Voss

    ID: LI81291E

  • Porträt der Woche: Werner Schumacher (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 28 - 23.11.1981

    "In einem kontinuierlichen Werdegang über jede Stufe von unten nach oben" hat Werner Schumacher aus Kall (Kreis Euskirchen) im Mai 1980 den seit Jahren erstrebten Einzug in den Landtag Nordrhein-Westfalen geschafft. Mit satten 59,6 Prozent der Stimmen im Wahlkreis 12 (Euskirchen II), einem der besten Ergebnisse der CDU bei der letzten Landtagswahl, schlug der Bürgermeister von Kall (seit 1972) die Konkurrenz aus dem Felde.
    1932 in Kall geboren, besuchte Schumacher das dortige Hermann-Josef-Kolleg der Salvatorianer-Patres bis zum Abitur, um sich dann an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn wirtschaftswissenschaftlichen Studien zuzuwenden, die er 1957 mit dem Diplom- Volkswirt abschloß. Anschließend stieg er als Mitinhaber und geschäftsführender Gesellschafter in die elterlichen Firmen ein (Bau- und Heimwerkermarkt, Spedition und Transportbeton), die er inzwischen mit dem Bruder gemeinsam in der dritten Generation fortführt. Das verschafft ihm Zeit für die Politik, "wirtschaftliche Unabhängigkeit vor allem", aber auch jene praktischen Erfahrungen, ohne die nach Schumachers Meinung gute politische Arbeit schwerlich möglich ist.
    In die CDU war er 1960 eingetreten, weil sie seinen "Wertvorstellungen, die von Werdegang und Erziehung geprägt sind, am ehesten entspricht". Die Partei trug ihm recht bald Ämter an wie den Kreisvorsitz und Gemeindeverbandsvorsitz. 1964 erfolgte die Wahl in den Rat der Gemeinde Kall, 1969 kam er in den Kreistag Schieiden und wurde stellvertretender Landrat. Nach der kommunalen Neugliederung wechselte er 1971 in den Kreistag Euskirchen über, wo er seit 1978 die CDU-Fraktion führt.
    Im Landtag, wo ihm "langjährige politische und persönliche Freundschaften" - Schumacher hebt hier Worms und Grundmann hervor- "die ersten Schritte leichtmachten", berief ihn die Fraktion in die Ausschüsse für Landesplanung und Verwaltungsreform und für Verkehr. Im Wirtschaftsausschuß, für den es erfahrungsgemäß besonders viele Interessenten gibt, ist Schumacher stellvertretendes Mitglied. Durch seine Mitwirkung im Arbeitskreis Wirtschaft seiner Fraktion ist der einzige Parlamentarier aus dem Groß- und Einzelhandel des Landes "auf dem laufenden". Die Tätigkeit im Planungsausschuß hält er für "gewichtig, weil hier die notwendige Verzahnung von Kommune und Landtag zum Tragen kommt". Seine Jungfernrede im Plenum hatte "strukturpolitische Probleme im ländlichen Raum" zum Gegenstand.
    So leicht ihm das Zurechtfinden in Fraktion und Ausschüssen fiel, eines ist für Schumacher "betrüblich": "Daß man in internen Beratungen den Eindruck haben muß, mit seinen Überlegungen und Argumenten die andere Seite überzeugen zu können, um hernach - als sei das alles nicht wahr - kalt abserviert zu werden." Seine oberste Maxime: Er will, "wie in den 20 Jahren kommunalpolitischer Arbeit, Politik mit der Ehrlichkeit betreiben, daß sie nicht nur heute, was Düsseldorf betrifft, in der Opposition richtig ist, sondern auch morgen in der Regierungsverantwortung durchgestanden werden kann". Ihn "ärgert, daß zu viele heute geneigt sind, die Autorität des Staates in Frage zu stellen und damit auch das Vertrauen in die demokratisch gewählten politischen Vertreter".
    Da der Humanist Schumacher die Geschichte des Altertums besonders als Lektüre schätzt, "weil sich alles wiederholt", hat er - im Vorfeld der Haushaltsberatungen - "ein aktuelles Cicero-Zitat" parat, obgleich es schon 2036 Jahre alt ist: "Der Staatshaushalt muß ausgeglichen sein. Die öffentlichen Schulden müssen verringert werden." Sätze, die sich "alle Verantwortlichen mehr zu Herzen nehmen sollten". Cicero hatte "auch dies geschrieben: Die Leute sollen wieder lernen zu arbeiten, statt auf öffentliche Rechnung zu leben." Seine Freizeit verbringt Schumacher mit Frau und drei Kindern so, "wie es im ländlichen Raum üblich ist: das Herz hängt an der Natur." Mit guten Freunden kegelt er "schon mal ein Stündchen", verschmäht er auch einen "Doppelkopf" nicht. Für dies alles "bleibt nun jedoch viel weniger Zeit als früher..."
    Hans Krieger

    ID: LI81281E

  • Porträt der Woche: Karl Josef Denzer (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 27 - 16.11.1981

    Wer den "Jupp" in seinen Bielefelder Jahren der ungewissen Nachkriegszeit erlebte, wird noch wissen, daß dieser Karl Josef Denzer mit Schillerkragen nicht etwa nach der blauen Blume der altdeutschen Jugend suchte. Nein, im traditionsreichen, klassischen Arbeitermilieu zwischen Dürkopp und Gildemeister der Leineweberstadt war die rote Nelke nicht nur am 1. Mai dem Jungsozialisten Denzer ein Symbol für Solidarität.
    Die Bielefelder Sozialdemokratie mit Carl Severing und Carl Schreck war stets auf Nachwuchs bedacht. Ihrer politischen Obhut entstammte Emil Gross, auch der Lipper Wilhelm Mellies, der in Heinrich Drake einen weiteren väterlichen Fürsprecher hatte. Mellies stieg auf zum stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden an der Seite Erich Ollenhauers nach Kurt Schumachers Tod. Emil Gross wurde 1946 Mitglied des Landtags und führte die sozialdemokratische Fraktion in Fritz Steinhoffs erster Regierungszeit.
    Karl Josef Denzer ist der zweite Bielefelder, der inzwischen denselben Stuhl im Landtag eingenommen hat. Ob Zufall oder nicht, es war ein Glücksfall für die SPD-Landtagsfraktion, was augenfällig die jüngste Abstimmung bestätigte. Von 101 Abgeordneten stimmten 92 für Denzers Wiederwahl, ein großartiger Vertrauensbeweis, der an Heinz Kühns beste Zeiten erinnerte, an jene Jahre, da er die Opposition führte. Und alle wissen: Es ist leichter, eine Fraktion zu führen, die nicht in der Regierungsverantwortung ihrer Freunde viele Bürden mitzutragen hat, und es ist auch einfacher, eine Fraktion zu lenken, die an Koalitionspartner gebunden ist. Vor allem aber ist es angenehmer, problemloser für den Fraktionschef, wenn er nicht mit so ungeheuren Etatproblemen befaßt wird, wie dies nun schon seit Übernahme des Amtes im Spätsommer 1980 der Fall ist.
    Denzer wurde 1925 in Trier geboren, nach 1945 dann zum Politiker in Bielefeld gemacht, und dies mit Hilfe solcher Männer wie Emil Gross. Schon 1954 war Denzer Bezirksvorsitzender der Jungsozialisten von Ostwestfalen-Lippe, Gemeinderat, dann Mitglied des Landesausschusses, schließlich Ratsherr in Bielefeld, Fraktionschef und Vorsitzender des Unterbezirks seiner Partei. 1970 errang Denzer das Landtagsmandat.
    Der Beruf wurde nicht vergessen, kaum vernachlässigt. Denzer holte sich das Diplom in der Verwaltungsakademie zu Münster und war mehr als zehn Jahre in leitenden Funktionen bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse tätig. Dort wie im Landtag ging es ums Geld, folgerichtig entwickelte sich der kernige Politiker zum Nachfolger des früheren Etatexperten in der Fraktion, Friedel Neuber.
    Manch sozialdemokratischer Jungmann mit Steilflugkarriere pflegt für die Parteiöffentlichkeit sein "sozialistisches Gewissen", und sei es nur akustisch. Denzer käme eine solche Sentenz nie über die Lippen. "Das Kapital" von Karl Marx trug er noch nie unterm Arm; der soziale Pragmatiker brauchte seine Hände für zupackende Spontaneität. - Dies ist nicht der Mann der großen Rede, er liebt die Praxis. Als ihm ein Rentner das Sparbuch unter die Nase hielt, ganz stolz ob der 10000 Mark, da sah Denzer auf einen Blick, daß die Bank viel zu wenig Zinsen ausgezahlt hatte. Denzer schlug Krach, das Geld mußte nachgezahlt werden. Die SPD nach Godesberg hat nicht zuviel von solchen Parteimitgliedern.
    Nordrhein-Westfalens Landespolitik sozialdemokratischer Ausprägung personifiziert sich heute in Johannes Rau auf der Regierungsseite und in Karl Josef Denzer auf der Parlamentsseite in mitunter idealer Weise. Wenn der Ministerpräsident vor lauter Rücksichtnahme zu leise spricht, übertönt ihn lautstark der Fraktionschef - wenn Denzer den Gegner oder auch disziplinlosen Parteifreund scharf angreift, daß die Fetzen fliegen, sammelt sie Rau wieder ein. Und dabei weiß der eine vom anderen, sie können sich aufeinander verlassen. BRUTUS hier unbekannt!
    Im Hause Denzer wird die Erinnerung an Fritz Erler hochgehalten. Er ging keinen Kompromiß ein, wenn sich eine bessere Alternative bot. Er war ein preußischer Sozialdemokrat wie Otto Braun und wie Emil Gross und ist Vorbild für Denzer geblieben.
    Horst-Werner Hartelt

    ID: LI812720

  • Porträt der Woche: Karl Knipschild (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 26 - 02.11.1981

    Er strebt nicht nach einer politischen oder parlamentarischen Karriere, noch will er als großer Debattenredner auftreten und Schlagzeilen machen. Karl Knipschild aus dem sauerländischen Schmallenberg möchte Mittler, Makler sein zwischen den Bürgern und "denen da oben". Nicht nur für den mit einem hohen Vorsprung direkt gewählten Parlamentarier des Wahlkreises Meschede- Wittgenstein ist diese selbstgewählte Funktion eine sehr wichtige Aufgabe. "Man erlebt in vielen Gesprächen, daß sich der Staat sehr weit vom Bürger entfernt hat." Zu sehr werde er von Gesetzen, Erlassen und Vorschriften gegängelt. Folgen seien die zunehmende Parteien- und Staatsverdrossenheit. Es müsse ein "Umdenken" bei den Politikern einsetzen.
    Dem nach der Landtagswahl im Mai letzten Jahres erstmals in das Düsseldorfer Parlament gekommenen Parlamentarier fällt diese Mittlerrolle nicht schwer, ist der heute 46jährige doch selbst ein "Mann aus dem Volk". Als ältester von sieben Geschwistern arbeitete Karl Knipschild schon früh im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb, der noch unmittelbar vor Kriegsende zerstört worden war. Schon bald schloß er sich der katholischen Landjugendbewegung an und wurde später deren Diözesanreferent im Erzbistum Paderborn. Das kleine bäuerliche Anwesen betrieb er als Nebentätigkeit. Heute ist er Verkaufsberater eines Großunternehmens für die Landwirtschaft.
    Das Interesse an der Politik fand Karl Knipschild über die Landjugendbewegung. So trat er 1964 in die Christlich- Demokratische Union ein und wurde noch im selben Jahr in den Rat der ehemaligen Gemeinde Bödefeld-Land gewählt. Lange Jahre war er dann Bürgermeister, auch Amtsbürgermeister. Der erfahrene Kommunalpolitiker gehört heute noch dem Fredeburger Stadtrat an. Die enge Verknüpfung zwischen Landes- und Kommunalpolitik bewogen den CDU-Politiker, sich in seiner Partei um die Kandidatur für den Landtag zu bewerben, wo er sich dann gegen zwei Mitkonkurrenten durchsetzte.
    Als "Neuling" berief die CDU-Landtagsfraktion den Mann mit stark ausgeprägtem sozialen Empfinden in den Petitionsausschuß sowie als stellvertretendes Mitglied in mehrere weitere Ausschüsse des Landesparlamentes. Gerade im Petitionsausschuß sieht Karl Knipschild die Chance, Bürgern zu helfen und ihr Ansprechpartner zu sein. Er kann zuhören, er toleriert die Meinung des anderen, wägt sie ab, hält die eigene Auffassung dagegen und ist bereit sie zu ändern, wenn sein Gegenüber ihn überzeugt hat.
    Nach seiner Meinung müßte der Abgeordnete überhaupt "mehr Zeit" haben für den Wähler, und auch kein nur "vorgetäuschtes Interesse". Für den Sauerländer aus Westernbödefeld gibt es zwei "Kategorien" von Politikern: Die einen, welche die großen Leitlinien abstecken, und jene, die für den Bürger "greifbar nahe" sind. "Man wundert sich, welche persönliche Schicksale da verborgen sind", berichtet der Abgeordnete, der letztere Aufgabe sehr ernst nimmt. Das Mandat ist denn auch für ihn ein Auftrag, "den man nicht mit der linken Hand erledigen kann". Politik für den Bürger ist aber nach seiner Auffassung nicht nur eine mühevolle Arbeit, sondern macht im Grunde auch viel Freude. Dieser schon als Kommunalpolitiker praktizierte Kontakt hat ihm Sympathien bei der Bevölkerung und Anerkennung bei seinen Parlamentskollegen gebracht.
    Mit Sorge begleitet der Kommunalpolitiker Knipschild die finanzielle Talfahrt der Städte und Gemeinden. Die Erfüllung ihrer vielfältigen Aufgaben sei bei zurückgehenden kommunalen Einnahmen und Landeszuweisungen nicht mehr gesichert. Die leider einseitige Sparpolitik des Landes zu Lasten der Kommunen beeinträchtige die Funktionsfähigkeit der Städte und Gemeinden kurz- und langfristig.
    Der Familienvater von drei Kindern ist in seiner Freizeit noch aktiver Tischtennisspieler. Sein "Hobby" gilt aber auch dem eigenen Wald, wo er eigenhändig neue Bäume setzt, mit Axt und Säge unterwegs ist.
    Jochen Jurettko

    ID: LI81261E

  • Porträt der Woche: Dr. Heinz Baberg (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 25 - 19.10.1981

    Es gibt "Neulinge"- das Wort muß wohl in Gänsefüßchen gesetzt werden, weil diese Landtagsperiode ja nun schon älter als ein Jahr und kein Abgeordneter mehr ganz "neu" ist -, es gibt also "Neulinge" im Landtag, die sind schon alte politische Hasen. Zu ihnen zählt Heinz Baberg, seit 17 Jahren Bürgermeister in Plettenberg. Ohne sich mit ihm auf eine Stufe stellen zu wollen, aber auch ohne falsche Bescheidenheit, sieht der Plettenberger Bürgermeister Ähnlichkeiten zwischen sich und dem gerade eindrucksvoll in seinem Amt bestätigten Nürnberger Oberbürgermeister Andreas Urschlechter. Bei sich im märkischen Kreis sei er so ungefährdet wie der Nürnberger Parteifreund. Und das habe die gleichen Ursachen: Eine sachliche, bürgernahe, sparsame Kommunalpolitik, in der Parteipolitik - wenn überhaupt - erst die dritte oder vierte Geige spielen dürfe. Baberg mit dem Blick von Düsseldorf ins heimische Sauerland: "Wir sind auf dem Teppich geblieben. Wir machen nur vernünftige Dinge, da kann die Opposition nichts herummäkeln."
    Der 54jährige Kommunalpolitiker verhehlt nicht, daß er erst Bürgermeister und dann Landtagsabgeordneter ist. Das Düsseldorfer Mandat, mit 53,3 Prozent der Stimmen mühelos gewonnen, hat für ihn eher eine "unterstützende" Funktion bei seinen Bemühungen, möglichst viel herauszuholen für sein Plettenberg und die Umgebung. In den sechziger Jahren hatte Heinz Baberg mal für den Bundestag kandidieren wollen. Nachdem er bei der innerparteilichen Kandidatenkür knapp unterlegen war, verlegte er sich zunächst auf seine berufliche Karriere. Mit Erfolg: Der Dr. phil. brachte es bis zum Oberstudiendirektor, eine Aufgabe, die zuletzt nur noch unter großen Schwierigkeiten mit seinem Engagement als Bürgermeister unter einen Hut zu bringen war. Eine schwere Herzkrankheit war der Preis, den er für die doppelte Belastung zahlen mußte.
    Der berufliche und politische Erfolg lassen Heinz Baberg eine offene Sprache führen. Da wird nicht herumtaktiert - auch nicht im Umgang mit den eigenen Genossen. Ihm kommt leicht von den Lippen, daß aus Plettenberger Sicht "oben viel Unsinn produziert wird". Seit er selbst nun zu diesem "oben"zählt, hat er gelernt, daß ein einzelner Abgeordneter - auch wenn er in der Mehrheitstraktion sitzt - keine eöume avsreißen kann. Als ein Mann von der Front (er sagte es so) könne man aber doch immerhin mithelfen, daß von der Regierung keine "Kardinalfehler" begangen werden. Als Kardinalfehler der Vergangenheit wertet Heinz Baberg die Lehrmittelfreiheit und den kostenlosen Schülertransport, Segnungen sozialdemokratischer Regierungstätigkeit, die jetzt mühsam und unter politischen Schmerzen wieder gestrichen werden müssen - um nur zwei aktuelle Beispiele zu nennen.
    Er sei immer dafür gewesen, daß die gutverdienenden Mitbürger Schulbücher und Fahrkarten für ihre Kinder selbst bezahlen sollten. Und nach seinen Erfahrungen wären die auch immer dazu bereit gewesen. Daß weniger verdienende Eltern sich diskriminiert fühlen könnten, wenn man ihren Kindern aus diesem Grund Bücher und Fahrkarten kostenlos überläßt, will Baberg nicht akzeptieren. Er habe noch nie gehört, daß sich jemand diskriminiert gefühlt habe, weil er weniger Steuern zahle als der Bankdirektor von nebenan, heißt sein plastisches Gegenargument.
    Gleichmacherische Ideologie ist die Sache des Plettenberger Bürgermeisters nicht. Er kam ja auch nicht mit Hurra und Gebrüll in die SPD. Im Gegenteil. Im Gespräch verhehlt Heinz Baberg nicht, daß er lange über seine Bonner Studententage hinaus der SPD eher skeptisch gegenübergestanden habe. Mit der CDU habe er allerdings auch nie etwas im Sinn gehabt, schon weil es ihn geärgert habe und noch ärgere, daß eine Partei das "C" in ihrem Namen führt. Für Baberg ist das eine Art Anmaßung. Die Tür zur SPD öffnete sich für den schon damals engagierten Kommunalpolitiker erst mit dem Godesberger Programm. Er habe erst in kommunalen Ausschüssen mitgearbeitet ohne SPD-Mitglied zu sein, bis er dann, 1961, doch Sozialdemokrat wurde. Nicht unwesentlichen Anteil an dieser Entscheidung hat der heutige Bundeskanzler. Damals sprach Helmut Schmidt, noch Schmidt-Schnauze, einmal in der Westfalenhalle. Baberg: "Ich war begeistert." So begeistert von der Regierungspolitik des Kanzlers Schmidt ist der Landtagsabgeordnete heute nicht mehr. Bevor er aber kritische Einwände konkretisiert, spricht er selbst von den Zwängen, denen auch eine Persönlichkeit wie der Kanzler unterworfen ist, wer wüßte das besser als ein so erfahrener Bürgermeister. Fehler zu machen ist für Heinz Baberg übrigens nicht ehrenrührig. Sie einzugestehen schon gar nicht. Er selbst war zunächst Mitglied des Philologenverbandes, weil in seiner ersten Schule alle im Kollegium dieser Standesorganisation angehört hatten. Der Abgeordnete im Rückblick auf die Anfänge seiner beruflichen Karriere: "Ich habe dann schnell gemerkt, daß ich nicht in den Philologenverband gehörte und bin statt dessen Mitglied der GEW geworden."
    Daß er damals der erste und lange Zeit einzige gewerkschaftlich organisierte Lehrer am Gymnasium war, erfüllt ihn noch heute mit fast so etwas wie Stolz.
    Reinhard Voss

    ID: LI81251F

  • Porträt der Wochen: Werner Kirstein (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 24 - 12.10.1981

    Ein politischer Widersacher nannte ihn einmal einen "feinen Kerl", der Auseinandersetzungen so führe, daß er seinem Gegner nachher noch in die Augen sehen könne. Dieser so Gelobte ist Werner Kirstein, seit Mai letzten Jahres CDU- Landtagsabgeordneter aus dem westfälischen Dorsten. Politisch tätig ist der 54jährige kaufmännische Angestellte allerdings schon lange - seit 1952, wo er in Gesprächen mit Freunden zur Jungen Union stieß. "Wir wollten dem damals weitverbreiteten 'Ohne-mich-Standpunkt' entgegentreten", erinnert sich heute der Abgeordnete.
    Der gebürtige Dorstener, der sich auch in der Partei seine Unabhängigkeit bewahren will, schuf sich daher zunächst eine solide berufliche Grundlage, bevor er politische Mandate übernahm. Nach Handelsschule, Kaufmannsgehilfenprüfung und Anstellung im Bergbau wurde er Mitglied des Dorstener Stadtrates und des Kreistages Recklinghausen. Im Jahre 1969 wählten ihn seine Parteifreunde zum Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat wie im Kreistag. Auf das erstere Amt verzichtete das Mitglied der IG Bergbau und Energie nach dem Einzug ins Düsseldorfer Landesparlament.
    Als mit dem Bergbau verbunden gehört Werner Kirstein zweifellos zu jener Generation dynamischer Politiker, für die das Feld der Politik die Kunst des Möglichen und des ehrlichen Kompromisses ist. So hatte für den CDU-Fraktionsvorsitzenden denn auch beides seine Reize: Chef der Dorstener Mehrheits- und der Recklinghauser Minderheitsfraktion zu sein. "Der Verzicht darauf, unsere Mehrheit im Stadtrat rigoros durchzusetzen, hat oft dazu geführt, daß viele unserer Anliegen als Minderheit im Kreistag verwirklicht wurden." So wird sein ausgleichendes Wesen ebenso geschätzt wie sein Sachverstand.
    Für den Landtag kandidierte der aktive Kommunalpolitiker, "weil ich während meiner Tätigkeit im Stadtrat und Kreistag immer wieder mit Entscheidungen konfrontiert wurde, die durch Beschlüsse auf Landesebene vorprogrammiert waren". Heute möchte sich der CDU- Politiker als Landtagsabgeordneter um mehr gegenseitiges Verständnis bemühen. Dabei stellte er allerdings inzwischen fest, "daß der Einfluß des einzelnen Abgeordneten auf die Landespolitik weitaus geringer ist, als der des Stadtverordneten auf das kommunale Geschehen". Der Westfale, der "erst beobachtet und dann redet", wünscht sich in diesem Zusammenhang, daß sich die Kommunalpolitiker beider Landtagsfraktionen in Sachfragen stärker von der vorgegebenen "Fraktionsmeinung" freischwimmen. "In privaten Gesprächen hat man nicht selten die gleiche Meinung, aber bei der Abstimmung im Plenum obsiegt dann die Fraktionsdisziplin, wo doch häufig irgendeine Sachfrage mit Ideologie wenig oder gar nichts zu tun hat."
    Der Landtagsabgeordnete will aber auch die landespolitischen Entscheidungen in eine möglichst breite Übereinstimmung zu den Erfordernissen der kommunalen Selbstverwaltung bringen. So sei es unverzichtbar, daß die Gemeinden über eine genügende finanzielle Ausstattung verfügen; um so mehr könnten sich die Bürger dann auch mit der kommunalen Politik identifizieren. Das aber hat für Werner Kirstein auch positive Auswirkungen auf das Verhältnis des Bürgers nicht nur zu seiner Gemeinde, sondern auch zum Staat überhaupt. "Es wäre schlimm, wenn der Entscheidungsspielraum der Gemeinden so eingeengt werden würde, daß nur noch verwaltet werden konnte."
    Seine Fraktion berief ihren "stahlzarten" Parteifreund (so ein Kollege) in den Kommunalpolitischen Ausschuß und in den Ausschuß für Grubensicherheit, außerdem ist er stellvertretendes Mitglied im Haushalts- und Finanzausschuß sowie im Ausschuß für Haushaltskontrolle und Rechnungsprüfung. Diese parlamentarischen und viele anderen parteipolitischen Tätigkeiten führen oft zu allerlei Gedränge im Terminkalender. Trotzdem findet der Familienvater Kirstein immer noch Zeit zum Wandern und Schwimmen mit seinen drei Söhnen und auch die Beschäftigung mit Malerei und Musik möchte er nicht missen. Jochen Jurettko

    ID: LI812419

  • Porträt der Woche: Joachim Westermann (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 23 - 05.10.1981

    Der Wahlsieg vom 11. Mai 1980, über den seine Genossen so jubelten, wäre dem Sozialdemokraten Joachim Westermann beinahe zum politischen Verhängnis geworden. Daß er seinen Wahlkreis im Hochsauerland nie würde direkt gewinnen können, hatte Westermann gewußt, ehe der Wahlkampf begann. Dennoch war sich der gelernte Galvaniseur ziemlich sicher gewesen, daß er den Sprung nach Düsseldorf schaffen würde: Sein 27. Platz auf der Landesreserveliste galt unter "normalen Umständen" als ungefährdet. Aber die Mai- Wahl war eben nicht normal. Die vielen Parteifreunde, die oft zur eigenen Überraschung der CDU die Direktmandate wegschnappten, hätten Westermann um ein Haar aus dem Landtag herausgesiegt: Je mehr Direktmandate für eine Partei, desto weniger Plätze "ziehen" auf ihrer Landesreserveliste. Bei der SPD zog, als abgerechnet wurde, gerade noch Platz 27, Westermanns Platz. Die Welt wäre für den 33jährigen allerdings auch nicht zusammengebrochen, wenn die Wahlarithmetik es anders gewollt hätte. Dem Diplom-Ökonom mit Prokura in der Tasche macht die Politik zwar Spaß - der Mittelpunkt aber, um den sein Denken und Fühlen kreist, ist sie nicht. Er hat deshalb auch seinen Beruf nicht aufgegeben, arbeitet vielmehr jede Woche mindestens zwei Tage im Betrieb. Er nennt dies "mein berufliches Standbein behalten". Wirtschaftlicher Sachverstand sei für einen Abgeordneten wichtig. Und, setzt er hinzu, "der muß durch Arbeit gepflegt werden".
    Daß er das Arbeiten gelernt hat, gibt dem jungen Abgeordneten Sicherheit und Selbstbewußtsein. Wenn es nach seinem Vater gegangen wäre, hätte Joachim Westermann eine andere "Karriere" - ein Wort, das er nicht mag gemacht. Nach dem Abitur sollte der Joachim nach dem Motto, daß das Handwerk goldenen Boden habe, im väterlichen Betrieb anfangen - und wohl auch ein Arbeitsleben lang bleiben. Westermann erfüllte dem Vater nur den ersten Wunsch. Er machte im väterlichen Betrieb zwar eine Lehre als Galvaniseur, begann dann aber das Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Ruhruniversität in Bochum. Der Vater zahlte keinen Pfennig. Zu Hause in Arnsberg bekam der Student Kost und Logis - für die Fahrkarte nach Bochum und das nötige Taschengeld mußte er beim Vater arbeiten.
    Joachim Westermann erzählt das ohne Groll. Solche Erfahrungen seien wichtig. Und er fügt unbefragt hinzu, was jungen Sozialdemokraten heute sonst nicht mehr so leicht über die Lippen kommt: Auch seine Zeit bei der Bundeswehr sei für ihn "wichtig" gewesen. Er habe dort viel gelernt - und meint damit nicht etwa die Waffentechnik, sondern die Erfahrungen mit den Gleichaltrigen beim Miteinander auf enger Bude, beim Gammeldienst auf dem Kasernenhof oder der Schinderei draußen in der Kampfkompanie. Westermann: "Das war für mich keine verlorene Zeit."
    Zur Politik, zur SPD, kam er eher zufällig. Ein Freund hatte ihn zu den Jungsozialisten mitgenommen. Es habe "ganz vernünftig" geklungen, was die Jusos da geredet hatten, weiß er noch heute. Und weil er in seiner Freizeit "etwas Sinnvolles" machen wollte, sei er dort hängengeblieben. So undramatisch kann ein Weg beginnen, der in den Landtag nach Düsseldorf führt.
    Der Hochsauerlandkreis ist keine Gegend, in der für Sozialdemokraten Milch und Honig fließen, in der die Menschen massenhaft in die Partei strömen. " Wenn man das Abi hat, sich engagiert und mitmacht, geht es verhältnismäßig schnell, daß man in Funktionen gewählt wird", spielt der junge Abgeordnete seinen Aufstieg in der Partei herunter. Immerhin, in rasendem Tempo geht es auch im Sauerland nicht aufwärts in der SPD-Hierarchie: Fast elf Jahre ist er jetzt Sozialdemokrat, seit gut einem Jahr Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags. Ob die Macht Spaß macht? Von "Macht" will er nichts wissen. Davon habe er bisher wenig gespürt. Seine kleinen Erfolgserlebnisse hat er eher im Petitionsausschuß als im Wirtschaftsausschuß, in den er von der Fraktion wunschgemäß geschickt wurde. Und zu Hause, im Hochsauerland, bringt da das Mandat Macht und Einfluß? Da wechselt Joachim Westermann für einen Moment die ruhige, distanzierte Sprechweise. "Mit dem Mandat", er sagt es leise und ganz unpathetisch, "muß man vor Ort dienen."
    Reinhard Voss

    ID: LI812321

  • Porträt der Woche: Wolfgang Jaeger (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 22 - 28.09.1981

    Er "wollte kein Sozialfall der Politik werden" und behielt darum seinen Beruf als kaufmännischer Angestellter in einem Unternehmen der Glasindustrie bei, als er im Juni 1970 in den Landtag kam. Und das war gut so; denn nach einer Legislaturperiode war er bereits wieder draußen. Trotz der CDU-Pleite auf breiter Front am 11. Mai 1980 ist er zurückgekehrt ins Parlament, wieder über die Landesliste, und er verlor sogar "weniger" als die meisten seiner Freunde.
    Die Rede ist von Wolfgang Jaeger, 46 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder, geboren und wohnhaft in Gelsenkirchen, mit Ost- und Westpreußenblut in den Adern. Im Gespräch drängt sich die erste Frage auf: Was ist anders geworden im Landtag im Laufe eines Jahrzehnts, wo liegen die deutlichsten Unterschiede im Abgeordnetenleben? Jaeger zögert keinen Augenblick: "Die Hektik ist viel größer geworden. Und der Papiere-Anfall auch. Also weit mehr Zeitaufwand als damals. "Jedoch gebe es jetzt auch bessere Arbeitsmöglichkeiten (im benachbarten früheren Innenministerium) und eine Schreibkraft - "das entlastet mächtig". Es ist für einen Parlamentarier, der an seinem Beruf hängt und - "wenn man in der freien Wirtschaft ist" - entsprechende Kontakte halten muß, von entscheidender Bedeutung; denn Jaegers Arbeitstag beginnt um 7.30 Uhr und endet im Durchschnitt aller Wochentage nach 15 Stunden, weil der Terminkalender es so fügt, wenn Beruf, seit 1980 nur noch halbtags ausgeübt, Ämter in der Partei, im Rat der Stadt, im Bezirksplanungsrat und in zwei Ausschüssen des Landtags (für Grubensicherheit sowie für Städtebau und Wohnungswesen) ihre Rechte und Pflichten verlangen. Für Jaeger kommt noch hinzu, daß Gelsenkirchen drei Wahlkreise hat, aber nur einen CDU-Abgeordneten - "der muß dann für alles ran"! Daß er das kann, verdankt er ganz besonders seiner Familie, Frau und zwei Töchtern, 18 und 17 Jahre alt, "alle mit sehr viel Verständnis für meine politische Arbeit". Es waren immerhin in knapp drei Jahren fünf Wahlkämpfe zu bestreiten.
    Wenn die Rede auf den Bezirksplanungsrat kommt, wird der ruhige Westfale gleich lebhaft. Der Grund: "Das ist ein richtiges Erlebnis, einmal bei der Mehrheitsfraktion zu sein. Da ist das Arbeiten etwas anders" (als im heimatlichen Gelsenkirchen, wo die CDU nur ein Drittel der Stadträte stellt). Jaegers Ziel ist, "auch mal in Gelsenkirchen oder in Düsseldorf in solchen Verhältnissen zu leben wie im Bezirksplanungsrat Münster".
    Wer allerdings auch noch "auf Hörweite von Schalke" wohnt, muß nicht nur als CDU-Politiker Kummer leiden: Jaeger hat "bis zum letzten Tag mitgelitten", als die Schalker am 13. Juni erstmals aus der Bundesliga flogen. "Angenehmer Ausgleich" ist ihm der Garten des Mehrfamilienhauses, den er betreut, "aber mit pflegeleichten Pflanzen, aus Zeitgründen". Was er am liebsten macht in der politischen Arbeit? In Feierabend- Gesprächen, gezielten Veranstaltungen der CDU in Gaststätten, mit Jugendlichen diskutieren. Seine Erkenntnis: "Das Zwischenmenschliche in Politik und Parteien ist stärker im Vordringen." Gerade deshalb sucht Jaeger das Generationen-Gespräch vor allem. Zwischendurch, an den Wochenenden, ist ein langer Marsch durchs Sauerland hochgeschätzt. Und der Urlaub, von drei sportlichen Damen mitbestimmt, wird seit Jahren geteilt: Im Winter Skilaufen ("alle vier mit Begeisterung"), im Sommer an die Nordsee, "auch mit Begeisterung".
    Hans Krieger

    ID: LI812220

  • Porträt der Woche: Gerd Müller (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 21 - 20.07.1981

    Er zählt nicht zu den "auffälligen'' Abgeordneten des nordrhein-westfälischen Landtages, trotzdem sind Fraktionskollegen wie auch politische Gegner bereits auf ihn aufmerksam geworden - und das schon nach einjähriger Zugehörigkeit zum Landesparlament: Gerd Müller, SPD-Abgeordneter aus Mülheim, hat inzwischen in den Landtagsausschüssen als sachkundiger Kommunalpolitiker und Wirtschaftsexperte Anerkennung gefunden.
    Der gebürtige Mülheimer des Jahrganges 1940 studierte nach dem Abitur zunächst Germanistik und Geschichte, später konzentrierte er sich auf die Wirtschaftswissenschaften und absolvierte das Examen als Diplom-Kaufmann. Tätigkeit im Datenverarbeitungsbereich und seit 1974 Hauptreferent bei der Kraftwerks-Union in Mülheim sind seine beruflichen Etappen. Zur SPD stieß der Sohn einer Handwerksfamilie bereits zu Beginn seiner Studienzeit, 1969 nominierte sie ihn für das Stadtparlament, und fünf Jahre später wählte der Mülheimer Rat den inzwischen versierten Planungsexperten zu seinem Ersten Bürgermeister.
    Während dieser Zeit und bis 1980, wo Gerd Müller nach Einzug in den Landtag sein kommunales Mandat niederlegte, hat er als Vorsitzender des Planungsausschusses die städtebauliche Entwicklung Mülheims entscheidend mitgeprägt. Dabei ging es ihm nicht um eine wachstums-orientierte Stadtpolitik, sondern um eine an die Tradition Mülheims anknüpfende bauliche Humanisierung. "Die meisten Bürger haben es inzwischen geschafft, ihre eigenen ,vier Wände' in Ordnung zu bringen, aber wenn sie aus dem Fenster sehen, da gibt es noch eine Menge zu tun." Die Wohnumgebung zu verbessern und für die Verkehrsberuhigung gerade in den Revierstädten etwas zu tun, sind nach Ansicht des SPD-Politikers eine der wesentlichsten Aufgaben der Zukunft.
    Wie für viele seiner Parlamentskollegen bedeutet die Wahl in den Landtag gleichzeitig die Verpflichtung, sich für die Interessen der Kommunen im Düsseldorfer Parlament stark zu machen. Dieses Anliegen habe nichts mit einseitiger Interessenvertretung zu tun, sondern sei legitim. So möchte Gerd Müller im Landtagsausschuß für Kommunalpolitik ein "Interessenwahrnehmer der kommunalpolitischen Stimme" sein. Im Zeichen immer knapper werdender öffentlicher Mittel dürften die Gemeinden im Verteilungskampf nicht zu kurz kommen.
    Erfreut war der SPD-Abgeordnete darüber, daß seine Fraktion ihn auch in den Wirtschaftsausschuß delegiert hat. Dort kann der Hauptreferent in der Kraftwerksindustrie seine beruflichen Erfahrungen einbringen. Dabei beschäftigt ihn verständlicherweise vor allem die Energiepolitik. Zwar hat für den Sozialdemokraten die Kohle als heimische Energiequelle Vorrang, doch bekennt er sich gleichzeitig freimütig für den Ausbau der Kernenergie. Entgegen der landläufigen Meinung sieht Gerd Müller inzwischen zahlreiche technische Möglichkeiten, die Immissionen von Kohlekraftwerken auf ein erträgliches Maß zu senken.
    Bereits als Schüler und Student in der evangelischen Jugend aktiv tätig, wird auch heute sein Wirken in der Politik von christlichen Grundsätzen mitgeprägt, wie der SPD-Abgeordnete betont. Vielseitig sind neben Politik und Beruf die Interessen des Vaters eines sechsjährigen Sohnes. Sie reichen vom Theater und Film bis zur modernen Literatur und Kunst. All das dürfte dazu beitragen, daß von dem Mülheimer SPD-Unterbezirksvorsitzenden eine gewisse "Überlegenheit" gegenüber Alltagswidrigkeiten ausgeht.
    Jochen Jurettko

    ID: LI81211F

  • Porträt der Woche: Dr. Gerhard Rödding (CDU).
    Porträt
    S. 11 in Ausgabe 20 - 10.07.1981

    Zu den Neulingen in der CDU-Landtagsfraktion in Düsseldorf gehört der Abgeordnete Dr. Gerhard Rödding. Während aber neu ins parlamentarische Leben eintretende Politiker sich in der Regel zunächst etwas schwer tun, weil sie im relativ großen Gefüge einer Fraktionsgemeinschaft erst einmal ihren Platz, ihren Standort, ihr Arbeitsfeld finden müssen, hat der evangelische Theologe sofort voller Selbstvertrauen zugepackt. Er machte dort weiter, wo der zu früh gestorbene Albert Pürsten, ebenfalls aus Ostwestfalen, aufhören mußte: im Bereich der Schul- und Bildungspolitik, dort, wo über die jeweilige Prägung der Kinder durch Lehr- und Lerninhalte schon das soziale, das politische, das gesamtgesellschaftliche Verhalten kommender Generationen vorbestimmt wird. Rödding hatte den Vorteil, sachkundig zu sein. Sein bisheriger Lebensweg weist ihn als einen engagierten Verfechter der kleinen, der ortsnahen Schule in christlicher und humanistischer Prägung aus. Das heißt nicht, daß er der "Zwergschule" mit all ihren Mißinterpretationen das Wort reden würde. Sein Vertrauen gilt der kleinen Einheit, in der zwischen Lehrern und Schülern Leistung und Begegnung stattfinden können, sein Mißtrauen der zur Anonymisierung führenden Massenveranstaltung, dem rein quantitativen Begriff von Größe, der sozialen Abkapselung aller möglichen Kurs-Systeme und ihrer indoktrinären Gefährdung.
    Daß in einer immer noch stark katholisch bestimmten Partei ein promovierter evangelischer Theologe aktiv mitarbeitet, ist grundlegend für das innere Verständnis von "Union". Rödding wurde 1933, als Hitler das neue "Reich" gründete und die Weimarer Republik tötete, geboren. Nach dem Abitur und dem Studium der Theologie mit beiden Examina, promovierte er 1961 und war zunächst bis 1968 als Pastor im Landeskirchenamt der evangelischen Kirche von Westfalen in Bielefeld tätig. Als Landeskirchenrat leitete er dann auch das Schuldezernat seiner Kirche. 1967 trat er in die CDU ein, tat sich einige Zeit in der Kommunalpolitik um und führt seit Jahren auch den evangelischen Arbeitskreis der CDU von Westfalen-Lippe. Über den Platz 18 der Landesreserveliste seiner Partei zog er 1980 ins Parlament ein.
    Rödding hat hier der Regierungsnovelle zur Einführung der integrierten Gesamtschule sofort entschiedenen Widerstand entgegengesetzt. Ihm gebührt das Verdienst, daß er innerhalb der Opposition, die ihr Hauptaugenmerk auf die Sicherung und den inhaltlichen Ausbau der ortsnahen Hauptschule setzt, auch immer mehr auf die problematische Entwicklung hinweist, die das herkömmliche Gymnasium inzwischen durch die reformierte Oberstufe genommen hat. Der Verfall des Geschichtsunterrichts, der humanistischen Sprachen, eine beginnende Kulturfeindlichkeit auch durch Abwahl naturwissenschaftlicher Kernfächer - das alles bereitet ihm Sorgen. Naturgemäß hält gerade auch der Theologe Rödding die Frage für wichtig, welche Stellung der Religionsunterricht in Nordrhein-Westfalen noch hat. Wie immer man dazu stehen mag, der Hinweis, daß die verantwortlichen Politiker sich wieder sehr viel mehr dem Inhalt von Schule widmen müssen, weil das Heil in den ständigen Organisationsreformen allein nicht liegen kann, erscheint begründet. Ist Rödding ein ehrgeiziger Politiker? Sein Name wurde im Vorfeld des Regierungswechsels in West-Berlin und der Bildung des neuen CDU-Senats durch den inzwischen regierenden Bürgermeister von Weizsäcker genannt. Seit 1973 schon gehörte Rödding dem Landesvorstand der westfälischen CDU an. Anfang dieses Monats konnte er seine Wiederwahl für dieses Amt auf dem Dortmunder Parteitag nicht mehr sichern. Listenabgeordnete bemühen sich häufig um eine entsprechende Rückkoppelung in den Führungsgremien einer Partei, um ihre Position zu stärken. Doch kann die Freiheit von Parteiämtern einen Abgeordneten auch beflügeln. Gerhard Rödding ist verheiratet und hat sechs Kinder. Für ihn hat, wie für alle Neulinge im Landtag, soeben erst eine fünfjährige Arbeitsperiode in Düsseldorf begonnen. Das ist, wie erfahrene Parlamentshasen wissen, eine lange Zeit, die sorgsam bedacht und gut eingeteilt sein will.
    Lothar Bewerunge

    ID: LI812017

  • Porträt der Woche: Horst Steinkühler (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 19 - 06.07.1981

    Es gibt Fragen von Journalisten, da mag der Befragte im stillen denken: "Blöder Kerl, warum fragt er nicht etwas Intelligenteres?" Horst Steinkühler war - natürlich - zu höflich, um solche Gedanken zu zeigen - aber etwas Ähnliches mag der Sozialdemokrat aus Oerlinghausen wohl gedacht haben, als ich ihn fragte, warum er sich denn um ein Landtagsmandat beworben habe. Bei solcher Frage gibt es für die Antwort zwei Möglichkeiten: Man drischt ein paar flotte Phrasen oder stochert nach den wahren Beweggründen. Steinkühler entschied sich für die zweite Möglichkeit. Nach kurzem Zögern nannte er vier Gründe: Als städtischer Bediensteter habe er kein kommunalpolitisches Amt anstreben können, die örtliche Partei habe ihn gedrängt, bei ihm sei Interesse an einem Landtagsmandat vorhanden gewesen und man habe ihn für mehrheitsfähig gehalten. Das alles klingt nüchtern, handfest, ehrlich. Und so wirkt auch, wenn der Ausdruck denn erlaubt ist, der ganze Kerl. Was nicht verwunderlich ist, hat doch der 44jährige Ostwestfale ("Teutonenriege ist für mich ein Wertbegriff") eine Vergangenheit hinter sich, die er mit dem Satz umschreibt: "Ich habe mich hochgeackert." Volksschule, Weberlehre, Arbeit in diesem Beruf, Weiterbildung zum Industriemeister und wegen der Krise in der Textilindustrie dann schließlich der nicht ganz freiwillige Wechsel in städtische Dienste sind die Stationen des Berufslebens, aus dem er für sich in Anspruch nimmt, "vieles pragmatischer zu sehen, das, was machbar ist, manchmal eher zu erkennen als einer, der die Arbeitswelt nur von Schule und Universität kennt". Das soll bei Steinkühler kein Ausdruck der Mißachtung von Akademikern sein. Aber die selbstbewußte Kennzeichnung eines Unterschiedes. Steinkühler geniert sich nicht einzugestehen, daß er ohne große Erwartungen in den Düsseldorfer Landtag kam. Dafür hat er aber auch eine plausible Erklärung: "So von außen betrachtet kann man die Arbeit eines Landtages doch gar nicht konkret beurteilen. Ob er jetzt, ein gutes Jahr im Düsseldorfer Parlament, enttäuscht sei? Nein, im Gegenteil. Dem Parlamentsneuling macht die Sache sogar noch Spaß, auch wenn er gleich zu Beginn seiner Arbeit begreifen mußte, daß nicht alle Blütenträume reifen. Er wäre nämlich gern in den Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales gegangen, mußte sich aber wegen des großen Andranges dort mit seiner zweiten Wahl, dem Ausschuß für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten, bescheiden. Seinen innerparteilichen Standort beschreibt er mit "links von der Mitte" und grenzt sich damit, ein wenig ironisch lächelnd, von seinem Landesvorsitzenden Johannes Rau ab, "der ja bekanntlich uns alle umfaßt". Zu Johannes Rau fällt ihm auch noch etwas anderes ein: Der Regierungschef und sein Kabinett führten die Fraktion - "zum Beispiel bei der Gestaltung des letzten Haushaltes" - an zu kurzer Leine. Dafür habe er zwar ein "gewisses Verständnis", es gäbe ja auch "irgendwo Sachzwänge" für die Regierung. Aber dennoch: Beim Haushalt 1982 will sich der neue Abgeordnete im Ausschuß doch bemühen, mehr als beim ersten Mal auf eigene Akzente der SPD-Fraktion gegenüber der Regierungsvorlage zu achten.
    Obwohl als aktiver Gewerkschafter und Sozialdemokrat tief in die Gremienarbeit verstrickt, zählt er sich nicht zu den Genossen, die Johannes Rau auf dem jüngsten SPD-Landesparteitag in Köln in der Gefahr sah, vor lauter Sitzungen hinter verschlossenen Türen keinem gewöhnlichen Bürger mehr zu begegnen. Aber daß er nur noch wenig Zeit für Familie und Hobby - das Wandern und Campen - hat, verhehlt er nicht. Um so größer ist die Vorfreude auf den Urlaub. Da geht es mit Frau und Tochter und Zelt nach Dänemark, auf die Insel Fanö. Horst Steinkühler: "Wir machen das schon zum zehnten Mal. Das hätte ich früher nicht für möglich gehalten. Aber die Dänen haben mich mit ihrer ganzen Art überzeugt."
    Reinhard Voss

    ID: LI81191D

  • Porträt der Woche: Hans Hoof (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 18 - 29.06.1981

    Als das Problem Hausbesetzungen noch nicht in den öffentlichen Blickwinkel gerückt war, packte er es schon an der Wurzel an: In seinem beruflichen wie parlamentarischen Wirkungskreis sorgte der CDU-Landtagsabgeordnete Hans Hoof dafür, daß zahlreiche zum Abbruch vorgesehene Häuser bis zum endgültigen Abriß an Wohnungssuchende "auf Zeit" vermietet wurden. Ungeachtet von Widerständen der örtlichen Baubehörden wurde diese Initiative Wohnraum nicht vorzeitig zerstört. "Mit den vorübergehenden Mietern gab es dann beim Auszug keine Schwierigkeiten", erinnert sich Hans Hoof.
    Der über die Landesreserveliste seiner Partei nach der letzten Landtagswahl 1980 in den Landtag gewählte Siegerländer ist der Auffassung, daß die kritische Situation auch heute entschärft werden könnte, wenn die Häuser bis zum endgültigen Abbruch vermietet würden. Zudem müsse dieses Thema endlich "entideologisiert" werden. Der Abgeordnete kritisiert in diesem Zusammenhang auch die Medien, die in der Öffentlichkeit oft den Eindruck aufkommen ließen, daß dieses Problem nur durch " Terror" gelöst werden könne.
    Der 1925 als Sohn einer Bergmannsfamilie in Niederndorf (Kreis Siegen) geborene CDU-Abgeordnete lernte Bankkaufmann und wechselte nach Kriegsende in die öffentliche Verwaltung über. Lange Zeit war er als Stadtamtmann der Stadt Freudenberg tätig, und anschließend zehn Jahre lang leitete er das Straßenneubauamt Betzdorf (Sieg) bei der Straßen verwaltung Rheinland-Pfalz. Aufgrund eigener Erfahrungen bedauert Hans Hoof, daß bei den Straßenbauprojekten früherer Jahre zu oft der Umweltschutz vernachlässigt worden ist. Es sei zu begrüßen, daß das öffentliche Gewissen für den Umweltschutz durch die Bürgerinitiativen geweckt worden sei, "selbst auf die Gefahr hin, daß sie da und dort über das Ziel hinausschießen". Schon bald nach Kriegsende stieß der praktizierende evangelische Christ zur CDU. Die Erfahrungen hatten ihn gelehrt, daß die beiden Konfessionen eine gemeinsame politische Heimat haben müßten. Und als die Gesamdeutsche Volkspartei (GVP) gegründet wurde, kreuzte das Mitglied des Bundesvorstandes des evangelischen Westdeutschen Männerbundes mit den damaligen GVP-Mitgründern, dem heutigen Ministerpräsidenten Rau und seinem Kabinettskollegen, Minister Posser, manch politische Klinge. Doch stets begegnet Hans Hoof dem Gegner mit Toleranz, wie er überhaupt ein Mann des Ausgleichs ist, der den Dialog mit politischen Freunden wie Widersachern pflegt.
    Der CDU-Abgeordnete zählt zu den erfahrenen Kommunalpolitikern der Landtagsfraktion. So führt er schon lange die Fraktion seiner Partei im Freudenberger Stadtrat und im Kreistag von Siegen. Als derzeit einziger Landtagsabgeordneter gehört er auch der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe an. In den Landtag kam er auf Drängen seiner politischen Freunde. Heute bedauert Hans Hoof diesen Schritt nicht. Einmal macht ihm das Mandat viel Freude, und zum anderen kann er aufgrund der engen Verzahnung zwischen Land und Kommunen besser die Interessen seiner Heimatregion vertreten. Denn dem Bürger zu helfen und immer "Ansprechpartner" für ihn zu sein, empfindet er als eine der wesentlichsten Aufgaben eines Parlamentariers.
    Der CDU-Abgeordnete, der im Gegensatz zu manchen politischen Freunden, für die beängstigende Finanzlage der öffentlichen Hand "uns alle" verantwortlich macht, sieht heute die Aufgabe darin, die Einsicht in der Bevölkerung zu wecken, "daß wir alle über unsere Verhältnisse gelebt haben". Daraus müßten Konsequenzen gezogen werden. "Man kann eben auf Dauer nicht mehr Geld ausgeben, als man einnimmt." Eine Binsenwahrheit zwar, aber in der politischen Praxis mühevoll zu realisieren.
    Dank der jahrzehntelang erworbenen Sachkenntnis und der politischen Praxisnähe wird sein Wort in der Fraktion beachtet.
    Jochen Jurettko

    ID: LI811820

  • Porträt der Woche: Heinz Hunger (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 17 - 15.06.1981

    Heinz Hunger ist sich da ganz sicher: "Die CDU wird es nicht wagen, offiziell und als Partei ein Volksbegehren gegen unser Gesamtschulgesetz zu unterstützen." Diese Sicherheit nimmt der Bielefelder Sozialdemokrat, der vor Jahresfrist mit genau 49 Prozent der Stimmen zum erstenmal in den Düsseldorfer Landtag gewählt wurde, nicht etwa aus seiner intimen Kenntnis der CDU-Fraktion. Hunger ist ein zu realistischer man möchte beinahe sagen: erdverbundener - Zeitgenosse, als daß er sich einbildete, nach einjähriger Parlamentszugehörigkeit alle Gedanken und taktischen Winkelzüge der Biedenkopf-Truppe zu kennen, um ein so entschiedenes Urteil über ihre Haltung zum Gesamtschulgesetz zu fällen. Aber der Geschäftsführer der Bielefelder SPD - gelernter Buchbinder mit engen Bindungen zu den Gewerkschaften - hat als langjähriger Kommunalpolitiker seine Hand am Puls der Leute in Ostwestfalen. Und von daher glaubt er zu wissen, daß auch viele Bürger, die sonst der CDU nahe stehen, den großen Schulkampf nicht wollen. Ganz abgesehen von der Tatsache, daß zu viele Eltern die Gesamtschule wollen, "und das weiß die CDU", sieht Hunger optimistisch in die Schul- Zukunft des Landes.
    Über die Bildungspolitik aber redet er nur, wenn er nach seiner Meinung gefragt wird. Ganz anders ist die Sache bei seiner eigentlichen politischen "Leidenschaft", der Wohnungspolitik. Leidenschaft hat für den bärtigen Bielefelder mit dem stets korrekt zurückgekämmten Haar beim Thema Wohnen durchaus einen doppelten Sinn: Ein Thema auch, an dem man leiden kann. In Bielefeld wohnt Heinz Hunger in einem Sanierungsgebiet. Da weiß er, wovon er redet, wenn er im Landtagsausschuß für Städtebau und Wohnungswesen das Wort ergreift. In Bielefeld hat er sich beispielsweise früh stark gemacht für eine Zwischennutzung leerstehender Häuser. "Wir haben sie für eine symbolische Gebühr den Studenten überlassen. Geld ist bei dieser Problematik nicht der Stein des Anstoßes. Viel wichtiger ist, daß die Leute auch wirklich freiwillig ausziehen, wenn die Planungen so weit sind, daß die Häuser abgerissen werden müssen", beschreibt Hunger die Marschrichtung seiner Bielefelder Parteifreunde im Häuserkampf und setzt hinzu, daß er sehr hoffe, daß die Studenten die Abmachungen einhielten, die sie mit der Stadt getroffen haben. Der ehemalige Vorsitzende der sozialistischen Jugendorganisation "Die Falken" in Bielefeld - mit den "Linken" in der Landtagsfraktion hat er nach eigenem Bekunden vielleicht auch wegen dieser Vergangenheit keine Schwierigkeiten - ist Pragmatiker genug, um ideologisch aufgetürmte Barrieren souverän zu mißachten. Wenn es um die Sache geht, hat er im Gegensatz zu manch anderen Sozialdemokraten auch keine Berührungsängste mit den Alternativen, die in Bielefeld mit einer "Bunten Liste" den Einzug ins Kommunalparlament schafften. In der Wohnungsproblematik sei man sich mit den "Bunten" sehr nahe, verhehlt der Bielefelder Ratsherr (seit 1967) nicht. Und um noch einmal auf die Bildungspolitik zurückzukommen - für eine Gesamtschule in Bielefeld hätten Sozialdemokraten und "Bunte" zusammen gestimmt.
    Heinz Hunger gehört zur sogenannten "Teutonenriege" der SPD-Fraktion, ein Charakteristikum, das keinen schmählichen Klang für ihn hat. Minderwertigkeitsgefühle habe man da oben in Ostwestfalen gegenüber der Düsseldorfer Landeshauptstadt nie gehabt - aber sich lange Zeit personell doch etwas unter Wert behandelt gefühlt. Seit Schwier aber im Kabinett sitzt und Denzer an der Fraktionsführung steht, habe man auch in dieser Beziehung nichts mehr zu klagen, lächelt der Bielefelder Abgeordnete verschmitzt. Daß sich die "Teutonenriege" manchmal vor wichtigen Abstimmungen trifft, will Hunger nicht als Fraktionierung der Fraktion mißdeutet wissen. Wenn man etwas in einer so großen Fraktion erreichen wolle, müsse man seine Anliegen schon mal etwas "vorprogrammieren" - andere täten das ja wohl auch, um in der Fraktion für die heimische Region einen möglichst dicken Fisch an Land zu ziehen, wenn es darum geht, Landeszuschüsse zu kanalisieren.
    Das Bild zum Fisch kommt Hunger nicht von ungefähr über die Lippen. In seiner Freizeit ist er engagierter Angler. Seine Spezialität: Aale. An den skandinavischen Gewässern, wo er am liebsten Urlaub macht, hat er schon bis zu zwanzig Stück in einer Nacht aus dem Wasser geholt. Kein Anglerlatein, versichert er nachdrücklich. Man könne ja seine Frau fragen.
    Reinhard Voss

    ID: LI81171B

  • Porträt der Woche: Lothar Hegemann (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 16 - 05.06.1981

    An jenem für die nordrhein-westfälische Landesgeschichte bedeutsamen 20. April 1947, an dem die ersten Landtagswahlen an Rhein und Ruhr stattfanden, wurde er als Sonntagskind im westfälischen Recklinghausen geboren. Bei den neunten Landtagswahlen im Mai 1980 zog er selbst ins Landesparlament ein: der CDU-Abgeordnete Lothar Hegemann. Über die Landesreserve-Liste, wie es sich für einen Christdemokraten aus dem Ruhrgebiet geziemt, weil die Direktmandate traditionell von den Sozialdemokraten erobert werden.
    Der Ratsherr von Recklinghausen war am Abend des 11. Mai vergangenen Jahres selbst von dem neuen Full-time- Job überrascht, denn sein Listenplatz 34 galt vor der Wahl als ziemlich aussichtslos. Diese Überraschung hielt auch noch in den ersten Landtagswochen an, als der parlamentarische Newcomer nicht nur seine drei Ausschußwünsche erfüllt sah, sondern auch noch einen vierten dazubekam.
    In seiner 95 Köpfe zählenden Oppositionsfraktion zwar nicht der Größte, mit 196 Zentimetern sicherlich aber der Längste oder Zweitlängste hinter dem Parlamentshünen und Fraktionskollegen Hermann-Josef Geismann, verschaffte er sich Respekt durch Selbstdisziplin. Ihm, den nicht ein politisch sensibilisiertes Elternhaus, sondern ein frühes eigenes Interesse an Politik und Zeitgeschichte zum persönlichen Engagement in der "res publica" getrieben hatte, ging es bei dem Einzug in den Landtag nicht um das Erlebnis der "Stunde Null". Für ihn, der mit 16 Jahren in die "Junge Union" und vier Jahre später in die CDU eingetreten war, ging es zunächst um Jugendarbeit, sehr bald aber um den Dienst am Nächsten, um das soziale Engagement.
    Wer Lothar Hegemanns Lebenslauf in seiner Partei und im Rat der Stadt Recklinghausen mit kritischer Distanz weiterverfolgt, erlebt keinen Senkrechtstarter, wohl aber einen Politiker, der sich systematisch von unten nach oben vorarbeitet, ohne daß man dem selbständigen Versicherungskaufmann den Vorwurf machen könnte, er würde nur an seiner politischen Karriere basteln. Hegemann gehört vielmehr zu jenen jungen Abgeordneten im rheinischen und westfälischen Teil des Reviers, die systematisch aufgebaut werden, um mit einer unverbrauchten Generation in Zukunft auch im Revier politisch stärker mitmischen zu können.
    So sind denn auch die Interessengebiete Hegemanns in der Landespolitik: Soziales, Jugend und Familie, aber auch Umweltfragen und Verkehrsprobleme, Aufgabengebiete, die sich in den Ballungszentren des Reviers besonders stellen und auf die es immer neue und bessere Antworten zu finden gilt. Besondere Aufmerksamkeit widmet der Mann aus Recklinghausen den Behinderten, nicht weil dieses Thema im weltweiten "Jahr der Behinderten" auch politisch gerade "in" ist, sondern weil es darum geht, Lösungen zu finden, die sowohl behindertengerecht wie volkswirtschaftlich zu verantworten sind. Sozialleistungen, so Hegemann, sollten auch in Zeiten schwieriger Haushaltsfinanzierung weniger gekürzt als gerechter verteilt werden.
    Den Umweltschutz, dem ebenfalls sein waches Interesse gehört, sieht Hegemann nicht als eine wirtschaftliche "Schönwetter-Frage", er muß, das ist jedenfalls seine Überzeugung, auch in wirtschaftlich schlechteren Zeiten durchgehalten werden. Allerdings hat er auch gelernt, Realitäten und Träumereien an ideologischen Kaminen fein säuberlich zu trennen.
    Der Abgeordnete, zu dessen Hobbys das Fotografieren gehört, träumt nicht von einer eigenen Foto-Ausstellung als Höhepunkt seiner Freizeitleidenschaft. Für ihn ist Fotografieren vor allem Motivsuche und so etwas wie die Kehrseite der politischen Medaille.
    Technisch interessiert, kann er bei seinem Hobby ganz abschalten, vor allem dann, wenn er sich mit seiner Sammlung alter Fotoapparate beschäftigt. Und wenn er am Sonntag in die Dunkelkammer geht, erreicht ihn keiner mehr.
    Karl Fischer

    ID: LI811624

  • Porträt der Woche: John van Nes Ziegler (SPD).
    Porträt;

    S. 7 in Ausgabe 14 - 18.05.1981

    Vor die Wahl gestellt, in den Bundestag oder in die Landespolitik zu gehen, gab er dem Landesparlament den Vorzug. Zwischen Regierung und Landtag favorisierte er abermals das Parlament: John van Nes Ziegler. Seine höchstpersönlichen Entscheidungen sind dem heute sechzigjährigen Kölner Rechtsanwalt nicht leichtgefallen. Für einen Politiker, der Verantwortung sucht und Macht nicht scheut, waren sowohl die Versuchung, nach Bonn zu gehen, als auch mehrfach das Angebot, Minister zu werden, groß. Selbst im Kandidaten-Karussell für das Amt des Regierungschefs war er im Gespräch.
    Wenn er sich dennoch so und nicht anders entschieden hat, dann wohl deshalb, weil er zumindest in den entscheidenden Jahrzehnten seines politischen Lebens seine ganze persönliche Unabhängigkeit wahren wollte, weil er sich die Möglichkeit vorbehalten wollte, auch seinen politischen Freunden sagen zu können: "Bis hierhin und keinen Schritt weiter!" Diese klare Absage an ein Karrieredenken zugunsten persönlicher und beruflicher Entscheidungsfreiheit ist im politischen Raum heute keineswegs mehr selbstverständlich. Sie wurzelt zutiefst im Negativerlebnis eines Angehörigen jener Zwanziger-Jahrgänge, die, ohne eigenes Verschulden, im Pimpfenalter den Nationalsozialismus erleben müßten, um entsetzt oder frustriert zusehen zu müssen, wie nicht nur einzelne, sondern ganze Parteien und Religionsgemeinschaften kapitulierten, bevor sie überhaupt gefordert wurden. Für eben diese Zwanziger-Jahrgänge hat auch heute noch die innere Freiheit einen anderen Stellenwert als für manche darauffolgende Generationen.
    Die Antwort auf seine persönliche Enttäuschung über das Versagen eines inkonsequenten Bürgertums war für Nes Ziegler, einem Soldaten bis zur Kapitulation, der Beitritt zu einem in Gründung begriffenen "Sozialistischen Studentenbund". Eine weitere Konsequenz: der Eintritt in die SPD, der schon im zweiten Nachkriegsjahr erfolgte. Auf studentischer Ebene brachte es der aus bürgerlichem Elternhaus stammende van Nes Ziegler bald bis zum Bundesvorsitzenden, ja zum Repräsentanten des internationalen "Sozialistischen Studentenbundes" in Europa.
    Die Parteikarriere in der SPD vollzog sich dagegen weniger steil. Dennoch erkletterte der Kölner Jurist Sprosse um Sprosse der Parteileiter und plazierte sich auch im Kölner Stadtrat, wo er es in den sechziger und siebziger Jahren bis zum Fraktionsvorsitzenden der SPD und schließlich von 1973 bis 1980 auch zum Oberbürgermeister der Domstadt brachte. Letzteres ein "männermordendes Amt", wie er selbst offenherzig bekannte.
    In der Landespolitik befürwortete der Kölner Sozialdemokrat, der nach einem kurzen Gastspiel in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre, bei dem er noch Karl Arnold als Ministerpräsident erlebte, seit 1958 ununterbrochen dem Düsseldorfer Landtag angehörte, 1966 die große Koalition mit der CDU im Sinne Herbert Wehners und im Konsens mit Heinz Kühn. Dabei erwies er sich als ein außerordentlich geschickter Unterhändler. Doch als eine erdrückende Mehrheit in der SPD-Landtagsfraktion die große Koalition verwarf, sah er sich desavouiert und verzichtete in der kleinen Koalition mit den Freien Demokraten auf ein Ministeramt.
    Statt dessen trieb er als Landtagspräsident die Parlamentsreform voran, trug auch gegen Anfeindungen aus den eigenen Reihen dazu bei, die parlamentarischen Rechte der Opposition, vor allem des Oppositionsführers, zu verstärken und verfolgte diese Reformbemühungen auch zwischen 1970 und 1980 konsequent weiter, als die CDU den Parlamentspräsidenten stellte und er sich mit dem Vize-Amt begnügen mußte. In seiner zweiten Amtszeit bis 1985 tritt der Kölner Sozialdemokrat, der zugunsten seiner Tätigkeit als Parlamentspräsident auf das wichtigste Amt des Kölner Oberbürgermeisters verzichtet hat, mit Vehemenz für den Landtagsneubau ein, obwohl er selbst lange Zeit dessen Plänen sehr kritisch gegenübergestanden hatte. Van Nes Ziegler macht sich keine falschen Vorstellungen darüber, daß der Hausherr des voraussichtlich in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre bezugsfertigen Neubaus ein anderer sein wird. Es spricht für ihn, daß er, wie sein Amtsvorgänger Wilhelm Lenz, mit dem ihn persönlich mehr als nur die gemeinsame Heimatstadt der gleiche Jahrgang verbindet, wenn es ums Landesparlament geht, auch unpopuläre Entscheidungen zu verantworten bereit ist: Der Landtag - so habe ich den Landtagspräsidenten in Erinnerung solle nicht nur ein parlamentarischer Zweckbau mit einem Höchstmaß an Funktionsfähigkeit sein, sondern auch die Öffnung des Parlaments zur Landeshauptstadt und den Bürgern dieses Landes repräsentieren. Ein großes Plus für verantwortliche Demokraten in diesem Lande, daß sie bewußt weit über ihre Amtszeit hinaus zu planen und zu handeln bereit sind.
    Karl Fischer

    ID: LI81140D

  • Porträt der Woche: Hubert Doppmeier (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 13 - 11.05.1981

    Er ist kein politischer Senkrechtstarter, und er kann auch keine berufliche Blitzkarriere vorweisen: Der CDU-Abgeordnete aus dem ost-westfälischen Langenberg, Hubert Doppmeier (37), ist statt dessen mit einer ebenso beachtenswerten Energie wie einem überzeugenden Engagement in Beruf und Partei vorwärtsgekommen. Während er in Jugendjahren als Arbeiter in einer Sperrholzfabrik seinen Lebensunterhalt verdiente, bereitete er sich nach Feierabend per Fernstudium auf den Realschulabschluß und das Abitur vor. Beide Hürden erfolgreich übersprungen, studierte der damals 24jährige Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität Münster. Nach Ablegung beider juristischer Staatsprüfungen ist er heute als Rechtsanwalt tätig.
    Aufgewachsen auf dem elterlichen Kotten und groß geworden unter Arbeitern, war es eine "völlig neue Welt", erinnert sich heute Hubert Doppmeier an die ersten Studienmonate. Es war die Zeit der Studentenrevolten, und zwangsläufig wurde auch er mit den politischen Auseinandersetzungen konfrontiert. Damals stieß der Jura-Student zum CDUnahestehenden Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS), der damals in Münster ein "kümmerliches Dasein" fristete. Zusammen mit mehreren Kommilitonen reaktivierte er die Studentenvereinigung, und es dauerte nicht lange, bis er in die verschiedenen RCDS-Gremien gewählt wurde.
    Der CDU schloß sich Hubert Doppmeier 1969 an, wurde zwei Jahre später stellvertretender Vorsitzender des Kreisverbandes Wiedenbrück beziehungsweise Gütersloh und gehört seit 1975 auch dem Bezirksvorstand Ostwestfalen-Lippe an. Wie viele seiner Fraktionskollegen war er mehrere Jahre als Mitglied des Kreistages Gütersloh auch kommunalpolitisch tätig. Bei der letzten Landtagswahl erstmals als Kandidat aufgestellt, holte der gebürtige Langenberger für die CDU im Wahlkreis 102 Gütersloh I 61,8 Prozent der Stimmen.
    Schon lange zuvor hatte sich der Abgeordnete für die Landespolitik interessiert, "weil man da noch konkrete Ergebnisse deutlich erkennen kann". Sein besonderes Anliegen ist dabei die Stärkung des ländlichen Raumes, der nach seiner Ansicht systematisch vernachlässigt wird. Der engagierte Politiker möchte auch dazu beitragen, daß die Positionen der CDU zu landespolitischen Fragen den Bürgern stärker als bisher verdeutlicht werden. Schon aufgrund seines Werdeganges ist Hubert Doppmeier ein Gegner von "Sowohl-Als-auch-Positionen". Nach seiner Auffassung kann eine Politik nur dann für den Bürger glaubwürdig sein, wenn sie bei aller gebotenen Differenzierung zu klaren Entscheidungen kommt.
    Als Mitglied des Innenausschusses beschäftigen nicht nur Hubert Doppmeier die Probleme der Hausbesetzungen. Für ihn ist es "unfaßbar", daß es eine Wohnungsnot gibt, "obwohl wir in weiten Bereichen in Überfluß leben". Trotzdem dürfe der Staat kein "Faustrecht" zulassen, sondern die Wohnungsprobleme müßten durch eine bessere Politik angepackt und beseitigt werden. Der CDU- Abgeordnete, der vor Unterrichtsbeginn an den Schulen steht und Einladungen zu Gesprächen an die Schüler verteilt, ist davon überzeugt, daß die Jugend die Diskussion mit den Politikern sucht. " Wir müssen uns allerdings die Mühe machen, auf die jungen Leute zuzugehen und ihnen zuzuhören, dann werden auch unsere Argumente ernstgenommen.
    "Der Vater eines sechs Monate alten Töchterchens widmet sich in der Freizeit gern der Historie. So ist er ein eifriger Sammler von alten Geschichtsbüchern und Atlanten, besucht traditionsträchtige Städte und unternimmt Burgenfahrten. Jochen Jurettko

    ID: LI81131B

  • Porträt der Woche: Uwe Herder (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 12 - 04.05.1981

    Heute kann Uwe Herder über die Sache lachen. Doch als nach der 75er Wahl trotz aller Zählerei feststand, daß er und Manfred Sanden von der CDU es in Wuppertal auf genau 27 425 Stimmen gebracht hatten und das Los für Sanden und gegen Herder entschied - da, räumt er heute freimütig ein, hat er damals geflucht und ein bißchen mit Fortuna gehadert. Fünf Jahre später entschied nicht die Glücksgöttin, entschieden vielmehr 48,6 Prozent der Wähler im Wahlkreis 33 (Wuppertal I), daß der Sozialdemokrat und Verkehrsbau-Ingenieur Uwe Herder Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags werden sollte. Herder vergibt sich nichts, wenn er zugibt, daß der in Wuppertal besonders zugkräftige Name des Ministerpräsidenten einen wohl nicht zu unterschätzenden Anteil am diesmal so glatten Sieg über den Konkurrenten von der CDU gehabt hatte.
    Uwe Herder ist - wenn man allein die Berufsausbildung zum Maßstab macht aus jenem Holz, aus dem heute noch in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Ministerpräsidenten geschnitzt werden: Er hat nämlich wie Holger Börner eine Betonbauer-Lehre absolviert - ohne allerdings mit dieser handfesten Ausbildung so oft zu kokettieren wie der hessische Ministerpräsident. Eigentlich hatte er Architekt werden wollen, aber für ein solch langes Studium reichte damals das Geld in der Familie Herder nicht. So besuchte der gebürtige Königsberger, Jahrgang 1942, nach der Lehre die Ingenieurschule für Bauwesen und arbeitet nach erfolgreichem Abschluß als graduierter Ingenieur in einem Düsseldorfer Büro. Seit Jahren ist dort schon sein beruflicher Schwerpunkt die U-Bahn der Landeshauptstadt. Und so ist es kein Wunder, daß der ehemalige Wuppertaler Juso-Vorsitzende - in dieser Funktion war er direkter Nachfolger von Reinhard Grätz - im Landtag seinen politischen Schwerpunkt im Verkehrsausschuß sieht. Zur Lobby der Verkehrsplaner, die immer mehr, immer größere und immer breitere Straßen gebaut sehen möchten, gehört er allerdings nicht. Den sogenannten Leber-Plan des damaligen Bundesverkehrsministers und heutigen Bundestagsvizepräsidenten Georg Leber, nach dem es kein Bundesbürger von seiner Wohnung weiter als 15 Kilometer zum nächsten Autobahnanschluß haben sollte, wertet Uwe Herder schlicht als "schwachsinnig". Die Positionen der "Grünen" und vieler unorganisierter Umweltschützer seien allerdings genauso "illusionär". Die Verkehrspolitik zu verstetigen, extreme Pendelausschläge zu vermeiden - es wäre in Herders Augen schon viel, wenn sich das erreichen ließe. Für den berufsmäßigen Planer und Techniker ist es dabei keine Frage, daß nicht etwa die Verkehrsplaner in irgendwelchen Straßenbauverwaltungen zu entscheiden haben, wo wie welche Straßen gebaut werden, sondern daß diese Entscheidung Sache der Politiker sein - wieder werden - müsse. Das gesteigerte Umweltbewußtsein der Bürger sei dabei von den Politikern nicht als Ärgernis, sondern als Hilfe zu betrachten, nimmt Herder sich und seine Kollegen in die Pflicht.
    Dabei scheut Herder nicht davor zurück, das demokratische Mehrheitsprinzip in gewissen Bereichen als Maßstab für politische Entscheidungen abzulehnen. Zum Beispiel auf dem Gebiet der Kunst. Der schnauzbärtige neue Landtagsabgeordnete hat da schon längere, einschlägige Erfahrungen aus der Kommunalpolitik. Herder ist nämlich maßgeblich mit dafür verantwortlich, daß die Wuppertaler sich noch in diesem Sommer über das vielumstrittene Engels-Denkmal - je nach politischer Überzeugung und Kunstverstand - freuen oder ärgern können. "In Fragen der Kunst kann man sich nicht nach Mehrheitsmeinungen richten", heißt Herders fester Glaubenssatz zu diesem Thema, es gäbe sonst kaum Kunst. Es sei in ungezählten Fällen auf fast allen Gebieten der Kunst oft erst die Nachwelt gewesen, die die Kunstwerke der zu ihren Lebzeiten verfemten und verkannten Mitbürger als solche erkannt hätten, meint der Abgeordnete auch mit Blick auf das Wuppertaler Engels-Denkmal.
    Uwe Herders politische Perspektiven? Da lacht er. Trotz Betonbauer-Lehre will er nicht Ministerpräsident werden - "und auf keinen Fall bis zum 60. Lebensjahr Mitglied des Landtags bleiben". Der Rest ist - nicht schweigen, sondern zuhören, Handlungschancen suchen, lernen. Das ist mehr als große Worte.
    Reinhard Voss

    ID: LI811220

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Die Fraktionen im Landtag NRW