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  • Porträt der Woche: Hildegard Matthaus (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 11 - 06.04.1981

    Wenn man im Zusammenhang mit ihrem Lebenslauf das Wort "Emanzipation" erwähnt, verdunkelt sich ihr sonst stets freundliches Gesicht. "Ich mag diese Vokabel nicht", meint sie. Und doch ist Hildegard Matthäus (Jahrgang 34) in die Politik gegangen, "um es den Männern zu zeigen". Männlicher Hochmut hat sie herausgefordert.
    Ein Lehrer der Handelsschule in Mülheim hatte ihr politisches Interesse erkannt und sie 1951 mit in einen Kreis genommen, der sich "Gespräche am runden Tisch" nannte. Er bestand aus lauter Männern, die am ersten Abend förmlich und ernsthaft darüber einen Beschluß faßten, ob die damals 17jährige dableiben und den klugen Reden der Herrenrunde lauschen dürfe. Sie durfte. Als sie sich nach fünf Wochen zu Wort meldete, wurde erneut abgestimmt, ob das zulässig sei. Eine knappe Mehrheit erlaubte Hildegard Matthäus ein politisches Wort, ein Teil der Männer verließ erbost den Raum.
    Was fast unglaublich klingt, liegt nun 30 Jahre zurück. Heute spricht Hildegard Matthäus für die CDU-Fraktion im Landtag zu Schul- und Kulturfragen. Gleich in der ersten Aktuellen Stunde hielt sie ihre Jungfernrede, selbstbewußt und mit viel Beifall ihrer Leute bedacht.
    In die CDU ist Hildegard Matthäus 1961 eingetreten. Warum in diese Partei? "Weil Konrad Adenauer mich fasziniert hatte", sagt sie. Ihr Elternhaus hatte keinen Anstoß gegeben. Der Vater, Eisenbahner, war zwar in der evangelischen Kirche engagiert, aber nicht Mitglied einer Partei. Sie gehört dem Stadtparlament von Oberhausen, wohin sie aus beruflichen Gründen umsiedelte, seit 1964 an. Im Rat der Stadt sitzt sie in neun Ausschüssen. Seit 1979 ist sie Vorsitzende des Kulturausschusses. Ihr wurde der Ehrenring der Stadt verliehen. Sie ist einzige Frau im Zweckverband für Müllverbrennung im Raum Duisburg, Oberhausen und Kreis Wesel, wie sie schmunzelnd erzählt.
    Ziel ihrer politischen Karriere war immer schon der Landtag. Nach einem vergeblichen Anlauf 1975 auf einem aussichtslosen Platz schaffte sie es 1980 als zweite rheinische Frau über die Reserveliste. Sie kam gleich in die Ausschüsse für Schule und Kultur. Zunächst habe sie große Hoffnungen auf die Gesamtschule gesetzt, sagt sie. Vor allem der Gedanke, daß jeder Schüler nach seinen Möglichkeiten individuell gefördert werden solle, habe sie angesprochen. Aber die Versuche seien "nicht so gelaufen". Sie glaubt nicht, daß die "viel zu teuer geratene" Gesamtschule im Landtag Gesetz wird. "Die Bürger sind so auf der Palme, daß die CDU die Landtagswahlen 1985 erstmals mit dem Thema Bildungspolitik gewinnen wird", meint sie. Wichtig sei nun die Diskussion um die Lehrinhalte für Oberstufe, Hauptschule und berufsbildende Schulen. Die Hauptschule müsse vor allem auf praktische Begabungen zugeschnitten werden.
    Hildegard Matthäus, wegen ihrer Wahl pensionierte Fachoberlehrerin für Büroorganisation und Information, will sich im Landtag aber auch mit dem weiten Gebiet der Kultur beschäftigen. Den Laienorchestern und Gesangvereinen mit mehr als einer Million Mitgliedern gilt ihre Fürsorge. Wichtig ist ihr, daß Kunstgalerien, Musikschulen und andere Kultureinrichtungen nicht von den Volkshochschulen, "die unverzichtbar sind", vereinnahmt werden. Das Land soll freien Trägern nach Kräften helfen.
    Hildegard Matthäus, unverheiratet, hat eine "gute Adresse". Sie wohnt im Schloß Oberhausen, pflegt einen riesigen Garten, der manche Schwiele verursacht. Das Schloß, so weiß sie, hat ein Graf Westerholt für eine illegitime Tochter bauen lassen.
    Gerd Goch

    ID: LI811120

  • Porträt der Woche: Hans Rohe (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 10 - 27.03.1981

    Hans Rohe ist nach eigenem Selbstverständnis nie Jungsozialist gewesen, obwohl er, als er 1955 Mitglied der SPD wurde, mit damals 24 Jahren sozusagen biologisch noch zu den Jungsozialisten zählte. Nach seiner Lehre als Schmied und Schlosser aber war Rohe in der Partei nicht nach theoretischen Höhenflügen, sondern nach praktischer Arbeit zumute. Ihn zog deshalb nichts zu den Jusos. Er engagierte sich vielmehr in der Kommunalpolitik und in seiner Gewerkschaft, der IG Bergbau und Energie. Und so ist es bis heute geblieben.
    Wer Rohe, seit 1975 Mitglied des Landtags, in seiner zweiten Legislaturperiode bereits Mitglied des SPD-Fraktionsvorstandes, deshalb einen "rechten" Sozialdemokraten nennt, kann den hauptamtlichen Gewerkschafter damit nicht ärgern. "Ich gucke mir die an, die so etwas sagen, und dann weiß ich, was ich davon zu halten habe", meint Rohe trocken. Mit der Gesäßgeographie, die da rechte und linke und mittlere Sozialdemokraten unterscheidet, kann der Sprecher der " Teutonenriege" innerhalb der SPD-Fraktion nichts anfangen. Wenn eine sachbezogene Arbeit rechts sei, dann sei er allerdings ein Rechter. Aber daß ihn die Arbeitgeber auch schon als einen linken Gewerkschafter bezeichnet hatten, verdeutliche den Unsinn solchen Klassifizierungen.
    Deutlicher als jegliche Rechts-Links- Markierung wird Rohes politisches Selbstverständnis durch den noch gar nicht so lange zurückliegenden Einstieg in die "große" Politik akzentuiert: Als Unterbezirksvorsitzender der SPD, als ehemaliger Landrat, als SPD-Fraktionsvorsitzender im Kreistag Minden-Lübbecke hatte er sich 1975 aussuchen können, ob er in den Bundestag oder lieber in den Landtag gehen wollte. Beide Mandate waren frei, für ihn zum Greifen nahe. Rohe entschied sich "wegen der größeren Bürgernähe" gegen Bonn und für Düsseldorf. Ob er es inzwischen bereut habe? Das "Nein" kommt spontan - allerdings mit dem Zusatz, daß er nicht gewußt habe, welche Belastung an einem Landtagsmandat hänge.
    Dennoch will er seinen Hauptberuf als Gewerkschaftssekretär nicht aufgeben. Der Hobby-Bergsteiger steht in dieser Beziehung ganz fest auf dem Boden der Tatsachen: "So ein ordentlicher Beruf im Rücken macht freier im Umgang mit den Kollegen und der Partei. Da kann man die Sache auch einmal hinschmeißen" - eine Betrachtungsweise, die bei Hans Rohe rein theoretischer Natur ist. Im Gegensatz zu dem von manchem Kollegen angestimmten Klagelied über den immer kleiner werdenden Wirkungsgrad eines deutschen Landtagsabgeordneten hat Rohe nämlich schnell herausgefunden, daß man bei der nötigen Beharrlichkeit und einigem Durchsetzungsvermögen, besonders natürlich als Mitglied der Mehrheitsfraktion, doch einiges bewegen kann im Land. Als stellvertretender Vorsitzender des Petitionsausschusses kann sich Rohe dabei eine von ihm selbst eingestandene "Aversion" gegen manche Auswüchse der Verwaltung nicht verkneifen. Manchmal werde in der Verwaltung vergessen, daß man nicht Selbstzweck, sondern für den Bürger, den Steuerzahler, da sei, knurrt der Abgeordnete im Rückblick auf manche Fälle, mit denen er im Petitionsausschuß konfrontiert war.
    Die von ihm immer gesuchte Bürgernähe trieb Rohe auch in den Verkehrsausschuß. An den Straßen erhitzen sich die Gemüter der Leute: Die einen wollen breitere, schnellere Straßen, die anderen gar keine neuen. Rohe: "Wir müssen draußen den Kopf dafür hinhalten, ganz gleich, ob gebaut oder ob nicht gebaut wird. Deshalb müssen wir als Abgeordnete auch näher an die Planung solcher Straßen ran. Wir müssen frühzeitig an der Planung beteiligt sein auch wenn es den beteiligten Verwaltungen nicht in den Kram paßt. Solche interessenbezogenen Widerstände muß man überwinden."
    Da weiß jemand, was er will, kein übersteigertes Selbstwertgefühl - aber auch keine falsche Bescheidenheit. Hans Rohe erhielt bei der Wahl am 10. Mai 54,3 Prozent der Stimmen. Auch das gibt Mut und Selbstvertrauen und, setzt Rohe hinzu, "die Verpflichtung zu harter Arbeit". Seine Frau, die oft abends allein zu Haus ist, seit der Sohn in Karlsruhe studiert, weiß davon ein traurig Lied zu singen. Hans Rohe ganz unsentimental: "Das hat sie vorher gewußt. Das war bei uns fast immer so. Das gehört zum Preis von Mandat und Beruf." Reinhard Voss

    ID: LI81100F

  • Porträt der Woche: Leo Dautzenberg (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 9 - 23.03.1981

    Als Leo Dautzenberg aus Heinsberg "noch jung war", war er aktiver Leichtathlet. Bevorzugte Disziplin: Langstrekkenlauf ("Da lernt man, Durststrecken zu überwinden.") Jetzt ist er 31 Jahre alt, seit 1980 Mitglied des Landtags in der Fraktion der CDU über die Landesreserveliste, und mitten in der Examensarbeit für den Diplom-Kaufmann. "Bedeutung und Stellung der Gewerbekapitalsteuer im Einnahmesystem der Kommunen" heißt das Thema, mit dem er seine Studien an der Universität zu Köln abschließen wird. Nach der mittleren Reife hatte Dautzenberg eine Banklehre gemacht, ehe er in Mönchengladbach ein Fachhochschulstudium begann, das er 1973 als Betriebswirt (grad.) beendete. Dann ging er zur Uni, das Geld zum Leben verdiente er sich bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Sein beruflicher Langstreckenlauf ist jedoch keineswegs beendet. Weil Dautzenberg "noch relativ jung" ist, will er "nicht allein auf politische Tätigkeit bauen", sondern sich "beizeiten auch beruflich absichern". Er will "nicht von der Politik abhängig werden, sondern immer die eigene Meinung sagen können".
    Das hat der Sohn eines Metallarbeiters schon in frühen Jahren geübt; zunächst bei der Katholischen Jugend, ehe er mit 16 Jahren der Jungen Union (JU) beitrat. "Ausschlaggebend" war für ihn, daß "in der CDU am ehesten jene Grundwerte verwirklicht werden können", die für ihn "Richtschnur sind" und ihn "veranlaßt haben, politisch zu arbeiten". Das hat sich Dautzenberg noch nie leichtgemacht, allerdings auch des Erfolgs nicht entbehren müssen: Schon mit 23 Jahren war er Kreisvorsitzender der JU Heinsberg, seit 1977 ist er stellvertretender Vorsitzender des rheinischen Landesverbandes der JU. "Nebenbei" - Dautzenberg trat 1968 der CDU bei - ist er Mitglied des Kreisvorstandes der Partei im heimatlichen Heinsberg und Mitglied des Kreistages dort seit 1979.
    Was sich bei solchen Aktivitäten des Jung-Parlamentariers wirklich "verzögert" hat, weiß Dautzenberg nicht mit Sicherheit zu sagen - die berufliche oder die politische Arbeit? Er nimmt jedenfalls das eine so ernst wie das andere. Wer Diskussionen mit den jungen Mitbürgern, wie man die Mädchen und Jungen heute oft zu bezeichnen pflegt, aus eigenem Erleben kennt und um die notwendige Geduld weiß, mit ihnen etwas "auszudiskutieren" (wie von so manchem Lehrer mit auf den Nachhauseweg gegeben), der wird Dautzenbergs Kritik verstehen, die er, der fast Tag für Tag mit jungen Leuten zwischen 14 und 35 kraft Parteiamtes zusammentrifft, etwa so formuliert: "Man kann der Jugend keinen Vorwurf machen. Das bestehende Schulsystem versäumt, ihr eine Grundlage zu geben, von der aus sie nach eigener Erkenntnis politische Strukturen bewerten kann." Da sieht Dautzenberg "eine gewisse Orientierungslosigkeit". Er schätzt, daß "80 Prozent der Jugendlichen den Staat bejahen, daß aber die Parteien ihnen gegenüber oft ein Defizit aufzuweisen haben". Er will es abbauen helfen, die Fahne der sozialen Marktwirtschaft fest in der Hand. "Aus der Grundüberzeugung, daß sie keine Wachstums- und Wohlstandsmaschine ist, sondern eine wertgebundene Ordnung..."
    Dautzenberg wird hier ganz ausführlich, er hat "alle Bücher von Erhard und Müller-Armack immer wieder gelesen", sie prägen sicher sein politisches Wirken. Ordo-Liberale wie Röpke und Eucken wird man hinzurechnen dürfen, "Adenauer ganz sicher". Ob Dautzenberg "demnächst" mehr Zeit für Frau und Sohn haben wird, scheint nicht ganz sicher - er will "die älteren Kollegen im Landtag durch konsequente, harte Sacharbeit überzeugen". Im Haushalts- und Finanzausschuß und im Petitionsausschuß, wo sich mancher Neuling die ersten Sporen verdiente, hat er damit längst angefangen. Hans Krieger

    ID: LI810905

  • Porträt der Woche: Rudolf Apostel (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 8 - 16.03.1981

    Ob als Gewerkschaftler, Kommunalpolitiker oder als Landtagsabgeordneter - Rudolf Apostel suchte bisher stets nach dem rechten Maß für das politisch Machbare. Der bei der letzten Wahl im Mai 1980 direkt im Wahlkreis Wesel IV gewählte SPD-Landtagsabgeordnete schätzt keine "großen Sprüche", sondern bemüht sich selber um klare Antworten auf drängende Fragen. So empfiehlt er beispielsweise seinen Parteifreunden, angesichts der knapper werdenden Finanzmittel immer darauf zu achten, "daß unser soziales Engagement uns die Augen nicht davor verschließt, daß das Geld erst verdient werden muß, bevor es als Steuern zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben genutzt werden kann". Diesen Realitätssinn hat sich der heute 48jährige schon in Jugendjahren erworben. Zum Kriegsende gerade die Volksschule absolviert, verdiente sich der gebürtige Essener zunächst seinen Lebensunterhalt in der Landwirtschaft, bevor er dann 1949 als Berglehrling seinen beruflichen Weg antrat. Die weiteren Stationen: Hauer, Bergschule, Steiger und seit 1974 Stabsingenieur. Aus eigener Erfahrung kennt denn auch das aktive Mitglied der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie die Sorgen der Kumpel im Pütt wie die Probleme des Bergbaus. Behutsamkeit ("und keine Sprüche") gilt auch für Rudolf Apostel in der Frage der künftigen Energieversorgung. Zwar ist er ein Verfechter der von der Düsseldorfer Landesregierung verfolgten Kohle-Vorrang-Politik, doch schließt er gleichzeitig auch den begrenzten Ausbau der Kernenergie nicht aus. Allerdings müßten Aufbereitung bzw. Lagerung der Brennelemente gesichert sein. Die Kernenergie hält der SPD-Abgeordnete dort von Nutzen, wo sie über den Weg der Kohleveredelung die Bundesrepublik von den Ölimporten unabhängiger macht. Ehrlichkeit in der Politik bedeutet für den Sozialdemokraten auch, auf die "handfesten Nachteile" der Kohle- Vorrang-Politik hinzuweisen, auf die nicht unerhebliche Umweltbelastung, auf Bergehalden und Bergbauschäden.
    In die SPD trat Rudolf Apostel 1967 ein, zwei Jahre später wurde er in den Rat der damals noch selbständigen Industriegemeinde Rheinkamp gewählt. Nach ihrem Zusammenschluß 1975 mit Moers berief ihn die dortige SPD-Ratsfraktion zu ihrem Vorsitzenden. Seitdem sind die Sanierung alter Baubestände, wie Bergarbeitersiedlungen, und die Erschließung neuen Baugeländes in der weiträumigen niederrheinischen Stadt am Rande des Reviers zwei Schwerpunkte des SPD- Kommunalpolitikers. Der Landtagsabgeordnete drängte sich nicht nach dem Düsseldorfer Mandat, doch als man es ihm anbot, sagte er ein uneingeschränktes Ja. Als langjähriges Ratsmitglied hatte er erfahren, daß die Kommunalpolitik durch die Entscheidungen des Landtages geprägt wird. So möchte der SPD-Abgeordnete zum einen die Erfahrungen in die gesetzgeberische Arbeit des Landesplenums einbringen und zum anderen dessen Verständnis für die Kommunalpolitik verstärken.
    Mit Erfolg bemühte sich der Landtagsneuling, von seiner Fraktion in den gewichtigen Wirtschaftsausschuß berufen zu werden, "weil Wirtschaft und Politik nicht voneinander zu lösen sind". Dort wiederum findet die Energiepolitik das größte Interesse des Abgeordneten. Sie ist nach seiner Ansicht eine wesentliche Voraussetzung für die Lösung wirtschaftlicher Probleme. Außerdem gehört Rudolf Apostel als stellv. Mitglied dem Ausschuß für Grubensicherheit an. Angenehm überrascht ist der Sozialdemokrat von der schnellen kollegialen Zusammenarbeit mit seinen Fraktionsfreunden. "Das hab' ich schwieriger eingeschätzt." Dem Familienvater von vier (fast) erwachsenen Kindern macht das politische Mitgestalten-Können viel Freude. "Daher stellt sich die Frage der Freizeit für mich nicht." Und er kann dabei auch mit dem Verständnis seiner Ehefrau rechnen - sie ist Moerser Kreistagsabgeordnete.
    Jochen Jurettko

    ID: LI810813

  • Porträt der Woche: Bernhard Brinkert (CDU).
    Porträt
    S. 11 in Ausgabe 7 - 27.02.1981

    Die "Kohlefraktion" im nordrhein-westfälischen Landtag hat seit Mai 1980 einen gewichtigen Zugang zu verzeichnen: Bernhard Brinkert. Er läßt sie den Abschied von einem ihrer prominentesten Mitglieder leichter verschmerzen - von Rudi Nickels. Beide verbindet die gleiche Partei, die CDU, die gleiche Gewerkschaft, die Industriegewerkschaft Bergbau und Energie (IGBE), sowie das gleiche Engagement in Partei und Gewerkschaft. Beide gehören zu den profiliertesten Männern der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) im Landesverband Westfalen-Lippe, der rund 40 Prozent der 130.000 eingetragenen Mitglieder zuzurechnen sind, wie Brinkert schätzt. Er ist seit 1977 Vorsitzender dieser CDA und damit das Pendant zum Rheinländer Wolfgang Vogt.
    Brinkert (50 Jahre alt, verheiratet, ein Kind) stammt aus einer alten Bergmannsfamilie. So lag es für den gebürtigen Bottroper nahe, im Pütt auch sein Brot zu verdienen. Nach dem Besuch der Volksschule lernte er Betriebselektriker und legt 1948 die Gesellenprüfung ab. Acht Arbeitsjahre auf der Zeche folgten, bis der zwischenzeitlich schon als Betriebsrat wirkende und bewährte (Gewerkschaftsmitglied seit 1946) von der IGBE als Bezirkssekretär angestellt wurde. Schwerpunkt seiner Tätigkeit: Jugendarbeit. Ein Studium an der Sozialakademie in Dortmund hatte Brinkert auch in der Theorie so fit gemacht, daß der IGBE-Hauptvorstand sich für ihn interessierte und ihn mit den Sachgebieten Berufliche Bildung und Arbeitsmarktpolitik betraute.
    Der CDU war Brinkert bereits 1957 beigetreten, nach acht Jahren wurde er Kreisvorsitzender in seiner Heimatstadt Bottrop. Dort ist er inzwischen auch Fraktionsvorsitzender im Stadtrat. Daß Brinkert sich bereits als junger Mann in der Katholischen Arbeiterbewegung (KAB) und im Kolpingwerk engagiert hatte, war ihm in seiner politischen Laufbahn wohl ebenso nützlich wie die Liebe zur Musik. Der "Musenjunge von Hause aus" (Brinkert über Brinkert) hat viele Jahre lang selbst musiziert, in jüngeren Jahren sogar ein Akkordeon-Orchester geleitet. Bei der IGB, wie sie damals noch hieß. Das schafft Freunde, das bringt Beziehungen, trägt sicher auch mit zu dem "Namen" bei, den ein Politiker braucht.
    Drei Kandidaturen für den Deutschen Bundestag (1965, 1969 und 1972) zeigen, daß Brinkert längst einen Namen hat, wenn auch die Wahlergebnisse nicht ausreichten für Bonn. Bei der letzten Landtagswahl "zog" die Reserveliste, und Brinkert sitzt seither in den Ausschüssen für Grubensicherheit, für Schule und Weiterbildung und für Wirtschaft als ordentliches Mitglied. Dabei behält er "die berufliche Bildung ganz besonders im Auge. Da gibt es eine Reihe von Problemen: Wieweit wollen wir das duale System stärken und ausbauen? Der schulische Teil muß angemessen sein, ist es aber bei weitem nicht. Da fehlen zu viele Lehrer, gibt es zuwenig Werbung an den Hochschulen für die Berufsschule."
    Als "Mann des Bergbaus" ist Brinkert selbstverständlich auch an allen Fragen der Energiepolitik stark interessiert. Ob und inwieweit beispielsweise Fernwärme wirtschaftlich ist, darüber könnte man mit dem Betriebsdirektor beim Eschweiler Bergwerksverein (seit 1975, Zeche Erin, Castrop-Rauxel) stundenlang diskutieren. Über berufliche Bildung auch. Als langjähriges Mitglied des Berufsbildungsausschusses auf Bundesebene ist Brinkert "sehr weit herumgekommen", kennt er "in Europa so gut wie alles". Sein "großes Hobby", Filmen und Fotografieren, ist dabei nicht zu kurz gekommen.
    Hans Krieger

    ID: LI810715

  • Porträt der Woche: Ulrich Schmidt (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 6 - 23.02.1981

    Er zählt zwar zu den nach außen hin "unauffälligen" Abgeordneten des nordrhein-westfälischen Landtages, aber gerade etliche von ihnen sind es, die diesem Parlament seine Impulse geben und die Landespolitik in manchen Bereichen stark beeinflussen. Zu diesen Abgeordneten gehört auch Ulrich Schmidt (39), der den Wahlkreis 122, Ennepe-Ruhr-Kreis II, 1975 wie 1980 für die Sozialdemokraten eroberte.
    Daß er heute dem Vorstand der SPD-Landtagsfraktion angehört und ein gewichtiges Wort im Haushalts- und Finanzausschuß sowie im Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat, fiel Ulrich Schmidt nicht in den Schoß. Zielstrebigkeit und zugleich Ausdauer sowie ein rechtes Maß für das politisch Machbare mögen dafür entscheidend sein. Jene Eigenschaften gewann der heutige Referent bei der Betriebskrankenkasse des Hoesch-Konzerns schon früh. Da war die Stahlkrise Ende der fünfziger Jahre, die der damalige Hoesch-Lehrling durch eine "vorsorgliche Kündigung" selbst erfuhr, da war aber auch seine Aktivität in der evangelischen und gewerkschaftlichen Jugendbewegung der Nachkriegszeit.
    Als 22jähriger schloß sich der gebürtige Wittener der SPD an - "nachdem ich die Parteiprogramme verglichen hatte". Seine Parteifreunde wählten ihn inzwischen zum Ortsvereinsvorsitzenden Wetter- Volmarstein und stellvertretenden Unterbezirksvorsitzenden Ennepe-Ruhr- Witten, auch gehört er dem SPD-Landesausschuß an. Neben diesen Parteiämtern widmet sich der langjährige Metall- Gewerkschaftler der Arbeiterwohlfahrt, deren Kreisvorsitzender er ist. 1970 in den Rat der Stadt Wetter berufen, wurde er fünf Jahre später zum Bürgermeister gewählt.
    Hatte Ulrich Schmidt schon als Kommunalpolitiker einen engen Kontakt zu den Orthopädischen Anstalten der Diakonie in Volmarstein, so widmete er sich gleich nach seinem Einzug ins Düsseldorfer Landesparlament vor allem der Alten- und Behindertenpolitik. Das Mitglied des Stiftungsrates Wohlfahrtspflege möchte die immer steigende Zahl älterer Mitbürger möglichst lange in ihrer gewohnten Umgebung sehen und plädiert daher notwendigerweise auch für den weiteren Ausbau der Sozialstationen. Dabei müsse der Staat den freien Trägern finanziell spürbar unter die Arme greifen.
    Der SPD-Abgeordnete zählt auch zu den Initiatoren der kürzlich vorgelegten Großen Anfrage seiner Fraktion zur Behindertenpolitik in Nordrhein-Westfalen. Die Behinderten sollten nach seinen Vorstellungen weniger in Sondereinrichtungen "abgeschoben" werden, sondern vielmehr in die Gesellschaft integriert werden. Dabei müsse ihnen natürlich Hilfestellung geleistet werden, beispielsweise behindertengerechte Wohnungen und Beförderungen in öffentlichen Verkehrsmitteln. Das erfordere nicht immer finanziellen Mehraufwand, sondern oft nur guten Willen und eine Portion Phantasie.
    Auch als Landtagsabgeordneter möchte Ulrich Schmidt sein Wirken in der Kommunalpolitik nicht missen. Angesichts der engen Verzahnung zwischen dem Land und den Gemeinden hält der SPD- Politiker ein Mandat in beiden Gremien für nützlich. Schließlich würden beispielsweise viele Gesetze im Landtag beschlossen, die in den Kommunen dann praktiziert werden müßten. So ist der Sozialdemokrat denn auch aus eigener kommunalpolitischer Erfahrung gegen zu viel Reglementierung. Die Spontaneität müsse viel stärker als bisher die Bürokratie ersetzen. So nimmt er auch auf Landesebene seine Arbeit in der Kommission Personalbedarf und Stellenpläne des Landtages sehr ernst.
    Angesichts der mannigfaltigen Aufgaben auch im außerparlamentarischen Raum ist für Ulrich Schmidt die Sieben-Tage- Woche "normal". So ist es auch sehr selten, daß seine Sangesfreunde ihn auf ihren Proben begrüßen können.
    Jochen Jurettko

    ID: LI810614

  • Porträt der Woche: Peter Daners (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 5 - 16.02.1981

    Das "Sich-Öffnen" den Mitmenschen gegenüber - ihren Problemen und Sorgen hat sich Peter Daners seit vielen Jahren zur Aufgabe gestellt. Eine ebenso beachtliche wie mühsame Verpflichtung des im Wahlkreis Neuss III direkt gewählten CDU-Abgeordneten. Der 46jährige Parlamentsneuling freut sich daher, daß ihn seine Fraktion gerade in zwei Ausschüssen delegiert hat, die den Mitbürgern besonders zugewandt sind, in den Sozial- und den Petitionsausschuß.
    Die stark ausgeprägte soziale Komponente gewann der gebürtige Grevenbroicher schon in frühen Jahren durch Kriegsschicksale in der eigenen Familie und später in Begegnungen mit christlich-sozial geprägten Menschen. So war es schließlich kein Zufall, daß er nach Studium der Rechts- und Sozialwissenschaften und Absolvierung beider juristischer Staatsexamen sich 1965 für die frei werdende Stelle des Sozial- und Rechtsdezernenten in seinem Heimatkreis Grevenbroich entschied.
    Und in seinem damaligen Tätigkeitsbereich waren es besonders die Kindergärten und die Behinderten, die sein Engagement schätzenlernten. So schuf Peter Daners in mühsamer Kleinarbeit für jene benachteiligten Mitbürger ein umfassendes Angebot, das von der vorschulischen Betreuung über Sprachhilfen bis zu Werkstattplätzen reichte. Sieben Jahre später, 1972 zum Stadtdirektor von Dormagen gewählt, gelang es dem Verwaltungsexperten während der kommunalen Neuordnung erfolgreich, Dormagen vor dem "Zugriff" benachbarter Städte wie Köln zu bewahren.
    1966 in die CDU eingetreten, fand der Vorsitzende der Kommunalpolitischen Vereinigung des Kreises Neuss den Weg zur Politik und schließlich in den nordrhein-westfälischen Landtag über die Gemeindepolitik. "Ich sah die Möglichkeit, im Landesparlament an dem mitzuarbeiten, was man bislang auf unterer kommunaler Ebene zugearbeitet hat", begründet der Abgeordnete seine Kandidatur bei der letzten Landtagswahl.
    Aufgrund seiner langjährigen Erfahrungen im Behindertenwesen hält Peter Daners es für erforderlich, daß die besondere Verantwortung gegenüber diesen Mitbürgern wieder in die Hände von Parlamentariern gelegt wird. Nach seiner Ansicht versucht heute die Gesellschaft sich zu viel mit Spenden ein Alibi zu schaffen. Und die Bereitschaft der Arbeitgeber, mehr Behinderte einzustellen, setzt nach Auffassung des CDU- Abgeordneten eine "Überzeugungsbildung" in den Betrieben, vor allem bei den Personal- und Betriebsräten voraus. Es sei nämlich oft schwierig, Verständnis in der Belegschaft für behinderte Arbeitskollegen zu finden. Dabei seien sie häufig nicht weniger, sondern anders leistungsfähig.
    Bei einem anderen Schwerpunkt seiner parlamentarischen Tätigkeit plädiert Peter Daners dafür, wegen der knappen Landesfinanzen die Kostenexplosion im Krankenhausbau durch ein Leasing-Verfahren zu entschärfen oder für die Träger, die sich selber das Geld vom Kapitalmarkt holen, den Schuldendienst zu übernehmen. Schließlich würden auch die folgenden Generationen von der heutigen Errichtung der Krankenhäuser profitieren, und sie sollten sich daher auch an den Kosten beteiligen.
    In seiner Freizeit widmet sich der Vater von zwei Jungen (10 und 13 Jahre) einem nicht alltäglichen Hobby - der regionalen Geschichte. Und die in der Vergangenheit gegründeten Geschichtsvereine in Dormagen und Grevenbroich sind auf seine Initiative hin entstanden. Seine Fraktionskollegen schätzen schon heute an dem engagierten Neuling seinen rheinischen Optimismus und seine westfälische Beharrlichkeit. Peter Daners: "Meine Vorfahren stammen eben je zur Hälfte aus dem Rheinland und aus Westfalen." Eine gute Mischung! Jochen Jurettko

    ID: LI81051F

  • Porträt der Woche: Bodo Champignon (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 4 - 06.02.1981

    Blöde Witzchen über seinen Namen können Bodo Champignon heute nur noch ein müdes Lächeln entlocken. Er kennt sie alle. Der Sproß einer alten Hugenottenfamilie verhehlt allerdings auch nicht, daß er diese Gelassenheit seinem eigenen Namen gegenüber erst mühsam lernen mußte. Als Heranwachsender habe er es kaum gewagt, sich Mädchen vorzustellen, erinnert sich der inzwischen 39jährige heute eher amüsiert.
    Den Dortmunder Christdemokraten ist das Lachen über Bodo Champignon spätestens am 11. Mai 1980 im Halse steckengeblieben. Mit 3,7 Prozent plus erzielte der neue Kandidat im Wahlkreis 133 den höchsten Zuwachs aller SPD- Abgeordneten in der östlichen Ruhrgebietsmetropole. Ein solches Ergebnis dämpfte ein bißchen das Lampenfieber, mit dem der gelernte Industriekaufmann seine ersten parlamentarischen Gehversuche im Düsseldorfer Landtag machte. " Wie ein Blinder im Nebel" habe er sich in den ersten hektischen Tagen der neuen Legislaturperiode im Landtag gefühlt. Auf die Frage, wie er denn als Neuling von den "alten Hasen" in der Fraktion aufgenommen worden sei, antwortet Bodo Champignon zunächst mit einem spontanen "jovial", korrigiert dieses jovial aber auf die Zusatzfrage, ob Jovialität etwa das Klima zwischen alten und jungen Abgeordneten in der SPD- Fraktion präge, zu einem "fair".
    Ein solcher verbaler Rückzieher mag charakteristisch sein für den jungen Dortmunder Abgeordneten. Wichtiger als bestimmte Reizworte ist ihm die Sache. Das Beispiel Gesamtschule verdeutlicht diese Haltung: In der Wortwahl ist er nicht mit allem einverstanden, was die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zu den Plänen der Landesregierunggesagt und geschrieben hat. Die Kritik selbst teilt er. Bodo Champignon: "Damit identifiziere ich mich. Ich bin gegen das Wischi-Waschi in einigen Passagen des Gesetzentwurfes. Ich bin gegen eine Bestandsgarantie für jedes Gymnasium um jeden Preis. Der Gesamtschule gehört die Zukunft."
    Das ist eine klare Sprache, die der Dortmunder Abgeordnete in der Gewerkschaft gelernt hat, wo er sich viel früher als in der SPD engagiert hatte. 1956 - dreizehn Jahre, ehe er das Parteibuch der SPD erwarb - wurde er Mitglied der IG Bergbau. Champignon lernte damals übrigens auf der gleichen Zeche, auf der sein Vater 1944 tödlich verunglückte. 1961 wechselte er über zur IG Metall, wurde Vertrauensmann und Betriebsrat bei Hoesch. So kann es niemanden verwundern, daß neben der Bildungspolitik die Zukunft der Stahlstadt Dortmund dem gebürtigen Dortmunder Landtagsabgeordneten besonders am Herzen liegt. Für ihn war es eine Selbstverständlichkeit, bei der großen Dortmunder Demonstration Ende vergangenen Jahres mitzumarschieren, um sich ganz persönlich zu engagieren für das neue Stahlwerk, das seiner Ansicht nach "einfach kommen muß, sonst trocknet die ganze Region aus".
    In der politischen Gesäßgeographie sieht sich Bodo Champignon "links von der Mitte". Er räumt ein, daß dies zur Zeit kein besonders gemütlicher Platz ist. Es habe schon Zeiten gegeben, in denen es mehr Spaß gemacht habe, Sozialdemokrat zu sein, ein "linker" zumal, räumt der Abgeordnete freimütig ein. Wenn es heute beispielsweise in der Partei fast als verwerflich gelte, Pazifist zu sein, dem Pazifismus das Wort zu reden, dann könnten sich ihm schon "die Nacken haare sträuben" - um des lieben Friedens willen mit der Partei mag er ein solches Thema aber öffentlich nicht vertiefen.
    Die obligatorische Frage schließlich nach den Freizeitbeschäftigungen eines Abgeordneten beantwortet Champignon mit einem Wort: "Familie." Wann immer es ihm gelingt, Termine abzuwehren, sei er bei seiner Frau und den beiden Söhnen (13 und 16). Er habe natürlich nichts zu verbergen, aber was man da so mache im Familienkreis, gehe die Öffentlichkeit eigentlich nichts an, weist er weitere neugierige Fragen ab. Recht hat er. Reinhard Voss

    ID: LI81041E

  • Porträt der Woche: Hanns Backes (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 3 - 02.02.1981

    Bei der Debatte um den Sportbericht der Landesregierung hatte Hanns Backes von der CDU-Fraktion seinen ersten Auftritt im Parlament. Wenn es um die Entwicklungen im Schulwesen geht, wird er wieder sprechen - "In der Theorie gibt es viel Unsinn, da braucht man die Männer der Praxis", meint der56jährige Realschuldirektor außer Diensten aus Netletal 2 (Kaldenkirchen) an der niederländischen Grenze. Dabei wollte er, im Juni 1945 als Marinesoldat aus französischer Kriegsgefangenschaft getürmt, eigentlich "alles andere als Lehrer werden, am liebsten Jurist". Aber wie studieren? Der Kriegsfreiwillige holte mit 21 Jahren sein Abitur nach und "dann sprach mich auf der Straße ein hübsches Mädchen an: in sechs Wochen kannst du Schulhelfer werden". Backes wurde. Ein Hochschulstudium in Aachen folgte. 1949 legte er die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Volksschulen ab und war bis 1954 dort Lehrer, anschließend Realschullehrer bis 1959, dann Direktor-Stellvertreter. 1963 wurde er, "obgleich die CDU bei uns nie die absolute Mehrheit hatte", einstimmig zum Realschuldirektor gewählt. Im Mai 1980 tauschte er dieses Amt mit der Tätigkeit im Parlament. Backes sitzt hier im Ausschuß für Schule und Weiterbildung sowie im Sportausschuß.
    Als Backes sich 1949 entschloß, einer Partei beizutreten, hat er sich "auch die SPD angesehen, dann aber für die CDU entschieden". 1952 wurde er in seiner Partei aktiv, weil er die schulische Situation verbessern wollte. Inzwischen ist er 18 Jahre lang kommunalpolitisch tätig, war 14 Jahre lang Fraktions vorsitzender im Rat der Stadt Kaldenkirchen und zehn Jahre Mitglied des Kreistages Viersen (1970 bis 1980). Seit 1975 ist Backes Landrat. Die Tätigkeit im Landtag ist für ihn "eine gute Verbindung von zwei Ämtern", obwohl er sich,, von Anfang an klar war, in Düsseldorf keine Bäume ausreißen zu können. Aber helfen kann ich den Bürgern meines Kreises doch recht oft", meint er. Da ist der Lehrer- Kollege, der ihn drängt, "endlich einmal die Korrespondenz mit dem Kultusminister zu Ende zu bringen - der antwortet partout nicht!" Da sind zwei Landwirte, die "in der Bürokratie hängengeblieben" sind: Der für sie zuständige Minister hatte am 10. November 1980 einen Erlaß herausgegeben (Zuschüsse für Bodenverbesserung im Jahre 1980), der entsprechende Brief des Regierungspräsidenten kam aber erst am 6. Januar 1981 an. "Die Verwaltungspanne kann die Bauern Geld kosten, fürchten diese. Der Herr Landrat soll da mal nachfassen. "Backes will's tun.
    In den Landtag wollte Backes schon 1970, aber die Entscheidung "Lehrer bleiben oder Abgeordneter werden fiel damals noch zugunsten des Lehrers. Ich war und bin es gerne". Im Mai 1980 holte er den Wahlkreis 57 (Viersen II) mit 51,8 Prozent der Stimmen für die CDU. Sein Vorgänger Julius Louven hatte ihm den Weg freigemacht, indem er für den Bundestag kandidierte. Seither kommt der Sport bei Backes viel zu kurz, zumal er gleich in fünf Sparten aktiv ist: auf dem Tennisplatz, beim Waldlauf, auf dem Fußballfeld, beim Segeln und auf der Skipiste. Seit vielen Jahren ist er "nebenbei" Skilehrer, war mit seinen Schülern regelmäßig im Hochschwarzwald zum Wintersport. Tennispartner sind seine beiden Söhne, ein angehender Architekt und ein Jurastudent. Bei der Frage nach Freizeitbeschäftigung lächelt Backes milde: "Jetzt einmal in der Woche Fußball in der Halle, demnächst wieder eine Schwarzwaldfahrt, im Sommer mit den Söhnen segeln ..." Zeit für Lektüre bleibt auch noch. Die Geschichte des 19. Jahrhunderts und die Lebenserinnerungen von Politikern haben ihm viele (Er-)Kenntnisse gebracht. Das soll so bleiben.
    Hans Krieger

    ID: LI81031F

  • Porträt der Woche: Loke Mernizka (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 2 - 26.01.1981

    Über die Gewerkschaftsarbeit ist er in die Politik gekommen, weil er "schon in jungen Jahren" erkannt hat, daß man "die Interessen der Kollegen und seine eigenen in der Gesellschaft wahrnehmen muß". Loke Mernizka (41), SPD- Abgeordneter seit dem letzten Mai, versteht sich denn auch in erster Linie als Anwalt derjenigen, aus deren Reihen er kommt: der Arbeiter. "Walzwerker" nennt er als Berufsbezeichnung, und er ist stolz darauf, daß er in diesem Metier 25 Jahre lang gearbeitet hat, ehe er 1979 freigestelltes Betriebsratsmitglied im Krupp-Stahlwerk Siegen-Geisweid wurde.
    Er fußt auf der "realistisch-praktischen Basis", deren Bedeutung er stets herausgestellt hat. So besonders in den fünf Jahren von 1970 bis 1975, als er stellvertretender Bundesvorsitzender der Jungsozialisten war und auf Kongressen und in Interviews immer wieder dagegen wetterte, daß die SPD "zu intellektuell" geführt werde. "Damals war es doch weitgehend so", erinnert sich Mernizka, "daß auch in Ortsvereinen, die zu zwei Dritteln aus Arbeitern bestanden, in den Vorständen nur Lehrer und Diplom- Volkswirte saßen."
    Die SPD habe seinerzeit "in der Gefahr gestanden, sich von ihrer Basis zu entfernen". Doch inzwischen sei dies besser geworden. Die Gründung der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) habe manches geändert, "auch im Blick auf die Besetzung von Funktionen".
    Der früher sehr streitbare Jungsozialist Loke Mernizka hat Frieden mit seiner Partei geschlossen. Und dies "keineswegs aus Resignation". Nein, er ist heute überzeugt, "daß wir in Bonn und auch hier in Düsseldorf sehr viel geschafft haben, besonders auf den Feldern der Gesellschafts- und der Sozialpolitik". Nur müsse dies "noch weiter aufgearbeitet und allgemein begreifbarer" gemacht werden. Daß die finanziellen Mittel jetzt spärlicher fließen, ist für ihn kein Grund, pessimistisch in die Zukunft zu blicken. So sieht er "auch wieder mehr Engagement und Bereitschaft zur praktischen Mitarbeit" bei der Jugend, bewertet deren Stellung zu Staat und Gesellschaft " viel positiver als die meisten Studien" und glaubt, "daß der überwiegende Teil unserer Bürger zum Mitgestalten bereit ist". Protesthaltungen einzelner Gruppen dürfe man nicht überbewerten und das "Reden von der allgemeinen Staatsverdrossenheit" kann man nach Mernizkas auf intensiven Basiswissen gründender Erkenntnis "getrost aufhören".
    Der schwergewichtige Politiker, der auch seinen Worten durch die Klarheit der Diktion Gewicht zu geben versteht, ist bereits 1954 als Anlernling bei den damaligen Stahlwerken Südwestfalen, wo schon der Großvater und der im Zweiten Weltkrieg gefallene Vater gearbeitet hatten, zur Gewerkschaft gestoßen. In der Jugendarbeit der IG Metall wurde er "so häufig mit politischen Entscheidungen konfrontiert", daß er sich 1966 "nach reiflichem Überlegen" der SPD anschloß und dann "gleich aktiver Juso" wurde.
    Ebenso wie seinerzeit im Bundesvorstand der Nachwuchsorganisation macht Loke Mernizka auch die Arbeit im Landtag "viel Spaß". Wobei es ihm "nicht so sehr auf die direkte Tätigkeit im Parlament ankommt, sondern auf den Brückenschlag zwischen der Kommunal- und der Landespolitik". Deshalb hat er auch keine Bedenken, die Doppelfunktion als Mandatsträger in Düsseldorf und als SPD-Fraktionsvorsitzender im Rat der Stadt Siegen beizubehalten. Um die Belastung nicht zu groß werden zu lassen, gehört Loke Mernizka "bewußt nur einem Ausschuß" an, dem für Jugend, Familie und politische Bildung, und ist Stellvertreter in den Ausschüssen für Städtebau und Wohnungswesen sowie für Arbeit, Gesundheit und Soziales.
    Der verwitwete Vater eines Sohnes (21 Jahre "und auch Juso") füllt seine knappe Freizeit mit Lesen und dem "Abschalten bei leichter klassischer Musik" aus und fährt "oft hinaus ins Land", um sich "etwas anzusehen". Daß er nie einen Führerschein besessen hat, ficht ihn dabei nicht an. Er läßt sich vom Sohn oder auch von Freunden fahren und meint lachend: "Ich bin auch ohne dieses Wohlstandszeugnis in der ganzen Welt herumgekommen."
    Karlegon Halbach

    ID: LI810202

  • Porträt der Woche: Franz Riscop (CDU).
    Porträt
    S. 11 in Ausgabe 1 - 19.01.1981

    Bis vor kurzem kannte er nur .Jeden Weg im Siebengebirge" und die Wanderwege der vorderen Eifel, jetzt ist er dabei, in wenigen Monaten das ganze Land Nordrhein-Westfalen kennenzulernen. Und dessen Rathäuser. Die vergleicht er dann gerne mit "seinem" Rathaus - "und da schneidet Königswinter ausgezeichnet ab". Die Rede ist von Franz Riscop aus eben jenem Königswinter, südlich der Bundeshauptstadt gelegen, unweit der Grenze zu Rheinland-Pfalz, wohl 300 km von des Landes nördlichstem Teil entfernt, dem Kreis Minden-Lübbecke. Als Mitglied des Petitionsausschusses hat der Parlamentsneuling aus der Fraktion der CDU bereits "mehrere tausend Kilometer" zurückgelegt. Er arbeitet "mit großer Freude" in diesem Ausschuß, vor allem auf dem Sachgebiet Bauwesen, konnte "bei vielen Ortsterminen echt helfen", beide Seiten von oftmals harter Meinung herunter- und schiedlich-friedlich zusammenbringen. Das geschieht meist im örtlichen Rathaus, wo der Petitionsausschuß auf seinen Reisen zu tagen pflegt.
    Das Rathaus seiner Geburts- und Heimatstadt kennt der 47jährige Schriftsetzermeister, der eine Akzidenz-Druckerei, einen Familienbetrieb, in der dritten Generation fortführt, in- und auswendig; er ist Mitglied des Rates der Stadt Königswinter seit 1969 und seit 1971 auch Vorsitzender der CDU-Fraktion. Vorher war Riscop schon im Rat der Stadt Niederdollendorf (seit 1961) und dort auch fünf Jahre lang Bürgermeister. Er kann sich zu Recht zu den gestandenen Kommunalpolitikern im Landtag rechnen, und deshalb weiß er genau, "wie Gesetze, die wir hier in Düsseldorf machen, sich unten auswirken".
    Als Riscop 1956 der Jungen Union beitrat, ein Jahr später der CDU, geschah das "aus einer gewissen Verärgerung heraus, aus Trotz auch. Mir paßte es, wie vielen meiner Freunde, nicht, was da im Rathaus gemacht wurde. Das mußt du zu ändern versuchen, sagte ich mir und bin deshalb in die damalige Opposition eingetreten." Sie ist heute in Königswinter in der politischen Verantwortung; im Lande nicht, wiewohl Riscop in seinem neu zugeschnittenen Wahlkreis 28 (Rhein-Sieg-Kreis II) mit der satten Mehrheit von 52,3 Prozent gewann. Zugute kam ihm dabei sein langjähriges Engagement in örtlichen Vereinen, im Schützen wesen wie im Kirchenchor. "Alle, die etwas darstellen, müssen da Mitglied sein", meint Riscop unter Hinweis aus Gepflogenheiten, die regional wohl recht unterschiedlich sind in einem Land aus der Retorte, das nicht überall von Tradition und Brauchtum strotzt, da zuviel neu gebaut und neu gegliedert wurde.
    Im Landtag sitzt Riscop nicht nur im Petitionsausschuß, sondern auch im Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen, wo er sich vor allem um Sanierungsfragen kümmert. Im Ausschuß für Haushalt und Finanzen ist er stellvertretendes Mitglied. "Konsolidierung des Haushalts" geht ihm leicht über die Lippen, nachdem es - mit seiner kräftigen Hilfe - gelungen ist, im heimischen Königswinter eine für 1981 geplante Haushaltsausweitung von 24 auf 9,5 Millionen Mark zu begrenzen.
    Die Beschäftigung mit Kommunal- und Landespolitik, dazu eine Reihe von Ehrenämtern (wie in der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU) kostet eine Menge Zeit. Dabei gehört der Freitag grundsätzlich dem eigenen Betrieb, den inzwischen ein Mitarbeiter hauptverantwortlich leitet. Der Meister bleibt allerdings so nahe am Geschehen, daß ihm "nichts davonläuft". Er steht auf dem Standpunkt, den erlernten und ausgeübten Beruf weiterhin so pflegen zu sollen, daß er jederzeit dorthin zurückkann, wenn er das möchte oder müßte.
    Ein langjähriger Freundeskreis führt ihn an fast jedem Wochenende in die nahe Eifel zu ausgiebigen Wanderungen. Zu Hause, bei Frau und Tochter, schätzt Franz Riscop ein Glas Wein "zum Abschalten" nach den länger gewordenen Arbeitstagen. Der Rebensaft kommt oft aus dem gegenüberliegenden Siebengebirge, aus Deutschlands nördlichstem Weinbaugebiet. Hans Krieger

    ID: LI810105

  • Porträt der Woche: Robert Schumacher (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 28 - 19.12.1980

    Es ist so leicht zu fordern, daß sich mehr Selbständige für die Politik zur Verfügung stellen. In der Praxis kann es ein hartes Brot sein, der doppelten Aufgabe von Beruf und Politik gerecht zu werden. Von der Familie einmal ganz abgesehen.
    In dem 44jährigen Robert Schumacher (verheiratet, zwei Kinder) aus Remscheid hat der Landtag, hat die SPD einen solchen Mann, einen gestandenen Kommunalpolitiker obendrein. Der Meister im Zentralheizungs- und Lüftungsbauhandwerk und staatlich geprüfte Heizungstechniker hatte sich schon während seiner Lehrzeit für Politik interessiert und verschiedene Positionen in den Jugendverbänden der Europa-Union innegehabt, unter anderem im Landesvorstand der Jungen Europäischen Föderalisten.
    In die SPD trat er 1963 ein, weil er aus dem Besuch zahlreicher Versammlungen die Erkenntnis gezogen hatte, daß "hier der Ausgleich der Interessen von Arbeit und Kapital am aufrichtigsten verfolgt wird, daß hier auch innerparteilich Demokratie großgeschrieben wird". 1964 saß er bereits als "sachkundiger Bürger" im Bauausschuß der Stadt, ein Jahr später wurde er Ratsherr. Seit 1971 ist Schumacher Fraktionsvorsitzender der SPD im Rat der Stadt Remscheid. Seit 1975 gehört er auch dem Aufsichtsrat der Stadtwerke GmbH an.
    Im Wahlkreis 37 (Remscheid) hat Schumacher bei der letzten Landtagswahl 4,4 Prozent zugelegt für die SPD und sie damit auf einen Stimmenanteil von 49,8 Prozent hochgezogen. Er löste Heinz Janssen ab, der dem Parlament zehn Jahre lang angehört hatte. Im Hohen Haus wie in der Fraktion hat der Neuling "noch keinen Moment vor der Tür gestanden", wurde er "sofort voll akzeptiert und integriert". In welchem Ausschuß er sitzt, bedarf kaum der Frage - im Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen. Die Bildung des neuen Ministeriums für Landes- und Stadtentwicklung hat die Aktivitäten des "Bauausschusses" nicht nur auf eine neue Basis gestellt, Schumacher hält es auch für wichtig, daß Fachleute aus der Bauwirtschaft wie aus der Kommunalpolitik hier ihren Sachverstand, ihre praktischen Erkenntnisse von "vor Ort" einbringen. Somit "wird nicht nur theoretisiert in den Sitzungen, ist vielmehr der Bezug zur Praxis immer gegeben".
    Schumacher bekennt, daß er auch gerne Mitglied des Wirtschaftsausschusses geworden wäre (er ist hier "nur" stellvertretend tätig). Als selbständiger Handwerksmeister mit dem vielzitierten gesunden Mittelbetrieb kennt er "die Klagen von vielen Kollegen, daß den meisten Abgeordneten angeblich die Erfahrungen aus dem Alltag der gewerblichen Wirtschaft fehlen, daß bürokratische Hemmnisse abgebaut werden müssen". Da will er seine speziellen Kenntnisse einbringen in die Fraktionsarbeit, auch mithelfen am Konzept zur Wirtschaftsstrukturpolitik für das Bergische Land. Wer sich so engagiert für Partei und Politik einsetzt wie Meister Schumacher, dem "kann nicht viel Platz für Freizeit, für ein Hobby bleiben". Und wenn doch mal Zeit ist, gehört sie dem Lesen von Büchern, geschichtlichen vor allem. Hans Krieger

    ID: LI802822

  • Porträt der Woche: Antonius Rüsenberg (CDU).
    Porträt
    S. 11 in Ausgabe 27 - 15.12.1980

    Ein bequemer "Ja-Sager" in seiner Fraktion wird er nicht sein, der 37jährige Sozialarbeiter aus dem westfälischen Städtchen Steinheim. Er ist der erste aus seinem Geburtsort, der den Sprung in den Landtag geschafft hat. Als Direktkandidat - sozusagen auf Anhieb - und mit einem respektablem Ergebnis von 62 Prozent. Das gibt Selbstbewußtsein und wird von ihm selbst als die Krönung einer politischen Familientradition empfunden. Schließlich war der Großvater bereits erster Nachkriegsbürgermeister von Steinheim und der Vater Amtsvertreter.
    Die zehnjährigen Berufserfahrungen des gelernten Landmaschinenschlossers, der dann noch vier weitere Lehr- und Studienjahre in Bad Honnef und Köln zulegte, um Sozialarbeiter bei der Kreisverwaltung im westfälischen Höxter zu werden, haben ihn geformt. Sie haben den Sohn eines Tischlers aber auch gelehrt, daß nicht nur an der Hobelbank Späne fallen, wenn es zur Sache geht. Diese Erfahrungen haben ihn frei bleiben lassen von jenen theoretischen Doktrinen, mit denen sich so viele Jungparlamentarier zu plagen haben, die von der Hochschule ohne jegliche Berufserfahrung sofort ins politische Geschäft gesprungen sind.
    Antonius Rüsenberg weiß was er will und vermag es auch ohne Umschweife zu formulieren. Er hat, vor allem in seinen sozialpolitischen Berufsjahren, gelernt zuzuhören und sich in die Lage anderer zu versetzen, selbst wenn es sich dabei um eine "Schief-Lage" handelt. Er kann aber auch diskutieren und argumentieren, beides wichtige Eigenschaften für Politiker, die leider so vielen Parlamentariern für alle politischen Ebenen, gerade auch in der Landespolitik, fehlen oder abhanden gekommen sind. Den Menschen zu helfen, war sein selbstgewählter - erst nach einer sicherlich nicht leichten Kurskorrektur erreichter-Beruf, Politik sein Hobby. Jetzt-da er Hobby und Beruf vertauscht hat- wird er erleben, wie schwer es Politiker auf Landesebene haben, auch Menschen unmittelbar zu helfen. Der Sozialarbeiter Rüsenberg war für den einzelnen da, vor allem für junge Menschen, die sich in den Fallstricken von Alkohol und Drogen, von Labilität und Kriminalität verfangen hatten. Der "Gesetzgeber" Rüsenberg soll, zusammen mit 200 weiteren Parlamentariern, Spielregeln für rund 17 Millionen Landesbewohner festlegen. Ein Dilemma, an dem schon so mancher Parlamentarier innerlich zerbrochen ist. Rüsenberg, zugleich ein engagierter Familienpolitiker, scheint dagegen gewappnet zu sein. Seine Tätigkeit im Petitionsausschuß läßt ihn das Erfolgserlebnis, auch im einzelnen helfen zu können, nicht ganz vermissen. Seine Familie - Frau Mechthild und seine beiden Söhne Michael und Stefan - und sein wacher Blick für die Realitäten des Lebens werden ihn davor bewahren, der Hybris junger Landespolitiker zu erliegen. Die Enttäuschungen über "Rückfällige", die keinem Sozialarbeiter erspart bleiben, sollten ihn vor der Frustration vieler Oppositionspolitiker bewahren. Rüsenbergs Partei-Karriere in der,, Jungen Union'' und der CDU von Steinheim und des Kreises Höxter wird später im Landtagshandbuch nachzulesen sein, ebenso wie etwa seine Tätigkeit in der katholischen Arbeiterbewegung oder bei den Kolpingsöhnen. Für den Politiker Rüsenberg hat sie ihr Gewicht. Auf der parlamentarischen Waage werden menschliche und berufliche Erfahrungen und ihr Umsetzen in praktische Politik stärker ins Gewicht fallen, aber auch Standvermögen und Zivilcourage! Und noch eines zeichnet den jungen CDU-Abgeordneten aus Westfalen aus. Er läßt sich innerhalb seiner Partei und Fraktion weder als links noch als rechts einordnen. Ihm geht es um die Sache und nicht darum, ob ein "evangelischer Brillenträger aus Westfalen" oder ein "katholischer Kolpingbruder aus dem Rheinland" die Meinung der CDU vertritt. Karl Fischer

    ID: LI802715

  • Porträt der Woche: Günther Sieg (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 26 - 08.12.1980

    Als Mitte 1978 im neugegliederten Wahlkreis 97 (Steinfurt III) die SPD zur Kandidatenkür für die Landtagswahl 1980 schritt, schlug der Landesoberverwaltungsrat Günther Sieg aus Tecklenburg zwei Mitbewerberinnen aus dem Felde. Als am 11. Mai dieses Jahres die Bürger den neuen Landtag wählten, gab es wieder einen Sieg für Sieg. Der inzwischen 44jährige besorgte der SPD in seinem Wahlkreis erstmals das Direktmandat. Damit hat die Volksvertretung einen Juristen mehr in ihren Reihen. Er sitzt in den Ausschüssen für Wirtschaft und Kultur. Im ersteren kann Sieg für das nördlichste Steinkohlenrevier der Bundesrepublik (Raum Ibbenbüren/Lengerich), wo im Laufe der Jahre von 8000 Arbeitsplätzen die Hälfte verlorenging, seine Stimme erheben und "in Sachen regionale Wirtschaftsförderung hoffentlich etwas tun", im Kulturausschuß will der musik- und theaterkundige Münsterländer (aus alteingesessenen Bauern- und Handwerkerfamilien) Beiträge dafür leisten, daß das Stadt-Land-Gefälle im kulturellen Bereich sich weiter abflacht.
    Illusionen macht sich der Neuling, der sich "sehr kollegial aufgenommen" fühlt und ein halbes Jahr Anlaufzeit so nutzte, daß er "zum richtigen Durchblick" kam, nicht - "Politik machen in Düsseldorf wird sicher nicht leicht werden!" Aufgrund der veränderten Finanzlage, begründet Sieg seine vorsichtige Prognose, ist der Boden in der Kasse gut sichtbar geworden, kann auch die allgemeine wirtschaftliche Situation keinen Landespolitiker zu Hochsprüngen veranlassen oder auch nur zu Versprechungen - die Jahre dafür sind unwiderruflich dahin.
    Sieg ist ein Mann, der die Dinge gründlich analysiert, ehe er etwas dazu sagt. Diese Einstellung mag mit ein Ergebnis seiner juristischen Studien in Münster sein, die er mit beiden Staatsprüfungen abschloß. Er war damit zugleich an seinen Geburtsort zurückgekehrt, den er kurz vor Kriegsende hatte verlassen müssen - die Familie wurde ausgebombt und siedelte nach Tecklenburg über, wo er auch das Abitur baute. Nach dem Studium, zu dem einige Semester Staatswissenschaften gehört hatten, arbeitete Sieg in Anwaltspraxen, ehe er als Justitiar in die Dienste des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe in Münster trat. Seit seinem Einzug in den Landtag befindet sich der Landesbeamte im einstweiligen Ruhestand.
    1959 war Sieg Mitglied der SPD geworden, ein Jahr später bereits ihr Fraktionsvorsitzender im Rat der "alten" Stadt Tecklenburg. 1969 schickte ihn die Partei auch in den Kreistag des ehemaligen Kreises Tecklenburg; 1975, nach der kommunalen Neugliederung, in den des Kreises Steinfurt.
    In der Partei brachte es Sieg inzwischen zum stellvertretenden Unterbezirksvorsitzenden von Steinfurt. Der seit 1968 verheiratete Jurist sagt freimütig: "Mein wichtigstes Hobby ist die Politik, besonders die Kommunalpolitik. Hier kann man den Menschen schon noch am wirkungsvollsten helfen. " Gestützt auf seine langjährigen kommunalpolitischen Erfahrungen Sieg ist seit Mai dieses Jahres auch Bürgermeister der Stadt Tecklenburg - möchte er diese Zielvorstellungen für die achtziger Jahre auch im Landtag "hautnah" für die Bürger mitverwirklichen: "Technik muß dem Menschen dienen, darf die Umwelt nicht zerstören und nicht zur Arbeitslosigkeit führen; die Selbstverwirklichung freier und mündiger Bürger darf nicht durch Bevormundung abgelöst werden." Dazu hat Sieg, dessen Lieblingsfach in der Schule Geschichte war, die Entwicklung der demokratischen Parlamente in Westeuropa gut studiert - es ist seine bevorzugte Lektüre. Hans Krieger

    ID: LI80261E

  • Porträt der Woche: Günther Hochgartz (CDU).
    Porträt
    S. 11 in Ausgabe 25 - 28.11.1980

    Wenn die Kommunalpolitik die vielzitierte ,,Schule der Politik" ist, dann hat sie Günther Hochgartz 25 Jahre lang "besucht", bevor er nach der Landtagswahl im Mai als direkt gewählter CDU-Abgeordneter im Wahlkreis 91 Borken I ins Düsseldorfer Landesparlament einzog. Solange nämlich gehört der gebürtige Bocholter dem Stadtrat seiner Heimatstadt an, der ihn 1964 zum Oberbürgermeister und nach der Eingliederung Bocholts in den Kreis Borken zum Bürgermeister gewählt hatte. Sein Amt als stellvertretender Landrat gab der CDU-Politiker nach seiner Wahl in den Landtag freiwillig ab, um eine Ämterhäufung zu vermeiden.
    Das bisherige politische Wirken von Günther Hochgartz beschränkte sich allerdings nicht auf den kommunalen Bereich. Mit viel Engagement hat er in den letzten zwanzig Jahren in der Euregio die Belange der Bürger einer ganzen Grenzregion vertreten, und als Vorsitzender der deutsch-niederländischen Mozer-Kommission entfaltete er mannigfaltige Initiativen vor allem auf sozialem und kulturellem Gebiet. Seine Partei benannte ihn schließlich zum Ersatzkandidaten für das Europa-Parlament.
    Fest verwurzelt im Münsterland kämpfte der CDU-Politiker bei der Gebietsreform in den siebziger Jahren erfolgreich für den Verbleib Bocholts im Regierungsbezirk Münster. Die nicht nur im Düsseldorfer Innenministerium erörterte Zuordnung der nach Münster größten Stadt im Münsterland hätte unabsehbare Folgen für den Bezirk gehabt. Die dem selbständigen Elektrokaufmann und -meister verliehene Ehrenplakette der Handwerkskammer Münster ist ein beredtes Zeugnis der Anerkennung seines damaligen Kampfes in breiten Bevölkerungskreisen.
    Wenn Günther Hochgartz bisweilen gefragt wird, warum er noch als 62jähriger eine neue politische Aufgabe übernahm, so weist der frühere aktive Wasserballer, der mit dem Bocholter Wassersport-Verein in den fünfziger Jahren Deutscher Meister wurde, auf eine Grundregel im Sport hin: Für eine gute junge Mannschaft kann ein älterer Spieler von Nutzen sein. Warum sollte dies nicht auch für eine Fraktionsmannschaft gelten? Und der vitale Münsterländer, dessen ausgleichendes Wesen geschätzt ist, bringt eine gehörige Portion Sachverstand in die CDU-Opposition ein.
    Die Fraktion berief Günther Hochgartz in den Verkehrsausschuß und den Ausschuß für Landesplanung und Verwaltungsreform, außerdem ist er stellvertretendes Mitglied des Kommunalpolitischen und des Landwirtschaftsausschusses. Dabei handelt es sich um Gremien, wo der CDU-Parlamentarier glaubt, die Interessen der Bewohner des strukturell vernachlässigten Grenzraumes am besten vertreten zu können. Als Voraussetzung einer wirtschaftlichen Stärkung dieses Gebietes nennt er dabei die Erhaltung beziehungsweise den Ausbau des Verkehrsnetzes. Mit sicherem Gespür für das Machbare hat er sich erfolgreich für die Emsland-Autobahn eingesetzt, und er streitet heute für den Fortbestand der Bahnlinie Münster -Gronau-Enschede. Übrigens: Die vielfältigen Ämter, mit denen ihn seine Parteifreunde betraut haben, hat der Familienvater von drei Kindern stets ehrenamtlich wahrgenommen.
    Körperlich fit hält sich der 62jährige nicht allein durch tägliches Schwimmen; er ist ein passionierter (Berg- ) Wanderer und Ski-Langläufer. Und jener Ausspruch von Henry Ford scheint für den Münsterländer charakteristisch zu sein: "Jeder, der aufhört zu lernen, ist alt, er mag zwanzig oder achtzig zählen. Jeder, der weiter lernt, bleibt jung und wird ständig wertvoller. " Jochen Jurettko

    ID: LI80251A

  • Porträt der Woche: Albert Klütsch (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 24 - 17.11.1980

    Er will,,Politik zum Anfassen" machen, "anschaulich für den Bürger". Das hat er auf der kommunalen Ebene praktiziert, als er gegen die Bedenken der Verwaltung durchsetzte, daß Eltern Spielstraßen mitgestalten durften und alte Leute freie Hand bei der Einrichtung ihrer Altenstube bekamen.
    Albert Klütsch (36) möchte aber auch über den lokalen Bereich hinaus ,, Zuwendung als politisches Prinzip" verwirklicht sehen. Er rückt damit ebenso in die Nähe seines Landesvorsitzenden Johannes Rau wie mit seinem Wahlergebnis vom 11. Mai. Im zweiten Anlauf schaffte Newcomer Klütsch das zweitbeste SPD-Ergebnis im Land hinter dem Ministerpräsidenten. Im Wahlkreis Erftkreis Hl/Euskirchen I betrug sein Zugewinn gegenüber 1975 satte 5,2 Prozent bei etwa gleich hohen Verlusten seines CDU-Kontrahenten Lothar Theodor Lemper, der ihm damals das Direktmandat noch mit 1000 Stimmen Vorsprung vor der Nase weggeschnappt hatte. Albert Klütsch führt solchen Erfolg auf "Glück durch den Landestrend, aber auch auf viel Kleinarbeit an der Basis" zurück. Besonders in seiner Heimatstadt Wesseling hat er, der sich selbst als "rheinische Frohnatur" sieht, viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Das galt vor allem, als die 30000 Wesselinger im Chemiegürtel der Rheinschiene am 1. Januar 1975 im Zuge der kommunalen Neuordnung gegen ihren Willen Kölner wurden.
    Der junge Jurist Klütsch, der im Jahr zuvor sein Assessor-Examen abgelegt hatte, wurde nicht nur zu einem der Wortführer in der örtlichen Los-von- Köln-Bewegung, sondern auch zum Mitautor der schließlich erfolgreichen Verfassungsbeschwerde gegen die Eingemeindung. Als die Wesselinger gesiegt hatten, zog er als Lokalgröße in Stadtrat und Kreistag ein.
    Das Ratsmandat hat er 1979 wegen höherer Ambitionen wieder aufgegeben. Der junge und durchsetzungsbewußte SPD-Mann weiß: "Wenn man eine Sache macht, muß man sie ernsthaft machen. Das Jagen von einem Termin zum anderen nützt weder dem Politiker noch dem Bürger." Im Kreisparlament des Erftkreises leitet er den in der Ballungsrandzone zwischen den großen Nachbarn Köln und Bonn besonders wichtigen Planungsausschuß.
    Die Arbeit im Landtag sieht Albert Klütsch, der als Arbeitsrichter in den einstweiligen Ruhestand gehen mußte, als "reizvoll" an und hofft, daß er sich "neue Möglichkeiten zur Mitwirkung" erschließen kann. Politische Tätigkeit macht ihm "ausgesprochenen Spaß" und der treibt ihn nach eigener Erkenntnis "mehr als der Ehrgeiz". Er möchte "ein Stückchen Zukunft mitgestalten" und hat sich deshalb in den Ausschuß für Landesplanung und Verwaltungsreform und in den Justizausschuß delegieren lassen. Stellvertreter ist er außerdem im Petitionsausschuß sowie bei Arbeit, Gesundheit und Soziales. Zuviel? "Nein, keineswegs, ich bin belastbar. " Er fühlt sich in kommunizierender Funktion: "Transformator der Bürgerinteressen nach der einen, Moderator der Landespolitik nach der anderen Seite." Zur Politik kam der ehemalige Klosterschüler, als er noch Jura und Politologie studierte. Die Studentenbewegung von 1968 brachte ihn aktiv zu den Jusos, deren Vorsitzender er im ehemaligen Kreis Köln-Land von 1970 bis 1972 war. Doch "einseitig-doktrinär" sei er nie gewesen, sagt der frühere Fallschirmjäger- Leutnant und begeisterte Freizeitsportler. Skifahren, Wandern, Surfen und Volleyball stehen noch regelmäßig auf Wochenend- und Feierabendprogramm. Der weißen Piste ist Albert Klütsch besonders verbunden. Auf ihr hat er auch seine Frau Ingrid, aktive politische Mitstreiterin, schon als 21 jähriger kennengelernt. Karlegon Halbach

    ID: LI80241C

  • Porträt der Woche: Christa Thoben (CDU).
    Porträt
    S. 11 in Ausgabe 23 - 07.11.1980

    Zu den ganz wenigen Neulingen, die während der ersten Sitzungstage des neuen Parlaments bereits für ihre Fraktion sprechen konnten, gehört Christa Thoben (39) von der CDU. Ihr Einstand - bei der bitterernsten großen Stahldebatte vom 30. Oktober - begann mit einer Lachsalve: Der Parlamentspräsident sprach ihren Namen nicht korrekt aus, als er die Rednerin ankündigte. "Beim ersten Male verzeihe ich dem Präsidenten noch, wenn er mit meinem Namen nicht zurechtkommt", meinte Frau Thoben unerschrocken, worauf van Nes Ziegler schlagfertig konterte: " Wir müssen uns mal näher kennenlernen." Das geschah sofort - alle im Hohen Haus haben die forsche Dame kennengelernt in ihrer vielbeachteten "Jungfernrede". Und anerkennen gelernt. "Meine Nachredner sind alle auf mich eingegangen, das reicht mir für den Start. Es war das Beste, was mir passieren konnte", erklärte die Diplom-Volkswirtin unmittelbar nach der Sitzung. Unter denen, die sich mit ihren Ausführungen befaßt hatten, war immerhin das Professoren-Duo aus dem SPD-Kabinett, Farthmann und Jochimsen. Daß ersterer sie barsch vermahnte (" Wir machen hier keine Denkschulen, sondern praktische Politik. Daran müssen Sie sich noch gewöhnen!") und Jochimsen ihr "wirtschaftsseminaristische Überlegungen ... im Sinne ordnungspolitischen Perfektionismus" vorwarf, hat sie "weggesteckt". Die Dame ist sich ihrer durchaus bewußt; wenn manches, was sie sagt, den Kollegen unbequem sein sollte, so macht ihr das "überhaupt nichts aus".
    Christa Thoben ist in Bochum als Tochter eines Einzelhandelskaufmanns geboren, lernte den harten Alltag im Familienbetrieb kennen, wo nach Feierabend und sonntags die Fron der unbezahlten Hilfsarbeiten für den Staat den Eltern oft genug auch die Zeit für die Kinder nimmt. Nach dem Abitur studierte sie Volkswirtschaft in München, Wien und Innsbruck, schloß mit dem Diplom ab und arbeitete anschließend im Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen in der Strukturabteilung und an Branchenuntersuchungen, bevor sie 1978 in die Selbstverwaltung der Wirtschaft ging, als Geschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer zu Münster. Schwerpunkte ihrer Tätigkeit dort: Volkswirtschaftliche Grundsatzfragen und Außenwirtschaft. Weil ihr Hauptinteresse der Wirtschaft gilt, ist Frau Thoben "vor langen Jahren" auch der CDU beigetreten - "auf diesem Gebiet traue ich der CDU weitaus mehr zu als der SPD". Und sie ergänzt: "Da es angenehmer ist, ,Motor des Fortschritts' zu sein, kam für mich eine Mitgliedschaft in der SPD überhaupt nicht in Frage; da hätte ich nämlich den Hauptteil meiner Kraft dafür einsetzen müssen, Planern und Volksbeglückern die Flügel zu stutzen."
    Fast eine Selbstverständlichkeit, daß Frau Thoben, die über die Landesreserveliste ins Parlament einzog (auf dem der Mittelstandsvereinigung Westfalen zustehenden sicheren Platz), gleich einen Sitz im Wirtschaftsausschuß anstrebte und auch erhielt. Ihr Wort dort zählt, zumal in diesem Gremium strukturpolitischer Sachverstand sehr gefragt ist. Im Ausschuß für Haushaltskontrolle und Rechnungsprüfung wirkt Frau Thoben ebenfalls mit, und "es macht viel Spaß, ich bekomme einen Überblick über die Probleme aller Bereiche". Und die Hobbies der Junggesellin, die in Wattenscheid wohnt, "ziemlich fließend" Englisch spricht und weitgereist ist? Ein recht ausgefallenes: sie sammelt politische Karikaturen. Und eines, das sie als Leistungssportlerin ausweist: sie spielt Tennis in der Oberliga Westfalen, beim Gelsenkirchener TK Hans Krieger

    ID: LI80231B

  • Porträt der Woche: Ursula Kraus (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 22 - 03.11.1980

    Das "Ja" kam nicht spontan, als der Wuppertaler SPD-Unterbezirksvorstand die Industriekauffrau Ursula Kraus (50) eines Tages fragte, ob sie am 11. Mai für den nordrhein-westfälischen Landtag kandidieren wolle. Schließlich hatte sie Erfolg im Beruf, und ihre Tätigkeit als Leiterin des Verkaufs-Innendienstes einer Druckerei machte ihr viel Spaß. Mandat und Beruf waren aber miteinander nicht zu verbinden. Daß sich die Sozialdemokratin schließlich trotzdem für die Kandidatur im Wuppertaler Wahlkreis 36 entschied, begründet sie heute: "Man kann nicht immer wieder fordern, daß mehr Frauen in die Parlamente kommen, aber sich persönlich davon ausschließen." Mit einem Stimmenanteil von 53 Prozent sicherte Ursula Kraus schließlich ihrer Partei den neugeschnittenen Wahlkreis, der sich übrigens zur Hälfte aus dem alten Wahlkreis von Ministerpräsident Johannes Rau zusammensetzt.
    Im saarländischen Neunkirchen geboren, kehrte sie schon in frühen Kindesjahren mit ihren bergischen Eltern nach Wuppertal zurück, wo sie auch die Schule besuchte, das "Einjährige" machte und anschließend die kaufmännische Lehre absolvierte. Schon früh davon überzeugt, daß auch eine Frau auf "eigenen Beinen" stehen müsse, verbrachte die heutige SPD-Landtagsabgeordnete einige Zeit in Großbritannien, wo sie als sogenanntes Au-pair-Mädchen ihre englischen Sprachkenntnisse erweiterte.
    Es gehörte zur Familientradition, daß Ursula Kraus schon früh in der SPD mitarbeitete, bevor sie schließlich 1956 in die Partei eintrat. Ihre Parteifreunde beriefen sie in den folgenden Jahren in mehrere Vorstandsämter auf Orts- und Bezirksebene. So ist die engagierte Gewerkschaftlerin und Betriebsrätin im niederrheinischen Bezirksvorstand der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen. Die SPD-Politikerin, die "niemals geglaubt hat, ein Mandat zu übernehmen", wurde von ihrer Fraktion in den Wirtschafts- und den Petitionsausschuß des Düsseldorfer Landtages berufen.
    Die Landtagsabgeordnete möchte die Wirtschaftspolitik verstärkt darauf ausgerichtet sehen, die Arbeitslosigkeit auf ein Mindestmaß einzudämmen. Dafür seien natürlich auch strukturelle Hilfen des Staates erforderlich. Bezüglich der Klagen vor allem des Mittelstandes über "zuviel Bürokratie" bei der staatlichen Mittelvergabe macht Ursula Kraus darauf aufmerksam, daß es sich dabei schließlich um Steuergelder handele, deren mißbräuchliche Verwendung die öffentliche Hand verhindern müsse. In diesem Zusammenhang legt sie ein besonderes Gewicht auf die Berufsausbildung für Mädchen. Die Frauen seien nämlich in der Regel stärker von der Arbeitslosigkeit bedroht, da sie im allgemeinen nicht so gut ausgebildet seien wie ihre männlichen Kollegen.
    Bei einem weiteren Schwerpunkt ihrer Arbeit nutzen nach Auffassung der SPD- Politikerin keine Hilfsprogramme - die Gleichstellung der Frau in der Gesellschaft. Zwar sei die Gleichberechtigung in der Bundesrepublik gesetzlich verankert, doch die Praxis sehe noch anders aus. Es werde noch eines langen Weges zu diesem Ziel bedürfen. "Da muß vor allem eine Bewußtseinsänderung bei Frauen und Männern eintreten." Und ihre Mitarbeit im Petitionsausschuß sieht Ursula Kraus vor allem unter dem Aspekt, ratsuchenden Menschen auf direktem Weg helfen zu können. Überhaupt habe die Politik die Aufgabe, das Gefühl der Mitverantwortung für diejenigen in unserer Gesellschaft zu stärken, die oft auf der Schattenseite des Lebens stehen.
    Fragt man die SPD-Politikerin nach ihrer Freizeitbeschäftigung, so stehen Wandern und Schwimmen an bevorzugter Stelle. Auch greift sie gern zu einem Buch. "Es müssen nicht unbedingt politische Bücher sein, die moderne Literatur schätze ich." Mit dem Einzug der Wuppertalerin in den nordrhein-westfälischen Landtag stieg die Zahl der weiblichen Abgeordneten der SPD-Fraktion von sechs auf sieben. Die Sieben soll eine Glückszahl sein . .. Jochen Jurettko

    ID: LI80221F

  • Porträt der Woche: Dr. Helmut Llnssen (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 20 - 13.10.1980

    Zu den wenigen Neulingen im Parlament, die sich "MdL" schon weit vor der Wahl am 11. Mai auf die Besuchskarte drucken lassen konnten, gehört Dr. Helmut Linssen aus Geldern. Sein Wahlkreis ist traditionell der "schwärzesten" einer. Im allgemeinen Trend, mehr beeinflußt von der Bundes- als von der Landespolitik, mußte die CDU zwar auch in ihren Hochburgen wie dem linken Niederrhein Federn lassen, aber Linssen erzielte mit 59,9 Prozent noch ein vergleichsweise sehr gutes Ergebnis, landesweit das zweitbeste seiner Partei. Ein Phänomen in seinem Wahlkreis: hier kandidierten drei Selbständige gegeneinander bei den - damals - drei im Landtag verfetenen Parteien.
    Der siegreiche Kandidat der CDU, 1942 als "waschechter Niederrheiner" geboren, verstärkt nun die schmale Riege der Selbständigen im Landtag und ist "stolz auf wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit. Ich lebe nicht von dem Mandat. .." Eine Pause nach dieser Feststellung läßt Schlüsse offen, ob es so, wie es inzwischen in deutschen Parlamenten ist, gut und recht ist - die Debatte um die nächste Diätenerhöhung zieht am geistigen Auge wohl ebenso vorüber wie die Frage, ob ein Landtagsmandat ein Vollzeitberuf ist.
    Linssen, Sohn eines selbständigen Müllermeisters, hatte in Geldern das Humanistische Gymnasium besucht, ehe er sich in Hamburg und München wirtschaftswissenschaftlichen Studien zuwandte. Seit 1969 Diplom-Kaufmann, promovierte er 1972 bei Professor Nieschlag in München zum Dr. rer. pol. Das Thema seiner Dissertation ("Interdependenzen im absatzpolitischen Instrumentarium der Unternehmungen") weist Linssen als Marketing- Fachmann aus.
    Im Familienbetrieb, der Linssen KG, ist er für den Vertrieb der Mehle und Saatgüter zuständig, während Bruder Bernd, gelernter Müller und Mühlen-Ingenieur, technischer Betriebsleiter ist. Das Unternehmen zählt rund 70 Mitarbeiter und hat sich in Coesfeld, im Herzen des westfälischen Agrarraumes, einen Zweigbetrieb angegliedert.
    Linssen, der 1972 der CDU beitrat und 1975 Ratsherr in Geldern wurde, ist von seinem Wahlkreisvorgänger Dr. Jochen van Aerssen (inzwischen Mitglied des Bundestages und des Europaparlaments) zielbewußt in das landespolitische Geschäft eingeführt worden. Im Landtag kam er gleich als ordentliches Mitglied in jenen Ausschuß, den er sich gewünscht hatte, der für einen Neuling erfahrungsgemäß so leicht nicht zu erreichen ist: Ausschuß für Wirtschaft. In den Ausschüssen für Ernährung, Land-, Forst- und Wasserwirtschaft sowie für Jugend, Familie und politische Bildung ist er stellvertretendes Mitglied.
    Ämter in der Partei und im kommunalen Bereich hat er seitdem zum Teil aufgegeben, um sich mehr der Landespolitik für die Bürger seines Wahlkreises widmen zu können. Dort fehlt es beispielsweise an der Ansiedlung neuer Betriebe, wiewohl Fläche dafür vorhanden ist. Aber: die Gebiete rundum haben teil an der regionalen Wirtschaftsförderung und somit mehr zu bieten an Investitionszulagen und steuerlichen Erleichterungen. Ein Thema, das den Landtag und vor allem seinen Wirtschaftsausschuß noch auf Jahre beschäftigen wird. Dort ist Linssen nach eigenen Worten "strammer Verfechter der Sozialen Marktwirtschaft. Ich trage sie wie ein Fähnlein vor mir her."
    Wenn schon Familie (verheiratet, eine Tochter) und Beruf als "unbedingt gleichrangig" angesehen werden, sein Hobby könnte künftig zu kurz kommen: gute Bücher. "Deutsch war immer mein Lieblingsfach in der Schule. Mein Lieblingsautor ist Thomas Mann. Ich ergötze mich gerne an stilistischen Feinheiten. " Hans Krieger

    ID: LI80201B

  • Porträt der Woche: Dr. Peter Heinemann (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 19 - 29.09.1980

    Zunächst habe er sich "im Beruf etabliert" und sich "wirtschaftliche Unabhängigkeit gesichert", sagt er mit unverhohlener Zufriedenheit über seinen bisherigen Lebensweg. Daß der Essener Rechtsanwalt und Notar Peter Heinemann (44) dann auch noch in den Landtag kam, war eigentlich nicht programmiert. Das lag "mehr am Landestrend als an persönlicher Absicht".
    Unbedingt angestrebt hat Heinemann, jüngstes von vier Kindern und einziger Sohn des 1976 verstorbenen Alt-Bundespräsidenten Gustav Heinemann, das Parlamentsmandat nicht. Seine Direktkandidatur im traditionellen CDU-Wahlkreis Essen-Süd mit dem Nobel-Stadtteil Bredeney und dem überwiegend bürgerlichen Werden beruhte mehr auf dem "Drängen vieler Freunde, die die Hoffnung hatten, ich könnte einige Wechselwähler zur SPD herüberziehen", als auf eigenem politischen Ehrgeiz.
    Zu Heinemanns persönlicher Überraschung gewann er das Mandat jedoch mit 45,8 gegen 45,2 Prozent und sitzt nun in Düsseldorf, wo auch der Vater 1947 seine wechselvolle politische Karriere als Landtagsabgeordneter und Justizminister begonnen hatte. In Vaters Fußstapfen will er aber dennoch nicht treten. Nein, ein Ministeramt strebe er "auch auf längere Sicht nicht an", sagt er bestimmt. Konsequent hat sich der Senior einer florierenden sechsköpfigen Anwaltskanzlei deshalb auch in keinen Ausschuß wählen lassen, in dem juristisches Fachwissen besonders gefragt ist. Er ist ordentliches Mitglied in "Wissenschaft und Forschung" sowie "Schule und Weiterbildung" und Stellvertreter im Petitionsausschuß.
    Wohlüberlegte Arbeitsfelder, weil nach Peter Heinemanns Erkenntnis "die weltweiten Probleme nur noch technischwissenschaftlich lösbar sind und auch der Umweltschutz in verstärktem Maße der Technik bedarf". Der Schule gilt sein besonderes Interesse als Vater von drei Kindern, aber auch weil er den Versuch mit der Gesamthochschule Essen stets aufmerksam verfolgt hat und für "durchaus gelungen" hält.
    Ins Rampenlicht will der junge Heinemann nicht treten. Wie einst sein Vater kann er "Publicity zwar ertragen , sucht sie aber nicht. Er will mehr ,,im Hintergrund arbeiten, hinzulernen und gemachte Erfahrungen einsetzen". Der prominente Vater war für ihn zwar ein "bleibendes Vorbild", sein Beispiel aber "nicht nur ermutigend". Peter Heinemann denkt dabei an das "Opfer an Zeit, das auch ein Stück Verzicht auf persönliche Freiheit beinhaltet" und erinnert sich ungern daran, "wie Vater nach 1950 diffamiert wurde". Negative Erinnerungen haben sich damals bei dem 14jährigen Schüler tief eingegraben: "Sie müssen sich vorstellen, daß es Leute gab, die wir für Freunde gehalten hatten und die uns plötzlich nicht mehr grüßten."
    Ähnliches soll ihm und seinen Kindern nicht passieren. So will er lieber unauffällig bleiben und "meinen Status als unabhängiger Abgeordneter genießen". Dabei soll auch ein wenig Zeit für Privates und besonders für die Familie bleiben. Wer den zurückhaltenden, aber dennoch selbstbewußt-sicher wirkenden SPD-Politiker im Gespräch erlebt, glaubt ihm die Ernsthaftigkeit seiner persönlichen Zielsetzung, nimmt es ihm ab, daß er für sich selbst "nicht in strahlenden Ämtern letzte Erfüllung" sieht. Er neige zu starker Selbstreflexion, sagt Heinemann, ohne daß dies prätentiös klingt.
    Der erfolgreiche Jurist, 1961 in die SPD eingetreten und bis zu seiner Landtags- Kandidatur über Mitarbeit im Ortsvereinsvorstand hinaus nicht ins politische Blickfeld gekommen, übt auch bei anderen Ämtern Zurückhaltung. Als evangelischer Christ geht er "gelegentlich zur Kirche", hat aber auch hier im Gegensatz zu seinem Vater keine Funktion. Er ist ein Mensch der Stille, liebt einsame Wanderungen, das Reisen "abseits vom Touristikrummel" und vertieft sich, wenn er neben Kanzlei- und Parlamentsarbeit noch Zeit dazu findet, gern in politische Biographien und Sachbücher. Aber auch theologische Schriften sind ihm geläufig, weil "man sich mit den Fragen des Lebens ja auseinandersetzen muß". Karlegon Hafbach

    ID: LI80191D

  • Porträt der Woche: Dr. Eugen Gerritz (SPD).
    Porträt
    S. 11 in Ausgabe 18 - 15.09.1980

    Es ist sehr selten, daß ein Abgeordneter gleich zu Beginn seiner parlamentarischen Tätigkeit im nordrhein-westfälischen Landtag mit einer Führungsaufgabe betraut wird. Für die SPD-Fraktion war jedoch der "Neuling" aus Krefeld, Studiendirektor a. D. Dr. Eugen Gerritz prädestiniert, Vorsitzender des Arbeitskreises Kultur zu werden - nicht allein seines beruflichen Werdeganges wegen, sondern auch ob seines kulturellen Wirkens als Stadtrat im niederrheinischen Krefeld.
    In Bitburg geboren, verbrachte der heute 45jährige seine Jugendjahre in so geschichtsträchtigen Orten wie Xanten und Geldern. Die Landschaft prägte früh den Lehrersohn, der nach dem Abitur Studienfächer wie Geschichte und Kunstgeschichte belegte und später über das Thema "Troia sive Xantum" promovierte. Als mehrjähriger Assistent des bekannten Archäologen Professor Borger stand er an dessen Seite bei mittelalterlichen Ausgrabungen in Neuss und Xanten. "Ich habe in der freien Landschaft den Tacitus nachvollzogen", resümiert heute Eugen Gerritz über jene Zeit. 1962 in den Schuldienst eingetreten, siedelte er sich in Krefeld an "wegen der archäologischen Nähe". Und sehr schnell erklomm der heutige Studiendirektor die beruflichen Sprossen.
    In katholischen Jugend- und Standesorganisationen aktiv tätig gewesen, stieß der Katholik Gerritz 1964 zur SPD. Das demokratische und das Widerstands-Potential der Sozialdemokraten als ein "Kapital der deutschen Geschichte" hätten ihn sehr beeindruckt, begründet der Pädagoge seinen Schritt. Und auch während seines Werkstudiums als Bergmann, wo er eine für ihn völlig ungewohnte Umgebung betrat, entwickelte sich ein "Solidarisierungsprozeß mit den Arbeitern und der SPD". 1970 in den Krefelder Stadtrat gewählt, rückte der Sprecher des Kulturausschusses seiner Fraktion später in den Vorstand auf und ist seit 1979 Vorsitzender der SPD- Fraktion. Neben Kultur und Schule ist es vor allem die Regionalpolitik, die Stärkung des linken Niederrheins und die Herstellung von Verbindungen zum rechten Ufer, die seine besondere Aufmerksamkeit finden. Dabei ist es für den SPD-Politiker selbstverständlich, daß die zu bewältigenden Aufgaben nur in einer Kooperation mit dem politischen Gegner, der CDU, gelöst werden können. Und der Kommunalpolitiker Gerritz suchte den Dialog mit den Christdemokraten, und der Krefelder Landtagsabgeordnete Gerritz möchte diese Bereitschaft zur Zusammenarbeit auch im Landesparlament fortsetzen.
    Als Vorsitzender des SPD-Arbeitskreises Kultur hat er schon beachtliche konkrete Vorstellungen über seinen künftigen Aktionsradius. Nicht zu unrecht stellt er fest, daß das bevölkerungsreichste und wirtschaftlich selbst über die deutschen Grenzen hinaus viel beachtete Bundesland überraschenderweise starke Zurückhaltung in seiner kulturellen Selbstdarstellung übt. Im Gegensatz beispielsweise zu Bayern, das durch seine kulturelle Präsenz eine große nationale und internationale Wirksamkeit erreiche. ., Wir täten gut daran, darüber mal nachzudenken." Dabei weist der SPD-Politiker auf die beiden "vorzüglich" arbeitenden Landschaftsverbände hin, zu denen die Kulturpolitik des Landes nicht in Konkurrenz treten dürfe. Vielmehr müsse eine Komplettierung der kulturellen Arbeit durch Land, Landschaftsverbände und Kommunen gemeinsam erfolgen.
    Drei Schwerpunkte setzt der Kulturpolitiker: Neben der für 1984/85 geplanten Landesausstellung ist es vor allem die seit Anfang der sechziger Jahre existierende Landesgalerie, die ihm am Herzen liegt und ausgebaut werden sollte. Das Land müsse seine Künstler fördern, beispielsweise auch durch Artotheken. Und schließlich möchte der Niederrheiner dem Übersetzer-Zentrum in Straelen Ausstrahlung über die Bundesrepublik hinaus geben. Wenn es viele seiner Mitbürger in den Ferien nach dem Süden drängt, fährt Eugen Gerritz mit Frau und zwei Kindern nach Irland - "wo das Volk sich noch das Verhältnis zur Wirklichkeit erhalten hat, und der Katholizismus progressiv und dialogfähig ist". Nicht alltäglich auch sein Hobby, er sammelt niederländische Kacheln aus dem 17. Jahrhundert. Jochen Jurettko

    ID: LI80181D

  • Porträt der Woche: Professor Dr. Kurt H. Biedenkopf (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 17 - 05.09.1980

    Vor einigen Jahren noch arbeitete Kurt Biedenkopf mit Blick auf das Kanzleramt, von seinem Schreibtisch aus als Generalsekretär der CDU im Bonner Adenauer-Haus. Jetzt steht der Schreibtisch im Düsseldorfer Landtag. Für fünf Jahre hat ihn die CDU-Fraktion zum Vorsitzenden gewählt, zum Oppositionsführer und Konterpart des Ministerpräsidenten Rau, eine lange Zeit. Ob Biedenkopf diese Station seines Lebens genau so plante, wie alle anderen zuvor Hochschullehrer, Universitätsrektor, Manager eines Wirtschaftskonzerns, Chefdenker der Union und Kanzlerkandidatenmacher -, wer will das heute sagen? Der jähe Tod von Heinrich Köppler in diesem Frühjahr hat die Entscheidungsfreiheit des Volljuristen, Wirtschaftsrechtlers, Nationalökonomen und Politikers Biedenkopf eng begrenzt. Er wurde von der CDU des Landes in eine Pflicht genommen, die er glaubwürdig als seine eigene begriffen hat und auch erfüllen will. Im Düsseldorfer Landtag ist Biedenkopf nicht nur der prominenteste Neuling. Das Parlament wird seine politische Begabung, seine rednerischen Fähigkeiten, seine Qualität des analytischen Denkens sehr bald als enorme Bereicherung empfinden, von welcher Seite des politischen Spektrums man es auch immer betrachten mag. Wenn in der repräsentativen Demokratie Politiker gesucht werden, die noch vom Grunde her zu denken und zu argumentieren wagen, nicht in die vordergründige Professionalität eines Schausteller-Geschäfts verfallen, Biedenkopf wird sicher immer unter ihnen sein. Regierung und Regierungsfraktion erkennen die Herausforderung an, die der neue Oppositionsführer darstellt. Das ist gut so. Es verschärft den Wettbewerb der Ideen und Entscheidungen in der Politik, die allein dem Gemeinwohl zu dienen haben.
    Um Biedenkopf griffig zu beschreiben, sind schon viele Schablonen zurechtgeschnitten worden: Senkrechtstarter, Karriereplaner, Erzreaktionär, intellektueller Technokrat. Auf ihn angewandt, erstarrt das alles zu Worthülsen. Sicher ist, daß Biedenkopf in rigoroser Weise eine freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung und in ihr wiederum ein Leistungsprinzip vertritt, das der Theorie vom allein glückseligmachenden Umverteilungs- und sozialen Fürsorgestaat kategorisch widerspricht. Ein Politiker, der ununterbrochen mit neuen Denkanstößen auch immer wieder Konflikte und Widerstreit produziert, oft in der eigenen Partei, wird nicht verlangen können, am Grad seiner Beliebtheit gemessen zu werden.
    "Mich fasziniert die Macht des Arguments", sagt er gelegentlich. Oder: "Parteien rechtfertigen sich nicht im Personenkult, sondern allein in der Solidarität zur gemeinsamen Sache." Begonnen hat Biedenkopf als "Stift" in einer Lehrwerkstatt der Buna-Werke in Merseburg. Die eigentliche Ausbildung und Prägung aber verdankt er der ordoliberalen Frankfurter Schule mit Lehrern wie Franz Böhm, Heinrich Kronstein und Fritz Neumark. Mal war er Werkstudent bei Dyckerhoff, mal Assistent an der Georgetown Universityin den USA. Daß der junge Biedenkopf eine ungewöhnliche Laufbahn nehmen würde, wurde klar, als er sich mit 37 Jahren zum Rektor der damals noch einzigen Ruhr- Universität wählen ließ, und wenig später von Kiesinger und Brandt, Schiller und Strauß, Schmidt und Barzel in der Großen Bonner Koalition zum Vorsitzenden der Mitbestimmungskommission berufen wurde.
    Wahrscheinlich kokettiert er noch heute damit, daß er sich keinem Bilde fügt, das von ihm gemalt wird. Ein seltsamer Mensch, der sich stets die Lernzwänge herbeiwünscht, die viele schon als Streß beklagen, der zum Widerspruch auffordert, wo Anpassung doch viel modischer ist. Dem Düsseldorfer Landtag wird die Anstrengung des Geistes, die der Neuling Biedenkopf einbringt, gut bekommen. Daß aber auch der Landtagsabgeordnete Biedenkopf vor gehörigen Lernprozessen steht, darf ihm vorausgesagt werden. Lothar Bewerunge

    ID: LI80171D

  • Porträt der Woche: Dr. Herbert Schnoor (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 16 - 01.09.1980

    Dr. Herbert Schnoor (52), verheiratet, zwei Töchter, seit Ende Mai Innenminister im größten deutschen Bundesland, gilt als glänzender Jurist mit einem ausgeprägten politischen Fingerspitzengefühl und taktischem Geschick - eine Kombination, die man nicht allzu häufig antrifft. Daß profunde juristische und staatswissenschaftliche Kenntnisse gerade im großen Innenressort, in dem die meisten staatsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Fragen auftauchen, von großem Nutzen sind, ist unbestritten.
    Dabei ist Schnoor nur aus Zufall - durch einen glücklichen Zufall, wie er heute sagt - Jurist geworden. Denn als der 21jährige nach Kriegsgefangenschaft und Abitur Studienpläne hegte, entschied er sich für die Laufbahn des Studienrats mit dem Hauptfach Deutsch. Und auch damals - 1948 - gab es so etwas wie den Numerus clausus. Er mußte sich an der Universität Göttingen einer Aufnahmeprüfung stellen. In Germanistik bestand er sie. Aber dann prüfte der aus Königsberg gekommene Philosoph Nicolai Hartmann an Hand des Abiturzeugnisses den allgemeinen Bildungsstand. Schon war Herbert Schnoor durchgefallen. So ging er nach Würzburg und nahm dort das Jurastudium auf, das er später in Göttingen abschloß.
    Zufall war es auch, daß Schnoor, der Lehrerssohn aus dem kleinen ostfriesischen Moordorf bei Aurich, 1964 in das Kultusministerium nach Düsseldorf kam. Der Mann, der schon eine Karriere bei der Bezirksregierung in Stade hinter sich hatte, war 1963 in das Bundesgesundheitsministerium nach Bonn übergewechselt. Aber im Bonner Ministerium war ihm alles viel zu praxisfern, und so packte er schon nach einem Jahr wieder die Koffer und ging nach Düsseldorf. Dort wurde Schnoor, der evangelisch ist, mit etwas konfrontiert, was in Niedersachsen niemals eine Rolle gespielt hat: Konfessionsproporz und - damals noch - Konfessionsschule. Und nicht zuletzt aus Protest dagegen trat er mit Datum vom 1. Januar 1965 in die SPD ein. Mit ihm, so erinnert sich Schnoor heute, gab es damals im Kultusministerium ganze drei Beamte, die SPD-Mitglied waren.
    Eine parteipolitische Bindung war für Schnoor, der später Staatssekretär im Wissenschaftsministerium wurde und bis zu seiner Berufung zum Minister fünf Jahre lang Chef der Staatskanzlei war, bis dahin kein Thema, obwohl er immer sozialdemokratisch gewählt hatte und obwohl er aus einer keineswegs unpolitischen Familie kam. Der Großvater, ein Kirchenbeamter, hatte der Stresemann- Partei angehört und mußte in der Nazizeit, weil er Verfolgten half, mehrfach Hausdurchsuchungen erleben. Daß dabei alles relativ gut ablief, lag auch daran, daß in dem eher winzigen Ort von kleinen Nazifunktionären schon einmal ein Tip kam, wenn die Gestapo aus Wilhelmshaven anrückte.
    Das Glück, das der Großvater hatte, half auch dem Enkel, als dieser im bitterkalten Winter 1947 aus französischer Kriegsgefangenschaft floh (ein erster Versuch, bei dem er sich als Pole ausgab, scheiterte). Von einer Abraumhalde in Lothringen sprang er nachts einfach davon, verbarg sich in einem Gebüsch und schlich, als die Luft rein war, über die Grenze. Im Saarland besorgte ein katholischer Priester Zivilkleidung und gab Fahrgeld. Über Mosel, Eifel und das Rheinland (den ersten Kontakt mit NRW hatte er als Kriegsgefangener im Lager Rheinberg gehabt) ging es heim nach Ostfriesland. Der Dorfbürgermeister ein alter Kommunist - rückte Lebensmittelmarken heraus, obwohl Herbert Schnoor keinen Entlassungsschein vorzeigen konnte.
    Warum der Minister, der es nach Marinehelferzeit in der Infanterie bis zum Fahnenjunker gebracht hatte, diese abenteuerliche Flucht noch in so scharfer Erinnerung hat? Als er am 20. Mai ernannt war und Kurzbiographien in den Blättern standen, bekam er Post. Der Kamerad, der damals von der Abraumhalde in Lothringen ohne vorherige Verabredung mit den Worten "Ich komm' mit" Schnoor nachgesprungen und mit ihm zusammen geflohen war, schrieb, nach dem "Steckbrief" in den Zeitungen könne der Minister mit jenem Herbert Schnoor aus Moordorf identisch sein, dem er damals nachgesprungen sei. Schnoor schrieb dem " lieben Hermann", der mitgeteilt hatte, daß er CDU- Mitglied sei, einen drei Seiten langen Brief und schloß: "Ruf mich doch einfach an". Ein unterkühlter Ostfriese, wie manche meinen ? Karl Lohaus

    ID: LI801621

  • Porträt der Woche: Günter Herterich (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 10 - 21.04.1980

    Von denen, die nach dem 11. Mai aus eigenem Entschluß nicht mehr wiederkommen, ist Günter Herterich (40) mit Abstand der Jüngste. Er wollte "nicht in Routine erstarren, sondern endlich einmal etwas Neues machen". Daß er dem Landesparlament nur eine Legislaturperiode angehört hat, ist dazu kein Widerspruch.
    Günter Herterich sieht Kommunal-, Regional- und Landespolitik als "einen Block, eine geschlossene Einheit". Und darin war er gut neun Jahre tätig. Nur Kenner der Kölner Szene und vor allem SPD-Insider im Rathaus der größten Stadt an Rhein und Ruhr wissen, mit welcher Intensität er diese Tätigkeit ausgeübt hat.
    Jetzt will er die Ebene wechseln, die Sessel in Stadtrat, Bezirksplanungsrat und Landtag gegen einen Sitz im Bundestag tauschen. Daß dies kein Wunschdenken bleibt, dafür hat der "Macher der Kölner SPD" seit Jahren vorgesorgt. Die Direktkandidatur ist ihm sicher, sein Wahlkreis nach eigener Einschätzung der "beste im ganzen Regierungsbezirk". Herterich tritt in Köln rechtsrheinisch an, in den Arbeitervierteln Kalk, Humboldt, Mülheim und Dellbrück. SPD-Ergebnisse zwischen 55 und 60 Prozent sind hier Tradition.
    Von Düsseldorf nimmt der gebürtige Schwabe, der 1963 als Student nach Köln gekommen war und heute "in keiner anderen Stadt mehr leben" möchte, leichten Herzens Abschied. "Ich hatte als Fraktionsvorsitzender im Rat immer die Hauptaufgabe, im Landtag Lobby für Köln zu machen. Das ist bei uns seit Jahren so abgesprochen", sagt er dazu lakonisch. Und er ist überzeugt, "in dieser Beziehung einiges erreicht" zu haben. Die Tätigkeit im Haushalts- und Finanzausschuß hat ihm nebenbei "aber auch viel Spaß" gemacht. Als stellvertretendes Mitglied im Wirtschafts- und auch im Petitionsausschuß hat er "unbedingt dazugelernt".
    Spaß an der Politik war stets das Hauptmotiv für den uneingeschränkten Einsatz des gelernten Historikers. Den gedenkt er sich auch in Bonn zu erhalten. Dabei ist er bereit, "noch mal ganz neu anzufangen". Günter Herterich ist Realist: "Ich bin mir darüber klar, daß niemand im Bundestag händeringend auf mich wartet. Ich werde viel Kärrnerarbeit leisten müssen." Aber er stellt auch sein Licht nicht unter den Scheffel, indem er betont, daß er "einer der ganz wenigen" Bundestagsabgeordneten sein wird, "die an der Basis alles gemacht haben". Deshalb glaubt er, einen "guten, kenntnisreichen Parlamentarier" abgeben zu können, der "genau weiß, wie ein Gesetz unten ankommt". Um den Rücken freizubekommen für die neue Aufgabe, will er unter die bisherigen einen rigorosen Schlußstrich ziehen. "Nach dem 5. Oktober komme ich nicht mehr ins Kölner Rathaus. Einen Abschied in Etappen gibt es für mich nicht", sagt Günter Herterich. Er hält im übrigen auch "Abrüstung, Rohstoff- und Energiesicherung und die allmähliche Lösung des Nord-Süd-Konflikts für wichtiger als den Rheinufertunnel".
    Seinen nimmermüden Einsatz will er beibehalten, weil er "ohne den keinen Erfolg für möglich" hält. In den neun Jahren Kölner Aktivität hat er "nur zweimal Urlaub gemacht und siebenmal im Sommer die Stallwache gehalten". Doch das hat ihm "nichts ausgemacht", da er Arbeit "keineswegs als Mühsal" empfindet und darauf setzt, daß er auch in Zukunft "ein robuster Typ" bleibt, den so schnell nichts umwirft". 15 Pfund Übergewicht stören den Milchtrinker und Nichtraucher Herterich "höchstens beim Treppensteigen". Allerdings hat er sich doch vorgenommen, ab Herbst "etwas gesünder zu leben" und frühere sportliche Betätigung wieder aufzunehmen. Das will er allerdings "ohne jeden Ehrgeiz" tun, den er auf dem politischen Feld freimütig einräumt.
    Der Vorsitzende des großen SPD-Unterbezirks Köln hält Politik für eine "faszinierende Sache", für das er "jedes Opfer an Privatem" zu geben bereit ist. "Junggeselle bin ich vielleicht nicht durch die Politik geblieben, ich bleibe es aber wegen ihr", sagt Herterich. Seine nächste Karriere scheint programmiert.
    Karlegon Halbach

    ID: LI80101C

  • Porträt der Woche: Maria Hölters (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 9 - 21.03.1980

    "Man muß sich doch nicht immer mit dem Hackbeil entgegenkommen", meint pointiert die CDU-Abgeordnete. Und sie fügt hinzu: "In einer pluralistischen Welt sollten sich alle gesellschaftlichen Gruppen bemühen, möglichst auf einen wenn auch den kleinsten gemeinschaftlichen Nenner zu kommen, damit das Leben erträglicher wird." Und Maria Hölters hat ihren Beitrag dazu geleistet, während ihrer 22jährigen Tätigkeit im NRW-Landtag wie auch in den vielfältigen Gremien, vor allem des Familien- und Bildungsbereichs.
    Dabei läßt die Düsseldorferin keinen Zweifel an ihrem weltanschaulichen Standort: "Als katholische Politikerin sehe ich meine Aufgabe darin, die Kirche in die Welt hineinzutragen." Doch diesen Kirchenbegriff sieht die heute 69jährige Abgeordnete nicht eng, und sie betont wiederholt gerade die soziale Verpflichtung der Christen.
    Zu dieser Einstellung mag die Edahrung aus den Nachkriegsjahren beigetragen haben, wo sie, die Frau eines Kriegsvermißten, nicht nur die Trümmer ihres Hauses eigenhändig beseitigte, sondern auch der örtlichen Pfarre neue Impulse gab. Nicht zufällig scheint es heute, daß die engagierte Rheinländerin mit dem Temperament dieser Landschaft den Wahlkreis von Karl Arnold nach dessen plötzlichem Tod übernahm.
    Wenn Maria Hölters am Ende dieser Legislaturperiode aus dem Landtag ausscheidet, so wird ihr der Abschied gewiß nicht leichtfallen; sind doch 22 Jahre ihres Lebens wesentlich von der parlamentarischen Tätigkeit am Düsseldorfer Schwanenspiegel geprägt worden. Dabei widmete sich die CDU-Abgeordnete vor allem der Bildungs- und Familienpolitik, wo sie wiederum eine integrierende Toleranz und eine auch vom politischen Gegner anerkannte große Sachkenntnis auszeichneten.
    Letztere holte sich die Politikerin insbesondere von der sogenannten "Basis", von Mitbürgern, mit denen sie das Gespräch suchte. Und die Wähler honorierten dieses Engagement. So holte sie beispielsweise 1975 "ihren" Wahlkreis mit dem respektablen Abstand von 5,7 Prozent gegenüber dem politischen Gegner; ein Wahlkreis, der bei den zwei vorherigen Wahlen an die SPD gefallen war.
    Für die noch vitale Düsseldorferin bedeutet der Abschied von der Landespolitik keinen gleichzeitigen Verzicht auf die berufliche Tätigkeit. Ihr bisheriges bildungspolitisches Wirken wird sie auf der institutionellen Ebene fortsetzen. So gründete die langjährige Düsseldorfer Stadträtin 1954 das "Bildungsforum", das durch seine aufsehenerregenden Disputationen weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt wurde und heute als "Arbeitsgemeinschaft für Sozialpädagogik und Gesellschaftsbildung" allein 40 hauptamtliche Mitarbeiter zählt. Ebenfalls rief sie später die Fachhochschulen für Sozialarbeit und für Pädagogik ins Leben. Durch diese Gründungen wollte die Abgeordnete deutlich machen, daß "Kultur und Sozialpolitik eng miteinander verknüpft sind".
    Ihre Erfahrungen stellt Maria Hölters unter anderem der Bundesarbeitsgemeinschaft katholischer Erwachsenenbildung und dem von ihr mitgegründeten Familienbund Deutscher Katholiken zur Verfügung. Zu ihren Ehrenämtern zählt schließlich der Vorsitz in der Landesarbeitsgemeinschaft katholischer Bildungsstätten.
    "Es ist viel mehr wert, jederzeit die Achtung der Menschen zu haben, als gelegentlich ihre Bewunderung", schrieb der Dichter und Philosoph Rousseau. Maria Hölters gehört zu jenen Frauen, die nicht selten beide erfahren haben. Jochen Jurettko

    ID: LI800919

  • Porträt der Woche: Werner Linkner (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 8 - 17.03.1980

    Keine leichte Aufgabe hat Werner Linkner übernommen, als er acht Monate vor Ende der Legislaturperiode über die Landesreserveliste der SPD in den nordrhein-westfälischen-landtag nachrückte. Der zeitlich bedingte parlamentarische Vorsprung der übrigen Kollegen im Landtag ist nicht aufzuholen, selbst wenn man sich - wie der Abgeordnete aus dem niederrheinischen Kleve - mit viel Engagement und nicht minder hohem Zeitaufwand diesem neuen politischen Wirkungsfeld widmet.
    Wenn der heute 51jährige Sozialdemokrat trotzdem im Oktober letzten Jahres "ja " zur Mandatsübernahme gesagt hat, dann hatte es vor allem einen Grund: "Ich will möglichst viele Kontakte auf Landesebene während dieser Zeit knüpfen, die für den unteren linken Niederrhein, insbesondere für den Kreis Kleve, von Nutzen sein können." Und in Düsseldorf wird eben "Politik gemacht" für dieses Land.
    Allerdings, der gebürtige Duisburger ist kein parlamentarisches "Greenhorn", er hat jahrelange Erfahrungen auf der Kommunalebene. So gehörte der SPD-Landtagsabgeordnete von 1964 bis zur Kommunalwahl im letzten Jahr dem Stadtrat von Kleve an und rückte 1969 in den Klever Kreistag ein, wo er lange Zeit Fraktionsvorsitzender der SPD war. Im selben Jahr wurde Werner Linkner in die Landschaftsversammlung Rheinland berufen.
    Der SPD-Politiker, dessen besonderes Interesse als Stadtrat und Kreistagsvertreter dem Kultur- und Baubereich gilt, wurde damals in den Gesundheitsausschuß dieses rheinischen Gremiums gedrängt. Verständlich, liegt doch mit dem Landeskrankenhaus Bedburg das größte psychiatrische Zentrum Europas vor den Toren Kleves. Was Werner Linkner damals mehr als einen Auftrag seiner Parteifreunde empfand, ist für ihn inzwischen ein persönliches Anliegen geworden: eine bessere Umwelt für die geistig und körperlich behinderten Mitmenschen zu schaffen. Zwar wurde besonders in den letzten Jahren Beachtliches im Bau- und Ausstattungsbereich der Landeskrankenhäuser getan, doch zumindest ebenso wichtig ist eine allgemeine Klimaverbesserung für diese benachteiligten Menschen. "Wir müssen mehr Verständnis und Gefühl für die Behinderten aufbringen, daran fehlt es noch sehr", bedauerte Werner Linkner. Der Niederrheiner, dessen Vater Gewerkschafter und ebenfalls Sozialdemokrat war, stieß 1958 zur SPD und wurde 1966 Unterbezirksvorsitzender des Kreises Kleve. 1972 wählten ihn seine Parteifreunde zum Vorsitzenden des niederrheinischen Bezirksausschusses der SPD, und vier Jahre gehörte er zudem dem Landesausschuß an.
    Anerkennung für einen Parteifreund, der in einer "SPD-Diaspora" für seine Partei wirbt und kämpft. Zwar brachten es die Sozialdemokraten im Kreis Kleve inzwischen auf "Mitte 30 Prozent" der Wählerstimmen, und sie hatten bei der Landtagswahl 1975 mit 3,4 Prozent den höchsten Zugewinn im ganzen Land, aber ein Machtwechsel ist in diesem von der CDU politisch geprägten Raum kaum in Sicht. "In so einer Lage muß man sehr viel Idealismus haben, dann freut man sich um so mehr, wenn einige Prozente dazugeholt werden." Nicht selten wünscht sich der Klever Unterbezirksvorsitzende mehr Verständnis von seinen Parteifreunden aus den SPD-Hochburgen. "Gerade sie sollten unsere Anliegen in den verschiedenen Gremien stärker unterstützen", meint er offen. Auf die Frage nach den ersten Eindrükken von seiner neuen Wirkungsstätte zögert Werner Linkner mit der Antwort. "Man muß sich fragen, welchen Einfluß der einzelne Abgeordnete auf so wesentliche Entscheidungen wie beispielsweise einen 51-Milliarden-Landesetat hat", meint er dann kritisch. Und auch das erforderliche Zusammenspiel zwischen Legislative und Exekutive scheint nach Ansicht des Abgeordneten verbesserungsfähig zu sein.
    Der Niederrheiner, dessen berufliche Laufbahn beim Zoll begann und der heute Vorsteher des Bundesbahn-Grenzzollamtes Kranenburg ist, entspannt sich in seiner durch Mandate und Parteiämter rar gewordenen Freizeit beim Wassersport. Und natürlich ist es dem Vater von vier Kindern am liebsten, wenn dann möglichst viele Familienangehörigen mit von der Partie sind.
    Jochen Jurettko

    ID: LI800818

  • Portrait der Woche: Horst-Ludwig Riemer (F.D.P.)
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 7 - 07.03.1980

    Mitte der sechziger Jahre beeindruckte ein Regierungsrat im Düsseldorfer Wirtschaftsministerium Landtagskorrespondenten mit seiner offenherzigen Ankündigung: "Ich will in den Landtag!" Er schaffte sein Ziel bei den Landtagswahlen im Sommer 1966 auf Anhieb. Anfang der achtziger Jahre verkündete er nicht minder unverblümt: "Ich will nicht mehr!" Dazwischen liegen rund 15 Jahre parlamentarischer und ministerieller Feuerprobe, mit Siegen und Niederlagen seiner Partei, der F.D.P., aber auch mit persönlichen Erfolgen und Mißerfolgen.
    Gemeint ist Horst-Ludwig Riemer, zehn Jahre Wirtschaftsminister in den sozialliberalen Koalitionsregierungen unter den Ministerpräsidenten Heinz Kühn und Johannes Rau, davon die Hälfte Stellvertreter des Regierungschefs, und acht Jahre lang Vorsitzender des mitgliederstärksten Landesverbandes der Liberalen im gesamten Bundesgebiet. Eine "Revolte" seiner eigenen Landtagsfraktion, von der Parteiführung in Bonn gedeckt, brachte ihn, durch eigene Fehler begünstigt, buchstäblich über Nacht um seine hohen Ämter. Nicht aber um seine Ehre und auch nicht um die Verdienste, die er sich um die Liberalen an Rhein und Ruhr erworben hat, und wohl auch nicht um das Ansehen an der Parteibasis, die ihn auch noch als früheren Landesvorsitzenden der Jungdemokraten, stellvertretenden Fraktions- und Landesvorsitzenden kennt.
    Riemer, promovierter Jurist, dazu ein praktisch abgeschlossenes Studium der Wirtschaftswissenschaften, Ostpreuße von Geburt und Geblüt, war niemals bequem, hat vor politischen und persönlichen Entscheidungen niemals den feuchten Finger in den Wind gehalten, um sich mit Mehrheiten zu arrangieren, war mehr Stratege als Taktiker und hatte bis zu seinem Sturz die Devise nicht gescheut: "Viel Feind - viel Ehr." Wer Riemer kennt, weiß, daß dies nicht aus Lust am Streiten geschah, sondern eher aus der Überzeugung, man müsse auch den Mut zum Unbequemen haben, müsse selbst dann Probleme aufgreifen, wenn andere diese noch nicht für lösungsreif oder zur Zeit nicht opportun hielten. Eine respektable Einstellung, die für den Koalitionspolitiker Riemer allerdings zum selbstgebastelten Schleudersitz wurde.
    Dabei wollte der liberale Landesvorsitzende Riemer an der Spitze seines Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr "regieren" und nicht "verwalten", Anstöße geben und nicht nur reagieren, die komplizierten Zukunftserfordernisse und Erwartungen in den Griff bekommen und nicht um Tagesvorteile feilschen.
    Sein Ministerrezept - und er war in der letzten Zeit dienstältester Wirtschaftsminister in der Bundesrepublik - hieß: Information, Konzeption, Ausführung, Kontrolle und Feedback. Mit diesem Instrumentarium brachte er, der zudem auf die Eigenständigkeit der Länder gegen die Bundesregierung pochte, das zukunftsorientierte "Technologie-Programm" auf den Weg, so wie er schon in seinen jungen Abgeordnetenjahren gemeinsam mit einem Sozialdemokraten wichtige Denkanstöße für eine Parlamentsreform gegeben hatte. Riemersche Anstöße reichten darüber hinaus von der Mittelstandspolitik bis zum Umwelt- und Verbraucherschutz.
    In der Frage der Kernenergie allerdings verrannte sich der mit hohem technischen Wissen um die Energieproblematik ausgerüstete Minister in die Vorstellung, er allein könnte ein "Plutonium-Zeitalter" aufhalten und den Bau eines "Schnellen Brüters" in Kalkar wenn schon nicht verhindern, so doch durch die Verweigerung der Betriebsgenehmigung neutralisieren. Sein jäher Sturz hat ihn dieser Entscheidung enthoben. Als einfacher Landtagsabgeordneter - und auch das nur noch auf Abruf bis zur Landtagsneuwahl im Mai - stellen sich viele Probleme für ihn anders.
    War Riemers Sturz auch Riemers Ende? Was in düsteren Novembertagen noch so aussah, erscheint in der ersten Märzensonne bereits in einem anderen Licht. Eine - im Verhältnis zu CDU und SPD - so kleine Partei wie die Freien Demokraten kann und will es sich auch offenbar, bei einer so knappen Personaldecke in Land und Bund, nicht leisten, Riemers vielseitige fachliche Qualitäten brachliegen zu lassen. Schon hat ihn die Kreispartei Düsseldorf für einen sicheren Bundestagslistenplatz vorgeschlagen und ein Verkehrsexperte mit den Erfahrungen Riemers würde einer neuen F.D.P.-Bundestagsfraktion sicherlich gut zu Gesicht stehen.
    Karl Fischer

    ID: LI800724

  • Porträt der Woche: Friedrich Heinen (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 6 - 03.03.1980

    Wenn Friedrich Heinen den Landtag mit dem Ende dieser Legislaturperiode verläßt, werden viele sagen: "Was, der Friedl geht auch?" So ganz freiwillig mag der CDU-Abgeordnete seinen Entschluß nicht gefaßt haben, doch Wahlen sind in den Parteien auch immer Zeiten des Generationenwechsels. Friedl Heinen ist ein Stück Düsseldorfer Parlamentsgeschichte. Er hat seit 1958 in nunmehr 22 Jahren viele Regierungschefs und Minister kommen und gehen sehen, so manche Karriere links und rechts von ihm auf den Bänken beobachtet, die eilfertig blühte, um dann schnell zu verwelken.
    Da mutet es fast seltsam an, wie stetig, kaum nach Beifall heischend Heinen seine politische Tagesarbeit über so lange Zeit hinweg betrieb. Die alte und immer noch richtige These, Landespolitik lasse sich ohne ein festes Standbein in der Kommunalpolitik gar nicht erfolgreich darstellen, ist in ihm nachgerade personifiziert. Das hatten die Politiker, die aus dem verlorenen Krieg nach 1945 nur ihr Leben wieder mit nach Hause brachten, so an sich: sie begannen vor Ort in bürgerschaftlicher Nachbarnhilfe, packten in der Jugendarbeit, in der Gewerkschaft, im Roten Kreuz, in der Europa-Union mit an, als noch niemand von Gesellschaftspolitik, Systemüberwindung oder der Reform aller Reformen sprach. Friedl Heinen war einer jener Generation.
    Die meisten Stationen seines Lebens signalisieren Engagement, Kontaktfreude, Gestaltungswille, Verantwortungsbereitschaft: Ratsherr in der Heimatstadt Duisburg, dann Bürgermeister, Vorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU in Nordrhein-Westfalen, auch Vorsitzender des Kommunalpolitischen Ausschusses im Landtag, Mitglied der Landschaftsversammlung Rheinland, aber auch im heimatlichen Polizeisportverein, in der alten Marinekameradschaft und - als passionierter Segler - in manchen anderen Vereinen.
    Heinen hat oft über die Grenzen geschaut, um zu lernen, wie alte und junge Nationen ihr demokratisches Leben gestalten. Er hat Freunde von England bis Togo. Aber da gibt es auch noch den Friedl Heinen, der weltweit seit langem für das Hilfswerk der Evangelischen Kirche im Rheinland tätig ist, der denkwürdige Kirchentage in Dortmund und Düsseldorf mitgestaltete. Das Film-, Funk- und Fernsehzentrum der Evangelischen Kirche, in Jahrzehnten aufgebaut, ist sein ureigenes Werk. Auch die Diakonie im In- und Ausland hat ihm viel zu verdanken.
    Witzig, schlagfertig, gesellig in fröhlicher Runde, auch so kennt man Friedl Heinen. Der Eindruck, ihm gehe auch harte politische wie berufliche Arbeit wie ein Hobby von der Hand, ist so unbegründet nicht. Das hebt ihn auf besonders sympathische Weise von jener Art von Politikern ab, die kleine parlamentarische Anfragen und ihre Antworten sammeln wie Fleißkärtchen auf dem Wege zum Doch-noch-Staatsmann.
    Viele im Parlament, in den Verbänden, auch in den Ministerien werden den Kommunal- und Landespolitiker Heinen vermissen. Wenn man eines Tages aber doch übereinkommen würde, daß Politik von Bürgern für Bürger im Grunde auch Freude bereiten sollte, wird "der Friedl" mit guten Ratschlägen gewiß nicht geizen.
    Lothar Bewerunge

    ID: LI80061B

  • Porträt der Woche: Werner Figgen (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 4 - 12.02.1980

    Er hat, wie er rückblickend sagt, "eigentlich alles durch". Werner Figgen (58) war Minister, Bundestagsabgeordneter, Vorsitzender des größten Parteibezirks der SPD und auch ihr Landeschef, weit vorher jüngster Abgeordneter im Kreistag von Arnsberg und seinerzeit mit 34 Jahren auch einer der jüngsten Oberbürgermeister in der Bundesrepublik. Jetzt schickt er sich an, nur noch in dem Bereich tätig zu sein, dem seine "ganze Liebe" gehört, der Kommunalpolitik.
    Schon 1975 war Werner Figgen in den Rat seiner Wahlheimat Hamm zurückgekehrt und hatte als Vorsitzender der SPD-Fraktion "wie auch als ein Stück Integrationsfigur" dazu beigetragen, die Wunden zu heilen, die die kommunale Neuordnung hier und da geschlagen hatte. Seit der Wahl vom 30. September letzten Jahres sitzt er auch wieder auf dem Sessel des Oberbürgermeisters. Wie er meint, "fester", als dies bei einem Kräfteverhältnis von 30 (SPD) zu 29 (CDU) gemeinhin vermutet werden könne. Und der Erste Bürger in der heute 178000 Einwohner zählenden Stadt Hamm will "mit vollem Einsatz" dazu beitragen, daß sich bald auch die letzten Zweifler in Pelkum, Bockum-Hövel und Heessen unter dem gemeinsamen kommunalen Dach wohl fühlen.
    Der am 9. November 1921 in der Freiheit Husten geborene Sauerländer Figgen selbst ist längst in der Stadt heimisch geworden, in die er Anfang der fünfziger Jahre übergewechselt war. Da stand der gelernte Dreher noch am Anfang seiner steilen politischen Karriere. 1946 war er der SPD beigetreten, war ein Jahr später Jugendsekretär in Warstein geworden und hatte hier viel Basisarbeit geleistet. Bei "oft abenteuerlichen Touren durchs schwarze Sauerland" hatte er mehr als die Hälfte der SPD-Ortsvereine mitgegründet, 1950 wurde er dann Geschäftsführer des Unterbezirks Hamm. Chronologisch folgten die Stationen Stadtrat (1952), Oberbürgermeister (1956) und Bundestagsabgeordneter (1961). Nachdem Werner Figgen 1965 zum Chef des Bezirks Westliches Westfalen und stellvertretenden Landesvorsitzenden gewählt worden war, holte ihn Heinz Kühn im Dezember 1966 als Arbeits- und Sozialminister in sein Kabinett. 1970 zog Figgen auch in den Landtag ein, 1973 übernahm er den Parteivorsitz in NRW.
    Doch zwei Jahre später kam das, was er heute den "großen Abbau" nennt. Zunächst verzichtete er auf das Ministeramt, anschließend auf alle anderen überörtlichen Führungspositionen. Nicht ohne ein wenig Stolz erwähnt er dabei, daß dies "alles persönlicher Entschluß" war: "Ich bin an keiner Stelle abgewählt worden." Und er bestreitet auch, daß Resignation im Spiel gewesen sei. Nein, irgendwann habe ihn einfach der Ehrgeiz verlassen.
    Künftig will er sich nur noch zwei Aufgaben widmen, an der Basis, die er nie verlassen hat: Dem Ratsvorsitz und dem Vorsitz in der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe. "Solche Ämter erfordern die ganze Arbeitskraft, das kann man nicht nebenbei machen", hat Werner Figgen erkannt.
    Ja, und ein bißchen mehr Zeit will er künftig auch für seine Liebhabereien haben: Die Jagd, die er "aber mehr als Ausgleich denn als ausgeprägtes Hobby" betreibt, das Wandern in Sauer- und Münsterland und das Lesen. "Ich habe mein Leben lang viel gelesen. Ich hatte als Volksschüler nie eine andere Wahl, wenn ich weiterkommen wollte."
    Karlegon Halbach

    ID: LI80041B

  • Porträt der Woche: Dr. Heinrich Pohlmeier (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 3 - 01.02.1980

    Eigentlich war er immer ein "Spätstarter". So überrascht es nicht, daß Dr. Heinrich Pohlmeier mit 57 Jahren wieder einmal "ins kalte Wasser springt" und im Herbst dieses Jahres für den Bundestag kandidiert. Es steht schon jetzt fest, daß diese Kandidatur einen Sitz im Deutschen Bundestag bringen wird, denn der leise und zurückhaltende Westfale ist Nachfolger von Rainer Barzel und übernahm vom früheren CDU-Vorsitzenden und ehemaligen Kanzlerkandidaten der Union mit dem Wahlkreis Paderborn eine der sichersten CDU-Absprungrampen der Bundesrepublik. Da ihn "Neues immer gereizt hat", versagte sich Heinrich Pohlmeier auch diesmal nicht dem Wunsch seiner Partei und sprang für Barzel in die Bresche, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr direkt kandidieren kann.
    Und so wird Pohlmeier eher zufällig Volksvertreter in Bonn, wie er auch Politiker erst dann wurde, als seine Karriere bereits abgeschlossen schien. "Nachbarn und Freunde" baten nämlich vor 15 Jahren um das Engagement des damals 42 Jahre alten Studienrats aus Büren bei Paderborn. Und zu seiner eigenen Überraschung wurde er kurz danach in den Rat seiner Heimatstadt und zum Vorsitzenden des Ortsverbandes seiner Partei in Büren gewählt. Natürlich half Pohlmeier auch die Tatsache zu seiner "Blitzkarriere", daß bereits damals seine Heimat eine Hochburg der CDU war und bei der Landtagswahl 1975 das Rekordergebnis von 73 Prozent brachte. Doch daß sich damals mehr als zwei Drittel aller Wähler für Pohlmeier, der seit 1970 ein Landtagsmandat hat, entschieden, liegt auch in der Person des zukünftigen Bundestagsabgeordneten begründet.
    Denn nur scheinbar ist der weißhaarige Pädagoge Pohlmeier, der bei Benno von Wiese über ein Thema aus der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts promovierte, ein Vertreter jener angeblich so "heilen" Welt, die meist nur im Vorurteil existiert. Denn es waren gerade die Konflikte in seinem Leben, die Heinrich Pohlmeier dazu brachten, die Bitten seiner Freunde nicht zu überhören und seine Zeit außerhalb des Mauritius-Gymnasiums in Büren mit Politik zu füllen. Denn der "unkritische" kleine Hitlerjunge Pohlmeier, der nach seinem Notabitur 1941 als Soldat nach Rußland geschickt wurde und unverletzt das Kriegsende erlebte, nennt noch heute diesen materiellen und geistigen Zusammenbruch "das bestimmende Erlebnis meines Lebens". Und längst bevor Unterrichtsempfehlungen dies vorschrieben, erzählte Pohlmeier seinen Schülern von dieser Vergangenheit, "um durch Erziehung dahin zu wirken, daß so etwas nie wieder geschehen kann".
    Dieser Grundsatz verbot es Heinrich Pohlmeier dann auch, abseits zu stehen, als er in die Politik gerufen wurde. Dem neuen CDU-Vorsitzenden präsentierte sich damals die CDU seiner Heimat als "klassische Honoratioren-Partei", die Pohlmeier mit der ihm eigenen Geduld und Zähigkeit öffnete. Er sprach Arbeiter und Handwerker an und "holte die Menschen in die CDU, wie ich selbst gerufen worden war". Mit dieser Öffnung der Partei, deren Mitglieder damals zu zwei Dritteln Landwirte waren, verband sich auch die Änderung der wirtschaftlichen und räumlichen Strukturen seiner Heimat, die bis heute ebenso anhält wie das starke Wachstum der Bevölkerung.
    Die zielstrebige Politik des Pädagogen, der vor drei Jahren wegen seiner zu starken politischen Belastung das ihm liebgewordene Schulamt aufgab, brachte überraschende Erfolge: Bei seiner ersten Wahl in den Landtag konnte er das Ergebnis seiner Partei um 8 Prozent verbessern und 1975 das Traumergebnis von 73,3 Prozent erreichen. Die CDU belohnte diese Erfolge, indem sie Pohlmeier noch mehr verpflichtete: 1974 wurde er an die Spitze des CDU-Kreisverbands Paderborn gewählt und auch mit dem Landesvorsitz des Kulturausschusses der CDU betraut. Ebenso ist der Bildungspolitiker Pohlmeier, dessen Erfolge in seiner zehnjährigen Landtagstätigkeit in vielen Konzepten und Programmen der CDU deutlich werden, Mitglied im Bundeskulturausschuß der Union.
    Wer glaubt, daß der Weg Pohlmeiers im Deutschen Bundestag vorgezeichnet ist und ihn zwangsläufig in die Bildungspolitik des Bundes führen wird, unterschätzt die Flexibilität des Westfalen, der im Schul- und Wissenschaftsausschuß des Landtags deutliche Akzente gesetzt hat. "Ich bin für die Arbeit im Bundestag nicht festgelegt und freue mich auf neue Aufgaben", versicherte Pohlmeier in diesen Tagen und macht es fast zur Gewißheit, daß man von ihm noch hören wird. "
    Helmut Breuer

    ID: LI800320

  • Porträt der Woche: Heinz Janssen (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 2 - 28.01.1980

    Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zieht der SPD-Abgeordnete Heinz Janssen die Konsequenz der Verweigerung: Wenn die Karlsruher Richter von ihm verlangen, daß er Berufspolitiker werden soll, dann macht er nicht mit, sondern geht zurück - "zurück in meinen erlernten Beruf als Kommunalbeamter". Am Ende dieser Legislaturperiode ist für den 46jährigen Janssen Schluß mit der Landespolitik. Nicht mehr dabeisein will der Sozialdemokrat bei einer in seinen Augen "falschen Entwicklung, daß für die Parlamentarier nur die parlamentarische Arbeit Beruf sein soll". Die solcherart mit einem außerparlamentarischen Berufsverbot belegten Abgeordneten, so seine Befürchtung, verlören den Bezug zu den Alltagsproblemen der Bürger, die sie vertreten sollen.
    Seinem Abschied gibt er aber auch ein positives Motiv: Zehn Jahre Zugehörigkeit zum Landtag seien genug. Da könne Routine aufkommen, die der politischen Arbeit schade. Demokratie lebe schließlich vom Wechsel. Zeit also, einem Nachfolger Platz zu machen.
    Zu den lauten Parlaments-Debattern hat der zurückhaltend und effizient operierende Abgeordnete Janssen nie gehört. Zum Nutzen der Bürger und seines heimischen Wahlkreises Remscheid hat er trotzdem oder deshalb viel erreicht. Er paukte in der vorigen Legislaturperiode bei der kommunalen Neuordnung die "Lex Remscheid" durch, sicherte Remscheid trotz mangelnder Einwohnerzahl den Status der kreisfreien Großstadt, hielt ihr damit die Chancen für eine eigenständige Zukunftsentwicklung offen und freut sich, "daß bei uns der Oberbürgermeister noch Oberbürgermeister ist und nicht bloß Bürgermeister oder gar nur Bezirksvorsitzender eines Stadtteils von Wuppertal".
    Während der jetzt zu Ende gehenden Legislaturperiode war Janssen die Arbeit im Petitionsausschuß "die liebste Tätigkeit". Schon vor einigen Jahren hatte er als Handlungsmaxime zu Protokoll gegeben: "Denen zu helfen, die ohne Hilfe nicht zu Rande kommen; die Mühlsteine der Bürokratie anhalten, wenn ein Bürger dazwischengerät." Als Beamter wisse er schließlich, wie Bürokraten mitunter mit Bürgern umgingen. So weiß Janssen aber auch, wenn er wieder in die heimische Kommunalverwaltung zurückkehrt, nach seiner Tätigkeit im Petitionsausschuß erst recht, "was ich als Beamter zu tun und zu lassen habe".
    Kritik und Sorge schwingen mit, wenn der Abgeordnete Heinz Janssen am Ende seiner Parlamentszugehörigkeit resümiert: Der Aufbau der Bundesrepublik sei endgültig abgeschlossen. Die Aufgabe der Parlamente beschränke sich zunehmend auf Kleinarbeit. Damit gehe die Gefahr einher, daß die Volksvertreter den Blick für die großen Zusammenhänge verlören, daß Parlamentarier-Tun unübersichtlich und für den Bürger undurchschaubar werde, daß eine unkontrollierte Verwaltung nur noch von Spezialisten beherrscht werde und sich zunehmend als Selbstzweck empfinde. "Dies muß das Parlament im Auge behalten." Regelrecht ärgerlich wird Janssen, kommt das Gespräch auf die "ausgesprochen miserablen Arbeitsbedingungen" im Düsseldorfer Landtag. Gerade wenn das Parlament seine Kontrollfunktion gegenüber einer immer perfekteren Verwaltung erfüllen wolle, seien "grundlegende Verbesserungen zwingend". Janssens "Büro" ist - oder bald war - ein einziges Regal eines Blechschrankes im Keller des Landtags.

    Christoph Lütgert

    ID: LI800221

  • Porträt der Woche: Liselotte Funcke (F.D.P.)
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 1 - 18.01.1980

    Sie hat sich zu Ämtern nie gedrängt, wenn sie dazu aufgefordert wurde, sich aber auch nicht gescheut, Verantwortung zu tragen. Mit einer Ausnahme: als sie 1972 Bundeswirtschaftsminister als Nachfolgerin des freiwillig ausscheidenden Hans Friderichs werden sollte, winkte sie ab. Dafür haben sie die Liberalen sieben Jahre später als Nachfolgerin von Horst-Ludwig Riemer als Wirtschafts- und Verkehrsminister an Rhein und Ruhr in die Pflicht genommen.
    Liselotte Funcke, die noch einen Monat vorher als Herausgeber der Bonner Texte "Frauen sprechen im Bundestag" herausfordernd geschrieben hatte: " Wenn irgendwo eine Stelle zu besetzen ist, fallen Männern immer nur Männer ein!", fing sich in ihrer eigenen Falle. Es waren die liberalen Spitzenmänner, wie der Parteivorsitzende Hans Dietrich Genscher und andere, denen in höchster Not die einzige Frau in der Führungscrew der Partei als Lösung einfiel. Sie, die während dieser Entscheidung nicht zugegen sein konnte, weil sie als Vizepräsidentin eine Bundestagsdebatte zu leiten hatte, fügte sich der "Düsseldorfer Order". Auf dem Höhepunkt ihrer Bonner Karriere: Vizepräsidentin des Bundestages, Vorsitzende des Finanzausschusses, einem der wichtigsten Parlamentsausschüsse, und stellvertretende F.D.P.-Bundesvorsitzende, trat sie ab, um als Wirtschafts- und Verkehrsminister in Düsseldorf, als stellvertretende Landesvorsitzende und als Spitzenkandidatin der Liberalen für die Landtagswahlen gleich drei schwere und undankbare Aufgaben zu übernehmen.
    Im nordrhein-westfälischen Landeskabinett ist sie mit dem Justizminister, Frau Inge Donnepp, nicht nur Mitrepräsentantin einer weiblichen Mehrheit unter den Wahlbürgern, sondern auch liberaler Part in Johannes Raus rheinisch-westfälischem Symphonie-Orchester, wie die Landesregierung von Parlamentariern gelegentlich augenzwinkernd genannt wird.
    Wenn Liselotte Funcke spricht, sei es im Parlament oder in Parteiversammlungen, reißt sie ihre Zuhörer nicht vom Stuhl, doch hat sie auch gar keine Ambitionen, ein weiblicher Volkstribun zu sein. Sie vertraut auf ihre Argumente, auf die Kunst des Überzeugen-Könnens. Elf Jahre parlamentarischer Erfahrung im Düsseldorfer Landtag und 18 Jahre im Bonner Bundestag fallen schon in die Waage, wenn es ums Argumentieren geht. Die Politikerin Funcke ist aber nicht nur in der Finanz- und Steuerpolitik zu Hause, sondern auch in der Bildungspolitik, in der sie noch zu Christine Teuschs Zeiten mit der streitbaren Ministerin rhetorische Klingen zu kreuzen verstand. Auch für die praktische Gleichberechtigung der Frau hat sie sich eingesetzt und nicht nur beim Kirchenpapier und der Debatte des Abtreibungsparagraphen bewiesen, daß sie auch Courage hat. Sie versieht ihr neues Amt fast unauffällig, wenn man einmal von dem Aufsehen absieht, das sie erregte, als sie als "oberste Bergherrin", erst wenige Wochen im Amt, eine Grubenfahrt wünschte, um sich selbst vor Ort ein Bild von dem trotz aller technischen Errungenschaften immer noch harten Beruf des Bergmanns zu machen. Ihre Entscheidungen, die sie trifft, sind begründet, aber sie betreibt damit kein Show-Geschäft. Für eine Spitzenkandidatin, wenige Monate vor den Landtagswahlen kaum begreiflich. Vielleicht aber machte gerade diese Bescheidenheit mehr Eindruck - auch auf die Wähler als die Wechselbäder von Auftrumpfen und Anbiedern.
    Erstaunlich, wie viele Posten man in der heutigen Gesellschaft auch mit bescheidenem Auftreten einnehmen kann. Sie reichen bei Liselotte Funcke von Ämtern im Landesvorstand der Jungdemokraten bis zur Mitgliedschaft im Landes- und Bundesvorstand ihrer Partei und schließen auch noch den Bezirksvorsitz in Westfalen-West mit ein. Sie umfassen neben der Mitgliedschaft im Landtag und Bundestag zahlreiche parlamentarische Ämter bis hinauf zur Bundestagsvizepräsidentin, und sie erstrecken sich auch auf zahlreiche außerparlamentarische Bereiche bis hin zur evangelischen Kirche. Zu ihrem 60. Geburtstag stiftete Frau Funcke, die in ihrer Heimatstadt selbst vom Oberbürgermeister "unsere Bundes-Lilo" genannt wird, ohne großes Aufheben davon zu machen, 15000 Mark für Behinderte ihrer Heimatstadt. Ein Anstoß, der auch männliche Jubilare unter den Politikern nachdenklich machen sollte.
    Karl Fischer

    ID: LI80011B

  • Porträt der Woche: Albert Falke (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 33 - 21.12.1979

    Nicht all jene Abgeordneten, die mit dem Ende der laufenden Legislaturperiode im Mai 1980 den Düsseldorfer Landtag verlassen werden, können von sich guten Gewissens sagen, dies sei ihr freier Entschluß. So mancher muß auch gehen, weil seine Partei ihn nicht wieder nominieren will. Die seit 1970 nur noch alle fünf Jahre stattfindende Landtagswahl ist auch immer eine Zeit des Generationswechsels in der Politik. Der CDU-Abgeordnete Albert Falke - auch er scheidet im Mai aus - gehört sicher zu den Veteranen in diesem Parlament. Seit 1962 hat er sein im Wahlkreis Meschede-Wittgenstein errungenes Direktmandat ununterbrochen in Düsseldorf vertreten. Das sind über vier Legislaturperioden hinweg immerhin achtzehn Mandatsjahre, die Zeit, in der ein Kind zum mündigen Bürger heranwächst.
    Falke hat sein Feld jedoch rechtzeitig bestellt. Der Entschluß, das Mandat 1980 an die Wähler zurückzugeben, stand schon vor einem Jahr fest. Der präsumtive Nachfolger findet im Hochsauerland gut bereiteten Boden vor. In Falkes Fußstapfen ist gut Wandern. In seinen Textilien auch. Denn der Unternehmer Albert Falke hat immer sorgsam darauf geachtet, nie abhängig von Partei und Mandat zu sein. Die Freiheit von Pressionen in den politischen Entscheidungen sah er stets am besten dadurch gewährleistet, daß der Abgeordnete im erlernten Beruf so viel leiste, um eher nebenbei Dienst am Bürger üben zu können. Falke hat in all diesen Mandatsjahren für seinen eigenen Wahlkreis ungemein viel gearbeitet. Er gehört insofern zu den Politikern, die Interessen ihrer Wähler immer direkt umzusetzen versucht haben. Die Wähler haben dies auch Periode um Periode mit Stimmenzuwachs honoriert. Auch das ist eine in Prozenten objektivierbare Leistung, die sich in den sonst in der Politik eher wetterwendischen Zeitläufen uneingeschränkt sehen lassen kann.
    Im Landtag hat Falke sich auf vielen Arbeitsgebieten umgetan. Zuerst im Sport-, im Verkehrsausschuß, dann lange Jahre im Wirtschaftsausschuß. Es ist bei Albert Falke durchaus verantwortlicher Unternehmersinn, wenn er auch in der Politik Probleme am liebsten persönlich und direkt anfaßte, selbst nach Lösungsmöglichkeiten suchte, wo manch anderer gern andere für sich denken ließ. Die große staatsmännische Rede hat er gern denen überlassen, die sich größer dünken. Falke ist viel zu sehr Pragmatiker, als daß er in ideologischen Weltbildern träumen würde. Ausbildung und Werdegang waren von Anfang an darauf angelegt, daß der Mann seinen Mann selbst zu stehen habe: Lehre im elterlichen Betrieb, Wanderjahre als Kaufmannsgehilfe und Textilingenieur, dazwischen als Soldat einmal Rußland und zurück, dann sehr bald verantwortlich an jenem Arbeitsplatz, den der Großvater dereinst, nur mit einer einzigen Strickmaschine aus Sachsen kommend, im Sauerland aufgebaut hatte.
    Der Politiker Falke - er steht im achtundfünfzigsten Lebensjahr - tut auch jetzt nach bald achtzehn Abgeordnetenjahren nur ungern einen Blick zurück. Da schwingt eine vielleicht instinktive Scheu mit, die in Wahrheit von hohem Selbstbewußtsein zeugt: "Wir müssen immer in die Zukunft schauen, denn über die Vergangenheit berichten die Bilanzen." Falke blickt aber nicht ohne Sorge auf den Parlamentarismus, wie er sich heute entwickelt hat. Es betrübt ihn, daß immer größere Gruppen der Gesellschaft ihre Interessen in die Vollmacht von Auftragsverwaltungen geben: Die Unternehmer schicken ihre Syndizi, die Arbeiter ihre Gewerkschaftsfunktionäre, die Beamten sich selbst in die Parlamente. Selbstverantwortung für eigenständiges Handeln droht so zu einem kümmerlichen Pflänzchen zu werden. Falke, den seine Freunde "Blücher" nennen, hat parlamentarisches Leben nie als ein Quoten-Kartell der Machtzuteilung verstanden.
    Lothar Bewerunge

    ID: LI79331E

  • Porträt der Woche: Werner Kuhlmann (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 32 - 14.12.1979

    In den 18 Jahren, die Werner Kuhlmann (58) dem Landtag angehört, hat er es Gegnern und Freunden nie leichtgemacht. In der eigenen Fraktion trat er auch dann mit allem Nachdruck, manchmal mit aller Schärfe für seine Überzeugung ein, wenn er in einer hoffnungslosen Minderheit war. Von ihm heißt es mit Respekt: "Er sagt, was er denkt." Aus dem Landtag scheidet er freiwillig aus. Er kann mit der Gewißheit gehen, einiges auf den Weg gebracht zu haben.
    Kompromißlos ist Werner Kuhlmann im Landtag seit 1962 dafür eingetreten, daß die Polizei ihren zivilen Charakter behielt. Mit Argwohn wachte er darüber, daß nicht "alte Kommißköppe" eine Chance bekamen, eine halbmilitärische Truppe zu kommandieren. "Nach dem Mißbrauch durch die Nazis mußte die Polizei wie keine andere Berufsgruppe aufpassen, daß der Zug nicht wieder in die falsche Richtung ging", sagt Kuhlmann.
    Aus dieser Sorge heraus sind die hitzigen Wortgefechte mit dem früheren Innenminister Weyer zu verstehen, dem er auch als Gewerkschaftsvorsitzender gegenüberstand. 1956 war Kuhlmann GdP-Landesvorsitzender, 1958 Bundesvorsitzender und 1964 Präsident der Internationalen Union der Gewerkschaften geworden. 1975, nach der Wahl zum Oberbürgermeister seiner Heimatstadt Gelsenkirchen, legte er seine Gewerkschaftsämter in Land und Bund, 1977 das Präsidium nieder. Wenn er jetzt auf ein Landtagsmandat verzichtet, so ist das für ihn folgerichtig.
    "Ich engagiere mich in einem Amt total", sagt er. Die Entscheidung zwischen Mandat und OB sei ihm leichtgefallen. Den unmittelbaren Erfolg des eigenen Einsatzes erlebe man so recht nur in seinem überschaubaren Bereich. Werner Kuhlmann versteht sich als Anwalt des Bürgers, der sich der Bürokratie oft hilflos ausgeliefert fühle. Jeder kann mit seinen Sorgen zu ihm kommen. Allen Beschwerden geht der OB nach. 20000 Briefe von Bürgern hat er seit 1975 beantwortet und sich vorher nicht auf unbefriedigende Auskünfte der Verwaltung verlassen.
    Vor 1975 hat Werner Kuhlmann, von Beruf Kriminaloberkommissar, dem Innenausschuß angehört. Er setzte sich ein gegen die gesetzliche Regelung des "Todesschusses", gegen die Ausrüstung der Polizei mit schweren Waffen, gegen den Kombattantenstatus der Polizei im Kriegsfall. Nach 1975 wechselte er als OB in den Kommunalpolitischen Ausschuß. Der Oberbürgermeister der Stadt, die in NRW am stärksten unter Arbeitslosigkeit leidet, stritt für eine ausreichende Finanzausstattung der Kommunen nach dem Fortfall der Lohnsummensteuer, für neue Arbeitsplätze, für preiswerte Mieten, für bessere Lebensbedingungen in den Ballungsgebieten. Dabei sah er nicht nur egoistisch seine Stadt allein, sondern das Revier insgesamt.
    Der Unterbezirk der SPD, dem Kuhlmann gleich nach Kriegsende 1945 beitrat, hatte einen Grundsatzbeschluß gegen Doppelmandate gefaßt. Für Kuhlmann galt eine Ausnahmeregelung. Er sieht heute ein, daß Ämterhäufung einen Mann überfordern kann. Aber es sollte, so meint er, immer Ausnahmen von der Regel geben. Was wäre der Landtag ohne den Sachverstand der Oberbürgermeister und der Kommunalpolitiker?
    Wenn er auf 18 Jahre im Parlament zurückschaut, zieht Werner Kuhlmann die Bilanz, daß die Arbeit des Landtags nicht unwichtiger geworden ist. Die großen politischen Entscheidungen, gewiß, sie hätten sich nach Bonn verlagert. Dem Landtag bleibe aber als wichtigste Aufgabe, das Zusammenleben der Bürger harmonischer zu gestalten, die Bürokratie zu vermenschlichen und im Griff zu behalten.
    Gerd Goch

    ID: LI793204

  • Porträt der Woche: Fritz-Werner Hoberg (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 31 - 03.12.1979

    "Ich muß mir selbst treu bleiben", antwortet Fritz-Werner Hoberg und begegnet damit allen Einwänden, warum er nicht nochmals, zum dritten Mal für den nordrhein-westfälischen Landtag kandidieren wolle. Als der gebürtige Münsterländer 1952, damals 39 Jahre alt, in den Amtsrat von Liesborn-Wadersloh gewählt worden war, schwor er sich, ein Mandat nicht als "Erbhof" zu betrachten und in einem "gewissen Alter" den Platz für einen Jüngeren zu räumen. Mit heute 66 Jahren schien dem CDU-Landtagsabgeordneten die Zeit dafür gekommen zu sein, obwohl er sich gesundheitlich noch "top-fit" fühlt und Fraktionschef Köppler den Entschluß mit den Worten quittierte: "So jung sind Sie noch, daß Sie sich an Ihr damaliges Versprechen erinnern können."
    Sein Beruf ist Landwirt, und vielleicht ist diese besonders ausgeprägte Landschaftsbezogenheit einer der Gründe für seine ebenso ausgeprägte Eigenständigkeit. Fritz-Werner Hoberg ist kein bequemer Abgeordneter - auch für seine Fraktion. "Nicht nur einem Vorturner steht es zu, unbequem zu sein", meint er selbst. So widersetzte sich der CDU-Abgeordnete der am Jahresanfang verabschiedeten Diätenregelung und sagte auch nein zu den Neugliederungsgesetzen.
    Aufgrund seiner jahrzehntelangen parlamentarischen Erfahrung ist Hoberg ein entschiedener Gegner des sogenannten Full-Time-Jobs von Landtagsabgeordneten wie auch ihrer Altersversorgung. "Ich habe die Sorge, daß Landesparlamente, wenn sie quasi mit Beamten besetzt sind, nicht mehr die erforderliche absolute Freiheit in ihren Entscheidungen haben." Wer aber wolle in einen privilegierten Bereich, wie das Beamtentum, eingreifen, wenn er selbst im Besitz solcher Privilegien sei.
    Der Kommunalpolitiker Hoberg bedauert, daß während der damaligen Diskussion um die Kommunalreform sich seine Vorstellungen über eine modifizierte Amtsverfassung nicht durchgesetzt haben. Die erzwungene Aufgabe der Selbständigkeit vieler kleiner Gemeinden habe zur Folge, "daß zu viele gute Sozialstrukturen in unseren Dörfern zerstört werden". Darüber hinaus kritisiert das Mitglied des Wirtschaftsausschusses das "breite Netz" von Planungen, angefangen von den Landesentwicklungsplänen bis zum Krankenhausbedarfsplan, "das die ländlichen Bereiche benachteiligt und ihre Entwicklungsmöglichkeiten stark schmälert". Jene Planer seien zu "bewundern", die schon heute genau wüßten, "wer, wann, wo und mit welcher Krankheit sich zu Bett legen wird".
    Als engagiertes Mitglied des Ernährungsausschusses meint der noch praktizierende Landwirt rückblickend, daß kaum ein anderes parlamentarisches Gremium mehr Umweltprobleme regeln mußte. "Die Gesetzesentwürfe kamen ideologiebelastet in den Ausschuß; sie mußten dann entfrachtet und den Realitäten angepaßt werden." Und selbstkritisch stellt der Abgeordnete fest, daß mit den vom Parlament verabschiedeten Gesetzen gleichzeitig die Bürokratie wächst und die Reglementierung des Bürgers zunimmt. Der sehr hohe Erwartungshorizont des Bürgers gegenüber dem Staat könne sehr leicht in Enttäuschung enden.
    Nach zehnjährigem parlamentarischem Wirken am Düsseldorfer Schwanenspiegel fällt Hoberg der Abschied vom Landtag nicht leicht. Doch er ist realistisch genug, um gleichzeitig zu erkennen, daß ein Oppositionsabgeordneter "zu wenig Erfolgserlebnisse" habe, "weil viele seiner Initiativen durch eine Parteibuchpolitik ungeahnten Ausmaßes verhindert wird". Ein Vorwurf an die derzeit Regierenden.
    Der münsterländische Abgeordnete zählt nicht zu den "auffälligen" Parlamentariern dieses Landtages, wohl aber zu jenen, die beharrlich und engagiert die Interessen des Wählers vertreten und sich dabei selbst treu geblieben sind.
    Jochen Jurettko

    ID: LI79311C

  • Porträt der Woche: Richard Kasper (SPD).
    Porträt
    S. 11 in Ausgabe 30 - 26.11.1979

    Eigentlich würde er "gern noch mal mitmischen". Doch Richard Kasper hat seiner schwerkranken Frau Bruni bereits vor Jahren versprochen, daß diese Legislaturperiode für ihn die letzte sei. So zieht sich Kasper ungewöhnlich früh - er wird am 7. Februar 48 Jahre alt - aus familiären Gründen aufs politische Altenteil zurück. Auch zu Hause hat er schon alles auf einen grundlegenden Wechsel vorbereitet. Das schmucke Eigenheim in der Erftniederung von Quadrath-lchendorf bei Bergheim wurde in diesen Tagen verkauft, in Trieben/Steiermark hat er sich ein neues Haus gebaut. Der endgültige Umzug ist für Mai geplant. Frau Bruni hofft in der klaren Gebirgsluft auf Linderung ihres Leidens. Und "König Richard", wie er in seinem Heimatkreis Bergheim wegen seines Durchsetzungsvermögens aber auch wegen seiner Volkstümlichkeit genannt wurde, wird Wahl-Österreicher.
    Der Abschied fällt ihm schwer. "Besonders auch von den vielen Freunden, die ich in den 14 Jahren hier im Landtag gewonnen habe", unterstreicht er. Er hofft, "daß sie mich alle einmal in der Steiermark besuchen". Die persönlichen Freundschaften über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg zählt er denn auch zu seinen Erfolgserlebnissen als Parlamentarier. Richard Kasper zollt allen Kollegen pauschales Lob, indem er sagt: " Wir können hier auch nach den hitzigsten Debatten immer noch ein Bier zusammen trinken." Und so kommt es nicht von ungefähr, daß einer seiner Zukunftswünsche auf die Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten am Schwanenspiegel zielt, obwohl er selbst nicht mehr davon betroffen ist: "Jeder Landtagsabgeordnete sollte zumindest einen eigenen Schreibtisch und ein eigenes Telefon haben. Das sind die Mindestvoraussetzungen für gute parlamentarische Arbeit." Kasper empfiehlt dabei "die kostengünstigste Lösung", die er in zwei Anbauten an das Ständehaus sieht. Der Verlust eines Teils der Grünanlage wäre nach Meinung des Naturschützers und passionierten Jägers "sicher schmerzlich, aber dennoch vertretbar; auch wenn die Düsseldorfer Jonges das anders sehen".
    Obwohl Richard Kasper so früh in den Ruhestand tritt, kann er doch schon auf mehr als 20 Jahre aktive politische Arbeit zurückblicken. Der Sohn eines Braunkohlenarbeiters, gelernter Schlosser und späterer Jugend- und Rechtsschutzsekretär der IG Bergbau, wurde schon 1958 Ortsvereins vorsitzender der SPD in seiner Heimatgemeinde Quadrath-lchendorf und 1962, gerade 30jährig, auch Bürgermeister. Seine Erfolgskurve stieg dann steil an. Bei der Kommunalwahl 1964 gab es unter seiner Führung einen Erdrutsch, als die SPD die Zahl ihrer Ratsmandate von 9 auf 14 erhöhte, die der CDU von 8 auf 4 halbiert wurden. Im gleichen Jahr wurde Kasper auch Landrat des damaligen 140000-Einwohner-Kreises Bergheim, was er bis zur kommunalen Neuordnung am 1. Januar 1975 ununterbrochen blieb.
    1966 gelang ihm das Husarenstück, den 16 Jahre lang von der CDU gehaltenen Landtagswahlkreis zu erobern. Mit 50,2 Prozent der Stimmen wurde Richard Kasper nach Düsseldorf entsandt. Über die engeren Grenzen hinaus bekannt wurde er 1970, als die CDU ihren Spitzenkandidaten Heinrich Köppler gegen ihn aufstellte, um Bergheim zurückzugewinnen. Aber Kasper siegte auch gegen den prominenten CDU-Mann und gewann sogar noch 1,3 Prozent hinzu, während die SPD im Landesdurchschnitt 3,4 Prozent verlor. Und auch die dritte Direktkandidatur 1975 wurde für ihn zu einer klaren Angelegenheit.
    Siege auf dem politischen Feld sind für Richard Kasper jetzt nur noch Erinnerung. In den steirischen Bergen will er demnächst "geruhsam leben", das Waidwerk pflegen und sich intensiv seinem zweiten Hobby widmen: der Zucht von Bullterriers. Karlegon Halbach

    ID: LI793026

  • Porträt der Woche: Franz Mader (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 29 - 16.11.1979

    Wenn im Frühjahr nächsten Jahres der Landtagsabgeordnete Franz Mader nach zwölfjähriger parlamentarischer Tätigkeit aus dem Parlament ausscheidet, verliert der nordrhein-westfälische Landtag nicht nur seinen ranghöchsten Reserveoffizier der Bundeswehr, sondern auch den letzten Ritterkreuzträger des Zweiten Weltkrieges in diesem Hause. Das werden jüngere Parlamentarier vielleicht sogar mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen, nur eben bringt dieser Generationswechsel auch einen Erfahrungsverlust mit sich, der mit forschem Auftreten allein nicht auszugleichen ist. Auch wird zu leicht vergessen, daß die Haltung dieser Generation, die nach 1945 entscheidend am Wiederaufbau mitgearbeitet hat und sich auch dem Aufbau eines demokratischen Staatswesens nicht versagt hat, mit Voraussetzung dafür war, daß die Angehörigen der jüngeren Generationen darauf aufbauen konnten.

    Franz Mader, im sudetendeutschen Mitteldorf geboren, im schlesischen Glatz aufgewachsen, im westfälischen Bielefeld berufstätig und Parlamentarier im rheinischen Düsseldorf, hat immer Flagge gezeigt. Als aktiver Reichswehroffizier ebenso, wie als Gebirgsjäger in Stalingrad und Regimentskommandeur vor Monte Cassino. Nach 1945 aus der Heimat vertrieben, baute sich der schlesische Katholik, Jahrgang 1912, der neben seiner militärischen Laufbahn auch Rechts-, Staats- und Wirtschaftswissenschaften studiert hat, eine Fachanwaltspraxis für Steuerrecht auf und ließ sich 1958 als Notar in Bielefeld nieder. In dieser Zeit zeigte er auch politisch wieder Flagge und trat den Freien Demokraten bei, deren stellvertretender Kreisvorsitzender und nach der Wahl in den Bielefelder Stadtrat auch Fraktionsvorsitzender er wurde.

    Zehnjährige kommunalpolitische Erfahrung, gepaart mit einem fundamentierten juristischen, wirtschaftlichen und finanzpolitischen Fachwissen, ließen Mader nach seiner Wahl in den Landtag gerade für die zahlenmäßig kleine Fraktion der Liberalen ein Gewinn sein. Doch nach den siebziger Landtagswahlen gehörte Mader zu den nationalliberalen Kräften in der F.D.P., denen die sozialliberale Koalition zu weit ging. Gemeinsam mit Heinz Lange und Wilhelm Maas schied er aus der F.D.P.-Fraktion aus und gründete mit den übrigen Mitgliedern der nationalliberalen Aktion die "Deutsche Union", aus der er allerdings aus Verärgerung über personelle Querelen schnell wieder ausschied und schließlich 1971 der CDU beitrat.

    In der großen Fraktion der Christdemokraten kam Franz Mader nicht mehr so zum Zuge wie in der liberalen Landtagsfraktion. In der Mittelstandsvereinigung, der Vereinigung christlich-demokratischer Juristen und der Union der Vertriebenen wirkt Mader weiter. Ebenso wie in der schlesischen Landsmannschaft, deren Vorsitzender er in Nordrhein-Westfalen ist. Auch in der CDU ist Franz Mader ein Liberal-Konservativer geblieben, der mit Verstand und Herz seinen politischen Weggeht.

    Karl Fischer

    ID: LI792923

  • Porträt der Woche: Karl Grüter (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 28 - 12.11.1979

    Wenn Karl Grüter mit Ablauf dieser Legislaturperiode im Mai nächsten Jahres aus dem nordrhein-westfälischen Landtag ausscheiden wird, dürfte ihm der Abschied von Düsseldorf leichter als vielen seiner ebenfalls nicht mehr kandidierenden Parlamentskollegen fallen.
    Der CDU-Abgeordnete aus dem münsterländischen Kreis Steinfurt kehrt nämlich wieder in einen Bereich der Politik zurück, in dem er die ersten vielbeachteten Erfolge erzielte und der ihn auch während seines zweijährigen Landtagsmandates nicht losließ - in die Kommunalpolitik.
    Seine Parteifreunde in Hörstel hatten den engagierten Gewerkschaftssekretär beim DGB gebeten, Bürgermeister des aufstrebenden Städtchens im Tecklenburger Land zu werden, nachdem er bereits seit 1975 das Vizeamt innehat. "Diese Aufgabe reizte mich mehr als eine erneute Kandidatur für den Landtag", räumt Grüter freimütig ein. Und beide Mandate wollte der 59jährige CDU-Politiker nicht übernehmen. "Irgendwann muß es einmal aufhören, da muß das Familienleben wieder zum Zuge kommen." Zudem ließen auch gesundheitliche Gründe eine Doppelbelastung nicht mehr zu.
    Der gebürtige Münsterländer gibt der Kommunalpolitik vor allem deswegen den Vorzug, "weil man in ländlichen Gemeinden tagtäglich miterleben kann, wie dem einzelnen zu helfen ist". Als damaliger Spitzenkandidat einer Unabhängigen Wählergemeinschaft hatte Grüter 1961 in der inzwischen durch die Kommunalreform aufgelösten Gemeinde Riesenbeck auf Anhieb fünfzig Prozent der Stimmen erhalten und war zum Bürgermeister gewählt worden. Erst drei Jahre später stieß der "Unabhängige" zur CDU und sicherte seiner Partei in allen folgenden Kommunalwahlen die absolute Mehrheit.

    Der Landtagsabgeordnete, der sein politisches Wirken als ein "Hobby" sieht und sich daher auch die Unabhängigkeit gegenüber parteipolitischen Strömungen stets bewahrt hat, meint rückblickend, daß die Gebietsreform "nicht das gebracht hat, was einige von uns erhofft haben". Man habe das "vielgepriesene Jahrhundertwerk" oft nicht mit, sondern gegen den Bürger geschaffen. Voraussetzung für das Engagement des Bürgers sei aber, daß er seine Kommune auch als "seine Stadt und nicht als die Stadt" empfinde.
    Und wie viele andere Kommunalpolitiker sorgt sich der Praktiker über die immer größere Reglementierung der gemeindlichen Selbstverwaltung. Der Freiheitsspielraum werde durch ständig neue Gesetze, Erlasse und Verordnungen eingeengt. Wenn der Bürger gegen diese Paragraphenflut verstößt, gehört Grüter zu jenen, die ihm helfen, möglichst ungeschoren aus der Gesetzesmaschinerie wieder herauszukommen. Dabei dürfte auch sein stark ausgeprägtes soziales Empfinden eine Rolle spielen.

    Als Gewerkschaftler der "ersten Nachkriegsstunde" und gelernter Maschinenschlosser fühlt sich Grüter vor allem der Arbeiterschaft verbunden. Und um die Antwort auf die häufig gestellte Frage, warum er als Gewerkschaftler der CDU angehöre, braucht der Münsterländer nicht lange zu ringen: "Weil ausschließlich sie nach dem Krieg das soziale Fundament für die Arbeitnehmer gelegt hat."

    Sein Wirken für die Mitbürger umfaßt noch weitere Bereiche: so als Arbeitsrichter am Arbeitsgericht Rheine und als Vorstandsvorsitzender der AOK für das Tecklenburger Land. Der Industrielle Henry Ford meinte einmal: "Die meisten Menschen wenden mehr Zeit und Kraft daran, um über die Probleme herumzureden, als sie anzupacken." Karl Grüter zählt nicht zu ihnen.

    Wenn er seine parlamentarische Tätigkeit in Düsseldorf aufgegeben hat, will er sich langgehegte Wünsche erfüllen. So möchte der passionierte Wanderer die deutschen Lande ebenso durchstreifen wie die französische Provence. Wünsche, auf deren Erfüllung die meisten unter uns nicht so lange zu warten brauchen.

    Jochen Jurettko

    ID: LI792816

  • Porträt der Woche: Julius Drescher (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 27 - 05.11.1979

    Julius Drescher trägt mit Vorliebe grüne Kleidung - und auf seiner Krawatte prächtige Hirschgrandeln. "Jule", wie er bei Freund und Gegner gerufen wird, ist ein "Grüner", und das nicht erst, seit Bürgerinitiativen für den Umweltschutz diese Farbe für sich reklamieren. 20 Jahre lang hat er sich im nordrhein-westfälischen Landtag für den Schutz der Landschaft eingesetzt. Äxte und Motorsägen sollten in den Wäldern zwar ernten, nicht aber deren Fläche verringern dürfen.
    "Ich habe im Parlament ein brachliegendes Feld beackern können", sagte er rückblickend. Mit Argusaugen hat er darüber gewacht, daß im zuständigen Fachausschuß, dem er von Anfang an angehörte, über den schwergewichtigen Aufgaben "Ernährung und Landwirtschaft" nicht die Forsten zu kurz kamen.
    Dabei hat sich, so Julius Drescher, die wirtschaftliche Bedeutung des Waldes erheblich geändert. " Vor zwei Jahrzehnten hatten wir noch 35 Millionen DM Einnahmen aus den Staatsforsten, heute buchen wir 45 Millionen DM Defizit", sagte er. Doch der Wert der sozialen Funktion der Wälder in unserem dichtbesiedelten Land sei gar nicht zu ermessen.

    Julius Drescher ist Jäger. Besitzer eines kleinen Reviers 15 Kilometer von seiner Heimatstadt Brilon entfernt. Waidmänner haben es gar nicht gern, wenn Spaziergänger unter ihrem Hochsitz herumlaufen. Julius Drescher setzte jedoch mit seinem SPD-Arbeitskreis das Waldbetretungsrecht durch. Alle Wälder müßten dem Bürger geöffnet werden.
    Die Liebe zum Wald und zum Wild, die er an seine beiden Söhne weitergab, hat er von seinem Vater geerbt, der in einem Försterhaus geboren worden war, seine Familie aber als Landvermesser ernährte.
    Julius Drescher wurde von seinem Vater streng katholisch erzogen. Als er aus dem Krieg heimkehrte und, von den Reden Kurt Schumachers beeindruckt, der SPD beitrat, konnte die Familie, in der Zentrum gewählt wurde, es nicht fassen. Aus Julius wurde der "rote Jule".

    Der dickschädelige, aber stets frohe Laune ausstrahlende SPD-Jungpolitiker wurde 1948 in den Gemeinderat gewählt. Acht Jahre später gelang ihm das Kunststück, auch Zentrum, F.D.P. und BHE hinter sich zu bringen. Zwei Jahre lang war er Bürgermeister von Brilon, dann spaltete sich das Zentrum. Das Amt ging wieder an die CDU. 1961 trug er noch einmal für zwei Jahre die Amtskette.
    SPD und CDU hatten vereinbart, die Amtszeit zu teilen. Im Mai 1980 wird er den Landtag, in dem er auch dem Haupt-, dem Petitions-, dem Jugend-, dem Rechnungsprüfungs- und dem Ausschuß für Wohnungsbau und Städteplanung angehört hat, verlassen.
    "20 Jahre sind genug", sagt Julius Drescher ohne jede Wehmut. "Ich habe es abgelehnt, wieder aufgestellt zu werden. Ich will nicht in den Sielen sterben." Mit 60 Jahren sei für Parlamentarier das Alter gekommen, jüngeren Platz zu machen. "Wer am Sessel klebt, muß mit Knieschüssen rechnen. Ich hasse beides. " Er ist 59 und schon weise.

    Dem nächsten Landtag gibt Julius Drescher den Rat, sich wieder auf das Wesentliche zu besinnen. Die Arbeit sei in den letzten zwei Jahrzehnten enorm gewachsen, weil die ausufernde Bürokratie immer mehr Papiere produziere und den Parlamentariern "zuwerfe". Berge von Drucksachen müßten gelesen werden. Es sei nicht notwendig, jeden nur denkbaren Fall gesetzlich abzudecken. Es genüge, wenn das Parlament den Rahmen stecke, in dem die Regierung mit Einverständnis des Fachausschusses Verordnungen erlasse.

    In der Aufblähung des Beamtenapparates sieht Julius Drescher eine große Gefahr für den Bestand der Demokratie, weil die Parlamente die Bürokratie eines Tages nicht mehr im Griff haben könnten. Die Gängelei der Bürger durch die Exekutive müsse verhindert werden. Diese Mahnung eines erfahrenen Abgeordneten sollte von den jüngeren nach der Wahl aufgegriffen werden.
    Gerd Goch

    ID: LI792714

  • Porträt der Woche: Dr. Helmut Glaszinski (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 25 - 19.10.1979

    Nun muß seine "heimliche Liebe" wieder mal hintanstehen. Jedenfalls wird kaum etwas aus seinem Wunsch, in beschaulichem Pensionärsleben das Studium der Geschichte aufzunehmen.
    Dr. Helmut Glaszinski (64) hat sich zwar nach 23jähriger Zugehörigkeit zum Duisburger Stadtparlament (Spezialität: Etatreden) verdientermaßen in den kommunalpolitischen Ruhestand zurückgezogen, nach fünf Jahren als "Neuling" im Düsseldorfer Parlament am Schwanenspiegel wird er dem neuen Landtag nach dem 11. Mai 1980 ebenfalls nicht wieder angehören - aber andere große Verpflichtungen stehen dem Industriekapitän aus dem Vorstand der Mannesmann-Hüttenwerke in Duisburg ins Haus.

    Im Gespräch wenige Stunden vor seinem Abflug nach Brasilien erklärte der einstige "kleine Tarifangestellte bei Mannesmann", er habe sich vom Landtagspräsidenten für sechs Wochen an der Teilnahme an den Plenar- und Ausschußsitzungen beurlauben lassen. Er, regelmäßiger Teilnehmer auch an Landtagssitzungen, in denen mitunter nur noch wenige Dutzend Abgeordnete "die Bänke drücken", flog nun nicht zu seinem Plaisir nach Südamerika. Der Mann mit den drei akademischen Abschlüssen - Diplom-Kaufmann, Diplom-Volkswirt, Dr. rer. pol. - wird von seinem Konzern noch dringend gebraucht, als Verwaltungsratsmitglied von Mannesmann Sa. in Belo Horizonte, 500 Kilometer vom Zuckerhut entfernt. 15 000 Menschen arbeiten in den Hütten und Röhrenschmieden des brasilianischen Mannesmann-Ablegers.

    "Nein, ich muß mich nicht dauernd in Brasilien aufhalten, vielleicht werde ich etappenweise jeweils die Hälfte der Tage eines Jahres an meinen Aufgaben dort verbringen", so Dr. Glaszinski. Seine Berufung in das brasilianische Aufsichtsgremium ist indes nicht befristet.
    Glaszinski: "Ende offen." Da er mithin demnächst häufig abwesend sein wird, hatte er sich schon deshalb nicht erneut um eine Kandidatur für den Landtag bemüht. "Auf Platz 95 der CDU-Liste war ich ohnehin als letzter ins Parlament gerutscht", so der Duisburger Manager mit Rückblick auf das Jahr 1975.
    Einen weiteren Grund, weswegen er es bei einer Legislaturperiode belassen wird, erläutert er: "Bei einer Neuwahl 1980 wäre ich knapp 65, ich würde mich also bis in mein 70. Lebensjahr durch das Mandat binden. Weil er mithin seinen Sitz im Landtag einem jüngeren überlassen möchte, gleichzeitig aber "eine gewisse Freizügigkeit" für seine Aufgabe in Brasilien benötigt, scheidet Dr. Glaszinski mit ehrenwerten Gründen aus dem Hohen Haus am Schwanenspiegel aus.
    Die Parlamentsarbeit, insbesondere die Tätigkeit in den Ausschüssen habe ihm durchaus Freude gemacht und Einblicke in neue Bereiche vermittelt, bilanziert Dr. Glaszinski seine bisherige Abgeordnetentätigkeit. Bilanzen, Zahlenkolonnen, unternehmerische Entscheidungen - ein Leben lang sein tägliches Brot auf dem Weg vom Angestellten zum Prokuristen, Direktor, Generalbevollmächtigten und Vorstandsmitglied des Röhrenkonzems. So hat denn der Abgeordnete Glaszinski diese Fähigkeiten stets in die Arbeit des wichtigen Haushalts- und Finanzausschusses und des Rechnungsprüfungsausschusses einbringen können. Hier war der Manager mehr Experte als Parteipolitiker.

    Als Rechnungsrevisor mit parlamentarischem Mandat sah Glaszinski sich im Prüfungsausschuß öfters mit dem "Laster der Bürokratie" in manchen Landesverwaltungen konfrontiert. Doch der Industriemanager weiß, daß Bürokratie nicht allein auf den öffentlichen Dienst beschränkt ist. "Je größer auch in der Privatwirtschaft die Gebilde und Konzerne, desto mehr Papier und Richtlinien!" Dabei muß Dr. Glaszinski an jene Archäologen denken, die im Jahr 3000 in Wolfsburg ein unbekanntes Objekt, die Volkswagenwerke, ausbuddeln und das wissenschaftliche Ergebnis wie folgt zusammenfassen: Dies muß eine gewaltige Papierfabrik mit einem sehr großen Fuhrpark gewesen sein...

    Man sieht, seinen trockenen ostwestfälischen Humor hat Dr. Glaszinski, Sohn eines früh verstorbenen Bühnenarbeiters des Bielefelder Theaters, seit einigen Jahren verwitwet, Vater zweier erwachsener Töchter, nicht verloren. Ihn zieht es denn auch in seine Heimatstadt Bielefeld zurück, wo er demnächst wohnen will, wenn er nicht gerade in Brasilien zu tun hat. Das 100 Quadratmeter große Reihenhäuschen, das der Karriere-Mann sich noch als kleiner Arbeitnehmer in Duisburg-Ungelsheim baute, das er auch als Vorstandsmitglied nie verließ, wird deshalb nicht verwaisen. Glaszinski: "Das Häuschen schenke ich meiner jüngsten Tochter."
    Hans Wüllenweber

    ID: LI792527

  • Porträt der Woche: Heinrich Sporleder (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 23 - 01.10.1979

    Als er dieser Tage die Vollendung seines sechzigsten Lebensjahres feierte, lud er zu einer Dampferfahrt auf der Ruhr ein. Und weil von dieser Geburtstagsfeier auch Nicht-Eingeladene etwas haben sollten, hielt der Gastgeber während der Fahrt bei seinen Gästen diskret die Hand auf. Denn statt "Bücher, die ich schon habe, oder Alkohol, der mir nicht bekommt", wie er in der Einladung geschrieben hatte, wollte er lieber den Gegenwert zugedachter Geschenke einer Gruppe behinderter Kinder geben - damit sie wieder an einer Ferienfreizeit teilnehmen könnten.
    Dies Engagement für andere zieht sich durch Heinrich Sporleders politisches Leben und steht auch an dessen Anfang. Der gelernte und von 1944 bis 1973 an verschiedenen Schulen in unterschiedlichen Funktionen (zuletzt: Rektor einer Volksschule) tätige Lehrer engagierte sich bald nach dem Kriege in einer Berufsorganisation, die dann in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft aufging.
    Unmittelbar parteipolitisch aktiv wurde Sporleder 1952. Damals hatte er den wegen der Wiederbewaffnungspläne Adenauers als Bundesinnenminister zurückgetretenen Gustav Heinemann reden hören - und zwar fasziniert von Persönlichkeit und Programm dieses Mannes. Sporleder trat der von Heinemann gegründeten " Gesamtdeutschen Volkspartei" (GVP) bei.
    Dieser Parteieintritt fiel ihm um so leichter, als ihn der Krieg, in dem er ein Bein einbüßte, zum Pazifisten hatte werden lassen. Sein friedenspolitisches Engagement praktizierte Sporleder weiter, nachdem er sich schon 1955 - und nicht erst bei Überführung der GVP in die SPD anno 1957-den Sozialdemokraten angeschlossen hatte, weil er hier größere Wirkungsmöglichkeiten sah. So gründete Sporleder in Mülheim nach Etablierung der Bundeswehr eine der ersten Beratungsgruppen für Kriegsdienstverweigerer.
    Denn zur Wahrnehmung des neuen Verfassungsrechtes auf Kriegsdienstverweigerung schien ihm solche Beratung ebenso nötig wie politisch sinnvoll.
    Den größten Teil seiner politischen Arbeit leistete Sporleder in der Kommunalpolitik. Er war insgesamt neun Jahre Mitglied des Stadtrates von Mülheim und saß von 1969 bis 1975 dem wichtigen Schulausschuß vor. Wer von Schulen, Kindergärten und Sportanlagen Mülheims redet, kommt ohne die Erwähnung Sporleders nicht aus, der viel daran "mitgebaut" hat. Daß er dabei immer auch um "Basisnähe" bemüht blieb, dafür sorgten seine acht Kinder wie sein Engagement in Sportvereinen und in der Evangelischen Kirche.
    Was Wunder also, daß Heinrich Sporleder, nachdem er 1975 erfolgreich für den Landtag kandidiert hatte, von seiner Fraktion in die Ausschüsse für Schule und Kultur sowie für Wissenschaft und Forschung delegiert wurde.
    Daß ihm seine Grundüberzeugungen sehr ernst sind und er für koalitionstaktische Überzeugungsdehnungen nicht zu haben war, hat er erst kürzlich wieder bewiesen: Sporleder war einer der beiden SPD-Abgeordneten die wider die Fraktionsmehrheit dagegen stimmten, die Vertreter in den Beschlußorganen des "Kommunalverbandes Ruhrgebiet" durch imperatives Mandat zu binden.
    Weil er meint, daß es mit sechzig für ihn genug sei, wird Heinrich Sporleder mit dem Ende dieser Legislaturperiode die aktive Politik quittieren. Dann will er seine heimatgeschichtlichen Forschungen am Beispiel seiner aus dem Weserbergland stammenden Familie zu Papier bringen; denn "wie die Leute früher gelebt haben, wie ihr Alltag aussah, wissen wir viel zu wenig". Ein sinnvolles Programm, das zu ihm paßt.
    Hartwig Suhrbier

    ID: LI79231B

  • Porträt der Woche: Meinolf Mertens (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 22 - 24.09.1979

    Seine Standeskollegen drängten ihn zu diesem Schritt. Als er nach längerem Zögern schließlich ja sagte und für das Europa-Parlament kandidierte, machte Meinolf Mertens (56) seinen Freunden aus der Landwirtschaft unmißverständlich klar: "Nur von meiner Einstellung als Bauer nach Brüssel zu gehen, das wäre mir zuwenig." Inzwischen wurde der Abgeordnete aus dem Sauerland in den Ausschuß für Umweltschutz, Gesundheit und Verbraucherfragen des EG-Parlamentes delegiert. Und dem Landwirtschaftsausschuß gehört er als stellvertretendes Mitglied an.
    "Europa tut sich sehr schwer", resümiert der erfahrene Parlamentarier über seine ersten Wochen in Straßburg und Brüssel. Der Grund sei nicht allein die Sprachbarriere, da spielten die verschieden verlaufenden Entwicklungen der Parteien in den einzelnen Ländern der Gemeinschaft ebenso eine Rolle wie die vordergründigen nationalen Interessen. " Wir müssen uns erst einmal eine Geschäftsordnung schaffen, um überhaupt arbeiten zu können."
    Der Westfale, den die Wähler des Wahlkreises 120 Arnsberg 1975 zum dritten Male mit großer Mehrheit in den nordrhein-westfälischen Landtag entsandt haben, neigt nicht zu politischer Euphorie. Mit distanzierter Sachlichkeit packt Meinolf Mertens die Probleme an, wobei ihm ein Schuß von erfrischendem westfälischen Humor hilfreich ist. So hat der Landwirt mit einem achtzig Hektar großen Hof in Sundern auch deshalb mit dem Wechsel in das Europa-Parlament gezögert, "weil ich sehr, sehr schwierige Aufgaben auf uns zukommen sehe". Und Mertens ist ein Politiker, der sein Mandat ernst nimmt.
    Da ist beispielsweise die Umweltpolitik, der er sich nicht nur als Ausschußmitglied verpflichtet fühlt und "die am Beispiel des Rheins nicht mehr national bewältigt werden kann". Und als einer von vier deutschen EG-Parlamentariern, die aus der Landwirtschaft kommen, wird Mertens auch mit den Agrarproblemen ständig konfrontiert werden.
    Doch derzeit sind es noch vor allem organisatorische Probleme, die die Arbeit der Parlamentarier belasten. Da in Brüssel ein genügend großer Plenarsaal fehlt, werden die Sitzungen in Straßburg abgehalten, während die Ausschüsse in Brüssel tagen. So muß auch Mertens zwischen beiden Städten pendeln. "Das erschwert die Tätigkeit, und das Parlament wagt diese kitzlige Frage ohnehin nicht aufzugreifen."
    Der Arnsberger CDU-Abgeordnete, der wie seine anderen Düsseldorfer Kollegen Landtags- und Europa-Mandat zeitlich für unvereinbar hält, wird daher im nächsten Frühjahr nicht mehr für das NRW-Parlament kandidieren. "Der Verzicht ist mir sehr schwer gefallen", gesteht er ein. "Ich hatte den Eindruck, hier Aufgaben angepackt zu haben, die mir von Hause aus lagen." Und in der Tat, sein Sachverstand ist nicht nur im Ausschuß für Ernährung, Land-, Forst- und Wasserwirtschaft geschätzt. Entsprechend seines Naturells zählt Mertens, der nach seinem Abitur 1942 ursprünglich Medizin studieren wollte, nicht zu den auffälligen Abgeordneten am Düsseldorfer Schwanenspiegel. Und erst recht nicht zu jenen, die meinen, "Klappern gehört zum (politischen) Handwerk". Die Zurückhaltung weicht allerdings, wenn es um die Durchsetzung als richtig erkannter Ziele geht.
    Der CDU-Politiker, der bereits 1952 zur Union stieß, ist in den Agrar-Gremien seiner Partei führend tätig und bekleidet als Vorsitzender des Finanz- und Organisationsausschusses in der Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe eine gewichtige Position. Als Kreistagsmitglied seit 1956 und stellvertretender Landrat des Hochsauerlandkreises kennt der EG-Parlamentarier auch die Probleme vor Ort.
    Wenn der Spruch "Ein Mann, ein Wort auch abgegriffen ist, für Meinolf Mertens gibt es wohl kaum einen zutreffenderen.
    Jochen Jurettko

    ID: LI79221A

  • Porträt der Woche: Hans Koch (F.D.P.)
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 21 - 10.09.1979

    Hans Koch, der jetzt fast ein Jahrzehnt lang an der Spitze der F.D.P.-Landtagsfraktion steht, ist kein Traditionsliberaler wie einer seiner Amtsvorgänger, Friedrich Middelhauve, auch kein in die Politik verschlagener Berufsoffizier wie Wolfgang Döring, kein Jurist wie eine ganze Reihe seiner liberalen Vorfahren im Amt, von Reinhard Beine über Hermann Kohlhase und Willi Weyer bis hin zu Heinz Lange, aber auch kein Volkstribun vom Schlage Walter Möllers. Hans Koch ist aus der Kommunalpolitik zielstrebig in die Landespolitik und nicht in die Bundespolitik gegangen, ausgestattet mit dem soliden Erfahrungsschatz eines langjährigen Verwaltungsfachmanns, der weiß, wie Gesetze aussehen müssen, wenn sie auch praktikabel sein sollen, und der sich auch der Verzahnung der Interessen von Land und Gemeinden bewußt war.
    Doch es wäre falsch, diesem Fraktionsvorsitzenden der kleinsten der drei Landtagsparteien das Schild eines Nur- Kommunalpolitikers umhängen zu wollen. Koch, der bereits 59 Jahre war, als er in den Landtag gewählt wurde, hat das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern nicht nur für seinen Einsatz bei der kommunalen Neugliederung, nicht nur für seine Bemühungen um die Weiterentwicklung der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung oder die Absicherung der kommunalen Selbstverwaltung durch eine gemeindefreundliche Landespolitik erhalten, sondern gerade auch für seine wichtigen Impulse, die er der Mittelstandsförderung und Strukturpolitik gegeben hat. Wer so, wie der Vorsitzende einer kleinen Fraktion, auch noch in vier wichtigen Parlamentsausschüssen sitzen muß, kann sich Einseitigkeit nicht leisten, muß in mehreren Sätteln zu reiten verstehen.
    Koch hat in all den Jahren seiner Fraktionsführung immer wieder die Linie der sozialen Marktwirtschaft vertreten, auch dort, wo er sich ihrer Grenzen durchaus bewußt war. Obwohl nur der Vorsitzende der kleineren Koalitionsfraktion, zugleich auch der mehrheitsbringenden, hat er in einem Jahrzehnt, also in den siebziger Jahren, mehr Einfluß auf die Landespolitik ausüben können, als Parlament und Öffentlichkeit oft bewußt geworden ist. Der Duisburger, vom Jahrgang 1911, gehört noch zu jener Generation, die im Düsseldorfer Landtag bald nicht mehr vertreten sein wird. Eine Generation, die unter persönlichen und politischen Umweltbedingungen aufgewachsen und geformt worden ist, die die Jüngeren im Parlament oft nur noch vom Hörensagen her kennen oder auch gar nicht mehr zur Kenntnis nehmen wollen. Nur so ist es auch zu verstehen, daß jüngere Abgeordnete anderer Fraktionen Anstoß daran genommen haben, daß Koch früher einmal auch der SPD und CDU angehört hat. Koch selbst hat dafür plausible Begründungen. Wie Willi Weyer, der über Jahrzehnte starke Mann in der nordrhein-westfälischen F.D.P., 1972 Horst- Ludwig Riemer zu seinem Nachfolger im Amt des Landesvorsitzenden vorgeschlagen hat, so hatte er zwei Jahre zuvor auch Hans Koch als neuen Fraktionsvorsitzenden empfohlen. Eines hatte der Westfale Weyer, als er sein politisches Haus bestellte und 1975 aus der Landespolitik ausschied, nicht bedacht: Sein Wunschgespann Riemer-Koch trennen nicht nur ein Generationsunterschied und verschiedenartige Temperamente, sondern noch alte Rivalitäten aus dem F.D.P.-Bezirksverband Düsseldorf.
    Kochs Stärke im Fraktionsvorsitz liegt aber nicht in der Fehde mit der Parteispitze, obwohl es mit einer Partei insgesamt besser bestellt ist, wenn ihre Minister und ihre Parteigremien wissen, daß mit dem Fraktionsvorsitzenden, also dem parlamentarisch Verantwortlichen, nicht immer gut Kirschen essen ist, und sich die Fraktion keineswegs immer nur als parlamentarische Schutztruppe des sozial-liberalen Regierungsbündnisses empfindet. Kochs Stärke liegt im Delegieren, im Heranziehen jüngerer Kräfte an die Verantwortung, im Überzeugen und Überzeugenlassen. Wenn Hans Koch für 1980 seine Ankündigung wahr macht, nicht mehr für die Landespolitik zur Verfügung zu stehen und wieder in die Kommunalpolitik zurückzugehen als Spitzenkandidat seiner Partei, und zwar in jenes Langenfeld, das seinem ehemaligen Stadtdirektor für erfolgreiche Industrieansiedlung den Ehrenring verliehen hat, dann schließt sich der Kreis in einer Konsequenz, wie sie nur selten anzutreffen ist.

    Karl Fischer

    ID: LI792129

  • Porträt der Woche: Rudi Bahr (SPD).
    Porträt
    S. 11 in Ausgabe 20 - 31.08.1979

    Der Mann, der den Landtagswahlkreis Duisburg IV seit 1966 dreimal mit respektablen Mehrheiten für die SPD gewonnen hat, ist kein Kind des Reviers, sondern ein Preuße aus dem pommerschen Stettin: Rudi Bahr. Und er ist legt man allein sein Eintrittsdatum in die Partei als Maßstab an - nicht einmal ein "alter" Sozialdemokrat. Denn der heute knapp 59jährige entschloß sich erst 1957 dazu, sich um Aufnahme zu bewerben. Er hatte dafür einen plausiblen Grund: seit 1947 in den Diensten der Stadt Duisburg stehend, mochte er, der gerade die erste und zweite Verwaltungsprüfung erfolgreich hinter sich gebracht hatte, das Wort widerlegen, wer in Duisburg etwas werden wolle, müsse das Parteibuch der SPD besitzen. Er wurde etwas und trat erst dann in die Partei ein. Dabei bekennt er, und das nimmt man diesem ehrlichen Mann ohne weiteres ab, daß es für ihn nie eine andere Partei als die Sozialdemokratische Partei Deutschlands gegeben habe. Kein Wunder: der Vater, der sich vom Arbeiter zum technischen Betriebsleiter emporgearbeitet hatte, war alter Sozialdemokrat. Und dies färbte, so Rudi Bahr heute, natürlich auf die Kinder ab.

    Dem Nationalsozialismus entzog sich der im Christlichen Verein Junger Männer engagierte im Jahre 1938 - als es ein Jugenddienstpflichtgesetz bereits gab - auf eine damals weder seltene noch ungewöhnliche Art: er ging freiwillig zum Militär. Aus den gedachten zwei Jahren wurden dann sieben. Und für den mehrfach Verwundeten begann die zivile Karriere als Landwirtschaftshelfer und aktiver Wahlhelfer der SPD in einem kleinen hessischen Ort.

    " Widerstrebend", so sagt er, bewarb er sich 1946 bei der Stadtverwaltung Duisburg. Er kam, weil unbelastet, zur Entnazifizierungskammer. Doch schon nach einem halben Jahr hatte er "die Schnauze voll". Straßenbahnschaffner, so erinnert sich Bahr, wurden bestraft, "Kameraden, die braun getränkt waren, kamen relativ ungeschoren davon".

    Seine nächste Stelle war das Schulamt. Und damit erreichte der Mann, dem sein Vater als Maxime mitgegeben hatte, " was Du tust, das tue ganz", die Station, die ihn nicht mehr losließ und durch die er sich zwangsläufig zu einem allseits anerkannten Schulpolitiker im Parlament gemacht hat. Als Referent des nachmaligen Kultusministers Prof. Fritz Holthoff in dessen Duisburger Zeit hat er "unheimlich viel gelernt bei diesem Arbeitstier". Zum Mandat kam der Mann, der 60 bis 70 Stunden in der Woche hart arbeitet, wie die "Jungfrau zum Kind". Daß er es jetzt aufgibt, entspringt eigenem Entschluß. Die Schulpolitik ist zu einem vorläufigen Abschluß gebracht, der Platz muß frei gemacht werden für jüngere und unverbrauchtere Kräfte.

    Zeit für eine Bilanz? Man hört Kritisches. Ungewollt habe die Politik viele zu Egoisten erzogen. Es sei ihr gelungen, das Konsumbedürfnis zu decken, dabei seien aber "innere Werte" außer acht gelassen worden. Von der Ideologie hält der Mann, der sich selbst als links von der Mitte einordnet, nicht viel. Sie tauge nicht, um Politik zu machen. In der Landespolitik habe ihm die Arbeit Freude gemacht, obwohl große Erfolgserlebnisse ausgeblieben sind. "Und wenn Erfolgserlebnisse zur absoluten Seltenheit werden, dann zehrt es an der Kraft."

    Es "tut ihm weh, wie menschlich brutal Parteien mit Altgedienten umgehen", die sich um den Staat und seine Menschen verdient gemacht haben. Urteile und Einschätzungen eines Mannes, der seine Arbeitskraft in drei Ausschüssen des Parlaments eingesetzt hat und Freunde nicht nur in den eigenen Reihen besitzt. Ob auch diese Erfahrungen - vielleicht ganz unbewußt - den Entschluß von Rudi Bahr gefestigt haben, sich nicht mehr für eine Kandidatur zur Verfügung zu stellen? Möglich scheint es bei einem so aufrechten Mann.

    Karl Lohaus

    ID: LI79202F

  • Porträt der Woche: Peter Giesen (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 19 - 24.08.1979

    Seine Parteifreunde drängten ihn zum Bleiben - doch vergebens. "22 Jahre sind eine hinreichend lange Zeit, da sollte man anderen den Platz räumen", meint Peter Giesen (58), seit 1958 jeweils direkt gewählter CDU-Landtagsabgeordneter im Wahlkreis Grevenbroich II. Und der engagierte Landespolitiker nennt noch einen anderen, persönlichen Grund für seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur bei den Landtagswahlen im nächsten Frühjahr: "Meine Frau hat jetzt einen Anspruch auf mich."
    Denn Peter Giesen, der in dieser Legislaturperiode gleich "vierfacher Opa" geworden ist, schont sich nicht trotz seines schweren Kriegsleidens, sieht sein Mandat als eine ständige Verpflichtung. "Ein Abgeordneter kann sehr vielen Menschen helfen." Den von der Gesetzeslawine verunsicherten Bürgern unter die Arme zu greifen, "Briefträger des kleinen Mannes" zu sein, das bezeichnet der Parlamentarier als Schwerpunkt seiner Tätigkeit. "Und dafür wurden wir ja auch gewählt."
    So hatte sich der gleichzeitige Kommunalpolitiker besonders darüber gefreut, daß seine Fraktion ihn nach der Wahl 1975 in den Petitionsausschuß des Landtages entsandte, dessen Vorsitzender er seitdem ist. Während seines dortigen Wirkens wurden die Befugnisse des Gremiums wesentlich erweitert und das Petitionsbüro personell verstärkt. Derzeit wenden sich jährlich etwa 5000 Bürger mit Eingaben hilfesuchend an diesen Ausschuß. " Wir rechnen damit, daß wir am Ende dieser Legislaturperiode ebensoviele Petitionen haben werden, wie in den ersten sechs Wahlperioden zusammen." Wie vielen Bürgern geholfen worden ist, können Statistiken kaum erfassen.
    Vor seiner Berufung in den Petitionsausschuß schlug sich Giesens landespolitisches Engagement im Ausschuß für Schule und Kultur nieder. Bis zur Novellierung des Landesrechtsstellungsgesetzes 1975 selbst als Schulleiter tätig, setzte sich der Parlamentarier dafür ein, daß den von ihrer sozialen Herkunft benachteiligten Jugendlichen bessere Bildungsmöglichkeiten eröffnet werden. Ebenso entschieden widersprach der CDU-Politiker aber auch dem "Blödsinn" (so er selbst), daß das Bildungspotential eines Volkes an der Zahl seiner Abiturienten zu messen sei. So beklagt der Pädagoge, daß die berufliche Bildung noch immer nicht den Stellenwert hat, der ihr gebührt.
    Von scharfem, bisweilen bissigen Intellekt, lernte Giesen vor allem während der bildungspolitischen Debatten im Landtag manch' Widersacher das Fürchten. Doch der "Ur"-Rheinländer mit einer Portion schlagfertigen Humors gebraucht dabei das Florett, nie den Säbel. Den politischen Gegner verwirren, vielleicht sogar überzeugen, aber nicht verletzen.
    Rückblickend auf gut zwei Jahrzehnte Parlamentarismus am Düsseldorfer Schwanenspiegel bedauert Giesen, daß die menschlichen Kontakte zwischen den Abgeordneten schwinden, die Gesprächsbereitschaft außerhalb der offiziellen Termine geringer geworden ist, auch die mit dem politischen Gegner. Im gleichen Maße wächst aber nach Ansicht Giesens die Zahl jener Kollegen, "die ihrem eigenen Erfolg nachgehen". Auf die Dauer sei diese Entwicklung für den Parlamentarismus schädlich. Trotzdem "ich werde mit einer gewissen Wehmut scheiden".
    Nach dem Abschied von der landespolitischen Bühne will sich Peter Giesen langgehegte Reisewünsche erfüllen, will öfters als heute ein Geschichtsbuch zu Hand nehmen. "Eine Rückschau in die Vergangenheit hat manch einen Wert." Doch seine Freizeit wird nicht unbegrenzt sein. Die CDU in Jüchen hat den Bürgermeister Peter Giesen wieder als Spitzenkandidat für die Kommunalwahlen im September nominiert.
    Coudenhove-Kalergi meinte einmal: "Die Triebfeder der Politik ist meist Eitelkeit, Ehrgeiz, Machtwille, nur selten Habsucht und noch seltener der uneigennützige Wille, einer Idee oder einer Menschengruppe zu dienen." Der Gründer der Paneuropa-Bewegung hat sicherlich zu pessimistisch geurteilt.
    Jochen Jurettko

    ID: LI79192A

  • Porträt der Woche: Wissenschaftsminister Professor Dr. Reimut Jochimsen (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 18 - 18.06.1979

    Neue Besen kehren gut. Der aus Bonn herbeigeholte Prof. Dr. Reimut Jochimsen blickt zuweilen in seiner verschwiegenen wie verschmitzten Art in verdutzte Beamtengesichter, denn Besprechungen mit dem Minister morgens, gleich nach acht Uhr, sind ein neues und vermutlich auch dauerhaftes Erlebnis. Im Wissenschaftsministerium an der Völklinger Straße wird hart gearbeitet... Ein Planungs-Fetischist war angekündigt worden, ein Professor, der sich angeblich hinter Theorien verkriecht wie jener malerische arme Poet in der Dachkammer. Zwar hat der 46jährige seinen eigenen Horizont weit in die Zukunft verlegt, weil ihn das Jahr 2000 mehr interessiert als das ausklingende 19. Jahrhundert, doch an seiner Präsenz ist kein Zweifel, und dies in jeder Hinsicht.
    Staatssekretär a. d. Prof. Dr. Jochimsen, seit Herbst vergangenen Jahres Nachfolger von Johannes Rau auf dem Stuhl des Ministers, ist Wissenschaftler und Politiker zugleich. Wer ihn in seiner distanzierten, bedächtigen, gleichwohl nicht kühlen Art dozierend erlebt mag sich wundern, warum die SPD nicht ihn in der heimatlichen Region Schleswig-Holstein zum Ministerpräsidenten-Kandidaten ausgerufen hat. Jochimsen wäre ein natürlicher Gegenspieler Stoltenbergs; er hätte ihn als personifiziertes Kontrastprogramm bei der letzten Landtagswahl im April durchaus schlagen können - so wie sich dieser Norddeutsche durchs ganze Leben geschlagen hat: Intelligent, fair und ehrlich!
    In Niebüll/Schleswig kam Jochimsen als Sohn eines Studiendirektors im deutschen Schicksalsjahr 1933 zur Welt. Nach dem durch Krieg und Nachkriegszeit verzögerten Abitur, das er 1953 in Flensburg absolvierte, ging Jochimsen ins Ausland. Ein Jahr verbrachte er an der berühmten Harvard-Universität, dann zog es ihn von Nordamerika nach Italien, nach Bologna, und von dort wieder zurück nach den USA an die Johns-Hopkins-Universität in Baltimore. Lehrjahre sind keine Herrenjahre - Jochimsen verdiente sich nebenbei das nötige "Kleingeld" als Tellerwäscher.
    1957 schloß er sein Studium in Freiburg als Diplom-Volkswirt ab, arbeitete an dieser Universität als Assistent weiter und promovierte 1959 zum Dr. rer. pol. über das reizvolle Thema "Ansatzpunkte der Wohlstandsökonomik, Versuch einer Neuorientierung im Bereich der normativen Lehre vom wirtschaftlichen Wohlstand". Es war die Zeit, da in der Bundesrepublik über allem der politische Lehrsatz Konrad Adenauers stand - "keine Experimente", es war die Zeit, da die halbe Welt Ludwig Erhard als "Mr. Wirtschaftswunder" feierte, und Dr. Jochimsens kritische Neu-Orientierung erregte Aufsehen auch im politischen Bereich, zumal der junge Denker keiner Partei zuzurechnen war. Erst viele Jahre später, nämlich 1965, trat er in die SPD ein, nun schon Professor auf dem ordentlichen Lehrstuhl für wirtschaftliche Staatswissenschaften an der Universität Kiel, wo er schließlich noch zum Rektor aufstieg. Und das Rad drehte sich immer weiter, immer schneller: Bundeskanzler Willy Brandt holte ihn auf Vorschlag des damaligen Chefs im Bundeskanzleramt, Prof. Horst Ehmke, nach Bonn; ein Leiter der Planungsabteilung beim Regierungschef war damit gefunden. Drei Jahre danach wurde Jochimsen zum Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft berufen. Johannes Rau hatte schon lange ein Auge auf ihn geworfen, die Ernennung Jochimsens zum Landesministerin Düsseldorf kam nur für das Ministerium selbst und für den Landtag überraschend. Der neue Mann hat sich in die ihm keineswegs fremde Arbeit hineingekniet, die Familie mit Tochter und Sohn in Bad Godesberg muß auf den Vater nolens volens oft verzichten, denn bis tief in die Nacht ist er beschäftigt, und wird es zu spät, übernachtet der Minister für Wissenschaft und Forschung im Büro.
    Unkompliziert wie er ist, kann er seine Umwelt immer wieder verblüffen, und sei es wie an jenem Morgen, da Experten und Techniker der Kernenergie anrückten und Prof. Dr. Reimut Jochimsen nach langer Unterhaltung ohne jede Schnörkelei sich räusperte: "Die Kernenergie ist viel zu ernst, als daß man sie den Technikern allein überlassen könnte..."
    Horst- Werner Hartelt

    ID: LI79181E

  • Porträt der Woche: Arbeits- und Sozialminister Professor Dr. Friedhelm Farthmann (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 17 - 11.06.1979

    Friedhelm Farthmann (48), Doktor der Jurisprudenz, Honorarprofessor der Freien Universität Berlin, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Sozialdemokrat und Gewerkschafter seit 1959. Dies sind nur einige Anmerkungen zur Person eines Mannes, dessen Karriere nach eigenem Bekunden immer anders gelaufen ist, als sie geplant war. Und der im Urteil seiner Weggenossen, ob Verbündete oder Gegner, zu den aufrichtigen und klugen Politikern der jüngeren Generation gezählt wird. Das schafft Achtung und Schwierigkeiten zugleich. Der kluge Rat wird geschätzt, das offen-unbekümmerte Wort nur selten. Jüngster Fall: seine schnörkellose Warnung an das Verfassungsgericht vor dem Mitbestimmungsurteil.
    Geboren ist Farthmann in Bad Oeynhausen als Sohn eines Lehrers, aufgewachsen ist er jedoch überwiegend bei seinem Großvater, der sich vom Angestellten zum selbständigen Zigarrenfabrikanten mit 120 Beschäftigten hinaufgearbeitet hatte. "Der war zunächst entsetzt, als er in mir den ersten Sozialdemokraten in der Familie hatte", bekennt Farthmann heute. Am guten Verhältnis der beiden zueinander, geprägt auch von der pietistischen Gesinnung der evangelischen Christen dieses Landesteils, hat das nichts geändert. Wurzeln hat der Minister noch heute im Ostwestfälischen, dort, knapp hinter der Grenze zu Niedersachsen, besitzt er ein ererbtes Haus. Es ist sein Refugium, in das er sich mit Frau und zwei Kindern zurückzieht, sooft er kann.
    Der junge Jurist, der sich auf Arbeitsrecht spezialisiert hatte ("eine faszinierende Sache"), zog mit seinem Doktorvater, Professor Wolfgang Siebert, von Göttingen nach Heidelberg, um eine ganz normale Hochschulkarriere mit Assistentenzeit, Habilitation und dann vielleicht einem Lehrstuhl anzustreben. Dann starb Siebert 1959 mit 53 Jahren am Herzinfarkt. Im Zeitalter der festgefügten Ordinarienuniversität bedeutete das für Farthmann einen Knick in der Karriere. Er ging dann, entgegen der Planung als gesuchter Arbeitsrechtler, zum DGB, wo er bald schon "als Marine-Infanterist des DGB" das "Glück hatte", an jedem wichtigen arbeitsrechtlichen Streit der frühen 60er Jahre beteiligt zu sein. Man wurde auf den jungen Mann, der fleißig wissenschaftlich geschrieben und in schwierigen Verhandlungen fachkundigen Rat gegeben hatte, aufmerksam. Der Aufstieg im DGB bis hin zur Position eines Geschäftsführers des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts war programmiert, der Mitbestimmungsexperte schlechthin vorhanden.
    Diese Arbeit am "Schnittpunkt von Recht und Politik" verlangte von Farthmann die Entscheidung: "Ich mache Politik, und zwar Gewerkschaftspolitik." Und damit war die Wissenschaft "abgeschrieben". Nun so ganz - und wiederum gegen seine Erwartung - stimmt das nicht. 1973 wurde ihm der Professorentitel "mehr oder weniger unverdient nachgeschmissen" - typisch Farthmannsches flapsiges Understatement - und noch immer hält er, wenn auch stark unter Zeitdruck, an der FU ein Seminar.
    Der Parteipolitiker Farthmann, der heute als Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD eine starke Stellung hat und der davon überzeugt ist, daß seine Niederlage gegen Johannes Rau in der Wahl zum Landesvorsitzenden der Partei ihm in Partei und Öffentlichkeit keine "Macke" eingetragen hat, kam "ohne Ambitionen" zum ersten Amt. Auf Vorschlag eines Genossen, den er gar nicht kannte, wurde Farthmann von seinem Ortsverein als Bundestagskandidat vorgeschlagen. Obwohl schon andere "ausgekungelt" waren, wie ihm bedeutet wurde, schaffte er es - dank der Unterstützung der vielen Freunde aus den Gewerkschaften. Im Januar 1971 rückte er in den Bundestag nach, 1972 gewann er den Wahlkreis Rheydt-Grevenbroich direkt.
    Im Bundestag führte sich der Neuling nach wenigen Tagen mit einer glänzenden und vielbeachteten Rede zur Mitbestimmung ein. Später stimmte er als einziger der SPD-Fraktion gegen den Mitbestimmungskompromiß und manövrierte sich damit in eine Außenseiterposition. "Heinz Kühn hat mich da rausgerissen", als er ihm das Ministerium in Düsseldorf in einer Zeit übertrug, da Umweltschutz und Gesundheitskosten zu Themen und damit zur Kletterstange für den Politiker Farthmann wurden.
    Um den Landesvorsitz der SPD hat er nach eigener Einlassung nicht gekämpft, um Ministerpräsident zu werden: "Repräsentation ist nicht meine starke Seite." In der AfA sieht er keine Speerspitze gegen andere in der Partei, sondern ein Mittel, um die Stammitgliedschaft zu aktivieren. 1980 will er übrigens "in jedem Fall" für den Landtag kandidieren, dem er heute nicht angehört, der ihm aber schon jetzt aufmerksam zuhört in der richtigen Einschätzung, daß er etwas zu sagen hat.
    Karl Lohaus

    ID: LI79171E

  • Porträt der Woche: Mechthild von Alemann (F.D.P.)
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 16 - 01.06.1979

    Sie war erst kurz im Landtag, als sie zu Protokoll gab, sie betrachte sich nicht als "Berufspolitikerin". Tempo und Zielstrebigkeit in ihrer Politkarriere wirken aber doch ganz schön professionell: 1967 fing die zierliche Dame in der Kommunalpolitik an, 1975 zog Mechthild von Alemann in den Landtag ein, 1979 geht sie nach Europa, und das gleich als die Nummer zwei der deutschen Liberalen. Von Plakaten lächelt und wirbt sie für die F.D.P. nicht nur in ihrer Heimatstadt Düsseldorf, sondern auch außerhalb nordrhein-westfälischer Landesgrenzen, etwa in Hannover.
    Für sich nimmt Frau von Alemann in Anspruch, schon immer überzeugte Europäerin gewesen zu sein. Das habe bereits Mitte der fünfziger Jahre angefangen, als sie als Au-pair-Mädchen in Frankreich und England gewesen sei. Für ihre Partei, die F.D.P., habe die Europa-Politik stets einen hohen Stellenwert besessen. Besonderes Europa-Engagement in einer besonders Europa-orientierten Partei - da war die Konstellation gegeben, daß Mechthild von Alemann F.D.P.-Landesbeauftragte für die erste Direktwahl zum europäischen Parlament wurde, in das Exekutiv-Komitee der Europäischen Liberalen einzog, in dem überhaupt nur vier Deutsche sitzen, und engagiert am Europa-Wahlprogramm der Liberalen mitarbeitete. Alles nach ihrer Devise: "Wenn ich was tue, dann mache ich es gründlich."
    Daß das Europäische Parlament auch nach der Direktwahl noch nicht auf Anhieb viele wichtige Kompetenzen haben wird, sondern sie sich erst noch erkämpfen muß, ficht Frau von Alemann nicht an. "Die Leute sollen doch nicht kleingläubig sein. Das Parlament wird das Forum der europäischen Diskussion werden. Wenn die 410 direkt gewählten Abgeordneten beispielsweise über die Todesstrafe oder die Arbeitslosigkeit diskutieren, - davon werden doch Impulse in die einzelnen Nationen hinein ausgehen." Im Europa-Parlament möchte sie sich in den Ausschuß für Umweltschutz und Verbraucherfragen delegieren lassen. Denn die Umweltschutzproblematik sei nur noch international lösbar.
    Während des Wahlkampfs will sie den Bürgern klarmachen, "daß Europa nützlich ist auch für den einzelnen". Da gebe es "ganz konkrete Projekte", die angepackt werden müßten, etwa die Rhein-Sanierung oder ein Zentrum zur gezielten Bekämpfung der Frauenarbeitslosigkeit auf internationaler Ebene. Sie wirbt - nicht nur und vielleicht nicht einmal zuerst für ihre Partei, sondern auch oder vornehmlich für Europa. "Bloß keine Wahlbeteiligung unter 60 Prozent." Das wäre, so sagt sie voraus, die schlechteste Quote in der Europäischen Gemeinschaft, und das würde dem Ruf der Bundesdeutschen als an sich doch überzeugte Europäer sehr schaden.
    Mechthild von Alemann hat unzweifelhaft ein beachtliches Stück Politik-Karriere schon geschafft; und dies, darauf ist sie stolz, nicht über irgendein "Frauenkontingent" der Partei. Sie war keine Vertreterin von "womens lib" im Landtag und sie will auch im Europa-Parlament ganz unprätentiös Politik machen, "für den Bürger und nicht für Frauen oder Männer". Sie übersieht nicht, daß "viele Frauen noch benachteiligt sind". Aber sie sieht ebenso scharf, daß organisierter Gegensatz, daß eine erzwungene oder geheuchelte Sonderstellung der Frau die angestrebte Entwicklung zu echter Gleichstellung nur verzögern würde. Sie ist keine frustrierte Organisations-Suffragette; und trotzdem oder gerade deshalb ganz weit vorne.
    Christoph Lütgert

    ID: LI79162C

  • Porträt der Woche: Albert Pürsten (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 15 - 21.05.1979

    Ende 1946 hielt Winston Churchill in Aachen eine Rede, die Geschichte gemacht hat. Es war der aufrüttelnde Appell, die Nazi-Tyrannei endgültig zu überwinden und neuen Radikalismus und Terror, komme er von rechts oder links, niemals wieder aufkommen zu lassen. Der Weg, den der große Brite empfahl, hieß: Vereinigtes Europa. Damals war der CDU-Politiker Albert Pürsten gerade aus französischer Gefangenschaft als Luftwaffenoffizier entlassen, suchte im Trümmerdeutschland zwischen Neuss und Wuppertal einen Studienplatz als Lehrer und hatte seine neue Heimat, die Flüchtlingsstadt Espelkamp in Ostwestfalen, noch nicht gefunden. Doch einen Weg zurück nach Annaberg im Erzgebirge gab es nicht mehr. Für den jungen Pürsten waren Churchills Worte, später Adenauers und Erhards Politik, mitbestimmend für den Entschluß, das neue Deutschland in Europa auch sofort aktiv mitzugestalten. Das begann ganz pragmatisch zunächst in Espelkamp, wo Pommern und Schlesien Sachsen und Balten, Wolgadeutsche und auch Westfalen aus alten Munitionshallen Jugend- und Lehrlingsheime zimmerten. Hier begann Pürsten dann mit der Gemeindearbeit als engagierter Protestant für die Christlich-Demokratische Union. Über die Partei führte der Weg weiter, in vielen Gremien und durch viele Stationen, bis zum 1958 errungenen Direktmandat im Landtag.
    Seither ist dieser Politiker auf vielen Gebieten sachkundig. Man schätzt seinen Rat in der Schulpolitik und im Sport, und er hat auch zur Frage des Umgangs mit öffentlichen Finanzen schon manche vehemente Rede gehalten. Pürsten ist mehr als mancher andere ein Parteiarbeiter geblieben. Die Basis der Union, auch die Wähler kennen ihn landauf, landab. Er war für die CDU einer der entscheidenden Betreiber des Volksbegehrens gegen das Koop-Schulsystem. Er ist auch heute überzeugt, daß politische Indoktrination in den Schulen der jungen Generation den Weg nach Europa nur verbauen, nicht öffnen kann.
    Pürsten wird die CDU - und das heißt: die Europäische Volkspartei - künftig auf einem schon vor der Wahl als sicher geltenden Platz im Europa-Parlament vertreten. Er hat sich diesen Entschluß mit nunmehr 56 Lebensjahren sorgsam überlegt. "Heute ist Europa eine drängende Notwendigkeit geworden. Denn die Sorge um die freiheitliche Gesellschaft bedingt ein vitales Interesse an einem vereinten Europa." Das neue, direkt zu wählende Parlament, meint Pürsten, kann nur ein weiterer Schritt dahin sein. Aber es kann auch schon durch mehr Kontrolle der Kommission in Brüssel und durch die Kraft der politischen Debatte der immer größer werdenden Gefahr des wirtschaftlichen Protektionismus seitens der nationalen Regierungen vorbeugen. Pürsten plädiert für eine Politik der kleinen, aber qualitativen Schritte auf dem Weg zu Europa. Ein gerüttelt Maß an Partei- und Parlamentserfahrung, meint er, schütze ihn auch hier vor Illusionen. "Die Einigung bleibt eine Herausforderung, nur muß man aktiv an ihr teilnehmen, die Jugend heute genauso wie wir schon vor dreißig Jahren."
    Der Europäer Pürsten blickt auch nicht nur nach Westen. In seiner Bibliothek findet man neben dem Liebhaber der russischen Romantik auch einen belesenen Kenner aktueller politischer Literatur. "Wir müssen ein soziales Europa schaffen, um jenen Sozialismus zu stoppen, der immer wieder in die Unfreiheit führt." Vor mangelnden Kompetenzen ist dem angehenden Euro-Parlamentarier ebenfalls nicht bange. "Das müssen wir uns halt erkämpfen wie vieles im Leben." Wenn man erst die Legitimation durch die Bürger habe, werde dieses neue, direkt gewählte Parlament auch eine neue eigene Dynamik entwickeln. Pürsten erinnert sich, daß er schon mit der Jungen Union einmal Schlagbäume abgebaut habe vor mehr als drei Jahrzehnten. "Wenn's sein muß", meint er mit dem Blick auf die ewigen Nörgler, Kritiker und Skeptiker, "tun wir das auch morgen wieder!" Und genau das entspricht auch dem Naturell dieses Politikers.
    Lothar Bewerunge

    ID: LI791519

  • Porträt der Woche: Ministerpräsident a.D. Heinz Kühn (SPD).
    Porträt
    S. 11 in Ausgabe 14 - 11.05.1979

    Wie der Kreis sich schließt! Vor 17 Jahren kehrte Heinz Kühn in den Landtag zurück, ließ hinter sich Zeit und Amt in Paris, wo er als Vorsitzender der sozialistischen Fraktionen im Europarat am politisch-moralischen Fundament einer großen Vereinigung mitarbeitete. Im Sommer dieses Jahres kehrt Ministerpräsident a. D. Kühn Düsseldorf den Rücken, um als einer der deutschen Spitzenkandidaten in das erste direkt zu wählende Europäische Parlament einzuziehen.
    200 Millionen Europäer in neun Ländern sind aufgerufen, 410 Abgeordnete nach Straßburg zu entsenden. Letztlich wird es an diesem Parlament liegen, ob ein politisch-geistiges europäisches Bewußtsein entsteht, das jenseits der Brüsseler Marktordnungen mit ihrem unausstehlichen Gefeilsche rund um Butterberge und Käsetonnen die Völker vereint.
    Es bedarf dazu auch der Macht des Wortes, und wenn einer der deutschen Politiker prädestiniert ist, diese Kraft in der Vielsprachigkeit unseres Kontinents zu transformieren, dann Heinz Kühn.
    Der Landtag verliert mit diesem Abgeordneten seinen unnachahmlichen "Cicero", das Parlament Europas gewinnt ihn für die größere, wichtigere Bühne, wo nicht der Gleichmacherei von Nationen das Wort geredet werden soll, wo jedoch die fast träumerischen Worte des Franzosen Jean Jaurés, den Kühn gern zitiert, ein Programm sein könnten. "Jede freie demokratische Nation soll in einem vereinten Europa wie die schwingende Saite eines Saitenspiels an der Lyra der Menschheit zur Harmonie der Solidarität zusammenklingen..."
    Der 1912 in Köln geborene Kühn hat schon 1933 auf der Flucht vor faschistischen Totschlägern das freie Europa gesucht, und dies als Student der Staatswissenschaften, als Hundertschaftsführer des Reichsbanners, als Sozialdemokrat, dessen Mutter die Hitlers als Geisel nahmen. Zuflucht fand der Flüchtling in Brüssel; das Versteck in Belgien rettete ihm das Leben, und während noch die Geschütze des Weltkrieges abgefeuert wurden, schrieb der Emigrant "für ein europäisches Deutschland in einem föderalistischen demokratischen Europa".
    In einer der bewegendsten Reden, die der Ministerpräsident Kühn 1972 gehalten hat, kam er auf diese Jahre zurück:
    " Wir leben in einer Zeit, in der fast jeder zweite in Europa seine Odyssee erlebt hat! - Flucht, Emigration, Exil, Vertreibung haben viele Millionen auf die Landstraßen geworfen - die zaristischen Flüchtlinge vor der bolschewistischen Revolution, die italienischen Flüchtlinge vor Mussolinis Faschismus, die spanischen Republikaner vor Francos Terror, die deutschen Emigranten vor Hitlers Gewaltherrschaft und auch die, die als Konsequenz dieser Gewaltherrschaft vor Stalins Heeren in die Vertreibung fliehen mußten, und die, die vorher als Flüchtlinge vor den Greueln des Krieges auf die Landstraßen Europas geworfen wurden... Wir leben in einer Geschichte, in der die Vertreibung aus dynastischen, religiösen, rassischen, politischen Gründen immer wieder das Schicksal von Menschen war... "
    Daß eine umfassende europäische Lebensordnung die Freiheit des einzelnen und den Frieden aller sicherer macht, ist die Hoffnung des Kosmopoliten Kühn, der die Welt besser kennt, als etwa jeden Winkel rund um den Familiensitz in Köln-Dellbrück unter den roten Eichen.
    Ein Staat kann nicht ohne Gedanken leben, ein Staatenbund schon gar nicht, und Heinz Kühn dürfte als Parlamentarier Europas die Rolle des geistigen Mitträgers einer neuen, wohl auch entscheidenden Phase für die Hälfte unseres Kontinents übernehmen, ohne sich zu verleugnen. Kühn sagt, die Sozialdemokratie könne durch ihre Verbindung von Freiheit und Gerechtigkeit "die höhere humane Qualität gegenüber Konservativen und Kommunisten für sich beanspruchen". Kühn hofft, daß noch zu seinen Lebzeiten die soziale Demokratie ganz Westeuropa erfüllt.
    Horst-Werner Hartelt

    ID: LI791421

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