Seinen Freunden in der Fraktion
imponiert die rheinische Frohnatur,
mit der er selbst Stimmungsmuffel
noch zu einem ungezwungenen Lachen
bringen kann. Seinen politischen
Gegnern und manchen anderen
Zeitgenossen dagegen geht er
ausgesprochen auf die Nerven.
Peter Giesen, CDU-Landtagsabgeordneter
im Landkreis Grevenbroich
II, direkt in den Landtag gewählt,
möchte weder den einen imponieren
noch den anderen auf die
Nerven gehen. Er sieht sich selbst
anders, als Freund und Feind ihn
abstempeln möchten.
Für ihn ist die Politik ebenso ein
Stück praktiziertes sozialpädagogisches
Verantwortungsbewußtsein
wie die Schulmeisterei auch. Er hält
vom Bierernst ebenso wenig wie
vom Leisetreten, und so ist er wie
er ist: scharmant und unbequem
zugleich. Dabei träumt er trotz seiner
fünfzig Jahre und ein paar Monate
von dem unerfüllten Traum
de sgroßen Jungen, der in jedem
Mann steckt, von dem Traumberuf,
der zu schön wäre, um wahr zu sein.
Hätte er sich bei den Musen seinen
Beruf wünschen können, wäre er
vielleicht Conferencier geworden,
Stimmungsmacher aus Leidenschaft,
immer bereit, echte, menschliche
Töne mitschwingen zu lassen,
zu brillieren und zu verwirren, aber
nie zu düpieren, nie andere bloßzustellen
oder zu verletzen.
Das Leben wollte es, wie so oft,
anders. Sein Jahrgang 1921 gehörte
als erster zu jener Generation,
der die schulische Reifeprüfung
erlassen wurde, weil man sie
dringend zum Kriegshandwerk
brauchte. Als Kradmelder jagte
man den Abiturienten ohne Abitur
gegen den Osten, als Leutnant
einer Panzergrenadier-Division
kehrte er 1944 zurück. Blessiert für
ein Leben lang, wie viele andere
auch. Doch im Gegensatz zu vielen
seiner Schicksalsgefährten, die erlittene
schwere Verwundungen auch
beruflich aus der Bahn warfen, haderte
er nicht mit seinem Schicksal,
sondern griff zu. Der Granatsplitter,
der ihn 1944 im Kessel von
Demjansk am Kopf erwischt hatte,
war kein Ende, ließ ihn nicht resignieren.
Er, der gegen Kriegsende noch geheiratet
hatte und Student der
Volkswirtschaft in Marburg war,
verschmähte nicht eine stupide
Zwischenbeschäftigung bei den
Viersener Stadtwerken, um auf den
Augenblick zu warten, in dem er an
der Pädagogischen Akademie in
Aachen sein Lehrerstudium aufnehmen
konnte. Als Pendler fuhr er mit
dem Fahrrad von Rheydt, dem
Wohnort seiner Frau, nach Viersen.
Seine erste Lehrerstelle suchte er
sich bewußt auf dem Lande, in
Breyell bei Kempen. Sein Engagement
ließ ihn bald über den Schulmeister
hinauswachsen. Das Laienspiel
genügte ihm als Zusatzbeschäftigung
nicht, er engagierte sich
bewußt bei der "Jungen Union".
Als er dann zwei Jahre später nach
Garzweiler ging um eine Schulleiterstelle
anzunehmen, folgte ihm
bereits eine innerparteiliche Empfehlung:
die CDU-Ortspartei solle
den engagierten Pauker nicht aus
den Augen verlieren. Nun, Peter
Giesen, inzwischen selbst Vater
von drei Kindern, hat nicht nur gepaukt,
sondern sich auch beruflich
und politisch durchgepaukt. Heute
ist sein politischer Sachverstand
begehrt. Im Grunde genommen
er würde es öffentlich nie beklagen
wundert er sich selbst wohl darüber,
daß derselbe Kopf und derselbe
Hosenboden auf drei verschiedenen
parlamentarischen Ebenen
dreimal unterschiedlich honoriert
wird. In der Gemeinde Garzweiler
als Bürgermeister, als Kreistagsmitglied
in Grevenbroich und
als Landtagsabgeordneter in Düsseldorf.
Der Panzergrenadier, der auch ein
Draufgänger sein konnte, hat in der
Politik inzwischen das Florettfechten
gelernt. Auch wenn es ihm
manchmal schwerfällt. Die Landtagsprotokolle
weisen ihn als ebenso
unbequemen Zwischenträger
wie Zwischenrufer aus.
Sein kulturpolitisches Engagement
hat sich inzwischen auch auf den
Westdeutschen Rundfunk ausgedehnt.
Als Rundfunkrat bleibt er,
wie wenige seiner Kollegen, "am
Mann". Was ihn dabei ehrt, ist, daß
er nicht nur mit seinem ganzen Engagement
anderen "einschenkt",
sondern sich auch selbst etwas sagen
läßt, wenn man ihn nur mit Vernunft
fordert. Karl Fischer
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