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  • Porträt: Ulla Meurer (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 1 - 28.01.2009

    Ihre Freizeit nutzt Ulla Meurer noch heute gern für sportliche Aktivitäten. In ihrer Jugend war die im hessischen Schlitz geborene SPD-Abgeordnete begeisterte Leichtathletin. Der 100- und der 200-m-Lauf waren ihre Spezialität. Mit 15 Jahren gewann sie mit ihrer Mannschaft eine Meisterschaft im Waldlauf. Parallel dazu spielte sie Handball. Mitte der 90er-Jahre hatte Ulla Meurer, die Geschichte und Germanistik an der RWTH Aachen studierte, ein kleines sportliches Comeback, als sie bei den Stadtmeisterschaften der Leichtathletik in ihrem Wahlkreis Heinsberg Stadtmeisterin wurde.
    Sportlich wollte es Ulla Meurer auch angehen, als sie zusammen mit ihrem Mann im letzten Sommer mit Zelt und Fahrrad durch Nordrhein-Westfalen radelte. Als passionierte Verfechterin des Raucherschutzes im Düsseldorfer Landtag wollte die Sozialdemokratin vor Ort erkunden, wie das neue Nichtrauchergesetz in der Praxis angewendet wird. Gleich zu Beginn musste sie erleben, dass auf einem Campingplatz jeden Abend "geschlossene Gesellschaft" war. Damit durfte in den Gastronomieräumen geraucht werden und draußen auch. "Für Nichtraucher war kein Eckchen frei, wo der Qualm nicht hingezogen ist", erinnert sich die SPD-Abgeordnete.
    Noch unerfreulicher war ein Erlebnis in Detmold. Da hatte sich die Parlamentarierin in einem Biergarten niedergelassen, um einem Platzkonzert zuzuhören Als es anfing zu regnen und sie in das Haus flüchtete, erfuhr sie, dass das Lokal als Raucherklub geführt wurde. Ihr Versuch, daraufhin die Essensbestellung rückgängig zu machen, misslang zunächst. Erst als sich Ulla Meurer als Landtagsabgeordnete outete, die im NRW-Parlament vehement für den Nichtraucherschutz ficht, konnte sie sich durchsetzen. "Das Ganze war höchst unerfreulich und das Personal sehr uneinsichtig", bilanziert Ulla Meurer enttäuscht ihre praktische Erfahrung.
    Das Negativ-Erlebnis hindert die SPD-Frau jedoch keineswegs daran, sich weiterhin für eine Präzisierung des Nichtrauchergesetzes stark zu machen. "Meiner Meinung nach brauchen wir eine bundeseinheitliche Regelung", sagt die 53-Jährige, die selber früher einmal stark geraucht hat. "In meiner Jugend habe ich für Raucherecken auf dem Schulhof gekämpft, jetzt bin ich froh, dass das Rauchen in Schulen generell verboten ist", freut sich die Abgeordnete. Zur entschiedenen Kämpferin gegen die Qualmerei ist Ulla Meurer allerdings erst durch die Krankheit des jüngeren ihrer zwei Söhne geworden. "Seither darf bei uns zu Hause nicht mehr geraucht werden", sagt Ulla Meurer.
    Politisch aktiv wurde Ulla Meurer, die auch gelernte Industriekauffrau ist, nachdem die SPD die Bundestagswahl 1983 verloren hatte. "Da habe ich gesagt: Nun erst recht. Du meckerst nicht länger herum, sondern du machst mit." Exakt am 8. März 1983, am internationalen Frauentag, trat sie in die von ihr favorisierte SPD ein. Dort arbeitete sie bei der "SGK" und der "AsF" mit, wurde Vize-Vorsitzende des Ortsvereins Heinsberg und kam 1989 erstmals in den Rat der Stadt, dem sie auch heute noch angehört. Außerdem ist Ulla Meurer Mitglied in der Gewerkschaft ver.di.
    Vor der letzten Landtagswahl bewarb sie sich um ein SPD-Mandat und rutschte für sie völlig unerwartet in den Landtag. "Ich wollte mich engagieren, für die Partei kämpfen, Stimmen sammeln und es einfach mal gemacht haben", begründet sie ihre Kandidatur. "Mit meinem Listenplatz 42 hatte ich wirklich nicht mit einem Abgeordnetenplatz gerechnet", sagt Ulla Meurer heute. Inzwischen hat die SPD-Abgeordnete an ihrer neuen Aufgabe so viel Freude, dass sie gerne wieder kandidieren möchte. Als ordentliches Mitglied im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, im Ausschuss für Frauenpolitik sowie im Ausschuss für Generationen, Familie und Integration hat sie einen umfangreichen Aufgabenbereich gefunden, bei dem sich viele Themen verzahnen. In allen drei Ausschüssen setzt Ulla Meurer den Schwerpunkt auf die Verbesserung des Kinderschutzes. "Sie sind immer das schwächste Glied in der Gesellschaft und brauchen die meiste Hilfe", ist die Abgeordnete überzeugt.
    Als Ausgleich zu ihrer stressigen Abgeordnetenarbeit werkelt Ulla Meurer gern in ihrem Blumengarten, schmökert Krimis oder reist mit ihrem Mann als Koch per Zelt durch europäische Länder. "Mein Mann kann auf einem Trangia- Brenner ein so tolles Drei-Gänge-Menü zubereiten, dass alle Frauen auf dem Campingplatz neidisch werden und die Männer Stress bekommen, weil sie das nicht machen", gibt Ulla Meurer lachend preis.
    Gerlind Schaidt

    ID: LI090120

  • Porträt: Marie-Luise Fasse (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 13 - 17.12.2008

    Wenn ihr keine Verantwortung übernehmt, dann könnt ihr auch nicht meckern." Wenn Marie-Luise Fasse im persönlichen Gespräch Kritik an der Politik zu hören bekommt, erinnert sie ihr Gegenüber stets mit diesem Argument daran, dass Eigenengagement der Schlüssel zu aller Veränderung ist. Dass diese Überzeugung tief in ihr verankert ist, dafür hat das Drehbuch ihres eigenen Lebens schon in frühen Jahren gesorgt. Als älteste von sieben Töchtern stand die 22-Jährige nach dem frühen Tod von Vater und Mutter Anfang der 70er-Jahre plötzlich alleine mit sechs jüngeren Geschwistern da, denen sie von heute auf morgen Schwester, Mutter und Vater gleichzeitig sein musste. "Das schult natürlich fürs Leben, da muss man Organisieren lernen", blickt die heute 60-Jährige auf die Jahre zurück, in denen sie neben ihrer Ausbildung zur Energieberaterin nicht nur den Haushalt "schmeißen", sondern abends und nachts auch noch die Hausaufgaben ihrer jüngeren Schwestern kontrollieren musste.
    Doch schon vor dem Tod der Eltern hatte die junge Frau die erste große Veränderung ihres Lebens hinter sich, als die Familie Anfang der 60er-Jahre aus der ländlichen Idylle Dülmens in das stark vom Bergbau geprägte Hamborn zog. Statt Schlittschuhfahren im Herzoglichen Park, Reiten auf Wildpferden und Mädchen-Lyzeum mit Unterricht durch Nonnen war für die 14-Jährige jetzt Großstadtmilieu mit dem seinerzeit unvermeidlichen Kohlenstaub auf den Fensterbänken und häufig verrußten Bettlaken auf der Wäscheleine angesagt, ein "Kulturschock" für ein behütetes junges Mädchen vom Lande. Erleichtert wurde die Eingewöhnung allerdings durch das Mitmachen bei den Pfadfindern, wo das vertraute katholische Milieu die Integration in die ungewohnte Umgebung entscheidend erleichterte. Bedingt durch das familiäre Schicksal lag ein Parteieintritt zwar zu diesem Zeitpunkt noch fern, doch eine enge Beziehung zur CDU hatte Marie-Luise Fasse quasi von Geburt an. Ihr Vater, ein Studienfreund von Jesuitenpater Johannes Leppich, war Mitbegründer der Dülmener CDU. Und da die Mutter mit den jüngeren Kindern mehr oder weniger an das Haus gebunden war, durfte die kleine Marie-Luise als Älteste den Vater schon als Kind bei seinen politischen Aktivitäten begleiten und bekam dadurch Konrad Adenauer oder Franz Josef Strauß bereits früh bei Wahlkämpfen live mit. Selbst in die Partei trat Marie-Luise Fasse allerdings erst 1982 ein, als die Erziehung ihrer Schwestern abgeschlossen und auch der eigene Sohn aus dem Gröbsten raus war.
    Über den Ortsverband Budberg/Rheinberg im Kreis Wesel, wo sie nach ihrer Hochzeit 1974 ein neues Zuhause fand, arbeitete sich die Politikerin über Stadt und Kreis sehr zielstrebig nach oben. Als der Wahlkreis durch Tod vakant wurde, nutzte sie die Chance und zog 1995 das erste Mal über die Reserveliste in den Landtag ein. Zu diesem Zeitpunkt hatte die seinerzeit 47-Jährige bereits eine nach eigenen Worten "ganz starke Truppe vor Ort" aufgebaut. "Wir sind der erste Kreisverband gewesen, der in allen Führungsfunktionen Frauen hatte", blickt sie noch heute stolz darauf zurück, dass ihr Kampf für mehr Frauen in der Politik und ihr Engagement für die Quote in der CDU auch Früchte trug. Doch auch ihr heutiges Schwerpunktthema "Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz", das sie als Vorsitzende des Umweltausschusses in herausgehobener Weise repräsentiert, war bereits früh durch ihre neue niederrheinische Heimat angelegt.
    Die Nähe zu den zentralen ARA-Nordseehäfen (Antwerpen, Rotterdam, Amsterdam) und das Ende der Bergbauära in Pattberg, Niederberg, Walsum und demnächst Kamp- Lintfort seien für sie immer ein Anliegen gewesen, die Themen Umwelt, Landwirtschaft und Industrie eng miteinander zu vernetzen, betont Fasse. Und angesichts des Strukturwandels neue Chancen zu suchen: Direktvermarktung heimischer Produkte, Förderung von Bauerncafés oder die einzigartige Kulturlandschaft mit Xanten als Anziehungspunkt für den Tourismus zu erschließen. Im Zusammenhang mit den umweltpolitischen Anliegen steht auch Fasses Engagement in der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. Zwar ist Marie-Luise Fasse längst zur festen Größe in der CDU-Landespolitik geworden, hat ihre Bodenhaftung, Familie, Kirchenchor, Politik vor Ort nie verloren: "Hier bin ich nichts Besonderes, sondern einfach nur die Marie-Luise aus Budberg", sagt sie über ihre liebste Rolle.
    Michael Fritsch

    ID: LI081317

  • Porträt: Angela Tillmann (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 12 - 03.12.2008

    Ihre Homepage verrät: Angela Tillmann ist unverheiratet, aber seit 23 Jahren glücklich in denselben Mann verliebt. Sie mag Katzen, den Wind und das Meer und immer wieder hofft die SPD-Abgeordnete auf weiße Weihnachten. In ihrem Abgeordnetenleben ist die 51-Jährige offen für den Dialog und aufgeschlossen für neue Wege. So sucht Angela Tillmann in ihrem Wahlkreis auf ihre Art den Kontakt zum Bürger. "Ich gehe gern auf die Straße und rede mit den Menschen, um zu erfahren, wo es Probleme gibt", sagt die Parlamentarierin. Um eine Unterhaltung in Gang zu bringen, hat sie ihre eigene Methode entwickelt.
    "An Markttagen baue ich in meinem Wahlkreis neben meinem Stand eine Plakatwand mit einigen zentralen Thesen meiner Arbeit auf", erklärt die SPD-Politikerin. Vorbeigehende haben Zeit, den Text in Ruhe zu lesen. Wenn dann das Interesse geweckt ist, können die Leute sie ansprechen. "Das ist eine gute Taktik, um mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen", hat die SPD-Politikerin ihre Erfahrungen gemacht. Auf diese Weise knüpfe man Kontakte, ohne dass die Menschen sich überfallen fühlen. Die Markttreffen sind nach Überzeugung von Angela Tillmann eine gute Ergänzung zu festen Bürgersprechstunden, die sie im Wahlkreis ebenfalls anbietet.
    Als migrationspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion und Mitglied im Ausschuss für Generationen, Familie und Integration sowie im Ausschuss für Schule und Weiterbildung ist sie viel im Land unterwegs, um die Ziele ihrer Partei zu erklären. Ihr Schwerpunktthema ist die Integrationspolitik. "Wir leben in einer Einwanderungsgesellschaft", betont die SPDFrau und fordert: "Dazu gehört auch, dass sich die Deutschen auf den Weg machen und ihren Beitrag zum guten Zusammenleben leisten." Ein richtiger Schritt zur Integration wäre ihrer Auffassung nach die Einführung von verpflichtenden Kindergärten. Vom dritten, spätestens vom vierten Lebensjahr an sollten alle Kinder in den Kindergarten gehen, damit eine einheitliche Entwicklung gesichert wird, findet die SPDAbgeordnete. Voraussetzungen wären genügend Plätze und Kostenfreiheit. Für diese Idee muss die Sozialdemokratin auch noch in ihrer eigenen Partei Überzeugungsarbeit leisten. Doch das schreckt die SPD-Frau nicht. "Ich bin in die Politik gegangen, weil ich an den gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen etwas verändern möchte", sagt sie entschieden.
    Nach einer Ausbildung zur Industriekauffrau hat Angela Tillmann Sozialpädagogik studiert, weil sie Menschen helfen wollte.
    Als Diplom-Sozialpädagogin in der Jugendarbeit in Düsseldorf beschäftigt, erkannte sie rasch, dass viele Benachteiligungen strukturell bedingt sind und man die Probleme grundsätzlich anpacken muss. Aus diesem Motiv trat sie 1989 in die SPD ein. "Ich wollte von Anfang an aktiv mitmischen", bekennt sie offen, und folgerichtig hat sie sich rasch in verantwortungsvolle Positionen hochgearbeitet.
    Der Mitgliedschaft in verschiedenen Parteigremien folgte 1994 die Wahl in den Rat der Stadt Mönchengladbach. Dort war sie seit 1999 stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Als Parteifreunde ihr die Kandidatur für den Landtag antrugen, hat sie zugegriffen. "Das bot mir die Chance, hauptberuflich das zu machen, was ich bis dahin ehrenamtlich neben meinem Beruf getan habe", sagt sie offen und fügt hinzu, dass sie ihre politische Arbeit auch gern in der nächsten Legislaturperiode fortsetzen würde. "Ich glaube, dass man vor Ort und zusammen mit den Menschen einiges bewegen kann, wenn man nur entschlossen genug zupackt."
    Als Schriftführerin im Landtag hat sich Angela Tillmann viel Routine angeeignet, obwohl sie anfangs mit dem Parlamentsalltag Schwierigkeiten hatte. "Es hat einige Zeit gedauert, bis ich mich an die festgelegten Redezeiten und die fehlende Spontaneität gewöhnt habe", räumt sie ein. Noch heute bedauert die SPD-Abgeordnete die starren Regeln, die während der Plenardebatten kaum einen Sinneswandel zulassen. "Das einzige, was man erreichen kann, ist eine Vertagung", sagt sie.
    Weil Angela Tillmann ihr Hobby zum Beruf gemacht hat, nennt sie als zweitschönste Freizeitbeschäftigung das Reisen. Lange Zeit ging es dabei in Europa Richtung Norden. Doch zunehmend zieht es sie auch in den Nahen Osten. Viele Länder, in die man relativ gefahrlos reisen kann, hat sie mit ihrem Lebensgefährten bereits "abgegrast".
    Gerlind Schaidt

    ID: LI081220

  • Porträt: Chris Bollenbach (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 11 - 12.11.2008

    Wenn die rot-grüne Ratsmehrheit im ostwestfälischen Städtchen Bünde vor knapp 20 Jahren nicht den dringenden Wunsch der örtlichen Realschule abgeschmettert hätte, die Schule als Ganztagsschule zu führen, dann wäre die politische Laufbahn von Chris Bollenbach möglicherweise ganz anders verlaufen. So ärgerte sich der damals 17-jährige Sohn einer Handwerkerfamilie derart über die Sturheit von Roten und Grünen, dass er sich der opponierenden CDU anschloss und gleich einen Ortsverband der Jungen Union gründete. Von diesem Zeitpunkt an verlief die politische Karriere des jungen Chris - er heißt tatsächlich so, weil seine Eltern damals für den Schlagersänger Chris Roberts schwärmten und kurze prägnante Vornamen schätzten - ebenso steil wie seine berufliche. Schon 1992 war er Vorsitzender der Jungen Union im Kreis Herford, 1993 wurde er dort stellvertretender Kreisvorsitzender der Mutterpartei CDU, seit 1994 sitzt er im Kreistag von Herford und seit 2005 im Landtag. In derselben Zeit absolvierte er die Ausbildung zum Gas- und Wasserinstallateur, leistete den Wehrdienst, legte 1999 die Meisterprüfung ab und trat 2000 gleichberechtigt in den väterlichen Betrieb ein.
    Weil ihm das berufliche Standbein unverändert wichtig ist, sitzt Bollenbach auch jetzt noch jeweils montags und freitags im Büro in Bünde, nimmt Aufträge an, schreibt Kostenvoranschläge und Rechnungen. "Ich weiß auch noch, wie Heizöl riecht", sagt er lächelnd, denn im Winter teilt er sich selbst regelmäßig zum Bereitschaftsdienst am Wochenende ein, und wenn irgendwo in Bünde und Umgebung eine Heizung ausfällt, macht er sich selbst an die Reparaturarbeit. Dass er vor drei Jahren direkt ins Düsseldorfer Parlament gewählt wurde und aus dem Monteursanzug in feinen Zwirn und Schlips wechseln musste, hat er damals kaum für möglich gehalten. Denn bis 2005 hatte die SPD in seinem Heimatwahlkreis mit fast 20 Prozentpunkten scheinbar uneinholbar vorn gelegen, doch der Erdrutschsieg seiner Partei verhalf auch ihm zum Sprung an den Rhein.
    Im Landtag kümmert sich der Handwerksmeister vor allem um die Themen Jugendhilfe und Schule, mit denen er sich auch im Kreistag Herford beschäftigt, seit fast zehn Jahren als Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses. "Ich finde es wichtig und richtig, dass diese Probleme auch aus einer anderen Perspektive gesehen werden", begründet er sein Engagement. Nicht nur Lehrer und Sozialarbeiter sollten über diese Fragen diskutieren und entscheiden, sondern auch diejenigen, die das Bildungssystem vor allem aus der Sicht von Ausbildungsbetrieben und Berufskollegs kennen. Dabei ist Bollenbach keiner jener jung-dynamischen Politprofis, die gleich überall laut und möglichst in der ersten Reihe mitreden wollen. "Ich melde mich lieber seltener zu Wort, aber wenn ich dann was sage, hat das auch Hand und Fuß und das schätzen die Kollegen." Sein zweites politisches Standbein ist die Entwicklungspolitik, die zwar in der Landespolitik keine herausragende Rolle spielt, die Bollenbach aber deswegen schätzt, weil man hier im Kleinen doch Einiges bewegen und praktische Verbesserungen für die Menschen erzielen kann, vor allem in Ghana, dem Partnerland NRWs.
    Dass Bollenbach schwul ist, hat ihm bislang weder in der CDU noch in der Politik insgesamt große Probleme bereitet. Seit zwei Jahren lebt er mit seinem Mann in einer eingetragenen Partnerschaft. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Peter Biesenbach, war Gast auf der Feier in Bünde, und auf der nächsten Fraktionssitzung spendierte Bollenbach eine Runde Sekt, so wie es die Parteifreunde machen, die in den Ehestand treten. Dabei ist ihm durchaus bewusst, dass vor allem Ältere in der Union mit dieser Lebensform ihre Schwierigkeiten haben und hinter seinem Rücken gelegentlich tuscheln, aber mittlerweile sei das Thema durch, hat er festgestellt.
    Politische Ambitionen, die über den Landtag hinausreichen, hat Bollenbach nicht und auch nach Berlin in den Bundestag zieht es ihn nicht, obwohl der langjährige Bundestagsabgeordnete in seinem Wahlkreis, Reinhard Göhner, nicht wieder antritt. "Dann müsste ich den Betrieb aufgeben, und das will ich nicht." Außerdem möchte Bollenbach nach seiner ersten Legislaturperiode in Düsseldorf weitermachen. "Wenn die Partei mich aufstellt, dann kandidiere ich auch wieder."
    Peter Jansen

    ID: LI081124

  • Porträt: Oliver Wittke (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 9 - 17.09.2008

    Als NRW-Minister für Bauen und Verkehr ist Oliver Wittke ein viel beschäftigter Mann. Dennoch versichert der CDU-Politiker: "Briefe, die aus meiner Heimatstadt Gelsenkirchen kommen, beantworte ich grundsätzlich persönlich." Das gelte uneingeschränkt, gleich ob die Wählerpost an ihn als Abgeordneten oder als Minister gerichtet sei. "Ich nehme meine Wahlkreisarbeit ernst", betont der Christdemokrat. Er hat ein Büro mit einem Mitarbeiter vor Ort und nimmt möglichst viele Termine in seinem Wahlkreis wahr. Mit einem feinen Lächeln fügt Wittke hinzu: "Als Minister kann man zuweilen auch noch einen Tack mehr für den Wahlkreis tun." Der rührige NRW-Bauminister ist überzeugter Gelsenkirchener. "Ich kenne fast jeden Winkel in der Stadt", betont er und schiebt augenzwinkernd nach, dass er nur in Marl geboren wurde, weil die dortige Entbindungsanstalt als besonders gut galt. Wittke ist mit der Stadt von Schalke 04 verwachsen. Er war ihr erster und jüngster CDUOberbürgermeister und wohnt dort auch heute mit seiner Frau und zwei Söhnen.
    Der umtriebige CDU-Mann ist schon früh zur Politik gekommen. Mit 15 Jahren trat er in die Junge Union ein, ein Jahr später in die CDU. "Ich bin durch den NATO-Doppelbeschluss Ende der 70er-Jahre politisiert worden", sagt Wittke. Gegen den Polit-Trend in der damaligen Jugend hielt er es für richtig, dem Osten mit Stärke zu begegnen. "Also ich sag mal: Opportunismus war bei meinem Parteiteintritt nicht im Spiel", erinnert er sich lachend.
    Bereits mit 23 Jahren saß er dann im Rat der Stadt Gelsenkirchen. Von 1990 bis 1996 war er Vorsitzender der JU Ruhrgebiet. Seit 1992 ist er stellvertretender Vorsitzender der CDU Ruhr, 1995 wurde er Landtagsabgeordneter und 1999 in einer spektakulären Wahlentscheidung CDU-Oberbürgermeister in "Gelsenkiärken." Seit 2001 ist Wittke stellvertretender CDU-Landesvorsitzender.
    Nach Abitur und Wehrdienst studierte Wittke Wirtschaftswissenschaft und Geographie an der Ruhr-Universität in Bochum. Danach arbeitete er als Diplom-Geograph bei einer Entwicklungsagentur. Ab 1995 verzahnten sich Politik und Beruf. Wittke ging auf eine halbe Stelle, um ausreichend Zeit für seine Arbeit als Parlamentarier zu haben. "Ich habe mich speziell um Migrationspolitik gekümmert. Damals war ich der erste Sprecher für diesen Bereich und habe Papiere erarbeitet, für die ich viel Prügel bezog, die heute aber zum Allgemeingut der CDU gehören", erinnert sich der CDU-Parlamentarier an seine erste Legislaturperiode. Die Thematik findet Oliver Wittke so interessant und wichtig, dass er bis heute beim Deutsch-türkischen Forum als Vize-Vorsitzender mitarbeitet.
    Als die Union 1998 einen OB-Kandidaten für die neue Einmannspitze in Gelsenkirchen suchte, trat Wittke an. "Ich habe mich richtig in den Wahlkampf ‘reingehängt, aber keine Sekunde an einen Erfolg geglaubt", weiß er noch heute. Doch eine besondere Politlage, Engagement und Glück verhalfen dem damals 32-Jährigen auf den Oberbürgermeisterstuhl. Allerdings setzte die SPD alles daran, ihm den Posten bei der nächsten Wahl erfolgreich wieder abzujagen.
    Nach kurzem Zwischenstopp im Beruf holte Regierungschef Jürgen Rüttgers den munteren Christdemokraten 2005 als Bauminister in das schwarz-gelbe NRW-Landeskabinett. "Wenn ich mir ein Ministerium hätte malen dürfen, ich hätte es mir genau so gezeichnet, wie es heute ist", versichert der CDU-Politiker. "Eine funktionierende Infrastruktur ist das Rückgrat der Wirtschaft", betont Wittke die Bedeutung der Verkehrspolitik. Als Kür in seinem Zuständigkeitsbereich sieht er die Stadtentwicklungspolitik und als Sahnehäubchen obendrauf die Denkmalpflege.
    Natürlich will der 42-Jährige erneut für den Landtag kandidieren. Wittke:"Ich habe den Ehrgeiz, den Wahlkreis direkt zu holen." Da es nach neuem Wahlrecht künftig zwei Stimmen gibt, rechnet sich Wittke gute Chancen aus, 2010 im ersten Anlauf in den Landtag einzuziehen. "Ich hoffe, dass die Wähler genau hinschauen, wer sich wie für die Belange der Bürger einsetzt", meint der CDU-Mann zuversichtlich.
    Jede Minute Freizeit, die neben seinem Ministeramt und der Familie übrig bleiben, investiert Oliver Wittke in sein Hobby: die Jagd. "Da sitze ich und beobachte vor allem die Natur. Das ist für mich Entspannung pur", begeistert sich der CDU-Politiker und fügt hinzu: "Das Schönste ist: Mein ältester Sohn geht schon mit auf den Hochsitz."
    Gerlind Schaidt

    ID: LIN05425

  • Porträt: Dr. Stefan Romberg (FDP).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 8 - 27.08.2008

    Ich erfahre häufig in meinem Praxisalltag, dass ich als Arzt viele Erkrankungen nicht heilen kann, weil gesellschaftliche Faktoren die Menschen krank machen." Nur wenige Abgeordnete dürften eine solch enge Verbindung zwischen ihrem Beruf und ihrem politischem Engagement ziehen, wie sie Dr. Stefan Romberg für sich formuliert. Der 39-jährige Mediziner, der seit 2000 für die FDP im Landtag sitzt, legt allergrößten Wert darauf, neben seinen parlamentarischen und parteipolitischen Verpflichtungen seiner Tätigkeit als Psychotherapeut und Facharzt für Nervenheilkunde nachzugehen: Montags am Marien-Hospital sowie regelmäßig an Wochenenddiensten an einem sozialen Brennpunkt in Hamm. "Ich glaube, dass ich da noch einiges mehr mitbekomme von Menschen und ihren Nöten als viele, die in Gesprächen mit Verbänden ihre politische Meinung fortentwickeln", sieht Romberg sich sehr nah an der Basis.
    Dass der älteste von vier Söhnen eines Ärzte- Ehepaars selbst einmal Medizin studieren würde, war zunächst keinesfalls abgemachte Sache: "Ich habe lange geschwankt zwischen Lebensmittelchemie und Theologie und mich dann für den mittleren Weg zwischen Naturwissenschaft und Umgang mit den Menschen entschieden", blickt Romberg auf die Zeit als Gymnasiast zurück, die er auf dem altehrwürdigen Gymnasium Antonianum in Geseke absolvierte. Wie im Übrigen auch der jetzige Münchener Erzbischof Reinhard Marx, dem Romberg, der derselben katholischen Kirchengemeinde angehörte, als Messdiener in den achtziger Jahren regelmäßig begegnet ist.
    Die Entscheidung, sich politisch bei den Liberalen zu engagieren, fiel mit 17 Jahren relativ früh und unbeeinflusst vom Elternhaus. Der Vater sei zwar trotz seines katholischen Glaubens stets ein "liberaler Geist" gewesen, aber ebenso wie sein Bruder erst später der FDP beigetreten: "Da habe ich ein bisschen die Familie erweckt", freut sich Romberg noch heute über seine erfolgreiche "Missionierung" seiner Familie. In die Landespolitik geriet Romberg eher zufällig und ohne gezielte Karriereplanung. Als 1999 im Kreis Warendorf kurzfristig ein Kandidat abgesprungen war, ließ Romberg sich von dem seinerzeitigen Kreisvorsitzenden in die Pflicht nehmen. Kuriosum am Rande: Weil er bereits einen Urlaub auf La Palma gebucht hatte, wählten ihn die Delegierten aufgrund einer Videopräsentation. Da Romberg als Münsterländer eine besondere Nähe zu Jürgen Möllemann hatte, war er in die Zerreißprobe der ersten Parlamentsjahre hautnah verwickelt. "Aber man lernt ja in schwierigen Lebenssituationen, und ich glaube, dass die Zeit mich auch gestärkt hat", beurteilt der Familienvater im Nachhinein die Jahre bis 2003. Als die FDP 2005 Regierungsfraktion wurde, hat sich auch für Romberg vieles geändert. Die Möglichkeit, Gestaltungsverantwortung zu übernehmen, macht das Mandat naturgemäß sehr viel interessanter. Insbesondere die Chance, in der Diskussion um das Krankenhaus-, das Heim- und das Nichtraucherschutzgesetz Akzente setzen zu können, war für Romberg eine starke Motivation und Herausforderung. Die Kritik an der FDP, ein radikales Rauchverbot in der Gastronomie verhindert zu haben, weist Romberg entschieden zurück: "Die praktische Erfahrung im Umgang mit Menschen und auch Patienten lehrt, dass es wichtig ist, Regelungen zu finden, in die auch viele reinpassen", begründet er die Haltung seiner Fraktion. Viel wichtiger als nicht durchsetzbare und administrierbare Verbote ist dem Gesundheitspolitiker die gesellschaftliche Diskussion: "Die meisten Opfer von Passivrauchen befinden sich doch in den eigenen vier Wänden, wo der Staat nicht eingreifen kann. Wir brauchen mehr gesellschaftliches Engagement, damit Eltern ihre Kleinen nicht vollschmöken." Privat ist der überzeugte und praktizierende Westfale Romberg Italien-Fan, Hobby-Fußballer und kurioserweise Anhänger des 1. FC Kaiserslautern ("unkonventionell und mit viel Begeisterungskraft in der Region"). Außerdem sieht der verheiratete Vater eines anderthalbjährigen Sohnes im Oktober neuen Vaterfreuden entgegen: "Ein kleines Menschenleben relativiert vieles und richtet das Augenmerk noch stärker auf die Kleinen dieser Welt", schnürt er auch hier Privates und Politik zusammen.
    Michael Fritsch

    ID: LIN05269

  • Porträt: Horst Becker (GRÜNE).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 7 - 18.06.2008

    Alle Welt spekuliert in diesen Wochen über schwarz-grüne Bündnisse: Der grüne Landtagsabgeordnete Horst Becker hat seine praktischen Erfahrungen mit den schwarzen Partnern längst gemacht. Als Stadtrat im rheinischen Lohmar arbeitet der Öko- Politiker seit fast vier Jahren in einer Koalition mit der CDU erfolgreich zusammen. Was im Lokalen möglich ist, will der Pragmatiker auf Landesebene in den nächsten Jahren nicht generell ausschließen - wirklich vorstellen kann sich der studierte Wirtschaftswissenschaftler dies aber bislang nicht. "Wir sind inhaltlich so weit entfernt von Rüttgers, da müsste sich die NRW-CDU schon erheblich bewegen."
    Seit 2005 sitzt der leidenschaftliche Kommunalpolitiker im Düsseldorfer Landtag und engagiert sich mit heißem Herzen und kühlem Verstand für Kommunales, Verkehrs- und Wohnungsbaupolitik. Der Ruf als "Anwalt der Kommunen" gefällt dem Grünen-Politiker, der seit 24 Jahren politisch aktiv ist. Dass die schwarz-gelbe Koalition die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen per Gesetz eingeschränkt hat, treibt Becker bis heute auf die Palme. Der Abgeordnete fürchtet verheerende Auswirkungen durch finanzielle Ausfälle der Städte für den öffentlichen Personennahverkehr, für Soziales und Kultur.
    Vor allem die Verkehrspolitik hat es dem gelernten Speditionskaufmann angetan. "Wir geben definitiv zu wenig Geld aus für Busse und Bahnen", warnt Becker. Der Grüne ist sicher, dass sich die Großstädte schon in wenigen Jahren vom Umland abschotten werden, weil sie die Belastung durch Abgase, Feinstaub und Stickoxide begrenzen müssen. "Der Verkehr wird das große Megathema", glaubt der Rheinländer. Busse und Bahnen werden immer wichtiger, damit Menschen überhaupt noch in die Städte hineinkommen. Scharfe Kritik übt Becker am christdemokratischen Verkehrsminister Oliver Wittke, der die Kürzungen der ÖPNV-Mittel durch den Bund einfach an die Kommunen weitergereicht habe. "Das wird vor allem den ländlichen Raum treffen."
    Der gebürtige Kölner fährt selbst ausgesprochen gern Fahrrad. Im politischen Alltagsstress findet der Parlamentarier aber immer seltener die Zeit, mit dem Drahtesel übers Land zu radeln. Es gibt genug zu tun. Becker hat kein Verständnis für den Ausbau der regionalen Flughäfen, die mit staatlichen Subventionen und niedrigen Flughafengebühren um Billigflieger konkurrieren. Während CDU, SPD und FDP die Wünsche der Mallorca-Flieger und der Wirtschaft bedienen, kritisiert der Öko-Politiker den Fluglärm für die Anwohner und die wachsende Umweltbelastung durch Abgase der Jets. Ein alter Konflikt in Industriestaaten: Mobilität gegen Umweltschutz.

    Schwarz-Grün

    Fleißig kämpft der Grüne für bezahlbare und energiesparende Wohnungen, damit auch Menschen mit geringen Einkommen von hohen Mieten und der "zweiten Miete" für Heizkosten nicht erdrückt werden. Bei der energetischen Sanierung von Altbauten kommt langsam etwas in Bewegung: Mit der Explosion der Energiepreise wächst die Bereitschaft in Berlin und Düsseldorf, mehr Fördermittel für Wärmedämmungen und den Einbau moderner Heizungen aufzuwenden.
    Die regelmäßige Rückkopplung der grünen Landespolitik mit der Arbeit in den Kommunen hält Becker für unverzichtbar. Im heimischen Lohmar haben seine Grünen bei der letzten Kommunalwahl 25,5 Prozent der Stimmen erreicht - sicher nicht zuletzt, weil der Öko-Politiker in Düsseldorf mit Argusaugen darauf achtet, dass das Land die klammen Kommunen nicht über den Tisch zieht. Dafür, dass es in Lohmar so gut klappt mit der CDU, hat Becker eine Begründung: "Personen spielen eine wichtige Rolle." In der CDU vor Ort gab es vor der letzten Kommunalwahl einen Generationswechsel: Mit der neuen jungen Garde funktioniert die Zusammenarbeit.
    Eine Leidensgemeinschaft verbindet Becker mit dem 1. FC Köln. Als treuer Fan der Rot- Weißen erlebt er das Auf und Ab des rheinischen Kult-Clubs so oft wie möglich im Stadion mit. "Ich bin kein Mitglied. Aber ich zittere mit den Geißböcken", räumt der Grüne ein.
    In zwei Jahren möchte der emsige Abgeordnete noch einmal für fünf Jahre im Landtag kandidieren. Becker bleibt aber ganz Basispolitiker: "Das liegt in der Entscheidung der Basis."
    Autor: Wilfried Goebels

    ID: LIN04858

  • Porträt: Heike Gebhard (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 6 - 06.06.2008

    Wer Heike Gebhard in ihrem Wahlkreisbüro im Herzen von Gelsenkirchen-Buer besucht, dem bleibt nicht verborgen, dass der sozialdemokratische Stallgeruch, der der 54-Jährigen seit 1972 anhaftet, bis heute nicht verflogen ist. "Wenn ich die Werte, die ich vermitteln möchte, nicht auch vorlebe, dann bin ich nicht glaubwürdig und habe auch keinen Erfolg", begründet sie ihre bewusste Entscheidung zur Bodenhaftung in Bescheidenheit in einer Region, die im öffentlichen Bewusstsein nicht unbedingt als Hochburg der Reichen und Schönen gilt.
    Dass Heike Gebhard trotz der SPD-Wahlniederlage 2005 inmitten des Ruhrgebiets noch satte 51,8 Prozent eingefahren hat, bedeutet für die Politikerin, die selbst aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammt, eine große Verpflichtung gegenüber ihren Wählerinnen und Wählern. Von daher gesehen scheut sie sich auch nicht, offen Partei zu ergreifen: "Ich muss auch formulieren können, für wen ich Politik mache", sagt sie. Und wenn es nicht mehr zu verteilen gebe als nun einmal da ist, dann müssen halt auch welche etwas abgeben. "Diese Konsequenz auch offen auszusprechen und um Mehrheiten dafür zu kämpfen, müssen wir wieder lernen", formuliert Gebhard ihr sozialdemokratisches Selbstverständnis.
    Dass sie schon früh mit 18 Jahren zur SPD stieß, war sowohl Ausdruck ihrer realen Lebenserfahrung als auch den seinerzeit äußerst politisierten Jahren der Großen Koalition und der Kanzlerschaft Willy Brandts. "Bis auf zwei Schülerinnen waren wir in der Oberstufe schon alle politisch organisiert", erinnert sich Heike Gebhard an die Zeit vor und nach 1970 zurück. Damals hatte sie als Außenseiterin aus einem sozial schwächeren Milieu stets heftig um Anerkennung zu ringen. Eine Erfahrung, die sie entscheidend geprägt hat und schon früh zu einer Kämpferin für Gleichbehandlung und soziale Gerechtigkeit werden ließ.
    Gleichzeitig aber auch starke Antriebsfeder war, selbst nach oben zu kommen. Das durch ein Stipendium unterstützte eher untypische "Frauenstudium" Mathematik und Wirtschaftswissenschaften verschaffte der jungen Frau, die in den siebziger Jahren bis zur ersten weiblichen Juso-Vorsitzenden in NRW aufstieg, später einen hochinteressanten Einstieg in das Berufsleben. Denn dass sie der Gründungsrektor der Gesamthochschule Essen, Professor Dr.-Ing. Peter Neumann-Mahlkau, als persönliche Referentin haben wollte, wäre beispielsweise bei einem Pädagogik-Studium kaum denkbar gewesen. Denn Natur- und Ingenieurwissenschaftler standen seinerzeit in dem Ruf, Frauen allenfalls dann ernst zu nehmen, wenn sie ihnen beruflich auf Augenhöhe gegenübertraten.

    Rollenbilder

    Dass Heike Gebhard ab 1986 vier Mal Mutter wurde, hat zwar ihre berufliche Karriere zeitweilig ruhen lassen, keinesfalls aber ihre politischen Ambitionen. Denn sie wollte ja stets für eine Politik kämpfen, die es Frauen und Müttern ermöglicht, berufliche Karriere, Familie und ehrenamtliches Engagement miteinander zu vereinbaren. Ein Unterfangen, das in den achtziger Jahren ohne engagierte Mithilfe von Großeltern praktisch unmöglich war. Dass heute auch die Union für eine solche Politik eintritt, bestätigt die SPDFrau zwar. Gleichwohl stellt sie selbstkritisch fest: "Das alte Rollenbild bei uns zu durchbrechen war auch nicht einfach, auch wenn die Frage der Gleichberechtigung von Frau und Mann schon seit August Bebel im Programm steht".
    Als sich Heike Gebhard im zweiten innerparteilichen Anlauf erfolgreich für ein Landtagsmandat 2005 durchsetzen konnte, hat sie bis zuletzt darauf gehofft, nicht auf den Oppositionsbänken zu landen. Doch gehört es für sie zur Selbstverständlichkeit, sich von der Partei in die Pflicht nehmen zu lassen und dorthin zu gehen, "wo sich die Notwendigkeit ergibt". "Da halte ich es ganz mit Franz Müntefering", bekennt sie, ohne den Begriff "Parteisoldatin" in den Mund zu nehmen. Als gesundheitspolitische Sprecherin ihrer Fraktion will sie jedoch ihren Anteil dazu beitragen, so rasch wie möglich wieder an die Regierung zu kommen. "Oppositionsarbeit muss anspruchsvoll sein", sagt Heike Gebhard, auch wenn viel Arbeit vergeblich ist. Doch von alleine komme der Wähler nicht zurück: "Das muss man sich erarbeiten." Die Zielmarke für 2010 sei jedoch ganz klar: "Ich bin nur deshalb in die Politik gegangen, weil ich etwas bewegen und gestalten wollte". Und das - und da sind wir wieder ganz nah bei Franz Müntefering - sei in der Opposition "grundsätzlich schwieriger".
    Autor: Michael Fritsch

    ID: LIN04784

  • Porträt: Landtagspräsidentin Regina van Dinther (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 5 - 14.05.2008

    Wer kennt nicht die sichtbar chirurgisch korrigierten Schauspielerinnen südkalifornischer Provenienz. Gefragt, wie sie sich mit 50 fühlen, heucheln sie gerne in säuselndem Tonfall: "Oh, it‘s wonderful, honey.” Regina van Dinther, eine Tochter des Reviers, ist keine Schauspielerin. Ihr glaubt man, wenn sie mit nunmehr 50 Lenzen feststellt: "Ich hab‘ noch alle Kraft, aber schon viel Erfahrung, 50 ist ein tolles Alter.” Zum immergrünen Thema Lifting meint die Westfälin, die beim Landtags-Empfang zu Karneval im rheinischen Düsseldorf 108 Prinzen gebützt hat: "Ich bin zu Hause umgeben von Familienmitgliedern, die mit Würde alt geworden sind.” Mit blitzenden Augen setzt sie hinzu: "Warum soll ich Angst vor dem Alter haben?”
    Auch wenn es abgegriffen klingen mag: Diese Frau ist mit sich im Reinen. Sie schaut zurück: "Mit zehn war ich ein glückliches Kind mit Vater, Mutter, vier Geschwistern. Mit 20 trat Chaos in mein Leben, der Vater mit 48 verstorben, meine Zwillingsschwester und ich, beide im zweiten Fachhochschulsemester, mussten uns mit um die Probleme der jüngeren Geschwister kümmern. Mit 30 war meine Welt wieder in Ordnung, ich war im Beruf gut drauf und zum ersten Mal schwanger. Mit 40 Verankerung in der Politik. Jetzt, mit 50, kann ich sagen: Die Arbeit im Landtag macht Spaß, mir geht es gut, der Familie geht‘s gut.” Die Familie bekommt Frau Präsidentin selten zu Gesicht. In den ersten beiden Jahren an der Spitze des Parlaments hat die Diplomingenieurin für Bekleidungstechnik monatlich zwischen 300 und 360 Stunden gearbeitet. Sie will es künftig bei einer Sechs-Tage-Woche belassen.
    Die Ehefrau und Mutter von zwei Kindern (18-jährige Tochter, 16-jähriger Sohn) sagt schöne Geradeaus-Sätze, etwa den über ihren Ehemann: "Der quakt nicht rum, wenn ich spätabends nach Hause komme.” Der Ehemann ist Anwalt und vereidigter Buchprüfer und Mann für alle Fälle in Haus und Hof in Hattingen. Er gab die Politik auf, nachdem seine Frau 1990 in den Landtag gewählt worden war.
    Dass sie 2005 Präsidentin des Parlaments wurde, lag an der energischen Abgeordneten selbst, aber vor allem an "Jürgen”, wie sie den Ministerpräsidenten und Parteifreund nennt. Rüttgers wollte sie an der Spitze der Legislative sehen, und so geschah es nach kurzer Bedenkzeit. Wem der Herr ein Amt gibt ... man möchte den Satz einmal anders vollenden: " ... dem gibt er auch Freude daran.”
    Heute ist Regina van Dinther Landtagspräsidentin aus voller Überzeugung von der Wichtigkeit der Aufgabe. Wie "toll” die ist, hat sie erst im Amt gemerkt. Als Präsidentin kommt man herum zwischen Aachen und Bielefeld, auch im europäischen Ausland. Als Präsidentin wird man protokollarisch hofiert, man repräsentiert die gesetzgebende Gewalt, und, nebenbei, man hat das schönste Büro mit Blick auf den breiten Strom. Regina van Dinther verkneift sich eine Bemerkung über Wolfgang Clements fatal-banalen Entschluss, als Ministerpräsident mit allerlei Gewerbetreibenden in ein Mietshaus zu ziehen. Die Präsidentin sagt stattdessen über ihren Dienstsitz: "Dieses Haus ist eines großen Landes wie NRW würdig.”

    Offenes Haus

    Die Präsidentin hat den Landtag zu einem, wie sie es ausdrückt, offenen Haus gemacht. Sie begreift die Veränderung des Ansehens des Parlaments und seiner Abgeordneten als wesentlichen Teil ihrer Aufgabe. Sie will nicht nur die Besucher mit grauen Haaren, sondern auch die jungen Leute locken und einladen, sich anzuschauen, wo und wie Demokratie für die 18 Millionen Bürger von NRW funktioniert. Ob am Girls‘ Day vor wenigen Tagen, ob beim Türkei-Abend mit 850 Gästen, beim künftigen Israel-, Niederlande- oder Polenabend - wenn es nach van Dinther ginge, woran nicht zu zweifeln ist, wäre das Haus stets voller Menschen.
    Man möchte hinzufügen: So voll wie bei van Dinthers daheim auf dem Hattinger Bauernhof. Dort leben unter einem Dach: Regina van Dinther mit Mann und zwei Kindern, der Schwager mit Frau und drei Kindern, ein allein erziehender Vater mit seinem Sohn. Der Wohnzimmertisch misst 5,20 Meter, er bleibt immer ausgezogen. Die große Familie hält Hühner, sie macht Heu, pflanzt Kartoffeln, sie führt, wie das munter-vitale Geburtstagskind versichert, ein schönes, lustiges Privatleben.
    Am 17. Mai findet eine private Doppel- Geburtstags-Sause mit der Zwillingsschwester statt. Eine Woche später gibt‘s zu Ehren der dann 80 Jahre alten Mutter ein Scheunenfest, im August schließlich eine Grill-Fete mit den Damen der von van Dinther geführten Frauen- Union NRW.
    Urlaub macht Regina van Dinther liebend gerne am Lago Maggiore, zum Sport wahrt sie Distanz, neue, unbenutzte Wanderstöcke machen ihr ein schlechtes Gewissen.
    Autor: Reinhold Michels

    ID: LIN04496

  • Porträt: Karl Schultheis (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 4 - 16.04.2008

    Dass Karl Schultheis als sozialdemokratischer Abgeordneter gegen Studiengebühren für das Erststudium ist, versteht sich von selber. Eine andere Qualität hat da schon seine feste Zusicherung, bei einem SPD-Wahlsieg im Jahr 2010 das Erststudium wieder gebührenfrei zu machen. Und der hochschulpolitische Sprecher der SPDFraktion belässt es nicht bei Versprechungen für die Zukunft. Als Pragmatiker hat er über schon jetzt konkret entlastende Möglichkeiten nachgedacht und herausgefunden, dass die Gebühren fürs Erststudium unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich absetzbar sind. Deshalb rät der Oppositionspolitiker Karl Schultheis: "Ich kann nur jeden Studierenden auffordern zu prüfen, ob es sich nicht lohnt, die Studiengebühren in der Steuererklärung anzugeben."
    Der engagierte Sozialdemokrat weiß, wovon er spricht. Denn er beschäftigt sich seit 1985 mit Hochschulfragen. Damals war er als SPD-MdL zehn Jahre lang hochschulpolitischer Sprecher. Danach arbeitete er zehn Jahre im NRW-Wissenschaftsministerium, ehe er 2005 als Abgeordneter in das Parlament zurückkehrte. Mit Sorge verfolgt der gebürtige Aachener den Rückgang der Studentenzahlen, weil die jungen Menschen von den Studiengebühren abgeschreckt würden. "Angesichts des steigenden Bedarfs an hochqualifizierten Beschäftigten in der Wirtschaft brauchen wir mehr Studierende", kritisiert der Oppositionspolitiker die Regierungspolitik. Freimütig räumt der SPD-Politiker ein, dass es schwierig sei, aus der Opposition heraus etwas zu verändern. Doch gerade die sich abzeichnenden Korrekturen in der Hochschulpolitik seien ein gutes Beispiel dafür, wie man auch als Opposition etwas bewirken könne, wenn man alle Möglichkeiten offensiv nutze.

    Leidenschaft

    Neben seiner Arbeit im Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie engagiert sich Schultheis im Petitionsausschuss. Schon während seiner ersten Zeit im Landtag habe er für die Petitionsarbeit eine Leidenschaft entwickelt, die er jetzt wiederentdeckt habe. "Der Ausschuss gewährt einen umfangreichen Überblick über die Sorgen der Bürger", ist Schultheis überzeugt. "Unabhängig von der Mehrheitsfindung im Landtag hat man als Mitglied im Petitionsausschuss die Chance, erfolgreich Probleme der Bürger zu beheben oder Fehlentwicklungen entgegenzuwirken", sagt der SPD-Mann und fügt hinzu: "Der Ausschuss dient der Demokratiepflege. Die Arbeit ist sehr zeitaufwendig, aber es ist gut investierte Zeit."
    Karl Schultheis ist ganz bewusst in die Politik gegangen. Als Sprössling einer traditionell sozialdemokratisch orientierten Familie trat Schultheis bereits als 16-jähriger in die SPD ein. Nach Schule und Anglistik- sowie Geschichtsstudium an der RWTH Aachen gelangte er zu der Auffassung, dass man selber ein Mandat übernehmen müsse, um eigene Ideen in Realität umwandeln zu können. 1985 und 1990 hat er seinen Wahlkreis in Aachen direkt gewonnen. Als danach der Sprung ins Parlament nicht mehr klappte, hat Schultheis zunächst als Persönlicher Referent, dann als Gruppenleiter Forschung im Ministerium für Wissenschaft und Forschung gearbeitet.
    Doch die aktive politische Arbeit ließ ihn nie los. Seit 1989 sitzt er im Rat seiner Heimatstadt, seit 1994 ist er Vorsitzender der Aachener SPD, seit 2002 Mitglied im SPDLandesvorstand. Bei der letzten Landtagswahl kandidierte der Sozialdemokrat, der verheiratet ist und einen Sohn hat, erneut - diesmal über Liste - erfolgreich für den NRW-Landtag. Der Parlamentarier versteht sich als Verbindungsmann zwischen der Kommunal- und Landespolitik. "Ich versuche landespolitisch das durchzusetzen, was wir kommunalpolitisch auch umsetzen können." Um Kontakt zu den Bürgern zu halten, ist ihm die Wahlkreisarbeit besonders wichtig. "Ich habe in Aachen ein Büro und Sprechzeiten, bin aber auch jederzeit über Handy zu erreichen", versichert er.
    Autorin: Gerlind Schaidt

    ID: LIN04458

  • Porträt: Dr. Gerd Bollermann (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 3 - 12.03.2008

    Der Dortmunder SPD-Abgeordnete Gerd Bollermann gehört zu den eher Stillen im Landtag. Er drängt sich nicht vor, wenn entschieden wird, wer in der Kernzeit im Plenum das Wort ergreift und auch Zwischenrufe von ihm verzeichnet das Protokoll höchst selten. "Ich muss nicht im Rampenlicht stehen", begründet der 58-jährige Hochschullehrer seine Zurückhaltung in der öffentlichen Auseinandersetzung. Leise, aber dafür umso beharrlicher verfolgt Bollermann seine Ziele, sei es im Landtag, wo er sich um so sperrige Themen kümmert wie die Schnittstelle von Hochschule und Wirtschaft, um Technologiezentren und Außenwirtschaft.
    "Das sind alles Themen, bei denen laute Marktschreierei nicht weiterhilft." Dass Bollermanns Arbeit auch von denen geschätzt wird, die ihm politisch nicht von vornherein nahestehen, zeigt, dass er zu den wenigen Sozialdemokraten gehört, die mit der goldenen Ehrennadel des Handwerks ausgezeichnet wurden. In Dortmund hat er schon vor Jahrzehnten zusammen mit der dortigen Handwerkskammer die erste übertriebliche Ausbildungswerkstatt gegründet, die mittlerweile mehreren tausend nicht immer unproblematischen jungen Menschen zu einer angesehenen Berufsausbildung und einem Job verholfen hat.
    Still, aber effektiv geht Bollermann auch seiner Arbeit im Wahlkreis im Dortmunder Süden nach. Sein Büro hat er im Schultenhof eingerichtet, einer Einrichtung für Behinderte, die er aus seiner Arbeit im Stadtrat der Westfalenmetropole kannte. In dem alten Fachwerkbauernhof residiert er in der früheren Schlafkammer des Bauern und seiner Frau. Mit der ungewöhnlichen Standortwahl will Bollermann zeigen, dass der Umgang mit Behinderten völlig normal ist, dass wir Menschen nicht ausgrenzen dürfen.
    Den Hof nutzt er für vielfältige Aktivitäten. Unter dem Motto "Gerd am Herd" lud er Anfang März zum Kochkurs für westfälische Küche ein, es gab Dortmunder Senfsuppe, einen gefüllten Schweinerollbraten und einen Nachtisch auf der Basis von Pumpernickel. Ihm kam es vor allem auf die Gespräche mit den 25 Teilnehmern an, "da kommen ganz andere Leute als zur Gründersprechstunde", die er ebenfalls auf dem Bauernhof anbietet.

    Wanderweg

    Ganz wichtig sind Bollermann, der vor dem Studium der Sozialwissenschaften, Erziehungswissenschaft und Psychologie zunächst Kunst studiert hatte, künstlerische Aktivitäten auf dem Hof. In den Ferien lädt er Kinder dazu ein, ihre Fantasie und Kreativität auszutesten. Jungen Künstlern, vor allem Bildhauern, gibt er Gelegenheit, ihre Werke auszustellen. "Sachmal Gerd, kannze nich auch watt für uns machen?" fragte ihn neulich einer der Bewohner des Schultenhofs und Gerd konnte. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Lebensgroße weiße Plastikbären stellte er den Behinderten zur Verfügung, die sie mit viel Liebe und Akribie bunt bemalten.
    Mit der ihm eigenen Zähigkeit verfolgt Bollermann zusammen mit Freunden aus dem Wahlkreis ein ebenso originelles Projekt: einen Wander- und Radweg von Schwerte nach Castrop, der nur durch Naturschutzgebiete und Kleingartenanlagen führt. Emschergenossenschaft, Stadtgrün Dortmund und Landesbetrieb Straßen.NRW haben bereits zugesagt, an der Verwirklichung der rund 60 Kilometer langen Route mitzuwirken, die alle Facetten der Region zeigen soll: wunderschöne Landschaften, die Denkmäler der jahrhundertelangen Industriegeschichte und die High-Tech-Labors der Moderne. "Das wird noch ein paar Jahre dauern", ist sich Bollermann im Klaren, aber stolz ist er darauf, dass er das Projekt mit auf den Weg gebracht hat.
    Wenn ihm die politische Arbeit in Düsseldorf und im Wahlkreis und seine berufliche Tätigkeit als Referent und Berater für Organisationspsychologie mal Freizeit lässt, dann werkelt Bollermann am liebsten im eigenen Garten. Demnächst soll der Teich erneuert werden, letztes Jahr hat er eine neue Steintreppe gemauert. Wer Bollermann beim Rasenmähen antrifft, sollte ihn besser nicht stören. Denn "dabei lasse ich meine Gedanken wandern."
    Autor: Peter Jansen

    ID: LIN04346

  • Porträt: Wolfgang Hüsken (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 2 - 20.02.2008

    Mit der Politik verbunden war er seit seinen frühen Berufsjahren, selbst gemacht hat er sie dann allerdings erst als "Spätberufener": Wolfgang Hüsken aus dem Kreis Wesel, seit 2000 für die CDU im Landtag, gehört zu den wenigen Abgeordneten, die abseits einer langjährigen Parteimitgliedschaft quasi im "Schnelldurchgang" den Seitenwechsel vom kommunalen Verwaltungsbeamten zum Berufspolitiker vollzogen haben. Obgleich dieser Schritt nicht von ihm selbst ausging, hat er ihn nie bereut: "Eine neue Herausforderung mit über 50 Jahren hat mir auch persönlich noch einmal sehr gut getan", blickt Hüsken auf die bewegten Jahre nach 1997 zurück. In diesem Frühjahr endete nämlich seine parteipolitische Neutralität, die er sich nach Abschluss der kaufmännischen Handelsschule in der Kommunalverwaltung auferlegt hatte. Das war in dem kleinen Örtchen Obrighoven-Lackhausen ganz in der Nähe seines Heimatortes Brünen, der zu Hamminkeln gehört. Da unterschiedliche und wechselnde politische Mehrheiten die Regel waren, war ein Parteibuch in der Verwaltung seinerzeit verpönt.
    Hüsken stieg durch sein nebenher erworbenes Kommunal-Diplom rasch zum Leiter des Hauptamtes im benachbarten Schermbeck auf - und fühlte sich im Prinzip in dieser Tätigkeit rundherum wohl in der ländlichen Umgebung mit großer Vereins- und Schützentradition. Diese Idylle endete, als Hüsken nach längerem Drängen im März 1997 den Vorsitz des CDUOrtsverbandes Brünen übernahm, "ohne die Folgen zu überdenken", wie er im Nachhinein schmunzelt. Denn obwohl er bereits zur Kommunalwahl 1999 nominiert war, wurde ihm zusätzlich auch noch die Kandidatur zur Landtagswahl 2000 angetragen, weil der seinerzeitige CDU-Landtagsabgeordnete Heinrich Meyers erster hauptamtlicher Bürgermeister von Hamminkeln werden wollte.
    Bevor Hüsken der ungeplante Sprung vom Niederrhein nach Düsseldorf tatsächlich gelang, waren zwar noch mehrere Hürden zu überwinden, doch nach einem spannenden Finish gelang ihm 2000 tatsächlich der Direkteinzug ins Parlament. Ein Achtungserfolg, den er fünf Jahre später bestätigen konnte. Für den bodenständigen Niederrheiner war dies ein markanter Einschnitt: "Von da an hat sich mein Leben grundlegend geändert", zieht er Bilanz. Eine Entwicklung, die sich mit dem Regierungswechsel 2005 noch einmal verstärkt hat: "Wir sind jetzt die Handelnden, da ist die Erwartungshaltung an der Basis enorm gestiegen", beschreibt Hüsken, der in wenigen Wochen 60 wird, das seither komplett gewandelte Rollenverständnis. Was hält er für das Wichtigste? Da antwortet Hüsken wie aus der Pistole geschossen: "Ich habe drei Prioriäten, die heißen Bildung, Bildung, Bildung." Kindergarten, Schulen und Universitäten seien die drei großen Felder landespolitischen Handelns: "Wenn wir das nicht hinbekommen", so Hüsken, "haben unsere Kinder keine Zukunft und wir verloren."

    Langer Atem

    "Ich stehe im Grundsatz voll hinter den Reformen", bekennt der CDU-Mann, denn als Politiker "muss man den Mut haben, etwas Neues zu machen". Aber, so schränkt er im selben Atemzug ein, "auch die Kraft zu verändern, wenn etwas in die falsche Richtung läuft". Als Beispiel nennt er die Sprachtests für Kindergartenkinder: "Wir haben jetzt nachjustiert, und ich bin davon überzeugt, dass es in diesem Jahr wesentlich geschmeidiger läuft."
    Als seine größte Schwäche bezeichnet Hüsken seine Ungeduld: "Ich brauche Ergebnisse. Ich muss sehen, wie sich Arbeit in Erfolg umsetzt", bekennt er. In der Kommunalpolitik, in der er nach wie vor aktiv ist, sehe man schneller, wenn eine Sporthalle steht oder eine Siedlung erschlossen wird. Gleichwohl weiß der Christdemokrat natürlich, dass Erfolge in der Bildungspolitik einen langen Atem voraussetzen: "Ich hoffe, dass alles, was wir im Bildungsbereich investieren, seine Wirkung zeigt und wir 2010 wieder Akzeptanz finden", gibt Hüsken eine wohl allgemein verbreitete Stimmung im Koalitionslager wieder. Er persönlich will diese Früchte in zwei Jahren mit einer erneuten Kandidatur auf jeden Fall noch ernten: "Bei allen Belastungen als Abgeordneter kommt auch eine Menge zurück", würdigt Hüsken auch das Positive am Mandat: "Neue Erkenntnisse und Begegnungen bereichern das Leben und sind eine Entschädigung für die hohe Belastung."
    Autor: Michael Fritsch

    ID: LIN04230

  • Porträt: Wolfgang Schmitz (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 1 - 23.01.2008

    Selbst die Abgeordneten von SPD und Grünen bescheinigen dem CDU-Abgeordneten Wolfgang Schmitz, dass er seine Rolle als Vorsitzender des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) zum Foltermord in der Justizvollzugsanstalt Siegburg fair und unparteiisch ausübt. Wenn es zwischen den Wortführern von Koalition und Opposition wieder einmal besonders hitzig hergeht, versucht er mit einem lockeren Spruch die Atmosphäre zu entspannen. Zugute kommt ihm dabei, dass Schmitz als Ausschussvorsitzender tatsächlich unparteiisch ist. Er ist nicht Mitglied des Ausschusses und hat kein Stimmrecht.
    Die Aufgabe im PUA ist dem 59-jährigen Rechtsanwalt und Notar aus Paderborn auf den Leib geschrieben. Als Jurist ist es ihm immer wichtig, die Argumente beider Seiten zu hören und gegeneinander abzuwägen. In der Politik, so klagt er manchmal, kommt das "audiatur et altera pars" oft zu kurz. Da verlangen schon Rücksichtnahme auf Partei und Fraktion, dass immer nur eine und zwar die eigene Seite Recht hat. Deshalb hat sich Schmitz freiwillig in der Fraktion gemeldet, als es darum ging, den Vorsitzenden des PUA zu bestimmen, und auch wenn die zusätzliche Arbeit reichlich zeitaufwändig ist, hat er seine Entscheidung bislang nicht bereut. Nur seine Tochter, die in seine Paderborner Anwaltskanzlei eingestiegen ist und jetzt alles erledigen muss, wozu der Vater nicht kommt, stöhnt über die Mehrarbeit. Schmitz schätzt auch die Arbeit im Rechtsausschuss des Landtags, weil unter Juristen, die dort vorwiegend vertreten sind, doch ein eher sachlicher und gemäßigter Ton herrscht als in anderen Fachausschüssen, in denen immer wieder mal die politische Auseinandersetzung die Atmosphäre prägt.

    Schlüsselerlebnis

    Der Jurist, der seit 2000 den Wahlkreis Paderborn im Landtag vertritt, hat eher spät zur Politik und in die Partei gefunden. Als Schulpflegschaftsvorsitzender hatte er sich immer wieder über andere Eltern geärgert, die zwar abends im Gasthaus stets wissen, wie alles besser gemacht wird, selbst aber nicht bereit sind, sich in irgendeiner Form zu engagieren. Als in Paderborn Anfang der 90-er Jahre zwei Grundschulen zusammengelegt werden sollten und auch er das Vorhaben heftig kritisierte, beschied ihn seine Frau lakonisch, dass er sich jetzt genau so verhalte wie die, über die er sich sonst immer aufregte.
    Daraufhin trat Schmitz in die CDU ein, wurde schon bald in den Kreistag gewählt. Als im Vorfeld der Landtagswahl 2000 der eigentlich ausgesuchte CDU-Bewerber aus privaten Gründen auf die Kandidatur verzichten musste und Schmitz gefragt wurde, zögerte er nicht lange und trat an. Dass er in seiner Heimatstadt das beste Ergebnis holte, das die CDU in einer großen Stadt erzielt, freute ihn besonders.
    Die wenige Zeit, die ihm neben der politischen Tätigkeit in Düsseldorf und Paderborn und der Arbeit als Anwalt bleibt, gehört dem Hund Nico, einer Mischung aus Schäferhund und Bordercollie, sowie dem SC Paderborn, dessen Ehrenrat er heute angehört. Als junger Mann hat Schmitz selbst bei Paderborn 08 gespielt, einem der Vorläufer des heutigen Zweitbundesligisten. Obwohl er aufgrund seiner zeitlichen Inanspruchnahme Mühe hat, wenigstens die Heimspiele des Sportclubs zu sehen und obwohl die Elf auf dem letzten Platz überwintert, ist er überzeugt, dass die Paderborner nicht absteigen. Denn dann wäre auch der letztlich erfolgreiche Kampf um das neue Stadion vergeblich gewesen.
    Autor: Peter Jansen

    ID: LIN04206

  • Porträt: Renate Hendricks (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 13 - 21.12.2007

    Das Modewort Powerfrau klingt stark abgegriffen, deshalb charakterisieren wir doch Renate Hendricks besser mit dem guten alten Begriff Energiebündel. Wer die 55-jährige Bonner Abgeordnete, die wie eine Endvierzigerin wirkt, eine knappe Stunde lang erlebt und danach seinen persönlichen Eindruck wiedergibt, für sein Gegenüber dürfte der Tag wohl getrost 25 Stunden haben, erntet ein zweifach fröhliches Nicken: von Frau Hendricks und von deren langjähriger Mitarbeiterin Angelika Dirks.
    Renate Hendricks hatte sich einen Namen als Elternsprecherin in Bund und Land gemacht, lange bevor sie 2005 für die SPD in den Landtag gewählt wurde. Bundeselternrat und Hendricks - das gehörte zwei Jahrzehnte lang zusammen wie Bonn und der Rhein. Zur SPD fand die politische Seiteneinsteigerin erst 2004.
    Jetzt hat die Oppositions-Fraktion im Landtag eine Bildungs- und Schulfachfrau, die sich in vorderster Front für eines ihrer Kernanliegen stark macht: die Einführung einer Einheits- oder Gemeinschaftsschule. Die verheiratete Mutter von fünf Kindern behauptet, es gebe nicht das nur praktisch begabte und das ausschließlich theoretisch veranlagte Kind, vielmehr stets eine Mischung aus beiden, kurz: Vielfach-Begabungen.
    Hendricks, die zum Wahlkampf-Schattenkabinett des SPD-Spitzenkandidaten für die Niedersachsen- Wahl am 27. Januar gehört, bejaht die Frage, ob das Theodor-Fontane Zitat auf ihrer Internet-Seite "Gegen eine Dummheit, die gerade in Mode ist, kommt keine Klugheit an", auf die neuerliche Schuldebatte pro und contra gegliedertes Schulwesen angewendet werden könne: "Unser derzeitiges Schulsystem genügt weder den Anforderungen an ein sozial gerechtes Bildungssystem, noch ist es sonst optimal für die Jugend." Sodann formuliert sie schneidig: "Wir wollen eine Schule bis zur 10. Klasse für alle. Es gibt in Europa siebzehn Länder, die keine Gemeinschaftsschule haben, sechzehn davon in Deutschland."
    Renate Hendricks, die ein Diplom in Sozialpädagogik und zusätzlich Studienerfahrung in Psychologie besitzt, macht den Eindruck politischer Eingleisigkeit. Ihr politisches Denken und Wollen scheint um das eine Thema zu kreisen: Schule. Indes, was für eine gewaltiges, wichtiges Thema ist das aber doch! Hendricks zitiert einen Lehrer mit diesem Satz: "Jeden Morgen, wenn ich in die Klasse gehe, weiß ich, dass ich der Zukunft unseres Landes gegenübertrete."
    Da Bildung zu Hause anfängt, hat Renate Hendricks auch hier gemeinsam mit ihrem Mann, den sie vor mehr als drei Jahrzehnten in Finnland kennenlernte, ihr Bestes gegeben, immer treu nach Erich Kästners Devise: "Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es." Die fünf Söhne und Töchter im Alter zwischen 21 und 32 Jahren sind, altmodisch ausgedrückt, wohlgeraten. Alle haben Abitur. Die Jüngste studiert Tourismus und Event-Management, der Älteste ist Geschäftsführer im Telekommunikations-Bereich. Die Zweitälteste hat ihre sympathische Mutter jüngst zur Oma gemacht.

    Lebensthema

    Immer wieder im Gespräch kommt Hendricks auf ihr politisches Lebensthema Schule/Bildung zurück: Gerhard Schröders unmögliche Lehrer-Schmähung "faule Säcke" habe sie als unklug empfunden. Pädagogen müssten motiviert und nicht demotiviert werden, wenn man sie für Veränderungen gewinnen wolle. Hendricks hat ein Buch geschrieben. Der Titel klingt teutonisch schwer, man müsste ihn mit Richard-Wagner-Musik unterlegen: "Schicksal Schule." An der Stelle versteht sie weder Spaß noch Spott: Schule sei unser Schicksal. Was das Land brauche, seien mehr Menschen, die sich um Kinder kümmern wollen und können.
    Noch etwas Privates zum Schluss: Sie ist Vorsitzende eines Trägervereins, der ein Landschulheim in der Eifel betreibt. "Die Stadt Bonn wollte es loswerden, wir haben gesagt, das geht nicht, Kinder aus sozial benachteiligten Familien müssen die Chance bekommen, wenigstens mit ihrer Klasse einmal wegzufahren."
    In der kanadischen Provinz Quebec besitzen die Hendricks ein Haus. Zwei Mal im Jahr reist man hin. Auf die Bemerkung, es gebe kürzere Anreisen zum eigenen Ferienhaus, entgegnet der Kanada- und Skandinavien-Fan: "Fahren Sie mal mit dem Zug nach Cuxhaven, wohin ich neulich musste, das dauert auch so lang wie ein Flug nach Quebec."
    Autor: Reinhold Michels

    ID: LIN04124

  • Porträt: Sigrid Beer (GRÜNE).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 12 - 05.12.2007

    Für eine erfolgreiche politische Karriere im Landtag bringt Sigrid Beer gute Voraussetzungen mit. Die 51-jährige Abgeordnete ist engagiert, hat im Fachbereich Schule fundiertes Wissen und ist als Protestantin und Grüne aus der Diaspora Paderborn hinreichend gestählt, um den Herausforderungen einer Parlamentarierin in der Opposition gewachsen zu sein. Den berühmten Satz "Opposition ist Mist" lässt Sigrid Beer denn auch - zumindest für die eigene Person - nicht gelten.
    Als Beispiel für hartnäckiges Verfolgen politischer Ziele nennt die Abgeordnete ihr Eintreten für den gesetzlichen Anspruch sozialschwacher Schülerinnen und Schüler auf ein warmes Mittagsessen in den Schulen. "Da haben wir so viel Druck gemacht, dass der Ministerpräsident Stellung nehmen musste", sagt Sigrid Beer. Als im Sozialbericht des Landes die gleichen Forderungen zu lesen waren, habe das Thema eine solche Dynamik entwickelt, dass kurzfristig ein Landesfonds "Kein Kind ohne Mahlzeit" beschlossen wurde, aus dem für das laufende und das kommende Jahr jeweils zehn Millionen Euro gezahlt werden. Um weitere Gelder für die Schulspeisung locker zu machen, brachte die GRÜNE-Landtagsfraktion einen Gesetzentwurf ein. Der hat zwar nur geringe Aussicht auf Erfolg, doch mit einer Anhörung im Frühjahr 2008 wollen die Grünen weiter für Akzeptanz werben.
    Schon früh hat sich Sigrid Beer stets für Kinder und Jugendliche eingesetzt. Bereits als 13-Jährige hat sie in evangelischen Ferienfreizeiten mitgearbeitet. Noch vor Abschluss ihres Studiums als Diplom-Pädagogin war sie mit einer Sondererlaubnis als Lehrerin tätig. Von 1980 bis 1987 arbeitete Beer in der Kinder- und Jugendarbeit als Leiterin eines Hauses der Offenen Tür. Danach war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Paderborn. Seit 2002 ist sie freiberufliche Erziehungswissenschaftlerin, Gutachterin und Fachautorin.
    Über ihr Engagement für Kinder ist Sigrid Beer auch zur Politik gekommen. In den Tagesstätten ihrer drei Kinder beteiligte sie sich an der Elternarbeit. Dann gehörte sie zu den Gründungsmitgliedern einer Elterninitiative für die erste Gesamtschule in Paderborn. 1995 holten GRÜNE und SPD gemeinsam sie als sachkundige Bürgerin in die Bezirksvertretung. Parallel engagierte sie sich zunächst in der Landes-, später in der Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung/Schule. 2004 war sie Bürgermeisterkandidatin in Paderborn. Als sie danach gefragt wurde, ob sie für den NRW-Landtag kandidieren wolle, habe sie nach einer gründlichen Beratung mit der Familie zugesagt. 2005 zog Sigrid Beer als Abgeordnete in den Landtag ein.
    Sie hatte Glück, denn sie kam auf Anhieb in ihre Wunschausschüsse. Im Ausschuss für Schule und Weiterbildung ist die Grüne Sprecherin ihrer Fraktion und im Petitionsausschuss stellvertretende Vorsitzende und außerdem Sprecherin. "Mit diesen Ausschüssen habe ich zwei wunderbare Standbeine, mit denen ich hier im Landtag grüne Politik vertrete. Da kommen sehr viele Fäden aus meiner Lebensbiographie wieder zusammen", bilanziert die Abgeordnete.
    Besonders wichtig ist Sigrid Beer die Wahlkreisarbeit. "Ich bin viel vor Ort und habe feste Sprechstunden. Die Termine sind immer ausgebucht. Ich fahre auch zu Leuten nach Hause, wenn es anders nicht geht", erklärt die Parlamentarierin. Das passe gut zu ihrer Arbeit im Petitionsausschuss. Außerdem stärke der Einsatz an der Basis die Glaubwürdigkeit der Politiker, meint Sigrid Beer, die sich mittlerweile in der politischen Arbeit so zu Hause fühlt, dass sie für die nächste Legislaturperiode wieder kandidieren möchte.
    Privat fährt Sigrid Beer, wie es zu einer Grünen passt, gerne Rad, ist aber auch mit Hund Hamlet unterwegs. Die Hausarbeit wird in der Familie aufgeteilt, "allerdings", lacht Sigrid Beer "seit ich Abgeordnete bin, wird bei uns kein Gemüse mehr angepflanzt, dafür haben wir jetzt sehr viel grüne Hölle in unserem Garten".
    Autorin: Gerlind Schaidt

    ID: LIN03884

  • Porträt: Elke Rühl (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 11 - 14.11.2007

    Wir sind eine Familie der Ehrenämter", sagt Elke Rühl und fügt nicht ohne Stolz hinzu "bei uns ist es Tradition, sich in Vereinen zu engagieren". Über ein Ehrenamt ist die gebürtige Remscheiderin auch zur Politik gekommen. Mit den Worten "so jemanden wie Dich könnten wir bei uns gut gebrauchen", hatte ein ehemaliger Schulfreund Elke Rühl für die CDU geworben. Tatsächlich hatte sich die damals 43-Jährige nach dieser freundlichen Aufforderung für die Kommunalpolitik zu interessieren begonnen. Nach kurzem Vergleich mit anderen Parteien stand für sie fest: "Für mich kam nur die CDU in Frage. Ich merkte gleich, da finde ich meine politische Heimat." Schon ein Jahr später war sie Mitglied in der Bezirksvertretung und seit 1998 gehört die Christdemokratin ohne Unterbrechung dem Rat der Stadt Remscheid an.
    Zusätzlich zur Ratsarbeit übernahm Elke Rühl Aufgaben im CDU-Kreisvorstand und in der Arbeitnehmerschaft der CDA. Seit 2001 ist sie Mitglied des CDA-Landesvorstands. Die Vereinigungen waren es auch, die Elke Rühl bei ihrer Kandidatur zum NRW-Landtag unterstützt haben. 2000 verfehlte sie zwar den Sprung in das Düsseldorfer Parlament, kam aber 2004 als Nachrückerin in den Landtag. Bei der Landtagswahl 2005 schaffte die CDU-Frau mit sechs Prozent Vorsprung vor dem SPD-Kandidaten den Einzug in den Landtag. "Erstmals seit 40 Jahren hat die CDU den Wahlkreis in Remscheid wieder gewonnen", freut sie sich über ihren Wahlsieg. Die Christdemokratin gehört damit zu den raren elf CDU-Damen, die per Direktmandat in den aktuellen Landtag gekommen sind.
    Sozusagen als Belohnung gab es für die gelernte Industriekauffrau den Vorsitz im Ausschuss für Frauenpolitik. Diese Arbeit liegt ihr besonders. Im Gegensatz zu anderen Ausschüssen werden im Frauenausschuss die Themen zumeist sachbezogen und weniger parteipolitisch kontrovers diskutiert. Vielfach beschäftigen den Ausschuss Querschnittsthemen, die aus anderen Ausschüssen in den Frauenausschuss überwiesen und mitbehandelt werden müssen. Häufig handelt es sich dabei um wichtige Fragen, die allerdings wenig öffentliche Aufmerksamkeit finden. Oft müssen Regelungen gefunden werden, bei denen Bund, Länder und Gemeinden zu einer Übereinkunft kommen. Nach Auffassung der Frauenausschussvorsitzenden sind bei dieser Arbeit ein langer Atem und viel ernsthaftes Bemühen gefragt. Insgesamt ist das Klima im Frauenausschuss angenehm und die Zusammenarbeit mit den übrigen Fraktionen "gut", urteilt Elke Rühl: "Als Ausschussvorsitzende fühle ich mich zur Neutralität verpflichtet und verstehe meine Aufgabe vornehmlich als Moderatorin."
    Etwas anders ist das im Ausschuss für Bauen und Verkehr, wo Elke Rühl ebenfalls ordentliches Mitglied ist. Als Vorsitzende des Bauausschusses im Rat der Stadt Remscheid sieht sie sich durchaus auch als Interessenvertreterin ihrer Heimatstadt. "Ich bin mir der doppelten Aufgabenlage sehr wohl bewusst. Zum einen sehe ich mich als Vertreterin der Allgemeinpolitik und habe das ganze Land Nordrhein-Westfalen im Blick, zum anderen habe ich immer die Interessen meines Wahlkreises im Auge und werde aktiv, sobald Remscheid betroffen ist", sagt die CDU-Abgeordnete.

    Verbundenheit

    Wahlkreisarbeit ist für Elke Rühl ein besonders wichtiges Betätigungsfeld. "Ich habe in Remscheid ein Büro und auch einen Mitarbeiter" erklärt die CDU-Frau. Außerdem hat sie feste Sprechstunden eingerichtet und ist über ihr Handy zu erreichen. Besonders freut sie sich über Menschen aus ihrem Wahlkreis. "Es sind Bürger aus allen Bereichen und Schichten", sagt Elke Rühl und präzisiert nach einem Blick in den Kalender, "da kommen viele Schulklassen, aber auch Hausfrauen, Rentner, Unternehmerfrauen, Parteifreunde und Sportvereine."
    Elke Rühls Verbundenheit zur Heimatstadt ist offensichtlich. Sie wurde nicht nur in Remscheid geboren, sondern hat hier bisher auch ihr Leben verbracht. Nach ihrer Ausbildung arbeitete sie in diesem Bereich, danach war sie als Buchhalterin tätig. Verheiratet ist Elke Rühl mit einem Diplom-Ingenieur. Sie hat zwei erwachsene Kinder. Obwohl Hobbys und Freizeit viel zu kurz kommen, hat sie sich mit ihrem Mann und Freunden ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: In Etappen wollen sie auf dem Jacobsweg nach Santiago de Compostella wandern. Die ersten 70 Kilometer sind bereits geschafft. "In diesem Jahr geht es weiter durch die Eifel. Aber ich glaube, es wird Jahre dauern, bis wir dort ankommen", lacht Elke Rühl.
    Autorin: Gerlind Schaidt

    ID: LIN03678

  • Porträt: Jürgen Unruhe (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 10 - 24.10.2007

    Dass man Jürgen Unruhe zu den Landtagsabgeordneten zählt, die wenig respektvoll als "Hinterbänkler" bezeichnet werden, stört den 37-jährigen Sozialdemokraten aus der tiefschwarzen Diaspora nicht besonders. "Ich hatte nicht die Vorstellung, dass ich hier als Parlamentsneuling gleich alles umkrempeln kann und täglich in der Zeitung stehen muss", sagt der Postzusteller aus der Gemeinde Steinheim im Kreis Höxter. "Ich bin auch hier um zu lernen." Wie im Fußball, neben der Politik seine zweite große Leidenschaft, sieht er seine Rolle im Landtag nicht im Sturm, sondern im hinteren Mittelfeld.
    Der Schlacks mit der blonden Bürstenfrisur ist fest in seiner Heimatgemeinde verwurzelt. Im Dörfchen Ottenhausen - "eins der schönsten Dörfer Deutschlands", wie Unruhe stolz verkündet - war bereits sein Vater Vorsitzender der örtlichen SPD. "Weil ich die Schwächeren unterstützen und nicht mit der Mehrheit laufen wollte und aus Familientradition bin ich auch mit 24 in die Partei eingetreten." Schon ein Jahr später wurde er in den Rat der Gemeinde Steinheim gewählt, seit drei Jahren ist er dort Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion.
    Die Liebe zur Heimat gab auch den Ausschlag bei der Berufswahl. Post oder Straßenbauamt hatten ihm die Berufsberater empfohlen, nachdem Unruhe die Mittlere Reife erreicht hatte. Weil die Bewerbungsfrist für den Straßendienst abgelaufen war, bewarb er sich bei der Post und wurde sofort eingestellt. Von seiner Arbeit als Briefträger oder Zusteller, wie es heute heißt, schwärmt Unruhe noch heute und manchmal, wenn es seine knapper gewordene Freizeit zulässt, begleitet er seinen Nachfolger auf der Runde durch die Gemeinde. "Auf dem Land sieht die Arbeit des Zustellers völlig anders aus als in der Stadt." Da werden nicht einfach die Briefe in den Kasten geworfen, da hat man auch noch Zeit für ein Schwätzchen mit den Nachbarn, Freunden und Bekannten. Und weil das Postamt in Steinheim auch erst gegen sieben Uhr morgens beliefert wird, muss er auch nicht ganz so früh aufstehen wie seine Kollegen in den Großstädten.
    Seine Wahl in den Landtag vor zweieinhalb Jahren war fast ein kleines Wunder. Denn die Region Höxter ist eine Hochburg der CDU, als Direktkandidat hat ein Sozialdemokrat kaum eine Chance, und weil bei früheren Wahlen nur selten ein Listenkandidat der Roten ins Landesparlament gewählt wurde, war der Kreis über viele Jahrzehnte SPD-freie Zone. Auch Unruhe hatte ohne große Hoffnungen auf einen Mandatsgewinn zugesagt, als ihn der Kreisvorsitzende Johannes Reinicke gefragt hatte, ob er nicht für den Landtag kandidieren wolle, "eher aus Neugier und um etwas zu lernen." Umso größer war für ihn die Überraschung, als am späten Abend des Wahlsonntags ein Parteifreund anrief und aufgeregt fragte, ob er schon auf die Internet- Seite des Innenministeriums geguckt habe. Da konnte man nämlich lesen, dass als 43. und Vorletzter Jürgen Unruhe aus Steinheim in den Landtag gewählt worden war. "Ich habe erst gezögert, ob ich das überhaupt machen soll und habe eine ziemlich unruhige Nacht verbracht", erinnert sich Unruhe.

    Diaspora

    Bereut hat er seine Entscheidung nicht, aus dem Heimatdorf in die ferne Großstadt Düsseldorf gewechselt zu sein, und sei es auch nur, um den Menschen in seiner Heimat zu zeigen, dass es auch die SPD gibt. "Wir hatten über Jahrzehnte keinen Bundestags- und keinen Landtagsabgeordneten. Wenn irgendwo ein Schützen- oder Dorffest gefeiert wurde, war die SPD nie vertreten. Jetzt müssen sie überall die rote Socke einladen", freut sich Unruhe.
    Im Landtag engagiert er sich vor allem im Petitionsausschuss und kümmert sich insbesondere um die Probleme der Sträflinge in den ostwestfälischen Justizvollzugsanstalten Werl und Senne. Viel Zeit kostet auch die Arbeit im Umwelt- und Landwirtschaftsausschuss. Ärgern kann er sich über die Attitüde mancher Kollegen aus den Regierungsfraktionen, nach der früher alles schlecht gewesen sei und heute nur noch Gutes getan werde.
    Fußball spielt Unruhe auch als 37-Jähriger noch, regelmäßig beim TuS Teutonia Vinsebeck und gelegentlich beim Düsseldorfer FC Landtag. Dort ist er einer der Jüngsten und Besten, denn: "Bei einigen Parlamentskollegen reicht die Kondition nur noch bis zur Wimpelübergabe."
    Autor: Peter Jansen

    ID: LIN03651

  • Porträt: Josef Hovenjürgen (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 9 - 19.09.2007

    Der CDU-Abgeordnete Josef Hovenjürgen redet extrem schnell - gleichsam ohne Punkt und Komma. Man denkt als sein Gegenüber auch dies: Die Leute aus dem Dorf sind auch nicht mehr so ruhig, wie sich in städtischer Hektik groß Gewordene das vorstellen mögen. Hovenjürgen (Geburtstag am 10. Januar 1963) stammt aus dem südmünsterländischen Lavesum, einem Nest, das zu Haltern am See gehört, das wiederum eine Kommune des Kreises Recklinghausen ist.
    Die Hoverjürgens sind in Lavesum seit dem 17. Jahrhundert ansässig, fest verwurzelte Bauersleute seit Alters her. Auch Josef Hovenjürgen begann als Landwirt, und das schon nach der Schule mit 15 Jahren, nach dem frühen Tod seines Vaters. Als ältester Sohn (mit vier Schwestern) musste er de facto Verantwortung übernehmen, de jure trug sie die Mutter, bis Josef volljährig war.
    Der Hof war eher klein: 23 Hektar, davon 15 Hektar bloß Pachtland. Seit kurzem ist Hoverjürgen als Bauer ein freier Mann, er hat das, was Eigentum war, verpachtet. Die vier Kinder des Ehepaars Hovenjürgen werden also keine Spuren im Acker mehr hinterlassen. Ob sie einst auch Lavesum verlassen werden? Mag sein, Josef Hovenjürgen jedoch kann sich das für sich nicht vorstellen. Das "Egal-wo-ich-gebraucht- werde-ich-gehe-überall-hin" ist seine Sache nicht.

    Vorbilder

    Flexibel und aufgeweckt war Hovenjürgen dennoch schon als junger Bursche, der beruflich danach strebte, neben der Landwirtschaft weitere Eisen im Feuer zu haben. Er machte eine Ausbildung als Gesundheitsaufseher beim Kreis und arbeitete als Fleischbeschauer. Zur Politik zog es ihn früh. 1983 trat Hovenjürgen in die CDU ein. Wohin sonst, scheint er gedacht zu haben, denn erstens entsprach das der Familientradition, und zweitens hat die Union in Lavesum Monopolstellung.
    Große politische Vorbilder hatte Hovenjürgen nie. Deutlich beeindruckt spricht er nur von Karl-Josef Laumann, weil der das politische Herz auf dem richtigen Fleck habe und im Übrigen glaubhaft christlich, sozial und bodenständig auftrete: "Wir bräuchten mehr von solchen Typen."
    Hovenjürgen, der verschmitzt lachen kann und gemütlich wirkte, spräche er nicht so gehetzt, isst sehr gerne und liebt es, mit einem Glas Rotwein sowie einem historischen Buch vor dem Kamin zu sitzen. Ärgern kann er sich beispielsweise über Windkraftanlagen, das hässliche Windrad in direkter Nachbarschaft, überhaupt über die Energiekosten-Verteuerung durch die störenden Anlagen. Ihn wurmt auch nach wie vor, dass Grüne Naturschutz gegen Bauern und nicht mit ihnen machen wollten.
    Hovenjürgen möchte so lange wie es geht die Mandate im Kommunalrat und im Landtag miteinander in Einklang bringen. Das ist nicht einfach: die Zeit, die Zeit, die fehlende Zeit!
    Hovenjürgen blieb schulische Weiterbildung versagt, weil er mit 15 "ins Geschirr" musste und ihn später die vielen politischen Ämter und die wachsende Familie voll forderten. Der Abgeordnete zitiert einen Bekannten mit ähnlichem Werdegang: "Meine Uni war die Straße."
    In über 20 Ehejahren haben die Hovenjürgens nur 19 Tage Urlaub gemacht. Das soll nun endlich besser werden. Seine Frau tendiert zu Skandinavien-Ferien, er möchte gerne Richtung Süddeutschland oder in die neuen Bundesländer.
    Autor: Reinhold Michels

    ID: LIN03526

  • Porträt: Franz-Josef Knieps (CDU).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 8 - 22.08.2007

    Für Franz-Josef Knieps ist Verlässlichkeit die Grundvoraussetzung für politischen Erfolg. "Es ist ganz wichtig, dass Politiker während der Wahlperiode das tun, was sie vor der Wahl versprochen haben. Wenn die Bürger merken, dass man ehrlich mit ihnen umgeht und außerdem seine Argumente einleuchtend untermauert, dann gibt es auch dann Zustimmung, wenn die Botschaft bitter ist", weiß der Christdemokrat aus Erfahrung. Daran halte sich die schwarz-gelbe Koalition, die seit der Landtagswahl 2005 im Amt ist. Der Abgeordnete zählt auf: "Wir haben das Schulgesetz genau in dem Sinn geändert, wie es nach Auffassung des Mittelstands notwendig war. Auch in der Lehrstellenfrage und auf dem Gebiet der Entbürokratisierung ist die Regierung auf dem richtigen Weg." Ebenso seien in der Energiepolitik die Weichen sinnvoll gestellt, bilanziert der CDU-Politiker und Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses zufrieden.
    Obwohl Franz-Josef Knieps dem Landtag erst seit 2005 angehört, spricht aus ihm der Polit- und Wirtschaftsprofi. Das kommt nicht von ungefähr, denn der gestandene Handwerker ist nicht nur seit 1968 parteipolitisch in der CDU, vor allem im Kölner Rat und der Mittelstandsvereinigung aktiv, sondern er hat sich als langjähriger Obermeister der Bäckerinnung Köln/Erftkreis, als Mitglied der Handwerkskammer und als Präsident des Westdeutschen Handwerkskammertags einen Namen gemacht. Seine Erfahrungen in all die sen Bereichen haben Knieps beim Eintritt in den Landtag geholfen, schnell Fuß zu fassen und im einflussreichen Wirtschaftsausschuss Vorsitzender zu werden. Auf dieses Amt müsse man normalerweise jahrelang warten, weiß Knieps. Bei ihm kamen Geschick, Können und ein gehöriges Quäntchen Glück zusammen. Ein Job wie maßgeschneidert für Franz-Josef Knieps. Als der CDU-Mann nach Rücktritt des alten bei der Beratung über einen neuen Vorsitzenden nach seiner Meinung gefragt wurde, wagte er keck den Vorschlag: "Also Leute, ich könnte mir vorstellen, dass ich das mache!" - und wurde prompt gewählt.

    Ehrentitel

    Ähnlich rasant wie seine Karriere im Landtag war zuvor schon sein Einstieg ins Parlament; Franz-Josef Knieps wurde geradezu in den Landtag katapultiert. Im Vorfeld trat er in der Kölner CDU mutig als Gegenkandidat von Richard Blömer an, der damals unter dem Verdacht der Steuerhinterziehung stand. Knieps gewann. Noch größer war dann der Erfolg bei den Landtagswahlen. Die Bürger belohnten seinen Mut mit fast neun Prozent Vorsprung vor dem SPD-Konkurrenten. "Ich habe viel Zuspruch bekommen, weil ich in keine Skandale verwickelt war und den Vorstellungen der mittelständischen und wirtschaftlich interessierten Wählerschaft in meinem Wahlkreis entsprochen habe", beurteilt Knieps selber den Erfolg.
    So erteilt er dann den CDU-Mitgliedern in seinem Wahlkreis alle halbe Jahr eine Art Rechenschaftsbericht. Für die übrigen Bürger gibt es Sprechstunden und Einladungen in den Landtag. 2006 hat ihn die Landeszentrale für politische Bildung NRW für seine zahlreichen Aktivitäten mit dem Titel des "besten Abgeordneten 2006" ausgezeichnet. Darauf angesprochen, ob er auch für die nächste Legislaturperiode kandidieren wird, sagt er nur: "Mir macht die Arbeit sehr viel Spaß. Ich sehe, dass wir im Team etwas bewegen können, dass es vorangeht. Kurz ich sehe den Erfolg und das macht Spaß. Ich will jetzt im Landtag gute Arbeit leisten und die Frage der Kandidatur entscheide ich dann, wenn sie ansteht."
    Der Privatmann Franz-Josef Knieps ist seit 39 Jahren verheiratet, hat zwei Kinder und drei Enkelkinder und hat sich aus Spaß an der Freude eine kleine Konditorei eingerichtet, in der er immer noch gerne backt und sich als Hobbykoch betätigt. "Ich koche aus Begeisterung für meine Frau und die Familie", verrät er. Sportlich fährt er Ski und spielt zur Entspannung Golf.
    Autorin: Gerlind Schaidt

    ID: LIN03255

  • Porträt: Holger Ellerbrock (FDP).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 7 - 13.06.2007

    Der Mann paddelt gegen den Strom, nicht nur als leidenschaftlicher Kajak- Fahrer. Schon die unverzichtbare Fliege des Liberalen lässt ahnen, dass Holger Ellerbrock kein angepasster Mitläufer ist, sondern ganz bewusst sein Image als Querdenker pflegt. Wenn der 59-jährige Umweltexperte ans Rednerpult tritt, ist ihm die Aufmerksamkeit der Abgeordneten im Landtag gewiss. Ellerbrock ist keiner, der anderen nach dem Mund redet und leistet sich eine eigene Meinung. Dass er damit nicht nur bei der Opposition oft heftiges Kopfschütteln auslöst, nimmt der studierte Diplom- Geograf sportlich.
    "Das Schlimmste wäre es, dumm zu sterben", umschreibt Ellerbrock seine unangepasste Sicht der Dinge. Der Liberale legt Wert auf sachliches Argumentieren und lehnt Symbolpolitik nicht nur in Umweltfragen rigoros ab. In der Klimadebatte sorgte der Umweltfachmann unlängst für erheblichen Unmut im Parlament, als er die hitzige Debatte über den Klimawandel als Hysterie abtat. "Natürlich gibt es menschliche Einflüsse aufs Klima. Viele Probleme lassen sich aber mit modernster Technik lösen." Ellerbrock glaubt an die Magie der Technik.
    Zwischen 1989 und 2000 arbeitete der Wissenschaftler im Düsseldorfer Umweltministerium - zuletzt als Ministerialrat und Referatsleiter. Dabei überrascht die persönliche Bewertung des Liberalen über seine früheren Minister Klaus Matthiesen (SPD) und Bärbel Höhn (GRÜNE). "Ich habe nur gute Erinnerungen an den Profi Matthiesen." Und selbst die grüne "Mutter Courage" Höhn kommt gar nicht schlecht weg. "Die Zusammenarbeit war durchaus in Ordnung. Auch wenn Frau Höhn natürlich eine andere politische Ausrichtung in der Umweltpolitik hat."
    Heute heißt der Umweltminister Eckhard Uhlenberg und ist ein Koalitionspartner der Liberalen. Ellerbrock mag den verlässlichen Uhlenberg, der Umweltschutz mit Augenmaß betreibe. Regelmäßige Treffen und Absprachen habe ein Grundvertrauen wachsen lassen. Das heißt nicht, dass Ellerbrock mit dem CDUMann Uhlenberg immer einer Meinung wäre. "Wir haben unterschiedliche Zielgruppen." Ellerbrock setzt darauf, dass die Politik lediglich Umweltziele vorgibt und die Wirtschaft dann nach den besten Lösungen sucht. "NRW verfügt über hervorragende Universitäten und engagierte Unternehmen."

    "Rotes Tuch"

    Seit dem Jahr 2000 sitzt der Liberale als umweltpolitischer Sprecher seiner Fraktion im Landtag. Die frühen Jahre bis 1989 als Umwelt- Referent der Fraktion in der Amtszeit des Fraktionschefs Achim Rohde haben ihn stark geprägt: Andere Meinungen akzeptieren, aber gegen die verbreitete Technik-Feindlichkeit ankämpfen. Ellerbrock ist ein erklärter Verfechter der Kernkraft und wird damit im Landtag zum "roten Tuch" für die Grünen. Gleichwohl schätzt der Liberale die Sachkenntnis seiner grünen Pendants im Landtag, Reiner Priggen und Johannes Remmel. "Die wissen, wovon sie reden." Dagegen sei die SPD in der Umweltpolitik "weggebrochen", beklagt der Politiker.
    Ein Dorn im Auge ist Ellerbrock allerdings, dass sich die Grünen in ihrer Regierungszeit in den Ministerien breit gemacht haben. "Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass der rote Filz getoppt werden könnte. Das haben die Grünen aber mit Höhn geschafft." Heute leide die schwarz-gelbe Koalition unter vielen Durchstechereien. Vieles werde in einigen Ministerien auch von interessierter Seite verzögert.
    In der eigenen Partei hat sich Ellerbrock als stellvertretender Vorsitzender des Bezirks Niederrhein und Mitglied des FDP-Bundesfachausschusses einen Namen gemacht. Abseits der Politik bleibt da nur wenig Zeit für die Hobbys: Motorradfahren und Oldtimer. Der gebürtige Duisburger, verheiratet, zwei Kinder, liebt es mit seinem Sohn auf kräftigen Zweirädern durch die Alpen zu fahren. Seine alten Autos sucht ein Freund aus. "Da weiß ich oft gar nicht, was ich als nächstes fahre." Auch das sicher typisch für die unkonventionelle Art des Holger Ellerbrock.
    Autor: Wilfried Goebels

    ID: LIN03182

  • Porträt: Britta Altenkamp (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 6 - 23.05.2007

    Im Handbuch des Landtags steht sie an erster Stelle, in ihrer politischen Karriere hat sie den Sprung nach vorn ebenfalls geschafft: Britta Altenkamp, Abgeordnete aus Essen, ist mit 42 Jahren das jüngste Mitglied der "Girlgroup" aus dem westlichen Ruhrgebiet und Lippe, die mit Hannelore Kraft (Mülheim), Gisela Walsken (Duisburg) und Ute Schäfer (Lage) derzeit deutlich den Ton in der SPD-Fraktion angibt. "Als Ruhrgebietsfrauen gehen wir schon sehr direkt und ohne Scheu in die Auseinandersetzungen", räumt Altenkamp ein. Doch zeige sich auch allmählich, "dass man aus dieser Aufstellung gegenüber der stark männerorientierten CDU etwas machen kann", kommentiert die Sozial- und Finanzpolitikerin jene Konstellation, die zwei Jahre nach dem Machtverlust ihrer Partei allmählich Konturen gewinnt. Auch aus darüber hinaus gehenden Gedankenspielen macht die stellvertretende Partei- und Fraktionsvorsitzende keinen Hehl: "Ich rede da gar nicht drum herum: Das wichtigste politische Ziel für mich ist es, wieder in Regierungsverantwortung zu kommen." Was dann mit ihr persönlich passiere, sei nachrangig und werde sich nahezu zwangsläufig ergeben.
    Langen Atem zu haben, das hat Britta Altenkamp schon als Jugendliche bewiesen, als sie zwar über Jahre mit der Sozialdemokratie sympathisierte, den Atom- und Nachrüstungskurs Helmut Schmidts Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre aber kompromisslos ablehnte. "Die Gewissheit, dass es so viele Atombomben auf der Welt gab, um sie 40 Mal und mehr zu zerstören, hat mir unglaubliche Zukunftsängste bereitet", erinnert sich Britta Altenkamp nur allzu gut an das seinerzeit nicht nur unter Jugendlichen sehr weit verbreitete Gefühl. Es war gleichzeitig die Geburtsstunde der Grünen, denen sich Altenkamp allerdings trotz ihrer Nähe in diesen Fragen zu keiner Zeit verbunden fühlte: "Da waren zu viele meiner Lehrer. Und wie die uns pädagogisieren wollten, das fand ich unerträglich", lautet ihre einleuchtende wie banale Begründung.
    Nach dem Sturz Helmut Schmidts und der Abkehr der SPD von Atomkraft und Nachrüstung war der Weg frei für einen Parteieintritt, den Britta Altenkamp kurz nach dem Abitur 1984 vollzog. Bereits zwei Jahre später stand sie - inzwischen Studentin der Germanistik, Geschichte und Soziologie - als erste Frau überhaupt den Jusos in Essen vor, wurde in den Unterbezirksvorstand gewählt, wurde Mitglied der Bezirksvertretung und des Rates.
    Und erlebte in anderthalb Jahrzehnten die Blüte und den hausgemachten, beispiellosen Niedergang ihrer Partei in der einstigen roten Ruhrgebietshochburg mit.
    Der Höhepunkt dieser Entwicklung, das sensationelle Scheitern ihres politischen "Ziehvaters" Detlev Samland als SPD-Oberbürgermeisterkandidat von Essen 1999, bedeutete gleichzeitig die Hinwendung Altenkamps zur Landespolitik. 1999/2000 setzte sich die damals 35-Jährige im Wahlkampf gegen Freund und Feind durch und zog im Mai 2000 erstmals als Direktkandidatin ins Landesparlament ein.

    Klare Sprache

    Bewegte sich Altenkamp, die in ihrer knappen privaten Zeit gern - und am liebsten zusammen mit ihrem Mann - kocht, in der ersten Legislaturperiode zunächst weiter auf ihren klassischen Feldern Kinder-, Jugend-, Sozialund Migrationspolitik, so wollte sie sich 2005 auf jeden Fall mit der Haushalts- und Finanzpolitik einen bis dato unbekannten Bereich erobern. "Ein absoluter Glücksfall", wie sie heute bekennt.
    Denn der Grund für ihren Wunsch hatte einen sehr konkreten Aufhänger: "Ich habe während der Diskussion um die Offene Ganztagsschule miterlebt, wie dringend notwendig es ist, den Blick darauf zu erhalten, was eigentlich finanziell machbar ist." Eine noch viel zu selten gewonnene Erkenntnis, die Britta Altenkamp auch schon als Oppositionspolitikerin verinnerlicht hat: "Man muss von vorneherein den Gleichschritt zwischen politischer Willensbekundung und ihrer Finanzierbarkeit anstreben. Sonst wirft man mit dem Hintern wieder um, was man vorne vorsichtig aufgebaut hat." Klare Botschaft, klare Sprache. Mehr kann man von Politik nicht verlangen.
    Autor: Michael Fritsch

    ID: LIN03148

  • Porträt: Heinrich Kemper (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 5 - 03.05.2007

    Heinrich Kemper kann es kaum noch abwarten. In einigen Wochen, so hofft er, wird er endlich seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen können: Hoch oben in der klimatisierten Führerkanzel des Mähdreschers auf den Feldern des Kemperhofs die Bahnen ziehen, unterhalten von guter Musik und erfrischt von kühlen Getränken. Für Bauernromantik, die davon schwärmt, mit Sensen ins Heu und ins Getreide zu ziehen und die Garben auf den Ochsenkarren zur Scheune zu fahren, bleibt da kein Platz. In diesem Jahr ist er besonders ungeduldig. Denn seit einem Skiunfall Mitte Februar, der ihm einen mehrfachen Knöchelbruch, einen Wadenbeinbruch, einen Bänderriss und eine Gelenkluxation eintrug, die mit 14 Nägeln, Schrauben, Platten und Drähten geflickt werden mussten, quält der 58-Jährige sich an zwei Krücken über den Hof und durch den Düsseldorfer Landtag und sehnt den Tag herbei, an dem er sich endlich wieder frei bewegen kann.
    Kemper ist ein moderner Landwirt und das heißt, dass er sich auf dem neuesten Stand des Wissens hält und sich gleichzeitig dafür einsetzt, dass es ihm seine Berufskollegen möglichst gleich tun. Die Halbwertzeit für landwirtschaftliches Wissen betrage nur noch achteinhalb Jahre, sagt der hochgewachsene Hofbesitzer aus Lage. Wer da nicht auf dem Laufenden bleibt, wird wirtschaftlich abgehängt.
    Kemper, der den seit 600 Jahren im Familienbesitz stehenden Hof mittlerweile als "Sofa"- Bauer betreibt (Sofa heißt hier: selbständig ohne fremde Arbeitskräfte) hat für sich und seinen Betrieb daraus die Konsequenzen gezogen. Zur Zeit gehen 18 bis 20 Prozent der Ernte in die Energieproduktion. In den nächsten Jahren will er diesen Anteil auf 35 bis 38 Prozent steigern. Angebaut werden Weizen, Roggen und Triticale, eine Neuzüchtung aus Roggen und Weizen, die für die mageren Böden des Lipperlands gut geeignet ist. In den Zeiten wachsender Gefahren durch die weltweiten Veränderungen des Klimas sieht Kemper für die nachwachsenden Rohstoffe neben den ökologischen Vorteilen auch wirtschaftliche Perspektiven. 2,5 Kilogramm Getreide entsprächen im Brennwert etwa einem Liter Heizöl. Der Preisunterschied betrage 38 zu 50 Cent.
    Wenn Kemper in Fahrt kommt und über die Zukunftsperspektiven der Landwirtschaft diskutiert, mag man gar nicht glauben, dass es ihn ursprünglich gar nicht auf Scholle und Acker drängte. Nach dem Abitur studierte er zunächst Sport und Chemie und wollte Lehrer werden, bevor er sich dann doch in die Familientradition stellte. Jetzt scheint sich die Geschichte zu wiederholen. Sein ältester, mittlerweile 29-jähriger Sohn ist Jurist, hat sich aber doch entschlossen, den Kemperhof, der früher beim Kloster Marienfeld abgabepflichtig war, irgendwann zu übernehmen. Vater Kemper hat dann sein Ziel erreicht: Den Hof so zu entwickeln, dass er für die nächste Generation interessant ist.
    Zur Politik und zum Eintritt in die CDU 1999 kam der gelernte Lehrer, Landwirt und Agrarlobbyist eher durch Zufall. Als Interessenvertreter seines Berufsstands wollte er parteipolitisch unabhängig bleiben. Doch als ihm der Kreisvorsitzende der CDU in Lippe, der zeitweilige Bundestagsabgeordnete Cajus Caesar, und der heutige NRW-Landwirtschaftsminister Eckhard Uhlenberg bedrängten, ließ er sich schließlich breit schlagen. Die beiden waren es auch, die ihn 2004 überredeten, für den Landtag zu kandidieren. Für Kemper war das eine echte Herausforderung: Sollte er als 55-Jähriger noch einmal einen Neustart wagen und versuchen, sein Wissen und seine Erfahrungen als landwirtschaftlicher Interessenvertreter in die Politik einzubringen?
    Nach langen Gesprächen im Familienkreis und nach der Zusicherung, er würde im Falle seiner Wahl die eine oder andere Funktion im beruflichen Bereich aufgeben, gaben Frau und die drei Kinder schließlich grünes Licht. Sonderlich Erfolg versprechend schien die Kandidatur ohnehin nicht, denn im Wahlkreis mit Bad Salzuflen, Lage und Leopoldshöhe wurde traditionell sozialdemokratisch gewählt und seine Gegenkandidatin war die populäre Schulministerin Ute Schäfer. Doch am 22. Mai 2005 lag Kemper mit 2,1 Prozentpunkten Vorsprung vorn. Sein hoher Bekanntheitsgrad als Vorsitzender des Kreisverbands der Bauern haben am Ende den Ausschlag gegeben.
    Neben der Agrar- und Umweltpolitik engagiert sich Kemper in der Medienpolitik. Seit Jahren sitzt er im Rundfunkrat des WDR, zunächst vom Bauernverband entsandt als so genannter "Grauer", seit seiner Wahl in den Landtag als Vertreter der CDU und seit kurzem auch als Sprecher der "Schwarzen".
    Autor: Peter Jansen

    ID: LIN03117

  • Porträt der Woche: Michael Breuer (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 4 - 28.03.2007

    Mit jungenhaftem Lachen gesteht Michael Breuer: "Der Machtwechsel in Düsseldorf war ein politischer Traum von mir, und ich wollte dabei sein, wenn es klappt." Tatsächlich ist nicht nur der politische Traum des CDU-Politikers aus dem Rhein-Erft-Kreis Wirklichkeit geworden, sondern für den ebenso strebsamen wie agilen Unionsmann hat sich der Entschluss ausgezahlt, in NRW zu bleiben und nicht, wie er überlegt hatte, nach Berlin zu gehen. Auf der Karriereleiter ist der CDU-Politiker ein gutes Stück nach oben gestiegen.
    Denn seit dem Machtwechsel ist Michael Breuer Minister für Europa- und Bundesangelegenheiten, also Verfechter der NRW-Interessen in Brüssel und Berlin. Zugleich hat er sich zu einer Art Allzweckwaffe für Ministerpräsident Jürgen Rüttgers entwickelt. Er gilt als enger Vertrauter des Regierungschefs und hat sich den Ruf des "Ausputzers" erworben. Im neuen Amt braucht der Minister viel Zeit für die Koordinierungsarbeiten. "Mir ist es wichtig, die nordrhein-westfälischen Interessen wirksam zu vertreten", umreißt Breuer seine Regierungsaufgabe. Dabei sei die Arbeit im nur 190 Kilometer entfernten Brüssel viel konkreter als zunächst vermutet. "Zumeist sind handfeste nordrhein-westfälische Interessen im Spiel, und ich bin mir sicher, dass wir heute auf einem besseren Weg sind als es die vorige Regierung war", so der CDU-Mann. Auch im Bund ist der Minister mit dem bislang Erreichten zufrieden.
    Dass er mit seinem Studium der Volkswirtschaftslehre an der Bonner Universität und seiner Ausbildung und Tätigkeit als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer das richtige Rüstzeug für seine Politikerkarriere mitgebracht hat, erweistsich immer wieder. Als Breuer 1995 die gebotene Chance ergriff und sich für ein Landtagsmandat aufstellen ließ, verhalf ihm seine Vorbildung zu einem ausgezeichneten Start in der NRW-Landespolitik. Vom Fraktionsvorstand wurde ihm die Mitarbeit im mächtigen Haushalts- und Kontrollausschuss angeboten, ohne dass er sich für die Aufgabe beworben hätte: "Das war keine Selbstverständlichkeit, sondern schon eine besondere Auszeichnung."

    Bodenhaftung

    Dabei war der Weg zum Berufspolitiker für ihn nicht zwingend vorgegeben. Zwar war das Elternhaus durchaus politisch interessiert und der Vater hat für einige Zeit im Stadtrat der Gemeinde Lechenich mitgearbeitet, aber er könne nicht sagen, dass sein Vater ihn zur CDU gebracht habe, meint Breuer. Ausschlaggebend sei vielmehr der politische Diskurs am Gymnasium gewesen, der ihm die Politik nahe gebracht habe. Er sei dann mit 18 in die Junge Union und die CDU eingetreten.
    "Danach war erst einmal Pause mit Politik", meint der Christdemokrat. Aber während des Studiums in Bonn habe er sich wieder politisch engagiert. Er sei Kreisvorsitzender der Jungen Union (JU) geworden. Dabei habe er keineswegs geplant, Berufspolitiker zu werden. Parallel zum Studium habe er im Institut für Mittelstandsforschung gearbeitet. Nach dem Examen als Diplom-Volkswirt und zusätzlichen Ausbildungen als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer war er bei einer großen Wirtschaftsprüfungsund Beratungsgesellschaft beschäftigt.
    Trotz des ständigen Termindrucks als Minister hat Michael Breuer den Vorsitz des CDU-Bezirksverbands Mittelrhein beibehalten und ist auch weiterhin Kreisvorsitzender der CDU Erftkreis. Auch für die Wahlkreisarbeit findet der 41-Jährige noch Zeit. "Es ist nicht ganz einfach, aber ich schaffe es, vor Ort präsent zu sein", beteuert der CDU-Politiker. Für Hobbys bleibt da kaum noch Zeit. "Ich versuche zu joggen. Das klappt aber nur im Frühjahr und im Sommer. Für Fußball interessiere ich mich leider auch nur noch ab und an als Zuschauer." Zum Entspannen liest Michael Breuer vor allem in den Ferien Kriminalromane. Das wichtigste ist für ihn jedoch die Familie. Michael Breuer ist sei 1994 verheiratet und hat einen Sohn und eine Tochter. "Meine Frau trägt alles mit. Anders ginge es gar nicht", beteuert er. Sofern er nicht in Berlin oder Brüssel ist, fährt er täglich nach Hause. Der Minister: "Das ist ja keine Entfernung. Außerdem kann ich im Auto arbeiten, weil ich nicht mehr selber fahre."
    Autorin: Gerlind Schaidt

    ID: LIN03041

  • Porträt der Woche: Norbert Römer (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 3 - 07.03.2007

    Aha, ein Junge aus dem Revier! Wer Norbert Römer kennenlernt und sich mit ihm in ein Gespräch vertieft, merkt schnell, dass der gebürtige Herner, der in Castrop-Rauxel zu Hause ist, die Wesensmerkmale des praktischen Menschenschlags zwischen Duisburg und Dortmund ausstrahlt: Bodenhaftung wahrend, Redebrimborium meidend, auf Traditionen achtend, theoretischen Moden fern, menschlichen Sorgen nahe stehend. Römer, Jahrgang 1947, der bei der Unterhaltung so offen, freundlich und adrett wirkt wie ein Handelsvertreter, dem man gerne mehr abkauft als man wirklich braucht, sagt mit einem Schmunzeln im Gesicht über sich und seine Herkunft, er habe keine andere Chance gehabt, als Sozialdemokrat zu werden.
    Ihn kennzeichnet ein klassischer SPD-Lebenslauf: Großvater und Vater Bergmänner, engagiert in SPD und Gewerkschaft, verankert im wertkonservativen Ruhrpott-Leben unter und über Tage. Vater und Mutter betrieben eine Nebenerwerbs-Gaststätte, die auch das örtliche SPD-Vereinslokal war. Der Vater war so klug, seinem Sohn Norbert und dessen jüngerem Bruder vom Bergmanns-Beruf abzuraten. Norbert Römer schlug ab 1961 die Verwaltungslaufbahn ein. 1968 trat er in die Partei ein, die bekannten Genossen und kernigen Gewerkschafter Adolf Schmidt und Horst Niggemeier waren für ihn politisch-gewerkschaftliche Bezugspersönlichkeiten.
    "Die SPD", sagt SPD-Fraktionsvize Römer, der Ende 2006 nach vielen Jahren sein Arbeitsverhältnis zur IG BCE gelöst hat, "muss immer ganz nah an den Menschen sein." Sie müsse in die schwierigen Wohnviertel gehen, dorthin, wo man als Sozialdemokrat womöglich kritisiert und beschimpft werde. Die CSU in Bayern ist dem Sozialdemokraten von altem Schrot und Korn in ihrer Volksnähe durchaus ein Vorbild. So sehr sich Römer als Sozialdemokrat ohne Wenn und Aber bezeichnet, so sehr widerstrebt es ihm, politisch Andersdenkende als Feinde zu betrachten: Gegner - das ja, aber nach dem politischen Streit müsse man in geselliger Runde zusammen ein Bier trinken können.
    Diejenigen, die den Ruhrpott-Mann kritisch sehen, bemängeln sein scheinbar nicht enden wollendes Gefecht für Kohlebergbau, Pütt und Grubenlampen-Romantik. Der mit einer Katholikin verheiratete, praktizierende Protestant, der behauptet, sich gut hineinversetzen zu können in Politiker mit explizit christlichem Gedankengut, berichtet von schwierigen Versammlungen mit bedrängten Kumpeln: "Wenn Sie Betriebsversammlungen erleben, bei denen auch die Ehefrauen der Bergleute zugegen sind, deren Pütt stillgelegt wird, dann müssen Sie die Menschen schon überzeugen, warum es dennoch eine Zukunft gibt." Norbert Römer will damit ausdrücken: Ein Politiker an Rhein und Ruhr, ein Sozialdemokrat zumal, muss dem Volk aufs Maul schauen, nicht nach dem Mund reden. Ecken und Kanten zeigen: Ja, aber immer auch versuchen, Interessen-Ausgleich zu schaffen und die Menschen zusammen zu führen. So ähnlich hätte das auch Johannes Rau formulieren können. Norbert Römer ist kein Parteimensch, der alles gutheißt, was sein Verein produziert. Er will sich den Blick für die Unzulänglichkeiten der eigenen Truppe bewahren.
    Dem schlanken Mann sieht man nicht an, dass das Kochen eine seiner privaten Leidenschaften ist. Daheim steht er, wenn immer es geht, am Herd. Man kann ihm eine Riesenfreude mit Büchern über regionale Küche machen. Auch beim Zubereiten von Leckereien mag Römer keinen Schnickschnack. Dazu passt, dass er sich besonders auf Eintopfgerichte versteht. Weiteres aus dem Privathaus Römer: wenn Sport, dann ein bisschen Nordic Walking, Winterfrische auf Sylt, sommers Richtung Süden, bevorzugt Toskana und Südtirol.
    Autor: Reinhold Michels

    ID: LIN02928

  • Porträt der Woche: Hannelore Kraft (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 2 - 07.02.2007

    Ihr Name drängt sich für Wortspiele geradezu auf. "Mit Kraft aus dem Tal der Tränen", "Volle Kraft voraus zur Macht", titelten die Regionalzeitungen am Tag nach der Wahl Hannelore Krafts, der 45-jährigen Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag, zur neuen Landesvorsitzenden der Sozialdemokraten und zur Spitzenkandidatin und Herausforderin von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) bei der Landtagswahl 2010.
    Hinter den kraftvollen Überschriften steckt nicht nur die Lust am Wortspiel, dahinter steht auch ein Stück Respekt für die Art und Weise, wie die aus Mülheim stammende Bankkauffrau und Unternehmensberaterin auf dem Sonderparteitag in der traditionsreichen Bochumer Jahrhunderthalle auftrat. Wie sie ihren nach wie vor unter dem Machtverlust leidenden Genossen so etwas wie Hoffnung am Horizont aufzeigte und immerhin 95,6 Prozent der Delegierten davon überzeugen konnte, dass sie die Richtige ist, um in gut drei Jahren die NRW-SPD wieder dorthin zurück zu bringen, wo sie am 22. Mai 2005 nach 39 Jahren an der Regierung ihre Sachen packen musste: in die Chefetage der Staatskanzlei.
    Die politische Senkrechtstarterin aus dem Ruhrgebiet ist die Einzige, der ein Erfolg dieses schier aussichtslosen Unterfangens zugetraut wird. Unkompliziert, offen und direkt, wie die Menschen aus der einstigen Kohle- und Stahlregion nun einmal sind, geht sie ihre neue Aufgabe an und es klingt glaubwürdig, wenn sie sagt, dass sie gerne zu den Leuten geht, ihnen zuhört und mit ihnen redet. Dass man ihr ihre Herkunft auch heute noch an der Sprache anhört, dürfte zumindest zwischen Duisburg, Essen, Gelsenkirchen und Dortmund kein Nachteil sein.
    Die ersten anderthalb Jahre als Oppositionsführerin im Landtag waren keine einfache Zeit für Hannelore Kraft. Denn vor allem bei den einflussreichen Traditionsbataillonen der Ruhr-SPD war das Kind einer klassischen Arbeitnehmerfamilie - Vater Straßenbahner, Mutter Verkäuferin - eine unbekannte Größe und wurde mit Argwohn beobachtet. In die SPD war sie erst 1994 eingetreten, Unterbezirksvorstand, Landtagskandidatur und Berufung zur Ministerin, erst für Berlin und Brüssel, dann für Hochschule und Wissenschaft, folgten Schlag auf Schlag. Weil der Neuanfang der SPD nach der verheerenden Niederlage auch mit einem neuen Gesicht symbolisiert werden sollte, fiel die Wahl auf sie. Und als Jochen Dieckmann Ende des Jahres entnervt von anhaltendem Gemäkel an seiner Arbeit seinen Rückzug ankündigte, war es zwangsläufig, dass ihr angeboten wurde, zusätzlich zum Fraktionsvorsitz auch den Parteivorsitz und damit die Rolle der Herausforderin zu übernehmen.

    Soziale Gerechtigkeit

    "Wenn sozial gerecht links ist, dann bin ich links", beschrieb sie in einem Interview ihren politischen Standort in der SPD. Soziale Gerechtigkeit, gleiche Chancen für alle und Hilfe für diejenigen, die es aus eigener Kraft in unserer modernen Leistungsgesellschaft nicht schaffen, das sind nicht nur die Gründe, warum sie in die Politik gewechselt ist, das sind auch die Ziele und Ideale, deren Verwirklichung sie durch Politik näher zu kommen hofft. Deshalb setzt sie sich vehement für eine neue Schulstruktur ein, in der Kinder länger gemeinsam lernen und die es zulässt, dass die Schüler auch nach der sechsten Klasse problemlos von einer Schulform zur anderen wechseln können. Deshalb hält sie die Einführung von Studiengebühren für einen der größten Fehler der neuen Landesregierung, denn sie selbst hätte nicht studieren können, wenn damals bereits den Studenten und deren Eltern zusätzliche Lasten auferlegt worden wären. Und wenn sie es aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit für geboten hält, dann legt sie sich auch mit Rüttgers rotem Vorgänger, dem jetzigen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück an, wenn der die Unternehmen für ihre Begriffe über Gebühr steuerlich entlasten will.
    Die Blonde aus Mülheim hat sich in der Politik schon einiges zugetraut.
    Bei den Landtagswahlen 2010 wird man sehen, was die Wähler in NRW ihr zutrauen.
    Peter Jansen

    ID: LIN02852

  • Porträt der Woche: Christian Lindner (FDP).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 1 - 24.01.2007

    Im Zivilleben ist Christian Lindner bundesweit der jüngste "FDP-General". Gelegentlich tauscht der 28-jährige Landtagsabgeordnete aber für einige Wochen den Schreibtisch im Düsseldorfer Parlament mit der Kaserne in Köln-Wahn. Dann dient Lindner, der zunächst den Wehrdienst verweigert hatte, als Oberleutnant der Reserve im Führungszentrum der Luftwaffe.
    Kein Zweifel, der schlacksige Twen mit dem blonden Haar und dem asketischen Gesicht ist eine schillernde Persönlichkeit. In Politik und Wirtschaft hat der Frühstarter aus dem Heimatort Wermelskirchen in jungen Jahren mehr ausprobiert als mancher gestandene Alt-Liberale. Bereits als Schüler gründete Lindner bei einer 80-Stunden-Woche 1997 eine Werbeagentur, als Politikstudent zog er 2000 in den Landtag ein und gab nebenbei Wirtschaftsbücher heraus. Das Buch "Die Aktie als Marke" wurde sogar Wirtschaftsbuch des Jahres.
    Als Chef einer Software-Firma verdiente Lindner ab 2000 gutes Geld und leistete sich einen Porsche. Als die New-Economy-Blase platzte, meldete der Liberale Insolvenz an. "Unsere Kunden lösten sich auf, unsere Firma auch", erinnert sich Lindner. "In meinem Lebenslauf ging es rauf und runter." Inzwischen hat Lindner drei Lebenskrisen bewältigt. Die Werbeagentur hatte ihn mit permanenter Nachtarbeit zeitlich bis an die körperlichen Grenzen beansprucht, weil er gleichzeitig nach dem Zivildienst einen freiwilligen Wehrdienst hinlegte. Später hat ihn das Aus der Software-Firma schwer getroffen. Und dann der "Fall Möllemann": Das Drama um den ehrgeizigen Tausendsassa aus Münster veränderte Lindners Verständnis von Politik. "Ich habe gesehen, dass man mit zuviel Ehrgeiz am Ende tragisch enden kann."
    Von Möllemann hat das agile Jungtalent Lindner einst den Spitznamen "Bambi" verpasst bekommen. Inzwischen hat sich "Bambi" längst in einen erfolgreichen Polit-Profi verwandelt. Der junge Mann kann reden - darin sind sich Parteifreunde und politische Gegner einig. Unermüdlich tourt Lindner durch die FDP-Kreisverbände, besucht Podiums-Diskussionen und hat nebenbei gerade an der Universität Bonn seinen Magister für Politik, Öffentliches Recht und Philosophie abgelegt.
    Bleibt da überhaupt noch Zeit für ein Privatleben? "Relativ wenig", räumt der Jungpolitiker ein. Mit der Freundin, die in Leipzig studiert, pflegt der Liberale eine Fernbeziehung. "Familienstand ledig, aber seit neun Jahren verliebt", fasst Lindner knapp zusammen. So oft es geht, saust der Politiker für ein Wochenende nach Leipzig.
    Ansonsten joggt der Parteimanager an der heimischen Dhünntalsperre oder schaut sich an den seltenen freien Abenden mit Vorliebe triviale US-Actionfilme an. Eine Erfahrung ist dem selbstbewussten Lindner aber zum eigenen Leidwesen im Alltagsstress versagt geblieben: "Ein normales Studentenleben mit Partys und Kaffee trinken in der Mensa hatte ich nie."

    Zukunft

    Dafür spielt der Liberale mit dem "Hobby FDP" inzwischen politisch in der ersten Landesliga. Dort kämpft der Jungpolitiker vor allem für die Interessen der jungen Generation. "Angesichts einer älter werdenden Gesellschaft besteht die Gefahr, dass die Interessen von Kindern und Jugendlichen unter die Räder kommen."
    Im Landtag sieht der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion viele Schnittmengen mit dem Koalitionspartner CDU. Das schließt nicht aus, dass er von Zeit zu Zeit auch gegen die CDU-Ministerriege und Ministerpräsident Jürgen Rüttgers stichelt. Als Vertreter einer "Partei für wirtschaftliche Vernunft" setzt Lindner naturgemäß andere Akzente als Arbeiterführer Rüttgers. "Getrennt marschieren, vereint schlagen." Hauptsache, dass es in der Addition für Schwarz-Gelb reicht.
    Ob er sich eine spätere Rückkehr aus der Politik in die Wirtschaft vorstellen kann? Lindner schließt das nicht aus. "Dass ich 2010 noch politisch aktiv sein werde, ist klar. Ob das auch 2020 noch gilt, weiß ich nicht", sagt der Generalsekretär. Im Jahr 2020 wäre Lindner gerade knapp über 40 Jahre alt - sicher noch nicht zu spät für einen Umstieg in die Wirtschaft. Lindner ist viel zu aktiv und neugierig, als dass er sich selbst Fesseln anlegen wollte.
    Wilfried Goebels

    ID: LIN02754

  • Porträt der Woche: Maria Westerhorstmann (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 14 - 20.12.2006

    Im Handbuch des NRW-Landtags hat Maria Westerhorstmann als Beruf "Bäuerin" eintragen lassen. Die altmodisch klingende Bezeichnung hat sie bewusst gewählt, denn mit "Hausfrau" wäre ihre Tätigkeit auf dem Familienhof im ostwestfälischen Delbrück nur unzureichend beschrieben und "Landwirtin" klingt ihr viel zu technokratisch und leblos. "Bäuerin - das zeigt die ganze Vielseitigkeit des Berufs." Die Bäuerin muss im Stall aushelfen, die finanzielle Situation im Griff haben und mit entscheiden können, ob sich eine kostspielige Investition wie ein neuer Schlepper auch lohnt.
    Doch seit gut einem Jahr hat die 54-jährige mit dem leuchtend rot-goldenen Haarschopf nur noch selten Gelegenheit, über den Hof zu gehen, zu gucken, wie der Weizen steht und ob die Schweine zufrieden sind. Das Landtagsmandat, das die CDU-Politikerin am 22. Mai vorigen Jahres mit dem landesweit besten Ergebnis von 65,2 Prozent errang, ist zu einem Full-Time-Job geworden. Zu den Sitzungen von Arbeitskreisen, Ausschüssen, Fraktion und Plenum in Düsseldorf kommen noch die Verpflichtungen im westfälisch-lippischen Landfrauenverband, im Frauenrat NRW und in den Gremien ihrer Partei hinzu. Das schafft Maria Westerhorstmann nur, weil sie gelernt hat, ihren Haushalt zu rationalisieren und weil die Dinge für sie auch eine andere Wertigkeit haben: "Ich muss nicht mehr alle zwei Wochen alle Fenster putzen."
    Maria Westerhorstmann ist ein Schnellstarter in der Politik. Der CDU gehört sie zwar bereits seit 1993 an, aber näheren Kontakt zu der Partei hatte sie erstmals im Jahr 2000. Bis dahin beschränkte sich ihr ehrenamtliches Engagement auf die Mitarbeit in den verschiedenen landwirtschaftlichen Verbänden. "Politik war gar nicht mein Thema, das habe ich meinem Mann, Ratsmitglied in Delbrück, überlassen."
    Doch dann wurde sie von Honoratioren der CDU im Kreis Paderborn gefragt, ob sie nicht für den Bundestag kandidieren wolle. "Zunächst habe ich das gar nicht ernst genommen", erinnert sich Westerhorstmann. Doch nach Gesprächen mit der Familie habe sie sich gesagt: "Warum eigentlich nicht?" Am Beginn der politischen Karriere stand dann eine Niederlage. Denn so fortschrittlich, dass sie eine aussichtsreiche Kandidatur einer Frau überlassen, waren die CDU-Männer im konservativ-katholischen Hochstift noch nicht und so meldeten sich eine Reihe weiterer Interessenten.
    Wahlmarathon
    Auf dem Kreisparteitag im November 2001 reichten dann die Stühle nicht, um allen CDU-Mitgliedern einen Sitzplatz zu verschaffen und Maria Westerhorstmann, die im ersten Wahlgang noch vorne gelegen hatte, verlor in der zweiten Abstimmung knapp mit 13 Stimmen. Doch die energische Bäuerin hatte Spaß am politischen Geschäft gefunden. Sie wurde zur stellvertretenden CDU-Vorsitzenden im Kreis Paderborn gewählt, übernahm den Vorsitz der Frauen-Union in Ostwestfalen-Lippe und dann "war es keine große Aktion mehr", als ihr die Kandidatur für den Landtag angeboten wurde.
    Ihr wichtigstes Ziel in der Politik ist es, die Menschen zu stärken: "Wir müssen ihnen die Möglichkeit geben, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen." Unser Land leide darunter, "dass wir uns selbst ständig bemitleiden".
    Als frauenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion setzt sie sich dafür ein, dass Frauenthemen nicht nur im Frauenministerium und im entsprechenden Ausschuss bearbeitet werden, sondern in den Fachministerien, etwa im Gesundheits- oder im Arbeitsressort. Dabei kämpft sie dafür, dass Frauen für die gleiche Arbeit auch den gleichen Lohn erhalten wie Männer und dass für beide Familie und Beruf besser miteinander vereinbart werden können. "Dass Frauen keine Kinder mehr bekommen wollen, ist nicht die richtige Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft."
    Peter Jansen

    ID: LIN02595

  • Porträt der Woche: Professor Dr. Rainer Bovermann (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 13 - 06.12.2006

    Rainer Bovermann ist Professor für politische Wissenschaften und gleichzeitig praktizierender Politiker im Düsseldorfer Landtag. "Ich bin ein Grenzgänger zwischen diesen beiden Welten", schmunzelt der 49-jährige Hattinger. Und er hält diese beiden Welten strikt getrennt. Von Montag bis Donnerstag ist er vorwiegend Landtagsabgeordneter, sitzt in Arbeitskreisen, Ausschüssen, in der SPD-Fraktion, im Plenum, leitet die Enquetekommission "Chancen für Kinder" und kümmert sich um seinen Wahlkreis in Hattingen an der Ruhr. Freitags steht er vor Studenten der Universität Bochum und hält weiterhin Lehrveranstaltungen zu seinen Spezialthemen Kommunalpolitik, Föderalismus und Parteienforschung.
    In der Theorie ist für ihn die Unterscheidung zwischen politischer Wissenschaft und praktischer Politik klar: Geht es den Wissenschaftlern in erster Linie um Erkenntnis, will der Politiker Macht gewinnen, um Dinge zu verändern.
    Dabei sieht Bovermann durchaus die Notwendigkeit, dass der eine Bereich vom anderen lernt. "Es wäre schon gut, wenn man ein bisschen Analyse und Gründlichkeit in das praktische, stark vom Tagesgeschehen geprägte Politikleben mitnehmen könnte." Auf der anderen Seite sieht der Politikwissenschaftler aus der Erfahrung von anderthalb Jahren im Landtag manche Probleme neu und anders: "Über die Professionalisierung des Abgeordnetenberufs denke ich heute anders. Jetzt erlebe ich selbst, was es bedeutet, Abgeordneter zu sein, welche Ansprüche an einen Parlamentarier gestellt werden und wie aufwändig es ist, allen Erwartungen gerecht zu werden." Da fällt sein Urteil anders aus als vom Katheder des Professors, empirische Erhebungen sind kein Ersatz für praktische Erfahrungen im Alltag.
    Grenzgänger
    Auch über die Vertraulichkeit von Ausschusssitzungen hat der Professor andere Ansichten als der Abgeordnete. Als Wissenschaftler plädiert Bovermann grundsätzlich für Offenheit und Öffentlichkeit, als Ausschussmitglied hat er die Erfahrung gemacht, dass oft sehr viel sachlicher und nüchterner zwischen Koalition und Opposition diskutiert werden kann, wenn die Türen geschlossen bleiben.
    Wirklich geplant hat Bovermann den Grenzübertritt von der Welt der politischen Wissenschaft in den politischen Alltag. Er stammt aus einer klassischen Arbeiterfamilie in Dortmund-Scharnhorst, wo es selbstverständlich war, "am Samstag die Fahne von Borussia Dortmund rauszuhängen und am Sonntag SPD zu wählen." Nach dem Abitur wollte Bovermann ursprünglich Lehrer werden, doch als ihm die Universität eine Stelle anbot, blieb er als Hochschulassistent. In die SPD war er am Ende seines Studiums eingetreten. Als der damalige Landtagspräsident und Hattinger SPD-Abgeordnete Ulrich Schmidt erklärte, er wolle nicht mehr kandidieren und einem Jüngeren Platz machen, entschied er sich, von der theoretischen in die praktische Politik zu wechseln.
    Der Vorsitz in der Enquetekommission ist nahezu auf Bovermann zugeschnitten. In dem Gremium findet die übliche Konfrontation zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen nicht statt, stattdessen wird gemeinsam mit Wissenschaftlern überlegt, wie die Chancen der Kinder in unserem Land verbessert werden können, wie man die Gruppen erreicht, die man als bildungsferne Schichten bezeichnet, wie die Kompetenzen zwischen Land und Kommunen verteilt und wie die finanziellen Mittel optimal eingesetzt werden. "Am Ende sollen Vorschläge an die Landespolitik insgesamt stehen", so die Hoffnung und Zielsetzung Bovermanns. Er bringt für die Arbeit in der Kommission auch die nötige eigene Erfahrung mit: Sein Sohn ist 13 Jahre alt und mit ihm durchlebt er alle Entwicklungsphasen eines jungen Menschen.
    Peter Jansen

    ID: LIN02555

  • Porträt der Woche: Oliver Keymis (GRÜNE).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 12 - 15.11.2006

    Äußerlich schwarz, doch innerlich grün. Lebensfroh den schönen Künsten zugetan und doch die harte politische Sacharbeit nicht scheuend. Weltoffen mit frankophilem Faible und doch von Geburt an bodenständiger Rheinländer: Oliver Keymis ist ein Mensch und Politiker, der viel vermeintlich Widersprüchliches in seiner Person und Lebensphilosophie zu einem harmonischen Ganzen vereint, ohne dabei in Beliebigkeit zu verfallen.
    Eine Charaktereigenschaft, die dem GRÜ- NE-Politiker für sein neues Amt als Vizepräsident des Landtags sehr zugute kommt. Dass Keymis nach sechseinhalb Jahren im Parlament auch für ihn "sehr überraschend" eine neue Rolle ausfüllen soll, macht ihm keine Angst: "Mein Amt ist ein Angebot an alle Abgeordneten, für das Haus insgesamt zu stehen", erklärt der 45-jährige verheiratete Politiker. Er verspricht: "Ein Neutrum werde ich nicht. Selbstverständlich bin ich ein Grüner. Das ist meine politische Heimat."
    Ganz so lange allerdings noch nicht, denn Keymis trat der Partei erst im Jahr 1997 bei. Zu diesem Zeitpunkt hatte er als Sprecher der in Meerbusch ansässigen Bürgerinitiative gegen den oberirdischen Bau der Autobahn 44 allerdings schon mehr als zehn Jahre öffentlichkeitswirksam auf sich aufmerksam gemacht und damit das Interesse der grünen Landtagsfraktion geweckt. Als das A 44-Projekt mit einem Teilerfolg der Bürgerinitiative zugunsten einer Brücke-Tunnel-Lösung ausging, warb die damalige grüne Verkehrspolitikerin Gisela Nacken um Keymis: Der Grünen-Sympathisant trat in die Partei ein, trat 1999 mit Erfolg um einen aussichtsreichen Listenplatz an und zog im Jahr darauf erstmals in den Landtag ein.
    Neigungsfelder
    Beruflich hatte Keymis zu diesem Zeitpunkt bereits eine 16-jährige Theater- und Fernsehkarriere als Regieassistent und Regisseur hinter sich. Dieser gab er allerdings Anfang 2000 bewusst auf und zog dabei sogar zwei zugesagte Theaterprojekte zurück: "Wenn man Politik ernst nimmt, ist nebenher nicht mehr viel möglich". Außerdem müsse man auch nicht immer etwas tun. Keymis plädiert für Momente der Stille und des Innehaltens. "Die meisten definieren sich ja darüber, dass sie ständig irgendetwas tun. Das bringt uns ja oft auch so durcheinander!" Im Übrigen, so Keymis, habe er immer in seinem Leben ein Stück Risiko in Kauf genommen. Und zwar getreu der Lebensmaxime seines irischen Theatervorbildes Samuel Beckett: "Weiter scheitern. Besser scheitern."
    Von einer solchen Möglichkeit hat sich Keymis als professioneller Politiker allerdings zusehends entfernt. Zusätzlich zu seinen "Neigungsfeldern" Kultur- und Medienpolitik nahm er sich des Straßenbaus und ab 2003 des gesamten Komplexes Verkehrspolitik an. In der er sich insbesondere seit 2005 nach dem Gang in die Opposition als Streiter für einen restriktiven Luftverkehr und als Verfechter für den Ausbau des öffentlichen Schienenverkehrs einen Namen machte.
    Allerdings wird es zu den Duellen mit dem "schwarzen Olli" (Wittke) zu Lande und in der Luft nicht mehr kommen. Denn im Gegensatz zu den Themenfeldern Kultur und Medien ist der stark polarisierte Bereich Verkehr nicht vereinbar mit dem mehr auf parlamentarische Repräsentanz angelegten Vizepräsidentenamt.
    Gleichwohl macht Keymis keinen Hehl daraus, dass er die Lösung der verkehrspolitischen Probleme, insbesondere im Hinblick auf die Umweltproblematik, als entscheidend für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft hält: "Wir können nicht weiter für 18 Euro durch ganz Europa fliegen. Da werden sich die hochentwickelten Gesellschaften zurücknehmen müssen."
    Wie bitterernst Keymis diese Angelegenheit ist, wird daran deutlich, dass er an dieser Stelle auch die Grenzen seines Optimismus festmacht: "Um die Klimakatastrophe zu vermeiden, müssen wir alle im großen Stil umsteuern. Da kann man nicht drumherum lächeln."
    Autor: Michael Fritsch

    ID: LIN02488

  • Porträt der Woche: Hendrik Wüst (CDU).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 11 - 25.10.2006

    Papst, Bäcker, Lokomotivführer, Rechtsanwalt und Förster - die Liste der verworfenen Lebensentwürfe von Hendrik Wüst ist lang und illuster. Dafür, dass das Ziel Berufspolitiker erst ganz am Ende dieser Reihe stand, hat der jüngste CDU-Landtagsabgeordnete einen veritablen Senkrechtstart hinter sich. Nicht einmal ein Jahr im Düsseldorfer Parlament, berief Jürgen Rüttgers den seinerzeit 30-Jährigen Anfang dieses Jahres zum Generalsekretär der NRW-CDU und damit zu seinem wichtigsten Mann in der Parteizentrale. Die Tatsache, dass der Parteitag, der Wüst jüngst bestätigte, in Münster stattfand, vollendete auch symbolisch einen Kreisschluss.
    Denn der vorläufige Höhepunkt der Karriere Wüsts wurde in der Metropole jener Region besiegelt, in der seine familiären Wurzeln liegen und wo er auch heute noch zu Hause ist. Geboren 1975 als jüngstes von drei Kindern im westmünsterländischen Örtchen Rhede, verliefen Kindheit und Jugend glücklich wie unspektakulär: Der junge Hendrik war ein klassischer "Draußenjunge" und spielte lieber mit seinen Freunden im Wald als zur Schule zu gehen. Schon früh besaß er einen sehr ausgebildeten Gerechtigkeitssinn. Als beispielsweise die ganze Klasse nachsitzen sollte, obwohl nur ein Mitschüler mit Murmeln im Unterricht gespielt hatte, protestierte Wüst ebenso wie später als Jugendlicher, als in seiner Schule Kopierkosten eingeführt werden sollten. Dass er sich später für ein Jura-Studium entschied, war die konsequente Fortsetzung dieses roten Fadens.
    Das Umfeld für den konkreten Einstieg Wüsts in die Politik bildeten die turbulenten Jahre der europäischen Wendezeit 1989 - 1991. Die Konsequenz, mit der der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl die Initiative ergriff und die Chance auf die deutsche Einheit nutzte, fand der damalige Schüler "überzeugend" und "imponierend". Im Sommer 1990 lernte Wüst bei einem Besuch in Neubrandenburg die DDR noch in ihren letzten Zügen kennen, wenig später gehörte er zu den Mitgründern der Jungen Union in seiner Heimatstadt und wurde kurz darauf deren Vorsitzender.
    Von nun an stand an jedem Donnerstag Politik auf der Tagesordnung, wurden aktuelle Themen von lokal bis global durchdekliniert und Streitkultur erlernt. Für Wüst ging es rasch aufwärts. Schon bei den folgenden Kommunalwahlen 1994 errang er noch vor dem Abitur ein Stadtratsmandat. Der Aufstieg auf die Landesebene erfolgte 1998 als Schatzmeister der Jungen Union, deren Vorsitz er 2000 übernahm und den er in wenigen Wochen abgibt. Ende der neunziger Jahre gab es auch Wüsts erste Kontakte zu Jürgen Rüttgers, Helmut Linssen und Christa Thoben, die sich seinerzeit einen heftigen Kampf um die Führung der NRW-CDU lieferten - und heute friedlich vereint am Düsseldorfer Kabinettstisch sitzen.
    Als Wüst 2002 als Referendar bei einer Unternehmensberatung arbeitet, deren Syndikus und Bevollmächtigter in Berlin er 2004 wird, steht er mit seiner politischen Karriere vor einem Scheideweg, zumal er 2004 bei seiner Kandidatur für das Europaparlament parteiintern unterliegt. Nur wenige Wochen später wird allerdings überraschend sein Heimatlandtagswahlkreis Borken I frei, und diese unerwartete Chance nutzte Wüst.
    Zumal er bereits zu diesem Zeitpunkt das Gefühl hatte, "dass wir eine Riesenchance hatten, die Wahl zu gewinnen". Eine Vorahnung, die nicht trog. Mit einem mit 58,3 Prozent errungenen Direktmandat leistete Wüst am 22. Mai 2005 auch einen überzeugenden persönlichen Beitrag zum CDU-Sieg. Auch in der Fraktion machte er rasch von sich reden: Als neuer Justiziar und als Debattenredner. Ein Umstand, der Rüttgers in der Wahl eines neuen "Generals" bestärkt haben mag. Denn Wüst gilt als Freund der deutlichen Ansprache: "Es ist gut für die beiden großen Volksparteien, gerade in Zeiten der Großen Koalition, wenn man in klarer Abgrenzung die Unterschiede deutlich macht", lautet sein Credo. Und zwar nicht nur aus partei-, sondern auch aus staatspolitischen Gründen: "Der wichtigste Beitrag zur Steigerung der Wahlbeteiligung ist, dass klare Alternativen deutlich werden."
    Seine Rolle zwischen Partei- und Koalitionsräson sieht Wüst so: "Ich nehme auf, was an der CDU-Basis läuft. Ich mache mir das aber nicht uneingeschränkt zu Eigen. Mein Job ist auch, die Partei daran zu gewöhnen, dass wir Regierungspartei sind."
    Autor: Michael Fritsch

    ID: LIN02453

  • Porträt der Woche: Günter Garbrecht (SPD).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 10 - 27.09.2006

    Zwischen Bielefeld und Düsseldorf kennt Günter Garbrecht mittlerweile jeden Busch an der Böschung und nahezu jeden Schaffner im Zug. Mindestens drei Mal in der Woche pendelt der SPD-Abgeordnete zwischen seinem Heimatort und der Landeshauptstadt, nimmt im Landtag an Fraktions- und Plenarsitzungen teil, sitzt dem Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales vor, eilt zurück an den Teutoburger Wald, wo er zur Ratssitzung muss, zum Treffen der kommunalen Beschäftigungsgesellschaft Rege, deren Aufsichtsrat er vorsteht oder zur Arbeitsgemeinschaft von Stadt und Arbeitsagentur, wo er als Vorsitzender der Gesellschafterversammlung agiert. Zurück in Düsseldorf geht es in den Innenausschuss, dessen stellvertretender Vorsitzender er ist, oder in gleicher Funktion zur Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen der Landes-SPD.
    Doch Garbrecht ist das Gegenteil des Politikers, der nur nach Pöstchen schielt und sich mit der Vielzahl seiner Ämter und Funktionen brüstet. Was er macht, das macht er auch richtig, dafür sorgt schon seine markante Stimme, mit der er mühelos jeden Ausfall von Mikrofonen in Sitzungssälen beliebiger Größe überspielen kann. Dabei ist es kein Zufall, dass Garbrecht sich vorwiegend da engagiert, wo es um die Sorgen und Probleme von Menschen am Rande unserer Gesellschaft geht, um Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger, um Drogenabhängige und Pflegebedürftige. "Ich bin davon getrieben, Benachteiligungen und Ungerechtigkeiten in dieser Gesellschaft abzubauen oder wenigstens zu bekämpfen". Garbrecht stammt nicht nur aus einer SPD-Familie und ist deshalb überzeugt, dass diesen Randgruppen am ehesten durch sozialdemokratische Politik zu einem selbst bestimmten und menschenwürdigen Leben verholfen werden kann. Er hat selbst einiges von den Tiefen durchlebt und durchlitten, mit denen er sich heute als Politiker beschäftigt.
    Kämpfernatur
    Sein erster engerer Kontakt mit dem Bielefelder SPD-Büro galt nicht der Abgabe des Aufnahmeantrags. Zusammen mit seinen damaligen Kollegen aus der IG Metall besetzte er in den wilden Jahren der Studentenbewegung die Geschäftsstelle, um gegen die von der damaligen Großen Koalition in Berlin beschlossenen Notstandsgesetze zu protestieren. Garbrecht hatte damals gerade eine Lehre als Werkzeugmacher abgeschlossen, engagierte sich als Jugendvertreter in der Gewerkschaft und war organisiert in der Sozialistischen Jugend "Die Falken". Weil ihm der politische Kampf damals wichtiger war als geregelte Arbeit, verlor er zwischenzeitlich immer wieder mal seinen Job, schlug sich als Arbeitsloser oder mit Gelegenheitsarbeiten durch. Einen gut bezahlten Arbeitsplatz bei Miele verlor er, weil er damals im Rahmen der Aktion "Roter Punkt" an einem dreiwöchigen Streik gegen Preiserhöhungen bei Bussen und Bahn mitwirkte, der den Personennahverkehr in Ostwestfalen weitgehend stilllegte.
    1972 trat Garbrecht zur Unterstützung der Ostpolitik Willy Brandts in die SPD ein. Nach einer Entziehungskur Anfang der 80er Jahre und einem zwischenzeitlichen Studium an der Hochschule für Politik und Wirtschaft in Hamburg, ging er in seinem erlernten Beruf zu einem mittelständischen Betrieb in Bielefeld, der Komponenten für die Automobilindustrie herstellt. Über die Bezirksvertretung gelangte er 1989 in den Stadtrat und hatte es nicht leicht, die Arbeit als Schichtleiter mit dem kommunalpolitischen Engagement zu verknüpfen. Zur Landtagskandidatur entschloss sich Garbrecht im Jahr 2000, "damit auch mal einer ins Parlament kommt, der selbst am Schraubstock gestanden hat und nicht nur Gewerkschaftssekretäre".
    Zum Abschalten und Entspannen geht Garbrecht mindestens einmal in der Woche in die Sauna. "Wenn Du 20 Minuten bei 100 Grad geschwitzt hast, dann denkst Du nicht mehr an Politik." Und wenn am Wochenende einmal keine Termine, keine Sitzungen und keine Kongresse auf dem Kalender stehen, dann geht er in Bielefeld auf den Markt, kauft ein und kocht abends für seine Freunde.
    Peter Jansen

    ID: LIN02352

  • Porträt der Woche: Manfred Palmen (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 9 - 30.08.2006

    Mit Manfred Palmen kann man ins Manöver ziehen. Der Major d.R. ist jemand, der gerne voran macht, los marschiert. Er meint, dass in der Politik, die sein Metier geworden ist wie die Juristerei, zuviel geredet und gefeilscht, zu wenig ehrlich und konsequent gehandelt wird. Palmen gehört zu den Menschen, die sich viel aufladen beziehungsweise aufbürden lassen. Ein Gespräch mit ihm verläuft hochtourig, man muss ihn unterbrechen, anderenfalls kann die Unterhaltung einseitig werden. Der Christdemokrat aus Kleve behauptet, früher noch ungeduldiger gewesen zu sein als heute. Der Spruch "Herr, gib mir Geduld, aber sofort!" passt auf Palmen, den Typ Anpacker, dem die 100-Stunden-Woche nicht fremd ist.
    Bürgermeister von Kleve wäre er gerne geworden. Stadtdirektor war er in der Stadt am Niederrhein von 1990 bis 1999. "Aber", sagt Manfred Palmen scherzhaft, "sie müssen 150 Jahre in Kleve leben, um als richtiger Kleveraner zu gelten." Palmen wurde am 11. März 1945 in Kaarst bei Neuss geboren. So wurde also nichts aus dem Bürgermeisteramt, stattdessen kam der Verwaltungsjurist, der mittlerweile als Rechtsanwalt (ohne Türschild) zugelassen ist, 2000 in den Landtag. Bei der Landtagswahl 2005 schaffte er im Wahlkreis 54,7 Prozent. Als ihn Jürgen Rüttgers fragte, ob er Parlamentarischer Staatssekretär werden wolle, war Palmen erst einmal verblüfft. Hatte er doch in der Legislaturperiode 2000 bis 2005 zu den wenigen CDU-Fraktionsmitgliedern gezählt, die unbequem waren und laut warnten, wenn wieder einmal die eigene Truppe kostenträchtige Beschlüsse fasste.
    Palmen sagt, er habe privat noch nie Schulden gemacht. Dass der Staat seit Jahr und Tag Schulden häuft und so die nachfolgenden Generationen belastet, macht Palmen fassungslos und entschlossen zugleich. Als Parlamentarischer Staatssekretär für Verwaltungsstruktur und Sport (nur Letzteres hält er für "vergnügungssteuerpflichtig") möchte Palmen alles ihm und seiner kleinen Steuerungsgruppe im Innenministerium Mögliche daran setzen, das Bürokratiegestrüpp drastisch zurückzuschneiden. Erste Kabinettsbeschlüsse zur Auflösung von 46 bislang eigenständig wuchernden Sonderbehörden möchte Palmen am liebsten mit Böllerschüssen der Zufriedenheit feiern.
    Reformfähigkeit
    Palmen, der in Bonn studiert hat, war einst mit viel Idealismus in die Verwaltung eingetreten. Aus Idealismus ist zwar kein Zynismus geworden, aber Enttäuschungen über die Möglichkeiten, eine Verwaltung effizient zu führen, kennt Palmen zu gut. In nachdenklichen Gesprächsmomenten beschleichen ihn Zweifel, ob die Deutschen überhaupt reformfähig sind und einen Staat haben möchten, der sich auf seine Kernaufgaben konzentriert.
    In die CDU - Palmens Vater war Gründungsmitglied der CDU in Neuss - trat der "Parlamentarische" 1982 ein, nachdem Helmut Kohl mit Hilfe des Konstruktiven Misstrauensvotums und einer wechselbereiten FDP zum Kanzler gewählt worden war. Zu Kohl hat Parteifreund Palmen ein ambivalentes Verhältnis. Während er Konrad Adenauer ohne Einschränkung für politisch vorbildhaft hält, wirft er Kohl vor, die großen Reformen in den Sozialversicherungen verschleppt zu haben. Grimmig reagiert Palmen auf stromlinienförmige Politiker aus dem Umkreis Angela Merkels, die beispielsweise das Antidiskriminierungsgesetz auch noch verteidigen. Palmen: "Alle bei uns haben so einen Hals, noch im CDU-Wahlkampf hieß es doch, man setze allenfalls die EU-Richtlinie 1:1 um."
    Zu "seinem" Innenminister, dem FDP-Politiker Ingo Wolf, pflegt CDU-ler Palmen ein nüchternes, kameradschaftliches Arbeitsverhältnis. Beide kommen aus der Kommunalpolitik, beide spielten einst Hockey auf hohem Niveau.
    Sport betreibt Palmen längst nicht mehr: Sowohl Hockey, als auch Tennis ist passé. Ein wenig radeln und ab und zu in den privaten "Folterkeller" - das ist es bereits. Der Nichtraucher, der bei Alkoholischem vorsichtig ist und sich diszipliniert, liebt das vierzehntägliche Doppelkopf- Treffen. Vor allem liebt er Römische und Neuere Geschichte. Der Vater war einst gegen einen entsprechenden Studienwunsch seines Sohnes. Manfred Palmen gehorchte und studierte die Rechte. Sein Sohn aus der inzwischen geschiedenen Ehe ist Diplomkaufmann im Bankfach.
    Reinhold Michels

    ID: LIN02329

  • Porträt der Woche: Anke Brunn (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 8 - 21.06.2006

    Die Entscheidung war bewusst. Als Anke Brunn gefragt wurde, in welchem Landtagsausschuss sie mitarbeiten wolle, wurde ihr rasch klar, dass sie nicht für ihr früheres ministerielles Feld plädieren würde. "Also habe ich mich für Haushalt und Finanzen interessiert", erklärt die Kölner Sozialdemokratin heute, bevor sie hinzufügt, "da ist im Moment viel Dampf drin". Danach hält sie einen kleinen Vortrag über die vielen Kürzungen der neuen Regierung, sie umtreibt die Sorge, dass das Land in einigen Jahren anders aussehen wird als heute - positiv ist das nicht gemeint. Überall spürt sie zu viel marktradikalen Liberalismus, übrigens auch auf ihrem alten Politikfeld, an den Hochschulen. Sie ist bis heute gegen Studiengebühren: "Dann starten die jungen Menschen mit enormen Belastungen und vielen Schulden ins Berufsleben, genau dann, wenn sie eine Familien gründen und Kinder haben wollen." Mit einem Begriff wie dem Hochschulfreiheitsgesetz kann die ehemalige Wissenschaftsministerin des Landes wenig anfangen. "Das ist die Verabschiedung der Politik", fürchtet Anke Brunn, sie sieht die Gefahr, dass man von einem Extrem ins Gegenteil verfällt, "der Staat muss nicht alles regeln, aber er darf sich auch nicht aus der Verantwortung stehlen und Bildung ist zunächst einmal eine staatliche Aufgabe".
    Dabei hatte sie selbst als Ministerin auf diesem Feld erste weitreichende Reformen angestoßen. Johannes Rau hatte die Sozialdemokratin aus Köln 1985 nach dem Gewinn der zweiten absoluten Mehrheit zur Wissenschaftsministerin berufen, sie sollte das Amt 13 Jahre lang behalten. In diese Zeit fallen wichtige Veränderungen. Trotz heftiger Proteste aus der Szene hat sie den Hochschulstrukturplan 2001 auf den Weg gebracht. Wenig attraktive Studiengänge wurden damals geschlossen, die frei werdenden Kapazitäten auf neue Forschungsfelder gelenkt - unter dem Strich wurden 20 Prozent aller Stellen umgeschichtet. Schon 1990 legte Anke Brunn den ersten Grundstein für die größere Selbstständigkeit der Hochschulen. Neben dem "Aktionsprogramm Qualität der Lehre" setzte sie die Initiative "Hochschulen und Finanzautonomie" durch, mit denen sich die Universitäten grundlegend veränderten. "Wir wollen mehr Selbstverwaltung und mehr Professionalität, auch durch Globalhaushalte", gab Brunn damals als Richtung vor - für sie war das die richtige Mischung zwischen Freiheit und notwendiger ministerieller Kontrolle. In einem hat sie sich freilich in alle den Jahren nicht verändert: Schon damals stritt sie energisch gegen Studiengebühren.
    Nach dem Wechsel von Johannes Rau zu Wolfgang Clement schied sie 1998 aus dem Ministeramt aus. Obwohl sie die vom neuen Ministerpräsidenten Clement durchgesetzte Zusammenlegung des Kultus- und des Wissenschaftsministeriums für falsch hielt, ging sie mit ihrer Meinung damals nicht an die Öffentlichkeit. Sie beschränkte sich auf ihr direkt gewonnenes Kölner Mandat. Als sich die SPD in ihrer politischen Heimatstadt durch Finanz- und Korruptionsskandale an den Rand des Abgrunds brachte, sprang Anke Brunn als Kandidatin bei der Oberbürgermeisterwahl im September des Jahres 2000 ein. Der Überraschungssieger des Urnengangs 1999, der Christdemokrat Harry Blum, war plötzlich verstorben und die SPD suchte jemanden mit ausreichendem Profil, um die Macht wieder zurückzugewinnen. Da Anke Brunn neben ihrer Düsseldorfer Ministerzeit 1981 im Berliner Senat von Hans Jochen Vogel erste Erfahrungen als Senatorin gesammelt hatte, versuchte sie das weibliche Element nun auch in die Stadtpolitik einzuführen. Die Prioritäten lagen für sie klar. "Unter anderem selbstkritisch sein und mehr auf Lösungen als auf den Gegner schauen", gab sie im Wahlkampf als ihre Parole aus. Sie kämpfte vehement gegen hemmungslose Privatisierungen. "Die Stadt darf ihr Tafelsilber nicht verkaufen", wiederholte sie immerzu und schaffte am Ende einen Achtungserfolg für die durch Skandale gebeutelte Kölner SPD - sie holte im entscheidenden Wahlgang immerhin 47,7 Prozent. Seither hält sie sich eher im Hintergrund und zieht die Fäden bei der Erneuerung der Partei. Mit Jochen Ott und Martin Börschel hat die Kölner SPD zwei viel beachtete Talente an die Partei- und Fraktionsspitze befördert. "Darauf bin ich stolz", gibt Anke Brunn unumwunden zu und wünscht der Gesamtpartei ähnlichen Mut bei der personellen Erneuerung.
    Jürgen Zurheide

    ID: LIN02270

  • Porträt der Woche: Marc Jan Eumann (SPD).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 7 - 31.05.2006

    Wenn Marc Jan Eumann Touristen zeigen will, was gelungener Strukturwandel in einer Großstadt wie Köln bedeutet, dann geht er mit ihnen in Mülheim, dem Stadtteil, in dem aufgewachsen ist und heute noch lebt, in die Schanzenstraße. Auf dem riesigen Fabrikgelände arbeiteten noch in den 60-er und 70-er Jahren bis zu 15.000 Menschen bei Felten&Guillaume und produzierten Überseekabel für die weltweite Kommunikation. In die alten Hallen ist eine andere Art von Kommunikationsindustrie eingezogen: Harald Schmidt, Anke Engelke und Stefan Raab produzieren hier ihre Sendungen. Werbestudios, TV-Produktionsfirmen und Unternehmen der Kommunikationstechnologie haben gut 5.000 moderne Arbeitsplätze geschaffen.
    Eumann ist zwar vor 40 Jahren in Hamburg geboren, aber mittlerweile Kölner durch und durch, obwohl man ihm das nicht anhört und er auch gestehen muss, dass er lieber Riesling aus der Pfalz als Kölsch trinkt.
    In Köln-Mülheim ist er zur Schule gegangen, hat eine Schülerzeitung gegründet und sich als Klassen- und Schulsprecher engagiert. Der Weg zu den Jungsozialisten war da nicht weit: "Ich war immer links von der Mitte, Menschenrechte, Ökologie, die Rechte von Minderheiten waren damals die Themen, die uns umtrieben." Als Student der Geschichte und des Völkerrechts in Bonn entschied er sich, in die SPD einzutreten und machte gleich mit im Bundestagswahlkampf 1986/87, als der damalige NRW-Ministerpräsident Johannes Rau vergeblich nach einer eigenen Mehrheit für sich als Bundeskanzler strebte.
    Seinen Traumberuf verfehlte Eumann knapp. Als Student hatte er häufig für Radio und Zeitungen gearbeitet und Journalist wäre er auch gerne geworden. Aber der damalige Kölner Oberbürgermeister Norbert Burger war schneller. Nach der Kommunalwahl 1989 fragte er den frisch gebackenen Magister, ob er nicht für ihn Reden schreiben wollte, als Referent für publizistische Aktivitäten im Büro des Oberbürgermeisters. Eumann sagte Ja, und so wurde er, was er sich als Juso und Student nie hatte vorstellen können: Angestellter im Öffentlichen Dienst.
    Zwei Jahre hielt es den noch immer jungen Redenschreiber im Kölner Rathaus, dann bewarb er sich auf ein Stellenangebot des NRW-Arbeitsministeriums als Referent für politische Analysen und Kommunikation. Sein größtes Einstellungshindernis war seine rheinische Herkunft, denn der damalige Ressortchef, der knorrige Westfale Hermann Heinemann aus Dortmund, stand den Rheinländern äußerst misstrauisch gegenüber.
    1993 wurde der damals 27-Jährige erstmals in den Vorstand der Kölner SPD gewählt, heute, mit 40 Jahren ist er bereits das dienstälteste Mitglied im Führungsgremium der noch vor wenigen Jahren von Skandalen erschütterten Partei in der Domstadt. Ein Jahr später setzte Eumann zum nächsten Karrieresprung an: Der Landtagswahlkreis im rechtsrheinischen Köln war frei und obwohl nach dem internen Proporz eigentlich ein rechter Sozialdemokrat in dem traditionell roten Wahlkreis hätte aufgestellt werden müssen, trat der Linke Eumann an und gewann. Seit elf Jahren sitzt er jetzt im Düsseldorfer Landtag und weil bei der letzten Wahl Leverkusen an die CDU fiel, muss er sich jetzt auch um die Genossen in der Chemiestadt kümmern.
    In der SPD-Landtagsfraktion wurde er zunächst zum medienpolitischen Sprecher bestimmt, seit 2000 auch als stellvertretender Fraktionsvorsitzender. In der Opposition ist er jetzt zuständig für alles, was mit Wirtschaft, Wissenschaft, Innovation, Kultur und Medien zu tun hat.
    Wenn es schon mit dem Traumberuf Journalist nicht geklappt hat, so hat Eumann wenigstens seinen politischen Traum verwirklicht: Er ist frei gewählter Abgeordneter. Einen Wechsel in den Bundestag oder ins Europaparlament kann er sich nicht vorstellen, er will Beruf und Familie vereinbaren und das sind seine Frau und seine drei Töchter. Als an ihn die Frage gerichtet wurde, ob er eventuell für ein Mandat in Berlin zur Verfügung stehe, gab ihm seine Frau klipp und klar zu verstehen: "Wenn du geschiedener Bundestagsabgeordneter sein willst, dann geh." Eumann blieb.
    Peter Jansen

    ID: LIN02189

  • Porträt der Woche: Dr. Wilhelm Droste (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 6 - 03.05.2006

    Für den wirtschaftspolitischen Sprecher der CDU-Fraktion im NRW-Landtag ist es ganz offensichtlich: "Im Land ist deutlich eine Aufbruchsstimmung zu spüren. Wir sind gut beraten, diese täglich zu mehren, indem wir das tun, was wir im Wahlkampf versprochen haben". Nach Auffassung des Unionspolitikers müssen dazu beispielsweise die Weichen in der Energiepolitik, der Mittelstandspolitik und bei der Entbürokratisierung richtig gestellt werden. "Da, wo es der Markt zulässt, muss sich der Staat zurücknehmen. Wir müssen zurück zur Ordnungspolitik. Nur wer diese Rollenverteilung verinnerlicht, kann effiziente Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik betreiben", argumentiert der 46-jährige Politiker.
    Obwohl die neue schwarz-gelbe Landesregierung seit ihrem Amtsantritt nicht nur frohe Botschaften überbracht habe, sei es ihr überraschend schnell und gut gelungen, die Grundstimmung zu bessern. Er ist überzeugt, wirtschaftspolitisch mit seinen Parteifreunden auf dem rechten Weg zu sein. "Wenn die Menschen wieder sagen: Das Glas ist nicht halbleer, sondern halbvoll, dann sind sie auch bereit, die Ärmel aufzukrempeln und zu arbeiten. Soweit sind wir wohl", meint Droste zuversichtlich.
    Mit sichtlichem Vergnügen hat der CDU-Politiker, der seinen Wahlkreis Mettmann III im vergangenen Jahr direkt mit 48 Prozent bei einem Stimmenzuwachs von 10,5 Prozent holte, in der jetzigen Legislaturperiode die Rolle des wirtschaftspolitischen Sprechers der Fraktion übernommen. Seither ist vor allem die Energiepolitik sein Steckenpferd. "Wir wissen sehr genau um die Abhängigkeiten zwischen Energie- und Produktionskosten. Unser Ziel muss es sein, Energie langfristig zu bezahlbaren Preisen zu sichern. NRW muss das Energieland Nummer eins bleiben, weil wir ein Produktionsland mit enormem Energiebedarf sind", resümiert Droste.
    Das politische Engagement liegt Droste wohl im Blut. Schon sein Vater, Konditor und wertkonservativer CDU-Mann, gehörte 15 Jahre lang dem Düsseldorfer Landtag an. Bei Sohn Wilhelm entwickelte sich die politische Neigung etwas langsamer. Er interessierte sich zwar ebenfalls für Politik, trat auch mit 18 Jahren in die Junge Union ein, widmete sich aber hauptsächlich seinem Jurastudium in Bonn und Los Angeles. Nach dem zweiten Staatsexamen arbeitete er zunächst bei einer Bank, wo er nach der Wende 1990 beim Aufbau der Rechtsabteilung einer Filiale in Halle an der Saale mithalf, ehe er nach Düsseldorf zurückkehrte und in eine Anwaltskanzlei eintrat. Seit 1998 ist Droste Notar in Düsseldorf.
    Nach seiner Rückkehr aus den USA hatten ihn politische Freunde gedrängt, aktiv in der CDU mitzuarbeiten. "Ich würde mich als Seiteneinsteiger bezeichnen", meint Droste heute. Zwar habe ihm der Vorsitz an seinem Wohnort im kleinen übersichtlichen CDU-Ortsverband Hösel viel Freude bereitet, an eine politische Karriere habe er aber nicht gedacht. Auch als ihn Parteifreunde drängten, 1995 für den Landtag zu kandidieren, habe für ihn noch immer der Beruf im Vordergrund gestanden. Nachdem er dann über die Liste in das Düsseldorfer Parlament eingezogen sei, habe ihn der Ehrgeiz gepackt. "Es war mir schon wichtig, alles richtig zu machen, und ich habe mit vollem Engagement meine Parlamentsarbeit erledigt", betont der CDU-Mann. Berufsbezogen habe er in seiner ersten Legislaturperiode vor allem im Rechts- und Innenausschuss, aber auch im Kommunalausschuss sowie im Untersuchungsausschuss über die WestLB mitgearbeitet.
    Besonders wichtig ist Droste seine Wahlkreisarbeit. "Ich habe Sprechstunden nach Vereinbarung. Im Wahlkreisbüro vor Ort bin ich jederzeit zu erreichen", auch abends könne man ihn noch zu Hause anrufen. "Als Abgeordneter habe ich die Aufgabe, einerseits die Bürger im Wahlkreis über die Landespolitik zu informieren . Andererseits bin ich bestrebt, die Anliegen der Menschen im Wahlkreis im Landtag zu vertreten", ist Droste überzeugt.
    "Wenn ich Beruf und Politik vernünftig zusammenkriegen will, bleibt nicht viel Freizeit", räumt der Unionspolitiker ein. Als passionierter Läufer joggt er fast täglich und hält sich damit ganz gut fit. Außerdem fährt er Rad. Mit dem Drahtesel braucht Wilhelm Droste bei "mittlerer Trittfrequenz" wie er es nennt, nur sechs Minuten zum Landtag.
    Gerlind Schaidt

    ID: LIN01942

  • Porträt der Woche: Werner Jostmeier (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 5 - 05.04.2006

    Auf der Visitenkarte von Werner Jostmeier steht unter dem Namen mit dem Kürzel MdL "Vorsitzender Hauptausschuss" und darunter "Sprecher der CDU-Abgeordneten des Münsterlandes". Letzteres zeugt von landmannschaftlichem Stolz. Jostmeier stammt aus Dülmen im Kreis Coesfeld. Er bewohnt noch heute mit seiner Familie das Bauernhof-Gelände seiner Kindheit. Wenn Jostmeier, der schollentreue Münsterländer, davon erzählt, dass seine beiden Schwestern "aus irgendwelchen Gründen im Rheinland verheiratet" seien, klingt ein schmunzelndes "Wie kann man nur" mit. Jemand wie Werner Jostmeier ist natürlich aktiv im Heimat- und im traditionsreichen Schützenverein Welte. Da sich der Abgeordnete vom Jahrgang 1950 als einen im Katholizismus verwurzelten, praktizierenden Christen bezeichnet, verwundert sein sonntäglicher Dienst als Kommunionhelfer in St. Joseph in Dülmen nicht.
    Jostmeier gehört zu den Menschen, auf die man bauen kann, die man gerne Stützen der Gesellschaft nennt. Schon als Junge hat der gelernte Schmied, der auf dem zweiten Bildungsweg Abitur und später die beiden Staatsexamina der Juristerei gemacht hat, sich gemeinschaftlich engagiert: als Anführer von Zeltlagern, Messdienergruppen und als Jugendchorleiter. Zwei seiner vier Söhne im Alter zwischen 13 und 20 Jahren versuchte er mit seiner Leidenschaft für Musik zu infizieren. Es hat nicht recht geklappt. Jostmeier kann nach eigener Aussage Gitarre, Akkordeon, Trompete und Klavier spielen: "Hab‘ ich mir selbst beigebracht.".
    Grundwerte
    Man spürt im munter sprudelnden Gespräch Stolz auf das, was er erreicht hat im beruflichen Leben. Bei Post und später Telekom war Jostmeier Referats- beziehungsweise Personalfachbereichsleiter. Zuvor hatte er den elterlichen Handwerksbetrieb, der sich aus der bäuerlichen Hufschmiede proper entwickelt hatte, modernisiert. Dass er jetzt wegen einer großzügigen Geste Helmut Stahls Vorsitzender des wichtigen Hauptausschusses ist, der nach alter Landtags-Sitte von den Chefs der jeweils stärksten Fraktion geführt wird, vertreibt bei Jostmeier sicherlich auch "Hätte-ich-vielleicht-doch"-Gedanken. Aus Rücksicht auf die Familie verzichtete Jostmeier 1994 auf die Chance, in den Bundestag gewählt zu werden. 2004 interessierte er sich für das Europa-Parlament. Es wurde nichts daraus. Heute sagt er dazu: "Der liebe Gott tut nix wie fügen, ich bin jetzt froh, dass es so ist wie es ist." Im Landtag sei man politisch einfach näher dran an den Menschen und deren Anliegen.
    Den jüngst verstorbenen langjährigen SPD-Ministerpräsidenten Johannes Rau würdigt Jostmeier als Beispiel dafür, dass ein Politiker mit christlichen Grundwerten, ohne zu poltern und übermäßig Ellenbogen einzusetzen, wirksam sein könne. Er leugnet nicht, dass er früher ("in meiner Sturm-und Drang-Zeit") Rau mit dafür verantwortlich gemacht habe, dass die einstige deutsche Wirtschafts-Lokomotive NRW stark abgebremst worden sei. Der Einstieg in die CDU und die aktive Politik (Kreisvorsitzender der Partei in Coesfeld ist er auch) war eine Reaktion auf Willy Brandts Ostverträge. Heute rückt er sein Nein, ohne es einen Irrtum zu nennen, zurecht: Zusammen mit dem Helsinki-Prozess, der den Eisernen Vorhang löchrig gemacht habe, seien die Ostverträge Beiträge zum Ende der Teilung Deutschlands und Europas gewesen.
    Jostmeier, der sich als Hauptausschuss-Vorsitzender mit den Vertreter aller Fraktion menschlich gut versteht (verstehen muss), gehört innerhalb der CDU zu den Sozialausschüssen. Vor allem die christliche Prägung von Kindheit an ist der Grund dafür. Der Mensch dürfe in keinem politischem System kaputt gehen, müsse stets seine Würde behalten. Es überrascht kaum, dass Jostmeier als Vorbilder Papst Johannes XXIII. und Albert Schweitzer nennt. Verblüffend jedoch ist, dass er die Hallodris John F. und Robert Kennedy in diese Reihe mit aufnimmt. Der Münsterländer, der gerne plattdeutsch spricht, ist ein Freizeit-Wanderer, Garten-Arbeiter und ausgiebiger Fahrradfahrer. Fernweh plagt ihn nicht. Nord- und Ostsee sowie der Schwarzwald waren die bevorzugten Ferienziele der sechsköpfigen Familie, einmal rollte man mit dem Wohnmobil durch Masuren und Schweden.
    Reinhold Michels

    ID: LIN01683

  • Portrait der Woche: Dr. Gerhard Papke (FDP).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 4 - 15.03.2006

    Aufgewachsen auf Kohle in der Bergarbeiterstadt Oer-Erkenschwick; die Eltern lernten sich auf der Zeche Ewald Fortsetzung kennen, wo der Vater unter Tage und die Mutter im Lohnbüro arbeitete: Eine Biografie, die einen Politiker nicht unbedingt an die Spitze der FDP-Fraktion führt und zum unnachgiebigsten Kohle-Kritiker im Landtag macht.
    Doch sich gegen scheinbar überwältigende Mehrheiten zu stemmen, damit ist Gerhard Papke von Jugendtagen an vertraut. In seiner Heimatstadt ist bis heute der mitgliederstärkste SPD-Ortsverein in ganz Deutschland zu Hause, der liberale Ortsverband hingegen seinerzeit nicht mehr als ein "Fähnlein von sieben Aufrechten". Später im Studentenparlament, wo der orthodox-kommunistische MSB Spartakus dominierte, waren die Verhältnisse ähnlich gelagert: "Da intonierten auf der linken Seite 300 Mann rote Fahnen schwenkend die Internationale, rechts stand eine kleine standhafte Truppe von Liberalen, die Einigkeit und Recht und Freiheit sang", erinnert sich Papke an die 80-er Jahre zurück, als er an der Bochumer Ruhr-Universität die Liberalen Hochschulgruppen mitbegründete. "Ich habe Gegenwind aber nie als Belastung empfunden, sondern immer als Ansporn, umso nachdrücklicher für meine Überzeugungen zu werben", blickt er zurück. Schon damals habe ihm die politische Debatte sehr viel Spaß gemacht.
    Papkes Interesse an Politik war bereits auf dem Gymnasium, das er in der Nachbarstadt Datteln besuchte, sehr ausgeprägt. Der FDP trat er 1983 während des Studiums bei. Keine konkreten Ereignisse oder Vorbilder waren der Auslöser, sondern das Interesse an inhaltlichen Fragen: "Ich habe sehr schnell festgestellt, dass für mich das Freiheitsthema im Vordergrund steht," sagt der heute 44-Jährige.
    Politikwechsel
    An der Ruhr-Universität Bochum studierte Papke Wirtschaftsgeschichte, Politikwissenschaft und Völkerrecht, machte 1987 den Magister Artium, promovierte 1991 und zog anschließend nach Königswinter. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem politischen Liberalismus führte ihn zur Friedrich-Naumann-Stiftung nach Gummersbach. Von 1996 bis 1999 war er in der FDP-Bundestagsfraktion wissenschaftlicher Referent für den Bereich Wirtschaftspolitik.
    Als das Parlament von Bonn nach Berlin zog, liebäugelte Papke zunächst mit der neuen Hauptstadt, entschloss sich aber zu einer Kandidatur für den Landtag, in den 2000 die FDP mit 9,8 Prozent und 24 Abgeordneten einzog. Im Gegensatz zum damaligen Parteichef Jürgen Möllemann hat Papke den Gang in die Opposition nicht als Enttäuschung empfunden, da er aufgrund der "Berliner Verhältnisse" ohnehin mit einer Fortsetzung von Rot-Grün in NRW rechnete. Im Nachhinein fühlt er sich bestätigt: "Auf einen vollständigen Politikwechsel zu bauen, war das Beste."
    Mit dem tragischen Tod Möllemans - für Papke "nach wie vor das menschlich Bedrückendste, was ich in meiner politischen Laufbahn erlebt habe" - und der Neuaufstellung von Partei und Landtagsfraktion 2003 gewann Papke als wirtschaftspolitischer Sprecher zusehends an Profil. Nach dem Regierungswechsel 2005 setzte er sich in einer Kampfabstimmung als Fraktionsvorsitzender durch.
    Dass er auch in diesem Amt immer wieder prägnante Akzente setzt und damit beim politischen Gegner aneckt, ist für Papke etwas völlig Selbstverständliches: "Wir sind gewählt worden, um das Land zu verändern und nicht, um die Dinge so zu belassen, wie sie sind." Kritik der Opposition in Richtung CDU, dass sich die FDP überproportional bemerkbar mache, empfindet Papke als Anerkennung und Ansporn: "Es würde mich in größte innere Unruhe stürzen", meint er mit der ihm eigenen Ironie, "wenn ich den Eindruck hätte, wir machen hier unseren Job, und keiner merkt es." Dass man dabei auch in Zukunft von ihm hören wird, und zwar auch in der gewohnten Unzweideutigkeit, daran lässt Papke keinen Zweifel: "Politiker müssen mit der nötigen Klarheit sprechen, damit sie verstanden werden."
    Autor: Michael Fritsch

    ID: LIN01584

  • Porträt der Woche: Johannes Remmel (GRÜNE).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 3 - 15.02.2006

    Nach Auffassung von Johannes Remmel ist die grüne Landtagsfraktion in der Opposition angekommen. Und Remmel muss es wissen. Er ist alter und neuer Parlamentarischer Geschäftsführer der auf zwölf Landtagsabgeordnete geschrumpften GRÜNE-Fraktion. Nach seiner Meinung sind die Grünen derzeit sogar die einzig wahre Opposition im Düsseldorfer Parlament. Doch Remmel macht keinen Hehl daraus, dass ihm Regieren weitaus lieber war als das Drücken der harten Oppositionsbänke: "Schon auf Grund der Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren gesammelt haben, tut es weh, dass wir jetzt nicht mehr gestalten können."
    Der pragmatische Remmel nutzt den analytischen Blick zurück nur, um nach vorn zu schauen. Jetzt gehe es darum, "auf der langen Strecke bis 2010 alles richtig" zu machen, um möglichst viele Wähler zurück zu gewinnen. "Kernthemen bleiben bei uns Umweltfragen und Verbraucherschutz. Eine zentrale Rolle wird die Energiepolitik spielen", ist er sich sicher. Ob die Grünen sich schließlich als Alternative zu Rot mit der Union anfreunden können, bleibt vier lange Jahre vor dem Wahltag offen. Immerhin, meint Remmel, der aus einem katholischen Elternhaus kommt, bei der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg war und sich mit der Theologie der Befreiungslehre auseinandergesetzt hat, dass er "Heiner Geissler und auch Norbert Blüm gut zuhören" könne. Der Grüne:"Da habe ich eine gewisse Nähe."
    Dem 44-jährigen Remmel liegt seine Aufgabe ganz offensichtlich. Mit akribisch exakter Arbeit und Geschick verstand er es in der letzten Legislaturperiode, hinter den Kulissen die Fäden zu ziehen. Dabei hatte an der Wiege des Siegeners wohl niemand an eine politische Karriere gedacht. Remmel war Messdiener und nach der Pfadfinderzeit Vorsitzender des Allgemeinen Studentenausschusses an der Siegener Uni, als er dort Geschichte, katholische Theologie und Sport studierte. Als sein Sohn David Wilhelm geboren wurde, entschied sich Remmel für anderthalb Jahre Hausmanns-Arbeit, um danach mehrere publizistische Arbeiten und verschiedene Lehraufträge zu übernehmen.
    Parteipolitisch war sein Weg konsequent und folgerichtig. Er erkannte bei Gründung der Grünen sofort: "Das ist meine Partei." So trat er 1983 in die neue Partei ein. Bereits 1984 arbeitete er als sachverständiger Bürger - zunächst im Schul-, dann im Verkehrsausschuss mit - ehe er 1989 Ratsmitglied wurde. 1994 half Remmel dann maßgeblich mit, die erste rot-grüne Koalition in Siegen auszuhandeln. Getragen vom allgemeinen Aufschwung der Partei bewarb sich der Grüne um ein Landtagsmandat und landete am Wahlabend 1995 überraschend, aber glücklich mit Platz 24 im Düsseldorfer Parlament.
    Der junge Abgeordnete fand sich rasch im System zurecht. Er wurde tourismuspolitischer Sprecher, lernte dabei Land, Leute und Strukturen kennen, erwarb sich als Vorsitzender der "Enquetekommission Zukunft der Mobilität" Anerkennung, wurde 1997 umweltpolitischer Sprecher, danach Mitglied des Fraktionsvorstandes, 1999 finanzpolitischer Sprecher und ist seit 2000 Parlamentarischer Geschäftsführer. Ruhig und bedacht managt er in seiner pragmatischen und gleichzeitig vermittelnden Art die Fraktionsarbeit.
    Obwohl über die Landesliste in das Düsseldorfer Parlament gelangt, fühlt sich Remmel durchaus als Wahlkreisabgeordneter. Er hält in seinem Wahlkreis Sprechstunden ab und ist ständig vor Ort zu erreichen. "Ich vertrete die Interessen der Region in Düsseldorf und versuche, Düsseldorfer Entscheidungen in meinem Wahlkreis verständlich zu machen", sagt er.
    Da Remmel zumeist täglich zwischen seiner Heimatstadt Siegen und Düsseldorf mit öffentlichen Verkehrsmitteln pendelt, muss die Zeit für Frau und zwei Kinder sowie Hobbys gut eingeteilt werden. Am besten entspannen kann er bei der Gartenarbeit, "da kommen mir die besten Gedanken". Tomatenhäuschen, Beerensträucher und vor allem Erdbeeren sind sein ganzer Stolz. Jetzt hat Remmel noch ein Hobby. Als seine Frau zu rauchen aufhörte, verlangte sie von ihrem Mann, dass er für das eingesparte Geld Reitstunden nimmt. So steigt Johannes Remmel einmal pro Woche aufs Pferd. Das mache sogar Spaß, gesteht er mit etwas schiefem Grinsen und fügt mit einem jugendlichen Lacher über die bisher erworbenen Reitkünste hinzu: "Ich bin froh, wenn ich nicht runterfalle."
    Gerlind Schaidt

    ID: LIN01398

  • Porträt der Woche: Carina Gödecke (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 2 - 01.02.2006

    Es gab eine Zeit im Leben von Carina Gödecke, da hat ihr die Bildungspolitik der eigenen Partei einen Strich durch ihre Zukunftspläne gemacht. Als gerade fertig studierte Lehrerin für Chemie und Pädagogik fand sie 1986 keine Anstellung - ihre Fächerkombination war nicht gefragt. Doch das ist längst wieder gut gemacht: Carina Gödecke bekleidet seit Mai 2000 als parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion einen wichtigen Posten im Politikgefüge des Landtags.
    Und was macht eine parlamentarische Geschäftsführerin? "Alles", sagt Carina Gödecke, und zählt auf: Sie bereitet die Tagesordnungen für Fraktion und Vorstand vor, sie ist Dienstvorgesetzte der Mitarbeiter und für die Fraktionsfinanzen zuständig, sie kommuniziert mit den anderen Fraktionen, berät mit ihnen die Tagesordnung der Plenarsitzungen. "Der Job bietet eine Menge Einflussmöglichkeiten. Ich bin in alle thematischen und strategischen Überlegungen eingebunden." Viel Arbeit in der zweiten Reihe. Für sie sei das kein Problem, sagt die 47-Jährige. "Man muss unauffällig und uneitel im Hintergrund arbeiten können. Das kann ich. Die erste Reihe habe ich, wenn ich als Landtagsabgeordnete in meinem Wahlkreis in Bochum bin."
    Dort ist Carina Gödecke auch aufgewachsen. "Ich stamme aus einer durch und durch sozialdemokratischen Familie." Der Vater hat Anfang der 60er-Jahre das Opel-Werk mit aufgebaut. Beide Eltern saßen im Rat der Stadt, der Vater drei, die Mutter zehn Jahre lang. Politische Besprechungen fanden oft im Wohnzimmer der Gödeckes statt. Und wenn die Ratsfrau und Mutter mal keine Zeit zum Kochen hatte, gingen Carina und ihr Bruder nach der Schule in die Rathauskantine und blieben auch zu der einen oder anderen Sitzung da. Mit 14 wurde Carina Gödecke Ortskassiererin der Partei. "Wenn Geld gefehlt hätte, hätte mein Vater was drauflegen müssen", lacht sie heute. Alle drei Monate besuchte sie die Sozialdemokraten im Stadtteil Laer und sammelte die Mitgliedsbeiträge ein - mindestens 2,50 DM im Monat waren dann fällig. "Da konnte man auch sehen, wer keine Lust hatte zu bezahlen, oder wer kein Geld hatte ...", erinnert sich die Landtagsabgeordnete.

    Kämpferin

    Mit 16 trat Carina Gödecke in die SPD ein. Nach dem Studium arbeitete sie für den damaligen Landtagsabgeordneten und späteren Bochumer Oberbürgermeister Ernst-Otto Stüber, später als pädagogische Referentin beim Heinz- Kühn-Bildungswerk in Dortmund. Von ihren 31 Jahren als Parteimitglied hat Carina Gödecke 20 Jahre in klassischen Funktionen verbracht - in der Bochumer SPD wie im Rat der Stadt. Als 1994 mitten im Kommunalwahlkampf plötzlich das Landtagsmandat von Ernst-Otto Stüber frei wurde, setzte Carina Gödecke sich durch. "Keiner der Männer, die noch in Frage kamen, war so gut wie ich. Das hat den Ausschlag gegeben." Sie sagt das, ohne mit der Wimper zu zucken. Sie sagt auch: "Ich bin eine Kämpferin, auch wenn man mir das nicht ansieht. Und ich bin sehr ehrgeizig, aber nicht unangenehm ehrgeizig."
    Seit den von der SPD verlorenen Landtagswahlen 2005 bildet Carina Gödecke nun mit der Vorsitzenden Hannelore Kraft das Führungsgespann der Fraktion. Dürfen Frauen das jetzt, weil die Männer nicht soviel Interesse haben an der Opposition? Carina Gödecke weist so einen Gedanken entschieden zurück. "Wir sind keine Platzhalter." Und noch ein Vorurteil kann sie widerlegen: "Es ist nicht so, dass Opposition depressiv macht." Auch privat hat sich für die Bochumerin in den letzten Monaten einiges verändert. Nach einer Trennung gibt es nun einen neuen Lebenspartner. Außerdem will sich die Abgeordnete mehr Zeit für Privates nehmen und etwa ihren Garten neu gestalten. Carina Gödecke macht den Eindruck, als ginge sie bei all diesen Neuanfängen mit Freude ans Werk.
    Autorin: Beate Becker

    ID: LIN01361

  • Porträt der Woche: Peter Biesenbach (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 1 - 18.01.2006

    Nur wer weiß, woher er kommt, kann auch wissen, wohin er will. Peter Biesenbach, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU im Landtag weiß, woher er kommt. Und daran orientiert sich auch sein Aufstieg in die Spitze der Unionsfraktion. Peter Biesenbach ist "überzeugter Kommunalpolitiker", wie er von sich selbst sagt. Dass er sich überhaupt vor 15 Jahren im Oberbergischen Kreis auf den Weg in die Landespolitik machte, ist der Niederlage der Union dort fünf Jahre zuvor geschuldet. 1985 verlor die CDU den Wahlkreis an die SPD. 1990 trat Biesenbach zum ersten Mal an. Und verlor. 7.000 Stimmen fehlten ihm zum Sieg über den damaligen SPD-Platzhirschen. Wenig. Aber zuviel für Biesenbach. Und auch, wenn es ihm fünf Jahre später gelang, den Abstand bis auf wenige Stimmen zu verkürzen, so blieb ihm der Weg nach Düsseldorf doch weiter versperrt. Erst im Mai 2000 gelang ihm schließlich, was seine Partei - zumal im Oberbergischen - von ihm erwartete: Er holte den Wahlkreis direkt. Und zwar mit einem deutlichen Vorsprung gegenüber seinem SPD-Konkurrenten.
    Der Weg in den Landtag beschreibt, was Peter Biesenbach als Charaktereigenschaften für sich ausgemacht hat: Beharrlichkeit, Ausdauer, Durchsetzungsvermögen. Eigenschaften, die gewissermaßen zwingende Voraussetzung für einen "Manager der Macht" sind, wie man die meist im Stillen wirkenden Geschäftsführer von Parlamentsfraktionen wohl nennen muss. Dabei legt Biesenbach selbst eher Wert darauf, "ein offenes Ohr für jeden zu haben, um als Vermittler tätig zu sein". Was die Kunst des Vermittelns ausmacht - das hat Biesenbach sich bei jenen abgeschaut, denen das stetige Verhandeln gewissermaßen angeboren zu sein scheint. Soweit, dass es manchmal bis zum Schachern mutiert: den Indern.
    In Indien machte der Jurist, der auf dem zweiten Bildungsweg sein Abitur auf dem Abendgymnasium in Düsseldorf baute und nach einer Ausbildung für den gehobenen Verwaltungsdienst des Landes als Diplom-Verwaltungswirt das Studium samt Staatsexamen an der Uni Köln absolvierte, seine praktischen Erfahrungen mit der Kunst des Verhandelns während seines Referendariats. Von dort brachte er den Grundsatz mit, der ihn bis heute in seiner politischen Arbeit leitet: "Ein guter Richter gibt keinem Unterlegenen das Gefühl, er habe mit dem Prozess auch sein Gesicht verloren." Von Südostasien ist Biesenbach bis heute begeistert geblieben. Nach wie vor verbringt er dort seinen Urlaub, wenn es die Zeit zulässt. Nicht, ohne dabei sein Hobby zu pflegen: Biesenbach fotografiert leidenschaftlich gern. Und er hat es mit seiner Praktica Spiegelreflex-Kamera in zehn Jahren zu einiger Übung und Perfektion gebracht.
    Als politische Erfolge rechnet sich der CDU-Fraktionsgeschäftsführer, der im Februar 58 Jahre alt wird und den seine Wahl in die Fraktionsspitze wohl selbst ein wenig überraschte, die Wiederbelebung der Justizpolitik in Nordrhein- Westfalen zu. Insbesondere den Justizvollzug, den er in Nordrhein-Westfalen über Jahre hinweg vernachlässigt sieht, will er zum Vorbild in Deutschland machen. Soweit das Ziel des Juristen und Fachpolitikers, der mit einem gewissen Stolz für sich reklamiert, "dass in NRW endlich wieder Rechtspolitik stattfindet".
    Als Politik-Manager sieht Biesenbach sich vor allem in der Pflicht, "dazu beizutragen, dass die Fraktion erkennt, was umzusetzen ist, aber auch das, was nicht geht". Keine leichte Führungsaufgabe angesichts der Herausforderungen, die ein auf Kante genähter Haushalt des Landes mit auf Sicht knappsten Finanzmitteln stellt. Biesenbach bleibt deshalb fast bescheiden, wenn er das Ziel seiner politischen Arbeit im Land beschreibt: "Ich will dazu beitragen, dass die Abgeordneten zufrieden mit der geleisteten Arbeit sein können." Vor diesem Hintergrund wirken politische Auseinandersetzungen, die es auch innerhalb der Koalition mit der FDP gelegentlich gibt, auf ihn nicht als Streit, sondern als "Suche nach Gemeinsamkeiten".
    Und wenn es gleichwohl gelegentlich Anlass zu Unzufriedenheit oder ernsteren Streit geben sollte, dann setzt der Landespolitiker Biesenbach mit der Vorliebe für die bodenständige Kommunalpolitik auf die Kraft der Region, aus der er stammt: Es sind Freunde in Hückeswagen geblieben, die mit dem engen Zeitraster des Landespolitikers umgehen können, bilanziert Biesenbach zufrieden. Wenige, aber enge Freunde: "Solange dort Licht brennt, kann ich anklingeln. Auch, wenn es abends schon nach zehn sein sollte."
    Thomas Seim

    ID: LIN01323

  • Porträt der Woche: Ralf Witzel (FDP).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 14 - 21.12.2005

    Ralf Witzel liebt die USA als Reiseziel. Fünf Mal im vergangenen Jahrzehnt war er dort privat unterwegs, nicht als Abenteurer, Tramper oder dergleichen, was man bei jemandem vom Geburtsjahrgang 1972 vielleicht erwartete. Nein, der Freidemokrat ist mehr fürs konventionelle Reisen, also mit Mietwagen und ordentlicher Bleibe für die Nacht. Keine wilde Bootstour durch den reißenden Colorado-River, keine wacklige Fliegerei zwischen den Felsschichten des Grand Canyon. Witzel strahlt Bürgerlichkeit aus, was nicht nur an seinem soliden Geschäftsanzug liegt.Witzel, der mit 14 Jahren in die FDP eintreten wollte, es aber noch nicht durfte und deshalb das Mitgliedsbuch erst mit 16 bekam, sagt auch Sätze, die von einem jüngeren Wertkonservativen stammen könnten: Er hoffe auf ein Rollback von intakten Familienstrukturen, von family values, wie die Amerikaner das nennen. Der Gesellschaft gehe zuviel verloren durch das Infragestellen von Familie als Institution und das Auseinanderbrechen von Familien.
    Familie sei gelebte Subsidiarität. Hinter der Feststellung lugt das spezifisch Liberale des früheren Chefs der Jungen Liberalen (1994-2003) hervor. Familie zu stärken, das heißt für ihn auch, die Verantwortung des Einzelnen für sich und die Seinen zu kräftigen, den Staat zurückzudrängen. Der "Parlamentarische" der FDPFraktion, das merkt man im Gespräch rasch, ist nicht angehaucht von linksliberalem Gedankengut, wiewohl er die Freiburger Thesen eines Karl-Hermann Flach für ein respektables Stück FDP-Geschichte hält. Der Essener, der in der Metropole geboren wurde, dort als Einzelkind aufgewachsen und zur Schule gegangen ist, dort Betriebswirtschaft studiert hat und auch heute lebt, gehört zu den Bannerträgern von "Mehr Freiheit -Weniger Staat". Die schwarzgelbe Koalition ist Witzels politisches Wunschbündnis, er sagt sogar "Zukunftsbündnis". Beim Stichwort "Jamaika"-Koalition scheint es den sonst sehr behutsam, versiert und gepflegt argumentierenden jungen Politiker zu durchzucken: "Jamaika" sei für ihn eine Horrorvorstellung: "Das ist nicht auf meinem Radar, die Grünen unterscheiden sich in ihrem ganzen staatsgläubigen Welt- und Gesellschaftsbild diametral von der FDP."
    Witzel lässt sich von niemandem widerspruchslos das Etikett "unsozial" ankleben: "Nicht derjenige handelt sozial, der Wohltaten mit der Gießkanne gibt. Ich will Sozialpolitik gezielt mit dem Gartenschlauch machen, will nur dort wässern, wo wirklich Not herrscht."
    Vater und Mutter - er Diplom-Ingenieur, sie Hausfrau - hat der Filius von der FDP überzeugt, die Eltern gehören jetzt auch zu den Liberalen. Man kann das nachvollziehen, weil Witzel überzeugend und unaufgeregt zu argumentieren versteht, den Eindruck von Ernsthaftigkeit und Sachkunde vermittelt, ohne verbissen zu erscheinen. Die Bildungspolitik zählt zu Ralf Witzels Steckenpferden. Er glaubt, dass NRW in fünf Jahren das führende deutsche Bildungsland sein wird. Man spürt, dass der "Parlamentarische", der nach eigenem Bekunden überglücklich mit seiner Aufgabe ist, vom Zauber des Neuanfangs stark umfangen ist. Da ist noch viel Hoffnung auf grundlegende Veränderungen nach dem großen politischen Farbenwechsel. Da kommt auch noch unverstellte Freude an der "unwahrscheinlich spannenden" Aufgabe auf, die ihm gestellt wurde.
    Bevor er 2000 ins Parlament kam, war Witzel in einer großen Essener Firma beschäftigt, Bereich Personalmanagement. Buchhalterei oder Controlling ist seine betriebswirtschaftliche Sache nicht. Auf die Frage, ob er eine Ministerlaufbahn erhoffe, kommt eine nahezu perfekte Parlamentarier-Antwort: Manche hielten ein hohes Amt in der Administration für eine Veredelung von Politik; er nicht. Im Übrigen, so Witzel, gelte für ihn: "Schuster, bleib’ bei deinem Leisten."
    Der noch ledige Mann ist auch bei seinen Freizeitaktivitäten kein Extremer: Ein wenig radeln, ein bisschen joggen, ins Kino gehen, ein gutes Buch lesen, und dann, wie eingangs geschildert: ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten verreisen, am liebsten in die US-Südstaaten, weil es dort vergleichsweise traditionell und gemächlich zugehe.
    Reinhold Michels

    ID: LIN01285

  • Porträt der Woche: Sylvia Löhrmann (GRÜNE).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 13 - 30.11.2005

    "Das machen die Herren selber, daß ihnen der kleine Mann feyndt wird." Auch nach mehr als 25 Jahren ist Sylvia Löhrmann dieser Filmtitel noch gut präsent. Der Dokumentarstreifen der Wendländischen Filmcooperative aus der zweiten Hälfte der siebziger Jahre, benannt nach einem Zitat des Radikalreformers und Hauptfigur der Bauernkriege, Thomas Müntzer, zeigt den Widerstand von Landwirten gegen eine Atompolitik über die Köpfe Betroffener hinweg. Sylvia Löhrmann hat ihn sich seinerzeit als Studentin an der Ruhr-Universität Bochum angesehen und war sich fortan sicherer als je zuvor, wo sie politisch hingehört: zu den Grünen.
    Die sich seinerzeit als Partei noch gar nicht formiert hatten. Deren erste Generation um Personen wie Herbert Gruhl oder Petra Kelly aber gerade mit Erfolg dabei war, über die Anti-Atompolitik, die Frauen- und die Friedensbewegung Menschen anzusprechen, die sich im bis dahin existierenden Parteienspektrum nicht wieder fanden.
    In die Wiege gelegt war Sylvia Löhrmann diese politische Sozialisierung allerdings nicht. Geboren 1957 an der Essener Hafenstraße, wo der Fußballverein Rot-Weiß in jenen Jahren seine größte Zeit hatte, ging sie später auf die katholische Privatschule Beatae Mariae Virginis, wo sie nach dem Willen ihres dem Zentrum nahe stehenden Vaters eine gute katholische Grundbildung erhalten sollte. Wo es ihr aber auch selbst so gut gefiel, dass sie nach dem Umzug nach Witten-Herbede noch über fünf Jahre den langen Schulweg nach Essen in Kauf nahm.
    Nach dem Lehramtsstudium in Bochum und dem Referendariat in Duisburg war für Sylvia Löhrmann die Ruhrgebietszeit 1985 zu Ende. Sie bewarb sich erfolgreich an einer Solinger Gesamtschule und vollzog mit dem Beginn einer absehbaren "Sesshaftigkeit" nun auch den Schritt von der grünen Sympathisantin zum Eintritt und zur aktiven Mitarbeit in der Partei. In der die seit Kinderzeiten stets lernbegierige, pflichtbewusste und zielstrebige junge Frau auch rasch aufstieg: 1989 Spitzenkandidatin bei den Kommunalwahlen," Mitschmiedin" eines rot-grünen Bündnisses auf Kommunalebene, Engagement in der Frauen- und Gleichstellungspolitik. 1994 erneut auf Platz eins der Solinger Grünen und ein Jahr später bereits Einzug in den Landtag. Was zu diesem Zeitpunkt aber eher überraschend kam. Denn Platz 25 der Landesliste zog nur deshalb, weil die Grünen im Mai 1995 mit zehn Prozent überraschend viele Mandate errangen, Regierungspartei wurden und damit Bärbel Höhn und Dr.Michael Vesper als Minister nach der Grünen- Philosophie ihre Landtagsmandate für Nachrücker frei machten.
    Auch im Landesparlament erwarb sich Sylvia Löhrmann rasch Respekt und Akzeptanz, nicht nur in den eigenen Reihen. 1998 setzte sie sich in einer Kampfabstimmung als Parlamentarische Geschäftsführerin durch, nach den Mai-Wahlen 2000 wurde sie Fraktionsvorsitzende. Und wendet sich seither neben ihrer Führungsaufgabe der Fraktion auch dem Thema zu, mit dem sie mit viel Engagement, Herzblut, Leidenschaft und kämpferischem Einsatz auf der politischen Bühne spielt: der Bildungspolitik. Dass sich die Grünen in Abgrenzung zum damaligen Koalitionspartner SPD als Konsequenz aus dem Pisa- Schock als einzige politische Kraft ohne Wenn und Aber zu einem integrativen Schulmodell nach dem Beispiel der erfolgreichen skandinavischen Länder bekennen, geht nicht zuletzt auf ihre schulpolitische Meinungsführerschaft bei den Grünen zurück.
    Seit Mai 2005 sind die Grünen Oppositionsfraktion. Gleichwohl steht die Fraktionsvorsitzende Sylvia Löhrmann mehr denn je im Blickpunkt, hat doch die bisherige erste Garde - die beiden ehemaligen Grünen Minister Bärbel Höhn und Dr. Michael Vesper - andere Aufgaben übernommen. "Kritisch, konstruktiv und nicht aus Prinzip dagegen", definiert Sylvia Löhrmann die Oppositionsrolle ihrer Fraktion. Ohne gleichzeitig ihr Fernziel aus den Augen zu verlieren, das sie so formuliert: "Wir arbeiten hart daran, nur fünf Jahre Oppositionspolitik zu machen."
    Michael Fritsch

    ID: LIN01249

  • Porträt der Woche: Hannelore Kraft (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 12 - 09.11.2005

    Ihre Karriere in der Politik verlief mit geradezu atemberaubendem Tempo. Erst 1994, vor elf Jahren, ist Hannelore Kraft in die SPD eingetreten. Ein Jahr später war sie bereits im SPD-Vorstand ihrer Heimatstadt Mülheim, im Jahr 2000 kandidierte sie erfolgreich für den Landtag. 2001 berief sie der damalige Ministerpräsident Wolfgang Clement zur Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten, ein Jahr später machte sie Clement-Nachfolger Peer Steinbrück zur Wissenschafts- und Forschungsministerin des Landes. Seit Anfang Juni ist die 45-jährige Diplom-Volkswirtin und Mutter eines zwölfjährigen Sohnes Oppositionsführerin und Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion und viele trauen ihr zu, dass sie in fünf Jahren von ihrer Partei als Kandidatin für das Amt des Ministerpräsidenten in den Wahlkampf geschickt wird.
    Chancengleichheit
    In die Politik gegangen ist die resolute Blonde mit dem unüberhörbaren Ruhrgebietsakzent, weil sie sich über eine Reihe von Kleinigkeiten in der Mülheimer Kommunalpolitik geärgert hatte. Konkreter Anlass war die Niederlage der Mülheimer SPD bei den Kommunalwahlen 1994. Denn SPD-nah war Hannelore Kraft schon immer. Sie ist in einem Arbeiterhaushalt aufgewachsen. Ohne die Unterstützung durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) hätte sie niemals studieren können. Deshalb ist für sie auch heute Chancengleichheit für alle, unabhängig von Herkunft und Portemonnaie der Eltern, eines der wichtigsten Themen in der Politik, deshalb kämpft sie nach wie vor leidenschaftlich gegen Studiengebühren.
    Ausschlaggebend für ihre rasche Karriere als Politikerin waren neben einer gehörigen Portion Glück und Zufällen auch eine Reihe von Qualifikationen, die in den meisten Parteien nicht allzu häufig anzutreffen sind. Hannelore Kraft versteht etwas von Wirtschaft, sie kennt sich aus in Europa, sie war gewohnt im Team zu arbeiten und hatte auch keine Scheu, vor vielen Menschen zu sprechen. In ihrem ersten Einsatz als Wahlkämpferin spürte sie, dass ihr die Gespräche an den Info-Ständen und den Haustüren Spaß machen. "Ich finde Menschen spannend, ich kann zuhören." Nach der Niederlage der SPD am 22. Mai ist ihr der Abschied von der Macht nicht schwer gefallen. Ein paar Tage lang durfte sie sogar hoffen, sich wieder mehr um die Familie kümmern zu können. Doch dann fiel in ihrer Abwesenheit die Entscheidung, eine junge, unverbrauchte Politikerin solle die Führung der Landtagsfraktion übernehmen. Ganz unvorbereitet traf sie der Wunsch der Landes-SPD allerdings nicht, denn intern war ihr Name schon häufiger gefallen.
    An ihre Rolle als Oppositionsführerin in Düsseldorf geht sie mit der ihr eigenen pragmatischen Grundeinstellung. Vorschläge der neuen Mehrheit, die sie für richtig hält, werden unterstützt, anderes wird abgelehnt und politisch bekämpft. Für Fundamentalopposition ist sie nicht zu haben, schon aus dem Grund, weil CDU und FDP in vielen Punkten die Politik der alten rot-grünen Mehrheit fortsetzen. Das heißt aber nicht, dass sie der neuen Regierung eine Art Schonfrist einräumt. In ihren ersten Auftritten als Speerspitze der Opposition präsentierte sich Hannelore Kraft so bissig und kratzbürstig, wie sie bislang kaum einer erlebt hatte. Über die immer wieder aufflackernden Gerüchte, sie solle 2010 als Spitzenkandidatin der SPD antreten und als erste Frau das größte Bundesland regieren, macht sie sich keine großen Gedanken, dazu ist sie viel zu pragmatisch. "Jetzt will ich vernünftige Oppositionsarbeit machen und alles Weitere werden wir sehen." "Schau’n mer mal", hätte Franz Beckenbauer dazu gesagt.
    Peter Jansen

    ID: LIN01208

  • Porträt der Woche: Helmut Stahl (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 11 - 26.10.2005

    Ich sitze hier im schönsten Büro eines Fraktionsvorsitzenden in Deutschland", sagt Helmut Stahl und lacht. Der Chef der CDU-Fraktion schaut hinaus, über die große Terrasse hinweg auf den Rhein, der genau vor seinem Büro eine besonders dekorative Schleife macht. Büro und Aufgabe des Fraktionsvorsitzenden hat Stahl von Vorgänger Jürgen Rüttgers übernommen. Der sitzt jetzt als Ministerpräsident in der Staatskanzlei. Helmut Stahl muss nun die CDU-Abgeordneten führen, eine Rolle, in der er noch nicht ganz angekommen ist, gibt der 58-Jährige zu. "Das braucht noch eine gewisse Zeit." Doch einen anderen Stil als sein Vorgänger will er schon pflegen. "Der Vorsitzende einer Regierungsfraktion hat eine andere Aufgabe als der einer Oppositionsfraktion. Ich habe eine partnerschaftliche Rolle, es geht um wechselseitige Ergänzung zwischen Regierung und Fraktion."
    Drei Jahre lang war Helmut Stahl zuvor parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion. Eine typische Aufgabe für ihn. Während seiner beruflichen Laufbahn hat Helmut Stahl immer wieder an den Nahtstellen von Politik und Administration gearbeitet. "Ich will nicht nur irgendwelche Visionen haben, ich will auch was durchsetzen können. Das hat mich immer gereizt", sagt der Diplom-Volkswirtschaftler. Nach ersten Stationen in der CDU-Bundesgeschäftsstelle und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird er Abteilungsleiter im Bundesministerium für Arbeit, später auch im Bundeskanzleramt.
    Zwangspause
    Als beamteter Staatssekretär arbeitet Helmut Stahl dann drei Jahre unter "Bundeszukunftsminister" Jürgen Rüttgers - bis 1998 plötzlich alles vorbei ist. Bundestagswahl. Machtverlust der CDU. Für Helmut Stahl heißt das: Versetzung in den einstweiligen Ruhestand.
    "Das hat mich sehr geschockt. Da wird man so richtig vom Pferd geholt. Und wie schlimm das ist, merkt man erst, wenn man unten ist." Helmut Stahl hat auf einmal viel Zeit. "Erst hab ich den Schreibtisch aufgeräumt, dann den Garten, dann Regale aufgebaut. Und dann war alles gemacht. Das war eine schreckliche Zeit, wenn die Dinge an einem vorbeilaufen."
    Parteifreunde bitten Helmut Stahl, bei den Wahlen zum Posten des Bonner Oberbürgermeisters zu kandidieren. Er verliert gegen Bärbel Dieckmann von der SPD. Im Jahr 2000 zieht er über die Landesliste in den Landtag ein.
    Helmut Stahls Interesse am Politischen wird schon früh geweckt. "Nach dem sonntäglichen Mittagessen blieben immer alle sitzen. Eltern, Oma und Geschwister. Dann wurde politisiert", erinnert sich Stahl. Der Vater war Elektromeister und in der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) engagiert, die Mutter Hausfrau. Der junge Helmut trägt die Kettlerwacht aus, die Mitgliederzeitung der KAB. 1965 tritt er in die CDU ein. "Ich war rebellisch, habe die Abwahl des damaligen CDU-Vorsitzenden dort verlangt." Ohne Erfolg.
    Heute erlebt man Helmut Stahl eher als ausgleichenden und freundlichen Politiker.Wer Tee trinkt und als Hobby Vögel beobachtet, der ist auch im politischen Geschäft nicht auf Krawall gebürstet. Trotzdem sagt er von sich: "Ich bin nicht leicht handhabbar. Ich will überzeugt werden. Wenn was richtig läuft,muss ich nicht auch noch meinen Senf dazugeben. Ich will da in die Pedale gehen, wo es nicht richtig läuft."
    Helmut Stahl ist niemand, der eigene Meinungen zur Disposition stellt. Er befürwortet embryonale Stammzellenforschung - anders als die Mehrheit der Fraktion, die er anführt. "Wenn anderswo Forschung Erfolge bringt, würden wir die Medikamente doch auch hier einsetzen wollen. Es gibt auch eine Verpflichtung des Heilens." In Fragen des ethischen Handelns sollte es keinen Fraktionszwang geben, findet er.
    Ein Blick in die Zukunft? Stahl schaut nach Berlin, denn eine Große Koalition dort wird auch auf Düsseldorf Auswirkungen haben. "Sie muss Aufbruchstimmung vermitteln, das brauchen wir." Außerdem, glaubt er, wird die SPD sich in manchen Fragen künftig wohl schwerer tun, Attacken auf die Landesregierung zu reiten. Er sagt das mit einem Lächeln...
    Beate Becker

    ID: LIN01171

  • Porträt der Woche: Angela Freimuth (FDP).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 10 - 28.09.2005

    Von der Werkbank über die Anwaltskanzlei ins Parlamentspräsidium. Ganz viele Frauen im Politikbetrieb dürfte es nicht geben, die mit gerade einmal 39 Jahren auf eine solch außergewöhnliche Vita verweisen können. Ein sicheres Indiz dafür, dass Angela Freimuth, seit dem 8. Juni Vizepräsidentin des Landtages, ihre Karriere nicht von vornherein zielstrebig auf Düsseldorf hin ausgerichtet hat. Das Ziel ihrer Jugend lag vielmehr ein paar tausend Kilometer weiter westlich in den Vereinigten Staaten von Amerika. Dort leben zwei Brüder ihres Vaters mit ihren Familien. Und dorthin zog es lange auch die junge Angela Freimuth. Auch um ihre Chancen zu erhöhen, in die USA auswandern zu können, entschied sich die gebürtige und überzeugte Lüdenscheiderin deshalb nach ihrem Abitur 1985 für eine Ausbildung zur Werkzeugmacherin. Gekommen dazu ist es dann zwar nicht, doch die große Liebe sind die Vereinigten Staaten für Angela Freimuth bis heute geblieben. 26 Bundesstaaten hat sie bislang bereist, alle 50 sollen es noch werden.
    Berufsweg
    Zur FDP und damit auch den Jungen Liberalen, deren erste Ortsvorsitzende in Lüdenscheid sie wurde, stieß Angela Freimuth noch während ihrer Lehre. Für eine Auszubildende in einem Metallberuf eher untypisch. Ausschlaggebend für ihre Entscheidung waren allerdings weder ihre Eltern noch persönliche Vorbilder. "Es waren vielmehr die programmatischen Grundideen und Werteprioritäten wie Freiheit und Eigenverantwortung, Individualität und Toleranz. Dort fand ich mich am ehesten wieder", sagt Angela Freimuth im Rückblick: "Und das gilt auch heute noch."
    Ihr Jurastudium absolvierte Angela Freimuth von 1988 an in Bonn. Das Arbeiten in einem freien Beruf passe sehr gut in ihre liberale Philosophie, findet sie. Die Tätigkeit im Bereich Wirtschafts- und Steuerrecht und ein Fachanwaltslehrgang Steuerrecht Ende der neunziger Jahre stellten die Weichen bei ihrem Einstieg in die professionelle Politik. Dieser begann nur ein Jahr darauf mit ihrem Einzug in den Landtag im Jahr 2000. Die FDP war seinerzeit nach fünfjähriger Abstinenz mit 9,8 Prozent mit 24 Abgeordneten in das Landesparlament zurückgekehrt und Angela Freimuth, eine der zahlreichen liberalen Neulinge im Parlament, fand im Haushalts- und Finanzausschuss ihr zentrales Betätigungsfeld.
    Mit den Wahlen vom 22. Mai 2005, die ein neues Kapitel in der Landesgeschichte einleiteten, kam die FDP erstmals nach 25 Jahren wieder in Regierungsverantwortung. Und Angela Freimuth, seit Dezember 2002 auch stellvertretende Landesvorsitzende der NRW-FDP, schrieb mit am Koalitionsvertrag, dem Drehbuch der Wende. Bei der Aufstellung des liberalen Personaltableaus trug ihre Fraktion ihr mit der Nominierung zur Stellvertretenden Landtagspräsidentin ein parlamentarisches Spitzenamt an. Eine völlig neue Rolle also, mit der sich die Politikerin derzeit vertraut zu machen hat. Zu einem Zeitpunkt, da die Arbeit in Partei und Fraktion nicht gerade weniger geworden ist. So ist für sie der Bereich Kultur hinzugekommen und damit ein neues inneres Spannungsverhältnis entstanden: "Der Haushälter wird ja oft als der natürliche Feind des Kulturpolitikers betitelt und umgekehrt", beschreibt sie umgangssprachlich die auf sie zukommende Situation.
    Eine Konfliktlage sieht Angela Freimuth ihrer Doppelrolle als FDP-Politikerin und Neutralität verpflichtetes Präsidiumsmitglied nicht: Kein Landtagsabgeordneter sei ein "politisches Neutrum" und der sachpolitische, argumentative Streit, so ihr Credo, gehört zur Demokratie dazu: "Allerdings haben wir darüber hinaus eine parteiübergreifende Verpflichtung, insbesondere gegenüber der jungen Generation, die Menschen für Demokratie und Parlamentarismus wieder zu interessieren und wenn möglich zu begeistern."
    Michael Fritsch

    ID: LIN01129

  • Porträt der Woche: Dr. Michael Vesper (GRÜNE).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 9 - 14.09.2005

    Kochen mit Alfred Biolek, Talkshows im Fernsehen und beinahe täglich Interviews im Hörfunk - die Zeiten, in denen Michael Vesper ein gefragter Gast für jede Form von Unterhaltung und Information war, sind erst einmal vorbei. Zehn Jahre war der 53-jährige grüne Politiker Minister in Düsseldorf, zuständig unter anderem für Bauen, Sport und Kultur, und ebenso lange Stellvertreter der Ministerpräsidenten Johannes Rau, Wolfgang Clement und Peer Steinbrück. "Ich will nicht kokettieren und so tun, als würde man den Machtverlust leicht wegstecken", beschreibt Vesper seine Empfindungen seit dem 22.Mai, "aber eine persönliche Katastrophe ist das für mich wirklich nicht. Ich kann damit umgehen."
    Der Blick zurück fällt dem promovierten Soziologen auch deswegen leicht, weil er stolz ist auf eine Reihe von Ergebnissen seiner zehnjährigen Arbeit als Minister. Dazu zählt er in erster Linie die Ruhr-Triennale, die von der neuen Landesregierung weiter unterstützt wird, dazu gehört die Sportstiftung NRW, die junge talentierte Sportler fördert, dazu gehört auch die Initiative Stadtbaukultur, die dazu beigetragen hat, dass Baukultur in den Städten überhaupt wieder zu einem Thema geworden ist. Und wenn irgendwann in den nächsten Jahren die 50. Solarsiedlung in NRW fertig gestellt und bezogen wird, dann wird sich vielleicht noch der eine oder andere Bauherr daran erinnern, dass es Vesper und sein Ministerium waren, die den Anstoß zu diesen Siedlungen gegeben haben. Aus anderen Plänen ist nichts geworden, teils aus Geldmangel, teils weil widrige Umstände dazwischen kamen. Einige Landesministerien sind immer noch über ganz Düsseldorf verteilt, der Traum von einem modernen Regierungsviertel im Schatten von Stadttor und Fernsehturm ließ sich nicht verwirklichen. Die Kunstsammlung NRW harrt nach wie vor der Erweiterung und aus den Olympischen Sommerspielen an Rhein und Ruhr ist nichts geworden, auch wenn Vesper heute noch stolz darauf ist, dass bei der Bewerbung die ganze Region zusammengestanden und für die Spiele gekämpft hat.
    Oppositionsrolle
    Nur kurz hat Vesper nach der für SPD und Grüne verlorenen Landtagswahl mit dem Gedanken gespielt, aus der Politik auszusteigen, mit 53 Jahren noch mal etwas Neues, Anderes anzufangen. Opposition, das hatte er ja schon fünf Jahre in Düsseldorf gehabt und auch in den Jahren davor, als er in Bonn als angestellter Geschäftsführer der Bundestagsfraktion der Grünen tätig war. "Aber ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass ich die neue Rolle voll und ganz annehme, auch um den früheren Oppositions- und heutigen Regierungsparteien zu zeigen, wie man gute Oppositionspolitik macht", fügt er mit einem Lächeln hinzu.
    Und seine Familie profitiert davon, dass der Terminkalender des Landtagsvizepräsidenten nicht mehr so dicht gefüllt ist wie der des Vizeministerpräsidenten. "Ich habe mehr Zeit für meine Frau und die großen und kleinen Kinder, kann jetzt sogar wieder selbst zum Elternabend gehen." In der neuen Funktion will Vesper dazu beitragen, dass die Debatten im Parlament lebendiger werden und der Landtag sich in die Regionen und für die Regionen öffnet. "Wir vertreten 18 Millionen Menschen", sagt Vesper selbstbewusst, "da brauchen wir uns nicht hinter dem Bundestag oder dem Europäischen Parlament zu verstecken."
    Vesper, der den Vorsitz des Innovationsausschusses übernommen hat und zusätzlich als sportpolitischer Sprecher der Grünen auftritt, will sich künftig verstärkt an der Diskussion grundsätzlicher Fragen beteiligen, von der Parlamentsreform über das Gespräch mit den verschiedenen Religionsgemeinschaften bis zur Debatte über den künftigen Weg seiner Partei, den Grünen. "Wir müssen uns auf unseren Themenfeldern behaupten - Ökologie, demokratische Kultur, Innovation, Solidarität. Daran will ich mitarbeiten."
    Peter Jansen

    ID: LIN01097

  • Porträt der Woche: Edgar Moron (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 8 - 01.09.2005

    Irgendwann lässt Edgar Moron einen Satz fallen, den man vor Monaten im Wahlkampf noch als Hochverrat aufgefasst hätte: "Rot- Grün ist kein Erfolgsmodell in Nordrhein-Westfalen gewesen." Er sagt das nicht verbittert, nicht gallig, sondern analytisch. Aus ihm spricht der Diplom-Politologe. Seit dem historischen Machtwechsel mit der Landtagswahl am 22. Mai muss er kaum noch Kompromissformeln bemühen. Ein Grünen-Freund ist er beileibe nie gewesen. Der 64-Jährige ist überzeugt, dass sich alte Koalitionstraditionen allmählich auflösen und Raum für neue Konstellationen schaffen würden.
    Der Erftstädter hat sich im neuen Büro einigermaßen eingelebt. Es ist nicht einmal hundert Meter vom alten entfernt. Tatsächlich liegen Dimensionen dazwischen. Denn der ehemalige SPD-Fraktionschef wurde im Juni zum 1. Vizepräsidenten des Landtags gewählt und verabschiedete sich vom Gestalten der Politik an vorderster Stelle.
    Im Büro hängt eine Ikone der SPD. Herbert Wehner und seine Pfeife wurden so kunstvoll verfremdet, dass der streitbare SPD-Fraktionschef im Bundestag verzerrt erscheint wie hinter gesplittertem Glas. Das schwarz-weiße Gemälde besitzt seit dem 22.Mai unweigerlich einen neuen Symbolgehalt. Man fühlt sich an einen Bildersturm erinnert. Moron, ein Bewunderer Wehners, erlebt selbst eine Legendenzertrümmerung nach der Landtagswahl in NRW. Die SPD wurde nach 39 Jahren in die Opposition verbannt. "Politisch ist es eine Niederlage. Persönlich ist es aber nicht der Tiefpunkt meiner Existenz", sagt Moron. Bis zum Februar hatte Moron geglaubt, die politische Stimmung könne sich drehen. Danach blieb nur noch bange Hoffnung. Es fallen ihm viele Gründe für den Niedergang ein: die schlecht verkaufte Reformpolitik, Rekordarbeitslosigkeit, die "Schizophrenie" des Menschen, der Reformen bejahe, aber nicht davon betroffen sein wolle. Morons Fazit: "Gegen den Mainstream können sie nichts ausrichten."
    Moron hat den Übergang in die Opposition einmal bereits in Bonn miterlebt. Von 1973 an war er 18 Jahre innenpolitischer Referent in der SPD-Bundestagsfraktion. In den Düsseldorfer Landtag trat er 1990 ein, wurde Parlamentarischer Geschäftsführer, dann im Jahre 2000 Fraktionschef, der sich stets als "Schutzschild" der Landesregierung verstanden hatte.
    "Cocktailtermin"
    Er selbst müsse nun mehr repräsentieren, habe viele "Cocktailtermine", sagt der Mann mit dem ergrauten Schnurrbart. In den nächsten Wochen und Monaten will er sich aus dem "operativen politischen Geschäft heraushalten". Das neue Amt verlange stärkere Zurückhaltung. Außerdem soll seine Nachfolgerin Hannelore Kraft Raum haben, sich als Fraktionschefin zu profilieren. Moron hätte für eine begrenzte Zeit als Vorsitzender weitergemacht. Dies schien unmittelbar nach der Wahlniederlage realistisch. Doch eine umfassende personelle Erneuerung wurde drängender, auch weil sich SPD-Landeschef Harald Schartau sträubte. "Die NRW-SPD braucht jetzt einen Neuanfang, wir können damit bei uns in der Landtagsfraktion beginnen", erklärte er am 24. Mai vor der Fraktion und gab ein weit reichendes Signal.
    Das Lebenstempo des gebürtigen Oberschlesiers hat sich abrupt verlangsamt. Selbst als arbeitsamer Charakter sieht er darin Vorzüge. Die vergangenen Jahre seien eine "gewaltige psychische Anstrengung" gewesen. Enge Mitarbeiter loben ihn als fairen, zuverlässigen Chef. Zuweilen wurde auch Kritik von Genossen aus dem Hinterhalt geäußert. Die Fraktionsführung konnte ein undankbarer Job sein. Doch nun hat Moron Muße für einen langen Rückblick. Er liest Biografisches von Willy Brandt und frönt vernachlässigten Hobbies wie etwa Bergsteigen, Trekkingtouren, Doppelkopf. Und eines hat er ebenfalls im Hinterkopf: Irgendwann wird er im Plenum wieder ans Rednerpult treten und sich in die Tagespolitik einmischen. Für die kommenden fünf Jahre in der Opposition macht er sich allerdings wenige Illusionen.
    Gestalten sei auf Regierungsseite schon schwierig genug, sagt er. Und in der Opposition? "So gut wie unmöglich." Immerhin sieht Moron die bedeutende Chance für die SPD in NRW, "sich politisch frei zu machen und wieder provokant zu sein".
    Kristian Frigelj

    ID: LIN01055

  • Porträt der Woche: Dr. Jürgen Rüttgers (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 7 - 14.07.2005

    1975, da war Jürgen Rüttgers 24 Jahre jung, konnte er sich Ratsherr nennen. Ein schöner alter Titel, der nach Bürgerstolz und "Man ist wer in der Gemeinde" klingt. Gut, der junge CDUler war nicht Ratsherr im "hillige Köln", vielmehr im kleinen Pulheim, draußen vor den Toren der ehrwürdigen Stadt. Aber den Namen Rüttgers musste man sich fortan im kommunalpolitischen Betrieb merken.
    So dachte auch der damalige Stadtdirektor von Pulheim, der heutige Bürgermeister Karl-August Morisse. Ein paar Jährchen später, 1982, der Volljurist Jürgen Rüttgers war inzwischen Beigeordneter seiner Heimatgemeinde, schloss er den so genannten Bund fürs Leben. Als Karl-August Morisse, der längst ein politisches Auge auf Jürgen Rüttgers geworfen hatte, ihn und seine Frau Angelika in der von zwei Schimmeln gezogenen Hochzeitskutsche durch Pulheim fahren sah, brachte das Morisses Phantasie auf Trab: Er dachte für sich, dieser Jürgen Rüttgers, dem wird es hier bei uns bald zu eng, der steckt sich andere, höhere Ziele, jenseits der Kommunalpolitik in Köln-Land. So sollte es kommen. Die Pulheimer Welt war J.R. nicht genug.
    1987, mit 36, zog Rüttgers, wie es Karl-August Morisse geahnt hatte, südwärts in den Bundestag nach Bonn. Bald darauf wurde er politisch das, was man unter Ökologen "nachwachsenden Rohstoff" und unter älteren Politikern einen "jungen Hoffnungsträger" nennt. Der CDU/CSU- Bundestagsfraktion diente Rüttgers als Berichterstatter für Fragen der Raumfahrt. Da läuft man Gefahr abzuheben, im Orbit zu verschwinden, oder beim Versuch, wieder in die politische Erdumlaufbahn einzutauchen, zu verbrennen.
    Erdhaftung
    Der junge Rüttgers aber hielt sich in der Bodenstation auf, er leistete sich nur gedankliche Flüge ins politische All. Schlau (eine Lehrerin nannte ihren Zögling einst ein kluges Kerlchen), durchaus auch politisch berechnend, behielt Rüttgers Erdhaftung, stets die großen Tiere der Union im Blick, den Haudegen Dregger und vor allem Kohl und Schäuble, die ihn bald nach der Einheit zu höheren parlamentarischen und ministeriellen Ehren befördern sollten. Viele sagten, Rüttgers beste Zeit sei die als Parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Fraktion (ab 1991) gewesen. Tatsächlich kam ihm in dem Amt sein rheinischer Charakter-Mix aus Gewitztheit, Kommunikations-Begabung und rhetorischer Rauflust zugute. Diese Rauflust trägt bei Rüttgers, der nicht nur wie ein Intellektueller aussieht, allerdings nie allzu rustikale Züge; er war nie wie Kohl, der einen diebischen Spaß dabei empfand, "den Sozis aufs Haupt zu schlagen". Rüttgers liebt mehr den Schulterwurf durch Ironie.
    Als Kohls so genannter "Zukunftsminister" für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (noch heute spricht Rüttgers respektvoll vom "Alten", wenn er beim Verzehr von reichlich Rotwein köstliche Kohl-Anekdoten und Kohl-Kniffe zum Besten gibt) gelang ihm 1995 die Einführung des "Meister-Bafög". Der Sohn eines Elektrikers wertete das ehrbare Handwerk auf, darauf, so sagte Rüttgers jüngst gegenüber "Focus", sei er besonders stolz.
    Frankophil, wie der Ferienhaus-Eigentümer im tiefen Süden von "La douce France" ist, verbindet Rüttgers politisches mit schriftstellerischem Tun, nach dem Vorbild französischer Spitzenpolitiker von einst und jetzt, ob sie Giscard, Mitterrand oder de Villepin heißen. Der neue Ministerpräsident ist jemand, der gleich gerne in Baumärkten und in Buchläden stöbert. Des Gedankens Blässe ist ihm nicht fremd, er kann aber auch einen Nagel in die Wand schlagen oder Fliesen verlegen.
    Antrieb
    Pfadfinder und Messdiener war der "katholische Jung". Anders als so mancher Jahrgangs-Kamerad, den religiöse Überfütterung in jungen Jahren in spätere kirchliche Abstinenz gedrängt hat, blieb Rüttgers seiner Kirche treu. Er, der Bindungsfähige, besucht mit der Familie jeden Sonntag die Heilige Messe. Und er sagt etwas, was vielen Postmodernen in der Politik nicht über die Lippen kommt, nämlich "So wahr mir Gott helfe" beim Amtseid beziehungsweise "Der Glaube an Gott und das Gute im Menschen" auf die Focus-Frage, was ihn politisch antreibe.
    Noch einmal Frankreich: 1981, als Mitterrand erfolgreich um die Präsidentschaft gekämpft hatte, lautete seine persönliche Botschaft: La Force tranquille. "La Force tranquille", "Die ruhige Kraft" - die ersten Schritte, die der Wahlsieger des 22. Mai 2005 gemacht hat, erinnern an Mitterrands alten Slogan. Rüttgers (seine Kritiker innerhalb und außerhalb der CDU reiben sich seit einigen Wochen die Augen und meinen, sie seien im falschen Rüttgers-Film) wirkt in sich ruhend und aufbruchbereit, zäh und federnd. Und der gute Karl-August Morisse aus Pulheim würde schmunzeln: "Ich hab’ es euch ja immer jesacht."
    Reinhold Michels

    ID: LIN01022

  • Porträt der Woche: Landtagspräsidentin Regina van Dinther (CDU).
    Porträt
    S. 13 in Ausgabe 6 - 22.06.2005

    Die neue Landtagspräsidentin Regina van Dinther hat sich viel vorgenommen. Als erste CDU-Politikerin im höchsten Amt von Nordrhein-Westfalen will die 47-Jährige Akzente setzen: Signale nach außen an die 18 Millionen Bürgerinnen und Bürger im bevölkerungsreichsten Bundesland, aber auch Zeichen nach innen für die 187 Abgeordneten, die sich im neuen Rollenspiel zwischen Regierung und Opposition erst finden müssen. Vor allem wirbt sie für eine neue Bescheidenheit der Mandatsträger: "Wir sind Gewählte und nicht Erwählte." "Wir müssen den Menschen wieder Zuversicht vermitteln", fordert die neue NRW-Landtagspräsidentin von den Parlamentariern des Landtags. "Wenn wir das nicht schaffen, können wir einpacken", setzt die ausgewiesene Frauen- und Familienpolitikerin rigoros und entschlossen nach. Allzu lange habe die Gesellschaft das Schlagwort vom "wachsenden Wohlstand" unreflektiert hingenommen - auch die Union mache da keine Ausnahme. "Wenn wir einsehen, dass nichts vom Himmel fällt, sondern Erfolg das Ergebnis von Mühe und Arbeit ist, dann kann auch die Zuversicht wieder wachsen."
    Wahlsieger Jürgen Rüttgers (CDU) habe ihr die Aufgabe als Landtagspräsidentin angetragen, weil das jemand machen müsse, der Brücken schlagen könne beim Neuanfang nach 39 Jahren, in denen die Rollen zwischen Regierung und Opposition fest zementiert waren. In dieser Zeit des Wechsels gehe es darum, zu einem vernünftigen Miteinander der verschiedenen Fraktionen zu finden. "Es ist eine schwierige Aufgabe", stellt van Dinther nüchtern fest. Deshalb habe sie nicht sofort zugesagt, sondern sehr genau überlegt und sich auch beraten lassen.
    Lebensmotto
    Dann habe sie nach ihrem Lebensmotto "Geht nicht, darf es nicht geben" die Aufgabe als große Herausforderung angenommen. Die Landtagspräsidentin: "Ich will versuchen, den Kitt für die Gesellschaft zu entwickeln und das mit allen anderen zusammen, nie als CDU-Politikerin, sondern immer als Mitglied des Gesamtparlamentes mit Grünen und Sozialdemokraten, Liberalen und Christdemokraten."
    Ein Blick in den Lebenslauf von Regina van Dinther zeigt, dass die neue Parlamentspräsidentin das Zeug dazu hat, parteipolitisches Gezänk auszuräumen und vorherrschende Verzagtheit entschlossen anzugehen. Zusammen mit ihrer Zwillingsschwester wurde Regina van Dinther am 15. Mai 1958 in Wetter an der Ruhr als Tochter eines selbständigen Schneidermeisters und einer Hausfrau geboren. Eine glückliche Kindheit mit einer wunderbar prinzipientreuen Großmutter als erstem Leitbild und vier Geschwistern gaben ihr feste Wurzeln. "Bei uns ging es bescheiden zu. Wir hatten kein Auto und wir fuhren auch nicht in Urlaub. Manchmal mussten wir auch auf ein Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenk verzichten, aber wir hatten Eltern, die sich um uns kümmerten." Nach Grundschule, Hauptschule, Berufsfachschule, Fachoberschule und Fachhochschule Niederrhein hatte sie sich zur Diplom-Ingenieurin gemausert und arbeitete zehn Jahre lang in der Bekleidungsindustrie.
    Das Engagement der ganzen Familie in Kirchengemeinde, Vereinsleben und Behindertenarbeit weckten in Regina van Dinther früh das Interesse für Politik. Sie trat in die Junge Union (JU) ein. Dort lernte sie auch ihren Mann kennen. 1986 heirateten beide. "Wir haben praktisch miteinander unsere Jugendzeit in der Politik verbracht und wirklich jeden Abend Politik gemacht", erinnert sich Regina van Dinther. Nach den zehn Jahren hängte ihr Mann die Politik an den Nagel, kümmerte sich um die zwei Kinder und hielt seiner Frau den Rücken frei für die politische Karriere, denn 1990 schaffte die damals 32-Jährige den Sprung in den Düsseldorfer Landtag.
    Kompromiss
    Hier wurde sie frauenpolitische Sprecherin und Mitglied im Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie. Bei dieser Aufgabe habe sie gelernt, wie wichtig es ist, überfraktionell auf Kompromisse zu setzen. Fünf Jahre später avancierte die Christdemokratin zur stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und wurde in den Ältestenrat gewählt. Außerdem ist sie seit 1998 Stadtverbandsvorsitzende der CDU Hattingen, 1999 wurde sie Landesvorsitzende der Frauen-Union NRW, und seit 2002 ist sie Mitglied im Bundesvorstand der CDU Deutschland. Ihre Wahlkreisarbeit setzt sie unvermindert fort. "Bei dem einen oder anderen Ehrenamt werde ich abspecken müssen", sagt die Landtagspräsidentin realistisch. Allzu gern möchte sie Landesvorsitzende der Frauen-Union bleiben - vor allem wegen des großen Vertrauens, das sie dort erfahren habe.
    Bei all der Verwaltungsarbeit, die auf Regina van Dinther zukommt, will sie viel im Land unterwegs sein und versuchen "nicht nur an die Köpfe heranzukommen, sondern auch die Herzen der Menschen anzusprechen". Gemeinsam mit den Mitarbeitern des Parlamentes möchte sie mehr Kreativität in den Landtag holen. Vor allem Kinder möchte sie einladen und für Politik interessieren. "Sie sollen lernen, dass Politik etwas Ernsthaftes ist, was damit beginnt, dass der Einzelne sich in seinem ganz nahen Umfeld um die Gemeinschaft und das Gemeinwohl kümmert."
    Zum Abbau von Stress und Termindruck hat Regina van Dinther ein ungewöhnliches, aber besonders wirksames Rezept: Sie ist in einem Chor mit Behinderten. "Wir haben ein gutes Miteinander, aber keine Vereinsmeierei. Wir singen Klassik und geistliche Musik. Wenn ich ganz ausgepowert bin, dann lege ich eine CD von meinem eigenen Chor auf. Das ist dann Balsam für meine Seele."
    Gerlind Schaidt

    ID: LIN00991

  • "Viel erreicht. Schnitt jetzt".
    Landtagspräsident (SPD) nimmt nach 35 Jahren Politik seinen Abschied.
    Porträt;

    S. 23 in Ausgabe 5 - 25.05.2005

    Landtagspräsident Ulrich Schmidt (63) wird nicht mehr dem neuen Landtag angehören. Es war seine eigene, persönliche Entscheidung. Niemand hat ihn dazu gedrängt. Aber wer mit ihm spricht, wie "Landtag intern" ein paar Tage vor der NRW-Wahl, der merkt: Leicht fällt ihm der Abschied aus der aktiven Politik nicht. So will er erst einmal Urlaub machen, Bücher lesen und darüber nachdenken, wie er seine politischen Erfahrungen und Verbindungen zum Nutzen der Menschen auch nach seinem Abschied in die Waagschale werfen kann.
    Ulrich Schmidt weiß aus der Erfahrung von 35 Jahren Politik (davon 30 im Landtag), dass man im politischen Leben am besten den Zeitpunkt selbst bestimmt, an dem man ausscheidet: "Es ist genug", meint er. "Ich habe eine Menge erreicht. Erst Ratsmitglied in Wetter, dann 20 Jahre Bürgermeister. Fünf Jahre Vizepräsident des Landtags. Zehn Jahre Präsident. Schnitt jetzt."
    Mit Empfehlungen an den neuen Landtag hält er sich zurück. Aber er hofft, dass die dann verringerte Zahl von Abgeordneten den Elan aufbringt, die parlamentarischen Abläufe weiter zu straffen und etwa die Zahl der Ausschüsse deutlich zurückzufahren. Zur Erklärung: Einige Minister der Landesregierung müssten derzeit vier oder fünf Landtagsausschüssen Rede und Antwort stehen. Schmidt: "Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Minister müssen regieren. Sie müssen ins Land gehen, mit den Leuten sprechen, damit sie wissen, was los ist."

    Bürokratie

    An dieses Prinzip politischer Arbeit hat sich Schmidt gehalten. Auch als Präsident, darauf legt er Wert, sei er immer noch Abgeordneter gewesen - mit offenen Ohren für die anderen Abgeordneten und für die Bürgerinnen und Bürger im heimischen Wahlkreis. Die hätten mit ihren Anliegen oft sein Wahlkreisbüro gestürmt. Dabei habe er, Schmidt, manchmal selber Schwierigkeiten gehabt, die Wege und Irrwege der Bürokratie nachzuvollziehen, in denen sich "der kleine Mann" hoffnungslos verfangen hatte: Wie soll der nämlich verstehen, dass er mit seinem Anliegen vom örtlichen Amt an den Regierungspräsidenten verwiesen wird - und wieder zurück? "Das reibt auf, das frustriert die Leute." Darum Schmidts Forderung: "Wir müssen so weit kommen, dass der staatliche Aufbau auf einer Seite DIN A 4 verständlich dargestellt werden kann." Also von der Verflechtung zur Entflechtung, zur Verlagerung von Zuständigkeiten auf die Ebene, die sie am besten und so bürgernah wie möglich erledigen kann.
    Am 8. Juni nimmt Ulrich Schmidt seine letzte Amtshandlung vor. Dann wird er die Mitglieder des neuen Landtags zur konstituierenden Sitzung begrüßen. Danach leitet er die Wahl seines Nachfolgers oder seiner Nachfolgerin. Er stellt das Wahlergebnis fest und teilt es dem Plenum und der Öffentlichkeit mit. Anschließend wird er seinem Nachfolger, seiner Nachfolgerin alles Gute und Glückauf wünschen.
    Der alte Bergmannsgruß geht ihm leicht von den Lippen. Schmidt hat einst beim Montanriesen Hoesch gearbeitet. Das moderne Hoesch-Stahlwerk in Dortmund ist nicht mehr: Abgebaut und nach China verfrachtet. So etwas hat Schmidt, der seinen Wahlkreis am Rande des Reviers hat, häufiger erlebt. Man nenne es "Strukturwandel" und vergesse, dass Menschen davon betroffen sind, meint der Präsident nachdenklich.
    "Ich habe die Diskussion um Münteferings "Heuschrecken" mit großer Aufmerksamkeit verfolgt und begleitet", sagt er und gibt ein Beispiel. Vor kurzem habe er erlebt, wie in Hattingen 350 Männer und Frauen mitsamt ihren Kindern demonstriert und dagegen protestiert haben, dass die Produktion nach China verlagert werden soll - alle Arbeitsplätze weg. Kone-Rolltreppen würden, so die Begründung der finnischen Unternehmensleitung, im Boomland China gebraucht, nicht so sehr im alten Europa. "Das verstehen die Leute nicht", erläutert Schmidt. Die hätten eher das Gefühl, sie würden ausgepresst: Das Know-how wird nach Asien mitgenommen, der Laden in Hattingen dicht gemacht. Dabei sei die Firma, ergänzt der Landtagspräsident, mit Mitteln des Landes gefördert worden und schreibe schwarze Zahlen.

    Globalisierung

    Nur eine notwendige Folge der Globalisierung? "Die Leute sehen das mit Angst", stellt der Politiker Schmidt fest. Den Kontakt zur Wirklichkeit hat er nicht verloren - auch als Präsident nicht, von dem man denkt, dass er über allem Streit schwebt und souverän die Geschäftsordnung eines Landtags zu handhaben weiß.
    JK

    Bildunterschrift:
    Ein nachdenklicher Präsident: Ulrich Schmidt blickt auf zehn Amtsjahre an der Spitze des Landtags zurück.

    ID: LIN00633

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Die Fraktionen im Landtag NRW