In Neuss am Rhein, so geht die Mär, ziehen wenige Hände an vielen Strippen. Die Hände gehörten, so heißt es, ein paar einflussreichen Sippen, die ökonomisch aus dem Gröbsten raus und außerdem römisch-katholisch seien, weshalb sie in der kleinen Großstadt auch die "heiligen Familien" heißen. Heinz Sahnen gehört nicht dazu, dennoch ist er wer in Neuss am Rhein. Das spricht für zweierlei: dass die Erzählung von den "heiligen Familien", welche die Stadtpolitik lenkten, so wahr nicht sein kann und dass der Fernmeldehandwerker, Briefträger, Abendgymnasiast, Kölner Student, Berufsschullehrer a.D., CDU-Matador im Rat und im Kreistag, dass also Heinz Sahnen kommunalpolitisch in seiner Wahlheimat auf eigenen Füßen steht.
Sahnen, der aus Geeste im Emsland stammt und 1967 nach Neuss gezogen ist, wurde also nicht dreimal mit Erftwasser getauft, wie man das einem "echten Nüsser" nachsagt. Er hat auch kein Mädchen aus Neuss am Rhein geheiratet, sondern eins aus dem niedersächsischen Emsland. Aber Sahnen ist katholisch, was ziemlich klar ist, wenn man aus dem Emsland kommt, einer Art katholischem Urstromland, wo die CDU mit schöner Regelmäßigkeit bei Wahlen so hoch siegt, wie es der CSU zum Beispiel im bayerischen Oberland gelingt. In seinem Kommunalwahlkreis hat Sahnen sowohl 1999 als auch fünf Jahre zuvor mit Resultaten knapp unter der 70-Prozent-Marke triumphiert. Bei der Landtagswahl 2000 schaffte er in Neuss rund 44 Prozent und verwies Innenminister Dr. Fritz Behrens (SPD) deutlich auf Rang zwei.
Sahnen ist einer jener CDU-Politiker und Katholiken, die zu ihrer Kirche halten, die sich aber ungern von Bischöfen, und seien es Kölner Kardinäle, dreinreden lassen. Sahnen ist zwar vorsichtig genug, derart scharf zu formulieren, aber den Satz "Bischof, sieh zu, dass du deine Kirche voll kriegst, wir in der CDU kümmern uns um die Wähler" empfindet er als so falsch nicht.
Christliche Wurzeln
Wenn Sahnen über das "C" in der Politik spricht, hört man den Wertkonservativen mit sozialem Herz heraus: Christlich-sozial, das bedeutet für ihn keine Politik mit Heiligenschein, er will kein Sprachrohr der Kirche sein, Nichtchristen nicht ausschließen. Sahnen, der mit 18 in die CDU eintrat und früh in der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung KAB aktiv war, hat ein politisches Credo: Keine aktive Sterbehilfe, keine Spätabtreibungen, keine verbrauchende Embryonenforschung, Stärkung der Familien, Wiederbelebung der Sozialen Marktwirtschaft, keine sinnlose Beschleunigung des Wandels der Lebensverhältnisse, ein differenziertes Schulsystem mit klarem Erziehungsauftrag gegen Gewalt und für soziales Verhalten.
Von Sahnen, dem Christlich-Sozialen, hört man auch diesen Satz: Die Hoffnung, dass sich durch ökonomischen Liberalismus Reichtum und Wohlstand schaffen lasse, habe sich nicht bewahrheitet. Das freie Spiel von Angebot und Nachfrage führe nicht zum Heil. Die im Grundgesetz verankerte Sozialpflichtigkeit des Eigentums nennt Sahnen einen "zwingenden Punkt".
Im Landtag, der zehn Autominuten vor seiner Haustür in Neuss-Erfttal liegt, beschäftigt sich der Christdemokrat viel mit Städtebau-, Wohnungswesen, Raumordnung.
Mit einem Grundoptimismus, jedoch nicht ohne Sorgen, denkt der Kommunalpolitiker an die Zukunft der Städte. Geringere Einnahmen, Einwohner-Rückgang (an der Rheinschiene - noch - kein Problem), Zuzug schwierig zu integrierender Bevölkerung. Sahnen will, dass die Integrations-Anstrengungen verstärkt werden - nicht allein zur besseren Eingliederung von Ausländern, sondern auch zu Gunsten an den Rand geratener Deutscher: "Sozialpolitik wirft ganz neue, große Fragen auf."
Sahnen fand nicht wegen großer Vorbilder zur Union. Er hält zwar Konrad Adenauer für einen großen Deutschen, aber sich nach Vorbildern zu orientieren, ist seine Sache nicht.
Der CDU-Mann spricht schnell und bezeugt, auch nein sagen zu können, wenn man ihn zum politischen Lastesel und Super- Vereinsmeier machen wolle. Männer wie Sahnen sind keine Freizeitspezialisten. Der Vater von zwei erwachsenen Söhnen besucht aber ein Fitness-Studio ("Man muss was tun"); und im Urlaub gelingt es ihm sogar, die Finger von der Politik zu lassen.
Reinhold Michels
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