Die Ehre, den berühmten Fragebogen im "FAZ"-Magazin ausfüllen zu dürfen, ist ihm noch nicht zuteil geworden. Über alle der dort üblichen Fragen hat er sich auch noch keine Gedanken gemacht. Aber für die letzte Frage, die nach dem Lebensmotto, hätte Manfred Dammeyer eine Antwort, die dort noch nicht zu lesen war: "Besser für eine gute Sache stottern als für eine schlechte Sache singen." Gerade jetzt paßt das prima. Denn die (bildungs-)politischen Zeiten sind nun einmal so, daß der bildungspolitische Sprecher der sozialdemokratischen Landtagsfraktion schon seit geraumer Zeit stottern muß. Bildungspolitik wird in der ganzen Republik - das sozialdemokratisch regierte Nordrhein-Westfalen hat sich da völlig dem Bundeschor angepaßt - wenn überhaupt nur noch ganz leis nach einer Melodie gesummt, bei der es auf den Text eigentlich gar nicht mehr ankommt. Hauptsache es klingt harmonisch. Manfred Dammeyer macht keinen Hehl daraus, daß dies ihn fuchst. Aber der Oberhausener ist zu lange im politischen Geschäft, als daß er nicht wüßte, daß es zur Zeit nicht opportun ist, gegen den um im Bild zu bleiben - Chorleiter anzusingen. Die "Machtfrage", sagt er, allerdings ohne jede Resignation, "soll man nur dann stellen, wenn man sie auch positiv beantworten kann". Und da sozialdemokratische Bildungspolitiker, besonders vom Kaliber des engagierten Dammeyer, heute weiter denn je von der politischen Macht entfernt sind, muckt Manfred Dammeyer, öffentlich zumindest, nicht mehr gegen das auf, was im Düsseldorfer Kultusministerium als sozialdemokratische Bildungspolitik ausgeheckt wird. Ganz salopp sagt er, daß Hans Schwier "nicht mein Problem ist" - soll heißen: Kultusminister kommen und gehen, die Werte emanzipatorischer, von Abhängigkeit befreiender, zu wirklicher Chancengerechtigkeit führender Bildungspolitik bleiben bestehen.
Und so ganz langsam geht es ja auch immer noch voran: Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit haben meist von Sozialdemokraten getragene Elterninitiativen in zwölf verschiedenen nordrhein-westfälischen Städten damit begonnen, jene nach dem neuen Schulgesetz geforderten Elternbefragungen zu organisieren, die auf die Einrichtung neuer Gesamtschulen zielen. Dammeyers Freunde und Mitstreiter in der Arbeitsgemeinschaft für Sozialdemokraten im Bildungsbereich unterstützen diese Bewegungen nach Kräften. Der Abgeordnete ganz lapidar: "Das ist eine sehr befriedigende Sache."
Was in den Wochen seit dem Wechsel von Girgensohn zu Schwier bildungspolitisch in der Landesregierung lief, befriedigt Manfred Dammeyer schon weniger. Aber, er sagte es bereits, das ist für ihn kein Thema, über das er sich mit dem Kabinett und der Mehrheit seiner Fraktionskollegen in "Landtag intern" streiten mag. Um so weniger, als er weiß, daß Bildungspolitik nicht nur aus jenen Texten besteht, die in Schwiers Ministerium in der Hoffnung ausgebrütet werden, die bildungspolitische Auseinandersetzung nach Möglichkeit aus dem kommenden Landtagswahlkampf herauszuhalten. Aber eine Mördergrube will der im Plenum zu den streitbarsten, angriffslustigsten Debattenrednern gehörende Dr. paed, aus seinem Herzen auch nicht machen: Es sei doch wohl aus sozialdemokratischer Sicht zumindest zweifelhaft, eine Maßnahme als Erfolg zu bewerten, "wenn ihr 85 Prozent der Bild-Leser zustimmen", ironisiert Dammeyer die Bemühungen des Kultusministers, die bildungspolitischen Gegensätze einzuebnen. Er benutzt bei dieser Gelegenheit, wenn auch in anderem Zusammenhang, jenen Begriff, mit dem Oscar Lafontaine einmal Helmut Schmidt bis aufs Blut gereizt hatte: Wenn jetzt Sekundärtugenden wie Ordnung, Sauberkeit, Fleiß, Aufmerksamkeit und was es da ähnlich Schönes gibt ein neues Gewicht erhielten, dann sei dies eine "antiaufklärerische Politik". Aber nicht solche Sekundärtugenden einzubleuen sei erste Aufgabe der Schule, meint Manfred Dammeyer und fordert statt dessen kategorisch: "Die Schule muß qualifizieren", müsse aufrichten, nicht ducken.
Geduckt vor den Mächtigen in der Partei hat er sich nie - auch so manche Niederlage hat ihn dies nicht gelehrt. Als er 1957 - Adenauers CDU hatte gerade im Bundestagswahlkampf die absolute Mehrheit gewonnen - Mitglied der SPD wurde, war er in seiner Schule der einzige Genosse. Zwei Jahre später schon gehörte er auf dem legendären Godesberger Parteitag zu jenen, die, wie er es sagt, "die Opposition organisierten", damals war er Bundessekretär des inzwischen auch schon fast legendären Sozialistischen Deutschen Studentenbundes, jenes SDS, der den Muff von tausend Jahren aus den Talaren der Hochschuleminenzen treiben wollte.
Nebenberuflich lehrt Manfred Dammeyer heute selbst an der Düsseldorfer Universität. Im Wintersemester 1984/85 liest er über "Bildungspolitik im föderativen System". Ob Studenten das heute noch fesselt? Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Mehrheitsfraktion, der in der Uni auch aus der Praxis plaudern kann: "Das will ich doch hoffen." In den vergangenen Semestern habe er keinen Grund zur Klage gehabt.
Reinhard Voss
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