26. Januar 2024 - Landtag und Landesregierung haben während einer gemeinsamen Gedenkstunde an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert.
Anlass war die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau am 27. Januar 1945 durch Soldaten der Roten Armee.
Ein Schwerpunkt der Veranstaltung im Plenarsaal war der Völkermord an den Sinti und Roma. Es sprach u. a. Roman Franz, der 1. Vorsitzende des
Landesverbandes deutscher Sinti und Roma NRW.
André Kuper, der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen, konnte zahlreiche Gäste im
Plenarsaal begrüßen - viele Abgeordnete sowie
Mitglieder der Landesregierung, aber auch viele
Vertreterinnen und Vertreter der Opfergruppen
des Holocaust sowie des öffentlichen Lebens.
Kuper erinnerte an das Leid der Millionen
Opfer des Nationalsozialismus, darunter allein
sechs Millionen europäische Jüdinnen und Juden.
Mit Blick auf die Hunderttausenden Bürgerinnen
und Bürger, die aktuell gegen Rechtsextremismus
auf die Straßen gehen, betonte er: "Sie setzen damit
ein deutliches Zeichen: Demokratinnen und
Demokraten dulden es nicht, dass unser Miteinander
in diesem Land durch Antisemitismus,
Extremismus und Hass vergiftet werden soll.
Wir lassen all das, wofür diese parlamentarische
Demokratie steht und was Generationen vor uns
hart errungen haben, nicht einmal annäherungsweise
in Richtung dunkle Zeiten einer Diktatur
zurückreißen. Allein das Nachdenken über Deportationen,
oder wie immer man sie bezeichnet,
ist eine Schande, eine Ungeheuerlichkeit." Kuper
ergänzte, "Nie wieder" dürfe nicht bloß leichtfertig
dahingesagt werden.
Wer heute einmal ein Konzentrationslager
besucht habe, sehe die Welt danach mit völlig
anderen Augen, sagte Ministerpräsident Hendrik Wüst. Deshalb sei es der Landesregierung so
wichtig, allen Schülerinnen und Schülern einmal
während ihrer Schulzeit die Gelegenheit zu
geben, ein solches oder eine Gedenkstätte zu besuchen.
"Die Herzen von Kindern und Jugendlichen
zu erreichen, sie starkzumachen gegen
Hass, darum geht?s." Wüst betonte: "Menschenwürde
ist unteilbar. Mitgefühl ist unteilbar." Er
erinnerte an den Völkermord an den Sinti und
Roma während der Nazi-Diktatur. Auch heute
noch seien Sinti und Roma teils offen, teils
subtil der Diskriminierung ausgesetzt. Die Landesregierung
errichte deshalb eine Meldestelle
Antiziganismus. "Zeigen wir auch im Alltag Zivilcourage
für Menschenwürde, für Demokratie
und für unser Land", rief er alle Zuhörerinnen
und Zuhörer auf.
"Werte der Demokratie"
Dr. Michael Rado, Vorstandsmitglied der Synagogen-
Gemeinde Köln, dankte für die Gedenkstunde
im Landtag. Das Kabinett und der größte
Teil der Abgeordneten hielten die Werte der
Demokratie hoch. Im Holocaust seien Jüdinnen
und Juden industriell vernichtet worden. Heute
dagegen schütze die Polizei jüdische Einrichtungen
in vorbildlicher Art und Weise. Wenn Schülerinnen und Schüler ehemalige Konzentrationslager
besuchten, müsse dies gut vor- und
nachbereitet werden. Wichtig sei, zunehmendem
Antisemitismus stärker entgegenzuwirken.
An die Abgeordneten und Mitglieder der
Landesregierung gerichtet sagte Rado: "Dämmen
Sie den Antisemitismus ein - und nicht
nur den. Ich verlasse mich auf Sie."
Eine der Sinti, die von den Nationalsozialisten
deportiert wurden, ist Theresia Neger. Zunächst
wuchs sie in dem 1935 errichteten "Zigeunerlager"
in Köln-Bickendorf auf. Im Mai 1940 wurde
ihre Familie nach Warschau und dann in das
Ghetto Siedlce deportiert. In einem Video, das
während der Gedenkveranstaltung gezeigt wurde,
erzählte sie von unvorstellbaren Gräueltaten, die
sie dort ansehen oder selbst erleben musste. Bis
zu 17.000 Jüdinnen und Juden sowie Sinti und
Roma waren im Ghetto Siedlce unter grausamen
Bedingungen eingesperrt. Zu ihren Kindheitserinnerungen
sagte Theresa Neger: "Richtig Frieden
findet man nicht. Da muss ich mit leben.
Ich habe nur Frieden, wenn ich tot bin."
Roman Franz, der 1. Vorsitzende des Landesverbandes
deutscher Sinti und Roma NRW,
bezeichnete die Gedenkfeier als "historischen
Punkt". Erstmals widme sich der nordrheinwestfälische
Landtag am "Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus" schwerpunktmäßig
auch den Sinti und Roma: "Für
uns alle ist es ein wichtiger Schritt in Richtung
gesellschaftliche Anerkennung."
(siehe Fortsetzung)
Systematik: 1060 Ideologien
ID: LI240110