15. November 2017 - Einen Haushaltsentwurf ohne Neuverschuldung - das hatte es in Nordrhein-Westfalen zuletzt 1973 gegeben. Für 2018 hat die Landesregierung von CDU und FDP nun wieder einen Etatentwurf
vorgelegt, mit dem sie plant, nicht mehr Geld auszugeben als eingenommen wird. In der ersten
Lesung diskutierten Koalition und Opposition, wessen Verdienst der ausgeglichene Haushalt ist.
Grundlagen der Debatte waren unter anderem
der Entwurf für das "Haushaltsgesetz 2018"
(Drs. 17/800) und die "Finanzplanung 2017-2021"
(Drs. 17/801). "Zusätzliche Mittel in nennenswertem
Umfang", heißt es, sollen in folgende
Bereiche fließen: Bildung, Innere Sicherheit,
Breitbandausbau, Digitalisierung, Verkehr und
Integration. Gespart werden sollen 131 Millionen
Euro vornehmlich bei Förderprogrammen
aus unterschiedlichen Landesressorts.
Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU)
sagte, mit dem ersten schuldenfreien Haushalt
seit 1973 werde die Landesregierung den politischen
Aufbruch des Landes flankieren. Er
kündigte an, dass alle regulären Haushalte dieser
Wahlperiode ohne eine Neuverschuldung
auskommen sollen. Das sparsame Wirtschaften
werde "zur DNA dieser Landesregierung". Zugleich
würden bei Investitionen die richtigen
Impulse gesetzt und es werde das notwendige
Geld zur Verfügung gestellt, damit das Land wieder nach vorne gebracht werden könne. Die
Finanzpolitik von CDU und FDP sei "geplant,
verlässlich und ehrlich". Sie bestehe aus dem
Dreiklang "Konsolidieren, Modernisieren, Investieren".
Ziel sei, das alte nordrhein-westfälische
Versprechen des Aufsteigerlandes einzulösen:
dass es jedem, der lerne und hart arbeite,
gut gehen solle.
"Fantasiezahl"
SPD-Fraktionschef Norbert Römer kritisierte: Erben
sei keine Leistung. Die Regierung habe von
der rot-grünen Vorgängerin "robustes Wirtschaftswachstum
und solide Finanzen, Steuereinnahmen
auf Rekordniveau und die niedrigste
Arbeitslosigkeit seit 25 Jahren geerbt". Vor
der Wahl habe die damalige Opposition hohe
Erwartungen geweckt und viele Versprechen
abgegeben, von denen sie gewusst habe, dass
sie diese niemals einhalten könne. Als Beispiele
nannte Römer die Pauschale des Bundes zur Integration
von Flüchtlingen, die nicht wie gefordert
an die Kommunen weitergeleitet und den
Pensionsfonds für Beamtinnen und Beamte,
der nicht wie gefordert aufgestockt werde. Zudem
seien die geplanten 100 Millionen Euro für
die Universitäten aus Gebühren ausländischer
Studierender eine "reine Fantasiezahl".
Man wolle NRW wieder zu einem Aufsteigerland
machen, sagte CDU-Fraktionsvorsitzender
Bodo Löttgen. Dieses Ziel habe man mit dem Haushaltsentwurf fest im Blick. Das Land wieder
in die Spitzengruppe zu führen, sei Anspruch
und Ziel der NRW-Koalition. Er wies darauf hin,
dass zur geplanten Konsolidierung des Haushalts
"gute und stabile Steuereinnahmen", aber
auch "Einsparerfolge" sowie eine "umsichtige
Ausgabenpolitik" beigetragen hätten: "Sparen
und die Zukunft aktiv gestalten, das geht zusammen."
Daher würden z. B. 2.048 neue Stellen für
Lehrerinnen und Lehrer, 1.135 neue Stellen in
der Justiz sowie 500 Stellen für die Polizeiverwaltung geschaffen. Der "Verzicht auf eine weitere Neuverschuldung des Landes" sei "das Ergebnis
einer verantwortungsbewussten und maßvollen
Haushaltspolitik der NRW-Koalition".
"Politikwechsel"
Grünen-Fraktionschefin Monika Düker warf der
Landesregierung vor, ihr Programm von Maß
und Mitte verkomme "zu Mutlosigkeit, Rückschritt
und Modernisierungsverweigerung".
CDU und FDP litten unter einem "kollektiven
Gedächtnisverlust", wenn nun nicht mehr die
Rede davon sei, dass Neuausgaben mit Einsparungen
finanziert werden sollten. Zudem gebe
es keine klare Aussage, wie Schulden in Zukunft
abgebaut werden sollten. Fehlende Investitionen
in die Liegenschaften würden sich in der
Zukunft rächen. Mit Kürzungen beim Sozialticket
würde Politik auf Kosten der Schwächsten
gemacht. An der Braunkohle festzuhalten, sei
keine Modernisierung, sondern rückwärtsgewandte
Politik. "Was Sie uns vorgestellt haben,
ist eben kein Gestaltungsplan. Hier wird keine
Vision von NRW in den nächsten Jahren formuliert."
Die NRW-Koalition wolle das Land sicherer,
moderner und chancenreicher machen,
sagte FDP-Fraktionschef Christof Rasche. Dies sei
geplante schwarze Null am Haushalt erkennbar. Erstmals seit 1973 lege
eine Landesregierung wieder einen ausgeglichenen
Etat vor. CDU und FDP hätten die von der
SPD im Stich gelassenen Kitas gerettet. Die SPD
habe "sieben Jahre lang auf eine grundlegende
Reform der Kita-Finanzierung verzichtet, aber
regelmäßig über die Notwendigkeit geredet".
Rasche sprach von einem "Politikwechsel".
Auch in der Wirtschaftspolitik hätten sich wesentliche
Änderungen vollzogen. Es gehe nicht
mehr darum, etwas zu verhindern, sondern darum,
etwas zu ermöglichen. In der Energiepolitik
sei ein "Ausgleich zwischen Ökonomie und
Ökologie" erforderlich. Auch in der Verkehrspolitik
sei eine Trendwende eingeleitet worden.
Entscheidend für die "schwarze Null" sei
die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank, sagte Markus Wagner, Vorsitzender der
AfD-Fraktion. Davon habe die Landesregierung
profitiert. Sparer würden "geschröpft",
Steuerzahler "ausgenommen". Außerdem beklagte
Wagner eine "katastrophale Verschlechterung
der Sicherheitslage" speziell in Köln
und wies auf den schlechten Zustand vieler
Polizeiwachen im Land hin, auf "Schimmel und
Schädlingsbefall". Die Polizei brauche "akzeptable
Rahmenbedingungen". Dazu gehörten auch
"Toiletten-Lastwagen" bei Demonstrationen.
Der "Investitionsstau" sei über Jahre hinweg entstanden, insbesondere unter der rot-grünen
Landesregierung. Die neue Landesregierung
müsse der Sanierung maroder Polizeiwachen
oberste Priorität einräumen. Dieser Wille sei im
Haushalt nicht erkennbar.
Das Haushaltsgesetz 2018 wurde zur weiteren
Beratung an den Haushalts- und Finanzausschuss
(federführend) überwiesen.
ell, sam, tob, wib, zab
Zusatzinformation:
Die Landesregierung von CDU und FDP legt mit dem Entwurf
für den Haushalt 2018 ihren ersten regulären Etat
vor. Erstmals seit 1973 ist geplant, keine neuen Schulden
aufzunehmen. Das Gesamtvolumen des Etats umfasst 74,5
Milliarden Euro (2017: 73,9 Mrd.). Schwarz-Gelb plant mit
Steuereinnahmen in Höhe von 58 Milliarden Euro (56,2
Mrd.). 131 Millionen Euro sollen in den verschiedenen
Ressorts eingespart werden. 7,1 Milliarden Euro (6,9 Mrd.)
werden investiert. Schwerpunkte sind dabei die Bereiche
Innere Sicherheit, Verkehr, Bildung, Digitalisierung, Integration
und Kultur. So sollen 58,2 Millionen Euro in eine
verbesserte Polizeiausstattung fließen, 38,35 Millionen
Euro mehr werden für den Erhalt von Landesstraßen eingeplant,
für den Breitbandausbau (schnelles Internet) 220
Millionen Euro. Laut der Mittelfristigen Finanzplanung soll
2019 ein Überschuss von 30 Millionen Euro ausgewiesen
werden, ab 2020 sollen es Haushaltsüberschüsse von
mehr als einer Milliarde Euro sein.
Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt; 8200 Finanzverwaltung; 1220 Landesregierung
ID: LI171003