Suche in der Landtag-Intern-Datenbank

Hilfe

Suche

Mit diesem Suchfeld werden alle Wörter des Titels und des Artikels durchsucht, außerdem alle bei dem Artikel zusätzlich erfassten Angaben.

Trunkierung:
* am Ende eines Suchwortes ersetzt ein oder mehrere Zeichen.

Suchwortverknüpfungen:

–"und-Verknüpfung"
Mehrere hintereinander eingegebene Suchworte werden automatisch mit "und" verknüpft, d.h. alle Suchworte müssen in einem Artikel vorkommen.
–"oder-Verknüpfung"
Die Eingabe von "or" zwischen den Suchworten bewirkt eine "oder-Verknüpfung", d.h. es muss nur eines der Suchworte in einem Artikel vorkommen.
–"Phrasen-Suche"
Suchworte, die mit Anführungszeichen oder Hochkommata verbunden werden, werden nur dann gefunden, wenn sie in der vorgegebenen Reihenfolge in einem Artikel vorkommen.

Suchfeldverknüpfungen
Wenn Suchworte in mehreren Suchfeldern eingegeben werden, werden die Sucheinträge mit "und" verknüpft.

Autor

Beim Schreiben in das Feld "Autor" öffnet sich automatisch eine Vorschlagsliste, aus der durch Anklicken ausgewählt werden kann. Autoren sind Abgeordnete und Fraktionen. Journalisten sind nicht als Autoren, sondern über das Feld "Suche" recherchierbar. Mit dem Fraktionsnamen lassen sich nur die Beiträge des Feldes "Aus den Fraktionen" recherchieren.

Wenn kein Autor aus der Vorschlagsliste ausgewählt wird, bestehen folgende Verknüpfungsmöglichkeiten:

– "und-Verknüpfung"
Mehrere hintereinander eingegebene Namen werden automatisch mit "und" verknüpft, d.h. alle angegebenen Personen müssen Autoren eines gemeinsamen Artikels sein.
– "oder-Verknüpfung"
Die Eingabe von "or" zwischen mehreren Namen bewirkt eine "oder-Verknüpfung", d.h. nur eine der angegebenen Personen muss Autor eines Artikels sein.

Trunkierung
* am Ende eines Suchwortes ersetzt einen oder mehrere Buchstaben.

Suchfeldverknüpfungen
Wenn Suchworte in mehreren Suchfeldern eingegeben werden, werden die Sucheinträge mit "und" verknüpft.

Rubrik

In diesem Feld können Sie aus einer Liste die gewünschte Rubrik auswählen.
Rubriken sind über längere Zeiträume wiederkehrende Artikelformen, z.B. "Porträt" oder "Titelthema / Schwerpunkt".

Suchfeldverknüpfungen
Wenn Suchwörter in mehreren Suchfeldern eingegeben werden, werden die Sucheinträge mit "und" verknüpft.

Thema

In diesem Feld können Sie aus einer Liste von Themenbereichen auswählen.
Eine Suche mit "Themen" empfiehlt sich, wenn die freie Suchworteingabe zu viele oder gar keine Treffer ergibt.

Suchfeldverknüpfungen
Wenn Suchworte in mehreren Suchfeldern eingegeben werden, werden die Sucheinträge mit "und" verknüpft.

Lädt
Wählen Sie Suchergebnisse aus, die Sie gebündelt anzeigen oder ausdrucken lassen wollen.
  • Abgehängt?
    Anhörung zur Zukunft des Nahverkehrs.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 17 in Ausgabe 7 - 11.07.2014

    3. Juni 2014 - In einer Anhörung im Verkehrsausschuss waren sich alle Sachverständigen einig: Notwendig seien erstens ein leistungsfähiger öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV), zweitens Anstrengungen, um zumindest den Erhalt zu sichern, und drittens eine stärkere Verantwortung des Bundes. Grundlage für die Anhörung war ein Antrag der PIRATEN.
    "Da wird ein bisschen was angestrichen und das nennt man dann Renovierung." Mit dieser Beschreibung der aktuellen Lage des ÖPNV durch Volker Wente (Verband deutscher Verkehrsunternehmen) stimmten alle Sachverständigen überein. Ihr Fazit: Es muss mehr investiert werden, um die Menschen von der Straße in Busse und Bahnen zu bewegen. Schon heute sei es so, dass ohne ÖPNV die Städte vor Blech überquellen würden, erläuterte Dr. Karl-Georg Schroll (Mobil mit Plan Verkehrs-Consult, Trier).
    Daher bestand in einer weiteren Feststellung Einigkeit unter den Experten: Notwendig sei ein leistungsfähiger ÖPNV vor allem in der Fläche. Auf dem Land seien die Menschen auf Pendelmöglichkeiten in die Ballungsgebiete angewiesen, so Dr. Markus Faber (Landkreistag). Dort seien aber auch leistungsfähige Möglichkeiten des Gütertransports notwendig, verwies er auf Zentren der industriellen Produktion im ländlichen Raum.
    Gerade hier aber sei der ÖPNV häufig abgeschnitten, so Schroll. Er sei eine freiwillige Aufgabe, die die sowieso schon klammen Kommunen nichts kosten dürfe. Dabei stelle es sich als Problem heraus, dass die Kosten für den ÖPNV offen sichtbar seien, während die Kosten für den motorisierten Individualverkehr in vielen kommunalen Haushaltstiteln versteckt blieben. Vor diesem Hintergrund plädierte er dafür, den ÖPNV als kommunale Pflichtaufgabe zu definieren.
    In der Regel sei gerade der Verkehr mit U- und S-Bahnen in den Städten als "Insellösung" angelegt, ergänzte Lothar Ebbers (Pro Bahn e. V. NRW). In einigen Städten wie Düsseldorf existierten sogar zwei unterschiedliche Netze nebeneinander. Und die Misere werde größer: Aufgrund steigender Trassen- und Schienenentgelte, die an die Deutsche Bahn abzuführen seien, stehe weniger Geld für Investitionen zur Verfügung. Und über die Bahn fließe das Geld dann weiter an den Bund.

    Leben von der Substanz

    Sprach Faber noch von "Engpässen", meinte Wente: "Wir leben zurzeit von der Substanz." Der Zeitwert der Anlagen sei in den letzten Jahren um rund 10 Prozent zurückgegangen. Und angesichts der derzeitigen politischen Vorgaben befürchtete er einen Baustillstand für rund zehn Jahre, denn geplant werde wohl erst wieder nach dem Jahr 2019.
    Dabei sei Nordrhein-Westfalen auch eines der wichtigsten Transitländer, betonte Dr. Norbert Reinkober (Zweckverband Nahverkehr Rheinland) und warnte: "Wir werden durch Köln bald nichts mehr durchbringen." Er forderte, die Maßnahmen in der Verkehrsinfrastruktur an den größten Engpässen statt an den ärmsten Kommunen auszurichten.
    Die Verkehrsinfrastruktur müsse sich an den Zielen der Energie- und Klimapolitik ausrichten, trat demgegenüber Prof. Heiner Monheim (Institut für Raumentwicklung raumkom) für eine Ausweitung des Blicks ein. Man müsse "Lawinen" von der Straße hin zum öffentlichen Nahverkehr bewegen. Jener müsse sich daher zum "Jedermannverkehr" entwickeln. Mit dieser Aufgabe seien aber die Städte und Dörfer überfordert, die eigentlich die Hauptakteure der neuen Verkehrspolitik sein sollten. Konkrete Erweiterungsmöglichkeiten sah Monheim in der Reaktivierung stillgelegter Trassen in der Fläche. Statt Kahlschlag brauche man auch im ländlichen Raum Angebote mit SBahn- ähnlicher Qualität.
    Woher das hierfür notwendige Geld denn kommen solle, wollten die Abgeordneten in Nachfragen von den Experten wissen. Diese betonten nicht nur die Verantwortung des Landes, sondern auch des Bundes. Gegenwärtig, so Faber, erhalte NRW vom Bund nur 15,76 Prozent der Regionalisierungsmittel, obwohl hier 21,8 Prozent der Bundesbevölkerung lebten. Ziel müsse daher eine Gleichbehandlung mit den anderen Bundesländern sein. Das mache rund 450 Millionen Euro pro Jahr aus, bezifferte Wente die Größenordnung. Er kritisierte auch die vom Bund zusätzlich bereitgestellten 5 Milliarden Euro: Damit würden letztlich nur bestehende Projekte vor allem bei den Bundesstraßen finanziert, für die Verkehrsinfrastruktur im ländlichen Raum hingegen bleibe wenig übrig. Die Länder müssten grundsätzlich die Bittstellerrolle ablegen und den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur als nationale Aufgabe einfordern, verlangte Monheim.
    cw

    Systematik: 2640 Schienenverkehr

    ID: LI140718

  • Zwischen Verkehrs- und Sozialpolitik.
    Sozialtickets sollen Mobilität fördern und Armut bekämpfen.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 19 in Ausgabe 7 - 11.07.2014

    1. Juli 2014 - "Die Fahrscheine bitte!" Wer mit Bus oder Bahn fährt, hat diese freundliche Aufforderung wohl schon häufig gehört. Was aber, wenn der Ticketpreis für den eigenen Geldbeutel einfach zu hoch ist und man trotzdem fahren muss? Weil man kein eigenes Auto hat, weil das Einkaufszentrum zu weit weg ist, weil sich die Arbeitsstelle am anderen Ende der Stadt befindet. Für diese Fälle gibt es Sozialtickets. Ob und wie man dieses Instrument ausweiten kann und soll, darüber berieten auf Antrag der PIRATEN (Drucksache 16/5277) Fachleute im Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr.
    Rund 38 Euro koste es regulär, wenn man aus dem Kreis Wesel nach Düsseldorf fahren wolle, um dort den Landtag zu besuchen, erläuterte Roman Reisch (ATTAC Niederrhein). Mit Blick auf solche Preise sei es notwendig, über Sozialtickets allen Bevölkerungsschichten die Möglichkeit zu geben, den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu nutzen. Ansonsten drohe ein "stetiger, schleichender, unsichtbarer Ausschluss von Menschen" aus der heutigen Mobilitätsgesellschaft, so Heiko Holtgrave (Institut für soziale und politische Planung, Dortmund). Gerade ärmere Bevölkerungsschichten wären vom ÖPNV abhängig, verwies er auf die teils beträchtlichen Distanzen zwischen Wohnsiedlungen, Einkaufsmöglichkeiten und Arbeitsstätten. Nehme man noch das Problem der Altersarmut hinzu, könne man den Problemkreis unter dem Begriff "Mobilitätsarmut" zusammenfassen.
    "Armut macht immobil", stimmte auch Holger Kirchhöfer (Altstadtarmenküche Düsseldorf) zu. Er erläuterte, dass der Regelsatz für Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfänger für die Nutzung des ÖPNV monatlich bei 19,20 Euro liege. Dies sei deutlich weniger als die 25 Euro, die selbst viele Sozialtickets kosteten. Daher müsse man sich überlegen, ob man die entsprechenden Mittel, mit denen das Land die Sozialtickets fördere, nicht in sinnvolleren Modellen einsetzen könne.
    Vor diesem Hintergrund waren sich die drei Fachleute darüber einig, dass die Sozialtickets übertragbar sein müssten, und lobten den entsprechenden Ansatz des Verkehrsverbunds Rhein-Sieg. Um Mobilität herzustellen, müssten die Tickets im gesamten Verkehrsverbund und ohne zeitliche Einschränkungen gelten. Immerhin sei Mobilität ein Faktor, der helfen könne, Armut zu beseitigen, betonte Kirchhöfer. Daher regte Holtgrave an, die Nutzung des ÖPNV vollständig freizugeben und diesen über Steuern oder eine Umlage zu finanzieren. Ein Überdenken der in der Sozialhilfe geltenden bundesweiten Regelsätze hielt dagegen Dr. Michael Spörke (SoVD NRW) für notwendig. Denn das Sozialticket sei die richtige Antwort auf die Herausforderung, Menschen Mobilität zu ermöglichen. Allerdings fand auch er, dass dieses Instrument anders ausgestaltet werden sollte: Die Verkehrspolitik müsse noch stärker für sozialpolitische Fragen geöffnet werden.

    Ausgewogenheit von Leistung und Einnahme

    Genau dies sah Volker Wente (Verband deutscher Verkehrsunternehmen) anders. Die sozialpolitische Herausforderung anerkennend meinte er, das Modell des Sozialtickets solle nicht im Verkehrssektor, sondern im Sozialsektor angesiedelt werden. So könne die öffentliche Hand Tickets zum regulären Preis erwerben und diese dann zu einem angepassten, zielgruppenorientierten Preis an Bedürftige weitergeben. Dann hätte man das sozialpolitische Ziel erreicht und erfülle gleichzeitig die Vorgabe an die Verkehrsbetriebe, Einnahmen zu erzielen. "Wir müssen uns zurückhalten bei Angeboten, die sich nicht rechnen", meinte Wente. Auf jeden Fall benötigten die Verkehrsbetriebe auch für das Angebot des Sozialtickets einen angemessenen Ausgleich. Hier stünden der festgeschriebenen Landesförderung von 30 Millionen Euro seit Jahren steigende Fahrpreise gegenüber.
    Derzeit sei die Finanzierung des Sozialtickets noch auskömmlich, aber eine Finanzierungslücke bahne sich an, meinte auch José Luis Castrillo (Verkehrsverbund Rhein-Ruhr, VRR). Es sei nun einmal notwendig, eine Ausgewogenheit von Leistungen einerseits und Preisen sowie Zuschüssen andererseits zu erreichen.
    Gute Erfahrungen mit einem Sozialticket habe der Zweckverband Nahverkehr Rheinland (NVR) gemacht, so dessen Vertreterin Anja Höhn. Man erreiche immerhin rund 37 Prozent der Berechtigten. "Wir fahren damit gut", zeigte sie sich zufrieden. Wichtig sei, die Landesförderung auch über das Jahr 2015 hinaus zu gewährleisten.
    Dieser Forderung konnte sich auch Lothar Ebbers (Pro Bahn NRW) anschließen. Er trat zudem dafür ein, die Mittel regelmäßig anzupassen. Es gehe schließlich um das Mobilitätsverhalten von Leuten mit wenig Geld. Die Gefahr sei, dass Fahrgäste aus dieser Zielgruppe einfach wegblieben; diesem Problem müsse man durch Sozialtickets entgegenwirken.
    cw

    Systematik: 5120 Sozialleistungen; 2600 Verkehr

    ID: LI140720

  • Der Druck steigt.
    Anhörung zum Hausärztemangel auf dem Land.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 6 - 04.06.2014

    22. Mai 2014 - In einer umfassenden Expertenanhörung haben zahlreiche Sachverständige zum Thema Ärztemangel in ländlichen NRW-Regionen Stellungnahmen und Einschätzungen abgegeben. Unter anderem ging es dabei um die Fragen, wie man die hausärztliche Versorgung in ländlichen Regionen sicherstellen und den Beruf attraktiver machen könne. Der Anhörung zugrunde lagen ein Antrag der CDU-Fraktion sowie ein Entschließungsantrag von SPD und GRÜNEN.
    Bezüglich einer allgemeinen Einschätzung waren sich die Sachverständigen nicht ganz einig. "Der Mangel ist da", sagte etwa Ansgar von der Osten von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. Dirk Ruiss vom Verband der Ersatzkassen dagegen sah keinen direkten Ärztemangel und warnte davor, in Hysterie zu verfallen. Differenzierter sahen es die meisten Sachverständigen: Mit Blick auf den demografischen Wandel werde sich das Problem verschärfen. Es betreffe aber weniger Fachärztinnen und -ärzte und weniger das ärztliche Krankenhauspersonal als vielmehr den Hausarzt, und diesen vor allem in ländlichen Regionen. Weil man aber nicht mehr auf einen "Speckgürtel an Krankenhäusern" (von der Osten) zurückgreifen könne, es also auch dort nicht mehr übermäßig viele fachärztliche Kräfte gebe, fehlten perspektivisch auch Fachärzte, die eine Grundversorgung mitübernehmen könnten. Und für kleine Orte gelte: Wo der Hausarzt fehle, fehle der Facharzt erst recht, gab Dr. Theodor Windhorst von der Ärztekammer Westfalen-Lippe zu bedenken.
    "Wir haben keinen Arzt-Kopf-Mangel, sondern einen Arzt-Zeit-Mangel", konkretisierte Bernd Zimmer von der Ärztekammer Nordrhein. 50 bis 60 Wochenstunden und bei Bedarf noch drei Bereitschaftsdienste - dazu sei der medizinische Nachwuchs nicht mehr bereit. Wie auch immer: Demografiebedingt sei mehr Hausarzt-Zeit nicht mittelfristig notwendig, sondern übermorgen, betonte Wolfgang Meunier vom Deutschen Hausärzteverband.
    Insgesamt bewertete Windhorst die landespolitischen Bemühungen als ausgesprochen positiv. Ruiss unterstrich: In keinem anderen Bundesland gebe es vergleichbare Initiativen wie das Aktionsprogramm "Hausärztliche Versorgung" - allerdings gebe es auch nirgendwo ein Patentrezept.

    1. Stellschraube: Ausbildung

    Um mehr junge Menschen für den Beruf der Hausärztin oder des Hausarztes zu begeistern, müsse man an den Hochschulen ansetzen, meinten einige Sachverständige. Viele forderten, die Zahl der entsprechenden Studienplätze zu erhöhen. Meunier ergänzte, wacklige Stiftungslehrstühle nutzten dabei überhaupt nichts; notwendig seien genügend Lehrstühle im ganzen Land. Gerade das Fach Allgemeinmedizin dürfe nicht nur singulär, sondern müsse an allen medizinischen Fakultäten angeboten werden, forderte Thomas May vom Wissenschaftsrat. Da im Raum Ostwestfalen- Lippe (OWL) der drohende Ärztemangel besonders hoch sei, hielt Dr. Thomas Krössin vom Zentrum für Innovation in der Gesundheitswirtschaft OWL es für besonders wichtig, vor Ort auszubilden. Er lobte eine entsprechende Kooperation mit der Universität Bochum, denn dezentrale Strukturen hätten einen Klebeeffekt: Bei sechs Jahren Studium plus ggf. Promotion plus fachärztlicher Ausbildung komme man leicht auf 15 Jahre - eine Zeit, in der Menschen Wurzeln schlügen und dann auch eher bereit seien, in der Region zu bleiben.

    2. Stellschraube: Unterstützung

    Die Situation sei in Krankenhäusern deshalb weniger dramatisch als bei niedergelassenen Ärzten, weil sich Kliniken ganz gezielt ärztliches Personal aus dem Ausland zur Unterstützung holten, erklärte Windhorst. Jedoch wandte Meunier ein, dass diese Ärztinnen und Ärzte in ihrer Heimat ebenso gebraucht würden. Ein rumänischer Arzt, der daheim pro Patient einen Euro verdiene und einmal nach Deutschland gekommen sei, gehe allerdings verständlicherweise nur ungern zurück. Auch wegen Sprachbarrieren sah er in einer Kompensation der Ärztelücke durch ausländische Kräfte keine Lösung.

    3. Stellschraube: Attraktivität

    Was kann Jungmedizinerinnen und -mediziner überzeugen, sich mit einer Hausarztpraxis niederzulassen? Um diese zentrale Frage drehte sich die Diskussion immer wieder. "Das Honorar ist okay", meinte der Kölner Hausarzt Dr. Axel Kottmann ebenso wie Ruiss. Vielfach wurde auch das Aktionsprogramm "Hausärztliche Versorgung" der Landesregierung gelobt. Dieses stellt denen, die sich als Hausärzte im ländlichen Raum niederlassen, 50.000 Euro Förderung in Aussicht und fördert daneben auch Weiterbildungen. Aber: "Wenn Sie jemanden wie mir, um die 50, mit Frau und Kindern, 50.000 Euro in die Hand drücken, werden Sie ihn niemals zum Wohnortwechsel bewegen", stellte Kottmann klar. Auch Zimmer meinte, die Niederlassung an einem Ort sei eine lebenslange Entscheidung, sie trage doppelt so lange wie eine durchschnittliche Ehe. Man entscheide sich mit einer Praxisniederlassung zugleich, dort alt zu werden.
    Eine andere finanzielle Frage sei aber schon relevant, gab Kottmann zu bedenken: Für junge Ärzte sei die Selbstständigkeit absolut unattraktiv. "Ich nehme nicht 100.000 Euro in die Hand und gucke dann, was passiert."

    Rolle der Kommunen

    Einige Sachverständige sahen Chancen, dass die Kommunen daran mitwirken könnten, Hausärztinnen und -ärzte zu überzeugen, sich bei ihnen vor Ort niederzulassen. Von der Osten etwa sprach davon, dass die Kassenärztliche Vereinigung entsprechende Medizinerinnen und Mediziner in puncto Niederlassung intensiv berieten, aber erst in einem Gesamtpaket gemeinsam mit der Kommune die besten Erfolge erziele. Stellschrauben der Kommunen sah er in Angeboten für Kinderbetreuung oder der Frage, ob Praxisräume zur Verfügung gestellt werden könnten. Windhorst sprach von einer gezielten Willkommenskultur, die seitens der Kommune gegenüber dem ärztlichen Nachwuchs notwendig sei. Ebenso wichtig sei es bei solchen Lebensentscheidungen, dass zum Beispiel für die Kinder alle weiterführenden Schulen zur Verfügung stünden, ergänzte Meunier. Allein diese Faktoren, meinte Dr. Anne Bunte vom Gesundheitsamt Köln, könnten es aber auch nicht richten: Köln gelte als attraktiv für junge Familien, habe alle relevanten Standortfaktoren - und trotzdem gebe es in manchen Stadtteilen Nachbesetzungsprobleme. Kommunen müssten maßgeschneiderte Profile für den Einzelfall anbieten, forderte Zimmer. Auch die Lebenspartnerin oder der Lebenspartner müsse mitbedacht werden und in der Kommune eine Zukunft haben: "Es kann nicht sein, dass einer in Münster und einer in Düsseldorf arbeiten muss." Die Gewährleistungsverantwortung für eine ausreichende ärztliche Versorgung liege bei der Kassenärztlichen Vereinigung und solle auch da bleiben, betonte Dr. Kai Zentara, der für die Kommunalen Spitzenverbände sprach. Wo immer möglich, würden Kommunen gern ergänzend tätig, aber das habe Grenzen: Eine Gewährung von geldwerten Vorteilen sah er kritisch. Denn ein solcher Wettbewerb unter den Kommunen bringe alle in Zugzwang und treibe die Preise für die - selbst klammen - Kommunen hoch.

    Entlastung

    Ein weiterer Ansatzpunkt, um hausärztliches Personal zu finden und den Beruf attraktiver zu machen, bezog sich auf Entlastungsmöglichkeiten im Arztberuf. Immer wieder sprachen Sachverständige die Möglichkeit an, bestimmte Handlungen an anderes qualifiziertes medizinisches Personal zu delegieren. Allerdings problematisierte beispielsweise Dr. Peter Potthoff von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, dass man zwar viele Versorgungsassistenten ausgebildet habe, sie aber nur in unterversorgten Gebieten einsetzen dürfe. Da die Definition von "unterversorgt" einen erheblichen Aufwand bedeute, forderte er, diese Beschränkung aufzuheben. Ruiss plädierte für eine Landesförderung bezüglich arztentlastender Tätigkeiten. Generell kranke es nicht an Ideen auf diesem Gebiet, sondern an einer zögerlichen bis ausbleibenden Umsetzung, meinte Meunier.

    Arbeitszeit

    Zu den Dienstzeiten erklärte der Ärztevertreter: Vor allem die häufigen Bereitschaftsdienste seien es, die junge Menschen vom Hausarztberuf abschreckten. Windhorst hingegen hielt die Zeiten dank der Notfalldienstregelungen für relativ geregelt. Auch Kottmann bestätigte, die Honorarverordnung lasse es zu, Dienstzeiten zu verkürzen und - Beispiel Gemeinschaftspraxis - trotzdem annähernd gleichviel zu verdienen. Den Arbeitszeitmangel bekämen dann allerdings die Patientinnen und Patienten zu spüren, verwies er auf lange Wartezeiten.
    Vor dem Hintergrund, dass die Zukunft des ärztlichen Personals aus seiner Sicht weiblich sei, sei über Arbeitszeiten ohnehin noch einmal ganz neu nachzudenken, verwies Zimmer auf einen etwaigen Zwei-Drittel-Anteil von Frauen an der Medizin-Studentenschaft. In einer Gesellschaft, die auch noch andere Prioritäten als Arbeit habe, sei eine Wochenarbeitszeit von 37 Stunden für Frauen im Zusammenhang mit Kindererziehungszeiten nicht zumutbar. Da müsse man eher über 27 Stunden pro Woche reden.

    Teams bilden

    Eine große Chance sahen einige Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Gründen in der Bildung von Teams. Vorschläge reichten von der bereits genannten Gemeinschaftspraxis über Versorgungszentren bis hin zu regionalen multiprofessionellen Teams, die sowohl ärztliche als auch pflegerische Versorgung gemeinsam bewältigen könnten. Von der Osten regte beispielsweise an, Versorgungszentren nicht an fachärztliche Aspekte zu knüpfen sondern auch rein hausärztliche Zentren zu schaffen. Gemeinsam könne eine Dienstzeit von 7 bis 21 Uhr ermöglicht werden, ohne einzelne Kolleginnen oder Kollegen zu überlasten, erläuterte Meunier. Aus Schleswig-Holstein berichtete Dr. Wolfgang Wodarg, dass es dort bereits heute erfolgreiche Projekte zur kostenträgerübergreifenden Integration der für die Versorgung notwendigen Angebote in ländlichen Regionen gebe. Solche regionalen Vereinbarungen könnten eine hausärztlich-pflegerische Grundversorgung abdecken. Eine Arbeit in diesen Modellen fördere auch einen frühen Austausch der unterschiedlichen Professionen untereinander. Auch Weiterbildung lasse sich an solchen Zentren ansiedeln.
    Für eine generelle Umsteuerung hin zu einer multiprofessionellen Versorgung sprach sich Prof. Dr. Doris Schaeffer aus. Die Bielefelder Gesundheitswissenschaftlerin betonte, dass die Notwendigkeit einer solchen Entwicklung längst bekannt sei, nur nicht vollzogen werde. Und in der Pflege sei der Fachkräftemangel noch massiver als in der Medizin.
    sow

    Zusatzinformation:
    PTA-Ausbildung
    In der Anhörung ging es außerdem um die Zukunft der Ausbildung pharmazeutisch-technischer Assistentinnen und Assistenten (PTA). Gemeinnützige Vereine müssten das Schulgeld so erhöhen, dass Bewerberzahlen zurückgingen und Schulen schließen müssten, obwohl es einen erhöhten Bedarf gebe. Vor diesem Hintergrund sollten Land oder Bund die Ausbildungsfinanzierung übernehmen oder zumindest unterstützen, forderten Branchenverband und Praktikerinnen.

    Systematik: 5230 Medizinische Berufe; 5200 Gesundheit

    ID: LI140611

  • Neumann, Josef (SPD); Preuß, Peter (CDU); Ünal, Arif (Grüne); Schneider, Susanne (FDP); Wegner, Olaf
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum Thema hausärztliche Versorgung.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 12-13 in Ausgabe 6 - 04.06.2014

    Ärztinnen und Ärzte sind oftmals die Schnittstelle zwischen Mensch und Gesundheit. Um auch in Zukunft eine bedarfsgerechte, wohnortnahe hausärztliche Versorgung sicherzustellen, ...

    Josef Neumann (SPD) ... müssen wir vor allem für junge Medizinerinnen und Mediziner Anreize schaffen, die das Hausarztmodell attraktiver machen. Der Allgemeinmediziner ist als Lotse durch die medizinische Versorgung wichtiger denn je. Alles ist komplexer geworden. Das macht das Hausarztmodell umso unverzichtbarer. Wir brauchen den Doktor des Vertrauens im Quartier, im Dorf, in der Stadt, quasi den "Universalist", der den Menschen ganzheitlich sieht. Um dafür den ärztlichen Nachwuchs zu begeistern, brauchen wir weitergehende Finanzierungsmodelle und Abrechnungsmodi und Projekte wie Eva, die "Entlastende Versorgungsassistentin", um die drohende Unterversorgung abzufedern.
    Peter Preuß (CDU)... ist es wichtig, bereits bei der Medizinerausbildung anzusetzen und genügend Studienplätze zu schaffen. Das Interesse junger Menschen am Medizinstudium ist nach wie vor groß. Die Landesregierung muss darauf mit zusätzlichen Studienplätzen reagieren. Die CDU-Fraktion hat mit der Initiative "Wir wollen den Arzt vor Ort" ein Konzept entwickelt, um eine ortsnahe, allgemeinmedizinische Versorgung künftig umfassender sicherzustellen. Vor allem junge Ärztinnen und Ärzte müssen durch attraktive Anreize motiviert werden, sich in Gebieten niederzulassen, die bereits jetzt vom Ärztemangel bedroht sind oder es bald sein werden.
    Arif Ünal (GRÜNE)... müssen wir erreichen, dass sich wieder mehr Medizinerinnen und Mediziner hierfür entscheiden. Neue Arbeitszeit- und Kooperationsformen sind notwendig, mit denen sie Beruf, Familie, Pflege und Freizeit vereinbaren können. In Zukunft werden daher alternative Kooperationsformen und neue Niederlassungsmodelle wichtig sein, wie auch die Möglichkeit, im Angestelltenverhältnis tätig zu sein. Aufgabe wird es sein, die Sicherstellung einer flächendeckenden, zugänglichen, wohnortnahen ärztlichen, pflegerischen und psychosozialen Versorgung auch in ländlichen und strukturschwachen Regionen sowie in sozial benachteiligten Stadtteilen sicherzustellen.
    Susanne Schneider (FDP)... brauchen wir vor allem weiterhin motivierte und engagierte Ärzte. Deswegen ist es wichtig, attraktive Bedingungen für die Niederlassung zu schaffen. Das von der FDP im Bund auf den Weg gebrachte Versorgungsstrukturgesetz beinhaltet schon wichtige Schritte. Durch den Wegfall der Residenzpflicht können Ärzte nun frei entscheiden, wo sie leben möchten, und sind nicht mehr gezwungen, am Praxisstandort zu wohnen. Ebenso wurden die Möglichkeit einer bis zu zwölfmonatigen Praxisvertretung und die Option der Eröffnung von Teilzeitpraxen geschaffen. NRW braucht eine Bedarfsplanung, die regional verankert ist und Flexibilität gewährt.
    Olaf Wagner (PIRATEN)... muss der detaillierte Bedarf ermittelt und berücksichtigt werden. Die Anzahl der Ärzte lediglich pauschal für große Regionen zu planen, reicht nicht mehr aus: Auch die Bedürfnisse in den Vierteln und Stadtteilen müssen berücksichtigt werden. Nur dann kann mit Blick auf die unterschiedlichen Altersstrukturen eine bedarfsgerechte Versorgung vor Ort sichergestellt werden. Lediglich die sogenannten Alten- Wohngemeinschaften ins Leben zu rufen, ist zu wenig. Im hohen Alter ist häufig eine intensive Betreuung notwendig, die nur mit gut ausgebildetem Fachpersonal und einem angemessenen Betreuungs- und Fachkräfteschlüssel zu gewährleisten ist.

    Neben der ambulanten Versorgung stellt auch die Sicherung der stationären Versorgung eine Herausforderung dar. Um ausreichendes und gutes Personal für die Krankenhäuser zu gewinnen und auch zu halten, ...

    Josef Neumann (SPD)... ist es unerlässlich, dass das pflegerische und medizinische Personal endlich die gesellschaftliche Wertschätzung erfährt, die seiner Verantwortung gerecht wird. Dazu gehören eine entsprechende Entlohnung, akzeptable Arbeitsbedingungen, die auch junge Menschen anspornen, sich für "Rund-um-die-Uhr-Berufe" zu entscheiden. Auch hier gilt: Arbeitsbedingungen müssen sich hinsichtlich Arbeitszeit und Flexibilität am Lebensalltag orientieren. Dazu gehören unter anderem familienfreundliche Angebote wie Kinderbetreuung oder Freistellungsmöglichkeiten, um den Anforderungen in der Familie ebenfalls gewachsen zu sein.
    Peter Preuß (CDU)... müssen alle Tätigkeiten im Bereich der medizinischen Versorgung und Pflege mehr Wertschätzung erfahren. Dazu gehören neben einer angemessenen Vergütung auch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowohl für medizinische als auch für pflegerische Fachkräfte. Die Unterstützung durch ausländische Fachkräfte ist ausdrücklich zu begrüßen. Hierfür muss die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse dringend vereinfacht und beschleunigt werden.
    Arif Ünal (GRÜNE)... ist die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wichtig. Motivierende und gesunde Arbeitsbedingungen sowie eine angemessene Personalausstattung in den Krankenhäusern sind hierzu wichtig. Zunehmende Arbeitsverdichtung und ein massiver Personalabbau insbesondere in der Pflege gefährden die Versorgungsqualität. Daher muss der Bund die Rahmenbedingungen zur Finanzierung - vor allem - des Pflegepersonals in den Krankenhäusern verbessern. Eine neue Personalbemessung ist notwendig, bei dem der Personalbedarf aus dem Pflegebedarf der Patientinnen und Patienten bemessen und sichergestellt wird, dass die vorgesehenen Mittel in der Pflege ankommen.
    Susanne Schneider (FDP)... muss die Familienfreundlichkeit der Krankenhäuser weiter verbessert werden. Dazu hat die FDP schon in der Vergangenheit Initiativen in den Landtag eingebracht. Viele Kliniken bieten bereits attraktive und flexible Arbeitszeitmodelle und Unterstützung bei der Kinderbetreuung an. Zudem benötigen Beschäftigte im stationären Bereich gesundheitsfördernde und weniger belastende Arbeitsbedingungen. Dazu gibt es in Krankenhäusern in NRW bereits gute Projekte - einige Kliniken bieten zum Beispiel Ausgleichssport oder eine 24-Stunden-Hotline an, die Mitarbeiter, deren psychische Belastung häufig sehr hoch ist, kontaktieren können.
    Olaf Wegner (PIRATEN)... müssen vor allem die Gesundheitsfachberufe attraktiver gestaltet werden. Es sind die schlechte Bezahlung und der enorme Stress bei enorm hoher Verantwortung, die viele dieser Berufe für die meisten Menschen unattraktiv machen. Da die Rund-um-die-Uhr-Pflege immer wichtiger wird, müssen wir endlich anfangen, unser Pflegepersonal wirklich zu unterstützen und die Ausbildung zu fördern. Ein weiteres großes Problem ist die verstärkte Unverträglichkeit von Familie und Beruf, die die meisten pflegenden Berufe mit sich bringen. Für dieses Problem wären z. B. Betriebs-Kindertagesstätten mit an den Arbeitszeiten angepassten Öffnungszeiten eine Lösung.

    Auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wäre ein Fachkräftemangel in medizinischen Berufen fatal. Um dem vorzubeugen, ...

    Josef Neumann (SPD)... ist es wichtig, die bereits im Gesundheitswesen arbeitenden Fachkräfte zu halten und neue zu binden. Dafür sind unterschiedliche Stellenmodelle und Arbeitsangebote vonnöten. Es braucht viele Maßnahmen, um das vorhandene Personal zu stärken und nicht nur eine alleinige Zuwanderung von Fach- und Pflegekräften aus dem Ausland. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, das hohe Niveau des Gesundheitswesens gerade mit Blick auf die demografische Entwicklung zu sichern. Da sind Arbeitgeber, Verbände und Staat gleichermaßen in der Verantwortung. Wir brauchen eine "Behaltekultur", für die bereits Beschäftigten, und für den Nachwuchs eine "Willkommenskultur".
    Peter Preuß (CDU)... müssen wir die Ausbildung von ausreichend medizinischen Fachkräften sicherstellen. Auch die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland kann dazu beitragen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Zudem muss der Telemedizin ein größerer Stellenwert eingeräumt werden. Sie ermöglicht es, unter Einsatz audiovisueller Kommunikationstechnologien trotz räumlicher Trennung Diagnostik, Konsultation und medizinische Notfalldienste anzubieten. Dies wird in Zukunft vor allem im ländlichen Raum ein wichtiger Bestandteil der medizinischen Versorgung sein. Pflegebedürftigkeit muss durch Prävention und Rehabilitation so lange wie möglich vermieden werden.
    Arif Ünal (GRÜNE)... ist bereits durch Rot-Grün die Zahl der Medizinstudienplätze um zehn Prozent erhöht worden. 2011 bis 2015 werden jährlich rund 200 zusätzliche Medizinstudierende aufgenommen. 50 Millionen Euro stellt das Land hierfür bereit. Weitere Studienplätze werden im Rahmen einer Kooperation zwischen der Uni Bochum und den Kliniken in Ostwestfalen-Lippe eingerichtet. Gleichzeitig wollen wir die Studierenden auch für eine hausärztliche Tätigkeit interessieren und die Allgemeinmedizin in der Ausbildung stärken. Um die Ärztinnen und Ärzte auch für den ländlichen Raum zu gewinnen, bietet das Programm "Hausärztliche Versorgung" diverse Fördermöglichkeiten.
    Susanne Schneider (FDP)... ist es notwendig, die Wertschätzung für die Menschen in pflegerischen und medizinischen Berufen, die wichtigen Dienst in unserer Gesellschaft leisten, zu erhöhen. Die Ausbildung für Pflegeberufe muss generalisiert werden. Die Akademisierung zu fördern, ist sinnvoll - aber als Weiterbildung bereits ausgebildeter Pflegekräfte, nicht als Zugangsvoraussetzung. Um dem Ärztemangel im ländlichen Raum entgegenzuwirken, ist es notwendig, dass ein Medizinstudium mit guten Studienbedingungen in allen Landesteilen möglich ist. Damit die Studierenden wirklich im Arztberuf ankommen, müssen die Abbrecherquoten auf ihre Ursachen untersucht werden - hier ist Rot-Grün gefordert.
    Olaf Wegner (PIRATEN)... muss mehr in die Ausbildung der Altenpflege investiert und die Altenpflege selbst finanziell besser ausgestattet werden. Fehlt uns gut ausgebildetes Personal, riskieren wir, dass die durchschnittliche Lebenserwartung wieder sinkt. Dies gilt es, in jedem Fall zu verhindern. Wir müssen jetzt die Weichen für morgen stellen. Der Gesellschaft bleibt gar nichts anderes übrig, als die Pflege immer stärker finanziell zu unterstützen, wenn wir ein würdevolles Altern und Sterben ermöglichen wollen, was heutzutage schon immer seltener wird. Je länger wir warten, um so schlimmer wird die Notlage.

    Systematik: 5230 Medizinische Berufe; 5200 Gesundheit

    ID: LI140612

  • Voigt-Küppers, Eva-Maria (SPD); Kaiser, Klaus (CDU); Beer, Sigrid (Grüne); Gebauer, Yvonne (FDP); Pieper, Monika (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum Thema Bildung.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 12-13 in Ausgabe 5 - 14.05.2014

    Um das Kinderbildungsgesetz sinnvoll zu reformieren, kommt es darauf an, ...

    Eva-Maria Voigt-Küppers (SPD) ... dass wir die frühkindliche Bildung finanziell weiter stärken und unterstützen, aber die anderen Beteiligten, vor allem Kommunen und Bund, nicht aus der Verantwortung entlassen. Das Land geht mit 390 Millionen Euro in Vorleistung. Wichtig sind für uns die Formulierung des Bildungsbegriffs und die Stärkung der Sprachförderung. Die neue Qualität setzt Maßstäbe für die Zukunft. Gleichzeitig entlasten wir Eltern und Fachkräfte.
    Klaus Kaiser (CDU) ... endlich wieder Qualität statt bloß Quantität in den Fokus zu rücken. Wer vom Kind aus denkt, der bemisst eine gute Kinderbetreuung in erster Linie an ihrer Qualität und weniger daran, ob sie beispielsweise kostenlos ist. Auch ist es nicht im Sinne der Kinder, wenn Betreuungsgruppen vollgestopft oder vergrößert werden.
    Sigrid Beer (GRÜNE) ... eine Weiterentwicklung zur Finanzierung und Qualitätsentwicklung zu finden, in der der Bund verlässlich mit im Boot ist. Platzangebot, Öffnungszeiten und Profil der Einrichtung sollen flexibler gestaltet werden. Der Spracherwerb soll einen höheren Stellenwert erhalten und die Qualität der Tagespflege gesichert werden.
    Yvonne Gebauer (FDP) ... dass es für Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege eine auskömmliche Grundfinanzierung gibt. Die Übernahme neuer Aufgaben muss mit entsprechenden Mitteln einhergehen, sonst werden die bereits an der Belastungsgrenze arbeitenden Erzieherinnen und Erzieher überfordert. Außerdem braucht es klare Regelungen, wie dem Wunsch der Eltern nach flexibleren Betreuungszeiten nachgekommen werden kann.
    Monika Pieper (PIRATEN) ... dass die frühkindliche Bildung einen höheren Stellenwert bekommt. Die Maßnahmen müssen finanziell so ausgestattet werden, dass sie sinnvoll umgesetzt werden können. In einem eigenen Absatz müssen die Kinderrechte als zentraler Bezugsrahmen für die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen mit aufgenommen werden. Nur so werden die Rechte der Kinder im Alltag begreifbar und lebendig.

    Mit Blick auf die Diskussion um das Abitur nach acht Jahren sollte die gymnasiale Oberstufe zukünftig ...

    Eva-Maria Voigt-Küppers (SPD) ... in die Diskussion um die Länge des gymnasialen Bildungsganges miteinbezogen werden.
    Klaus Kaiser (CDU) ... so gestaltet sein, dass der Wissenschaftsstandort Nordrhein-Westfalen gestärkt wird durch fachlich und leistungsmäßig gut ausgebildete und damit studierfähige Abiturientinnen und Abiturienten.
    Sigrid Beer (GRÜNE) ... durchlässig und anschlussfähig für Schülerinnen und Schüler anderer Schulformen bleiben. Sekundarschulen haben Kooperationen mit der Oberstufe von Gymnasien beschlossen. Die Belastung der Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I (Klassen 5-9) soll unter anderem durch das Durchforsten der Lehrpläne und Integration der Schulaufgaben in den Ganztag gesenkt werden.
    Yvonne Gebauer (FDP) ... in der dreijährigen Form an den unterschiedlichen Schulformen erhalten bleiben. Große Umstellungen an Gymnasien würden massiv Kräfte zehren. Es müssen jedoch endlich die Benachteiligung der Gymnasien beendet, die G8-Mängel behoben und ein vernünftiger Ausgleich zwischen Schul- und Freizeit für Kinder und Jugendliche hergestellt werden, so zum Beispiel durch mehr Stellen zur individuellen Förderung.
    Monika Pieper (PIRATEN) ... flexible Angebote zur Verfügung stellen. Alle Gymnasien sollten sowohl G8 als auch G9 anbieten. Dies könnte durch die Alternativen zwei oder drei Jahre Oberstufe realisiert werden. Die sehr späte Entscheidung nach Klasse 10 hätte zum einen den Vorteil einer ziemlich sicheren Erfolgsprognose. Außerdem müssten durch das sowieso vorhandene Kurssystem in der Oberstufe keine extra Klassen gebildet werden.

    Damit Hochschulen zukunftsfähig und erfolgreich sein können, muss der Staat ...

    Eva-Maria Voigt-Küppers (SPD) ... alle Mitglieder der Hochschulen in den Mittelpunkt stellen und gute Rahmenbedingungen schaffen. Demokratische Mitbestimmung sowie gute Arbeitsbedingungen sind dafür genauso unverzichtbar wie eine solide Finanzierung und die Freiheit für Hochschulen, auch individuelle Lösungen zu finden. Hervorragende Forschung und Lehre müssen zudem in eine entsprechende Wissenschaftslandschaft eingebettet sein.
    Klaus Kaiser (CDU) ... den Hochschulen Autonomie und Wissenschaftsfreiheit zugestehen, statt sie - wie von Frau Schulze beabsichtigt - wieder ans bürokratisch bevormundende Gängelband zu nehmen.
    Sigrid Beer (GRÜNE) ... für eine ausreichende Finanzausstattung der Hochschulen sorgen, damit sie in Lehre und Forschung international Anschluss halten können. Die Lehrstühle wie die Stellen der wissenschaftlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen müssen in Bezahlung und Perspektive attraktiv sein. Hier wie bei Kita und Schule muss endlich das Kooperationsverbot fallen.
    Yvonne Gebauer (FDP) ... auf die Hochschulfreiheit setzen. In den letzten Jahren haben die nordrhein-westfälischen Hochschulen bewiesen, dass sie verantwortungsvoll und erfolgreich mit der ihnen übertragenen Autonomie umgehen. Nicht der diktierende Staat, sondern selbstständige Hochschulen führen zu exzellenter Forschung und Lehre. Nur eine Stärkung der Hochschulfreiheit kann diese Erfolge auch für die Zukunft sichern.
    Monika Pieper (PIRATEN) ... als Garant der grundgesetzlich verankerten Freiheit von Forschung und Lehre handeln und wirken. Freiheit für Wissenschaft und Bildung beinhaltet ein Maximum an Unabhängigkeit sowohl von staatlichen Vorgaben als auch von Zwängen des Marktes. Denn der Kern guter Wissenschaft bedeutet ein möglichst offenes Fragen können.

    Noch immer hängt der Lernerfolg auch an der sozialen Herkunft der Kinder. Diesen Zusammenhang gilt es zu durchbrechen, indem ...

    Eva-Maria Voigt-Küppers (SPD) ... wir auf längeres gemeinsames Lernen setzen, um so zu einer größeren Bildungsgerechtigkeit zu gelangen.
    Klaus Kaiser (CDU) ... die Leistungsfähigkeit von Schülerinnen und Schülern gefördert wird, denn sozialer Aufstieg ist allein durch Leistung möglich.
    Sigrid Beer (GRÜNE) ... schon in der Kita bei allen Kindern alle Potenziale gefördert werden. Das muss sich in der Schule fortsetzen. Außerdem sind eine intensive Elternarbeit nötig sowie die Vernetzung im Schulumfeld, damit multiprofessionelle Unterstützung greifen kann. Der Sozialindex ist dabei ein sinnvolles Instrument.
    Yvonne Gebauer (FDP) ... insbesondere durch frühkindliche Förderung vor dem Schuleintritt und individuelle Förderung in der Schule diesem großen Problem entgegengewirkt wird. Leistungsvergleiche der Länder haben gerade wieder verdeutlicht, dass eine solche Entkopplung durch "längeres gemeinsames Lernen" als Änderung der Schulstruktur nicht gelingt, sondern der Fokus auf der inneren Schulentwicklung liegen muss.
    Monika Pieper (PIRATEN) ... genug personelle und sachliche Ressourcen in die Schulen gegeben werden, um eine echte individuelle Förderung sicherzustellen. Das umfasst sowohl die Lehrerversorgung als auch die flächendeckende Bereitstellung multiprofessioneller Teams, wie Sozialarbeiter und Psychologen. Daneben muss der Ganztag weiter ausgebaut werden. Auch hier müssen ausreichende Mittel für individuelle Förderung bereitstehen.



    Systematik: 4100 Bildung

    ID: LI140512

  • Abstand zwischen Bürger und Politik verkleinern.
    Die Landesverfassung auf dem Prüfstand - Bürgerbeteiligung erwünscht.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 8-9 in Ausgabe 4 - 09.04.2014

    Erstmalig nach 60 Jahren hat der Landtag eine Kommission zur Überarbeitung der Verfassung eingesetzt. Zwar wurde diese in der Zwischenzeit mehrmals geändert (siehe Seite 10), doch geschah dies im "normalen" parlamentarischen Verfahren. Jetzt soll einmal grundsätzlich überprüft werden, ob und inwieweit Anpassungen notwendig sind. So der Auftrag des Landtags an die Kommission. Landtag Intern sprach hierüber mit Prof. Dr. Rainer Bovermann, dem Vorsitzenden der Verfassungskommission.

    Wie kommt es zur heutigen Verfassungskommission?

    Prof. Dr. Bovermann: In den letzten Legislaturperioden hat es immer wieder Anträge zur Änderung einzelner Artikel der Verfassung gegeben, eingebracht von unterschiedlichen Fraktionen. Hinzu kommt der Wandel der gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen. Dadurch ist ein gewisser Beratungsdruck angewachsen. Auch wenn wir alle natürlich davon überzeugt sind, dass sich die Verfassung grundsätzlich bewährt hat.

    Ist die Landesverfassung teilweise aus der Zeit herausgewachsen?

    Im Jahr 1950 wurde die Verfassung in einem ganz bestimmten historischen Zusammenhang verfasst und in einem Referendum angenommen. Der Untergang der ersten Demokratie in Deutschland Anfang der 30er-Jahre sowie zwölf Jahre Diktatur und Weltkrieg hatten ihre Spuren hinterlassen. Also baute man auf eine starke repräsentative Demokratie. Im Laufe der Zeit ist aber der Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach direkter Partizipation gewachsen. Gleichzeitig sinkt die Beteiligung an der repräsentativen Demokratie, nämlich an Wahlen. Darüber müssen wir nachdenken.

    Also könnten in der Verfassung künftig mehr Möglichkeiten direkter Demokratie festgeschrieben werden?

    Das ist nur ein Aspekt, mit dem sich die Kommission beschäftigen wird. Ob die erhoffte Wirkung dann auch eintritt, ist natürlich offen. Darüber hinaus ist es sinnvoll zu überlegen, wie sich unsere heutige repräsentative Demokratie erneuern kann, wie wir mehr Wissen über und Verständnis für unsere Form des Parlamentarismus erreichen können. Über die Verfassungsdiskussion im engeren Sinne hinaus betrifft diese Debatte zum Beispiel auch die Sprache der Politik und die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern. Schließlich geht es darum, das Interesse an Politik zu wecken und vor allem junge Menschen an die Demokratie heranzuführen.

    Ein konkretes Beispiel ...

    ... ist die Debatte über die Absenkung des Wahlalters. Immerhin liegt die Bildungspolitik in den Händen der Länder. Wesentliche politische Entscheidungen betreffen also genau die Menschen, die an Landtagswahlen nach derzeitigem Stand noch gar nicht teilnehmen können.

    Grundsätzlich geht es bei der Verfassungsdebatte also um die Organisation der Staatsgewalt?

    Ja, der Arbeitsauftrag betrifft nur den dritten Teil der Verfassung. Wir werden also nicht die Grundwerte unserer Landesverfassung infrage stellen, sondern uns mit Fragen der repräsentativen und der direkten Demokratie befassen, aber ebenso mit dem veränderten Verständnis von Gewaltenteilung. Heute kontrolliert weniger das Parlament die Regierung als vielmehr die Opposition die Regierung und die sie tragenden Fraktionen.
    Dazu gehört auch, die aktuelle Rolle des Verfassungsgerichtshofes zu erörtern, der sich vor allen Dingen mit Streitigkeiten zwischen Verfassungsorganen sowie der Normenkontrolle beschäftigt, der aber - anders als das Bundesverfassungsgericht - nicht von einzelnen Bürgerinnen und Bürgern angerufen werden kann.

    Auch die Kommunen bilden einen Arbeitsschwerpunkt in Ihrer Kommission.

    Hier wird staatliches Handeln für die Bürgerinnen und Bürger häufig unmittelbar erfahrbar. Finanziell handlungsfähige Kommunen sind also notwendig. Diese dürfen zum Beispiel bei der Schuldenbremse - auch ein Thema für die Verfassungskommission - keine Ausfallbürgen des Landes werden. Daher wird sich die Verfassungskommission mit dieser politischen Ebene beschäftigen, auch wenn sie keinen eigenen Staatscharakter hat.

    Stichwort Schuldenbremse: Diese ist ja mittlerweile im Grundgesetz verankert.

    Hier haben wir zu überprüfen, ob und welche Regelungen in die Landesverfassung aufgenommen werden sollen und welchen Spielraum es überhaupt gibt. Dabei werden wir uns natürlich - wie bei vielen anderen Fragen - von externen Fachleuten beraten lassen.

    Haben auch die Bürgerinnen und Bürger Möglichkeiten zur Mitwirkung?

    Das Parlament verlangt in seinem Einsetzungsbeschluss ausdrücklich effektive und umfassende Mitwirkungsmöglichkeiten für alle Bürgerinnen und Bürger. Das heißt: Jede und jeder ist eingeladen, sich einzubringen. Dies kann über Briefe und E-Mails an die Verfassungskommission geschehen. Schon heute ist die Kommission auf der Webseite des Landtags präsent. In den nächsten Monaten soll eine eigene Homepage folgen. Auch über diese Kontaktseite sind dann Stellungnahmen willkommen. Erste Vorschläge zu konkreten Verfassungsänderungen haben wir schon erhalten. Sie finden natürlich Eingang in den Beratungsprozess.

    Die Bürgerinnen und Bürger können sich also schon heute beteiligen.

    Die Sitzungen der Verfassungskommission sind grundsätzlich öffentlich und werden auch live im Internet übertragen. Alle Protokolle und Stellungnahmen sollen offen zugänglich sein. Wir freuen uns also auf eigene Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger. Beides soll parallel laufen: die Beratungen in der Kommission gemeinsam mit Sachverständigen und die Anregungen der Bürgerinnen und Bürger.

    Auch mit dem Verfahren betritt der Landtag also Neuland?

    Zunächst ist spannend, dass wir ergebnisoffen diskutieren können und sollen. Zweitens suchen wir eine breite Beteiligung. Immerhin könnte der Landtag am Ende auch einen Volksentscheid über mögliche Verfassungsänderungen beschließen, was eine doppelte Legitimation bedeuten würde. Drittens brauchen wir in der Kommission wie auch im anschließenden parlamentarischen Verfahren mindestens eine Zweidrittelmehrheit. Insofern bin ich optimistisch, dass wir eine an der Sache orientierte Debatte führen werden. Nicht zuletzt haben wir den Druck der Öffentlichkeit: Alle, die das möchten, können selbst bewerten, ob da Fensterreden gehalten werden oder ob man sich aufeinander zubewegt. Meinem Eindruck nach sind die Diskussionen in der Kommission ausgesprochen konstruktiv und weniger parteipolitisch gekennzeichnet. Es hat schon seinen guten Grund, dass sich die Verfassung nicht mit einfacher Mehrheit ändern lässt.

    Ein offener Diskussionsprozess gerade auch im Internet ist ja nicht ohne Risiken.

    Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass es möglicherweise auch populistische Forderungen geben könnte. Ich werte aber die positiven Chancen höher als die Risiken. Insofern ist dies vielleicht für alle Beteiligten ein notwendiger Lernprozess. Jedenfalls ist es auch eine Aufgabe der parlamentarischen Demokratie, dass frei gewählte Abgeordnete mit den Bürgerinnen und Bürgern in Dialog treten und Meinungsverschiedenheiten austragen.

    Immerhin geht es möglicherweise auch um eine andere Verteilung von politischer Macht.

    Es wird gegebenenfalls nicht nur Gewinner geben. Wenn etwa das Landesparlament gestärkt werden sollte, kann es sein, dass eine andere Institution Macht abgeben muss. Und wenn die Bürger mehr direkte Mitwirkungsmöglichkeiten erhalten, werden die gewählten Repräsentanten auf Einfluss verzichten müssen. Dieses Spannungsfeld müssen wir aushalten.

    Daneben soll eine Verfassung ja auch geprägt sein von regionalen Eigenheiten.

    Auch wenn ich nicht weiß, ob wir NRW zum Freistaat erklären sollten - einen entsprechenden Vorschlag haben wir von Bürgerseite erhalten - so finde ich doch gut, dass in unserer Landesverfassung auch Besonderheiten wie zum Beispiel das Recht auf Arbeit und der Schutz des Kleingartenwesens enthalten sind. So etwas gehört einfach zu Nordrhein-Westfalen dazu.

    Wie ist nun der weitere Fahrplan der Verfassungskommission?

    Derzeit beraten wir über den Themenschwerpunkt Parlamentarismus und Landesregierung. Nach der Sommerpause wird es um Partizipationsmöglichkeiten und um die Schuldenbremse gehen. Danach befassen wir uns mit den Kommunen und dem Verfassungsgerichtshof. Bis Anfang 2016 wollen wir als Kommission fertig sein und dem Parlament unsere Empfehlungen vorlegen. Dann schließen sich das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren und gegebenenfalls ein Referendum an.

    Das Interview führten Sonja Wand und Christoph Weißkirchen.

    Zusatzinformation:
    Auf Antrag aller Fraktionen hat der Landtag die Kommission zur Reform der Landesverfassung eingesetzt. Geprüft werden solle laut Beschluss (Drs. 16/3428) zum Beispiel eine mögliche Änderung des Wahlalters, eine Stärkung der Abgeordnetenrechte, die Eidesformel, Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide sowie Beteiligungsmöglichkeiten von EU-Bürgerinnen und -Bürgern auf Landesebene.

    Die Arbeiten der Verfassungskommission können im Internet über verfassungskommission.landtag.nrw.de verfolgt werden. Die E-Mail-Adresse der Kommission lautet: verfassungskommission@landtag.nrw.de.

    Systematik: 1010 Staatsaufbau

    ID: LI140404

  • Verfassung im Wandel.
    Der Landtag Nordrhein-Westfalen und die Landesverfassung.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10 in Ausgabe 4 - 09.04.2014

    Auch nach über sechzig Jahren ist eine Verfassungsänderung ein außergewöhnliches Ereignis. Letztlich ist der Respekt vor dem Verfassungswerk ungebrochen, auch wenn heute die Dinge nüchterner und distanzierter angegangen werden, während in Äußerungen der 60er-Jahre noch Emotion und Pathos durchscheinen. Ein Rückblick auf bisherige Änderungen der Landesverfassung (LV).
    Die bisher 20 Verfassungsänderungen gruppieren sich zu drei Komplexen: Reaktion auf bundesrechtliche Entwicklungen, Abgeordneten- und Parlamentsrecht sowie Verarbeitung politischer Grundsatzfragen.
    Für die Reaktionen auf bundesrechtliche Veränderungen stehen auf der einen Seite Wahlrechtsfragen, wobei NRW bei der Ankoppelung des Wählbarkeitsalters an die Volljährigkeit eher ein Nachzügler war. Weiter zu nennen ist die Finanzreform von 1966 bis 1969, insbesondere die Etablierung der "Gemeinschaftsaufgaben", was in der Landesverfassung nachzuvollziehen war.
    In den späten 80er-Jahren war das Thema "Verschuldungsgrenze" (Artikel 83) erstmals in die Debatte gekommen. Unter dem Stichwort "Schuldenbremse" ist es aktueller denn je.
    Zur zweiten Gruppe (Abgeordneten- und Parlamentsrecht) gehören die Beratungen zum Regelungsbereich des Artikels 46, insbesondere zum Problemfeld der Vereinbarkeit von Amt und Mandat. Ihm galt die erste Verfassungsänderung überhaupt, und bis im Jahre 1972 die heute geltende Fassung dieser Bestimmung erreicht war, hatte sich das Parlament insgesamt viermal mit Artikel 46 befasst. Erst mit der seither gültigen Fassung des Artikels 46 (3) konnte eine klare Trennungslinie zwischen Amt und Mandat gezogen werden.
    Zu dieser Gruppe gehören auch die mit der Wahlperiode zusammenhängenden Fragen (Artikel 34 und 37). NRW war Vorreiter bei der Ausdehnung der Wahlperiode von vier auf fünf Jahre, eine Diskussion, die inzwischen auch den Bund erreicht hat.
    Die Einfügung des Artikels 41a über das Petitionswesen führt in das Gebiet der Gewaltenteilung, erkennbar an der Einräumung des Zutrittsrechts zu Landeseinrichtungen, des Rechts auf Auskunfterteilung und auf Akteneinsicht.
    Das bei der 1965 erfolgten Ergänzung des Artikels 45 dem Landtag zugestandene Recht, die Vertreterinnen und Vertreter der Landesregierung von der Teilnahme an Sitzungen von Untersuchungsausschüssen auszuschließen, nahm die Exekutive verständlicherweise reserviert auf.
    1984 wurde durch Änderung des Artikels 41 die Erarbeitung parlamentsinterner Verfahrensregelungen für Untersuchungsausschüsse durch ein Spezialgesetz ermöglicht, womit praktikablere Verfahren an die Stelle der Anwendung der allgemeinen Geschäftsordnung des Landtags und der Strafprozessordnung treten konnten.

    Veränderungsprozesse

    Schließlich tangiert auch eine Verfassungsänderung für das Gebiet des Datenschutzes parlamentsrechtliche Fragen: Der Datenschutzbeauftragte wird auf Vorschlag der Landesregierung vom Parlament gewählt - ein Kompromiss mit der Exekutive im Hinblick auf das Ernennungsrecht der Landesregierung in Artikel 58.
    Die dritte Gruppe der Verfassungsänderungen bewegt sich um politische Inhalte und bestimmte Politikfelder. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit hat dabei zu dem durchaus erwünschten Effekt geführt, dass meist Initiativen zur Novellierung von Verfassungsartikeln erst dann eingebracht wurden, wenn die Zielsetzung allgemein akzeptiert war.
    Zunächst ist das Feld der Schulpolitik zu nennen. Dass die Bestimmungen über die Volksschule und in Konsequenz auch die Lehrerausbildung revisionsbedürftig geworden waren, hatte sich als Erkenntnis im Laufe der 60er-Jahre bei allen Fraktionen mehr oder weniger festgesetzt. Der Regierungswechsel zur sozialliberalen Koalition 1966 brachte den Schwung mit sich, der die verfassungsrechtlichen Veränderungen umsetzen ließ. Zuletzt wurde durch den "Schulkompromiss" von 2011 die institutionelle Garantie der Hauptschule aus der Verfassung entfernt und zugleich ein öffentliches Schulwesen garantiert, das ein gegliedertes Schulsystem, integrierte sowie andere Schulformen umfasst.
    Die Verfassungsbestimmungen zu Volksbegehren bzw. Volksinitiativen wurden zu Beginn des neuen Jahrtausends im Sinne einer Absenkung der Hürden für solche Initiativen novelliert. Eine weitere Verfassungsänderung betraf die Verankerung des Konnexitätsprinzips in dem Sinne, dass den Kommunen alle Kosten für die ihm vom Land übertragenen Aufgaben zu erstatten sind.
    Die Aufnahme von Datenschutz und Umweltschutz sowie Tierschutz als Staats- bzw. Erziehungsziele in die Verfassung erfolgte, als diese Themen im Laufe der Jahre im Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger einen derartigen Rang eingenommen hatten, dass ihre Verankerung in der Verfassung den Landtagsfraktionen angezeigt erschien.
    Ähnliches ist im Blick auf die Novellierung von Artikel 5 (Familien- und Erwerbsarbeit) zu erkennen: eine unumstrittene Verfassungsbestimmung wurde in der Formulierung den gewandelten Verhältnissen angepasst. In diesen Zusammenhang gehört auch die Verankerung der Kinderrechte in Artikel 6.
    Im Rahmen einer Neufassung des Artikels 18 wurde schließlich auch die Pflege und Förderung des Sports in die Verfassung aufgenommen.
    Dr. Wolfgang Gärtner

    Systematik: 1010 Staatsaufbau; 1220 Landesregierung

    ID: LI140411

  • "Parlamentarismus stärken".
    Expertenrat zu Parlamentsrechten, Abgeordneten- und Oppositionsstatus.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 11 in Ausgabe 4 - 09.04.2014

    7. April 2014 - Zur Frage, ob bestimmte Regelungen in der nordrhein-westfälischen Verfassung neugefasst werden sollen, hat die Verfassungskommission in einer ersten Expertenanhörung die Stellungnahmen von Sachverständigen entgegengenommen. Auf der Tagesordnung standen Fragen rund um den Themenkomplex "Parlamentarismus und Landesregierung".
    Um das Landesparlament zu stärken, hielt Prof. Dr. Stefan Marschall es für geboten, den "Informationsvorsprung der Landesregierung zu minimieren". Deshalb sprach sich der Düsseldorfer Politikwissenschaftler dafür aus, die parlamentarische Kontrollfunktion, die Abgeordnete ausüben, ausdrücklich in der Landesverfassung festzuschreiben. Bisher nennt die Verfassung als einzige explizite Aufgabe der Volksvertreterinnen und -vertreter ihr Stimmrecht. Noch wesentlicher fand Marschall, den Informationsanspruch des Parlaments gegenüber der Landesregierung in allen Angelegenheiten, die den Bundesrat oder die Europäische Union betreffen, aufzunehmen. Bisher erwähne die nordrhein-westfälische Landesverfassung, wie sonst nur die hessische, die europäische Integration mit keinem Wort - das lasse sich mit dem Anspruch an eine moderne, zukunftsfähige Verfassung kaum vereinbaren, erklärte der Politikwissenschaftler.
    Der Privatdozent Dr. Jörg Menzel vom Bonner Institut für Öffentliches Recht sprach sich dafür aus, die Regelungen der Verfassung weiterhin knapp zu halten und für Detailfragen auf die Geschäftsordnung des Landtags zu verweisen.
    Dringenden Veränderungsbedarf im Hinblick auf Parlamentsinformationsrechte und Beteiligungsrechte in EU-Angelegenheiten sah Prof. Dr. Fabian Wittrek von der Universität Münster nicht. Wenn man die Informationsrechte des Parlaments oder der Abgeordneten aber niederschreiben wolle, dann insgesamt und ohne eigenen Artikel zu europäischen Angelegenheiten, empfahl er.
    Die Ansprüche des Parlaments und die Pflichten der Landesregierung zur Information vollzögen sich vielmehr im parlamentarischen Prozess, argumentierte Prof. Dr. Wolfgang Zeh, ehemaliger Direktor beim Deutschen Bundestag. Anpassungen in der Landesverfassung seien vielmehr relevant für Verfassungsgerichte, die sich mit konkreten Fragestellungen auseinandersetzen müssten und als Interpretationsbasis die jeweilige Verfassung heranzögen. Wenn nun also in der Landesverfassung ein Artikel so verändert werde, dass er mehr in Richtung von Informationsrechten der Abgeordneten deute, könne das Gericht eben darauf verweisen und konkrete Sachverhalte bewerten, ohne dass diese einzeln in der Landesverfassung aufgeführt sein müssten.

    "Gut in Schuss"

    "Die Verfassung ist gut in Schuss", befand Prof. Dr. Klaus Gärditz von der Universität Bonn - auch weil der Verfassungsgerichtshof wesentliche Klarstellungen bezüglich der Informationsrechte herbeigeführt habe. Die Abgeordneten kämen also zu ihrem Recht. Wenn man aber einen von selbst laufenden, permanenten Informationsfluss sicherstellen wolle, brauche es einen neuen Artikel in der Verfassung, der dann auch Bundes- und Europa-Angelegenheiten miteinbeziehe. Letzteres herauszuheben, obwohl ein Landesparlament in erster Linie für Landesgesetzgebung zuständig sei, hielt er für unangemessen.
    In einem zweiten Themenblock ging es um den Status von Abgeordneten, Fraktionen und Opposition. Bisher sind die beiden letztgenannten in der Landesverfassung nicht aufgeführt. Auch was die Aufgaben der Abgeordneten betrifft, bleibt das Regelwerk mit dem einzigen Hinweis auf freie Stimmabgabe "extrem spartanisch", meinte nicht nur Menzel. Eine Mehrheit der Experten sprach sich dafür aus, die Aufgaben der Abgeordneten künftig in groben Zügen zu nennen. Der Oppositionsstatus sei eng an den Fraktionsstatus zu binden, meinte Zeh: Ohne Fraktion wäre keine organisierte Opposition möglich. Zeh wie auch Wittrek sprachen sich für eine Erwähnung und positive Konnotation der Opposition in der Landesverfassung aus; heutzutage übernehme eher die parlamentarische Opposition die Kontrolle der Regierung, weniger das gesamte Parlament.
    Auch die Ausschüsse, Realität der parlamentarischen Arbeit, solle die Verfassung erwähnen, meinte Marschall. Überhaupt solle die Verfassung die Realität abbilden - Abgeordnete seien eben nicht nur ihrem eigenen Gewissen verpflichtet, sondern in der Realität häufig auch ihrer Fraktion. Anderer Meinung, was eine Verfassung leisten solle, war Gärditz: Sie habe nicht die Aufgabe, der Bevölkerung zu erklären, was ein Abgeordneter tue. Alle Abgeordneten hätten dieselben Rechte - Rechte, die auch Oppositionsabgeordnete in die Lage versetzten, ihre Arbeit gut zu machen. Auch solle man die Identifikation der Menschen mit der Landesverfassung nicht überschätzen.
    sow

    Zusatzinformation:
    Untersuchungsausschüsse
    Uneins waren die Sachverständigen in der Frage, ob künftig auch weniger als 20 Prozent der Abgeordneten Parlamentarische Untersuchungsausschüsse beantragen können sollten.

    Systematik: 1100 Parlament; 1110 Abgeordnete

    ID: LI140412

  • Vogt, Alexander (SPD); Prof. Dr. Dr. Sternberg, Thomas (CDU); Keymis, Oliver (Grüne); Nückel, Thomas (FDP); Schwerd, Daniel (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum Thema Medien.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 3 - 26.03.2014

    Der technische Zugang zum schnellen Internet (Breitbandversorgung)in allen Landesteilen ...

    Alexander Vogt (SPD) ... ist zweifelsohne wichtig. Dies kann das Land nicht allein organisieren. Hier sind Unternehmen und der Bund gleichermaßen gefragt. Das Land wiederum muss die Beteiligten an einen Tisch bringen und gute Rahmenbedingungen schaffen. Auch EU-Fördermittel sollen gezielt eingesetzt werden.
    Prof. Dr. Dr. Sternberg (CDU) ... ist für viele Menschen ein bislang nicht erfülltes, aber dringliches Anliegen. Er ist Voraussetzung nicht allein für neue Geschäftsmodelle und Effizienzsteigerungen der mittelständischen Unternehmen, Freiberufler und Kreativschaffenden, sondern auch notwendige Grundlage für alle Haushalte zur Teilhabe am Internet.
    Oliver Keymis (GRÜNE) ... ist eine Frage der Daseinsvorsorge und dient der Zukunftssicherung des Landes Nordrhein-Westfalen. Hier müsste dringend ein bundesweites Netzausbauprogramm mithilfe der EU, des Bundes und der Länder unter Einbeziehung der Netzausbauunternehmen erarbeitet und zeitnah umgesetzt werden.
    Thomas Nückel (FDP) ... ist Voraussetzung für die politische, kulturelle, wirtschaftliche und gesellschaftliche Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein- Westfalen. Wer ungewollt vom Internet abgehängt ist, wird zunehmend von Wohlstand und Fortschritt abgehängt.
    Daniel Schwerd (PIRATEN) ... ist schon heute die Voraussetzung für eine umfassende gesellschaftliche, wirtschaftliche, kulturelle und politische Partizipation aller Menschen. Leider verschläft die Landesregierung den nötigen Ausbau der Breitbandinfrastruktur - wir drohen den Anschluss an die digitale Zukunft zu verlieren.

    Um eine möglichst gleichberechtigte Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger an den digitalen Medien zu gewährleisten, ...

    Alexander Vogt (SPD) ... muss die Netzneutralität gesetzlich abgesichert werden. Inhalte müssen gleich schnell durch das Netz geleitet werde. Nicht Unternehmen sollen bestimmen, welche Daten Priorität haben, sondern jede Bürgerin und jeder Bürger soll selbst entscheiden dürfen, was für sie und ihn wichtig ist.
    Prof. Dr. Dr. Sternberg (CDU) ... muss die Landesregierung konsequent den flächendeckenden Breitbandausbau in Nordrhein-Westfalen unterstützen, was sie bisher im Gegensatz zu anderen Bundesländern versäumt hat.
    Oliver Keymis (GRÜNE) ... sollten wir möglichst schon in der Schule mit entsprechenden Medienbildungsangeboten beginnen, denn zur gleichberechtigten Teilhabe in der digitalen Welt gehören lebenslanges Lernen und Mitgestalten. Neben den Chancen müssen wir auch transparent über die Risiken der Mediennutzung aufklären.
    Thomas Nückel (FDP) ... muss die Landesregierung den flächendeckenden Ausbau der Breitbandinfrastruktur voranbringen. Statt runder Tische und warmer Worte ist dafür unter anderem der Zugriff auf europäische Fördermittel vonnöten. SPD und Grüne verhindern diesen jedoch nach wie vor.
    Daniel Schwerd (PIRATEN) ... darf es keine Barrieren geben, die Menschen ausschließen. Wir brauchen echte Netzneutralität: Der Gesetzgeber muss gleichmäßige Zugangs- und Nutzungsmöglichkeiten für Alle schaffen. Zudem müssen die derzeit unklaren Haftungsfragen für private und kommerzielle Anschlussanbieter neu geregelt werden.

    Ein selbstbestimmter und nutzenbringender Umgang mit Medien setzt eine entsprechende Medienkompetenz voraus. Um diese zu erreichen, ...

    Alexander Vogt (SPD) ... beginnen wir mit dem Medienpass bereits in der Grundschule. Kinder sollen unabhängig von ihrer Herkunft die Chance haben, den verantwortungsvollen Umgang mit Medien aller Art zu erlernen. Auch die Bürgermedien sind Teil unseres Konzeptes. Dafür brauchen wir in NRW starke Partner wie die Landesanstalt für Medien (LfM) und das Grimme-Institut.
    Prof. Dr. Dr. Sternberg (CDU) ... muss die Landesregierung die Landesanstalt für Medien und die Weiterbildungseinrichtungen bei ihren Angeboten zur Entwicklung von Medienkompetenz unterstützen und nicht - wie es der Entwurf zum neuen Landesmediengesetz vorsieht - eine vom Land gewollte fragwürdige Stiftung fördern.
    Oliver Keymis (GRÜNE) ... müssen wir uns politisch nicht nur für schnelle digitale Netze und vielfältige Empfangsmöglichkeiten einsetzen, sondern auch für mehr Kompetenz im Umgang mit Medien und Inhalten, denn gleichberechtigte Teilhabe erfordert Wissen und Verständnis für immer komplizierter werdende Zusammenhänge.
    Thomas Nückel (FDP) ... muss sie vor allem in Schulen noch effektiver vermittelt werden. Aber auch der Landesanstalt für Medien kommt eine wichtige Rolle bei der Vermittlung von Medienkompetenz zu. Daher dürfen ihre Mittel nicht für ideologische Projekte wie die sogenannte "Stiftung Partizipation & Vielfalt" zweckentfremdet werden.
    Daniel Schwerd (PIRATEN) ... muss sie in Schule und Ausbildung vermittelt werden. Das bedeutet aber auch, dass Lehrer und Ausbilder geschult sein müssen - Medienkompetenz muss auch Erwachsenen vermittelt werden.

    Um die Medienvielfalt in Nordrhein-Westfalen auch im Internetzeitalter zu sichern, ist es nötig, ...

    Alexander Vogt (SPD) ... dass der Wert von gutem Journalismus in der Gesellschaft anerkannt wird - auch finanziell. Wir setzen uns für Lokaljournalismus ein, weil er wichtig für die Demokratie vor Ort ist. Eine Stiftung soll hierbei Unterstützung bieten und Kompetenzen in NRW zusammenführen.
    Prof. Dr. Dr. Sternberg (CDU) ... Verlage auf ihrem Weg zu Multimediahäusern durch entsprechende Rahmenbedingungen zu unterstützen, damit sie im Internet Geld verdienen können.
    Oliver Keymis (GRÜNE) ... vielfaltssichernde Gesetze zu beschließen, den Zeitungsvertrieb auch künftig über das bewährte Presse-Grosso-System zu sichern und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in seinem Bestand und seiner Entwicklung auch weiterhin qualitätsvoll und (plattform-)unabhängig zu garantieren.
    Thomas Nückel (FDP) ... verlorengegangenes Vertrauen in das Internet zurückzugewinnen. Vielfalt gedeiht nicht in einem Umfeld von Überwachung und Misstrauen. Dazu muss die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung verhindert und ein EU-Datenschutzabkommen, das auch für ausländische Konzerne gilt, abgeschlossen werden.
    Daniel Schwerd (PIRATEN) ... Plattform- und Netzneutralität gesetzlich zu verankern. Dann ist gewährleistet, dass auch kleine Anbieter faire Chancen haben, ihre Inhalte zu vermitteln. Zudem müssen wir den Menschen die Fähigkeit vermitteln, nicht nur als kompetente Nutzer, sondern auch als Anbieter am Netz teilzuhaben.

    Inzwischen beteiligen sich viele Bürgerinnen und Bürger im Internet online an vielen Debatten. Vor diesem Hintergrund sehe ich die Zukunft des Bürgerfunks und -fernsehens als ...

    Alexander Vogt (SPD) ... ein Element der Bürgermedien, mit dem viele Zuhörerinnen und Zuhörer erreicht werden können. Beteiligung wird zukünftig auf verschiedenen Ebenen organisiert und schafft Meinungsvielfalt. Die technische Entwicklung bringt in diesem Bereich viele zusätzliche Möglichkeiten: Eine davon ist die zukünftige Online- Plattform für Bürgermedien.
    Prof. Dr. Dr. Sternberg (CDU) ... eine Einrichtung mit großer Tradition, aber deshalb abnehmender Bedeutung.
    Oliver Keymis (GRÜNE) ... weiterhin sehr wesentlich an. Bürgermedienkompetenz und Bürgerbeiträge im Rundfunk eröffnen Debatten, die dann in örtlichen Medien und auch im Netz weitergeführt werden. Lokale gesellschaftliche Teilhabe, die Demokratie vor Ort, braucht Sender und Empfänger dort, wo sich Menschen zu ihren Fragen vor Ort äußern.
    Thomas Nückel (FDP) ... kleinen Beitrag zur Medienvielfalt an. Wir wollen Vielfalt bei Inhalten und Vielfalt bei Medienformen. Die entsprechenden Ordnungsrahmen - etwa das Landesmediengesetz - müssen daher regelmäßig angepasst werden, um mit der technologischen und gesellschaftlichen Entwicklung Schritt zu halten.
    Daniel Schwerd (PIRATEN) ... stärker im Netz und mit interaktiven Formaten und Medien. Bürgerinnen und Bürger treten im Internet nicht nur als Konsumenten auf, sondern immer stärker auch als Sender. Die Politik kann sie dabei unterstützen, indem sie öffentliche Inhalte in Zukunft grundsätzlich in freien Formaten anbietet.



    Systematik: 7700 Informationsgesellschaft/Medien

    ID: LI140311

  • 115 Fragen zur Sicherheit.
    Gegen das Verbrechen: Wie gut ist NRW aufgestellt?
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 9 in Ausgabe 2 - 19.02.2014

    29. Januar 2014 - Wie es um die Situation der Polizei und der Kriminalitätsbekämpfung steht, wollte die CDU wissen und stellte eine Große Anfrage (Drs. 16/2248) an die Landesregierung mit 115 Fragen. Sie erhoffte sich umfassende Antworten, zeigte sich im Plenum dann aber enttäuscht. In der Aussprache über die Anfrage zogen die Fraktionen unterschiedliche Fazite.
    Eine über Jahrzehnte verfehlte Ausrichtung der nordrhein-westfälischen Polizei bescheinigte Theo Kruse (CDU) der SPD-geführten Landesregierung. Auf landestypische Besonderheiten in der Infrastruktur wie große Städte zu verweisen, entlasse den Innenminister nicht aus der Verantwortung, mit passenden Maßnahmen zu reagieren. Seit 1980 sei die Zahl der Straftaten um 50 Prozent gestiegen. Trotzdem arbeiteten damals wie heute etwa gleich viele Polizeibeamten an deren Aufklärung, kritisierte Kruse. Jeder Ermittler habe nur noch 60 Minuten Zeit, um einen Einbruch aufzuklären. NRW müsse endlich seiner originären Aufgabe gerecht werden: "dem Bürger ein Höchstmaß an Sicherheit zu bieten".
    "Kaum ein anderer Ort dieser Welt ist so sicher wie NRW", widersprach Andreas Bialas (SPD). Es gebe immer weniger Tötungsdelikte, Raubdelikte und schweren Diebstahl, dafür doppelt so viele Fälle von Schwarzfahren. Immer mehr Delikte scheiterten im Versuchsstadium. In Sachsen oder Hessen sei die Gefahr, getötet zu werden, doppelt so hoch. In NRW liege die Aufklärungsquote bei Schwerverbrechen bei fast 100 Prozent. Die Quote insgesamt liege seit fast 20 Jahren konstant bei knapp 50 Prozent. Bialas betonte die Wichtigkeit von Aufklärung und Präventionsarbeit - das, was die CDU gern als "PR-Gags" diskreditiere. Dabei belegten die nun selteneren Diebstähle von Wertgegenständen aus Autos den Erfolg solcher Maßnahmen.
    "Man kann so viel kritisieren, wie man will, aber dann muss man auch konstruktive Vorschläge machen", sagte Verena Schäffer (GRÜNE). Nach der Aufdeckung der NSU hätten alle Fraktionen die schwerpunktmäßige Bekämpfung des Rechtsextremismus gefordert. Nun kritisiere die CDU diesen Schwerpunkt. Ebenso beim islamistischen Terrorismus, der eine ernstzunehmende Bedrohungslage für das Land darstelle: "Ich frage mich wirklich", sagte Schäffer, "ob Sie allen Ernstes behaupten wollen, hier sei ein falscher Schwerpunkt gesetzt." Dass das Thema Internetkriminalität in der Großen Anfrage nicht vorkomme, wunderte die Abgeordnete. Man müsse auch darüber reden, welche Delikte im Internet begangen würden.
    Seitdem der Innenminister im Amt sei, habe sich die Zahl der Straftaten um 70.000 erhöht, führte Dr. Robert Orth (FDP) aus. Damit habe der Minister enttäuscht und versagt. Er habe es nicht geschafft, die Opfer von Kriminalität hinreichend zu schützen. Überhaupt kam ihm die Sicht der Opfer zu kurz. "Wir sollten nicht so hochnäsig sein und die Opferperspektive nur mit hohem materiellen oder körperlichen Schmerz gleichsetzen", meinte er - auch Wohnungseinbrüche verursachten Traumata. Seit Monaten werde der FDP-Antrag "Beute zurück!" diskutiert. Orth forderte die Regierung auf, mitzuziehen und die Absatzwege auszutrocknen. "Gehen Sie doch einmal die Ebay-Hehlerei an!", verlangte er zudem.
    "Diese Große Anfrage liefert viele wichtige Zahlen, aber keine Lösungen", sagte Dirk Schatz (PIRATEN). Er kritisierte einen Personalmangel bei der Polizei. Trotz mehr Kriminalität, trotz Erziehungszeiten von - meist - Polizistinnen, trotz der Überalterung der Polizei, die mit erhöhten Krankenständen einhergehe, gebe es nicht mehr Personal. Für die Streife fehle es in einsatzstarken Zeiten an Kräften, egal, nach welchem Schichtsystem die Arbeit organisiert werde. Schatz‘ Vorschlag: Aufgabenkritik im Bereich der Betäubungsmitteldelikte. Der Großteil der dort tätigen 465 Kolleginnen und Kollegen sei mit dem Thema "Cannabis" beschäftigt, erklärte der Polizist. Legalisiere man Cannabis, werde Personal frei.
    Zwischen 1994 und 2012 habe die Kriminalität um 14 Prozent zugenommen, die Personalausstattung der Polizei aber um 19 Prozent, stellte Innenminister Ralf Jäger (SPD) klar. Die angesprochenen 70.000 Straftaten mehr gingen darauf zurück, dass die Bundespolizei Schwarzfahrer der Landespolizei melde. Jäger verteidigte Blitz-Marathons als wirksamen Bestandteil einer Präventionsstrategie im Verkehr. Inzwischen hätten alle Bundesländer und fünf Staaten das Konzept übernommen. Ebenso wichtig sei die Präventions- und Aufklärungsarbeit in puncto Internetkriminalität. Insgesamt brauche es beides: Restriktion und mehr Prävention. Jägers Fazit: Die Polizei in NRW leiste sehr gute Arbeit.
    sow

    Systematik: 1310 Polizei; 1300 Innere Sicherheit

    ID: LI140204

  • Tatort Fußball.
    Polizei gegen gewaltbereite Anhänger - Ein Fall für den Landtag.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10 in Ausgabe 2 - 19.02.2014

    29. Januar 2014 - Eigentlich sollte es die schönste Nebensache der Welt sein. Doch in den vergangenen Wochen und Monaten gab es in Nordrhein-Westfalen rund um Fußballspiele immer wieder hässliche Szenen: randalierende und prügelnde - vermeintliche - Fans in Stadien und Innenstädten. Dabei griffen die Gewalttäter teils auch gezielt Polizeikräfte an. Die Folge: zahlreiche Verletzte und Schwerverletzte. In einem Antrag fordert die FDP-Fraktion die Landesregierung nun dazu auf, ein schlüssiges Gesamtkonzept gegen Gewalt im Umfeld von Fußballspielen vorzulegen (Drs. 16/4820). Thema einer Debatte im Plenum.
    Die jüngsten Ereignisse in Köln und Bielefeld hätten eine Dimension erreicht, über die man nicht einfach hinweggehen könne, stellte der FDP-Abgeordnete Mark Lürbke fest: "Sie haben mit Fußball nichts zu tun und bringen den ganzen Sport in Verruf." Prävention sei ein wichtiger Baustein, allerdings gebe es Menschen, denen damit nicht beizukommen sei - sie suchten gezielt Gewalt. "Reicht Ihnen die derzeitige Rechtslage zu Meldeauflagen und ungenauen Strafbeständen wie Landfriedensbruch und Beteiligung an einer Schlägerei?", fragte Lürbke den Innenminister. Der Abgeordnete forderte ein schlüssiges Gesamtkonzept gegen Gewalt rund um Fußballspiele sowie beschleunigte Verfahren gegen die Täter.
    Im vergangenen Jahr habe der Landtag die Problematik auch mit Fachleuten immer wieder diskutiert, erinnerte Andreas Kossiski (SPD). Nun tue die FDP so, als sei ihr das völlig entgangen. Die Regierung habe bereits mehrere Initiativen ergriffen: Neben einem Zehn-Punkte-Plan gehöre dazu unter anderem eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern. "Als Gipfel sehe ich aber, dass Sie behaupten, die Landesregierung würde Meldeauflagen oder konsequentes Vorgehen gegen Randalierer ablehnen", kritisierte Kossiski die FDP. Gewalt im Fußball sei inakzeptabel, betonte er. Doch ebenso gelte, dass es hiergegen kein Patentrezept, sondern diverse zu diskutierende Ansätze gebe.
    Über medienwirksame "Polit-Bengalos" hinaus habe sich unter Rot-Grün gegen Gewalt im Fußball nichts getan, meinte hingegen Werner Lohn (CDU): "Es wird von Woche zu Woche schlimmer." Den Innenminister forderte er auf, endlich konkret "tatkräftig" zu werden und mit den friedlichen Fans zu kommunizieren. Viele der gewaltbereiten Anhänger kämen aus NRW, deshalb müsse sich das Land verschärft hiermit beschäftigen. Im Fall der Eskalation beim Spiel Köln-Schalke, zu dem Rechtsradikale aus Dortmund angereist waren, monierte Lohn einen mangelhaften Informationsaustausch der beteiligten Stellen. Zudem brauche NRW ein Konzept für den Umgang mit vermummten Straftätern.
    Eine Debatte über "bürgerkriegsähnliche Zustände" schieße weit übers Ziel hinaus, so Josefine Paul (GRÜNE). Ausschreitungen bildeten die Ausnahme. Gleichzeitig plädierte sie für eine differenzierte Debatte; längst nicht alle jugendlichen Ultras seien Intensivtäter, gegen die etwa mit behutsam einzusetzenden Meldeauflagen vorgegangen werden könne. Natürlich müsse NRW schauen, welche - auch repressiven - Maßnahmen ausgebaut werden könnten, gestand Paul zu. Doch grundsätzlich gebe es bereits schlüssige Konzepte. Darüber hinaus mahnte sie, ein sicheres Stadionerlebnis liege in der Verantwortung aller - auch der Vereine, die professionelle Ordner einsetzen müssten.
    "Mich ärgert wirklich, dass Sie keine neuen Vorschläge unterbreiten", sagte der PIRATEN-Sprecher Frank Herrmann zur FDP. Die Ideen zur Kontrolle der Fans hätten die Fachleute in einer Anhörung als unverhältnismäßig abgelehnt. Einzelfälle zu dramatisieren, reiche nicht aus, betonte Herrmann: "Personalisierte Tickets und kontrollierte Reisewege sind keine Lösungen, sondern Massenüberwachungen." Stattdessen sprach er sich für wissenschaftliche Studien zur tatsächlichen Situation der Fanszene aus und forderte den Innenminister auf, den Dialog mit den Fans zu suchen. Zudem bräuchten die teils erst kürzlich gestarteten Präventionsinitiativen Zeit, um sich zu entfalten.
    Unter die friedlichen Fans mischten sich einige wenige Straftäter, unterstrich Innenminister Ralf Jäger (SPD). Wichtig sei daher, zweigleisig zu fahren: mit einem klaren Fan-Dialog und konsequenter Repression gegen Intensivtäter. Letztere gelte es, genauer in den Fokus zu nehmen, befand der Minister. So sollten Strafverfahren gegen ein und denselben Täter auf eine Stelle etwa am Wohnort konzentriert werden. Im Übrigen seien neben der Polizei aber auch die Vereine und Ultrafans für sichere Stadien zuständig, mahnte Jäger: "Es kann nicht sein, dass immer wieder Polizei in die Stadien muss, um eigentliche Ordnertätigkeiten durchzuführen." 30 Prozent der Arbeitskraft der Hundertschaften sei durch Fußball gebunden.
    bra

    Zusatzinformation:
    Abstimmung
    Der FDP-Antrag (Drs. 16/4820) wurde einschließlich eines Entschließungsantrags der Piratenfraktion (Drs. 16/4896) federführend zur Beratung an den Innenausschuss sowie darüber hinaus an den Sportausschuss, den Rechtsausschuss und den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend überwiesen.

    Systematik: 7600 Sport; 1310 Polizei

    ID: LI140211

  • Was der Chef mitbringen muss.
    Sollen Polizeipräsidenten politische Beamte bleiben?
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 11 in Ausgabe 2 - 19.02.2014

    29. Januar 2014 - Eine "Entpolitisierung der Polizei" fordert die FDP-Fraktion (Drs. 16/2336). Konkret geht es um die Ernennung der Polizeipräsidentinnen und -präsidenten. Bisher werden sie als politische Beamte vom Innenminister ernannt und können in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Nach Vorstellung der FDP soll die Rekrutierung künftig nach Stellenausschreibung und Auswahlverfahren erfolgen. Damit sollen politische Abhängigkeit und parteipolitische Einflussnahme auf die Polizeiarbeit unterbunden werden, so das Anliegen der Fraktion. SPD und GRÜNE sehen keine Politisierung der Polizei und daher auch keinen Grund für eine Änderung.
    "Anders als von Ihnen suggeriert, genießen unsere Polizei und die sie führenden Polizeipräsidentinnen und Polizeipräsidenten in der Bevölkerung ein hohes Ansehen und Vertrauen", betonte Hartmut Ganzke (SPD). Auch in der Expertenanhörung habe nur ein einziger Sachverständiger Änderungsbedarf an der derzeitigen Ernennungspraxis gesehen. In NRW würden alle Beamtinnen und Beamten - auch politische - nach Eignung, Gesetz und Befähigung ausgewählt. Übrigens bedeute der FDP-Gesetzentwurf, dass auch Landräte die Polizei ihres jeweiligen Kreises nicht mehr leiten dürften. Auch sie seien politisch gewählt worden.
    Eben dieser Landrat müsse sich - auch als Chef der Polizei - alle fünf Jahre dem Votum der Wählerinnen und Wähler stellen, antwortete Theo Kruse (CDU). Die Möglichkeit einer einstweiligen Versetzung in den Ruhestand schwäche die Stellung des Polizeipräsidenten, wandte er sich gegen die derzeitige Praxis. Politische Ämter sollten sich nur auf den engsten Kreis unmittelbarer Berater eines Ministers beziehen, fügte Kruse hinzu. Außerdem führe es zu Frust in den Amtsstuben, wenn die besseren Stellen mit Parteileuten besetzt würden und hochqualifizierte Beschäftigte keine Chancen hätten. Das untergrabe die Leistungsbereitschaft.
    "Ich möchte feststellen, dass die Polizei NRW nach rechtstaatlichen Prinzipien handelt", widersprach Verena Schäffer (GRÜNE) dem Begriff einer politisierten Polizei. Wichtig war ihr, die zivile Führung, die es mit dem derzeitigen Modell gebe, beizubehalten. Dass die Behördenleitung von außerhalb der Polizei komme, stehe für eine demokratische Polizei, die zur Selbstkritik und Reflexion fähig sei. Zudem verwies sie auf eine Repräsentanten- und Scharnierfunktion zwischen Politik und Verwaltung, die die Polizeipräsidentinnen und -präsidenten innehätten. Diese rechtfertige den Status des politischen Beamten.
    "Sie, Frau Schäffer, sagen gleichzeitig allen Polizistinnen und Polizisten, die fachlich qualifiziert und im höheren Dienst sind: Egal, wie gut du bist - du hast keine Chance", kritisierte Dr. Robert Orth (FDP). Eine zivile Führung, die nach dem Zweiten Weltkrieg Sinn gemacht habe, halte er heute für überholt: "Die sind doch alle durch und durch Demokraten." Auch gebe es derzeit sehr wohl politische Implikationen: Das Gesetz schreibe bei der Polizeiarbeit die Rücksichtnahme auf die Regierungsziele explizit vor. Orth verwies auf Niedersachsen, wo politische Beamte nach einem Regierungswechsel hin zu Rot-Grün "reihenweise abgesägt" worden seien.
    Dass die Polizei nach Recht und Gesetz handle, habe niemand bestritten, erklärte Dirk Schatz (PIRATEN) und fügte hinzu: "Aber innerhalb des rechtlich zulässigen Rahmens gibt es fast immer einen breiten Ermessensspielraum, und es ist ein Unterschied, ob ich mich innerhalb dieses Rahmens frei bewegen kann oder ob ich exakt der Regierungslinie folgen muss in dem Wissen, dass ich von heute auf morgen meinen Job verlieren kann." Auch Polizeivollzugskräften zu ermöglichen, Polizeipräsident zu werden, habe außerdem die Gewerkschaft der Polizei in der Anhörung als "bitter notwendiges Signal" der Wertschätzung begrüßt.
    Zivile Führung bedeute nicht, dass Polizeikräfte keine Polizeipräsidenten werden könnten, erläuterte Innenminister Ralf Jäger (SPD). Aber: Diese seien nicht als Polizistinnen oder Polizisten, sondern als Behördenleiter gefragt. Übrigens gebe es einen ehemaligen Polizeivollzugsbeamten, der inzwischen als Behördenleiter tätig sei. Jäger unterstrich: Die Polizei in NRW sei kein politisches Ausführungsorgan. "Wir reden hier über ein Problem, das in der Realität gar nicht vorkommt und maximal in der Theorie existiert." Die letzte Versetzung in den vorläufigen Ruhestand liege fünf Jahre zurück - unter Schwarz-Gelb.
    sow

    Zusatzinformation:
    Abgelehnt
    Wie vom Innenausschuss empfohlen, hat der Landtag den Gesetzentwurf (Drs. 16/2336) mit den Stimmen von SPD und GRÜNEN mehrheitlich abgelehnt. Die anderen Fraktionen stimmten für den Gesetzentwurf.

    Systematik: 1310 Polizei; 1240 Öffentlicher Dienst

    ID: LI140213

  • Stotko, Thomas (SPD); Kruse, Theodor (CDU); Schäffer, Verena (Grüne); Dr. Orth, Robert (FDP); Schatz, Dirk (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum Thema Polizei.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 12-13 in Ausgabe 2 - 19.02.2014

    Notwendige Schwerpunktthemen in der Kriminalitätsbekämpfung sehe ich in ...

    Thomas Stotko (SPD) ... dem Bereich der Einbruchskriminalität, der Internet- sowie der Extremismus-Delikte. Neben modernen Ermittlungsmethoden und schneller Verfolgung muss die präventive Arbeit ausgebaut werden. Maßnahmen wie "Riegel vor", "Kurve kriegen", "CrashKurs NRW" und obendrein die wichtige Arbeit des Verfassungsschutzes sind Möglichkeiten der Stärkung des Selbstschutzes.
    Theo Kruse (CDU) ... der Bekämpfung der Einbruchskriminalität, der zunehmenden Gewalt im Umfeld von Fußballspielen und der rasant wachsenden Anzahl gewaltbereiter Salafisten. Unter rot-grüner Regierungsverantwortung ist Nordrhein-Westfalen inzwischen das unsicherste Flächenland in der Bundesrepublik Deutschland.
    Verena Schäffer (GRÜNE) ... der Beratung über die Sicherung der eigenen vier Wände und der überregionalen Vernetzung gegen Wohnungseinbrüche, dem Vorgehen gegen Internetkriminalität durch die Bündelung der Expertise beim Landeskriminalamt und der Fortbildung von PolizeibeamtInnen sowie dem verstärkten Strafverfolgungsdruck gegenüber Neonazis.
    Dr. Robert Orth (FDP) ... der Steigerung von Polizeipräsenz, Fahndungsdruck und Entdeckungsrisiko. Die massiv gestiegene Einbruchskriminalität zeigt wie viele andere Bereiche: Wer ungestört agieren kann und sich sicher fühlt, versucht es nochmal. NRW braucht mehr gezielte Fahndung, höhere Aufklärung, schnellere Reaktion.
    Dirk Schatz (PIRATEN) ... den Bereichen Eigentums- und Computerkriminalität. In beiden Bereichen steigen die Fallzahlen stetig, ohne dass das Personal entsprechend angepasst wird. Besonders für die Computerkriminalität benötigen wir eine Reform der Vergütungsstrukturen. Nur so werden sich hochqualifizierte IT-Fachleute gewinnen lassen.

    In der Abwägung von repressiven und präventiven Maßnahmen ...

    Thomas Stotko (SPD) ... ist Prävention stets zielführender, da sie nachhaltiger ist. Repression bleibt zur Abschreckung unerlässlich; sie wird jedoch entbehrlicher, wenn präventive Maßnahmen greifen.
    Theo Kruse (CDU) ... ist Augenmaß gefragt, denn eine erfolgreiche Politik der inneren Sicherheit besteht immer aus beiden Elementen. Dieses Augenmaß vermisse ich bei Rot-Grün. Innenminister Jäger richtet die Polizei fast ausschließlich auf Verkehrsunfallprävention aus. Die Bekämpfung von Straftaten kommt dabei zu kurz.
    Verena Schäffer (GRÜNE) ... stellt Repression das letzte Mittel dar. Die Ursachen für Kriminalität liegen oft in gesellschaftlichen Entwicklungen. Über gewaltbereite und menschenfeindliche Einstellungen bedarf es einer gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzung. Repression bekämpft meist das Symptom, aber nicht die Ursache.
    Dr. Robert Orth (FDP) ... gilt es jeweils, rechtskonform, verhältnismäßig und wirksam zu agieren. Wenn Minister Jäger tausende Polizisten Flyer gegen Einbruch verteilen lässt, während zeitgleich 7.000 Einbrüche stattfinden oder Einbrecher und Raser vor Schwerpunktkontrollen vorab medial gewarnt werden, ist das sehr fragwürdig.
    Dirk Schatz (PIRATEN) ... stellen die repressiven den Hauptteil polizeilicher Arbeit dar. Sie bekämpfen aber nur Symptome, aber nicht die Ursachen des Problems. Daher sollten präventive Maßnahmen in den Fokus gerückt werden, um Kriminalität gar nicht erst entstehen zu lassen. Dies ist jedoch nicht die Aufgabe der Polizei allein.

    Um eine möglichst gerechte und effiziente Verteilung der Polizeikräfte im Land zu gewährleisten, ist es wichtig, ...

    Thomas Stotko (SPD) ... genau hinzusehen. Bis heute ist es niemandem gelungen, ein besseres System zu erarbeiten. Das Ministerium achtet gemeinsam mit den Parlamentariern darauf, dass es zu keiner Überforderung der Einsatzkräfte kommt und die Effizienz des Personaleinsatzes gewährleistet ist.
    Theo Kruse (CDU) ... dass qualitative Kriterien und das jeweilige Arbeitsvolumen in den Kernaufgabenbereichen der Polizei zunächst realistisch erfasst werden. Dies findet derzeit jedoch nicht statt. Innenminister Jäger betreibt bei der Polizei keine Personalverwendung, sondern Personalverschwendung.
    Verena Schäffer (GRÜNE) ... dass die von Rot-Grün erhöhte Anzahl der Einstellungen neuer PolizeibeamtInnen erhalten bleibt. Um neuen Herausforderungen gerecht zu werden, bedarf es sowohl einer Aufgabenkritik bei der Polizei als auch der Überprüfung und Optimierung der Organisationsstrukturen hinsichtlich ihrer Effizienz.
    Dr. Robert Orth (FDP) ... den von Rot-Grün eingeleiteten Abbau von Polizeibeamten zu stoppen, sonst haben wir ab dem Jahr 2018 weniger Polizeikräfte im Land. Den hohen und örtlich unterschiedlichen Fehlzeiten muss entgegengewirkt werden. Sicherheit schaffen nicht zugewiesene Beamte auf dem Papier, sondern real einsatzbereite.
    Dirk Schatz (PIRATEN) ... zunächst den Ist-Zustand zu ermitteln. Dies geschieht bereits unter dem Stichwort "Aufgabenkritik". Für mich heißt das aber auch, Arbeitsabläufe in allen Bereichen zu optimieren, um dadurch eingespartes Personal woanders sinnvoller einsetzen zu können. Bestimmte Aufgaben einfach wegzukürzen, ist zu wenig.

    Die Arbeitsbedingungen und Ausstattung der Polizei ...

    Thomas Stotko (SPD) ... sind grundsätzlich gut. Neue Uniformen, neue Einsatzfahrzeuge, neue Dienstwaffen - vor Ort gibt es keine Beschwerden. Sicherlich müssen Fragen der Belastungen durch Schichtarbeit sowie der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zukunftsfähiger diskutiert werden.
    Theo Kruse (CDU) ... sind in NRW insgesamt gut. Die schlechten Aufklärungsergebnisse liegen in erster Linie daran, dass Innenminister Jäger die Beamten permanent zu "Blitzmarathons" oder anderen nutzlosen Showmaßnahmen abkommandiert. Dadurch bleibt die Ermittlungsarbeit in den Kriminalkommissariaten liegen.
    Verena Schäffer (GRÜNE) ... müssen den Aufgaben entsprechen. Rot-Grün wird das Gesundheitsmanagement und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie stärken. Ausund Fortbildung sowie die Bekleidung müssen den PolizeibeamtInnen Schutz bieten, die IT-Ausstattung muss die Bekämpfung aktueller Kriminalitätsentwicklungen ermöglichen.
    Dr. Robert Orth (FDP) ... müssen gut sein - etwa durch moderne Einsatzmittel und Ausrüstung, die Entlastung von unnötiger Bürokratie zugunsten von mehr Streife und Fahndung sowie gute Aufstiegschancen, zum Beispiel vom höheren Dienst zum Polizeipräsidenten. Die FDP setzt sich zudem für eine gerechte Beamtenbesoldung ein und klagt gegen das unfaire rot-grüne Gesetz.
    Dirk Schatz (PIRATEN) ... sollten verbessert werden. Derart hohe Krankenstände, die ein Symptom der aktuellen Arbeitsbedingungen sind, müssen zu denken geben. So kann eine bessere technische Ausstattung zum Beispiel dabei helfen, in vielen Bereichen eine Arbeitsentlastung herbeizuführen. Ein Beispiel sind interaktive Funkstreifenwagen.

    Um die Gewalt rund um Fußballspiele einzudämmen und die dort tätigen Polizeikräfte zu schützen, ...

    Thomas Stotko (SPD) ... wird schon viel getan. Der Großteil der Fußballfans ist friedlich. Es sind die wenigen Gewaltbereiten, die den Ruf ramponieren. Die Vereine als Veranstalter sind gefragt, Hausverbote zu erteilen und durchzusetzen. Die Fanszene und Ultras müssen sich von diesen Gewalttätern öffentlich distanzieren. Die Polizei wird auch weiterhin den Schutz der Fans gewährleisten.
    Theo Kruse (CDU) ... muss verhindert werden, dass polizeibekannte Gewalttäter überhaupt zum Spielort anreisen. Dies kann durch sogenannte Meldeauflagen erreicht werden. Die Betroffenen müssen sich dann pünktlich zum Anpfiff bei ihrer örtlichen Polizeiwache melden und können nicht beim Fußball randalieren.
    Verena Schäffer (GRÜNE) ... müssen Fans, Vereine und Polizei stärker in den Dialog über ein friedliches Stadionerlebnis treten, denn Gewalt hat beim Fußball nichts zu suchen. Die Fanprojekte gilt es zu stärken, die Vereine müssen qualifizierte Ordnerinnen und Ordner einsetzen und die Fans auf An- und Abreisewegen begleiten.
    Dr. Robert Orth (FDP) ... dürfen ermittelte Straftäter nicht ungehindert zum nächsten Spiel gelangen. Das ist weder besorgten Bürgern noch Polizeibeamten erklärbar. Konsequente Täterergreifung, schnelle Aburteilung, effektiv kontrollierte Stadionverbote, Meldeauflagen sowie Betretungsverbote sind notwendige Instrumente.
    Dirk Schatz (PIRATEN) ... sollte alles unternommen werden, um gegenseitige Provokationen zu vermeiden. Dazu gehört eine differenzierte Ansprache der Fangruppen und weniger pauschale Verurteilungen. Eine möglichst zurückhaltende Präsenz der Polizeikräfte am Stadion kann einen wichtigen deeskalierenden Beitrag leisten.

    ID: LI140214

  • Der Meisterbrief soll bleiben.
    Die EU stellt ihn infrage, eine "supergroße Koalition" wehrt sich dagegen.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 1 - 29.01.2014

    18. Dezember 2013 - Die Europäische Union will Zugangsbeschränkungen zum Arbeitsmarkt in den einzelnen EU-Ländern abbauen und hat im Zuge dessen die deutsche Meisterpflicht im Visier. Hierzulande muss in vielen handwerklichen, potenziell gefährlichen Berufen den Meisterbrief haben, wer sich selbstständig machen und Lehrlinge ausbilden will. SPD, CDU, GRÜNE und FDP pochen in einem gemeinsamen Antrag (Drs. 16/4574) auf den Stellenwert der Meisterpflicht für das Handwerk, die PIRATEN wollen die Überprüfung durch die EU konstruktiv begleiten.
    Es gehe den vier Fraktionen darum, in Richtung Brüssel deutlich zu machen: "Deutschland und ganz besonders Nordrhein-Westfalen stehen zum Handwerk und zum Meisterbrief", unterstrich Thomas Eiskirch (SPD). Das Qualitätsmerkmal Meisterbrief sei ein entscheidendes Kriterium für die viel gelobte duale Ausbildung in Deutschland: Der Ausbilder bringe eben einen gewissen Erfahrungshorizont mit, der im Übrigen auch den Verbraucherinnen und Verbrauchern als Qualitätssiegel diene. Außerdem seien bereits einige Berufsfelder von der Meisterpflicht befreit worden. Nun gelte es, die knapp zehn Jahre alte Handwerksordnung zu überprüfen und zu novellieren.
    Rainer Spiecker (CDU) verwies auf "dramatische Folgen" der damaligen Handwerksnovelle, bei der etwa für Unternehmer im Fliesenlegerhandwerk keine Meisterpflicht mehr gilt. Sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze schafften Ein-Mann-Betriebe eher nicht. Schlimmer noch: Weniger Meisterbetriebe bedeuteten auch weniger Ausbildungsplätze im Handwerk. Die aber seien ein wesentlicher Grund für die in Deutschland geringe Jugendarbeitslosigkeit. Es sei schon fast schizophren, wenn die EU sechs Milliarden Euro zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ausgebe, auf der anderen Seite aber die Axt an das hiesige duale Ausbildungssystem lege.
    Daniela Schneckenburger (GRÜNE) sah im Meisterabschluss einen Wettbewerbsvorteil, auch im europäischen Vergleich. Dies beziehe sich nicht nur auf die Qualität der Leistung, sondern auch der Aus- und Weiterbildung. "Qualität ist aus unserer Sicht ein wichtiges Merkmal nachhaltigen Wirtschaftens", sagte die GRÜNE. Trotzdem habe es damals gute Gründe gegeben, 41 von 94 Handwerksberufen von der Meisterpflicht zu befreien. Umso wichtiger sei aber nun die Evaluation, denn die gestiegene Zahl der Unternehmen sei zwar zu begrüßen, aber nur, wenn diese sich auch dauerhaft wirtschaftlich entwickeln könnten.
    "Europa kann nicht bedeuten, dass es hier um Gleichmacherei geht", meinte Ralph Bombis (FDP). Vielmehr könnten die Mitgliedstaaten voneinander lernen und von den Stärken der anderen profitieren. Der Meisterbrief etwa bedeute Befähigungsnachweis und Qualitätssiegel. Er bringe nicht nur erfolgreiche Unternehmen und qualifizierte Fachkräfte mit sich. Er sporne auch junge Menschen an, sich zu engagieren und weiterzuentwickeln. Bombis bekannte sich darüber hinaus auch zur mittelständischen Struktur in NRW. Der Mittelstand dürfe nicht durch zu starke Abgaben und Bürokratie immer weiter belastet werden.
    "Offensichtlich haben Sie kein Interesse an einer neutralen Überprüfung. Sie haben sich politisch bereits festgelegt", deutete Daniel Schwerd (PIRATEN) die Tatsache, dass ein Satz aus dem Antrag der anderen vier Fraktionen wortgleich in der Deutschen Handwerkszeitung erschienen war. "Mir ist diese supergroße Koalition jedenfalls suspekt", fügte er hinzu. Es werde versucht, jede Veränderungsidee im Keim zu ersticken. Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass der Meisterbrief tatsächlich die beste Lösung sei, sei die Initiative der EU völlig legitim, meinte Schwerd und plädierte für Transparenz in den jeweiligen nationalen Berufsreglementierungen in Europa.
    Handwerksminister Garrelt Duin (SPD) verwies auf die Verantwortungskultur der Familienunternehmen, die im Handwerk häufig vorkämen. Auch kulturelles und ehrenamtliches Engagement werde hier großgeschrieben. Nicht zuletzt seien es die Meisterbetriebe des Handwerks, die die Energiewende konkret in Unternehmen und Haushalten umsetzten. Das Handwerk trage Wirtschaft und Gesellschaft, stärke mehr als alle anderen Wirtschaftsbereiche das duale Ausbildungssystem sowie den Fachkräftenachwuchs und sei Wohlstands- und Wachstumsgarant - Grund genug für den Minister, den Meisterbrief gegenüber der EU zu verteidigen.
    sow

    Angenommen
    Der Landtag hat den Antrag (Drs. 16/4574) mit den Stimmen von SPD, CDU, GRÜNEN und FDP bei Enthaltung der Piratenfraktion angenommen.

    Systematik: 2050 Mittelständische Wirtschaft

    ID: LI140110

  • Eiskirch, Thomas (SPD); Wüst, Hendrik (CDU); Schneckenburger, Daniela (Grüne); Bombis, Ralph (FDP); Schwerd, Daniel (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum Thema Handwerk.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 1 - 29.01.2014

    Früher waren die Kohle- und Stahlkonzerne die großen Arbeitgeber, heute ist NRW trotz vieler Konzerne eher mittelständisch geprägt. Der Wirtschaftsfaktor Handwerk bedeutet für unser Land ...

    Thomas Eiskirch (SPD) ... eine tragende Säule unseres Mittelstandes. Handwerk, das sind in Nordrhein-Westfalen 100 Milliarden Euro Umsatz und mehr als eine Million Arbeitsplätze. Die Vielfalt bringt Stabilität.
    Hendrik Wüst (CDU) ... beste Ausbildung, Verantwortung durch Eigentümerhaftung, Krisenfestigkeit und gesellschaftliche Verantwortung. In NRW legen im Jahr fast 20.000 junge Menschen ihre Gesellenprüfung ab. Über 4.000 Handwerker erhalten ihren Meisterbrief. Diese Zahlen sprechen für sich und unterstreichen die Bedeutung des Wirtschaftsfaktors Handwerk.
    Daniela Schneckenburger (Grüne) ... die Garantie für wirtschaftliche Stabilität und eine ausgewogene Wirtschaftsstruktur. Jeder fünfte Arbeitsplatz in NRW hängt unmittelbar am Handwerk. Daneben trägt es in besonderem Maße zur ökologischen Erneuerung, zur Ausbildung und zur regionalen Wertschöpfung bei.
    Ralph Bombis (FDP) ... über eine Million Arbeitsplätze. Das Handwerk ist ein Grundpfeiler der Wirtschaft in NRW. Es bildet junge Menschen zu Fachkräften aus und trägt maßgeblich zum Wohlstand bei. Aber das Handwerk ist mehr als Zahlen: Es ist eine Lebenseinstellung. Verantwortung, Fleiß, Eigeninitiative - das bedeutet Handwerk!
    Daniel Schwerd (PIRATEN) ... zunächst einmal die Qualitätsarbeit von mehr als einer Million Handwerkern in ca. 190.000 Betrieben. Sie bilden das Rückgrat der nordrhein- westfälischen Wirtschaft. Leider gehören auch wenig transparente und als undemokratisch empfundene Strukturen im Kammerwesen dazu. Daran müssen wir arbeiten.

    Die duale Ausbildung in Deutschland genießt ein hohes Ansehen. Dass in vielen Gewerken nur ausbilden darf, wer einen Meisterbrief hat, ...

    Thomas Eiskirch (SPD) ... ermöglicht eine qualitativ hochwertige Ausbildung und trägt auf diese Weise zum hohen Ansehen des dualen Systems bei. Hinzu kommt: Die Meisterschule ihrerseits ist eine äußerst erfolgreiche Unternehmerschulung für Erfolg und Nachhaltigkeit handwerklicher Qualität und Selbstständigkeit. Meistergründung und Meistergründungsprämie sind echte Erfolgsstorys.
    Hendrik Wüst (CDU) ... ist richtig und muss auch in die Köpfe der Bürokraten in Europa. Wer Deutschland als starkes und solidarisches Zugpferd in Europa will, darf die Erfolgsfaktoren nicht schwächen. Die duale Ausbildung und der Meisterbrief sind solche Erfolgsfaktoren.
    Daniela Schneckenburger (Grüne) ... zielt darauf, gerade bei gefahrengeneigten Gewerken die Qualität der Ausbildung und ein hohes fachliches Qualifikationsniveau zu sichern. Die Handwerksnovelle 2004 hat darum richtigerweise hinsichtlich der Meisterpflicht zwischen Gewerken unterschieden.
    Ralph Bombis (FDP) ... ist richtig und eine Basis deutscher Qualitätsarbeit. Lehren will gelernt sein, und eine gute Ausbildung ist anspruchsvoll sowohl für den Azubi als auch für den Ausbilder. Es ist ja auch niemand ernsthaft der Ansicht, dass allein das Abitur dafür ausreichen würde, Gymnasiallehrer zu werden.
    Daniel Schwerd (PIRATEN) ...ist ein guter Weg - unter vielen - die Qualität der Ausbildung zu sichern. Die gute Reputation der dualen Ausbildung sollte aber nicht dazu führen, dass neue Impulse automatisch auf Widerstand stoßen. Uns PIRATEN liegt eine konstruktive Debatte am Herzen, die ohne Denkverbote auskommt.

    Um dem Fachkräftemangel im Handwerk zu begegnen, ...

    Thomas Eiskirch (SPD) ... müssen sich Unternehmen aktiv engagieren. Da ist noch Luft: Wir brauchen weniger Ausbildungsabbrüche, Perspektiven für Studienabbrecher, die zweite Chance für den Abschluss und die Weiterqualifizierung von Beschäftigten. Die Bedingungen in männerdominierten Gewerken müssen für Frauen attraktiver werden.
    Hendrik Wüst (CDU) ... brauchen wir eine schulische Ausbildung, die jungen Menschen Lust auf praktische Arbeit macht. Auch in den vielen neuen Gesamtschulen im ländlichen Raum dürfen die Schülerinnen und Schüler nicht nur zum Abitur geführt werden. Lieber ein glücklicher Handwerker als ein frustrierter Akademiker.
    Daniela Schneckenburger (Grüne) ... brauchen wir eine Stärkung der dualen Berufsausbildung, eine verbesserte Integration von Migrantinnen und Migranten in das Ausbildungssystem und den Arbeitsmarkt sowie verbesserte Bedingungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
    Ralph Bombis (FDP) ... benötigen wir zum Beispiel eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, ein stärkeres Bewusstsein dafür, dass nicht nur ein Hochschulstudium zu beruflichem Erfolg und Selbstverwirklichung führen kann, und eine stärkere Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte.
    Daniel Schwerd (PIRATEN) ... gilt es, den Mut aufzubringen, auch außerhalb der klassischen Zielgruppen nach kompetentem Nachwuchs zu suchen und mehr selbst auszubilden. Übrigens: Aus Rumänien und Bulgarien kommen derzeit viele motivierte Arbeitskräfte nach Deutschland. Dies sollten wir als Chance für alle Beteiligten begreifen.

    Das deutsche Handwerk hat einen exzellenten Ruf. Damit auch Arbeitskräfte aus dem Ausland hierzulande Fuß fassen können, ohne den Wettbewerb zu verzerren, kommt es darauf an, ...

    Thomas Eiskirch (SPD) ... die Verbesserungen bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse zügig umzusetzen und Kosten notwendiger Nachqualifizierungen bezahlbar zu halten. Beste Mittel sind verbindliche Tarifverträge und ein gesetzlicher, flächendeckender Mindestlohn. Das stärkt den Wettbewerb um Qualität, nicht um die billigsten Arbeitskräfte.
    Hendrik Wüst (CDU) ... dass sich der Verbraucher auch in Zukunft auf exzellente Qualität verlassen kann, wenn er das Handwerk beauftragt. Dazu müssen junge Menschen aus anderen Ländern in unser System der dualen Ausbildung integriert werden. Daniela Schneckenburger (Grüne) ... auf dem Arbeitsmarkt und in den Betrieben die Voraussetzungen zu schaffen, um die interkulturellen Fähigkeiten von Menschen mit Migrationshintergrund stärker einzubinden. Hierfür ist auch die leichtere Anerkennung gleichwertiger Berufsabschlüsse, die im Ausland erworben wurden, wichtig.
    Ralph Bombis (FDP) ... eine Willkommenskultur zu schaffen, die eine bestmögliche Integration ermöglicht. Gleichzeitig müssen Regelungen gegen Lohndumping etc. konsequent durchgesetzt werden.
    Daniel Schwerd (PIRATEN) ... das Problem der prekären Solo-Selbstständigkeit anzugehen sowie einen flächendeckenden Mindestlohn zügig einzuführen. Aber auch die problemlose Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen ist von zentraler Bedeutung, damit Zugewanderte ihr ganzes Potenzial entfalten können.

    Datenausspähung kann auch Wirtschaftsspionage bedeuten. Um kleine und mittelständische Unternehmen vor Ideenklau, wirtschaftlichem und Image-Schaden zu bewahren, ist es wichtig, ...

    Thomas Eiskirch (SPD) ... nicht leichtfertig mit dem Thema umzugehen, um Sicherheitslücken zu schließen. Gegen staatlich organisierte Wirtschaftsspionage müssen Politik, Behörden und Unternehmen gemeinsam vorgehen. Die Zusammenarbeit von Unternehmen, Kammern und Verbänden mit den zuständigen Organen muss weiter vertieft werden.
    Hendrik Wüst (CDU) ... dass wir als Exportland mit für viele in der Welt spannendem Wissen und Können unsere "hidden champions" besser schützen.
    Daniela Schneckenburger (Grüne) ... das ganze Ausmaß des Überwachungsskandals zu kennen. Auf dieser Basis müssen vorhandene Maßnahmen ausgebaut und neu justiert werden. Wir müssen das Bewusstsein für diese Gefahr bei allen Unternehmen schärfen und ihnen konkrete Hilfen anbieten, um das Vertrauen in das Internet als Innovationsmotor wiederherzustellen.
    Ralph Bombis (FDP) ... das Problembewusstsein in den Betrieben zu erhöhen. Auch dort muss in Sicherheit investiert werden. Die Politik muss den Mittelstand durch Aufklärung und die Förderung sicherer Infrastrukturen unterstützen. Und sie muss aktiv und mit sämtlichen ihr zur Verfügung stehenden Instrumenten gegen Wirtschaftsspionage vorgehen.
    Daniel Schwerd (PIRATEN) ... dass Politiker in Berlin und Düsseldorf nicht weiter den Kopf in den Sand stecken, während NSA und Co. an der Totalüberwachung von Bürgern und Unternehmen arbeiten. Eine große Chance besteht in der Entwicklung von vertrauenswürdiger Open-Source-Software für einen Datenschutz "Made in Germany".

    Systematik: 2050 Mittelständische Wirtschaft

    ID: LI140111

  • Barrieren überall.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 2 in Ausgabe 10 - 27.11.2013

    Schon mit Kinderwagen sind manche Ziele schlicht nicht erreichbar. Wie mag es da erst mit Rollstuhl sein? Wie soll ein Gehörloser an einem Gerichtsverfahren teilnehmen? Wie kommt ein älterer Mensch, der schlecht zu Fuß ist, beim Orthopäden um die Ecke ohne Aufzug in die zweite Etage? Wie kann eine Blinde einen Spielfilm verfolgen? Solche Fragen zeigen schnell, an wie viele Barrieren ein Mensch in Deutschland stoßen kann, wenn ihm bestimmte Zugänge nicht zur Verfügung stehen. Nicht umsonst sagen Verbände: Menschen sind nicht behindert, sie werden behindert.
    Die UN-Behindertenrechtskonvention fordert: Weg mit den Hürden! Und das sind viele. Von Straßen und Treppen über komplizierte Verwaltungssprache, eingeschränktes Wahlrecht und Bildungshürden bis hin zu Hindernissen, eine eigene Entscheidung über medizinische Wege zu treffen. Nur eine barrierefreie Gesellschaft kann eine inklusive Gesellschaft sein, eine Gesellschaft, die automatisch alle Menschen meint, mit oder ohne Behinderung, und zwar in allen Bereichen.

    Lebensaufgabe

    Das ist groß. Ein ebenso hehrer wie alternativloser Anspruch in einem modernen, aufgeklärten, wirtschaftlich erfolgreichen und sozialen Rechtsstaat. In NRW betrifft es vor allem die Schulpolitik. Aber große Dinge kosten meist auch großes Geld. Das Umkrempeln einer ganzen Infrastruktur, der sichtbaren und der unsichtbaren, ist eine Lebensaufgabe. Das Umdenken in den Köpfen eine mindestens ebenso große. Kein Wunder, dass sich seit einem halben Jahr die Gemüter im Landtag darüber erhitzen. Auch die Struktur der Debatte ist typisch für eine solche gesamtgesellschaftliche Großaufgabe: Im Ziel sind sich alle Fraktionen einig. In Fragen der Umsetzung wird umso kontroverser gestritten. Alle wollen das Beste, und das noch bestens vorbereiten, die ganze Gesellschaft mitnehmen, das notwendige Geld dafür bereitstellen und doch dabei das Sparen nicht vergessen. Ist solch eine Aufgabe unter den Umständen knapper Kassen und einer Schuldenbremse zum Scheitern verurteilt?
    Scheitern lassen will die Inklusion niemand im Landtag. Hier im Parlamentsgebäude, das in weiten Teilen bereits barrierefrei ist und künftig noch besser an die Bedürfnisse sehbehinderter und schwerhöriger Menschen angepasst werden soll, rauchen die Köpfe. Manche Dinge brauchen Zeit. Das ist kein Grund, sie nicht anzugehen. Im Rückblick werden die Diskussionen im Vorfeld vielleicht irgendwann in den Hintergrund treten - ersetzbar macht sie dies nicht.
    Am Ende gewinnt NRW hinzu: nicht an Fläche an den Landesgrenzen, sondern im Inneren. Nämlich die Menschen, die eigentlich immer schon zu uns gehört haben.
    sow

    ID: LI131002

  • Eine völlig neue Gesellschaft.
    Deutschland hat die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet - jetzt folgt die Mammutaufgabe Inklusion.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 8 in Ausgabe 10 - 27.11.2013

    Im Jahr 2009 ist in Deutschland die UN-Konvention über die Rechte für Menschen mit Behinderungen in Kraft getreten. Dabei geht es nicht mehr um die Integration von Ausgegrenzten, von Menschen mit langfristigen körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigungen. Es geht um ein völliges Umdenken in der Gesellschaft. Es geht um eine inklusive Gesellschaft, also eine Gesellschaft, deren Infrastruktur in allen Bereichen so gestaltet ist, dass Menschen mit Behinderungen nicht nur zusätzlich hineinpassen, sondern von vornherein ganz normal, ebenso selbstverständlich und damit gleichberechtigt dazugehören. Infrastruktur meint dabei nicht nur Wege und Gebäude, sondern auch Institutionen an sich. Nimmt man diesen Anspruch ernst, und dazu hat sich Deutschland per Unterschrift verpflichtet, bedeutet das gravierende Herausforderungen - auch für das Land Nordrhein-Westfalen.
    Gesellschaft, die eine Minderheit ausschließt, ob bewusst oder unbewusst, kann keine Gesellschaft für alle sein. Im Jahr 2009 zählten in Deutschland etwa zehn Prozent der Bevölkerung zur Gruppe von Menschen mit einer Behinderung. Für Menschen wie sie sind laut UN-Konvention weltweit viele Grundrechte nicht selbstverständlich, etwa eine gute Bildung, sich ungehindert von A nach B bewegen zu können, selbstbestimmt zu leben, Arbeit zu finden oder eine angemessene Gesundheitsversorgung.
    Die Konvention stellt nun fest, dass die Staaten die Menschenrechte der Bürgerinnen und Bürger mit Handicaps gewährleisten müssen. Und da es sich um Menschenrechte handelt, ist das auch weder verhandelbar noch zweitrangig. Die UN-Konvention schreibt wesentliche Grundsätze fest, darunter als erstes die Würde des Menschen, seine Autonomie und die Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen. Auch die Achtung vor den sich entwickelnden Fähigkeiten von Kindern mit Behinderungen gehört zu den Grundsätzen. Ebenso sind die Einbeziehung in die Gesellschaft, die Chancengleichheit und die allgemeine Zugänglichkeit Grundsätze, ohne die eine inklusive Gesellschaft nicht denkbar ist.
    Zuallererst kommt dabei die Bildung ins Spiel, denn sie eröffnet Wege, freilich nicht nur für Menschen mit Behinderungen. Bisher gibt es in Nordrhein-Westfalen Förderschulen. Die meisten Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen lernen in solchen Institutionen. Manche gehen aber auch heute schon in die sogenannte Regelschule, also in die Schule, in der zum allergrößten Teil Kinder ohne (geistige) Behinderungen lernen. Nun soll es ab dem kommenden Schuljahr schrittweise einen Rechtsanspruch für alle Kinder mit Handicaps geben, eine Regelschule zu besuchen, wenn sie möchten.

    Bildung

    Diesen Rechtsanspruch leitet die Landesregierung aus der UN-Behindertenrechtskonvention ab. Tatsächlich wird dort der Zugang zur Regelschule als Normalfall beschrieben. Das Recht auf Bildung als Menschenrecht sei zentral für die Verwirklichung anderer Menschenrechte, heißt es dort, und das treffe auch für das gemeinsame Lernen von nicht behinderten und behinderten Kindern und Jugendlichen zu.
    Darauf können sich im Grunde auch alle Fraktionen im Landtag einigen. An zwei Knackpunkten scheiden sich aber zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen die Geister. Erstens: Zugang und Rechtsanspruch bedeuten keine Pflicht zur Regelschule für Kinder mit Behinderungen. Die Eltern sollen die Wahlmöglichkeit haben zwischen Förder- und Regelschule für ihr Kind. Sie sollen selbst entscheiden können, in welcher Schulform ihr Kind und seine Entwicklung wohl besser gefördert werden. Die Sorge, dass im Zuge einer Reform der Regelschulen hin zu inklusiven Schulen die Förderschulen mehr oder weniger wegfallen und damit auch die Wahlmöglichkeit der Eltern, ist groß.

    Kosten

    Zweitens: das Geld. Die Städte und Gemeinden verweisen darauf, dass inklusive Schulen deutlich aufwendiger und teurer sind - beim Umbau und vor allem beim Personal, um die Kinder entsprechend zu fördern. Wenn das Land ihnen nun per Gesetz eine solche Aufgabe übertrage, müsse es den Kommunen wegen des Konnexitätsprinzips auch das Geld dafür geben. Die Finanzierungsfrage ist tatsächlich noch ungeklärt.
    Übrigens: Förder-Hochschulen gibt es nicht. Menschen mit Behinderungen studieren an regulären deutschen Hochschulen, unterstützt von entsprechenden Beauftragten oder Servicestellen der Hochschulen. - Wenn sie denn studieren.
    Ein Blick in die deutschsprachigen Nachbarländer zeigt, wie unterschiedlich die Inklusion vorankommt: Während in Österreich etwa die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler "mit besonderem Förderbedarf" in allgemeine Schulklassen integriert sind, ist die Inklusion in der Schweiz bisher kaum ein Thema. Der Schweizer Bundesrat hat die UN-Konvention bisher weder unterzeichnet noch ratifiziert.
    sow

    Systematik: 5050 Behinderte

    ID: LI131012

  • Landtag verabschiedet Inklusionsgesetz.
    Recht für alle auf einen Platz in Regelschule ab kommendem Sommer.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 10 - 27.11.2013

    16. Oktober 2013 - Das NRW-Parlament hat das von der Regierung erarbeitete Inklusionsgesetz beschlossen. Damit setzt NRW die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen in puncto Bildung um. Kinder mit Behinderungen haben demnach ab dem Schuljahr 2014/15 schrittweise einen Rechtsanspruch auf Unterricht an einer Regelschule. Die Frage nach Folgekosten für die Kommunen und möglichen Ausgleichszahlungen des Landes bleibt zunächst offen.
    Die Landesregierung hatte sich am Tag vor der zweiten Lesung im Plenum mit den Kommunen darauf verständigt, das Gesetz erst am 1. August 2014 in Kraft treten zu lassen. Der Zeitaufschub soll nun genutzt werden, um die Kosten der Inklusion für die Kommunen zu erheben. Letztere können gegen das Gesetz bis zu einem Jahr nach dessen Inkrafttreten klagen.
    Ob Inklusion gelinge, entscheide sich vor Ort, unterstrich Norbert Römer (SPD). Umso mehr freue ihn, dass die kommunalen Spitzenverbände die "ausgestreckte Hand" von Rot-Grün ergriffen hätten. Die Einigung sei alles andere als ein Spiel auf Zeit. "Wir haben einen verbindlichen Untersuchungsauftrag vereinbart", erläuterte der Fraktionsvorsitzende. Der Rechtsschutz der Kommunen bleibe gewahrt. Insgesamt betonte er: Inklusion bereichere, sei aber auch ein Prozess. "Wir wollen so viel Normalität wie möglich und so viel Förderung wie nötig", so Römer. Seine Fraktion werde alles tun, dass die Inklusion als große Chance für die Gesellschaft gelinge.
    "Es gibt keine Einigung, auch nicht durch Ihren Änderungsantrag", befand hingegen Klaus Kaiser (CDU). Sowohl Regierung als auch kommunale Spitzenverbände beharrten auf ihrer Position. Zudem lasse der Zeitaufschub die Betroffenen im Unklaren, so Kaiser. Gerade weil sich der Erfolg von Inklusion vor Ort entscheide, könne er nicht verstehen, dass Rot-Grün versäumt habe, Städte und Gemeinden ins Boot zu holen. Auch provozierten sie eine "Inklusion nach Kassenlage", meinte der CDU-Sprecher und betonte: "Die Kommunen haben Anspruch darauf, dass ihre Mehrkosten adäquat ersetzt werden." Inhaltlich bleibe Rot-Grün vor allem klare Qualitätsstandards schuldig.
    "Wir wollen eine faire und offene Evaluation", verteidigte Sigrid Beer (GRÜNE) die Kostenuntersuchung. Sie sei froh, dass die Spitzenverbände den Weg mitgingen. Was die Unsicherheiten der Eltern und das Laufen durch Instanzen bei der Schulplatzsuche angehe, unterstrich sie: "Damit machen wir systematisch Schluss." Bereits für die Anmeldungen im nächsten Schuljahr griffen die neuen Regelungen, kündigte Beer an. Gemeinsamer Unterricht sei in NRW aber auch kein komplettes Neuland: Schon seit dem Jahr 2010 habe Rot-Grün hier mit 1.100 Lehrerstellen "massiv" investiert. Die Quote von Kindern mit Behinderungen in Regelschulen sei seitdem deutlich gestiegen.
    Christian Lindner (FDP) bezeichnete die Inklusion als "sozialpolitische Schlüsselaufgabe". Kinder mit Behinderungen müssten ihren Platz in der Mitte der Gesellschaft und damit auch Zugang zu Regelschulen haben. Allerdings sei der rotgrüne Entwurf in allen Anhörungen beispiellos durchgefallen, erinnerte er und forderte: "Die Qualität muss das Tempo des Inklusionsfortschritts bestimmen." Entsprechende Standards fehlten und Förderschulen würden ohne Not abgebaut. In Bezug auf die erwähnte ausgestreckte Hand der Regierung an die Kommunen meinte Lindner: "Man muss aber fairerweise hinzufügen, dass Sie sie eigentlich am langen Arm verhungern lassen wollen."
    "Für mich ist es kein guter Tag", stimmte Monika Pieper (PIRATEN) in die Kritik ein. Sowohl das Verfahren als auch das Ergebnis seien nicht zufriedenstellend. Die Regierung habe trotz Kritik der Fachleute lediglich eine "Liste Wünsch-Dirwas" erstellt, bemängelte sie. Die Ansätze seien gut und richtig, aber es fehle an Verbindlichkeit. "Wir brauchen konkrete Zielvorgaben und klar abgesteckte Rahmenbedingungen", forderte Pieper. Auch eine Inklusion nach Kassenlage müsse unbedingt verhindert werden. Die Kommunen bräuchten jetzt Geld für die notwendigen Investitionen, betonte die Abgeordnete und sprach sich für ein finanzielles Landesprogramm aus.
    Nach der Verabschiedung müsse das Gesetz mit Leben gefüllt werden, betonte Schulministerin Sylvia Löhrmann (GRÜNE). Das Ganze sei kein Experiment: Bereits ein Drittel der Grundschulen habe Erfahrung beim gemeinsamen Lernen. Expertenkritik habe es gegeben, aber nicht einhellig, so die Ministerin, - abgesehen von den Ressourcenfragen. Hier trage das Land seinen Anteil: Während sich die Inklusionsquote verdreifache, versechsfache es die Zahl der Lehrerstellen. Welche Kosten bei den Kommunen entstünden, werde nun bis Ende Januar evaluiert, so Löhrmann. In Bezug auf eingeforderte Qualitätsstandards lehnte sie eine "Einheitsinklusion nach Maßstab" ab.
    bra

    Zusatzinformation:
    Angenommen
    Das Gesetz (Drs. 16/2432) wurde in namentlicher Abstimmung bei 231 abgegebenen Stimmen mit 124 zu 107 Stimmen verabschiedet.

    Systematik: 5050 Behinderte; 4200 Schulen

    ID: LI131013

  • Hendricks, Renate Maria (SPD); Doppmeier, Ursula (CDU); Beer, Sigrid (Grüne); Gebauer, Yvonne (FDP); Pieper, Monika (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum Thema Inklusion.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 10 - 27.11.2013

    Die Hauptaufgaben des Landes, um eine inklusive Gesellschaft in NRW zu erreichen, bestehen darin, ...

    Renate Maria Hendricks (SPD) ... die Menschen mitzunehmen und schrittweise die erforderlichen Voraussetzungen und Bedingungen für die Inklusion zu schaffen. Unter anderem muss das Schulsystem angepasst werden.
    Ursula Doppmeier (CDU) ... Barrieren in den Köpfen der Menschen zu beseitigen und den gesetzlichen Rahmen zu schaffen, der behinderten Menschen die Ausübung ihrer Rechte ermöglicht und garantiert. Dazu hätte gehört, den Aktionsplan mit Betroffenen zu erarbeiten, statt sie im Nachhinein den Fortschritt fragwürdiger Maßnahmen bewerten zu lassen.
    Sigrid Beer (GRÜNE) ... auf allen Ebenen und in allen Bereichen inklusive Prozesse nach Maßgabe seiner Möglichkeiten zu unterstützen. Dazu gehören rechtliche Grundlagen, die Ausgestaltung von Rahmenbedingungen sowie das Fördern einer gesellschaftlichen Grundhaltung, um die Teilhabe für alle Menschen zu ermöglichen.
    Yvonne Gebauer (FDP) ... die Umsetzung der Inklusion durch transparente qualitative Standards zu gestalten. Jeder Mensch soll an der Gesellschaft teilhaben können. Ängste und Barrieren müssen ab-, Vertrauen sowie Verständnis aufgebaut werden. Das überhastete Vorgehen von Rot-Grün etwa bei der schulischen Inklusion gefährdet den Erfolg.
    Monika Pieper (PIRATEN) ... geeignete Rahmenbedingungen für Inklusion zu schaffen und alle Akteure bei der Umsetzung zu unterstützen. Die Verwirklichung der Inklusion stellt die Politik in vielen Feldern vor große Herausforderungen. Notwendig für das Gelingen der Inklusion ist auch ein Bewusstseinswandel in der Gesellschaft.

    Die Kommunen als letztes Glied in der Kette der Umsetzung der Inklusion müssen ...

    Renate Maria Hendricks (SPD) ... und haben bereits begonnen, Konzepte für eine selbstbestimmte und unabhängige Lebensführung der Menschen umzusetzen sowie die schulische Inklusion voranzubringen. Ob und wie die Kommunen finanziell durch das Land unterstützt werden, wird eine Arbeitsgruppe klären.
    Ursula Doppmeier (CDU) ... leider vergeblich auf finanzielle Hilfe durch das Land warten. Dass sie trotzdem viel tun, weil Inklusion ein Menschenrecht ist und wir angesichts des (gesellschaftlichen) Alterungsprozesses alle davon profitieren, ist erfreulich, angesichts leerer kommunaler Kassen aber eben nur Inklusion nach Kassenlage.
    Sigrid Beer (GRÜNE) ... lokale Inklusionspläne erstellen, die den Prozess der inklusiven Entwicklung gemäß der Bedarfe, Anforderungen und Ausgangslagen vor Ort schrittweise gestalten. Im Bereich der Schule ist das z. B. der Beginn des Aufbaus inklusiver Strukturen, zuerst u. a. durch Schwerpunktschulen unter Einbeziehung aller Schulformen.
    Yvonne Gebauer (FDP) ... vom Land die ihnen auch rechtlich zustehende finanzielle Unterstützung erhalten, sonst werden die Kommunen mit dieser Aufgabe überfordert. Der Erfolg der Inklusion entscheidet sich bei den Menschen vor Ort, deshalb sind Basisstandards zur qualitativen Umsetzung erforderlich.
    Monika Pieper (PIRATEN) ... auch ihren Beitrag leisten. Eine inklusive Gesellschaft gelingt nur mit gelebter Inklusion vor Ort. Doch viele können Inklusion aufgrund ihrer Haushaltslage nicht umfassend umsetzen. Daher fordern wir für Schulen ein Landesprogramm, um eine Inklusion nach Kassenlage zu verhindern.

    Den bisherigen Stand der Umsetzung der Inklusion in NRW bewerte ich als ...

    Renate Maria Hendricks (SPD) ... insgesamt befriedigend. Es ist ein gesellschaftlicher Prozess, der an Tempo und Intensität in den nächsten Jahren deutlich zulegen wird. Inklusion wird unser Denken und Handeln verändern und Chancen im Zusammenleben sichtbar werden lassen.
    Ursula Doppmeier (CDU) ... große Enttäuschung für alle Betroffenen, was den Aktionsplan der Landesregierung betrifft. Erfreulich ist, dass sich in allen Landesteilen Menschen, die die UN-Konvention unterstützen, auf den Weg machen und Projekte auf den Weg bringen, die Vorbild für andere sein können.
    Sigrid Beer (GRÜNE) ... sehr unterschiedlich. Das zeigt gerade auch der Schulbereich. Kommunen und Regionen weisen z. B. unterschiedliche Entwicklungsstände im Gemeinsamen Unterricht auf. So gehen z.B. im Kreis Wesel jetzt schon alle Kinder aus dem Förderbereich Lernen in die Grundschule. Die Regionen können voneinander lernen.
    Yvonne Gebauer (FDP) ... im Schulbereich leider mangelhaft. Die Inklusion wird von SPD und Grünen fehlfinanziert, unstrukturiert, ohne Qualitätsstandards und gegen die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder, Eltern, Pädagogen und Kommunen durchgepeitscht. Die Qualität muss das Tempo der Umsetzung bestimmen, nicht das Tempo die Qualität.
    Monika Pieper (PIRATEN) ... mangelhaft. Doch der Stand und Erfolg darf nicht an Zahlen gemessen werden, sondern muss sich an einer nachweisbaren Qualität orientieren. Diese ist zurzeit nicht gegeben. So sind viele Schulen zurzeit noch unzureichend vorbereitet und ausgestattet. Das führt zu einer Inklusion light.

    Qualität in der schulischen Inklusion zeichnet sich meiner Meinung nach aus durch ...

    Renate Maria Hendricks (SPD) ... gute Schul- und Unterrichtskonzepte, die durch individuelle Förderung alle Kinder und Jugendlichen in die Lage versetzen, ihre Potenziale optimal zu entwickeln. Das Land stellt dafür bis 2017 insgesamt 3.215 Lehrerstellen zusätzlich zur Verfügung, 1.200 davon bereits im kommenden Schuljahr.
    Ursula Doppmeier (CDU) ... eine Ausstattung, die den Schulen erlaubt, jedes Kind angemessen versorgen und unterstützen zu können; ein gut fortgebildetes Lehrerkollegium und ein Team von Pädagogen und Sonderpädagoginnen, das sich gemeinsam für die begabungsgerechte Förderung jedes Kindes der Klasse verantwortlich fühlt.
    Sigrid Beer (GRÜNE) ... ein gutes Team mit unterschiedlichen Professionen, z. B. allgemeine Lehrkräfte, SonderpädagogInnen, ErzieherInnen, SozialpädagogInnen. Über 3.200 zusätzliche Lehrkräfte, 2.300 Studienplätze für Sonderpädagogik, 2.500 Fortbildungsplätze, KoordinatorInnen und 300 ModeratorInnen stellt das Land zusätzlich zur Verfügung.
    Yvonne Gebauer (FDP) ... bestmögliche Förderbedingungen für jedes Kind. Das bedeutet: Wahlmöglichkeiten für Eltern zwischen allgemeiner Schule und spezialisierter Förderschule, klare qualitative Umsetzungsstandards für Schulträger, Fortbildung für Pädagogen sowie strikte Einhaltung der Konnexität gegenüber den Kommunen.
    Monika Pieper (PIRATEN) ... definierte Mindeststandards. Dazu gehören ausreichend Sonderpädagogen und Sachmittel für die allgemeinen Schulen, verbindliche Fortbildungen für die Lehrerinnen und Lehrer der allgemeinen Schulen und gute Instrumente zur Diagnose der Förderbedarfe der Kinder und Jugendlichen.

    Die Existenz von Förderschulen in NRW ...

    Renate Maria Hendricks (SPD) ... wird nicht grundsätzlich infrage gestellt. Allerdings werden insbesondere viele Förderschulen für Lern- und Entwicklungsstörungen aufgrund der demografischen Entwicklung und des Schulwahlverhaltens der Eltern im Sinne der Inklusion auslaufen. Bereits heute besucht jedes vierte Kind mit Förderbedarf eine allgemeine Schule.
    Ursula Doppmeier (CDU) ..., die bisher die Versorgung und Bildung auch von schwerstmehrfach behinderten Kindern gewährleistet haben, wird von einer Regierung infrage gestellt, die nicht bereit ist, sich für vergleichbare Unterstützungsstrukturen in der Inklusion einzusetzen. Ein solches "Wahlrecht" ist eine Ohrfeige für alle betroffenen Eltern.
    Sigrid Beer (GRÜNE) ... gehört laut Schulkonsens zum Schulangebot in NRW, soweit sie trotz Inklusion erforderlich sind. Elternwahlverhalten und Schülerrückgang haben aber längst gerade im Bereich der Förderschule Lernen erhebliche Auswirkungen. Gerade auch aus Qualitätsgründen können zu kleine Schulen nicht weitergeführt werden.
    Yvonne Gebauer (FDP) ... ist massiv bedroht. Rot-Grün entzieht hunderten Förderschulen die Existenzbasis. Die Zahl der Förderschulen wird aus Gründen der Demografie und des veränderten Schulwahlverhaltens sinken. Dennoch muss für Eltern zukünftig eine Wahlmöglichkeit zwischen allgemeiner Schule und Förderschule sichergestellt sein.
    Monika Pieper (PIRATEN) ... ist notwendig. Es wird immer Schüler geben, die temporär in der allgemeinen Schule nicht gefördert werden können. Wir brauchen flächendeckend Stützpunktschulen, die verhindern, dass Schüler aus der Förderung herausfallen. Die Arbeit der Sonderpädagogen vor Ort muss an diesen Schulen vernetzt werden.

    ID: LI131014

  • Biss in den sauren Apfel?
    Landtag berät über Soli-Umlage durch Stärkungspakt.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 9 - 16.10.2013

    25. September 2013 - Wer mehr hat, gibt den Ärmeren was ab: So funktioniert der Finanzausgleich zwischen den Bundesländern. Die rot-grüne Landesregierung will dieses Solidarprinzip nun auch auf die Städte und Gemeinden in NRW übertragen und damit ab kommendem Jahr Teile des 2011 beschlossenen Stärkungspaktgesetzes finanzieren (Drs. 16/3968). Ein Pro und Kontra aus der ersten Lesung.
    "Wer besonders leistungsfähig ist, hilft denen, die es nicht sind", erläuterte Kommunalminister Ralf Jäger (SPD) den Gesetzentwurf. Das sei sozial, gerecht und auch fair. Nach dieser Idee hätten SPD und GRÜNE zusammen mit der FDP schließlich auch schon den Stärkungspakt beschlossen, nämlich den besonders von Schulden geplagten Kommunen zu helfen - mit insgesamt 5,5 Mrd. Euro bis zum Jahr 2020. Davon schultere das Land 3,5 Mrd. Euro. Den Rest von 182 Mio. Euro jährlich müssten nun die besonders starken Kommunen mit je knapp einem Viertel ihrer überschüssigen Steuern stemmen, so Jägers Vorschlag. Die Leistungskraft des Landes jedenfalls sei erschöpft.
    Die geplante Solidarumlage gehe an der Realität und den Sorgen der Kommunen vorbei, kritisierte hingegen der FDP-Sprecher Kai Abruszat: "Die Zwangsabgabe gehört eingemottet." Zwar habe NRW vor zwei Jahren zu Recht ein "bedeutendes Selbsthilfeprogramm" für die Kommunen ins Leben gerufen - mit dem Ziel: Sparen soll sich lohnen und durch Mittel aus dem Stärkungspakt belohnt werden. Nun müsse man das Ganze zunächst einmal auswerten, forderte Abruszat und sprach sich für ein "ehrliches" Abbild der Realität aus: "Lassen Sie uns schauen, dass wir nicht nur die strukturelle Lücke der Kernhaushalte, sondern auch der gesamten Beteiligungen der Kommunen in den Blick nehmen."
    Die Soli-Umlage sei keine große Überraschung, entgegnete der SPD-Abgeordnete Michael Hübner. "Es war seit dem Jahr 2011 zu erwarten und war in den Grundzügen schon angelegt", betonte er. Zudem sei das Modell damals, auch mit der FDP, bereits diskutiert worden. Nichtsdestotrotz sei Rot-Grün offen für Vorschläge der Opposition, den Pakt anders zu finanzieren - Vorschläge gebe es bislang aber nicht. Am Beispiel Düsseldorf machte Hübner deutlich, dass der Soli von den stärkeren Kommunen durchaus tragbar sei: 60 Millionen Euro spare die Landeshauptstadt ab kommenden Jahr durch Bundesmittel bei der Grundsicherung im Alter, 27 Millionen Euro koste sie die Soli-Abgabe.
    Als ungerecht und unverantwortlich bezeichnete dagegen André Kuper (CDU) den Gesetzentwurf. "Dieser Kommunal-Soli wird im Ergebnis eine offene Bestrafung für solides Wirtschaften in der Vergangenheit sein", kritisierte er. Sämtliche Anreize für gutes Hauswirtschaften entfielen. Zudem setze Rot-Grün "steuerstark" fälschlicherweise gleich mit "reich": "Die 60 Soli-Zahlerstädte haben heute schon eine Verschuldung von 2,8 Mrd. Euro", mahnte Kuper. Manche seien sogar höher verschuldet als die Empfängergemeinden. Außerdem zeigten die Kommunen über das Gemeindefinanzierungsgesetz sowie die Kreis- und Landschaftsverbandsumlage schon genug Solidarität - alles Weitere überlaste sie.
    Die CDU wende sich gegen die Umlage, nenne aber keine Alternativen, bemerkte Mario Krüger (GRÜNE) und betonte: "Ohne eine solidarische Hilfe tteuerstarker Kommunen gibt es keine schnelle Verbesserung der Finanzlage der überschuldeten Kommunen." Auch ihn habe es nicht überrascht, dass sich die Geberstädte gegen die Umlage wehrten. Allerdings dürfe man dabei nicht vergessen, dass das Land selbst "unter erheblichen Kraftanstrengungen" für einen Großteil des Stärkungspakts aufkomme. Zudem habe der Pakt von Anfang an vorgesehen, die Kommunen finanziell zu beteiligen. Vor der näheren Ausgestaltung einer Soli-Umlage habe sich die FDP damals allerdings gedrückt, so Krüger.
    Kritik am Kommunal-Soli übte hingegen auch Dietmar Schulz (PIRATEN). Grundsätzlich spiele Solidarität zwar eine wichtige Rolle. Allerdings halte er es für problematisch, wenn die kommunale Selbstverwaltung dabei immer stärker leide. Das könne seine Fraktion nicht gutheißen, betonte Schulz. Vielmehr müsse NRW die Kommunen befähigen, "aus ihrer eigenen Kraft diese Stärke zu gewinnen, die hier durch eine Umverteilung und ein Gegeneinander- Aufbringen" erfolge. Gleichzeitig forderte Schulz, dass finanzschwache Kommunen ihr Vermögen offenlegen müssten, um versteckte Schätze heben zu können - und, so seine Hoffnung, "wir einen Kommunal-Soli nach Möglichkeit nicht brauchen".
    bra

    Zusatzinformation:
    Stärkungspaktgesetz
    Für überschuldete oder von Überschuldung bedrohte Kommunen stellt der 2011 beschlossene Stabilitätspakt bis zum Ende des Jahrzehnts eine jährliche Finanzspritze von 350 Mio. Euro bereit. Ab dem kommenden Jahr müssen die NRW-Kommunen davon jährlich knapp 182 Millionen Euro selbst aufbringen. Mit ihrem neuen Entwurf strebt die Landesregierung hierfür eine Solidarumlage an. Als nächstes hört der Fachausschuss Sachverständige an (siehe S. 13) und berät im Detail.

    Systematik: 1230 Kommunale Angelegenheiten; 8340 Finanzausgleich

    ID: LI130911

  • Hübner, Michael (SPD); Kuper, Andre (CDU); Krüger, Mario (Grüne); Abruszat, Kai (FDP); Herrmann, Frank (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum Thema Kommunal-Soli.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 9 - 16.10.2013

    Die Idee, dass über eine Solidaritätsumlage "reiche" für "arme" Kommunen zahlen sollen, halte ich grundsätzlich für ...

    Michael Hübner (SPD) ... vertretbar. Dies vor dem Hintergrund, dass das Land mit insgesamt 3,5 Milliarden Euro bereits an die Grenze seiner finanziellen Leistungsfähigkeit im Stärkungspakt gegangen ist und weitere Entlastungen für die kommunale Familie auch auf Bundesebene (SGB XII) und beim NRW-Einheitslastengesetz auf den Weg gebracht hat. NRW ist nicht das erste oder einzige Land mit derartigen Abundanzumlagen.
    André Kuper (CDU) ... falsch und lehne ich ab. Es bedarf keiner Umlage, denn der Solidarausgleich ist das Gemeindefinanzierungsgesetz. Und hier wird Solidarität geleistet. Der Kommunal-Soli ist eine ungerechte und undurchdachte Strafaktion für solide wirtschaftende Kommunen. Die Zahlerkommunen haben selbst Schulden von 2,8 Milliarden Euro, ist das "reich"? Die Umlage ist daher ein dramatischer Eingriff in die Finanzhoheit.
    Mario Krüger (GRÜNE) ... richtig. Vergleichbare Umlagen werden auch in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz seit Jahren erhoben. Insoweit beschreitet Nordrhein-Westfalen keinen Sonderweg, wenn wir auch hier die steuerstarken Gemeinden in die befristete Finanzierung des Solidarpakts einbeziehen.
    Kai Abruszat (FDP) ... populistisch, irreführend und falsch. Die meisten angeblich wohlhabenden Kommunen sind nur "auf dem Papier" reich. Tatsächlich befinden sich viele selbst in der Haushaltssicherung oder im Nothaushalt. Durch die Zwangsabgabe würden sie zu den Hilfeempfängern von morgen gemacht. Außerdem tragen sie bereits heute zur interkommunalen Solidarität bei, weil sie keine Schlüsselzuweisungen vom Land erhalten.
    Frank Herrmann (PIRATEN) ... falsch. Es gibt in NRW keine "reichen" Kommunen. Es gibt nur "arme" und "ganz arme". Die "armen" Kommunen bekommen durch radikales Sparen irgendwie eine schwarze Null hin. Die "ganz armen" Kommunen sind gar nicht mehr in der Lage, durch Einsparungen im Leistungskatalog diese schwarze Null zu erreichen. Wir brauchen endlich eine Nachhaltigkeit in der Finanzplanung.

    Die Entwicklung der kommunalen Kassen in den letzten Jahren ist aus meiner Sicht ...

    Michael Hübner (SPD) ... in vielen Bundesländern problematisch. Immer höhere Verschuldung durch Kassenkredite konnten in NRW jedoch durch mehr Geld aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz und durch den Stärkungspakt deutlich gebremst werden. Seit dem Politikwechsel im Jahr 2010 haben inzwischen wesentlich weniger Städte und Gemeinden einen Nothaushalt als unter der schwarz-gelben Landesregierung.
    André Kuper (CDU) ... dramatisch. Vor allem die Entwicklung der Kassenkredite ist höchst alarmierend. Mittlerweile haben die nordrhein-westfälischen Kommunen mehr als 25 Milliarden Euro an Kassenkrediten angehäuft, dies ist mehr als die Hälfte aller bundesweiten Kassenkredite. Die Landesregierung blendet dieses Risiko aber völlig aus. Die kommunale Verschuldung spielt für den rot-grünen Stärkungspakt keine Rolle.
    Mario Krüger (GRÜNE) ... weiterhin angespannt. SPD und GRÜNE haben mit erheblichen Kraftanstrengungen die Kürzungen der früheren CDU/FDP-Landesregierung in der Gemeindefinanzierung zurückgenommen und stellen mit dem GFG 2014 den höchsten Geldbetrag zur Verfügung. Doch werden diese Anstrengungen durch die ausufernden kommunalen Soziallasten konterkariert. Hier ist der Bund gefordert, z.B. durch die Übernahme der Eingliederungshilfen.
    Kai Abruszat (FDP) ... alarmierend. Trotz erheblicher Steuermehreinnahmen steigen die kommunalen Kassenkredite kontinuierlich an. Während die schwarz-gelbe Bundesregierung unsere Städte und Gemeinden durch die Grundsicherungsübernahme erheblich entlastet hat, hält Rot-Grün im Land an der Unterfinanzierung der kommunalen Ebene fest. Nun sollen ihr auch noch die schulischen Inklusionskosten komplett aufgebürdet werden.
    Frank Herrmann (PIRATEN) ... eher negativ verlaufen. Das liegt daran, dass die Kommunen ständig neue Aufgaben bekommen, ohne ausreichend auf die Gegenfinanzierung Einfluss nehmen zu können. Ein Umsteuern des Bundes bei den Kosten der Unterkunft für ALG-II-Empfänger ist ein erster Schritt. Weitere müssen im Dreiklang Bund, Länder und Kommunen erfolgen. Die Einführung des Konnexitätsprinzips zwischen Bund und Ländern wäre eine zusätzliche wichtige Maßnahme.

    350 Millionen Euro will das Land jährlich bis zum Jahr 2020 bereitstellen, 182 Millionen sollen die Kommunen über die Solidarumlage beisteuern. Dies ist ...

    Michael Hübner (SPD) ... auch für die Geber-Gemeinden ein erheblicher Kraftakt. Aber er ist notwendig, um die kommunalen Finanzen für alle 396 Städte und Gemeinden in NRW zu stabilisieren. Die Solidaritätsumlage ist in der jetzigen Form lediglich für sieben Jahre bis 2021 geplant. Die Gesamtsumme aller Finanzhilfen von 2011 bis 2021 beträgt mehr als 5,5 Milliarden Euro. Der Löwenanteil wird vom Land geschultert.
    André Kuper (CDU) ... unverantwortlich. Die Landesregierung lässt die Finanzsituation bei den 60 betroffenen Zahlerkommunen außen vor und riskiert dadurch, dass auch diese 60 Kommunen unter "die Wasserlinie gedrückt" werden. Für die Berechnung ist es absurderweise irrelevant, dass 18 Kommunen selbst im Nothaushalt oder der Haushaltssicherung sind, von den 60 nur 7 einen ausgeglichenen Haushalt haben.
    Mario Krüger (GRÜNE) ... vor dem Hintergrund zu beurteilen, dass der überwiegende Teil der Stärkungspaktmittel vom Land getragen wird. Zudem werden die Gemeinden erheblich entlastet: Die zusätzlichen Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer werden komplett weitergegeben, sie erhalten Rückzahlungen aus dem Einheitslastenabrechnungsgesetz und der Bund übernimmt auf Initiative von Rot-Grün die Aufwendungen für die "Grundsicherung im Alter".
    Kai Abruszat (FDP) ... leistungsfeindlich und für die FDP nicht tragbar. Durch die von Rot-Grün geplanten Umverteilungsmaßnahmen wird das Problem nur verlagert. Kranke Kommunen werden aber nicht dadurch gesund, indem man gesunde Kommunen krank macht.
    Frank Herrmann (PIRATEN) ... nicht zielführend. Wir müssen eine nachhaltige Strategie mit allen Beteiligten erarbeiten. Auch die Einbringungsmöglichkeiten von Bürgern müssen an dieser Stelle gestärkt werden. Die Einwohner vieler Kommunen müssen entweder stillschweigend gravierende Einschnitte im Leistungskatalog ihrer Gemeinde hinnehmen oder mehr Steuern zahlen. Die kommunale Selbstverwaltung wird zu stark beschnitten.

    Eine solche Regelung wird sich auf eigene Sparanstrengungen der Kommunen ...

    Michael Hübner (SPD) ... grundsätzlich positiv auswirken. Über die Umlage bekommen überschuldete oder von Überschuldung bedrohte Orte hohe Finanzhilfen bis 2021. Gleichwohl müssen die begünstigten Kommunen massiv sparen, um ihren Etat erstmals bis 2018 auszugleichen. Diese interkommunale Solidarität ist keine Bestrafung der Geber-Kommunen, denn mehr als Dreiviertel des eigenen Überschusses bleibt in der eigenen Stadtkasse.
    André Kuper (CDU) ... fatal auswirken. Der Griff des Landes in die Stadtkassen von solide wirtschaftenden Kommunen hat eine verheerende Signalwirkung, dass sich solides und sparsames Arbeiten vor Ort nicht mehr auszahlt, sondern bestraft wird. Rot-Grün nimmt den Kommunen sämtliche Leistungsanreize für eine solide Haushaltswirtschaft, wenn die Früchte der Arbeit geraubt werden.
    Mario Krüger (GRÜNE) ... nicht negativ auswirken. Ganz im Gegenteil: Die Kommunen beweisen damit Solidarität gegenüber den Stärkungspaktkommunen. Diese müssen nämlich durch eigene Anstrengungen rund 70 Prozent der erforderlichen Konsolidierungsmaßnahmen durch Einsparungen und Einnahmeverbesserungen selbst erwirtschaften.
    Kai Abruszat (FDP) ... kontraproduktiv auswirken. Kommunen, die heute noch halbwegs solide Finanzstrukturen aufweisen, haben sich diese in der Regel durch langjährige und entbehrungsreiche Sparprogramme erarbeitet. Die Einführung einer Zwangsabgabe für solide wirtschaftende Kommunen wäre ein fatales Signal und würde jedweden Anreiz für eine vorbildliche Haushaltspolitik zerstören.
    Frank Herrmann (PIRATEN) ... dramatisch auswirken. Mit dem Kommunal-Soli werden kommunale Steuern landesweit umgelegt. Das ist das genaue Gegenteil von dem, was in der Landesverfassung zur kommunalen Selbstverwaltung steht. Die Regelung kann sich nur kontraproduktiv auf die Sparanstrengungen der betroffenen Kommunen auswirken. Die Bemühungen, zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen, müssen langfristig angelegt sein.

    ID: LI130912

  • Streit über Finanzspritze.
    Kommunalausschuss hört Fachleute zur Solidarumlage.
    Ausschussbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 13 in Ausgabe 9 - 16.10.2013

    15. Oktober 2013 - Darf man Kommunen, die finanziell vergleichsweise besser dastehen, per Umlage an den Finanzhilfen für ärmere Städte und Gemeinden beteiligen? Diese Grundsatzfrage erörterten elf Fachleute im Ausschuss für Kommunalpolitik. Dabei lehnte die übergroße Mehrheit aus unterschiedlichen Gründen eine solche Beteiligung ab. Drei Experten verlangten, der Vorschlag der Landesregierung müsse geändert werden.
    Die Mittel zur Sanierung der kommunalen Haushalte müssten erhöht werden, wenn man allen Kommunen in NRW eine Konsolidierungsperspektive bieten wolle, erläuterten Dr. Dörte Diemert (Städtetag NRW), Claus Hamacher (Städte- und Gemeindebund NRW) und Landrat Thomas Hendele (Landkreistag NRW). Diese Erhöhung, also die notwendige Ausweitung der Entschuldungs- und Konsolidierungshilfen, dürften aber nicht allein über kommunale Mittel finanziert werden. "Es fehlt ein Gesamtkonzept, das auch auf die Situation der Kommunen außerhalb des Stabilisierungspaktes eingeht", kritisierte Diemert. Kommunen, die eine solche Umlage zahlen sollten (sogenannte Abundanzkommunen) wiesen teilweise eine höhere Pro-Kopf-Verschuldung auf als die vorgesehenen Empfängerstädte, so Hamacher. Man könne nicht das Problem des einen dadurch lösen, das man den Verzehr des Eigenkapitals des anderen beschleunige. Außerdem leisteten gerade die Abundanzkommunen seit Jahren Solidarität, indem sie zum Beispiel auf Schlüsselzuweisungen verzichten müssten, betonte Hendele. Die Ursachen für die Finanzschwäche der Kommunen lägen unter anderem darin, dass das Land den Verbundsatz für seine Zuweisungen von 28,5 auf 23 Prozent gesenkt habe. Dafür seien die Abundanzkommunen nicht verantwortlich.

    Kommunen auf der Kippe

    Das Ziel des Landes, die Kommunen aus ihrer prekären Kassenlage zu befreien, sei löblich, aber die Mittel reichten nicht aus, meinten die Sprecher der Arbeitsgruppe der Abundanzgemeinden, Bürgermeister Klaus Müller (Plettenberg), Bürgermeister Christoph Ewers (Burbach) und Kämmerer Martin Gentzsch (Ratingen). Die Kumulation von Soli-Ost, Gewerbesteuerumlage, Kreisumlage und gegebenenfalls Abundanzumlage könnte sich auf 80 bis 90 Prozent der Überschüsse belaufen, rechnete Müller vor und stellte aus seiner Sicht fest: "Der Gesetzentwurf ist notleidend." Denn von den 60 Abundanzkommunen, die die Umlage zahlen sollen, hätten nur 8 einen ausgeglichenen Haushalt, 17 seien in Haushaltssicherung und 35 "auf der Kippe". Da man den Mittelabfluss nicht allein über Einsparungen erwirtschaften könne, befürchtete Ewers einer Anhebung der Gewerbesteuer. Dies bedeute aber die Gefahr, dass Unternehmen und damit Steuerzahler abwanderten.
    Ein solcher Schritt stelle eine Benachteiligung nordrhein-westfälischer Städte und Gemeinden gegenüber Kommunen in anderen Bundesländern oder im Ausland dar, betonte auch Daniel Zimmermann (Bürgermeister der Stadt Monheim). Er verwies darauf, dass einige Kommunen nur vorübergehend Überschüsse aufwiesen oder aufgewiesen hätten. Verpflichte man diese zur Zahlung der Umlage, würden auch sie wieder notleidend. Außerdem sei es bei der Summe aller abzuführenden Umlagen nicht möglich, dass Kommunen mit den verbleibenden 10 bis 20 Prozent ihrer Überschüsse für alle ihre Aufgaben zurechtkämen.
    Die Abschöpfungseffekte hielt auch Rainer Strotmeier (1. Beigeordneter und Kämmerer der Stadt Lippstadt) für problematisch. Außerdem kritisierte er in seiner Stellungnahme, dass der Anreiz zur Pflege der eigenen Steuerquellen für die Kommunen, die die Mittel erhalten sollten, zu schwach ausgeprägt sei. Insgesamt wertete er die geplante Abundanzumlage als systemkonforme Ergänzung des jetzigen Schlüsselzuweisungssystems. Hierbei sei allerdings zwingend, dass die Solidaritätsumlage wie auch die Gewerbesteuerumlage bei der Berechnung der Umlagegrundlage für die Kreis- bzw. Landschaftsumlage abgezogen werden. Ohne eine solche Maßnahme werde eine Steuerkraft zugrunde gelegt, die nicht vorhanden sei.
    Eine "allgemeinen Finanzumlage", aus der man gegebenenfalls die Stärkungsgemeinden herausnehmen könne, sah Hermann Rappen (Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung) als möglich an. Beim geplanten Kommunal-Soli befürchtete er jedoch, dass es am Ende zu höheren Grunderwerbs- und Gewerbesteuern kommen werde: "Letztendlich werden die kommunalen Steuerzahlenden zur Kasse gebeten."
    Das Land trage die Verantwortung dafür, dass alle Kommunen ihre Haushalte ausgleichen könnten, unterstrich Prof. Ingolf Deubel (Deubel Government Consulting). Er hielt eine Abundanzumlage für unvermeidbar. Man dürfe sie aber nicht aufgrund des konkreten Ausgabenverhaltens der Städte und Gemeinden berechnen, denn sonst zahlten die Abundanzkommunen gegebenenfalls dafür, dass sich andere Städte und Gemeinden immer noch weit überproportionale Ausgaben erlaubten.
    Den Gesetzentwurf für insgesamt verfassungswidrig hielt Niklas Langgut (Rechtsanwälte Grooterhorst & Partner, Düsseldorf). Man dürfe den Abundanzkommunen Einnahmen, die ihnen vom Grundgesetz zur Erfüllung ihrer Aufgaben zugewiesen worden seien, nicht per Umlage einfach wegnehmen.
    cw

    Systematik: 1230 Kommunale Angelegenheiten; 8340 Finanzausgleich

    ID: LI130914

  • Papa hinter Gittern.
    Mehr Kontaktmöglichkeiten für Kinder inhaftierter Eltern.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 6 in Ausgabe 8 - 25.09.2013

    10. Juli 2013 - Wenn Mutter oder Vater ins Gefängnis müssen, leiden die Kinder erheblich, schreibt die FDP-Fraktion in einem Antrag (Drs. 16/3453). Zwar gelinge es in einzelnen nordrhein-westfälischen Haftanstalten, ihnen einen guten, kindgerechten Kontakt zu den Eltern zu ermöglichen und auch, pädagogisch begleitet, die schwierige Situation zu verarbeiten. Jedoch hänge dies bisher vom Engagement des Personals in den Haftanstalten ab. Die Fraktion fordert deshalb, die Rechte der Kinder müssten in ganz NRW gleichmäßig gewährleistet werden.
    Die Kinder würden oft zu mitbestraften Dritten, beklagte Dirk Wedel (FDP). Sie müssten nicht nur mit dem Trennungsschmerz leben, sondern seien auch in Gefahr, ausgegrenzt zu werden und soziale Bindungen zu verlieren. Nur rund ein Viertel der 37 Justizvollzugsanstalten in NRW verfügten über spezielle Projekte oder besondere Besuchskontingente für die Kinder. Ein landesweit vergleichbares Niveau von Angeboten würde nicht nur den Kindern nutzen, die dann soziale und seelische Stabilität zurückgewinnen könnten, sondern auch den inhaftierten Elternteilen: im Sinne einer erfolgreichen Resozialisation und Perspektive für die Zeit nach der Haft, argumentierte Wedel.
    "Wir wollen den Strafvollzug in Gänze neu ordnen. Wir wollen nicht Stückwerk schaffen", bezog sich Sarah Philipp (SPD) auf eine von der Landesregierung geplante Neuordnung des Strafvollzugs. Effekthascherei helfe den betroffenen Kindern nicht. Sie würden gewissermaßen auch zu Opfern von Kriminalität; ihrer müsse man sich in besonderem Maße annehmen. Aber es gebe in NRW bereits eine Vielzahl von erfolgreichen Projekten wie überwachungsfreie Langzeitbesuche in besonderen Räumlichkeiten. Dies sei am Bedarf der konkreten Justizvollzugsanstalt ausgerichtet. "Das kann man vor Ort am besten entscheiden - und nicht in Düsseldorf", so Philipp.
    "Das Wohl minderjähriger Kinder liegt eindeutig im toten Winkel der Aufmerksamkeit, auch vonseiten der Politik", fand Kirstin Korte (CDU). Sofern der Kontakt zu den Eltern dem Kindeswohl diene, müssten auch Kinder inhaftierter Elternteile zu ihrem Recht kommen. Der Ruf der FDP nach vergleichbarem Niveau der landesweiten Angebotsstruktur mache Sinn. Die Abgeordnete regte an, darüber nachzudenken, wie sich die monatliche Mindestbesuchsdauer um ein Kontingent für Besuche minderjähriger Kinder erweitern lasse. Zudem sollte der Ort der Haft möglichst nah am Wohnort des Kindes liegen, ergänzte sie. Auch passende Besucherräume seien wichtig.
    Dagmar Hanses (GRÜNE) hob die Bedürfnisse der Kinder und auch der Eltern heraus: "Kinder haben ein Recht auf Umgang mit ihren Eltern, sie möchten sich auf sie verlassen können und stolz auf ihre Eltern sein. Eltern möchten ein Vorbild sein, ihre Kinder auf dem Weg zur Selbstständigkeit begleiten und für ihre Kinder da sein." All dies sei unter den Bedingungen von Strafvollzug und Inhaftierung eine Herausforderung, aber NRW sei auf einem guten Weg, damit dies zunehmend besser gelingen könne - auch dank der engagierten, motivierten Beschäftigten. Im Vergleich mit anderen Bundesländern fungiere Nordrhein-Westfalen als Modell und Vorbild.
    Dietmar Schulz (PIRATEN) unterstützte das von der FDP-Fraktion im Antrag formulierte Anliegen. Der kindgerechte Umgang sowohl mit dem Vater als auch mit der Mutter bilde für die persönliche und damit gesellschaftliche Grundausrichtung der Kinder eine elementare Basis. Das sei auch in der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen niedergeschrieben. "NRW tut gut daran, alles erdenklich Richtige und Wichtige unter gleichzeitiger Beachtung des Strafanspruchs des Staates zu tun", unterstrich der Abgeordnete und kündigte an, seine Fraktion wolle in den kommenden Ausschussberatungen ihre Vorstellungen konkretisieren.
    Es gebe viele Angebote zur Unterstützung der Kinder und Familien in verschiedenen Haftanstalten - damit begründete Justizminister Thomas Kutschaty (SPD), dass es nicht das individuelle Engagement Einzelner, sondern eine bewusste Richtungsentscheidung der Landesregierung sei, die in den 37 Justizvollzugsanstalten mit Leben gefüllt werde. Die Grundlagen dafür seien im Jugendstrafvollzugsgesetz und im Gesetz zum Vollzug der Sicherungsverwahrung festgeschrieben. Zudem wolle man dies im anstehenden Strafvollzugsgesetz ausgestalten und die bestehende Grundstruktur ausbauen. Kutschaty freute sich über das Angebot der FDP, daran aktiv mitzuwirken.
    sow

    Zusatzinformation:
    Weitere Beratung
    Das Plenum hat den Antrag (Drs. 16/3453) zur Fachberatung an den Rechtsausschuss - federführend - sowie an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend überwiesen.

    Systematik: 3110 Strafrecht; 3330 Justizvollzug; 5030 Kinder/Jugendliche

    ID: LI130808

  • Rechnerisch geschafft.
    U3-Betreuung: Im Schnitt gibt es genügend Plätze. Aber wer trägt die Kosten?
    Plenarbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 8 in Ausgabe 8 - 25.09.2013

    11. Juli 2013 - SPD und Grüne sehen das Land beim Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren (U3) auf einem guten Weg. In einem Antrag (Drs. 16/3425) fordern die Fraktionen aber, dass die Bundesregierung sich, wie es die Familienministerkonferenz beschlossen habe, längerfristig an den Kosten für den weiteren Ausbau beteiligen soll. Die Opposition sah das Land in der Pflicht, sich um die Finanzierung und Qualität der Betreuung zu kümmern.
    "Allein in den vergangenen Jahren ist landesweit die Zahl der Betreuungsplätze für die unter Dreijährigen um 27.000 gestiegen", freute sich Gordan Dudas (SPD). Mit nun insgesamt knapp 145.000 Plätzen könnten die Kommunen ab August für jedes dritte U3-Kind einen Betreuungsplatz anbieten. Trotzdem sei es nicht an der Zeit, sich zurückzulehnen, denn der Betreuungsbedarf werde steigen. Nur durch eine konsequente Beteiligung des Bundes an den Betriebskosten der Kitas könnten U3-Plätze entsprechend der tatsächlichen Nachfrage bereitgestellt werden. Überhaupt investiere Deutschland nur 0,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in frühkindliche Bildung. Hier sei mehr nötig.
    NRW könne stolz sein auf die größte Leistung, die jemals ein Bundesland in fünf Jahren U3-Ausbau geschafft habe, meinte Andrea Asch (GRÜNE). Das sei vor allem ein Verdienst der rot-grünen Landesregierung. Asch dankte aber auch den Erzieherinnen und Erziehern, den Beteiligten in den Jugendämtern, im Ministerium und bei den Trägern wie auch tatkräftigen Eltern. Eine allerdings leiste keine Unterstützung: Bundesfamilienministerin Schröder. Für den weiteren Ausbau fehle ihre Zusage einer finanziellen Deckung. Stattdessen würden die Kommunen mit bürokratischen Hürden belastet. Die Jugendministerkonferenz habe sich einstimmig gegen "diesen Bürokratiewahn" ausgesprochen.
    Ursula Doppmeier (CDU) sah dagegen Unwahrheiten. Erstens habe der Bund 5,4 Milliarden Euro in den Kita-Ausbau investiert; ohne diesen Beitrag wäre der ganze Ausbau nicht zu schaffen gewesen. Der Bund stelle sein finanzielles Engagement auch nicht ein, sondern sichere es langfristig: Bis 2014 gebe er 3 Milliarden Euro, ab 2015 jährlich 845 Millionen Euro. Zweitens schmückten SPD und Grüne sich mit fremden Federn, denn der größte Teil der Landesmittel werde durch die Neuverteilung der Umsatzsteuer und somit durch den Bund getragen. Drittens hätten CDU und FDP bereits mit einem massiven Kita-Ausbau begonnen. Das Land müsse sich nun um die noch mangelnde Qualität der Betreuung kümmern.
    Für Marcel Hafke (FDP) war der Antrag ein "armseliger Versuch, von Ihren eigenen Versäumnissen abzulenken". Er zeigte sich gelangweilt davon, dass Rot-Grün bei jedem Problem nach Berlin rufe. Die Lösung sei aber vor Ort zu suchen. Die frühkindliche Bildung sei ursächliche Aufgabe des Landes. Trotzdem habe der Bund sie in mehrerlei Hinsicht mitfinanziert. "Sie haben Geld in den Haushalt eingestellt", gestand Hafke zu. "Sie haben aber alles andere nicht gemacht, um die Ressourcen zu verbessern und die Kommunen zu unterstützen. Sie haben kein vernünftiges Controlling eingeführt, um gerade Ballungsgebiete zu unterstützen." Im Ergebnis habe Rot-Grün das Qualitätsproblem nicht gelöst.
    Eltern suchten in der Regel nicht irgendeinen Betreuungsplatz, sondern den für ihr Kind besten, meinte Olaf Wegner (PIRATEN). Die Knappheit der Betreuungsplätze bringe Eltern in die Zwangslage zu nehmen, was sie bekämen. Dadurch stünden sich Eltern und Kitas nicht auf Augenhöhe gegenüber, was aber doch wichtig sei in der angestrebten Erziehungspartnerschaft. Zudem litten auch die Kindergartenkinder ab drei Jahren. Ihnen gehe Bildungs- und Betreuungsqualität verloren, weil sich die Kitas in der Entscheidungsnot befänden, Gruppen zu vergrößern, um mehr Plätze zu schaffen. Kein Kind habe verloren gehen sollen, und doch seien schon viele Verluste zu beklagen.
    Mehr Kinderbetreuung gleich mehr sozialversicherungspflichtig arbeitende Menschen und mehr Steuereinnahmen für den Bund, argumentierte Familienministerin Ute Schäfer (SPD). Da der Bund also vom Kita-Ausbau finanziell am meisten profitiere, müsse er sich auch angemessen und dauerhaft an den Betriebskosten beteiligen, statt diese auf eine Summe festzuschreiben. Die Ministerin unterstrich zudem die einstimmige Forderung der Familienministerkonferenz, dass den Kommunen mehr Zeit bleiben müsse, um die Bundesmittel aus dem Fiskalpakt für den Kita-Ausbau zu verwenden. Im Übrigen habe NRW den deutschlandweit zweitbesten Personalschlüssel bei den unter Dreijährigen.
    sow

    Zusatzinformation:
    Fachberatung
    Das Plenum hat den Antrag (Drs. 16/3425) zur Detailberatung an den Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie überwiesen.

    Systematik: 4260 Vorschulische Erziehung

    ID: LI130804

  • Forderungen an die Familienpolitik.
    Krippenausbau die Zweite: Controlling, Qualität und "Krokodilstränen".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 8 - 25.09.2013

    12. Juli 2013 - Kurz bevor am 1. August der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren (U3) in Kraft trat, diskutierte das Parlament noch einmal über die Versorgung mit Betreuungsplätzen und über mögliche Mängel. Grundlage der Debatte war ein Antrag der FDP-Fraktion (Drs. 16/3454), mit dem die Landesregierung aufgefordert wird, den tatsächlichen Bedarf vor Ort zu erheben und entsprechend nachzusteuern. Außerdem solle die Regierung in Kooperation mit den Beteiligten schnellstmöglich einheitliche Anmeldefristen und vereinfachte Anmeldeverfahren auf den Weg bringen. Der Widerspruch ließ nicht lange auf sich warten.
    Von einer bedarfsgerechten Infrastruktur sei NRW weit entfernt, kritisierte Marcel Hafke (FDP). Er forderte die Landesregierung auf, den Betreuungsbedarf in den einzelnen Kommunen zu ermitteln, ein Controlling auf den Weg zu bringen und mit den Kommunen nachzujustieren. Gerade in großen Städten fehlten tausende Betreuungsplätze. Damit sei die Landesregierung dem Rechtsanspruch nicht nachgekommen. Seit Monaten herrsche Stillstand, und Herausforderungen wie ein attraktiverer Erzieherberuf, eine attraktivere Tagespflege oder die Frage nach dem Zugang zu Kitas außerhalb der eigenen Stadt blieben ohne Antwort.
    "Wenn man Ansprüche an andere stellt, sollte man diese Ansprüche bei sich selbst überprüfen", entgegnete Wolfgang Jörg (SPD). Seit 2010 habe Rot-Grün 440 Millionen Euro in die Kleinkindbetreuung investiert, die schwarz-gelbe Vorgängerregierung hingegen habe in fünf Jahren null Euro investiert. Die "riesengroße, öffentlich anerkannte Aufholjagd" in NRW erkennten auch die Eltern, Träger und Kommunen an. Der Antrag aber sei nur auf Krawall gebürstet, kritisierte der Abgeordnete. Er enthalte mehrere Aufforderungen zu Dingen, die bereits gemacht würden oder aber die man nicht machen könne, weil sie absurd seien.
    Ursula Doppmeier (CDU) bescheinigte der Regierung "Wunschdenken", denn die gemeldeten U3-Plätze seien noch längst nicht alle tatsächlich da. "Quantität löst nicht das Problem der Qualität", fügte sie hinzu und forderte kleinere Betreuungsgruppen sowie mehr Erzieherinnen und Erzieher. Außerdem fehle es nun an Plätzen für Kinder über drei Jahren, weil die Regierung aus Ü3-Plätzen mit Fördergeldern U3-Plätze gemacht habe. Um Familie und Beruf besser zu vereinbaren, brauche es nicht nur Betreuungsplätze, sondern auch mehr Flexibilität in der Kinderbetreuung. Viele Eltern wünschten sich erweiterte Öffnungszeiten.
    Andrea Asch (GRÜNE) bezeichnete es als Armutszeugnis, die Anstrengungen von Landesregierung, Kommunen, Trägern sowie Erzieherinnen und Erziehern nicht anerkennen zu wollen. Kaum erträglich fand Asch mit Blick auf Schwarz-Gelb, "wenn Sie anfangen, mit Krokodilstränen die Qualität zu bemühen, die Qualität, die Sie mit Ihrem Kinderbildungsgesetz schamlos nach unten gefahren haben". Um Familie und Beruf vereinbar zu machen, sah Asch nicht nur die Politik in der Pflicht, sondern auch die Wirtschaft. Familienfreundliche Arbeitsplätze, Betriebskindergärten und ein angemessenes Gehalt für Frauen seien ebenso notwendig wie ein weiterer U3-Ausbau.
    Vor allem gehe es beim Krippenausbau um qualitativ hochwertige Kinderbetreuung, erklärte Olaf Wegner (PIRATEN). Das bedeute, die Chancen und Möglichkeiten in den Kindertageseinrichtungen besser zu nutzen und so die individuelle Förderung zur Basis des Lernens zu machen, damit die Kinder ihre Interessen und Fähigkeiten optimal entfalten könnten.
    Bei der derzeitigen Versorgungsquote könnten die meisten Kitas dies aber kaum bieten - und die Einrichtungen, die es böten, könnten sich die meisten Eltern nicht leisten. Deshalb fordere seine Fraktion sowohl mehr und bessere als auch beitragsfreie Kinderbetreuung.
    Es stimme nicht, "dass wir Plätze durch Umwandlung von Ü3-Plätzen in U3-Plätze geschaffen hätten", sagte Familienministerin Ute Schäfer (SPD). Stattdessen hätten dies CDU und FDP getan, und zwar ohne jede Investition - mit der Entscheidung, Kinder früher einzuschulen. Neben einem Personal-Kind-Schlüssel im "Spitzenfeld" habe NRW auch die Anzahl der Auszubildenden im Erzieherberuf erheblich gesteigert, sagte Schäfer zur Qualität. Und ein Anmeldeverfahren sei verabredet worden, liege aber in der Eigenständigkeit der Kommunen. Das Land könne hier nur moderieren. Controlling hingegen bedeute nichts als Bürokratie.
    sow

    Zusatzinformation:
    Überweisung
    Den Antrag (Drs. 16/3454) weiterberaten wird nun federführend der Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie, begleitet vom Kommunalausschuss. Im übrigen unterstützt der Landtag den einstimmigen Beschluss der Jugend- und Familienministerkonferenz zum U3-Ausbau, die Landesregierung soll sich für eine verstärkte Kostenbeteiligung des Bundes einsetzen. Für diese Position stimmten am 19.9.2013 im Familienausschuss SPD, GRÜNE, FDP und PIRATEN, die CDU enthielt sich.

    Systematik: 4260 Vorschulische Erziehung

    ID: LI130811

  • Jörg, Wolfgang (SPD); Tenhumberg, Bernhard (CDU); Asch, Andrea (Grüne); Hafke, Marcel (FDP); Düngel, Daniel (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum Thema Kinderbetreuung.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 8 - 25.09.2013

    Qualität in der Kleinkindbetreuung zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass ...

    Wolfgang Jörg (SPD) ... sie den Zusammenhang von Bindung und Bildung erkennt: Kinder lernen besser, fühlen sich geborgener und können sich optimal entwickeln, wenn Bezugspersonen ausreichend Zeit für sie haben. Genauso wichtig sind aber auch Qualifikation und das Bild vom Kind: Kompetente Erwachsene nehmen Kinder, ihre individuelle soziale Lage und ihre Entwicklungssituation ernst. Dies gilt für Bildungsinhalte und im Besonderen für Sprache und Kommunikation.
    Bernhard Tenhumberg (CDU) ... ausreichend gutes Personal zur Verfügung steht. Das Fachpersonal muss in die Lage versetzt werden, seine pädagogischen Kompetenzen für die dringend benötigte Arbeit mit den Kindern vorzuhalten anstatt für Koch-, Spüloder Putzdienste. Hier müssen wir gegebenenfalls umsteuern und die Erzieherinnen und Erzieher stärker entlasten.
    Andrea Asch (GRÜNE) ... Bildungs- und Erziehungsarbeit geleistet wird. Nötig sind gut ausgebildete ErzieherInnen mit genug Zeit für die Bedürfnisse des Kindes und individuelle Förderung. Wir werden den Weg für mehr Personal und bessere Qualität weiter fortsetzen.
    Marcel Hafke (FDP) ... eine kindgerechte Umgebung garantiert wird, in der sich Kinder wohl fühlen, sich frei entfalten können sowie gefördert werden und bei der Eltern ihr Kind in guten Händen wissen. Dafür brauchen wir gute Rahmenbedingungen für die Erzieherinnen und Erzieher, damit sie ihre verantwortungsvolle Aufgabe erfüllen können. Qualität bedeutet auch: ein bedarfsgerechtes Angebot und flexible Betreuungszeiten.
    Daniel Düngel (PIRATEN) ... Kindern eine möglichst individuelle Förderung zuteil wird und die Bedingungen weder Personal noch Kinder oder Erziehungsberechtigte benachteiligen. Die finanziellen Verhältnisse dürfen hierbei keine Rolle spielen. Um Kinder optimal zu fördern, bedarf es besserer Rahmenbedingungen und vor allem auch gut ausgebildeter Erzieherinnen und Erzieher, die genug Zeit für unsere Kinder haben.

    Gesamtgesellschaftlich sind Kinder gewollt, qualifizierte Betreuungsangebote sind aber eine teure Angelegenheit. Um dies landesweit zu stemmen, ...

    Wolfgang Jörg (SPD) ... wurde und wird der Ausbau gemeinsam mit Kommunen und Trägern vorangebracht und nicht gegen sie. Das Land stellt seit 2010 investive Mittel in Höhe von über 440 Millionen Euro bereit, trägt einen höheren Anteil an den Betriebskosten, holt auf Krippengipfeln alle Beteiligten an einen Tisch. Der Betreuungsschlüssel für Kinder unter drei Jahren wurde inzwischen von 1:3,6 auf 1:3,3 verbessert. Damit nimmt NRW bundesweit einen Spitzenplatz ein.
    Bernhard Tenhumberg (CDU) ... müssen die Prioritäten richtig gesetzt werden. Die Beitragsfreiheit auf Kosten der Betreuungsqualität ist der falsche Weg. Weil jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann, muss hier umgesteuert werden.
    Andrea Asch (GRÜNE) ... ist viel Geld notwendig und die Bundesregierung muss sich wegen dem steigenden Bedarf deutlich stärker finanziell beteiligen. Das gilt auch für die Unternehmen, weil sie von einem guten Kinderbetreuungsangebot profitieren.
    Marcel Hafke (FDP) ... ist es in Anbetracht der stark angespannten finanziellen Lage des Landes unabdingbar, dass in der frühkindlichen Bildung Prioritäten gesetzt werden: Notwendiges kommt vor dem Wünschenswerten, Angebots- und Qualitätsausbau vor der Beitragsfreiheit. Von guter frühkindlicher Bildung profitieren alle Familien. Qualität ist der Schlüssel zu Chancengerechtigkeit und guten Entwicklungsperspektiven.
    Daniel Düngel (PIRATEN) ... müssen wir Geld in die Hand nehmen. Frühkindliche Bildung legt einen immens wichtigen Grundstein, der bei mangelhafter Umsetzung später nur schwer aufgeholt werden kann. Als Piraten sind wir bereits 2012 mit "Keine Bildung ist viel zu teuer!" in den Wahlkampf gezogen und stehen auch weiterhin dazu. Hier ist dringendes Umdenken bei allen anderen Beteiligten erforderlich.

    Noch sind nicht in allen Städten ausreichend Betreuungsplätze vorhanden. Bis dahin kommt es darauf an, ...

    Wolfgang Jörg (SPD) ... dass der Bedarf wohnortnah gedeckt werden kann, wenn auch nicht immer die Wunschkita oder -tageseltern dabei sind. Vor allem große Städte haben mit Hochdruck den Ausbau vorangebracht, waren dabei aber Grenzen unterworfen: Kommunale Ausbaupläne wurden z.B. durch Investitionen in den Wohnungsbau gebremst. Aus Erfahrungen der 90er-Jahre wissen wir, dass ein steigendes Angebot auch die Nachfrage steigert. Also wird der Ausbau weitergehen.
    Bernhard Tenhumberg (CDU) ... dass Bund, Land und Kommunen die Kräfte bündeln und den Ausbau gemeinsam weiter voranbringen. Dabei gilt es, vollgestopfte Gruppen und Personalengpässe zu vermeiden. Eine Aufweichung der Betreuungsqualität zugunsten neuer Plätze ist sicher nicht zielführend.
    Andrea Asch (GRÜNE) ... dass die Kommunen schnellstmöglich qualitativ hochwertige Plätze zum Beispiel in privater Kinderbetreuung anbieten. Platz-Sharing lehnen wir ab, da es Qualitätsabbau bedeutet. Rot-Grün wird die Städte weiter bei der Finanzierung neuer Plätze unterstützen. Wir rechnen mit steigenden Bedarfen der Eltern, der Ausbau muss daher auch die nächsten Jahre weitergehen.
    Marcel Hafke (FDP) ... dass von allen Beteiligten alles unternommen wird, um dieses Ziel zu erreichen. Jeder Familie, die das wünscht, muss ein qualitativ gutes Betreuungsangebot gemacht werden. Die Politik muss das Versprechen, das sie den Familien gegeben hat, einhalten. Wir brauchen ein vernünftiges Controlling, damit gezielt nachgesteuert werden kann, und einen Runden Tisch für den kurzfristigen "Lückenschluss".
    Daniel Düngel (PIRATEN) ... dass den Eltern unkompliziert geholfen und ihnen gegebenenfalls Beratung vermittelt wird. Auf unseren Antrag hin haben wir erreicht, dass sich die U3-TaskForce des Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport auch um Erziehungsberechtigte kümmert, die Schwierigkeiten haben, einen Kita-Platz zu finden. Wichtig ist, dass die Eltern mit ihren Problemen nicht allein gelassen werden.

    Damit Eltern tatsächlich die Chance haben, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen, ...

    Wolfgang Jörg (SPD) ... haben bedarfsgerechte Angebote, gute Qualität und Trägervielfalt oberste Priorität. Doch die Kita ist nicht nur Betreuungs-, sondern auch Bildungsort. Daher muss sie gebührenfrei sein. Wir haben einen ersten Schritt getan und Eltern deutlich entlastet. Die Vereinbarkeit mit dem Beruf kann sich nur verbessern, wenn die strukturelle Benachteiligung von Familien in allen Politikbereichen gesehen wird, sonst gerät die Debatte in ein "Entweder-oder" und eine Maßnahme wird gegen die andere ausgespielt.
    Bernhard Tenhumberg (CDU) ... bedarf es unterschiedlicher Unterstützungsangebote. Eltern wollen keine Bevormundung, sondern eine echte Wahlfreiheit. Das Elterngeld, der Betreuungsplatzausbau, das Betreuungsgeld sowie gezielte Wiedereinstiegsangebote begünstigen die vielfältig gelebten Familienentwürfe.
    Andrea Asch (GRÜNE) ... sind auch die ArbeitgeberInnen gefordert. Wer als mittleres oder größeres Unternehmen atypische Arbeitszeiten von seinen Beschäftigten verlangt, muss auch atypische Betreuungszeiten mitfinanzieren. Wir brauchen mehr Betriebskitas. Eltern empfehle ich, die manchmal vorhandene Scheu vor der zeitlich flexiblen und guten Kindertagespflege abzulegen. Kinder sind dort gut aufgehoben.
    Marcel Hafke (FDP) ... braucht es gute und flexible Betreuungsangebote, die eine echte Vereinbarkeit zulassen. Hier ist auch die Wirtschaft in der Pflicht. Gleichzeitig sollte das Land betriebliche Angebote besser fördern. Was im frühkindlichen Bereich anfängt, geht im Schulbereich weiter. Hier brauchen wir tragfähige Konzepte und einen Angebotsausbau im Ganztag in Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen.
    Daniel Düngel (PIRATEN) ... bedarf es möglichst flexibler Lösungen. Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, welche tatsächlich auf den familiären Bedarf zugeschnitten sind. Dazu gehören flexible Angebote sowohl in Form von Betreuungszeiten als auch bei der Frage gemeindeübergreifender Betreuung. Dabei sollten wir nicht die Frage vergessen, wie Erzieherinnen und Erzieher Familie und Beruf vereinbaren können.

    ID: LI130812

  • Kitaangebote außerhalb des Wohnorts.
    Fachleute uneinig über Lösungsmöglichkeiten.
    Ausschussbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 13 in Ausgabe 8 - 25.09.2013

    19. September 2013 - Seit dem 1. August haben Eltern für ihre Kinder einen Anspruch auf einen Platz in einer Kindertagesstätte (Kita). Dieser gilt zunächst gegenüber der Kommune, in der sie wohnen. Problematisch kann es werden, sollten sie einen Platz in einer anderen Kommune wünschen, zum Beispiel, weil sie dort arbeiten. Ein Problem, das grundsätzlich gelöst werden müsse, fand ein Großteil der Fachleute, die im Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend rechtliche, finanzielle und praktische Lösungen erörterten. Ein Problem, das die Kommunen durchaus untereinander lösen könnten, widersprachen die kommunalen Spitzenverbände.
    "Man kann jede Menge Zweckgemeinschaften gründen, da kann man doch ein paar Kinder hin- und herschieben", meinte Heinz-Josef Kessmann (Landesarbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege). Er forderte, dass hinsichtlich der anfallenden Kosten die Kommunen untereinander Verrechnungsmöglichkeiten finden sollten. Aufgrund zunehmender Mobilität steige die Zahl derjenigen, die ihre Kinder nahe der Arbeitsstätte unterbringen möchten. Gleichzeitig verschärften viele Jugendämter insbesondere unter dem Druck der kommunalen Finanzsituation die Ablehnung gemeindefremder Kinder. Es gebe dringenden Klärungsbedarf; eine bessere interkommunale Zusammenarbeit und Ausgleichsregelungen seien erforderlich. Die Wohlfahrtsverbände forderten, bei der angekündigten Revision des Kinderbildungsgesetzes (Kibiz) die Inanspruchnahme von Angeboten der Kindertagesbetreuung über Gemeindegrenzen hinweg zu vereinfachen.
    Eltern hätten in aller Regel gut nachvollziehbare Gründe, wenn sie ihr Kind in einer Kita in einem anderen Jugendamtsbezirk anmeldeten, betonte Klaus-Heinrich Dreyer (Landschaftsverband Westfalen-Lippe). Zum Beispiel handele es sich um Kitas in der Nähe des Arbeitsorts oder um Kitas mit einer besonderen pädagogischen Ausrichtung. Allerdings gebe es heute nicht mehr den Konsens zwischen allen Jugendämtern, dass es sich hier um ein "Geben und Nehmen" handele. Derzeit existiere ein "Flickenteppich" unterschiedlicher Regelungen, die zum Teil auf Altersgrenzen, zum Teil auf höhere Elternbeiträge abstellten, kritisierte er. Solche Lösungen seien kaum vermittelbar. Dreyer trat dafür ein, zunächst zu prüfen, ob man mit Empfehlungen und Vereinbarungen das Problem lösen könne. Ansonsten hielt er eine landesrechtliche Lösung für angemessen.
    Eine zunehmende Tendenz bei der Inanspruchnahme gemeindefremder Betreuungsangebote sah auch Karl Eitel John (Kreis Lippe). Im Kreis Lippe würden zunächst alle Kinder aus der jeweiligen Wohnsitzgemeinde versorgt. Sollten dann noch Plätze frei sein, könnten diese an andere Kinder vergeben werden. Neben dem verfügbaren Angebot sei auch die unterschiedliche Höhe der Elternbeiträge problematisch, so John. Diese könne dazu führen, dass sich Eltern verstärkt an Kitas mit niedrigen Beitragssätzen wendeten. Als praktische Lösung trat John ebenso wie Dreyer für die verstärkte Errichtung von Betriebskindergärten ein. Zur Finanzierung sei eine Bundesgesetzgebung sinnvoll. Bis dahin sollte eine landesrechtliche Regelung beinhalten, dass bei gemeindefremden Kindern der Jugendamtsanteil durch das Land übernommen werde. Eine Verrechnung zwischen den beteiligten Jugendämtern erschien ihm weder praktikabel noch zielführend.

    Ausgleich

    Die wiederholten Beratungen der Jugendamtsleitungen hätten gezeigt, dass über das Land betrachtet unter den jeweils angrenzenden Kommunen in aller Regel ein Ausgleich im Hinblick auf ein- und auspendelnde Kinder stattfände, so die Kommunalen Spitzenverbände, vertreten durch Dr. Matthias Menzel und Lorenz Schmitz. Eine finanzielle Ausgleichspflicht bei Aufnahme gemeindefremder Kinder in eine Kindertageseinrichtung sei daher weder notwendig noch zielführend. Erst recht sei der Verwaltungs- und Personalaufwand dafür zu hoch, betonte Menzel. Er stünde auch nicht in einem angemessenen Verhältnis zu den in Rede stehenden Zahlen. Es sei also ein Problem, das keiner Regelung bedürfe, ergänzte Schmitz: "Ich setze auf gute kommunale Nachbarschaft."
    Der Vereinigung der Waldorfkindergärten NRW sei es ein Anliegen, dass die Frage der gemeindefremden Kindertagesbetreuungsangebote mit den zuständigen Kommunen konstruktiv und an den Bedürfnissen der Kinder bzw. ihrer Familien orientiert geklärt werde, erklärte Ulrich Neumann (Waldorfkindergärten). Wirtschaftliche Aspekte dürften dem Wunsch- und Wahlrecht der Eltern nicht im Wege stehen. Daher müsse auf politischer Ebene eine verbindliche Regelung beschlossen werden, am besten im Einverständnis aller Beteiligten.
    cw

    Systematik: 4260 Vorschulische Erziehung

    ID: LI130814

  • Tierisch kompliziert.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 7 - 24.07.2013

    Es ist wie so oft. Im Grundsatz sind sich alle einig, aber die Tücken stecken im Detail. Der Tierschutz ist im Grundgesetz verankert, auch in der Landesverfassung.
    Nun argumentieren SPD, GRÜNE und PIRATEN, dass die Einhaltung des Tierschutzes in einem Rechtsstaat durch anerkannte Tierschutzvereine auch einklagbar sein muss. Denn was nutzt die beste Maxime, wenn ihre Einhaltung nicht kontrolliert wird?
    Eben, meinen CDU und FDP, diese Kontrolle gibt es bereits. Bewährte Strukturen, landeseigene Tierärztinnen und Tierärzte übernehmen diese. Wenn nun ein neues Gesetz notwendig sein soll, bedeutet dies dann nicht Misstrauen gegen die eigenen Leute, Rechtsunsicherheit und die Gefahr der Abwanderung betroffener Unternehmen?

    Interessen und Erwartungen

    Die Tiere interessieren solche Auseinandersetzungen herzlich wenig. Ihnen geht es, instinktiv, um ihr Recht auf artgerechte Haltung. In den Ställen, auf den Weiden, in den Versuchslaboren forschender Pharmafirmen, auch zu Hause bei Herrchen oder Frauchen. Das Spannungsfeld zwischen niedlichen Rehaugen und leckerem Sonntagsbraten ist ohnehin schwierig genug. Umso mehr kommt es also darauf an, einen Weg zu finden, damit nicht nur Tiere in freier Wildbahn artgerecht leben können, sondern auch Nutztiere auf eine vertretbare Weise - nun ja, eben tierschutzgerecht genutzt werden.
    Das ist ein schwieriger Abwägungsprozess, wie die lange Diskussion um das nun beschlossene Tierschutzgesetz zeigt. Selbstverständlich sind kranke Menschen auf Medikamente angewiesen. Selbstverständlich soll deren Wirkung wissenschaftlich belegt sein. Wie es dazu kommt, fragen wir uns oft nicht.
    Selbstverständlich möchte jeder, der gern einmal ein gutes Stück Fleisch isst, dass dieses eine bestimmte Qualität hat, kauft gern die Eier von glücklichen Hühnern und sieht im Fernsehen lieber die Bilder von Kühen auf saftigen Wiesen als von eingepferchten Schweinen in viel zu engen Ställen. Aber bezahlbar sollen Fleisch, Butter, Käse und Eier eben auch sein. Qualität hat ihren Preis. Aber welchen? Das ist ein noch viel weiteres Feld.
    Der Versuch, das Tierschutzrecht durch anerkannte Tierschutzverbände einklagbar zu machen, ist nur ein kleiner Baustein und doch schon so anspruchsvoll, dass es kaum möglich erscheint, ein Gleichgewicht zwischen allen Interessen zu finden. Heraus kommen soll ein für allen Seiten akzeptables Gesamtpaket. Das erfordert viel Geduld, Kompromissvermögen, Bereitschaft zur Einsicht und Offenheit gegenüber anderen Meinungen. Nun hat die Mehrheit entschieden. Es gibt dabei viele Aspekte zu berücksichtigen, wie Sie auf den Seiten 9 bis 11 nachlesen können.
    sow

    ID: LI130706

  • Haltungsnote: mangelhaft.
    Alle Fraktionen wollen Puten besser schützen - Details umstritten.
    Plenarbericht;
    ;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 8 in Ausgabe 7 - 24.07.2013

    12. Juli 2013 - Puten seien die einzige wichtige landwirtschaftliche Nutztierart, deren Haltung nicht geregelt sei, so SPD und GRÜNE (Drs. 16/3422) folgt. Daher wollen sie über den Bundesrat verbindliche Vorschriften erreichen, die nach ihrer Vorstellung dann in einem zweiten Schritt auch EU-weit gelten sollen. In NRW jedenfalls soll ab dem Jahr 2017 das Verbot des Schnabelkürzens umgesetzt werden. In der Debatte unterstützten die anderen Fraktionen den angestrebten besseren Schutz der Puten, CDU und FDP verwiesen aber auch auf die harten Bedingungen im internationalen Wettbewerb.
    Mit der Einführung von rechtsverbindlichen Mindeststandards für die Putenhaltung wolle man sicherstellen, so Frank Börner (SPD), dass sich die Massentierhaltung auch für diese Lebewesen auf ein erträgliches Niveau verbessere. Heute gebe es für die Putenhaltung keine verbindlichen Vorgaben. Dabei ziele man auf eine artgerechte Haltung ab, betonte Börner. Vor allem gehe es um die Größe und die Dichte des Bestandes, um Beschäftigungselemente für die Tiere, den Auslauf und das Futter. Gleiches gelte für Beleuchtung, Belüftung und Hygiene im Stall, die Gesundheitskontrolle, den Einsatz von Medikamenten und die Notfallversorgung. Seit zehn Jahren habe sich in der Putenhaltung wenig getan, kritisierte Norwich Rüße (GRÜNE) und bemängelte einen übertriebenen Medikamenteneinsatz, Qualzuchten und eine unsägliche Praxis des Schnabelkürzens. Dabei sei bekannt, wie man für eine artgerechte Haltung die Besatzdichten, die Stallstrukturen und das Futter verändern müsse. Demgegenüber sähen die bundesweiten Eckwerte unverändert bis zu 52 Kilogramm weiblicher Puten pro Quadratmeter vor. Dies sei genauso ein Armutszeugnis wie der Antibiotikaeinsatz, der noch höher liege als in der Hähnchenmast. Puten seien mit Rind, Schwein oder Masthuhn gleichzustellen, forderte Rüße.
    "Gut gemeint ist nicht automatisch gut gemacht", wertete Josef Wirtz (CDU) den Text als "Schauantrag". So sei seit dem Jahr 2010 sowohl der Pro-Kopf-Verbrauch als auch die Zahl der eingestallten Küken rückläufig. Außerdem sei das Landwirtschaftsministerium NRW an der Ausarbeitung der Eckwerte beteiligt gewesen. Dieses wolle ja in Kürze eine Studie zur Auswirkung des Schnabelkürzens in Auftrag geben. Dennoch begrüße auch die CDU eine rechtsverbindliche Regelung der Putenhaltung. Diese dürfe jedoch nicht zu Wettbewerbsnachteilen für die Produzenten in NRW führen. Für sinnvoller hielt er eine europäische Regelung.
    Für die Putenhaltung gebe es bereits rechtsverbindliche Mindeststandards, sagte Karlheinz Busen (FDP). So gelte auch hier Paragraph zwei des Tierschutzgesetzes sowie das eherne Leitprinzip, dass sich die Haltungsbedingungen den Tieren anzupassen hätten und nicht umgekehrt. "Da Landwirten das Wohl ihrer Tiere mindestens genauso am Herzen liegt wie dem Parlament, halten wir es grundsätzlich für richtig, den Landwirten konkrete Handlungsempfehlungen an die Hand zu geben", betonte Busen. Für die FDP sei entscheidend, dass praxistaugliche Regelungen gefunden würden, die sowohl dem Wohl der Tiere dienten, als auch den Bauern Luft zum Atmen ließen.
    "In der abstrusen Welt der Lebensmittelkonzerne werden Tiere meist nicht mehr als Lebewesen und schützenswert betrachtet, sondern als Fleischmasse auf Beinen - wenn die überzüchteten Puten überhaupt noch laufen können", begrüßte Simone Brand (PIRATEN) den Antrag. Allerdings komme es nicht nur auf die Vorschriften an, sie müssten auch durchgesetzt werden. Die Kontrollergebnisse müssten dann den Verbraucherinnen und Verbrauchern zur Verfügung stehen, damit diese für sich selbst und die Tiere die richtigen Entscheidungen treffen könnten. Notwendig seien die vier Standbeine Richtlinien, Kontrollen, Informationen und Bildung.
    Es gehe bei den geplanten Regelungen sowohl um eine notwendige Klärung im Sinne des Tierschutzes als auch um eine wirtschaftlich planbare Zukunft der Mastbetriebe, erläuterte Landwirtschaftsminister Johannes Remmel (GRÜNE). Eine Zucht, die darauf abziele, den Tieren immer höhere Leistungen abzufordern, ohne dass die Tiere dem gerecht werden könnten, führe dazu, dass Krankheiten aufkämen und insofern verstärkt entsprechende Therapien eingeplant werden müssten. "Dieses schnelle Wachstum und ein ,Immer weiter so‘ müssen beendet werden", forderte Remmel. Daher sei auf Bundesebene die Tiernutzhaltungsverordnung entsprechend zu ändern.
    cw

    Zusatzinformation:
    Weiterberatung
    Der Antrag - Drs. 16/3422 - wurde einstimmig an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz überwiesen.

    Systematik: 6120 Tierschutz/Tierhaltung

    ID: LI130703

  • Scharfes oder zu scharfes Schwert?
    Tierschutzverbände erhalten neue Rechte - Landtag streitet über Vor- und Nachteile.
    Plenarbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 7 - 24.07.2013

    19. Juni 2013 - Tiere können naturgemäß nicht ihre Stimme erheben gegen unwürdige oder illegale Zustände ihrer Haltung. Dieses bisherige Ungleichgewicht zwischen Tierhaltern und Tieren will die Landesregierung beenden, indem sie den Tieren eine Stimme geben will: nämlich die von anerkannten Tierschutzverbänden. Solche sollen ein Klagerecht gegen widrige Umstände, die gegen den grundgesetzlich geregelten Tierschutz verstoßen, bekommen und in Genehmigungsverfahren eingebunden werden. Teile der Opposition befürchten eine Klageflut und eine Abwanderung forschender Unternehmen.
    "Reicht es, wenn wir die Qual der Tiere durch Stallmauern nicht sehen müssen?", fragte Frank Börner (SPD). Seine Rede war ein klares Nein. Bisher hätten nur Bauern gegen ein Zuviel an Tierschutz klagen können, künftig könne man auch gegen ein Zuwenig an Tierschutz klagen. Diese juristische Gleichberechtigung erhöhe den Tieren die Chance auf artgerechte Tierhaltung, die Bauern schütze sie vor Wettbewerbsverzerrungen durch eine Konkurrenz, denen der Tierschutz egal sei. Weil nur anerkannte, jahrelang in NRW tätige Tierschutzvereine klagen könnten, seien Nachbarschaftsstreitigkeiten ausgeschlossen. Auch verzögerte Forschungsreihen seien nicht zu erwarten.
    "Sie trauen der unteren staatlichen Aufsicht offensichtlich keine ausreichende Kontrolle von Tierschutz zu, sonst bräuchten Sie dieses Gesetz hier nicht so vehement einzufordern", meinte Josef Hovenjürgen (CDU). Nicht tierschutzgerechte Ställe würden in NRW ohnehin nicht genehmigt, diesbezüglich sei das Gesetz also ebenfalls überflüssig. Zudem warnten Fachleute vor überbordender Bürokratie und zusätzlichen Rechtsstreitigkeiten. Wenn Pharmafirmen aus diesen Gründen ins weniger strenge Ausland abgedrängt würden, sei dem Tierschutz auch nicht gedient, argumentierte der Abgeordnete und schloss: "Dieses Gesetz ist dazu geeignet, Misstrauen zu säen."
    Martin-Sebastian Abel (GRÜNE) erklärte, warum das Gesetz notwendig sei: "Weil Tiere nicht für sich selber sprechen können. Tiere können auch nicht ihre Rechte selber vertreten." So wie Eltern ihre Kinder verträten, wie schwer kranke Menschen einen gesetzlichen Betreuer bekämen, wie Naturschutzverbände längst die Rechte wild lebender Tiere gerichtlich wahren könnten, so solle dies künftig auch für Tiere gelten, die gehalten würden. Für eine Klagewelle gebe es keine Anhaltspunkte, verwies der GRÜNE auf ein entsprechendes bereits bestehendes Gesetz in Bremen. In Genehmigungsverfahren könnten Verbände helfen, diese einfacher und rechtssicher zu gestalten.
    Auf die Sachverständigenanhörung zum Gesetzentwurf bezog sich Karlheinz Busen (FDP): "Die Bürger sagen Ihnen: Das Gesetz ist schlecht. Das Gesetz bringt nichts. Es kostet. Es führt zu Rechtsunsicherheiten, zu Investitionsstopps und gefährdet den Datenschutz." Persönliche Daten und Betriebsgeheimnisse landeten völlig unkontrolliert auf dem Tisch der Tierschutzverbände. Die vernichtende Kritik in der Anhörung habe gezeigt, dass der Gesetzentwurf dem Tierschutz kein bisschen helfe. Zudem besitze das Land gar keine Gesetzgebungskompetenz für das Verbandsklagerecht, bemängelte der Abgeordnete und kritisierte: "Das Verbandsklagerecht ist Wildwuchs."
    "Ich frage mich, in welcher Anhörung Sie waren", antwortete Simone Brand (PIRATEN). Denn es habe reichlich Argumente für das Verbandsklagerecht gegeben. "Wenn Sie so eine Angst haben vor vehementen Klagewellen, wie geht es denn dann in Ihren Industrien und bei Ihnen in den Ställen zu?", fragte Brand. Die Warnung vor Abwanderung der Pharmafirmen habe es auch schon beim Verbandsklagerecht für Umweltverbände gegeben - nichts sei passiert. Der jetzige Gesetzentwurf sehe mit der Feststellungsklage sogar ein Entgegenkommen gegenüber der Forschung vor, was ihre Fraktion kritisiere. Trotzdem werde ihre Fraktion dem Gesetzentwurf aus vollem Herzen zustimmen.
    "Der Entwurf ist zweimal lange und intensiv beraten worden. Wir haben zweimal eine Expertenanhörung durchgeführt. Die ganze Bandbreite der Argumente ist aufgeführt und diskutiert worden. Ich bin der festen Überzeugung, dass dabei ein sehr ausgewogener Gesetzentwurf zutage gekommen ist, der die unterschiedlichen Interessenlagen berücksichtigt", fasste Umweltminister Johannes Remmel (GRÜNE) zusammen. Es gehe nicht um ein Mehr an Tierschutz, sondern darum, den Tierschutz - wie jeden anderen Rechtsbereich auch - einer rechtsstaatlichen Überprüfung zuzuführen. Das Parlament habe heute die Gelegenheit, einen bedeutenden Meilenstein für den Tierschutz zu setzen.
    sow

    Zusatzinformation:
    Beschlossen
    Mit den Stimmen von SPD, GRÜNEN und PIRATEN hat der Landtag den Gesetzentwurf gegen die Stimmen von CDU und FDP beschlossen.

    Systematik: 6120 Tierschutz/Tierhaltung

    ID: LI130711

  • Börner, Frank (SPD); Schulze Föcking, Christina (CDU); Abel, Martin-Sebastian (Grüne); Busen, Karlheinz (FDP); Brand, Simone (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum Thema Tierschutz.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 7 - 24.07.2013

    Die Hauskatze, der Gänsebraten, das Frühstücksei, das Reh im Wald, die Giraffe im Zoo - für uns Menschen bedeuten Tiere ...

    Frank Börner (SPD) ... eine Bereicherung unseres Lebens in vielerlei Hinsicht. Die Hauskatze als Familienmitglied, Kühe, Schweine, Geflügel etc. als Nutztiere und damit als Nahrungslieferanten und die Tiere im Zoo - ob heimisch oder exotisch - erfüllen einen wertvollen Informations- und Lehrauftrag.
    Christina Schulze Föcking (CDU) ... vieles. Tiere sind Mitgeschöpfe, die unserer besonderen Fürsorge bedürfen. Das gilt für Haustiere wie für Nutztiere gleichermaßen. Wir sollten Tiere jedoch nicht vermenschlichen. Ihre Bedürfnisse sind nicht deckungsgleich mit denen der Menschen. Das wird leider oft übersehen.
    Martin-Sebastian Abel (GRÜNE) ... sehr viel, weil sie unsere Mitgeschöpfe sind. Für unseren Lebensstil müssen sehr viele Tiere ihr Leben frühzeitig lassen. Wir müssen uns wieder bewusst werden, dass hinter jedem Tier ein fühlendes Wesen steckt und respektvoll mit ihnen umgehen. Darum tragen wir Menschen eine hohe Verantwortung.
    Karlheinz Busen (FDP) ..., dass wir Verantwortung für die Schöpfung und alles Leben in ihr haben. Ein sorgloser Umgang mit den uns anvertrauten Mitgeschöpfen verbietet sich.
    Simone Brand (PIRATEN) ... etwas Unterschiedliches. Für die einen sind sie Lebensgrundlage, für die anderen ein Freund, aber vor allem sind sie Lebewesen. Dem müssen wir gerecht werden. Wir müssen die Tiere schützen und die Artenvielfalt bewahren. Nur so erhalten wir auch für die nächsten Generationen eine lebenswerte Umwelt.

    Der Tierschutz ist über das Grundgesetz bundesweit verankert. Ein Landesgesetz zur Einhaltung des Staatsziels Tierschutz halte ich für ...

    Frank Börner (SPD) ... sinnvoll und notwendig, weil auf Bundesebene gebremst wird. Bisher konnte nur gegen ein Zuviel an Tierschutz, nicht aber gegen ein Zuwenig geklagt werden. Mit dem neuen Verbandsklagerecht haben Tiere endlich eine Stimme in NRW. Dies ist zugleich auch eine Vorlage für ein entsprechendes Bundesgesetz.
    Christina Schulze Föcking (CDU) ... unnötig, weil der Tierschutz bereits seit über zehn Jahren in der Landesverfassung verankert ist. Damit ist bereits heute alle staatliche Gewalt diesem Ziel verpflichtet. Darüber hinaus müssen wir in den Köpfen der Menschen ein allgemeines Bewusstsein für diese Schutzverpflichtung schaffen.
    Martin-Sebastian Abel (GRÜNE) ... notwendig, da die Bundesregierung den Tierschutz nicht ernst nimmt. U.a. den Schenkelbrand bei Fohlen bis 2018 und die betäubungslose Ferkelkastration bis 2019 qua Bundestierschutzgesetz zu erlauben, ist das genaue Gegenteil von Tierschutz. Ein solcher Umgang mit Mitgeschöpfen ist nicht mehr zeitgemäß.
    Karlheinz Busen (FDP) ... nutzlose Symbolpolitik ohne Mehrwert. Jedes Gesetz muss stets dem Staatsziel Tierschutz Rechnung tragen. Was könnte ein neues Gesetz, das uns hieran erinnert, in der Sache tatsächlich verbessern? Notwendig wäre es stattdessen, den Vollzug der geltenden Tierschutzvorschriften zu verbessern.
    Simone Brand (PIRATEN) ... elementar wichtig für die Tiere in NRW. Zudem kann Nordrhein-Westfalen so ein Zeichen setzen und sich bundesweit für den Tierschutz stark machen. Bisher ist es leider oftmals bei warmen Worten geblieben. Überfüllte Tierheime und unwürdige Ställe kommen auch in NRW immer wieder vor.

    Für Wirtschaft, für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie für die Landwirtschaft bedeutet das neue Tierschutzgesetz mit dem Verbandsklagerecht und Mitwirkungsmöglichkeiten anerkannter Tierschutzverbände ...

    Frank Börner (SPD) ... dass die Bauern, die ihre Ställe in Ordnung halten, gestärkt werden gegenüber Bauern, denen der Tierschutz egal ist und die so den Wettbewerb verzerren. Die Verbraucherinnen und Verbraucher können davon ausgehen, dass ein Mindeststandard an Tierschutz und damit artgerechter Haltung erfüllt wird.
    Christina Schulze Föcking (CDU) ... keinen Fortschritt. Es ist nicht nachvollziehbar, warum Vereine besser über das Tierwohl entscheiden sollen als geschulte Veterinäre. Wenn Forschung und Tierhaltung in andere Länder abwandern, in denen niedrigere Schutzstandards gelten als bei uns, ist dem Tierschutz in keiner Weise geholfen.
    Martin-Sebastian Abel (GRÜNE) ... einen Meilenstein hin zu mehr Tierschutz, da es - wie bereits im Naturschutzbereich ersichtlich - zu mehr Transparenz und Rechtssicherheit bei der Beurteilung von Tierschutzstandards führt. Dadurch unterstützt es den Forschungsbereich, die Arbeit der Landwirte sowie alle, die sich um das Tierwohl kümmern.
    Karlheinz Busen (FDP) ... keinen Mehrwert beim Tierschutz. Dafür gefährdet es den Standort NRW und hiesige Arbeitsplätze. Die Einführung des rechtlich umstrittenen Klagerechts schafft Investitionsunsicherheiten. Das verstärkt die bereits bestehenden Abwanderungstendenzen aus NRW im Bereich Forschung und Landwirtschaft.
    Simone Brand (PIRATEN) ... ein erfreulich gestiegenes Maß an Mitwirkungsmöglichkeiten. Endlich können Tierschutzverbände auch gerichtlich im Namen der Tiere tätig werden. Und wie die Praxis in Bremen bereits gezeigt hat, wird auch die Wirtschaft nicht befürchten müssen, von einer Klagewelle überrollt zu werden.

    Hinsichtlich der Rolle von bisherigen Kontrollinstanzen einerseits und Tierschutzverbänden andererseits denke ich, dass ...

    Frank Börner (SPD) ... es gut und richtig ist, dass die Tiere jetzt eine stärkere Lobby haben und die anerkannten Tierschutzverbände durch das Verbandsklagerecht die Kontrollinstanzen unterstützen können.
    Christina Schulze Föcking (CDU) ... es in der Vergangenheit eine gute partnerschaftliche Zusammenarbeit gab. Tierschutzverbände haben eine wichtige Funktion und sind Ausdruck des hohen Engagements für den Tierschutz. Es wäre schade, wenn an die Stelle von Kooperation vermehrt eine gesetzlich bedingte Konfrontation träte.
    Martin-Sebastian Abel (GRÜNE) ... die Rechte von anerkannten Tierschutzverbänden mit dem Verbandsklagerecht nun deutlich gestärkt werden. Ihre bisherigen Beteiligungsmöglichkeiten reichten nicht aus, um z.B. schwierige ethische Fragen des Tierschutzes zu klären. Die bisherigen Kontrollinstanzen werden um weitere Fachleute ergänzt.
    Karlheinz Busen (FDP) ... sich die Zusammenarbeit durch das Verbandsklagerecht in Zukunft ganz erheblich verschlechtern wird. "Treuhänder" und "Sachwalter" für das Wohlergehen der Tiere sind in erster Linie die Amtsveterinäre. Die Landesregierung spricht ihnen mit dem Gesetz aber ein deutliches Misstrauensvotum aus.
    Simone Brand (PIRATEN) ... sich hier ein produktives Miteinander einspielen wird. Die Aufgaben der unterschiedlichen Instanzen stehen ja in keinerlei Widerspruch zueinander. Vielmehr kann man gemeinsam dafür sorgen, dass den betroffenen Tieren mehr Gerechtigkeit und Schutz gewährt werden kann, als das bisher der Fall war.

    Spürbare Auswirkungen des Mitspracherechts der Tierschutzverbände auf Genehmigungsverfahren in den Kommunen ...

    Frank Börner (SPD) ... werden zumindest keine "Klageflut" sein. Die Verbände werden mit Augenmaß einschreiten, wenn sie Verstöße gegen den Tierschutz erwarten. Im Falle einer Niederlage müssten sie sonst erhebliche Anwalts- und Gerichtskosten tragen. Das Mitspracherecht wird Kontroll-Lücken schließen.
    Christina Schulze Föcking (CDU) ... werden sich in der Praxis zeigen. Unsere kommunalen Behörden haben in der Vergangenheit auf hohem fachlichen Niveau gearbeitet. Darum ist es schade, dass die Landesregierung den geschulten Fachleuten jetzt durch das Gesetz ein solches Misstrauen ausspricht.
    Martin-Sebastian Abel (GRÜNE) ... werden nur dann zu erwarten sein, wenn die Verbände Verstöße gegen geltende Vorschriften hinsichtlich des Tierschutzes vermuten. Als Sachverständige werden sie Genehmigungsverfahren positiv begleiten können - sowohl im Sinne des Tierschutzes als auch im Sinne der zügigen Verfahrensabwicklung.
    Karlheinz Busen (FDP) ... sind zu erwarten - in Form erheblichen Mehraufwands für die Kommunen. Durch die umfangreichen Beteiligungsmöglichkeiten werden sie mit neuen Bürokratievorgaben überschüttet. Dann fehlt die Zeit für die eigentliche Arbeit der Veterinäre. Auch hier gibt die Landesregierung mit dem Gesetz eher Steine als Brot.
    Simone Brand (PIRATEN) ... wird es insofern geben, als dass die Kommunen nun in der Pflicht sind, mit den entsprechenden Verbänden bei Genehmigungsverfahren besser zusammenzuarbeiten. Ich hoffe, dass diese Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Bürgern Schule macht und auf andere Bereiche abfärbt.

    ID: LI130712

  • Blick hinter die Kulissen.
    Werden Sie Teil des Landtags - Sie werden überrascht sein!
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10 in Ausgabe 6 - 26.06.2013

    Juni 2013 - Unmittelbar am Rhein steht in Düsseldorf der Landtag. Waren Sie schon einmal drin? Wenn nicht, ist das Landtagsjubiläum ein guter Grund, durch seine Drehtür am Eingang zu treten und Teil dessen zu werden, was der nordrhein-westfälische Landtag ist: das Haus der Bürgerinnen und Bürger. Ganz egal, ob Sie dabei sein wollen, wenn ein Gesetz entsteht, ob Ihre Kinder einmal selbst am Rednerpult stehen möchten oder ob Sie kunstbegeistert sind: Sie werden staunen.
    Haben Sie auch schon einmal die Zeitung aufgeschlagen, von einem neuen Gesetz gelesen, sich gefreut oder geärgert und sich gefragt, wie es dazu kommen konnte? Wir möchten Sie einladen, sich das einmal näher anzusehen, denn ein Gesetz entsteht nicht von heute auf morgen. Für und Wider werden abgewogen, manchmal in hitzigen Diskussionen, Sachverständige werden befragt, wieder werden Argumente ausgetauscht. Selten wird ein Gesetzentwurf so beschlossen, wie er am Anfang auf dem Papier stand.
    Apropos Papier: Wussten Sie, dass so gut wie alle Parlamentspapiere öffentlich zugänglich sind? Wenn Sie keine Lust haben, am Bildschirm zu recherchieren, sind sie in der Bibliothek des Landtags herzlich willkommen, um vor Ort einen Blick in die entsprechenden Dokumente zu werfen. Die Infothek ist Ihnen gerne dabei behilflich, das, was Sie suchen, zu finden und alles, was um den Beratungsgegenstand herum noch interessant sein könnte.
    Oder seien Sie live dabei: Auf der Besuchertribüne des Plenarsaals ist ein Platz für Sie reserviert. Melden Sie sich beim Besucherdienst an (Tel. 0211 884-2955, besucherdienst@landtag. nrw.de), kommen Sie allein, in Begleitung oder gleich mit einer ganzen Gruppe, um bei den Plenardebatten dabei zu sein, sich selbst ein Bild davon zu machen, wie die Abgeordneten der einzelnen Fraktionen zu einem Gesetzentwurf oder zu einem Antrag stehen. Sogar für die Kleinen gibt es Besuchsprogramme: Regelmäßig entdecken Grundschul-Knirpse, wie toll es sich anfühlt, auf den Stühlen der richtigen Abgeordneten zu sitzen.
    Nachdem die Vollversammlung erstmals über die politischen Fragen beraten hat, werden viele davon zur Detailberatung in den zuständigen Fachausschuss überwiesen. Selbstverständlich sind auch die Ausschusssitzungen öffentlich. Auch hier stehen Plätze für Gäste bereit, die die Debatten im Ausschuss verfolgen möchten.
    Sie fragen sich, wie wohl Betroffene oder Fachleute zu einem politischen Vorhaben stehen? Das geht den Abgeordneten genauso. Deshalb sind Sachverständigenanhörungen im Fachausschuss keine Seltenheit. Die Anhörungen sind spannend und selbstverständlich öffentlich. Scheuen Sie sich also nicht, persönlich vorbeizukommen und sich anzuhören, was Vereine, Verbände, Wissenschaft, Wirtschaft, Kirchen oder Kommunen zu politischen Vorhaben zu sagen haben. In der Folge werten die Abgeordneten im Fachausschuss die Expertenanhörung aus. Das können Sie live oder von zu Hause aus mitverfolgen.
    Sie finden alle Protokolle der Plenar- und Ausschusssitzungen wie auch die Stellungnahmen der Sachverständigen im Internetangebot des Landtags unter www.landtag.nrw.de.
    Es gibt natürlich auch andere gute Gründe, den Landtag zu besuchen: Seine faszinierende Architektur, ein sichtbar gewordenes Prinzip aus Diskurs und Transparenz, hell und lichtdurchflutet, ist allemal einen Ausflug wert. Architektur- und Kunstbegeisterte kommen voll auf ihre Kosten, wenn sie zwischen Landtagsrestaurant und Plenarsaal die unterschiedlichsten Kunstwerke, Malereien, Grafiken, Skulpturen, Brunnen und vieles mehr entdecken. Nicht umsonst ist der Landtag alljährlich Teil der Düsseldorfer Nacht der Museen. Bis zur nächsten Nacht der Museen müssen Sie aber nicht warten. Lassen Sie sich bei Tageslicht von der Schönheit des Parlamentsgebäudes mit all seinen Schätzen begeistern. Übrigens: Der Landtag öffnet von Frühjahr bis Herbst auch an vielen Sonntagen seine Türen.

    Näher dran

    Kommen Sie näher. Was innerhalb der Sandstein- Mauern des Parlaments geschieht, ist kein Geheimnis. Es ist Ihr gutes Recht zu erfahren, wie die Landespolitik funktioniert und wie ein Thema in ein Gesetz gegossen wird. Kommen Sie in den Landtag. Dann wissen Sie, wie es dazu kam, wer am ehesten Ihre Meinung vertritt, und Sie wissen, was morgen in der Zeitung steht. Und vielleicht schlagen Sie diese dann auf, und hinter Ihnen krakeelt jemand: "Papa, da war ich schon!"
    sow

    Zusatzinformation:
    Neue Wege
    "Parlamentarismus und Bürgerbeteiligung in der modernen Informationsgesellschaft" war auch Thema der gemeinsamen Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen und österreichischen Landesparlamente, des Deutschen Bundestags, des Bundesrates und des Südtiroler Landtags Anfang Juni 2013. Die Akteure betonten, dass sich moderne Parlamente nicht der technischen Entwicklung und den Herausforderungen der digitalen Welt verschließen können und dürfen. Denn neue Wege der Information und Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern stärkten die Kultur der Offenheit und Transparenz. Die Parlamente sollten die Chancen der technischen Entwicklung ergreifen und die Instrumente der modernen Informationsgesellschaft zur Stärkung der parlamentarischen Demokratie nutzen.

    Systematik: 1100 Parlament

    ID: LI130611

  • Tage der offenen Tür.
    Das Präsidium lädt Sie in den Landtag ein.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 11 in Ausgabe 6 - 26.06.2013

    Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger,

    vor 25 Jahren bezog der Landtag Nordrhein-Westfalen das neue Parlamentsgebäude am Düsseldorfer Rheinufer. Dank seiner außergewöhnlichen Architektur ist das Haus des Landtags ein unverwechselbares Symbol für die Demokratie in unserem Land. Seine kreisrunde Form betont den gleichberechtigten Austausch von Meinungen und politischen Positionen, und seine transparente Ausgestaltung unterstreicht den Anspruch zu einer offenen, nachvollziehbaren und damit öffentlich kontrollierbaren Parlamentsarbeit.
    Wie Ihr Landesparlament arbeitet, welche Abgeordneten Sie im Landtag Nordrhein-Westfalen vertreten und welche unterschiedlichen Wege der Information über die Landespolitik Ihnen offenstehen, das können Sie an den Tagen der offenen Tür am Samstag und Sonntag, 6. und 7. Juli 2013, erfahren.
    Die 237 gewählten Abgeordneten, die fünf Fraktionen im Parlament und die Referate der Landtagsverwaltung freuen sich darauf, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen.
    Hierzu laden wir Sie herzlich ein und würden uns persönlich sehr freuen, Sie im Haus der Bürgerinnen und Bürger Nordrhein-Westfalens begrüßen zu dürfen.
    Weit über die Tage der offenen Tür hinaus bietet Ihnen unser Parlament zahlreiche Möglichkeiten, sich über die Debatten und parlamentarischen Entscheidungen in der Landespolitik zu informieren, sei es über "klassische" Medienangebote wie diese Parlamentszeitschrift oder über elektronische Kanäle wie die Internetseiten des Landtags (www.landtag.nrw.de), über die Sie zum Beispiel die Plenarsitzungen per Webcam live mitverfolgen, sich Parlamentspapiere herunterladen und mehr über einen Besuch im Landtag erfahren können. Wir laden Sie ein, diese Informationsangebote über unser Parlament ebenso zu nutzen und weiterzuempfehlen.
    Jüngst hat der Landtag Nordrhein-Westfalen eine repräsentative Befragung zum Bild der Landespolitik und des Landtags in der Bevölkerung in Auftrag gegeben. Dabei kam unter anderem heraus, dass die Landespolitik nicht so ausgeprägt wahrgenommen wird wie die Bundes- und Kommunalpolitik.
    Diesem Ergebnis steht die ermutigende Erkenntnis aus der Umfrage gegenüber, dass sich insbesondere der persönliche Besuch im Haus des Landtags und das Erleben der Parlamentsarbeit positiv auf die Einstellungen in der Bevölkerung zum Landtag Nordrhein-Westfalen auswirken.
    Umso mehr werden sich die parlamentarischen Akteurinnen und Akteure auch weiterhin dafür einsetzen, den direkten Kontakt zu Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, zu suchen und zu fördern, zum Beispiel über Veranstaltungen im Haus des Landtags, über Schulbesuche des Landtagspräsidiums oder Besuche in den unterschiedlichen Regionen unseres Landes.
    Schon heute sind jährlich rund 70.000 Besucherinnen und Besucher im Landtag Nordrhein- Westfalen zu Gast, darunter viele junge Menschen, die Einblicke in den parlamentarischen Alltag der Abgeordneten erhalten und dabei anschaulich erfahren, wie die demokratisch legitimierte und öffentlich kontrollierte Willensbildung und Entscheidungsfindung funktioniert. Auch Sie sind hierzu herzlich eingeladen, denn die Türen des Landtags stehen Ihnen offen, nicht ausschließlich, aber in einem ganz besonderen Rahmen am Wochenende des 6. und 7. Juli 2013.

    Herzlich willkommen in Ihrem Parlament!

    Das Präsidium des Landtags Nordrhein-Westfalen

    Systematik: 1100 Parlament

    ID: LI130605

  • Politische Polizeiführung?
    FDP: Auswahlverfahren ändern - Regierung: Zivile Führung beibehalten.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 7 in Ausgabe 5 - 15.05.2013

    24. April 2013 - Die Führungsetage der Polizei rekrutiert sich nicht aus Polizeibeamtinnen und -beamten des höheren Dienstes, sondern aus zivilen Personen. Dies habe einen politischen Beigeschmack, kritisierte die FDP und verlangte, unterstützt von der CDU, transparent gestaltete Ausschreibungs- und Auswahlverfahren. SPD und GRÜNE verwiesen in der Debatte zum Gesetzentwurf (Drs. 16/2336) auf die gut funktionierende Praxis sowie die historischen Gründe für die zivile Führung. Die PIRATEN wollen die weiteren Ausschussberatungen abwarten.
    "Wir möchten in den Polizeipräsidien zukünftig nur noch Beamte haben, die keine politischen Beamten sind", erklärte Dr. Robert Orth (FDP). Es sei unerträglich, dass Polizeipräsidentinnen und Polizeipräsidenten in Nordrhein-Westfalen bei ihrer täglichen Arbeit die politischen Ziele der Landesregierung berücksichtigen müssten. Es bestehe nämlich die Möglichkeit, sie unabhängig von ihrer Leistung jederzeit in den vorläufigen Ruhestand zu versetzen. Notwendig sei eine Besetzung über Ausschreibungs- und Auswahlverfahren, so Orth. Wer im höheren Dienst bei der Polizei sei, müsse die Chance haben, auch solche Führungsposten zu bekleiden.
    "Es geht Ihnen darum, ein bisschen zu politisieren statt zu entpolitisieren", entgegnete Hartmut Ganzke (SPD). Erstens betreffe der vorliegende Entwurf nicht die gesamte Polizei, sondern nur die Polizeiführung. Zweitens gehe die geschilderte Gefahr des Vertrauensverlustes "völlig an der Realität in Nordrhein-Westfalen vorbei", so Ganzke. Vielmehr mache die sensible Materie "Sicherheitspolitik" eine besonders vertrauensvolle Zusammenarbeit der Polizeipräsidentinnen und -präsidenten mit dem Innenminister notwendig. Ihre Auswahl erfolge im Übrigen in erster Linie nach Eignung und Befähigung. Sieben andere Bundesländer handelten genauso.
    Aufgrund von Personalentscheidungen und -entwicklungen in den vergangenen Wochen sei der Gesetzentwurf der FDP-Fraktion berechtigt, meinte Theo Kruse (CDU). Die Polizeiführung in Nordrhein-Westfalen sei im Vergleich der Bundesländer nahezu einmalig. Dabei müsse Polizeiarbeit von hoher Sachlichkeit geprägt sein, so Kruse. Notwendig seien Ausschreibungs-, Bewerbungs- und Auswahlverfahren, denn das "Zuschanzen von Stellen" an Parteigenossen oder Interessenvertreter sei die schlimmste Form der Ausbeutung des Staates durch die politischen Parteien. Dies könne die innere Emigration fördern und die Leistungsbereitschaft des Einzelnen untergraben.
    In Nordrhein-Westfalen habe man "eine rechtsstaatlich handelnde und eben keine politische Polizei", betonte Verena Schäffer (GRÜNE). Sie arbeite nach rechtsstaatlichen Prinzipien und könne daher den Schutz der Grund- und Freiheitsrechte gewährleisten. Bei der Besetzung der Führungsstellen müssten Recht, Eignung, Befähigung und fachliche Leistung berücksichtigt werden. Aber es sei auch richtig, dass man sich in Nordrhein-Westfalen für die sogenannte zivile Führung entschieden habe, also für Personen ohne polizeiliche Sozialisation. In den Städten seien dies die Polizeipräsidentinnen und -präsidenten, im kreisangehörigen Raum die Landräte.
    Die Argumentation des Antrags sei nicht verkehrt, meinte Dirk Schatz (PIRATEN). Wie er sich letztendlich entscheide, werde er in der Ausschussdiskussion sehen. Es sei ein Vorteil, wenn bei der Besetzung der Führungspositionen auch Polizeibeamte des höheren Dienstes in die Auswahl kämen. Dies sei auch ein Zugewinn für den Pluralismus. Wenn das Gesetz so beschlossen werde, könne die Auswahl in Zukunft ohne politischen Druck erfolgen. Gleiches gelte auch für die Amtsführung. Es werde für Polizeipräsidentinnen und -präsidenten leichter, innerhalb der Grenzen von Recht und Gesetz ihrer Auffassung nachzugehen, ohne politisch konform sein zu müssen.
    "Alle 18 Polizeipräsidentinnen und -präsidenten in Nordrhein-Westfalen leisten sehr gute Arbeit", hob Innenminister Ralf Jäger (SPD) hervor. Die von ihm ernannten Amtsträger hätten zuvor in ziviler Verantwortung außerordentliche und gute Arbeit geleistet und in ihrem neuen Amt parteiübergreifende Wertschätzung erfahren, so Jäger. Die zivile Führung der Polizei sei nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt worden und man sei damit immer gut gefahren. Die Kandidaten seien in der Regel gelernte Verwaltungsbeamtinnen und -beamte. Wichtig sei, dass die Auswahl auch nach Eignung, Leistung und Befähigung erfolge.
    cw

    Zusatzinformation:
    Überweisung
    Der Gesetzentwurf der FDP Drs. 16/2336 wurde einstimmig an den Innenausschuss unter Mitberatung des Kommunalausschusses überwiesen.

    Systematik: 1310 Polizei; 2400 Arbeit

    ID: LI130504

  • Erziehung statt Sanktionen.
    NRW bekommt ein Gesetz zum Jugendarrestvollzug.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 8 in Ausgabe 5 - 15.05.2013

    24. April 2013 - Nordrhein-Westfalen bekommt ein eigenes Gesetz speziell zum Jugendarrestvollzug (Drs. 17/746). Bisher war dies gesetzlich nur rudimentär im Jugendgerichtsgesetz und im Übrigen durch Rechtsverordnung und allgemeine Verwaltungsvorschriften geregelt. Neu ist, dass der Arrest pädagogischen Charakter bekommen und nicht mehr durch repressive Sanktionsmaßnahmen geprägt sein soll. Alle Fraktionen lobten die sachliche, konstruktive Arbeit am Gesetzentwurf, bewerteten manche Aspekte aber unterschiedlich.
    "Wir werden mit diesem Beschluss dieses vielleicht etwas antiquierte Zuchtmittel des Arrests mit sehr konkreten pädagogischen Instrumenten anreichern", erklärte Sven Wolf (SPD). Als Highlight bezeichnete er die Möglichkeit der Konfliktlösung im Gespräch. Auch der Abschlussbericht solle Fähigkeiten sowie Förderund Entwicklungsmöglichkeiten der Jugendlichen nennen, statt nur Defizite aufzuzeigen. Damit solle auch eine bessere Verzahnung mit der Jugendhilfe und Jugendgerichtshilfe, die die Anschlussbetreuung übernehmen, möglich werden. Erfolgreiche Schul- und Berufslaufbahnen sollten durch den Arrest künftig weniger gestört werden, erklärte Wolf.
    Letzteres aber könne dazu führen, dass die Strafe nicht mehr auf dem Fuße folge, wandte Jens Kamieth (CDU) ein. Der Abschreckungseffekt sei besonders groß, wenn die Jugendlichen den Arrest unmittelbar nach der Verurteilung antreten müssten, kritisierte der Abgeordnete den Ansatz, auf schulische und berufliche Verpflichtungen Rücksicht zu nehmen. Des Weiteren forderte er, auch die Möglichkeit zu Disziplinarmaßnahmen ins Gesetz aufzunehmen - als Ultima Ratio für besonders renitente Jugendliche. Kritikwürdig fand Kamieth auch, dass bestimmte Regelungen nur für den Dauerarrest und nicht für den Kurzzeit- oder Wochenendarrest gelten sollten.
    Der Gesetzentwurf habe wegen seiner konsequenten pädagogischen Ausrichtung bundesweit Anerkennung erfahren, freute sich Dagmar Hanses (GRÜNE). Der CDU-Forderung nach Disziplinarmaßnahmen widersprach sie. Solche senkten die Rückfallquote nicht, dies sei längst wissenschaftlich belegt. Stattdessen würden im "Herzstück" des aktuellen Gesetzentwurfs weitergehende, bessere pädagogische Maßnahmen wie Wiedergutmachung und Entschuldigungen ausführlich beschrieben. Trotz des Prinzips "Strafe auf dem Fuße folgend" hielt Hanses es für sinnvoll, den Arrest gegebenenfalls in die Schul- oder Semesterferien zu legen, um Brüche im Lebenslauf zu vermeiden.
    Dirk Wedel (FDP) sah im Gesetzentwurf gute Ansätze ebenso wie eklatante Mängel. Zu letzteren zähle ein "inakzeptabler Zweiklassenarrestvollzug". Die Mehrzahl der betroffenen Jugendlichen, nämlich die im Kurz- oder Freizeitarrest, würden schlechter gestellt. Auch Wedel betonte, dass die Sanktion der Tat auf dem Fuße folgen müsse, damit für die Jugendlichen der Zusammenhang zwischen Tat und Strafe erlebbar sei und eine lernpsychologische Wirkung eintreten könne. Außerdem forderte er, die Jugendlichen im Arrest allein unterzubringen. Darüber hinaus müssten die Vollzugsbediensteten im Umgang mit jungen Menschen pädagogisch geschult sein.
    "Es liegt ein Entwurf auf dem Tisch, der positiv zu bewerten ist", sagte Dietmar Schulz (PIRATEN). Dazu hätten alle Fraktionen in einer erfreulich konstruktiven Weise zusammengearbeitet. Vor allem der pädagogische Ansatz habe seiner Fraktion sehr am Herzen gelegen. Grundsätzlich sei noch die Frage zu klären, ob Kurzarrest vor dem Hintergrund des pädagogischen Ansatzes überhaupt nötig, sinnvoll und praktikabel sei. Erfreulich fand der Abgeordnete, dass der Jugendarrest klar vom Erwachsenenvollzug getrennt werde. Wenn die Zeitspanne zwischen Tat und Strafe zu lang gerate, liege das nicht am Gesetz, sondern an seiner praktischen Umsetzung.
    Die jungen Menschen sollten während des Arrestes befähigt werden, zukünftig eigenverantwortlich und ohne weitere Straftaten zu leben, beschrieb Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) das Ziel des Gesetzentwurfs. Trotzdem sei der Jugendarrest keineswegs ein ideales Erziehungsmittel. Es könne nur darum gehen, das Beste aus ihm zu machen. Deshalb orientierten sich alle Angebote an den Zielen, eigenverantwortlich zu handeln, die Rechte anderer zu respektieren und nicht straffällig zu werden. Während der Zeit von Freizeit- oder Kurzarrest, also in ein bis zwei Tagen, könne man allerdings keine nachhaltig erzieherische Wirkung erzielen.
    sow

    Zusatzinformationen:
    Beschlossen
    Mit den Stimmen von SPD, GRÜNEN und PIRATEN hat der Landtag den Gesetzentwurf (Drs. 16/746) gegen die Stimmen von CDU und FDP angenommen.

    Sicherungsverwahrung
    Mit einem zweiten Gesetz (Drs. 16/1435) hat der Landtag den Vollzug der Sicherungsverwahrung novelliert. Das Bundesverfassungsgericht hatte gefordert, dass sich dieser deutlich vom Strafvollzug unterscheiden müsse.

    Systematik: 3330 Justizvollzug; 5030 Kinder/Jugendliche

    ID: LI130524

  • Drei Sekunden reichen.
    Steigende Einbruchszahlen: Was kann man tun?
    Plenarbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 5 - 15.05.2013

    26. April 2013 - Das Risiko, in Nordrhein-Westfalen Opfer eines Wohnungseinbruchs zu werden, sei so hoch wie selten zuvor, schreibt die FDP in einem Antrag unter dem Titel "Beute zurück". Das Risiko für Einbrecher, für eine solche Tat bestraft zu werden, sei zugleich verschwindend gering. Über Ursachen und Maßnahmen gingen im Plenum die Meinungen auseinander.
    Als besorgniserregend wertete Dr. Robert Orth (FDP) die Entwicklung der Einbruchskriminalität in Nordrhein-Westfalen. Das Risiko, Opfer eines Wohnungseinbruchs zu werden, sei historisch hoch. So werde im Schnitt alle zehn Minuten in ein Haus oder in eine Wohnung eingebrochen, nicht selten mit traumatischen Folgen für die Opfer. Die Zahl der Einbrüche unter der Verantwortung von Innenminister Jäger sei in den vergangenen drei Jahren um 30 Prozent gestiegen. Gleichzeitig sinke die Aufklärungsquote, auch aufgrund "antiquierten" Vorgehens der Polizei. Unter anderem sei es notwendig, die Vertriebswege der Täter auszutrocknen.
    Eine wirksame Bekämpfung von Einbrüchen brauche Prävention und Repression, betonte Falk Heinrichs (SPD). Dies plane der Innenminister mit seiner Kampagne "Riegel vor". Im Übrigen stelle man einen Anstieg von Fällen in Großstädten sowie Wohnbereichen in Autobahnnähe fest. Bei den Tätern handele es sich in der Regel wohl um überregional agierende Banden. Die Einbruchszahlen seien schon seit dem Jahr 2008 gestiegen, als die FDP noch den Innenminister gestellt habe. Die rot-grüne Landesregierung habe seit 2011 mehr als 40 neue Ermittlungskommissionen eingerichtet. Wichtig sei auch die Fahndung nach Beutegegenständen.
    "Kaum eine Straftat beeinträchtigt das Sicherheitsgefühl so sehr wie das gewaltsame Eindringen in die eigene Wohnung", hob Gregor Golland (CDU) hervor. Dabei sei der seelische Schaden oft größer als der materielle Verlust. Heute verzeichne man die höchste Zahl an Einbrüchen seit dem Jahr 1995. Die Aufklärungsquote stagniere bei 13 Prozent; dies sei "desaströs" und "erschreckend", so Golland. Innenminister Jäger setze auf medienwirksame Blitzmarathons oder Großrazzien. Bei der Bekämpfung von Wohnungseinbrüchen fehlten ihm aber Konzepte wie auch Ideen, kritisierte Golland und forderte "konsequenteres" Regierungshandeln.
    Beim Thema "Wohnungseinbrüche" müsse man zusammenstehen, sah Verena Schäffer (GRÜ- NE) große inhaltliche Einigkeit. Nichtsdestotrotz finde sie den FDP-Antrag an manchen Stellen "problematisch und unsäglich", denn er schüre Panik und Angst in der Bevölkerung. Die Behauptung, das Risiko für Einbrecher sei verschwindend gering, lese sich fast wie eine Empfehlung, in solch einer lukrativen Branche tätig zu werden. Es sei richtig, auf den präventiven Weg zu setzen. So biete die Polizei den Bürgerinnen und Bürgern an, sich vorbeugend beraten zu lassen. Notwendig wäre auch, dass die Sensibilität in der Nachbarschaft steige.
    Die Landesregierung wolle aufgrund ihrer Hilflosigkeit in der Sache mit Aktionstagen und Blitzmarathons suggerieren, sie hätte alles im Griff, meinte Dirk Schatz (PIRATEN). Dies sei aber nicht der Fall. Daher sei es richtig, wenn die FDP eine Studie zur Wirksamkeit polizeilicher Maßnahmen bei Wohnungseinbrüchen fordere. Auch die Beobachtung von Verkaufsplattformen im Internet sei ein guter Vorschlag. Angesichts der jetzigen Personaldecke der Polizei sei dies aber nur schwer umzusetzen. In diesem Zusammenhang verwies Schatz auf eine große Anfrage seiner Fraktion zu den Ursachen des hohen Krankenstands bei der Polizei.
    In drei Sekunden könne er mit einem handelsüblichen Schraubenzieher ein Fenster mit einfachen Beschlägen öffnen, so Innenminister Ralf Jäger (SPD). Vor diesem Hintergrund könnten sich Bürgerinnen und Bürger in jeder der 47 Kreispolizeibehörden beraten lassen, wie sie ihr Haus vor Einbrüchen schützen könnten. Er wolle verhindern, dass Menschen eine solche traumatische Erfahrung machen müssten. Daher sei "Beute zurück" der falsche Titel. Jäger erläuterte, heute seien häufig organisierte Banden aus Südeuropa tätig. Außerdem sei die FDP fünf Jahre lang dafür verantwortlich gewesen, dass bei der Polizei gespart worden sei.
    cw

    Zusatzinformation:
    Innenausschuss zuständig
    Der Antrag Drs. 16/2621 wurde einstimmig an den Innenausschuss - federführend -, an den Rechtsausschuss sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik überwiesen.

    Systematik: 1300 Innere Sicherheit

    ID: LI130509

  • Körfges, Hans-Willi (SPD); Biesenbach, Peter (CDU); Hanses, Dagmar (Grüne); Dr. Orth, Robert (FDP); Schulz, Dietmar (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum Thema "Recht und Ordnung".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 5 - 15.05.2013

    Handyortung, Videoüberwachung, Datenspeicherung - das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit oder von polizeilichen Ermittlungsmethoden und Persönlichkeitsrechten bewerte ich als ...

    Hans-Willi Körfges (SPD) ... ausgewogen. Freiheit und Sicherheit dürfen sich nicht ausschließen. Effektive Polizeiarbeit muss den Schutz der Bürgerrechte beachten. Das Polizeigesetz bringt beide Seiten in ein ausgewogenes Verhältnis.
    Peter Biesenbach (CDU) ... teilweise unausgewogen. Dass unsere Polizei nach dem gescheiterten Bombenanschlag Ende 2012 am Bonner Hauptbahnhof tagelang in umliegenden Geschäften nach Videobildern von den Tatverdächtigen fragen musste, macht deutlich, dass die polizeilichen Ermittlungsbefugnisse in NRW nach wie vor defizitär sind.
    Dagmar Hanses (GRÜNE) ... wechselseitig. Freiheit heißt, sich unbeobachtet im öffentlichen Raum bewegen zu können. Neben der öffentlichen Sicherheit müssen auch die eigenen Daten und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gesichert sein. Es geht um die Balance zwischen Freiheitsrechten und staatlichen Eingriffen. Für ein vermeintliches Mehr an Sicherheit dürfen wir unsere Freiheitsund Bürgerrechte nicht aufgegeben.
    Dr. Robert Orth (FDP)... gefährdet. Durch immer neue Begehrlichkeiten und ständige Gesetzesverschärfungen der rot-grünen Parlamentsmehrheit wird zu stark in die Privatheit der Bürger eingegriffen. Die Balance von Sicherheit und Freiheit ist nicht mehr gewahrt.
    Dietmar Schulz (PIRATEN) ... gestört. Eine beinahe totale, anlasslose Überwachung ist unverhältnismäßig. Überwachungstechnik verschafft uns keine Gewaltfreiheit, sondern lediglich ein falsches Gefühl von Sicherheit. Auf dem Weg zu einer Informations- und Wissensgesellschaft fragen wir immer wieder, ob der Einsatz elektronischer Überwachung angemessen und notwendig ist. Jede Überwachung ist ein Eingriff in die Privatsphäre.

    Die Polizei steht vor neuen Herausforderungen. Randalierende Fußballfans, rivalisierende Rockerbanden, extremistische Gesinnungen erfordern zeitgemäße Rahmenbedingungen für die Beamtinnen und Beamten. Diese Rahmenbedingungen sehe ich in NRW ...

    Hans-Willi Körfges (SPD) ... als gegeben an. Das Polizeigesetz enthält effektive Instrumente, um den Herausforderungen wirksam zu begegnen. Das soll auch so bleiben. Deshalb wollen wir es an die jüngsten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Datenverarbeitung anpassen. Bewährte Mittel der Gefahrenabwehr sollen erhalten bleiben. Denn für unsere Polizei gilt: Wirksamkeit und Rechtsstaatlichkeit gehören zusammen.
    Peter Biesenbach (CDU) ... stark in Gefahr, da Innenminister Jäger regelmäßig tausende von Polizeibeamten zu Show-Einsätzen, wie den landesweiten ‚Blitz- Marathons‘ abkommandiert. Diese Aktionen werden von Verkehrswissenschaftlern als ‚werbewirksam, aber sinnlos‘ bezeichnet, kosten den Steuerzahler eine Menge Geld und bringen die Verbrechensbekämpfung weitgehend zum Erliegen.
    Dagmar Hanses (GRÜNE) ... als insgesamt günstig an. Die Polizistinnen und Polizisten in NRW sind durch ihr Studium sehr gut ausgebildet, unsere Einsatzhundertschaften sind in ganz Deutschland hoch angesehen und für ihre deeskalierende Vorgehensweise bekannt. Die Neueinstellungen hat Rot-Grün auf 1.400 Personen erhöht, um die hohe Anzahl von Pensionierungen in den nächsten Jahren abzufedern.
    Dr. Robert Orth (FDP) ... durch unnötige Diskussionen über Stellenabbau bei der Polizei und eine diffuse Besoldungspolitik gefährdet. Unter Rot-Grün sind Konzeptlosigkeit gegen steigende Einbruchszahlen, ungenutzte polizeiliche und strafprozessuale Maßnahmen gegen Gewalt im Fußball, Defizite im Einsatz gegen gefährliche Salafisten und Rocker an der Tagesordnung. Die FDP hat diese Punkte im Landtag thematisiert und kritisiert.
    Dietmar Schulz (PIRATEN) ... derzeit nicht! Beamte müssen immer mehr leisten, bei immer weniger Geld unter schlechter werdenden Umständen bei steigenden Krankenständen und Überstundenkonten. Das senkt die Motivation und führt zu körperlichen und psychischen Überlastungen. Mehr Beamte und eine bessere Fortbildung wären die Lösung. Nicht hinnehmbar hingegen: Aufgaben zwischen Polizei und Verfassungsschutz hin- und herzuschieben.

    Damit straffällige Jugendliche möglichst nicht auf eine dauerhaft schiefe Bahn gelangen, sondern aus ihren Fehlern lernen, kommt es darauf an, ...

    Hans-Willi Körfges (SPD) ... kriminelle Tendenzen bereits früh zu verhindern. Initiativen wie beispielsweise "Kurve kriegen" helfen Kindern und Jugendlichen, die auf die schiefe Bahn geraten sind, wieder auf Kurs. Aber auch die Einrichtung weiterer Häuser des Jugendrechts ist hier ein wichtiger Akzent von Rot-Grün. Das Schicksal des Jugendlichen bleibt nicht einfach "eine Akte unter Vielen", sondern Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendamt und Jugendgerichtshilfe stimmen sich sehr eng ab und sorgen für den Weg in ein selbstbestimmtes straffreies Leben.
    Peter Biesenbach (CDU) ... delinquentes Verhalten frühzeitig und konsequent zu ahnden. Bewährungsstrafen werden in diesem Zusammenhang leider häufig als Freispruch empfunden. Deshalb begrüße ich es, dass die Bundesregierung letztes Jahr die Verhängung des sog. "Warnschussarrests" gegenüber Jugendstraftätern ermöglicht hat. Dadurch können Gerichte neben einer Bewährungsstrafe einen Arrest von bis zu vier Wochen verhängen.
    Dagmar Hanses (GRÜNE) ... dass frühzeitig eingegriffen wird. Den Jugendlichen müssen Wege aus der Kriminalität aufgezeigt werden. Dazu bedarf es konsequenter und nachhaltiger pädagogischer Konzepte, die den Jugendlichen ein straffreies Leben aufzeigen und die zusammen mit allen Institutionen umgesetzt werden müssen. Das alleinige Wegsperren ist wenig zielführend. Die Ausgestaltung der Strafe sollte im inhaltlichen Zusammenhang mit der Tat stehen.
    Dr. Robert Orth (FDP) ... schnelle und zielgerichtete Sanktionen und Hilfestellungen zu gewährleisten. Rot-Grün nimmt sich der zu langen Wartezeiten zwischen Urteil und Arrest nicht an. Wir müssen im Übrigen zu einem ganzheitlichen Ansatz kommen - von der Vorbeugung über Jugendhilfeangebote bis hin zur Repression.
    Dietmar Schulz (PIRATEN) ... dass sich abzeichnende problematische Lebenswege früh durch Betreuungs- und Bildungsangebote aufgegriffen werden. Sanktionen, wie Haft oder Arrest, müssen letztes Mittel bleiben. Unser Ziel ist es, auf freiheitsentziehende Maßnahmen zu verzichten. Dies kann aber nur erreicht werden, wenn neben der Bildung auch die sonstigen sozialen Komponenten schon in den Familien hinreichende Stützung erfahren.

    Das Bundesverfassungsgericht hat verlangt, dass sich die Sicherungsverwahrung deutlich vom Strafvollzug unterscheiden muss. Dieses Ziel sehe ich im jüngst verabschiedeten Gesetz ...

    Hans-Willi Körfges (SPD) ... verantwortungsvoll umgesetzt. In NRW ist diese Umsetzung im Einklang mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gelungen. Das Gesetz zum Vollzug der Sicherungsverwahrung trägt dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit Rechnung und setzt dabei gleichzeitig auf einen freiheitsorientierten und therapieorientierten Vollzug der Sicherungsverwahrung. Der Opferschutz wird im Gesetz ausdrücklich und effektiv festgeschrieben.
    Peter Biesenbach (CDU) ... größtenteils verfassungskonform umgesetzt. Wie die Expertenanhörung im Rechtsausschuss ergeben hat, wies der angesprochene Gesetzentwurf der Landesregierung jedoch an anderen Stellen mehrere Schwachstellen auf. Da die regierungstragenden Fraktionen unsere diesbezüglichen Änderungsvorschläge leider nicht aufgreifen wollten, mussten wir den Gesetzentwurf letztlich ablehnen.
    Dagmar Hanses (GRÜNE) ... umgesetzt. Mit unserem Gesetz haben wir ein freiheitsorientiertes und therapieausgerichtetes Gesamtkonzept entwickelt, das dem vom Bundesverfassungsgericht geforderten Abstandsgebot nachkommt. Dazu haben wir die Therapiemöglichkeiten gestärkt, gestalten die Sicherungsverwahrung opferorientiert aus, führen eine gestufte Art und Weise der Lockerung ein und stärken das Übergangsmanagement für das Leben nach der Sicherungsverwahrung.
    Dr. Robert Orth (FDP) ... von Rot-Grün im Detail nicht ausreichend vollzogen. Ein Gesetzentwurf zu einer derart sensiblen Materie darf keine augenscheinlichen Lücken, Widersprüche und Ungenauigkeiten enthalten wie der verabschiedete Entwurf. Deshalb hatte die FDP umfassende Änderungen - gerade die Aufnahme von Vorschriften für den Vollzug der Freiheitsstrafe bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung - gefordert.
    Dietmar Schulz (PIRATEN)... gegeben. Sicherungsverwahrung ist Freiheitsentzug, nachdem die vorangegangene Tat durch Strafhaft gesühnt ist. Der Anspruch des Verwahrten auf Freiheit steht dem Anspruch der Öffentlichkeit auf Sicherheit nebst fortdauerndem Opferschutz gegenüber. Objektive Gefährlichkeit des Verwahrten muss Freiheitsentzug daher tragen. Therapie und ständige Prüfung im Interesse der Grundrechte bleiben Maxime.

    ID: LI130510

  • Zwischen Freiheit und Sicherheit.
    Fachleute diskutieren Änderungen des Polizeigesetzes.
    Ausschussbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 13 in Ausgabe 5 - 15.05.2013

    8. Mai 2013 - Wie weit darf der Staat in das Privatleben der Menschen eingreifen, um die Sicherheit der Bevölkerung zu schützen? Um diese Frage kreisen seit Jahren Diskussionen, und durch neue Techniken muss das Verhältnis zwischen individueller Freiheit und gesellschaftlichem Schutz immer wieder neu ausgelotet werden. In einem Gesetzentwurf zur Änderung des Polizeigesetzes und des Polizeiorganisationsgesetzes hat sich die Landesregierung diesem Thema gewidmet (Drs. 16/2256). Im Innenausschuss des Landtags wurde die Vorlage von Fachleuten diskutiert und bewertet.
    Zu den wichtigsten Punkten des Gesetzentwurfs gehört die Videobeobachtung der Polizei zur Gefahrenabwehr. Die dafür zum 31. Juli 2013 auslaufende gesetzliche Regelung soll bis 2018 fortgeführt werden. Da sich die Videoüberwachung als unterstützendes Einsatzmittel der Polizei bewährt habe, sei die entsprechende Verlängerung zu begrüßen, sagte Karl-Heinz Kochs, erster Stellvertreter des Landesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei NRW. Ihren Zweck, Straftaten zu verhindern, erfülle die Videoüberwachung allerdings erst in Kombination mit einer ausreichenden Polizeipräsenz vor Ort. Mit Verweis auf die knappe Personaldecke in den Reihen der Polizei plädierte Kochs auch für eine verstärkte Videoüberwachung beim Objektschutz.
    Ähnlich äußerte sich der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) NRW, Erich Rettinghaus. Ein polizeilicher Objektschutz durch Videokameras führe zu einer Entlastung, könne allerdings die Präsenz vor Ort nicht gänzlich ersetzen, sagte er. Dass die Videobeobachtung zur Gefahrenabwehr erneut zeitlich befristet werden soll, kritisierte der DPolG-Vorsitzende, da es sich um ein "wichtiges technisches Hilfsmittel" handele.
    Als "sehr ausgewogenen Gesetzentwurf" bezeichnete Sebastian Fiedler vom NRWLandesverband des Bundes Deutscher Kriminalbeamter den Entwurf der Landesregierung. Die Praxis zeige, dass die Videobeobachtung mit Augenmaß eingesetzt werde. In ganz Nordrhein-Westfalen nutze aktuell nur die Polizei in Düsseldorf und Mönchengladbach Videoanlagen. Auch der Polizeipräsident von Münster, Hubert Wimber, verwies darauf, dass die Videotechnik zurückhaltend und verantwortungsbewusst angewandt werde. Für die Polizei sei die Videoüberwachung ein geeignetes Mittel, um schnell eingreifen zu können, und stelle damit eine Ergänzung zur polizeilichen Gefahrenabwehr dar.

    "Äusserste Vorsicht"

    Eine eher zurückhaltende Position nahm Ulrich Lepper, Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein- Westfalen, ein. Er mahnte einen sorgsamen Umgang mit der Videoüberwachung an und warnte vor einer Kombination mit Techniken zur gezielten Gesichtererkennung. Dies könne zu einem "Überwachungsstaat im öffentlichen Raum" führen, weswegen "äußerste Vorsicht" geboten sei.
    Im März legte das NRW-Innenministerium dem Landtag eine Evaluierung der geltenden Regelung zur Videobeobachtung vor (Drs. 16/736). Mit Blick auf das neue Polizeigesetz forderte Datenschützer Lepper einen Ausbau der Evaluierung, für die auch wissenschaftliche Expertise hinzugezogen werden solle. Auch der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Christoph Gusy von der Universität Bielefeld sprach sich für eine Ausdehnung der Evaluierung aus. Da die Videobeobachtung immer in Kombination mit anderen Maßnahmen zum Einsatz komme, lasse sich deren Auswirkung auf das Kriminalitätsgeschehen bislang nicht zweifelsfrei feststellen. Am vorliegenden Entwurf zur Änderung des Polizeigesetzes und des Polizeiorganisationsgesetzes merkte Gusy keinen grundsätzlichen Änderungsbedarf an.
    Die möglichen Auswirkungen der Videobeobachtung auf die Freiheit der Bevölkerung führte Florian Albrecht von der Forschungsstelle für IT-Recht und Netzpolitik von der Universität Passau an. In manchen Ländern sei die staatliche Überwachung mittlerweile so groß, dass jegliche Kommunikation aufgenommen werde. Die Freiheit der ungestörten Kommunikation müsse daher aus- statt abgebaut werden.
    Mit dem Gesetzentwurf soll die Polizei auch Auskunftsansprüche über Telekommunikations- und Telemediendaten sowie die Datenerhebung mit eigenen technischen Mitteln erhalten. Die Vertreter der Polizeigewerkschaften begrüßten dies, da dadurch Rechtssicherheit für die Beamten geschaffen werde. DPolG-Chef Rettinghaus kritisierte allerdings, dass die Maßnahmen zur Datenabfrage grundsätzlich durch die Behördenleiterin oder den Behördenleiter angeordnet werden sollen. In Fällen, in denen schnell gehandelt werden müsse, etwa bei angedrohten Suiziden, seien Ausnahmen nötig.
    Christian Wolf

    Systematik: 1310 Polizei

    ID: LI130512

  • Neu ausrichten oder abschaffen?
    Fachleute über die Zukunft des Verfassungsschutzes.
    Ausschussbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 15 in Ausgabe 5 - 15.05.2013

    2. März 2013 - Es gibt Methoden, die der Staat zur Informationsbeschaffung nicht nutzen darf. Wo die Grenzen sind, wie viel Kontrolle nötig und wie viel Öffentlichkeit möglich ist, dies erörterten Fachleute in einer gemeinsamen Anhörung von Haupt- und Innenausschuss mit Blick auf die Neuausrichtung des Verfassungsschutzes vor dem Hintergrund zweier vorliegender Gesetzentwürfe.
    Grundlage war ein Gesetzentwurf der Landesregierung (Drs. 16/2148), die einen "kontrollierten, modernen, transparenten und gleichzeitig effektiven Verfassungsschutz" mit verstärkter parlamentarischer Kontrolle anstrebt. Die PIRATEN fordern in einem weiteren Gesetzentwurf (Drs. 16/2135), die G10-Kommission auf vier Beisitzer und fünf Stellvertreter zu vergrößern. Die FDP wiederum tritt in einem Antrag dafür ein, Defizite in der informationellen Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden zu unterbinden und die parlamentarische Kontrolle durch den Landtag zu stärken.
    Deutschland habe eine wehrhafte Demokratie, und ein Verfassungsschutz gehöre dazu, meinte Prof. Dr. Heinrich Amadeus Wolff (Europa-Universität Frankfurt/Oder). Dabei sei die Abwehr von Gewalt in erster Linie Aufgabe der Polizei. Der Verfassungsschutz müsse schwerpunktmäßig im Vorfeld arbeiten. Im Gesetzentwurf der Landesregierung werde die Transparenz in kleinen Schritten erweitert. Dies sah auch Prof. Dr. Lothar Michael (Universität Düsseldorf) so. Der Gesetzentwurf gehe außerdem bei der Neuausrichtung der Befugnisse in die richtige Richtung.

    Verfassungschutz und Polizei

    Hinsichtlich der Kontrolldichte sei der Gesetzentwurf ein "Meilenstein" an Deutlichkeit und Ausführlichkeit, betonte Dr. Gunter Warg (FH des Bundes für öffentliche Verwaltung, Brühl). Der Verfassungsschutz dürfe allerdings nicht "auf seinen Erkenntnissen sitzenbleiben", sondern müsse diese der Strafverfolgung zur Verfügung stellen. Daher sei es notwendig, dass er auch im gewaltbereiten Umfeld aktiv sei.
    Dabei müsse der Verfassungsschutz aber das Trennungsgebot gegenüber der Polizei beachten, forderte der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW, Ulrich Lepper. Nach seiner Wahrnehmung sei auch die Polizei zunehmend im Vorfeld tätig. Dies müsse der Verfassungsschutz beachten. Außerdem habe er die wichtige Rolle, die Landesregierung zu beraten.
    Welche legitimen Aufgaben der Verfassungsschutz dann noch habe, fragte Johann-Albrecht Haupt (Humanistische Union, Hannover). Zum einen sei die Polizei für die Gefahrenabwehr zuständig, zum anderen gelte die Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel sei zudem im Grundgesetz nicht vorgeschrieben, ergänzte Dr. Heiko Stamer (Bürgerrechtsaktivist im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, Berlin). Deren Erfolge könne er jedenfalls nicht erkennen, eher Misserfolge, wie die laufenden Untersuchungen zum NSU-Terror zeigten.
    Ein weit gefasster Gewaltbegriff könne mit dem Grundrecht der Gedankenfreiheit kollidieren, meinte auch Dr. Burkhard Hirsch (Bundesminister a. D.). Es sei daher nicht unbedingt richtig, Straftatbestände immer mehr in das sogenannte Vorfeld zu verlagern und das eigentliche Tätigkeitsfeld des Verfassungsschutzes zu verkleinern.

    Datenweitergabe

    Ein spezieller Punkt der Anhörung war die Präzisierung bei der Weitergabe von Daten. Der Verfassungsschutz müsse in bestimmten Fällen Informationen an die Strafverfolgungsbehörden weitergeben; allerdings müsse er selbst entscheiden, wann diese Fälle gegeben seien, erläuterte Hirsch. Hier forderte er wie auch Wolff klare Anweisungen seitens des Gesetzgebers. Insgesamt sei aber gerade in diesem Bereich eine verstärkte Sensibilisierung notwendig, so Lepper. Präzisere Regelungen forderten die Fachleute auch mit Blick auf Internet-Recherche und Online- Durchsuchungen; der vorliegende Gesetzentwurf sei hierfür jedenfalls nicht ausreichend.

    V-Leute

    Weit auseinander gingen die Meinungen in Bezug auf angeworbene Informanten (V-Leute). Wenn der Verfassungsschutz ein wichtiges Instrument der Gefahrenabwehr sei, seien V-Leute zwingend erforderlich, erklärten Wolff und Warg. Zu deren Schutz befürworteten sie auch eine bestimmte Straffreiheit. V-Leute ja, aber ohne Verstoß gegen Gesetze, meinten dagegen Hirsch und Lepper. Außerdem müsse bei der Verarbeitung der Daten deutlich werden, wer die Daten erhoben habe. VPersonen hätten zum Teil eine höchst zweifelhafte Reputation, er könne keine Vorteile durch sie erkennen, meinte dagegen Haupt. Die GRÜNEN-Forderung nach Verzicht auf V-Leute sei richtig, gehe aber nicht weit genug, so Stamer. Seine Forderung: den Verfassungsschutz abschaffen.
    Es müsse für jeden einen geschützten Kernbereich geben, waren sich dann wieder alle Fachleute hinsichtlich der Privatsphäre ebenso einig wie über eine mangelnde Eignung des Verfassungsschutzes für eine breitere Öffentlichkeitsarbeit. Außerdem forderten sie eine wirksame Kontrolle des Verfassungsschutzes durch ein parlamentarisches Gremium, wobei die Meinungen wiederum darüber auseinandergingen, inwieweit hier Öffentlichkeit zugelassen werden sollte.
    cw

    Systematik: 1320 Verfassungsschutz/Spionage

    ID: LI130514

  • Platz für geförderte Wohnungen gesucht.
    SPD und Grüne wollen neue Regeln zum Verkauf von Landesgrundstücken.
    Titelthema / Schwerpunkt;
    Plenarbericht
    S. 8 in Ausgabe 4 - 24.04.2013

    22. März 2013 - Den Landtag beschäftigt das Problem steigender Mieten. Gebraucht werde, da sind sich im Grunde viele einig, mehr sozialer Wohnungsbau. Wer aber, egal ob Kommune, Studentenwerk oder Genossenschaft, neue Wohnungen schaffen will, brauche bezahlbares Bauland. Das schreiben SPD und Grüne in einem Antrag (Drs. 16/2278) und schlagen vor, neue Möglichkeiten zu schaffen, um Landesgrundstücke dafür zur Verfügung zu stellen. Die konkreten Änderungsvorschläge stießen im Plenum auf ein geteiltes Echo.
    Jochen Ott (SPD) erläuterte das Vorhaben: Kommunen, kommunale Gesellschaften und Studentenwerke sollen landeseigene Flächen erwerben können, und zwar zu einem durch Gutachten festgelegten Wert und gebunden an den Zweck, dort geförderte Wohnungen zu bauen. Dies solle der Spaltung der Städte entgegenwirken und Druck vom Wohnungsmarkt nehmen, so Ott. Zweitens solle bei größeren Flächen in offenen Bieterverfahren die Vorschrift gelten, dass mindestens 30 Prozent der Fläche für den geförderten Wohnungsbau genutzt werden müssten. Die Wohnungspolitik sei schließlich für die Menschen in den Städten und für die Entwicklung der Städte von besonderer Bedeutung.
    Die angedachten Instrumente richteten sich insbesondere an Städte, in denen der Bedarf an Wohnungen steige und damit auch die Mieten, ergänzte Daniela Schneckenburger (GRÜNE) und verwies auf die Rheinschiene und Münster. Darüber hinaus seien nur noch knapp zehn Prozent der Wohnungen gefördert. Es seien also gegenüber den 70er-Jahren viele Wohnungen aus der sozialen Bindung gefallen. Der Neubau von geförderten Wohnungen führe dazu, dass eine Preisdämpfung in diesem Marktsegment eintrete. Ein fester Grundstückspreis rechne sich somit sowohl für Investoren als auch für die Mieterschaft, argumentierte die Abgeordnete.
    Bernhard Schemmer (CDU) sah in dem Antrag ein "Ablenkungsmanöver von der desolaten Wohnraumförderung dieser Landesregierung". Sie gebe nur noch die Hälfte dessen für soziale Wohnraumförderung aus, was die schwarzgelbe Landesregierung im Jahr 2009 investiert habe. Darüber hinaus hielt der Abgeordnete es für sehr bedenklich, Grundstücke ohne ein öffentliches Ausschreibungsverfahren zu veräußern. Im Übrigen erwecke der Antrag den Eindruck, als verfüge das Land bei seinen Immobilien über ein Riesenpotenzial für den Wohnungsbau, was nicht der Fall sei. Außerdem habe das Land bereits heute die angesprochenen Möglichkeiten.
    "Meinen wir denn wirklich, dass wir als öffentliche Hand noch so viele Liegenschaften haben, dass wir eine wesentliche Wirkung auf das Quartier hinsichtlich des sozialen Wohnungsbaus durchsetzen können?", fragte auch Holger Ellerbrock (FDP). Verkäufe auf der Basis von Wertgutachten erzielten weniger hohe Erlöse als Bieterverfahren, wandte der FDP-Sprecher zudem ein. Er stellte infrage, ob sich ein insolventes Land soziale Wohltaten leisten könne, die mit Ausnahme des Kölner Raums landesweit nur geringe Auswirkungen hätten. Ellerbrock bedauerte, dass keine gemeinsame Vorgehensweise versucht worden sei.
    50 Prozent der Haushalte hätten Anspruch auf eine öffentlich geförderte Wohnung, aber nur 30 Prozent eines verkauften Landesgrundstücks solle dem geförderten Wohnraum dienen, kritisierte Olaf Wegner (Piraten ) SPD und GRÜNE. Diese Zahlen passten nicht zusammen. Zudem gab er zu bedenken: "Verkaufen kann man nur einmal. Mietpreisbindungen laufen aus, und danach gibt es keine Steuerungsmöglichkeit mehr durch das Land." Wegner brachte Erbpachtregelungen ins Spiel. Über diese und andere Aspekte hätte diskutiert werden können, meinte er. So aber sei der Antrag das Gegenteil einer offenen, gesprächsbereiten Politik.
    Dem Vorwurf gekürzter Gelder entgegnete Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans (SPD): Unter Schwarz-Gelb habe man die Förderung des Einfamilienhäuschens für Bessergestellte als sozialen Wohnungsbau verkauft. Und bei Bieterverfahren werde zwar teils ein höherer, teils aber auch ein niedrigerer Wert erzielt, als per Gutachten festgesetzt. Auch gebe es durchaus Landesgrundstücke, die infrage kämen. Bürgermeister äußerten immer wieder die Bitte, diese erwerben zu dürfen. "Wir haben damit die Möglichkeit, auch bei Grundstücksverkäufen durch den BLB eine Balance von fiskalischen Interessen und sozialer Verantwortung zu schaffen." sow

    Beschluss

    Mit einer Stimmenmehrheit von SPD und GRÜNEN hat der Landtag den Antrag (Drs. 16/2278) angenommen. CDU, FDP und ein Teil der Piratenfraktion stimmten dagegen, der andere Teil enthielt sich.

    Systematik: 2800 Bauwesen

    ID: LI130409

  • Kleine Box soll Leben retten.
    Der Landtag novelliert die Bauordnung - Rauchmelder werden Pflicht.
    Titelthema / Schwerpunkt;
    Plenarbericht
    S. 9 in Ausgabe 4 - 24.04.2013

    20. März 2013 - Etwa 50 Brandopfer sind pro Jahr in NRW zu beklagen. Nun hat die Landesregierung einen Gesetzentwurf (Drs. 16/1624) vorgelegt, der alle Wohnungsbesitzer verpflichtet, neue Wohnungen mit Rauchmeldern auszustatten und bereits bestehende Wohnungen bis Ende 2016 entsprechend nachzurüsten. Um die Wartung, etwa den Austausch der Batterien, sollen sich die Mieterinnen und Mieter kümmern. Unter den Fraktionen besteht im Grunde breite Einigkeit für die Idee. In der Plenardebatte ging es um Verbesserungsvorschläge.
    Bezüglich der Lastenverteilung erklärte Hubertus Kramer (SPD), das Gesetz ermögliche auch eine vertragliche Einigung zwischen Eigentümer und Mietpartei, dass ersterer auch die Wartung der Rauchmelder übernehmen könne. Zudem wies er darauf hin, dass der Gesetzentwurf nicht zuletzt dem Beharren der Feuerwehr zu verdanken sei. "Wir bringen heute eine Gesetzesinitiative zu Ende, die nachhaltigen Schutz für Menschen bedeuten soll. Wir senden mit der Entscheidung auch die Botschaft an unsere Feuerwehren aus, dass wir ihre Arbeit zum Wohle unserer Mitbürger auch dadurch unterstützen wollen, dass wir endlich ihre zentrale Forderung erfüllen."
    "Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht", bewertete Klaus Voussem (CDU) den Gesetzentwurf und wies auf Kritikpunkte von Sachverständigen hin. So fehle Rechtssicherheit, wenn der Gesetzestext besondere Kontrollen nicht klar ausschließe. Die Kommunen würden durch den Batterieaustausch in allen Wohnungen, in denen der Staat die Miete zahle - Stichwort Hartz IV - finanziell belastet. Auch müssten die Anforderungen an Rauchmelder konkretisiert werden. Zudem kritisierte der Abgeordnete mangelnde Flexibilität. Der Eigentümer werde in seiner Entscheidung, selbst für die Wartung zu sorgen, zeitlich zu sehr festgelegt.
    "Jeder einzelne durch Rauchmelder gerettete Mensch rechtfertigt die Einführung einer Pflicht zum Einsatz von Rauchmeldern", bekräftigte Daniela Schneckenburger (GRÜNE). Von der ersten Flamme bis zum Brand vergingen selten mehr als vier Minuten. Umso wichtiger sei es, in der davor liegenden Schwelbrandphase gewarnt zu werden. Denn im Schlaf nehme man den entstehenden Rauch später wahr als am Tag - lebensentscheidend später, sagte die Abgeordnete. Es gebe keine andere bekannte Maßnahme, die so wirkungsvoll und gleichzeitig so kostengünstig sei wie der Rauchmelder - ein Gerät koste in etwa 10 Euro, sagte sie.
    "Wir sagen Ja zu Rauchmeldern", erklärte Holger Ellerbrock für die FDP-Fraktion. Er schlug jedoch eine kleine Änderung vor, die es dem Vermieter flexibler emögliche, selbst die Wartung der Rauchmelder zu übernehmen, um Sicherheit zu haben. "Ich will nicht verhehlen, dass ich, wenn ich in einer solchen Situation wäre, die Wartung gerne selbst übernehmen würde, um auf der sicheren Seite zu sein", erklärte er. Darüber hinaus sprach der Abgeordnete von Optimierungspotenzial hinsichtlich der Kontrollen: "Was nützt ein Gesetz, wenn wir es nicht kontrollieren?" Grundsätzlich aber könne seine Fraktion dem Gesetzentwurf zustimmen.
    "Im Ansatz ist er ein richtiger Schritt, auch wenn er durchaus verbesserungswürdig ist", meinte auch Stefan Fricke (Piraten ) zum Gesetzentwurf. Er fand den vorliegenden Entwurf halbherzig. "Perfektion hätte hier bedeutet, wenn dieser Gesetzentwurf die Anbringung von Rauchmeldern auch in allen anderen Wohnräumen vorgesehen hätte" - und nicht nur in Schlafzimmern und Fluren als Fluchtwegen, begründete Fricke seine Position. "Was nützt ein Rauchmelder im Schlafzimmer, wenn im Wohnzimmer ein Schwelbrand ausbricht?" Bis der Alarm ausgelöst werde, könne es bereits zu spät sein, weil Qualm und Gase sich schon verteilt haben könnten.
    Bauminister Michael Groschek (SPD) argumentierte, es gehe darum, zunächst einmal das Gesetz im Grunde genommen einmütig zu verabschieden, um eine Mindestausstattung an Rauchmeldern zu gewährleisten. Natürlich sei noch mehr noch besser, antwortete er seinem Vorredner. Groschek vermutete aber, dass die meisten Haushalte ohnehin zusätzliche Rauchmelder anbringen würden, auch ohne gesetzliche Verpflichtung. Ausdrücklich dankte er den Feuerwehren, deren Hartnäckigkeit dabei geholfen habe, das Gesetz endlich so weit voranzubringen. Wenn sich in der Praxis Verbesserungsbedarf zeigen sollte, wolle man dies aufgreifen und umsetzen, versprach der Minister. sow

    Verabschiedet

    Bei Enthaltung der CDU hat der Landtag den Gesetzentwurf (Drs. 16/1624) mit den Stimmen aller anderen Fraktionen angenommen.

    Systematik: 2830 Wohnungswesen

    ID: LI130410

  • Breuer, Reiner (SPD); Schemmer, Bernhard (CDU); Schneckenburger, Daniela (Grüne); Ellerbrock, Holger (FDP); Bayer, Oliver (Piraten)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum Thema Wohnen.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 4 - 24.04.2013

    Bezahlbare Wohnungen sind mancherorts in NRW Mangelware. Um dem zu begegnen, ...

    Reiner Breuer (SPD)
    ... gilt es insbesondere, den sozialen Wohnungsbau auszubauen und Mietsteigerungen zu begrenzen. Die Förderkonditionen im sozialen Wohnungsbau haben wir attraktiver gemacht. Es müssen mehr Flächen für Wohnungsbau zur Verfügung gestellt und die Gemeinnützigkeit für Wohnungsgesellschaften wieder durch Steuerbefreiungen gestärkt werden.

    Bernhard Schemmer (CDU)
    ... muss die von der NRW.BANK bereitgestellte soziale Wohnraumförderung besser genutzt werden. Die Eigentumsförderung lag 2012 bei nur 171,5 Millionen Euro, die Förderung von Mietwohnungen lag bei nur 274,7 Millionen Euro. Damit wurde das zur Verfügung stehende Volumen nicht ausgeschöpft. Zum Vergleich: Die CDU-geführte Landesregierung hat 2009/2010 mit mehr als einer Milliarde Euro doppelt so viel bewilligt.

    Daniela Schneckenburger (GRÜNE)
    ... sorgen wir dafür, dass die Fördermittel des Landes auf den geförderten Mietwohnungsbau konzentriert werden, besonders in Städten mit stark steigender Miete. Als Beispiel für die Kommunen stellt das Land Grundstücke für den geförderten Wohnungsbau zur Verfügung; es nutzt seinen Handlungsspielraum zum Schutz von Mieterinnen und Mietern aus und setzt Mieterhöhungen bei Neuvermietungen klare Grenzen.

    Holger Ellerbrock (FDP)
    ... muss neben der Landeswohnraumförderung auch privates Kapital für öffentliche Aufgaben verfügbar gemacht werden, da Privatanbieter maßgeblich zur Wohnraumversorgung beitragen. Investitionsanreize können unter anderem durch verbesserte steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten geschaffen werden. Außerdem müssen Wohnungseigentümer vor überbordenden bürokratischen und rechtlichen Hemmnissen geschützt werden.

    Oliver Bayer (PIRATEN)
    ... ist der soziale Wohnungsbau weiterzuentwickeln und auf die Bedürfnisse gemeinnütziger Bauträger auszurichten. Spekulativer Leerstand muss durch kommunale Zweckentfremdungssatzungen oder eine Landesverordnung verhindert werden. Der Bundesgesetzgeber muss zur wirkungsvollen Begrenzung der Mietpreisspirale gedrängt werden. Die Empfehlungen der Enquetekommission sind aufzunehmen und zügig umzusetzen.

    Um die Lebensqualität in baulich vernachlässigten Wohnquartieren zu verbessern, können Kommunen ...

    Reiner Breuer (SPD)
    ... darauf vertrauen, dass Empfehlungen der Enquete-Kommission zur Wohnungswirtschaft auf Landesebene umgesetzt werden. Das betrifft insbesondere die notwendige Schärfung der Rechtsinstrumente für die kommunale Wohnungsaufsicht. Das sollte auch für die bundesgesetzlichen Vorgaben im Mietrecht oder im Baugesetzbuch gelten.

    Bernhard Schemmer (CDU)
    ... von der Landesregierung erwarten, dass sie beim Umgang mit Problemimmobilien intensiver und besser beraten werden. Darüber hinaus muss der Absturz der Wohnraumförderung von über 1 Milliarde Euro im Jahr 2010 auf etwas über 500 Millionen Euro im Jahr 2012 beendet werden. Sogar frühere rot-grüne Landesregierungen waren 2003 und 2004 wesentlich besser.

    Daniela Schneckenburger (Grüne)
    ... auf die Städtebauförderung des Landes zurückgreifen. Sie können die Möglichkeiten der Wohnungsaufsicht, die ihnen das Land einräumt, nutzen und gegen die bewusste Vernachlässigung von Wohnraum einschreiten sowie die Spielräume des Baugesetzbuchs ausnutzen. Zudem zeigt der Abschlussbericht der Enquete- Kommission "Wohnungswirtschaftlicher Wandel" zahlreiche Vorschläge, um die Lage in Problemquartieren zu verbessern.

    Holger Ellerbrock (FDP)
    ... Handlungskonzepte entwickeln und mithilfe von Förderprogrammen zur sozialen und baulichen Stabilisierung beitragen. In bestimmten Fällen könnten den Kommunen zudem Instrumente zur Verfügung gestellt werden, um die Sozialpflichtigkeit des Eigentums "schwarzer Schafe" im Wohnungsmarkt leichter einzufordern. Hierzu hat die Enquete-Kommission "Wohnungswirtschaftlicher Wandel" Prüfaufträge formuliert.

    Oliver Bayer (PIRATEN)
    ... aufgrund ihrer Haushaltssituation leider oftmals nur wenig tun. Es ist daher auch ein Skandal, wenn die investive Förderung aus den Bundesprogrammen "Stadtumbau West" und "Soziale Stadt" gestrichen wird. Kommunen, die über eigene Wohnungsunternehmen verfügen, sollten Bestände übernehmen und nachhaltig bewirtschaften - mit einer aktiven Wohnungspolitik und offensiven Wohnungsaufsicht als Grundlage.

    Wenn Kommunen oder kommunale Gesellschaften neue geförderte Wohnungen bauen, kommt es darauf an,

    ... Reiner Breuer (SPD)
    ... die Entwicklung des gesamten Wohnquartiers bzw. Stadtteils in den Blick zu nehmen. Nach Möglichkeit sollte auf Basis kommunaler Handlungskonzepte mit einer gezielten Quartiersförderung ein attraktives Wohnumfeld geschaffen, und die Bürgerinnen und Bürger sollten bei der Gestaltung mit einbezogen werden.

    Bernhard Schemmer (CDU)
    ... sich zusätzlich der privaten Wohnungswirtschaft zu bedienen, weil die öffentliche Hand nicht alles leisten kann. Es muss nachfragegerecht gebaut werden, d. h. barrierefrei und multifunktional - ohne allerdings die Kosten durch unnötige Auflagen in die Höhe zu treiben. Hier hat die Landesregierung bisher zu wenig getan.

    Daniela Schneckenburger (Grüne)
    ... dass sie dies nachhaltig tun. In einer Qualität, die städtebaulich und energetisch die Maßstäbe erfüllt, die auch in 30 Jahren marktfähig sind. Die Erfüllung von Barrierefreiheit und ein Niedrigstenergiehaus-Standard sind darum wichtige Bestandteile einer nachhaltigen Wohnungspolitik.

    Holger Ellerbrock (FDP)
    ... zeitgemäßen Wohnraum zu schaffen, den sich auch untere Einkommensgruppen leisten können. Denn während der kommunale Wohnungsbau in der Vergangenheit vor allem im Mittelfeld zugelegt hat, wurden günstige Wohnungen vielfach an Finanzinvestoren verkauft. Marode Immobilien wurden so aus den Portfolios entfernt. Gleichzeitig wurde aber auch der öffentliche Bestand an günstigem Wohnraum verringert.

    Oliver Bayer (PIRATEN)
    ... Wohnungen in integrierten Lagen zu errichten und dabei "privilegierte" Quartiere nicht auszusparen. Die Wohnungen sollten barrierefrei/-arm sein und qualitativ sowie energetisch hohen Standards entsprechen. Auch sollte mit dauerhaft günstigen Mieten kalkuliert werden - selbst über das Auslaufen der Bindungen hinaus. Um dies zu ermöglichen, sind kommunale Grundstücke preisgünstig bereitzustellen.

    Durch mehrfachen Eigentümerwechsel von Mietwohnungen kann ein Teil der Mieterrechte verlorengehen. Um dem bestmöglich vorzubeugen, ...

    Reiner Breuer (SPD)
    ... müssen die entsprechenden Rechtsinstrumente zum Schutz der Mieterinnen und Mieter (siehe oben) beibehalten bzw. fortentwickelt werden. Die bestehenden Kündigungssperrfristen müssen überprüft, der Genossenschaftsgedanke im Wohnungswesen sollte wiederbelebt werden.

    Bernhard Schemmer (CDU)
    ... muss die Landesregierung die Schaffung von selbst genutztem Eigentum stärker fördern. Leider macht die Landesregierung das Gegenteil: Für 2013 sind nur noch 80 Millionen Euro für die Eigentumsförderung vorgesehen. Zum Vergleich: Die CDU-geführte Landesregierung hat 2009 und 2010 jeweils über 550 Millionen Euro bewilligt.

    Daniela Schneckenburger (Grüne)
    ... sollte die kommunale Wohnungspolitik ihre Handlungsmöglichkeiten nutzen und ihr kommunales Wohnungsunternehmen als wichtigen Akteur im Wohnungsmarkt stützen.

    Holger Ellerbrock (FDP)
    ... sollten bei öffentlichen Wohnungsverkäufen vertragliche Vorkehrungen zur rechtlichen Absicherung bestehender Mietverhältnisse getroffen werden. Im Rahmen solcher Sozialchartas können zudem Mindeststandards und -investitionssummen für zukünftige Sanierungen, der Ausschluss von Luxussanierungen oder ein Verbot von Einzelprivatisierungen festgelegt werden.

    Oliver Bayer (PIRATEN)
    ... dürfen öffentliche Wohnungsbestände nicht länger verkauft werden, sondern müssen weiterhin gemeinnützig bewirtschaftet werden. Vor allem gilt: Kauf bricht nicht Miete. Jedoch muss die Durchsetzung der Mieterrechte gestärkt werden, z. B. durch ein Verbandsklagerecht für Mietervereine. Landesrechtliche Regelungsmöglichkeiten (z. B. Kündigungssperrfristverordnung) sind so weit wie möglich auszunutzen.

    Systematik: 2830 Wohnungswesen

    ID: LI130411

  • Netze knüpfen.
    Parlamentariergruppen verbinden NRW mit der Welt.
    Plenarbericht;
    ;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 20-21 in Ausgabe 3 - 21.03.2013

    Seine grenzüberschreitende, internationale Arbeit gestaltet der Landtag NRW unter anderem durch die Arbeit von Parlamentariergruppen. Sie knüpfen entsprechende Kontakt und pflegen notwendige Freundschaften. Dies gilt für nachbarschaftliche Beziehungen zu den Benelux-Ländern, aber auch zu anderen Staaten, deren Geschichte wie im Fall Frankreichs, Polens und der Türkei eng mit der Nordrhein-Westfalens und seinen Regionen verflochten ist. Eine Selbstverständlichkeit sind die besonderen Kontakte zu Israel. In allen Fällen sollen Parlamentariergruppen auch die gemeinsame kulturelle und wirtschaftliche Zukunft mitgestalten helfen. Dies gilt sogar über kontinentale Grenzen hinweg für Kontakte zu den USA oder auch zu China.

    NRW-Benelux
    Als unsere Nachbarstaaten Belgien, die Niederlande und Luxemburg im Februar 1958 den ersten Benelux-Vertrag unterzeichneten, schufen sie die Grundlage für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Mitte Europas. Heute, 55 Jahre später, bilden die Benelux-Staaten und mit ihnen Nordrhein-Westfalen als wichtigster Partner eine Großregion innerhalb der Europäischen Union. Und sie wachsen sowohl politisch als auch wirtschaftlich und kulturell weiter zusammen. Diesen Prozess möchte die Parlamentariergruppe NRW-Benelux konstruktiv begleiten. Seit 2010 setzt sie sich dafür ein, insbesondere die parlamentarischen Kontakte zu Entscheidungsträgern in den drei Benelux-Staaten und zu Repräsentanten der Benelux-Union mit Sitz in Brüssel zu intensivieren. In diesem Rahmen thematisiert die Parlamentariergruppe aktuelle Herausforderungen wie etwa den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur zwischen den Ländern. Für viele Bürgerinnen und Bürger in NRW ist das Leben in einem Europa ohne Grenzen eine alltägliche und positiv erfahrbare Realität - durch familiäre Verbindungen, Freundschaften oder berufliche Beziehungen mit unseren westlichen Nachbarn. Nicht zuletzt deshalb ist es für die Parlamentariergruppe ein Ansporn, die weitere Entwicklung der Partnerschaft mit den Benelux-Staaten aufmerksam zu verfolgen.
    Vorsitz: Eckhard Uhlenberg (CDU)

    NRW-Türkei
    Fast fünf Prozent der in Nordrhein-Westfalen lebenden Menschen haben türkische Wurzeln. Es bestehen mehr als 40 Schul- und 30 Städtepartnerschaften. Türkische Unternehmen haben in unserem Land rund 120.000 Arbeitsplätze geschaffen. Schon diese Beispiele zeigen, dass die Beziehungen zwischen NRW und der Türkei von besonderer Bedeutung sind. Die im Jahr 2002 erstmals gegründete Parlamentariergruppe NRW-Türkei versteht sich als "Brückenbauer" zwischen den Kulturen. Die Abgeordneten setzen sich in der Gruppe dafür ein, den Dialog zu Themen des deutsch-türkischen Miteinanders zu unterstützen und die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kontakte zur Türkei weiter zu vertiefen. Einen Austausch pflegt die Gruppe unter anderem mit den vier Generalkonsulaten der Türkei in NRW und mit dem Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung in Essen. Im November 2011 konnten wir auf das 50. Jubiläum des Anwerbeabkommens und die Zuwanderung erster "Gastarbeiter" aus der Türkei zurückblicken. Zugleich wurde unser Land durch das Bekanntwerden der rechtsextremistischen Mordanschläge auf türkeistämmige Bürgerinnen und Bürger erschüttert. Umso wichtiger ist es, die deutsch-türkische Freundschaft lebhaft zu gestalten und das Verständnis füreinander auf allen Ebenen zu fördern.
    Vorsitz: Carina Gödecke (SPD)

    NRW-Frankreich
    50 Jahre deutsch-französische Freundschaft - aus Erzfeinden sind "ziemlich beste Freunde" geworden und das wurde hier im Landtag NRW mit einem besonderen Festakt im Januar 2013 gebührend gefeiert. Die deutschfranzösische Partnerschaft ist zum Motor der europäischen Einigung geworden und dies ist Menschen wie Robert Schuman und Jean Monnet, Konrad Adenauer und Charles de Gaulle zu verdanken. Auch in den fünf europäischen Jahrzehnten nach dem Élysée-Vertrag von 1963 hat die "deutsch-französische Achse" immer eine zentrale politische Rolle gespielt. Was aber wäre diese Freundschaft, wenn es nicht allein in NRW rund 250 Städtepartnerschaften und ca. 850 Schulfreundschaften gäbe und den engen Handels- und Kulturaustausch: Frankreich ist für Nordrhein-Westfalen Exportland Nummer eins. Rund 300 französische Unternehmen mit mehr als 60.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 22 Milliarden Euro haben ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen. Allein in NRW leben rund 30.000 Franzosen und NRW pflegt eine besondere Beziehung zu der Partnerregion Nord-Pas-de-Calais mit der Hauptstadt Lille. Seit Dezember 2010 gibt es die Parlamentariergruppe NRW-Frankreich, um die Kontakte weiter zu pflegen, den Austausch zu vertiefen und damit für Europa und für die deutsch-französische Freundschaft ein weiteres Zeichen zu setzen.
    Vorsitz: Oliver Keymis (GRÜNE)

    NRW-China
    Das Land NRW und die Volksrepublik China pflegen seit 1981 eine enge Zusammenarbeit. China mit über 1,3 Milliarden Menschen hat sich in dieser Zeit in rasantem Tempo zu einem "Global Player" entwickelt - allein schon Grund genug, die Beziehung zu China zu intensivieren. Einen wichtigen Beitrag hierzu kann die 2005 gegründete Parlamentariergruppe NRW-China leisten. Sie setzt sich zusammen aus engagierten Abgeordneten aller fünf Landtagsfraktionen, die ein großes Interesse an chinesischen Zusammenhängen eint. Unter dem Vorsitz von Landtagsvizepräsident Dr. Gerhard Papke versteht sich die Gruppe als Brückenbauer zwischen den Kulturen. Sie ist daran interessiert, die parlamentarisch-politischen Kontakte sowie den wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Austausch auszubauen und zu festigen. Noch wird China zentral geführt, doch die Dezentralisierung wird in den kommenden Jahren voranschreiten. Hier können die NRW-Parlamentarier insbesondere unseren drei Partnerprovinzen Jiangsu, Shanxi und Sichuan mit Rat und Tat zur Seite stehen. Konzipiert als Plattform des interkulturellen Austausches fungiert die Parlamentariergruppe auch als Spiegelbild für die Bedeutung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit: also viel Stoff für die nächsten Zusammenkünfte und Planungen.
    Vorsitz: Dr. Gerhard Papke (FDP)

    NRW-Israel
    Es gibt kein Leben ohne Erinnerung! Das Zitat von Bundespräsident Johannes Rau aus seiner Ansprache vor der Knesset am 16. Februar 2000 nehme ich gerne auf, um die Arbeit der ältesten und auch größten Parlamentariergruppe im nordrhein-westfälischen Landtag zu skizzieren. Wir - die Mitglieder der Parlamentariergruppe - sehen es über alle Fraktionen hinweg als unsere gemeinsame Angelegenheit an, den von unseren Vorgängern aufgebauten und sehr gut gepflegten freundschaftlichen Kontakt zu Politik, Gesellschaft und Institutionen weiterzuentwickeln. Dabei werden wir die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Menschen in Israel und Nordrhein-Westfalen auch zukünftig fördern. Diese guten Beziehungen zu pflegen und darüber zu informieren, welche Möglichkeiten es gibt, Initiativen für Begegnungen zu fördern und zu unterstützen, vor allem im schulischen Bereich, das ist eine große Aufgabe und Chance für unsere Parlamentariergruppe, die wir in dieser Wahlperiode offensiv annehmen wollen. Dabei lassen wir uns von diesem Zitat aus der oben erwähnten Rau-Rede leiten: "Wenn wir der Jugend die Erinnerung weitergeben und sie zu Begegnungen ermutigen, dann brauchen wir uns um die Zukunft der Beziehungen zwischen Israel und Deutschland nicht zu sorgen."
    Vorsitz: Norbert Römer (SPD)

    NRW-USA
    Über 10.000 Bürgerinnen und Bürger der USA leben heute in Nordrhein-Westfalen, weit über 50 Millionen US-Bürger haben deutsche Wurzeln. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen NRW und den USA erreichen ein Volumen in Milliardenhöhe. Aktuell über hundert Hochschulkooperationen, dutzende Schulpartnerschaften sowie zahlreiche Städtepartnerschaften belegen die guten Beziehungen des Bundeslandes NRW zu Amerika - viele gute Gründe also, diese deutsch-amerikanische Freundschaft auch seitens der Abgeordneten des Landtags zu pflegen und weiter zu vertiefen. Ende 2012 hat sich dafür die Parlamentariergruppe NRW-USA mit über 30 Abgeordneten konstituiert. Das große Interesse spiegelt die Bedeutung dieser transatlantischen Freundschaft wider und verdeutlicht, dass Amerikaner und Deutsche viele gemeinsame Themen haben, die eines regelmäßigen Austauschs bedürfen. Die Parlamentariergruppe hat sich deshalb vorgenommen, über jeweils aktuelle politische, soziale, wirtschaftliche wie auch kulturelle Entwicklungen in Nordamerika zu diskutieren. Neben US-amerikanischen Themen stehen zudem Informationsgespräche mit Gästen aus Kanada an. Im Januar 2013 konnte die Parlamentariergruppe bereits den Gesandten der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika in Deutschland, James D. Melville Jr., sowie US-Generalkonsul Stephen A. Hubler begrüßen.
    Vorsitz: Daniel Düngel (PIRATEN)

    NRW-Polen
    Vom Sorgenkind zum Stabilisator Europas: Polen ist im Aufschwung und ein starker Nachbar Deutschlands geworden. Nordrhein-Westfalen ist der größte Handelspartner Polens, hinzukommen die vielen Städtepartnerschaften, Schulpartnerschaften und der starke Jugendaustausch. Und: NRW ist Partnerland für Schlesien. Dennoch - oder gerade deshalb - wäre eine Steigerung der Zusammenarbeit in allen Bereichen wünschenswert: in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Sport. Dazu möchte die Parlamentariergruppe beitragen. In der vergangenen Legislaturperiode fanden viele Veranstaltungen statt, die Vertreter aus beiden Ländern zusammenbrachten. So gab es zum Beispiel eine zweisprachige Konferenz zum Thema "Minderheitenschutz in Europa", eine Besichtigung des neuen Fußballstadions in Danzig, eine Feier zum 20. Jahrestag der deutsch-polnischen Verträge in Berlin, einen Film zum Thema "30 Jahre Polenhilfe" und eine Podiumsdiskussion über die Solidarnosc. Die nächste Veranstaltung ist eine Podiumsdiskussion zum Weimarer Dreieck, gemeinsam mit der Parlamentariergruppe NRW-Frankreich. Aus langer Landtagstradition betreut die Parlamentariergruppe NRW-Polen auch die sogenannten Visegrád- Länder Tschechien, Slowakei, Ungarn und arbeitet unter anderem mit dem polnischen Generalkonsulat, dem Polnischen Institut Düsseldorf und NRW Invest zusammen.
    Vorsitz: Werner Jostmeier (CDU).

    Systematik: 1510 Internationale Beziehungen; 1600 Europäische Union

    ID: LI130307

  • Wirkung umstritten.
    Plenardebatte: Schützt das Klimaschutzgesetz das Klima?
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 7 in Ausgabe 2 - 27.02.2013

    23. Januar 2013 - Wie wirkt das Klimaschutzgesetz? Diese Grundfrage war mit Blick auf das Klimaschutzgesetz zwischen den Fraktionen bis zur Schlussabstimmung umstritten. Ein zentrales Ziel: die Senkung des Ausstoßes von Kohlendioxid (CO2). SPD und GRÜNE begrüßten das Gesetz als das bundesweit erste seiner Art. CDU wie auch FDP fürchteten, seine Auswirkungen seien kontraproduktiv und mittelstandsfeindlich. Die PIRATEN stimmten ihm zu, werteten es aber als unzulänglich.
    Mit dem Klimaschutzgesetz werde der Rahmen für eine "neue ökologische industrielle Revolution" gesetzt, so Norbert Meesters (SPD). Politik müsse auf allen Ebenen den Veränderungen der klimatischen Verhältnisse begegnen, die sich in extremer Sommerhitze, orkanartigen Herbststürmen und Starkniederschlägen zeigten. Das vorliegende Gesetz sei notwendig, damit die bundesweit anerkannten Klimaschutzziele bis 2020 und 2050 auch erreicht werden könnten. Dabei berücksichtige man die geltenden Regelungen des EU-Emissionshandelssystems. Meesters kündigte an, der noch folgende Klimaschutzplan werde mit allen wesentlichen gesellschaftlichen Gruppen unter Beteiligung des Landtags erarbeitet.
    Für das Klima spiele es keine Rolle, ob die CO2-Emissionen in Nordrhein-Westfalen, in Rheinland-Pfalz, in Brandenburg oder in Frankreich in die Atmosphäre gerieten, erklärte hingegen Rainer Deppe (CDU). Das NRW-Klimaschutzgesetz schütze nicht das Klima, sondern gefährde Arbeitsplätze. Neben dem europäischen Weg zur Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes sei für den "dirigistischen" und auf ein einziges Bundesland bezogenen Zwang kein Platz. Vielmehr würden durch die neue Regelung aus NRW überproportional viele Emissionszertifikate auf den Markt kommen und so deren Preise senken. Für neue, CO2-arme Technologien entstehe aber nur dann ein Anreiz, wenn Verschmutzungsrechte teuer seien.
    Auch als kleiner Teil dieser Welt könne NRW dessen Schicksal ändern, erwiderte Wibke Brems (GRÜNE). Ohne Nordrhein-Westfalen seien die Ziele des Bundes niemals zu erreichen, und dann seien auch die Ziele der EU "absolute Makulatur". Das vorgesehene Gesetz wolle nicht nur das Klima schützen, sondern NRW auch an die zu erwartenden Klimaschutzveränderungen anpassen. Die Zunahme von Wetterextremen werde nicht nur die Landwirtschaft merken. "Stahl und Kohle haben NRW groß gemacht, aber neue Technologien werden NRW groß halten", so Brems. Das Ziel der CO2-Neutralität bis zum Jahr 2030 bedeute große Anstrengungen im Bereich der Gebäudesanierung, aber irgendwann auch beim Verhalten.
    "Dieses Gesetz wird der Umwelt nicht helfen", erklärte Henning Höne (FDP). Verbote und Dirigismus führten lediglich zu Verlagerungen: Jede CO2-Einsparung in NRW werde europaweit verrechnet. So könnten also anderswo "Dreckschleudern" ein paar Jahre länger laufen. Überdies sei es falsch, die Emissionen nur bezogen auf den Produktionsprozess vor Ort zu betrachten. Die Beispiele von Dämmstoffen oder energiesparenden Reifen zeigten, dass stattdessen eine verwendungsbezogene Bilanzierung richtig wäre. Des Weiteren kritisierte der FDP-Sprecher, die Erarbeitung des vorgesehenen Klimaschutzplans sei intransparent, da es für die Besetzung der Arbeitsgruppen keine festen Kriterien gebe.
    Der Klimawandel finde bereits in unerhörter Schnelligkeit statt, meinte Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN). Die Natur sei überfordert, was die Biodiversität insgesamt in Gefahr bringe. Aus diesem Grund stimmten die PIRATEN dem Gesetzentwurf zu. Allerdings sei er unzulänglich, da er nur die öffentliche Hand betreffe. Auch schaffe das kommende Gesetz nicht die neuen Arbeitsplätze, die notwendig seien. Insofern sei das Regierungshandeln inkonsistent. So stehe die Neueröffnung von Braunkohlekraftwerken im Widerspruch zu den Intentionen des Klimaschutzgesetzes. Ebenso lehnten die PIRATEN die von der CDU beantragte Mittelstandsverträglichkeitsprüfung als "Verzögerungstaktik" ab.
    "Das bundesweit erste Klimaschutzgesetz steht heute zur Beschlussfassung an", lobte Umweltminister Johannes Remmel (GRÜNE). Der Entwurf sei solide, anspruchsvoll und wegweisend. Dieses Gesetz könne in anderen Ländern und auch im Bund zur Blaupause werden. Angesichts der Jahrhundertherausforderung des Klimawandels müsse man nunmehr ernst machen mit der Jahrhundertchance des Klimaschutzes. Dabei gehe es um den Ausbau der erneuerbaren Energien, um Effizienzsteigerung und um Energieeinsparung. Das Ziel sei, von der Verschwendung zu einer Kreislaufwirtschaft zu kommen. Dies betreffe Konsum, Mobilität, Bauen, Stadtentwicklung und Landwirtschaft ebenso wie Wirtschaft und Industrie.
    cw

    Zusatzinformation:
    Abstimmung
    Der rot-grüne Gesetzentwurf (Drs. 16/1958) wurde mit den Stimmen von SPD, GRÜNEN und PIRATEN angenommen. CDU und FDP stimmten dagegen.

    Systematik: 6150 Luft; 6100 Umwelt

    ID: LI130203

  • Meesters, Norbert (SPD); Deppe, Rainer (CDU); Brems, Wibke (Grüne); Höne, Henning (FDP); Rohwedder, Hanns-Jörg (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum Thema Klimaschutz.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 8-9 in Ausgabe 2 - 27.02.2013

    Um die deutschland- bzw. europaweit anvisierten Klimaschutzziele zu erreichen, ist es notwendig, dass im Energieland NRW ...

    Norbert Meesters (SPD) ... die Politik ein klares, zukunftsfähiges und akzeptiertes Konzept entwickelt, das den Anforderungen des Landes entspricht. Denn in NRW werden etwa ein Drittel aller in Deutschland entstehenden Treibhausgase emittiert und rund 40 Prozent des Industriestroms verbraucht. Unter diesen Umständen werden wir darauf achten, dass mit der Umsetzung der Klimaschutzverpflichtungen Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden.
    Rainer Deppe (CDU) ... kein Sonderweg beschritten wird. Treibhausgasemissionen und Klimaschutz machen nämlich nicht an der Landesgrenze halt. Die europaweite CO2-Reduzierung erfolgt am effektivsten über das EU-Emissionszertifikathandelssystem. Alleingänge führen dazu, dass andernorts sogenannte Dreckschleudern länger in Betrieb bleiben. Das ist schlecht fürs Klima.
    Wibke Brems (Grüne) ... ambitionierter Klimaschutz betrieben wird. So ist NRW nicht nur Deutschlands Energieland Nummer Eins, sondern mit einem Anteil von einem Drittel der deutschen Emissionen auch der größte Treibhausgasemittent. Nur wenn es in Nordrhein-Westfalen gelingt, die Emissionen signifikant zu senken, wird es möglich sein, die bundesweiten Zielmarken der Regierung Merkel und damit auch der EU zu erreichen.
    Henning Höne (FDP) ... Innovationen vorangetrieben werden. Wir benötigen größere Anstrengungen bei der Energieforschung für die erneuerbaren Energien und auch für konventionelle Kraftwerke sowie die Energieeffizienz. Was wir nicht brauchen, sind auf NRW begrenzte Klimaziele. Nicht die Bilanz eines einzelnen Bundeslandes ist entscheidend, sondern das Gesamtergebnis. Viele Köche verderben den Brei.
    Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN) ... das unzureichende Klimaschutzgesetz weiter aufgebohrt wird. Es müssen neben der öffentlichen Hand auch Wirtschaft, Verkehr und Private wesentlich größere Beiträge leisten. Die Energiewende muss regional, lokal und dezentral massiv gefördert werden. Die Zielvorgaben in NRW sind zaghaft und noch weit geringer als die ebenfalls unzureichenden Vorgaben der Bundesregierung.

    Mit Blick auf die Wirtschaft, insbesondere den Mittelstand, werte ich das neue Gesetz als ...

    Norbert Meesters (SPD) ... Chance für viele innovative Unternehmen. Die SPD ist sich sicher, dass Klimaschutz zum Fortschrittsmotor werden kann für NRW. Denn NRW ist mit seiner Industriestruktur gut gerüstet, um die Chancen des Klimaschutzes nutzen zu können. Auch im ländlichen Raum gibt es eine Vielzahl von Initiativen, Klimaschutz und Energiewende aktiv voranzubringen. Mit entsprechender politischer Unterstützung und Initiative werden neue Arbeitsplätze geschaffen und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes gestärkt.
    Rainer Deppe (CDU) ... extrem nachteilig. Die räumlich abgrenzte Deckelung der CO2-Emissionsmöglichkeiten, neue Rechts- und Planungsunsicherheiten sowie zusätzliche Bürokratie verunsichern die Wirtschaft. Die Verlagerung von Produktion weg aus NRW wird die Folge sein. Auch die Gewerkschaften haben vor Arbeitsplatzverlusten gewarnt.
    Wibke Brems (Grüne) ... Chance für die Unternehmen in NRW, sich als Vorreiter im Klimaschutz für die Zukunft richtig aufzustellen. NRW hat nun gar die Chance, zum Maschinenraum der Energiewende zu werden. Klimaschutz ist Fortschritt, schafft Arbeitsplätze und stärkt schließlich die Wettbewerbsfähigkeit NRWs. Dies wird auch diejenigen überzeugen, die das Klimaschutzgesetz fälschlicherweise für wirtschaftshinderlich halten.
    Henning Höne (FDP) ... große Gefahr. Es benachteiligt die Wirtschaft in NRW im nationalen und internationalen Vergleich und führt zu Investitionsunsicherheiten. Mit dem Klimaschutzgesetz werden zudem Innovationen und Investitionen in neue Klimaschutztechniken erschwert. Dabei besteht hierin doch die Stärke des Industrielandes NRW. Die FDP befürchtet, dass Investoren in Zukunft einen großen Bogen um NRW machen.
    Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN) ... unzureichend. In die Verantwortung wird die Wirtschaft nicht genommen. Die Impulse für Forschung, Entwicklung, Vermarktung und neue Arbeitsplätze im Energiewendebereich sind ebenfalls zu gering. Schade, denn die Energiewende ist ein Strukturwandel, der bereits im Gang ist und wegen seiner Dezentralität große Chancen gerade für kleine und mittelständische Betriebe bietet.

    Zur Frage, ob man bei der CO2-Bilanz die Herstellung oder alternativ die Verwendung von Produkten heranziehen soll, meine ich...

    Norbert Meesters (SPD) ..., dass eine wissenschaftliche Methode zu entwickeln ist, mit der die CO2-Emissionen zur Erreichung der globalen Klimaschutzziele hinsichtlich Herstellungs- bzw. Produktbilanz bewertet werden können. Im Rahmen der Erstellung des Klimaschutzplans erarbeiten die Teilnehmer ein entsprechendes Konzept. Dies soll dann als Basis für die weiteren Schritte und Maßnahmen innerhalb des Klimaschutzplans herangezogen werden.
    Rainer Deppe (CDU) ..., es kommt auf die Gesamtbilanz an. Wenn mit Leichtbaustahl aus NRW leichtere Autos gebaut, mit Leichtlaufreifen Sprit gespart, mit LED-Leuchten weniger Strom verbraucht wird, nützt das dem Klima, obwohl oder gerade weil bei uns vielleicht etwas mehr emittiert wird. Die CDU verlangt, dass die Klimabilanz für das gesamte Produkt einschließlich des Transports gezogen wird.
    Wibke Brems (Grüne) ..., dass es für eine Produktbilanzierung weder einen wissenschaftlichen Standard, noch eine gesicherte Datenbasis gibt. Aktuell ist eine Forderung danach somit ein fadenscheiniges Argument, das Klimaschutzgesetz abzulehnen.
    Henning Höne (FDP) ..., es müssen unbedingt die Produkte herangezogen werden. Aluminium und Dämmstoffe brauchen bei der Herstellung viel Energie, helfen aber im Laufe des Produktlebens, ein Vielfaches der Energie einzusparen. Diese produktbezogene Bilanz leistet der Klimaschutzplan nicht und diskriminiert so unsere energieintensive Industrie. Klimaschonende Produkte sind eine Stärke der NRW-Industrie und sichern Arbeitsplätze.
    Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN) ..., dass man das eine tun kann, ohne das andere zu lassen. Die Herstellung ist immer relevant. Die Verwendung ist es dann, wenn beim Gebrauch ein klimarelevanter Ausstoß stattfindet. Wenn − wie etwa beim Auto − der Gebrauch von Produkten mehr Ausstoß verursacht als die Produktion, ist das auch entsprechend zu berücksichtigen, um eine echte Bilanz zu bekommen.

    Nächste Schritte zum Klimaschutz wären aus meiner Sicht ...

    Norbert Meesters (SPD) ..., den Dialog mit allen gesellschaftlichen Gruppen weiterhin intensiv zu führen, damit der anstehende Klimaschutzplan einen breiten Konsens findet. Klimaschutz sehen wir als eine Querschnittsaufgabe. Auf diese Weise lassen sich die sozialen, wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Auswirkungen sowohl des Klimaschutzes als auch der Vermeidungsmaßnahmen gemeinsam am besten bewältigen.
    Rainer Deppe (CDU) ... eine Stärkung des EU-Emissionshandels. Das Klimaschutzgesetz verstärkt den Preisverfall der CO2-Zertifikate. Nötig ist aber deren Verknappung und Verteuerung. Dann rechnen sich Klimaschutzinvestitionen. Unter Rot-Grün ist NRW bei der Energiewende zurückgefallen. Wir brauchen mehr Erneuerbare Energien, mehr Energiespeicher und einen schnelleren Netzausbau. Das wäre ein echter Beitrag zum Klimaschutz.
    Wibke Brems (Grüne) ..., den Klimaschutzplan NRW fertig zu stellen und umzusetzen. Dieser "Routenplaner" legt fest, wie die im Gesetz fixierten Ziele erreicht werden sollten. Unter anderem beinhaltet der Sektor spezifische Ziele und Maßnahmen zum Ausbau der Erneuerbaren Energien und zur Energieeinsparung, zur Steigerung der Energieund Ressourceneffizienz sowie zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels.
    Henning Höne (FDP) ... eine Weiterentwicklung des Zertifikatehandels innerhalb der EU und eine Nachfolgeregelung für das Kyoto-Protokoll. Letzteres müsste insbesondere einen fairen Ausgleich zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern finden. Bei den Zertifikaten sollten weitere Branchen einbezogen werden, um mit marktwirtschaftlichen Instrumenten Anreize für CO2-Einsparungen zu bieten.
    Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN) ... ganz akut: den geduldeten Betrieb von Datteln I bis III widerrufen, Datteln IV abreißen, Braunkohleverbrennung als klimaschädlichsten fossilen Energieträger beenden, Rodungen im Hambacher Forst und den Braunkohletagebau einstellen. Einen fahrscheinlosen öffentlichen Personennahverkehr sollten wir dagegen fördern. Er wird zu einer deutlichen Reduzierung von Abgasen beitragen.

    ID: LI130211

  • Börschel, Martin (SPD); Dr. Optendrenk, Marcus (CDU); Mostofizadeh, Mehrdad (Grüne); Witzel, Ralf (FDP); Schulz, Dietmar (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum Thema Schuldenbremse.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 1 - 23.01.2013

    Einen ausgeglichenen Haushalt bzw. die Einhaltung der Schuldenbremse 2020 ...

    Martin Börschel (SPD) ... zu erreichen, ist für uns selbstverständliches Ziel. Das schaffen wir, indem wir eine ausgeglichene Konsolidierungspolitik betreiben, die Einsparungen und Mehreinnahmen enthält, aber auch mit Investitionen die richtigen Weichen für die langfristige Tragfähigkeit stellt. Die Schuldenbremse muss schließlich nicht nur 2020, sondern auch danach eingehalten werden!
    Dr. Marcus Optendrenk (CDU) ... haben der Bund und alle anderen Bundesländer fest im Blick. Allein die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen setzt ihre verantwortungslose Schuldenpolitik fort. In Zeiten höchster Steuereinnahmen verschuldet sie unser Land um weitere 3,5 Milliarden Euro. Die Menschen in Nordrhein-Westfalen haben eine verantwortliche Politik verdient und keine hemmungslose Schuldenmacherei.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... ist durch das Grundgesetz festgeschrieben und unsere oberste Prämisse bei allen haushaltspolitischen Beschlüssen. Wir verfolgen dieses Ziel durch einen Dreiklang aus Einsparungen, gezielten Investitionen und Mehreinnahmen. Wir wollen noch vor 2020 ohne Neuverschuldung auskommen.
    Ralf Witzel (FDP) ... müssen wir gerade im Interesse der jungen Generation zeitnah erreichen - und zwar vor 2020. Rot-Grün fehlt dafür trotz eines Schuldenstands von 136 Milliarden Euro der ernsthafte Konsolidierungswille. SPD und Grüne führen NRW stattdessen immer tiefer in die Staatsschuldenkrise. Die Zinslast verstellt politische Handlungsspielräume und macht den Staat abhängig von den Finanzmärkten und deren Zinsentwicklung.
    Dietmar Schulz (PIRATEN) ... zu erreichen ist wichtig für den Erhalt des Vorrangs der Politik gegenüber Banken und Wirtschaft und ferner, damit die 1.0-Politik gezwungen wird, zu sagen, wo das Geld für ihre Wohltaten herkommen soll.

    Die Kürzung bzw. Streichung von Ausgaben ...

    Martin Börschel (SPD) ... sind notwendige Bestandteile auf dem Weg zur Schuldenbremse. Ohne sozial ausgewogene Einnahmeverbesserungen sowie eine angemessene Bundesfinanzierung von Sozial- und Infrastrukturausgaben können unsere Haushalte aber dauerhaft nicht gerecht finanziert werden. Dazu gehören für uns auch die Vermögenssteuer, eine gerechtere Erbschaftssteuer und höhere Spitzensteuersätze.
    Dr. Marcus Optendrenk (CDU) ...ersetzt die rot-grüne Landesregierung durch die Ausbringung von immer höheren globalen Minderausgaben. Damit umgeht sie das Budgetrecht des Parlaments und sagt den Bürgerinnen und Bürgern nicht, an welchen Stellen sie tatsächlich weniger ausgeben will.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... sind notwendig zur Haushaltssanierung. Diese müssen auf der Basis klarer Analysen und nicht mit dem Rasenmäher erfolgen. Gleichzeitig brauchen wir Mehreinnahmen von Vermögenden und Besserverdienenden zur Finanzierung von Zukunftsausgaben. Dies sowie die Beendigung der strukturellen Benachteiligung NRWs wird wahrscheinlich erst eine rot-grüne Bundesregierung ab Oktober 2013 herbeiführen.
    Ralf Witzel (FDP) ... ist notwendig für einen schnellen Haushaltsausgleich - und möglich in einem schlanken Staat, der sich auf seine Kernaufgaben konzentriert. Einsparungen und Aufgabenkritik bedeuten weniger Schulden und weniger Zinslast. Die Rekordsteuereinnahmen der letzten Jahre zeigen: NRW hat ein Ausgaben- und kein Einnahmeproblem. Rot-Grün will nicht wirklich sparen und gibt lieber Geld für immer neue Wahlgeschenke auf Pump aus.
    Dietmar Schulz (PIRATEN) ... ist unpopulär, gehört aber zu einer ehrlichen und im Wandel von Konjunkturlagen gestalteten Politik dazu.

    Investitionen zum Beispiel in Bildung und Infrastruktur ...

    Martin Börschel (SPD) ... komplettieren zusammen mit Einnahmeverbesserung und Einsparungen unsere Haushaltsstrategie. Dabei wollen wir unsere Ausgaben für Bildung und Infrastruktur darauf ausrichten, eine vorsorgende und sich möglichst ergänzende Wirkung zu entfalten. Eine gute Zusammenarbeit mit den Kommunen ist dabei erfolgsentscheidend.
    Dr. Marcus Optendrenk (CDU) ... müssen aus den laufenden Einnahmen bezahlt werden. Nur dann ist Präventionspolitik nachhaltig. Ansonsten bleibt die so begründete Schuldenaufnahme eine ungerechte Lastenverschiebung in die Zukunft und damit nur die alte sozialdemokratische Geldverteilungspolitik in einem neuen Gewand.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... sind die Grundlage für ein auch in Zukunft prosperierendes Land NRW. Sie sind die Basis für gerechte Bildungs- und Teilhabechancen. Kindertagesstätten mit zusätzlichen U3-Plätzen, zukunftsfähige Schulen und Universitäten oder die Energiewende bedeuten notwendige Investitionen zur Stärkung der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Verhältnisse in NRW.
    Ralf Witzel (FDP) ... sind auch zukünftig wichtig, da sie persönlichen Aufstieg und gesellschaftlichen Fortschritt ermöglichen. Ohne Bildung, Mobilität und einen wettbewerbsfähigen Standort ist unser Wohlstand nicht zu halten. Hier kürzt die Landesregierung, während sie Mehrausgaben für neue bürokratische Gängelung und soziale Umverteilung finanziert, die Freiheit und Lebensqualität kosten und Leistungsanreize ersticken.
    Dietmar Schulz (PIRATEN) ... sind entscheidend für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Zukunft Deutschlands im insbesondere europäischen und auch weltweiten Kontext.

    Eine stärkere Rolle des Landtags bzw. mehr Transparenz in Haushaltsfragen bedeuten für mich ...

    Martin Börschel (SPD) ... die Förderung einer breiteren gesellschaftlichen Beteiligung am politischen Diskurs. Das bezieht sich sowohl auf eine verbesserte Darstellung im Internet als auch auf die Möglichkeit der Diskussion mit Bürgerinnen und Bürgern vor Ort.
    Dr. Marcus Optendrenk (CDU) ..., dass die Landesregierung das Budgetrecht des Parlaments endlich ernst nimmt und wieder zu einer das Recht und die Verfassung achtenden Haushaltspolitik zurückkehrt. Das bedeutet: Es gehören wirklich alle geplanten Einnahmen und Ausgaben in den Haushalt. Luftbuchungen müssen ein Ende haben. Denn der Landtag ist kein Anhängsel der Regierung, sondern wählt und kontrolliert die Regierung.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... tägliche Arbeit. Der aktuelle Haushalt hat ein Volumen von knapp 60 Milliarden Euro. Dies zeigt die extrem große Menge an Informationen und Zahlen, die auch jederzeit über die Homepage des Landtages abgerufen werden können. Transparenz ist wichtig und muss ausgebaut werden, doch vor allem ist die Haushaltsberatung komplexe und intensive Arbeit.
    Ralf Witzel (FDP) ... einen Fortschritt für die Qualität der politischen Arbeit. Transparenz schafft Vertrauen. Die Budgethoheit ist ein zentrales Parlamentsrecht. Alle Abgeordneten sollten dieses selbstbewusst und sachkundig ausüben. Eine wirksame Kontrolle der rot-grünen Regierung ist notwendig, um Steuergeldverschwendung zu verhindern. Finanzfragen sollten auch für die Bürger nachvollziehbar sein, um Akzeptanz zu finden.
    Dietmar Schulz (PIRATEN) ..., dass die Bürger mehr Möglichkeiten erhalten, sich einzubringen, und eine Steigerung der Möglichkeiten parlamentarischer Kontrolle der Landesregierung.

    ID: LI130113

  • Politik im Informationszeitalter.
    Über neue Wege der Kommunikation und Beteiligung.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 10 in Ausgabe 12 - 12.12.2012

    Wir leben im Informationszeitalter. Dieses schon beinahe geflügelte Wort soll beschreiben, dass das Angebot an Texten, Bildern und Filmen wohl noch nie so groß war wie heute. Gemeint ist vor allem das digitale Angebot aus dem World Wide Web - dem weltweiten Internet. Erst relativ wenige Jahre alt, ist es heute wohl aus dem persönlichen und beruflichen Leben vieler Menschen nicht mehr wegzudenken. Also muss sich auch die Politik mit den neuen Möglichkeiten auseinandersetzen: mit den Chancen und Risiken, aber auch als Gegenstand und Akteur in der Internetwelt. Wohl wissend, dass die Schnelligkeit, eines der Kennzeichen des digitalen Mediums, dazu führt, dass die Kommunikationswelt morgen vermutlich schon wieder ganz anders aussieht als heute.
    Der fortschreitende gesellschaftliche Prozess der Digitalisierung biete vielfältige Möglichkeiten, die repräsentative Demokratie um neue politische Mitgestaltungsmöglichkeiten durch die Bürgerinnen und Bürger zu ergänzen und damit zu stärken, schreiben SPD und GRÜNE in ihrem Antrag "Modernes Regieren im digitalen Zeitalter". Er war Grundlage einer entsprechenden Anhörung (siehe Seite 9).
    Das Schlagwort, unter dem dieser neuer Ansatz zusammengefasst wird, ist dem Englischen entlehnt: Open Government. Wenn auch die genaue Art und Weise noch konkretisiert werden muss, werden unter diesem Sammelbegriff alle Ansätze zur weiteren Öffnung von Politik und Verwaltung gegenüber Bürgerinnen und Bürgern, Wissenschaft und Wirtschaft zusammengefasst. Soweit dabei elektronisch basierte Informations- und Kommunikationstechnik zum Einsatz kommen, spricht man auch von E-Government. Insbesondere durch die Nutzung von neuen Technologien im Internet (siehe Infokasten) sollen die Teilhabe und Mitwirkung an staatlichen Entscheidungsprozessen, die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Stellen und gesellschaftlichen Gruppen sowie die Transparenz gefördert werden.
    Die Informations- werden also ergänzt durch Kommunikationsmöglichkeiten: An die Stelle von Einbahnstraßen kann Dialog treten - sei es zwischen Politik, Verwaltung und Bürgerschaft oder zwischen Bürgerinnen und Bürgern untereinander. Wie auch immer: Neue Medien befähigen uns zu neuen Formen des Dialogs und damit neuen Formen der Meinungsbildung.
    Mit Blick auf diejenigen, die noch nicht über einen Internetzugang verfügen, fordert der rot-grüne Antrag auch, dass sie bei der Information nicht übergangen werden dürften. Im Gegenteil: Bewährte Informations- und Beteiligungsmöglichkeiten sollten ausgebaut werden.

    Tag der Medienkompetenz

    Diesem Spagat stellte sich auch der "Tag der Medienkompetenz", der Ende November im Landtag stattfand. Er sollte, so das erklärte Ziel, auch den Dialog zwischen "Digital Natives" und "Offlinern" fördern, also zwischen denjenigen, die das Angebot im Internet intensiv nutzen, und denjenigen, die zum Beispiel gedruckten Medien (immer noch) den Vorzug geben. Noch konkreter setzten sich die Veranstalter das Ziel, gemeinsam Antworten darauf zu suchen, was "Vertrauen", "Teilhaben" und "Lernen" heute und in der Zukunft der digitalen Medienwelt bedeutet.
    Dies griff Landtagspräsidentin Carina Gödecke auf, als sie in ihrer Eröffnungsrede zum Tag der Medienkompetenz feststellte, dass sich auch für die politische Debatten- und vielleicht auch Entscheidungskultur neue Chancen eröffneten. Gleichzeitig bestünden Risiken in Bezug auf Anonymität und die Kürze der Meldungen. Digitale Medien müssten mit derselben Sorgfalt wie andere Medien die Meldungen prüfen, Recherchen durchführen und sich ihrer Verantwortung, Meinung zu bilden, bewusst sein.
    Sie verwies auf das Informationsangebot des Landtags, das neben gedruckten Medien wie Landtag Intern und Broschüren auch ein Internetangebot einschließlich der Live-Übertragung von Plenarsitzungen umfasst.

    Digitales Angebot

    Der Landtag bietet heute ein aktuelles und breites Angebot an digitalen Informationen. Mittlerweile können Parlamentsunterlagen seit 1947 im Internet gefunden werden. Auch alle Plenardebatten können heute schon live im Internet mitverfolgt werden. Ältere Sitzungen sind im Archiv verfügbar. Hinzu kommen Videos von bestimmten Ereignissen wie jüngst dem Besuch des Bundespräsidenten. Und natürlich von der Wahl und Konstituierung des neuen Landtags.
    Über einen Quick-Response-Code (QR-Code) bietet Landtag Intern die Möglichkeit, mit den entsprechenden Geräten direkt auf das Internetangebot des Landtags zu gelangen. Eine Brücke zwischen gedruckten und digitalen Medien. Weitere konkrete Schritte zur Umsetzung des Gesamtbereichs Open Government wird die Volksvertretung im kommenden Frühjahr erörtern.
    cw

    Zusatzinformation:
    Digitale Dialoge
    Blogs: Auf einer Internetseite geführte und damit meist öffentlich einsehbare digitale Veröffentlichungen, in der eine Person, Aufzeichnungen führt, Sachverhalte protokolliert, Artikel "postet" etc., die von anderen ebenfalls im Internet kommentiert werden können.
    Wikis: Einträge in elektronische Datensammlungen. Soziale Netzwerke: lose Verbindungen von Menschen über das Internet.

    Systematik: 7740 Informations- und Kommunikationstechnologien

    ID: LI121204

  • Demokratie 3.0
    Fachleute diskutieren Open-Government-Strategie für NRW.
    Plenarbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 11 in Ausgabe 12 - 12.12.2012

    6. Dezember 2012 - Mehr Transparenz, mehr Teilhabe und mehr Zusammenarbeit: Das verbirgt sich hinter dem Begriff "Open Government". In einer Anhörung des Innenausschusses haben Fachleute nun darüber beraten, wie eine NRW-Strategie rund um Open Government und Open Data aussehen könnte. Im Fokus die Forderung: weg vom Informationsfreiheits- hin zu einem Transparenzgesetz.
    "Wir sind in einem digitalen Zeitalter angekommen", erläuterte die Internetberaterin Valentina Kerst. 80 Prozent der Menschen seien online. Land und Kommunen dürften nun den Anschluss nicht verpassen. Das koste Geld und Personal - sei aber notwendig, betonte Kerst. Zudem könnten Open Data (s. Infokasten) und Open Government dazu beitragen, das Vertrauen in Politik und Verwaltung zu stärken.

    Open Data

    Mehr Transparenz könne er nur begrüßen, lobte der Landesdatenschutzbeauftragte Ulrich Lepper den der Anhörung zugrunde liegenden rot-grünen Antrag (Drs. 16/811). "Wir haben nun zehn Jahre Informationsfreiheitsgesetz", erinnerte er. Danach müssen Behörden Daten derzeit nur auf Antrag herausgeben. Das sollte sich ändern, forderte Lepper und plädierte für ein proaktives, verpflichtendes Transparenzgesetz: Hin zu einer Bringschuld der Verwaltung, stimmte Alexander Trennheuser vom Kölner Verein "Mehr Demokratie" zu.
    Der Vereinssprecher betonte aber auch: "Das geht natürlich nicht von heute auf morgen." Hamburg, das derzeit ein ähnliches Gesetz umsetzt, räume eine Übergangszeit von zwei Jahren ein. Schritt für Schritt, mahnte auch Jens Klessmann vom Fraunhofer Institut Fokus. Es gehe zudem um einen Kulturwandel in den Verwaltungen, ergänzte Steinbach. Ebenso müsse die Gesellschaft vorbereitet werden, so Kerst. Eine zentrale Internetplattform mit allen Daten von NRW-Verwaltung und Regierung wäre aus Sicht von Lepper ein "bedeutender Schritt in Richtung Transparenz". Dabei müsse man die Informationsfreiheit aus Sicht der Menschen im Land denken, forderte Steinbach.
    "Die Bereitstellung öffentlicher Daten ist der Grundstock für eine partizipatorische Demokratie", machte auch Hans-Josef Fischer, Präsident von IT NRW, deutlich. Es gebe bereits funktionierende Plattformen, wie das Geoportal NRW - daran könne angeknüpft werden. Die Herausforderungen der Open-Government-Initiative sah Fischer vor allem auf rechtlicher und organisatorischer Seite - zusätzliche Ressourcen seien notwendig. Die kommunalen Spitzenverbände warnten dabei allerdings vor einseitigen Zusatzkosten für die Kommunen.

    Open Government

    "Open Government ist nicht gleich Open Data", stellte der Verwaltungsinformatiker Christian Geiger klar. Dies werde oft in einen Topf geworfen. Open Data sei die Basis. Bei Open Government gehe es dann um Transparenz, Partizipation und Zusammenarbeit zwischen Bürgern und Verwaltung. Insgesamt bedeute dies, die parlamentarische Demokratie weiterzuentwickeln. Das funktioniere aber nur, wenn die Menschen merkten, dass sie wirklich mitwirken könnten. Wichtig wäre laut Klessmann zudem eine übergreifende Koordination.
    "Der Begriff ,Open Government‘ ist relativ schillernd", meinte Dr. Marco Kuhn von der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände. Für die Kommunen seien entsprechende Aktivitäten aber nichts Neues - dazu zählen laut Städte- und Gemeindebund unter anderem Open-Data-Projekte, interaktive Internetauftritte oder auch der Einsatz sozialer Medien. Allerdings seien die Startvoraussetzungen jeweils sehr unterschiedlich. So mancher Kämmerer habe derzeit andere Sorgen.
    Zur Bürgerkommunikation über soziale Netzwerke wie Facebook sagte Lepper: "Hiervor kann ich nur mit Nachdruck warnen." Hier entstünden Persönlichkeitsprofile, die man öffentlichen Stellen niemals übermitteln würde. Der Datenschutzbeauftragte schlug deshalb vor, zu diesem Zweck Kommunikationsstrukturen in Eigenregie zu nutzen. Da müsse man differenzieren, entgegnete Kerst. Facebook dürfe kein Serverersatz oder Dokumentenarchiv sein. Doch viele Menschen nutzten diese Medien. Deshalb sei es wichtig, auch dort präsent zu sein, um zumindest Informationen weiterzugeben.

    Mehr-Kanal-Konzept

    So oder so: "Mehr Beteiligung muss nicht unbedingt dazu führen, dass auch mehr Bürgerwille umgesetzt wird", betonte Martin Lehrer vom Städte- und Gemeindebund. Dies gelte gerade in Zeiten knapper öffentlicher Kassen. Auch bedeute mehr Transparenz und Dialog im Internet nicht zwangsläufig mehr Demokratie, ergänzte Kuhn: Nicht alle Menschen hätten Netzzugang, und nicht alle mit Zugang, würden diesen im Sinne von Open Government und Open Data nutzen: "An der Stelle muss man die unterschiedlichen Facetten berücksichtigen." Es bestehe immer noch eine "digitale Kluft", bestätigte Geiger. Deshalb komme es darauf an, mehrkanalig zu arbeiten: Internet ja, aber eben auch Post und Telefon.
    bra

    Zusatzinformation:
    Open Data
    Das Konzept "Open Data" steht laut einer Definition der Bundeszentrale für politische Bildung für die Idee, Daten öffentlich frei verfügbar und damit für alle nutzbar zu machen.

    Live-Übertragung
    Die Open-Government-Anhörung hat der Landtag live ins Internet übertragen. Interessierte können den Mitschnitt auch nachträglich im Videoarchiv auf der Internetseite des Landtags ansehen.

    Systematik: 7740 Informations- und Kommunikationstechnologien

    ID: LI121211

  • Berg, Guido van den (SPD); Kruse, Theodor (CDU); Bolte, Matthi (Grüne); Wedel, Dirk (FDP); Marsching, Michele (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum Thema Open Government.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 12-13 in Ausgabe 12 - 12.12.2012

    Unter "Open Government" verstehe ich ...

    Guido van den Berg (SPD) ... eine Weiterentwicklung von "mehr Demokratie wagen". Zu Recht hat Willy Brandt darauf verwiesen, dass die bloße Existenz von Institutionen, Gremien und Wahlen nicht ausreicht. Demokratie lebt vom Mitmachen und ist deshalb auch niemals "fertig".
    Theo Kruse (CDU) ... die Öffnung von Staat und Verwaltung gegenüber der Gesellschaft. Dadurch können sich Bürger leichter über die Tätigkeit der Verwaltung informieren, Verwaltungsmitarbeiter von Einzelauskünften entlastet und wissensbasierte Dienstleistungen auf der Grundlage von Verwaltungsdaten verbessert werden.
    Matthi Bolte (Grüne) ... einen grundlegenden Kulturwandel in Politik und Verwaltung, der erst durch die Digitalisierung möglich geworden ist. Open Government ermöglicht mehr Demokratie, mehr Mitsprache und transparentere politische Prozesse. Daraus erwächst ein neues, moderneres Verhältnis von BürgerInnen und Staat.
    Dirk Wedel (FDP) ..., durch gelebte Transparenz im Regierungsund Verwaltungshandeln größeres Vertrauen bei den Bürgern zu schaffen. Dazu gehören eine adressatengerechte Bereitstellung relevanter Daten statt unbrauchbarer Datenfriedhöfe und praxistaugliche Partizipationsformate, um aus Betroffenen Beteiligte zu machen.
    Michele Marsching (PIRATEN) ... modernes Regierungshandeln in Zeiten eines immer stärker werdenden Wunsches der Bürger nach Beteiligung an politischen Prozessen.

    Den größten Handlungsbedarf sehe ich derzeit ...

    Guido van den Berg (SPD) ... in den Bereichen Partizipation, Transparenz und Zusammenarbeit. Bürgerinnen und Bürger sollten besseren Zugang zu universell computerlesbaren Datensätzen der Landesregierung haben - das Stichwort dafür ist "Open Data".
    Theo Kruse (CDU) ... bei der Klärung der Rechtsfragen, die sich beim Bereitstellen von Daten der öffentlichen Hand zur Weiterverwendung im Internet stellen. Was darf ein Nutzer mit den bereitgestellten Daten tun, darf er sie verarbeiten, verändern, eine auf einem Datensatz basierende Anwendung gegen Entgelt anbieten?
    Matthi Bolte (Grüne) ... beim offenen Zugang zu öffentlichen Daten und Informationen, also Open Data. Diese Philosophie ersetzt die bisher angenommene Holschuld der Bürgerinnen und Bürger durch eine Bringschuld der Verwaltung. Offene Daten bieten neben dem demokratischen Transparenzgewinn viele gesellschaftliche Vorteile.
    Dirk Wedel (FDP) ... darin, von Theorie und warmen Worten in Schauanträgen sowie unergiebigen Arbeitsgruppen auf Regierungsseite endlich zu konkreten Taten und Projekten für gelebtes Open Government in NRW zu kommen und dabei dem demografischen Wandel ausreichend gerecht zu werden.
    Michele Marsching (PIRATEN) ... darin, die Landesregierung davon zu überzeugen, Open Data − den freien Zugang zu Informationen − als elementaren ersten Schritt umzusetzen. Dazu haben wir einen Antrag eingebracht, der die Landesregierung auffordert, ein Transparenzgesetz zu erarbeiten.

    Bürgerinnen und Bürger auch digital stärker zu beteiligen ...

    Guido van den Berg (SPD) ... ist spätestens eine Lehre aus dem umkämpften Bahnprojekt "Stuttgart 21". Aushänge in Schaukästen, Veröffentlichungen in Amtsdeutsch per Zeitungsanzeigen und Möglichkeiten zur Akteneinsicht in Amtsstuben reichen im Zeitalter von Web 2.0 nicht aus, um Beteiligung und Akzeptanz sicherzustellen.
    Theo Kruse (CDU) ... eröffnet aus meiner Sicht die Möglichkeit, gesellschaftliche Bedürfnisse und Anforderungen in Zukunft schneller erkennen und bei staatlichem Handeln berücksichtigen zu können.
    Matthi Bolte (Grüne) ... ist das Gebot der Stunde! Dabei wollen wir auch denen, die heute noch nicht regelmäßig online sind, Zugänge schaffen. Dafür notwendig sind zahlreiche Maßnahmen von der Verbesserung der Breitbandversorgung bis zur verstärkten Medienkompetenzförderung für alle Altersgruppen.
    Dirk Wedel (FDP) ... ist eine Aufgabe, bei der IT.NRW als Dienstleister einen wichtigen Beitrag leisten muss. Ziel sollte sein, überzeugende Konzepte und praxisgerechte Angebote für Bürger, gesellschaftliche Gruppen, Verbände, Politik, Wirtschaft und die Verwaltung anzubieten.
    Michele Marsching (PIRATEN) ... ermöglicht jedem Einzelnen, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Dies ist der erste Schritt zu einer modernen Gesellschaft.

    In puncto Bürger-Information und Beteiligung sollte der Landtag ...

    Guido van den Berg (SPD) ... die Bürgerinnen und Bürger als wirkliche Partner verstehen, die eingeladen werden müssen, Ideen und Verbesserungsmöglichkeiten einzubringen. Wir müssen uns auf neue Formen der Zusammenarbeit einlassen wollen. Es geht darum, das Verhältnis von Bürgerinnen und Bürgern, Politik und Verwaltung nachhaltig zu verändern. Auch diejenigen, die mit Online-Medien nichts anfangen können, müssen sich einbringen können.
    Theo Kruse (CDU) ... dazu beitragen, dass Open Data und Open Government in Deutschland weiter ausgebaut werden, im föderalen Verbund und zum Nutzen aller. Idealerweise sollte ein zentrales ebenenübergreifendes Portal geschaffen werden, um einen leichteren Zugang zu den Daten in Bund, Ländern und Kommunen zu ermöglichen.
    Matthi Bolte (Grüne) ... eine Vorbildfunktion wahrnehmen. In diesem Sinne ist es gut, dass die Liveübertragungen der Plenarsitzungen technisch optimiert werden. Ich würde mir aber auch wünschen, dass alle Anhörungen per Stream übertragen würden. Dokumente sollten übersichtlicher und in offenen Formaten bereitgestellt werden.
    Dirk Wedel (FDP) ... neue Wege gehen. Rot-Grün sollte ein Transparenzgesetz nach Vorbild Hamburgs nicht vorschnell ablehnen. Zudem wäre es aus Sicht der FDP sinnvoll, ein Projekt für ein neues Instrument zur Bürgeranhörung zu starten und in einem zentralen Portal benutzerfreundlich Informationen der Ministerien und anderen Behörden zu bündeln.
    Michele Marsching (PIRATEN) ... seine Aufgabe ernst nehmen, alle relevanten Informationen zeitnah zur Verfügung zu stellen und daraufhin eingehende Vorschläge ergebnisoffen in die Beratungen einzubeziehen.

    Grenzen von Bürgerbeteiligung in einer parlamentarischen Demokratie ...

    Guido van den Berg (SPD) ... müssen geklärt sein. Eine Online-Umfrage wird nie eine Parlamentsabstimmung ersetzen. Es geht aber darum, dass in parlamentarischen Verfahren alle Bürgerinnen und Bürger Beteiligungsmöglichkeiten nutzen können. Bürgerinnen und Bürger sollten das Recht haben, dass Politik und Verwaltung auch individuelle Anregungen mit bedenken und abwägen.
    Theo Kruse (CDU) ... hängen jeweils davon ab, ob eine Fragestellung vertiefte Sachkenntnis erfordert und wie sich Beteiligung organisieren lässt. Der Moderationsprozess von Heiner Geißler zu Stuttgart 21 hat gezeigt, dass auch komplizierte Fragen zu einem Ergebnis geführt werden können.
    Matthi Bolte (Grüne) ... sollten in der Diskussion nicht immer vor den Chancen thematisiert werden. Natürlich gibt es Bereiche, in denen am Ende demokratisch legitimierte Abgeordnete entscheiden sollten, aber oft geht es vor allem um die frühzeitige Einbeziehung der Bevölkerung - und da gibt es Nachbesserungsbedarf.
    Dirk Wedel (FDP) ... bestehen, da sie durch Elemente der direkten Demokratie immer nur ergänzt wird. So würde eine inhaltliche Ausweitung von Volksbegehren auf Finanzfragen die Wahrung der Budgethoheit des gesamtverantwortlichen Parlaments für eine ausgewogene Verteilung der beschränkten Haushaltsmittel negativ tangieren.
    Michele Marsching (PIRATEN) ... gibt es im besten Falle nicht.

    ID: LI121223

  • Minderheit gewinnt Mehrheit.
    Die "Koalition der Einladung" besteht Landtagswahl.
    Titelthema / Schwerpunkt;
    ;
    Jahresrückblick
    S. 16-17 in Ausgabe 12 - 12.12.2012

    Nach 21 Monaten kam das Aus. Der Haushalt 2012 der rot-grünen Minderheitsregierung fand in der zweiten Lesung im März dieses Jahres keine Mehrheit. Es folgte ein Novum in der Landesgeschichte: Der Landtag löste sich auf. Innerhalb von 60 Tagen musste es zu Neuwahlen kommen. Im Mai dann eine klare Sache: Rot-Grün erhielt eine deutliche Mehrheit. Jetzt kann der Landeshaushalt für das laufende Jahr verabschiedet werden. Durch die Neuwahl neuer Schwung auch für aufgehobene Projekte wie Klimaschutz, Nichtraucherschutz und Ladenöffnungszeiten. Die Regierung Kraft II nimmt Fahrt auf.

    Januar
    Die CDU-Fraktion möchte mit ihrem Vorschlag zur Änderung des Ordnungsbehördengesetzes Städten und Gemeinden eine Handhabe geben, um gegen die zunehmenden Verstöße im Zusammenhang mit Alkoholkonsum auf öffentlichen Plätzen und Straßen vorzugehen. Eine Anhörung im Innenausschuss belegt, dass diese Initiative zwar grundsätzlich begrüßt wird, aber Zweifel an einer rechtssicheren Umsetzung bestehen.
    Seiner besonderen Verantwortung für den Klimaschutz will das Energieland NRW durch ein eigenes Klimaschutzgesetz gerecht werden. Drei Ausschüsse befragen zahlreiche Fachleute zum Entwurf. Dieser soll verbindlich Ziele, Maßnahmen und Überwachungsmechanismen festschreiben und für eine gesetzliche Verankerung des Klimaschutzes in NRW sorgen.
    Eine Woche nach einer weiteren Anhörung diesmal zu den Ladenöffnungszeiten beraten die Fraktionen in einer Aktuellen Stunde über das Thema. Während die Opposition von einer möglichen Gefahr für den Wirtschaftsstandort NRW spricht, kündigt die Koalition eine Überprüfung der Sonntagsöffnung an.

    Februar
    In einer Aktuellen Stunde verlangen SPD und GRÜNE, dass nach den bekannt gewordenen Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) die Arbeit der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern neu justiert wird. Mit einer Schweigeminute gedenkt der Landtag der Opfer rechtsextremistischer Gewalt und demonstriert so für ein friedliches Miteinander ohne Hass, Intoleranz und Gewalt.
    Darüber hinaus verabschieden die Landtagsfraktionen bei Enthaltung der LINKEN das Gesetz zur gesellschaftlichen Teilhabe und Integration. Damit schafft Nordrhein-Westfalen als erstes Flächenland hierfür eine verbindliche rechtliche und umfassende Grundlage.
    32 Gegenstimmen gibt es, als der Landtag in namentlicher Abstimmung das Abgeordnetengesetz ändert. Um bei den Altersbezügen die Grundversorgung aller Abgeordneten zu verbessern, werden die Diäten um 500 Euro erhöht. Der monatliche Pflichtbeitrag der Abgeordneten beträgt ab März statt bisher 1.614 nun 2.114 Euro.

    März
    Bürgerinnen und Bürger sollen leichter ein Ehrenamt übernehmen können: Mit ihrem gemeinsamen Entwurf zur Stärkung des kommunalen Ehrenamts wollen SPD, GRÜNE und FDP auch Teilzeitbeschäftigten und Menschen mit flexiblen Arbeitszeiten eine Möglichkeit zur ehrenamtlichen Mitwirkung eröffnen. Es soll auch neue Angebote zur Fort- und Weiterbildung geben.
    Mitte des Monats berät der Landtag in zweiter Lesung den von der Regierung vorgelegten Haushaltsentwurf für das Jahr 2012. Dabei stimmen CDU, FDP und LINKE gegen einen Einzelplan des Entwurfs und bringen damit den gesamten Etat zum Scheitern. Nach einem einstimmigen Beschluss des Plenums erklärt Landtagspräsident Eckhard Uhlenberg die Auflösung des 15. Landtags. Ein Ständiger Ausschuss nimmt die Rechte der Volksvertretung bis zum Zusammentritt des neuen Landtags wahr.

    April
    In einem gemeinsamen Aufruf fordert das Präsidium des Landtags die Bürgerinnen und Bürger auf, am 13. Mai 2012 von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Wer wähle, setze ein Zeichen für die freiheitliche Demokratie und wirke dabei mit, dass eine Volksvertretung auf breiter Basis die zentralen Aufgaben der Politik im Land beraten und gestalten könne.
    Auch wenn die Volksvertretung vorzeitig aufgelöst worden ist, präsentiert sich das Landtagsgebäude weiter als Haus der Bürgerinnen und Bürger: In der Nacht der Museen öffnet daher auch das Parlament Ende April bis nach Mitternacht seine Tore und zeigt seine Kunstwerke.

    Mai
    13. Mai 2012, 18 Uhr. Die Wahllokale im Land schließen. Die Stimmen werden ausgezählt. Danach sieht das rechnerische Ergebnis der Landtagswahl so aus: 7,8 Millionen haben gewählt, das entspricht bei rund 13 Millionen Wahlberechtigten einer Wahlbeteiligung von 59,6 Prozent. Mit 39,1 Prozent der Stimmen wird die SPD stärkste Partei, gefolgt von der CDU mit 26,3 Prozent. Die GRÜNEN kommen auf 11,3, die FDP auf 8,6 Prozent. Erstmals ziehen die PIRATEN mit 7,8 Prozent in den NRW-Landtag ein.
    Am letzten Tag des Monats tritt der neue Landtag zu seiner ersten Sitzung zusammen. Die Abgeordneten werden zum uneigennützigen Einsatz für das Wohl der Menschen in NRW verpflichtet und wählen die Abgeordnete Carina Gödecke (SPD) zur Landtagspräsidentin.

    Juni
    In der dritten Sitzung der neuen Legislaturperiode wählt der Landtag Hannelore Kraft (SPD) erneut zur Ministerpräsidentin. Mit 137 "Ja"-Stimmen erhält sie in der geheimen Wahl neun Stimmen mehr, als die rot-grüne Koalition Abgeordnete hat. 94 Parlamentarier votieren mit "Nein", drei enthalten sich. Das einen Tag später vorgestellte Kabinett enthält zwei neue Gesichter: Garrelt Duin wird Wirtschaftsminister, Michael Groschek neuer Verkehrsminister. Beide gehören der SPD an.
    Die Abwicklung der WestLB AG beschäftigt erneut den Landtag. Vor allem die FDP-Opposition beklagt, dass die Bank nicht schon früher verkauft worden sei und jetzt die nordrhein-westfälischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler beansprucht werden müssten. Die Koalition sieht keine Alternative zum vorgeschlagenen Weg: Alles andere werde nur noch teurer.

    Juli
    Schafft das von der Regierung geplante Gutachten zu wirtschaftlichen Alternativen für die Kohlenmonoxid-Pipeline des Bayerwerks von Dormagen nach Krefeld mehr Transparenz und Sicherheit oder dient es bloß zur Verhinderung der Inbetriebnahme? Darüber streiten sich in einer von der FDP beantragten Aktuellen Stunde Regierung und Opposition. Beide Lager betonen, dass die Gesundheit der Menschen oberste Priorität haben müsse.

    August
    In der sitzungsfreien Zeit wird im Plenarsaal heftig gebohrt und gehämmert: Notwendige Sanierungsmaßnahmen (Belüftung, Barrierefreiheit) stehen an.

    September
    Unter großem Interesse von Öffentlichkeit und Medien stellt Landtagspräsidentin Carina Gödecke den von Grund auf sanierten Plenarsaal vor. Das Herzstück des Parlaments ist in nur zehn Wochen modernisiert und behindertengerecht umgebaut worden.
    Die wiedergewählte Ministerpräsidentin stellt in ihrer Regierungserklärung den Fahrplan für die nächsten fünf Jahre vor. Hannelore Kraft (SPD) kündigt an, ihre Politik werde "vorbeugend, nachhaltig und gerecht" sein. Damit das Wahlalter und die Hürden bei Volksbegehren gesenkt werden können, strebe sie eine Änderung der Landesverfassung an.
    Am Tag danach liefern sich die fünf Fraktionen einen Schlagabtausch zur Regierungserklärung. Während CDU und FDP ihre Überzeugung erneuern, die Regierung spare zu wenig, stellen sich die Koalitionsfraktionen SPD und GRÜNE hinter Krafts Politik. Die PIRATEN wollen darauf achten, ob Rot-Grün seine Versprechungen einhält.
    Mit der ersten Lesung beginnt erneut der Marathon rund um die Beratung des Landeshaushalts 2012. Während die Regierung ankündigt, die Schulden bis zum Jahr 2020 auf Null reduzieren zu wollen, wiederholen vor allem CDU und FDP ihren Vorwurf, es werde zu wenig und zu spät gespart.

    Oktober
    In einer fünfstündigen Anhörung stellen gleich vier Ausschüsse die Chancen und Risiken des NRW-Klimaschutzgesetzes auf den Prüfstand. 38 Fachleute äußern sich kontrovers zum verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien und zum Ziel der weiteren CO2-Reduzierung. Unterschiedlich auch die Einschätzung der wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Auswirkungen der angestrebten Klimaschutzmaßnahmen.

    November
    Nach dem Schulkonsens zwischen Rot-Grün und CDU vom Juli 2011 geht es an die Umsetzung. Dazu legt die Landesregierung ein Konzept zur Sicherung einer wohnortnahen Schulversorgung im Grundschulbereich vor. Neben den Konsensparteien stimmen auch die PIRATEN zu. Die FDP ist dagegen.
    Das Landtagspräsidium reist nach Brüssel. Die Landtagspräsidenten und ihre vier Stellvertreter treffen dort hohe europäische Repräsentanten und sprechen mit ihnen über die bestehenden und zukünftigen Mitwirkungsmöglichkeiten des Landesparlaments auf europäischer Ebene.
    Bundespräsident Joachim Gauck besucht den Landtag. Zu seinem offiziellen Antrittsbesuch im Bundesland NRW begrüßt Landtagspräsidentin Carina Gödecke den Gast, der den gewählten Abgeordneten seine Anerkennung für ihre Arbeit ausspricht. Der Bundespräsident plädiert für einen verständlichen und bürgernahen Politikstil.
    In zweiter Lesung passiert das Nichtraucherschutzgesetz der Landesregierung den Landtag. Es soll nach dem Willen von Rot- Grün durch ein konsequentes Rauchverbot den Schutz der Gesundheit gewährleisten und Ausnahmen wie Brauchtumsfeste und Festzelte ausschließen. Auch Raucherclubs und Raucherräume soll es nicht mehr geben. Die namentliche Abstimmung zeigt, wie der Vorschlag der Landesregierung die Abgeordneten polarisiert: nur drei Enthaltungen, 128 Stimmen pro und 101 Stimmen contra.
    Der dritte Sozialbericht der Landeregierung mit seinen "erschreckenden Befunden" zu Armut und Reichtum in NRW, so Sozialminister Guntram Schneider, wird im Landtag kontrovers diskutiert. Die Koalition weist darauf hin, dass im Unterschied zum Bund die Beschreibung der sozialen Situation in NRW nicht geglättet oder vertuscht werde. Seitens der Opposition wird angemerkt, dass "Umverteilungsrethorik" und "wilder Aktionismus" das Problem nicht lösten. Einmütig aber die Ansicht, dass Bildung als Schutz vor Armut immens wichtig sei.

    Dezember
    Unmittelbar auf den Abschluss des Haushalts 2012 folgt der Haushalt 2013. Er sieht Ausgaben von rund 60 Milliarden Euro vor. Erwartet wird, dass die Steuereinnahmen auf 44,8 Milliarden Euro steigen. An neuen Krediten sind 3,5 Milliarden Euro vorgesehen. Im Plenum gibt es daraufhin in erster Lesung wiederum eine Auseinandersetzung über Schuldenabbau und Einhaltung der ab 2020 geltenden Schuldenbremse. Ein Thema für die zweite und dritte Lesung - in 2013.
    Jürgen Knepper

    ID: LI121205

Lädt

Die Fraktionen im Landtag NRW