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  • Über Rekordzahlen, Fehler und Verantwortung.
    Zweite Lesung Haushalt: Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 4-9 in Ausgabe 11 - 28.11.2012

    6./7. November 2012 - Zahlen, Zahlen und nochmals Zahlen: In zweiter Lesung hat der Landtag den Landeshaushalt 2012 (Drs. 16/300) mit einem Volumen von insgesamt rund 58,8 Milliarden Euro diskutiert. CDU, FDP und PIRATEN übten heftige Kritik an einer Zahl von Einzelplänen. Vor allem bemängelten sie, dass erst zum Jahresende ein verabschiedeter Haushalt vorliege. Die Regierungsfraktionen verwiesen auf die durch die Landtagswahl unterbrochene Parlamentsarbeit und stimmten dem Etat am Ende zu.

    Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG)

    Dem Anspruch auf ein transparentes und gerechtes Verfahren werde das geplante Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) nicht im Ansatz gerecht, kritisierte André Kuper (CDU). Aus seiner Sicht würden die Mittel einseitig zugunsten der kreisfreien Kommunen verteilt. Auch die Differenzierung beim Schüleransatz könne er nicht nachvollziehen. Zudem zählten die Stärkungspaktkommunen zu den Verlierern des vorliegenden Entwurfs.
    Die schwarz-gelbe Landesregierung habe von 2005 bis 2010 den Kommunen drei Milliarden Euro vorenthalten, so Hans-Willi Körfges (SPD). Dies versuche die rot-grüne Regierung jetzt zu korrigieren. Man habe im Juni 2010 gemeinsam beschlossen, den Bund mit Blick auf übertragene Aufgaben verstärkt in die Pflicht zu nehmen. Dies müsse man nun auch umsetzen, appellierte der SPD-Sprecher an CDU und FDP.
    Gegen solche "oberlehrerhaften Rituale" wandte sich Kai Abruszat (FDP). Das GFG atme "nicht den Mut, den es braucht, die Kommunalfinanzen umfassend zu reformieren", kritisierte er den aus seiner Sicht "überdehnten" Soziallastenansatz sowie die "Einwohnerveredlung" kreisfreier Städte. Die vorgesehene Rekordzuweisung basiere auf Rekordsteuereinnahmen, nicht auf dem Verdienst dieser Landesregierung.
    Es gehe darum, vergleichbare Lebensverhältnisse herzustellen, verteidigte Mario Krüger (GRÜNE) den GFG-Entwurf. Es sei richtig, unterschiedliche Steuereinnahmen und Soziallasten in den Kommunen zu berücksichtigen. Zudem habe Rot-Grün das Volumen des GFG im Vergleich zur Vorgängerregierung insgesamt um rund 1,5 Milliarden Euro erhöht und damit deren "Raubzug durch die kommunalen Kassen" beendet.
    Darüber hinaus forderten die PIRATEN einen um ein Prozent höheren Verbundsatz, betonte Fraktionssprecher Robert Stein. Dies entspräche einem Plus von 370 Millionen Euro für die Kommunen und sei schon jetzt über Steuermehreinnahmen zu finanzieren. Zusätzlich warb Stein dafür, nicht nur die Schulden des Landes zu sehen, sondern auch verstärkt die der Kommunen. Hier sei ebenfalls der Bund gefragt.
    "Wir handeln", unterstrich Kommunalminister Ralf Jäger (SPD). Mit diesem, genauso wie mit den vergangenen GFGs beseitige Rot-Grün das, was Schwarz-Gelb angerichtet habe. Jäger lobte die GFG-Summe von 8,4 Milliarden Euro als höchste aller Zeiten. Zudem werde das Geld an die Kommunen mit dem neu aufgelegten Schlüssel in Zukunft gerechter verteilt - dies gelte auch für den ländlichen Raum.

    Allgemeine Finanzverwaltung

    Dr. Marcus Optendrenk (CDU) warf der Landesregierung vor, die Spielregeln bei der Haushaltsplanung verletzt zu haben. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass seine Fraktion dem vorliegenden Haushaltsplan aufgrund mangelnder Konsolidierungsbemühungen die Zustimmung verweigern werde.
    Diesem Vorwurf hielten die SPD-Abgeordneten Martin Börschel und Stefan Zimkeit entgegen, das Landesverfassungsgericht habe den Zeitplan "als in Ordnung" abgesegnet. Umgekehrt habe sich die CDU nicht konstruktiv in die Haushaltsdebatte eingebracht und keine eigenen Vorschläge gemacht.
    "Das Land muss endlich seine Handlungsfähigkeit zurückgewinnen", forderte Ralf Witzel (FDP). Die Landesregierung erzähle "das Märchen der vermeintlich guten Schulden" und versuche, ihre mangelnde Haushaltdisziplin zu kaschieren. Deswegen sei ein Abbau der Neuverschuldung nicht in Sicht.
    Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) kritisierte, statt der Generaldebatte biete die Opposition von CDU und FDP "ideologischen Kleinkram". Der vorliegende Haushalt setze die richtigen Schwerpunkte in Bildung, ökologischem Umbau und sozialer Gerechtigkeit, er sei sinnvoll und zukunftsfähig.
    Dass die Anträge seiner Fraktion abgelehnt worden seien, beklagte Dietmar Schulz (PIRATEN). Diese hätten für Bildungsinvestitionen sorgen und zur Unterstützung von Kommunen beitragen sollen. Das jetzige, nicht verfassungsgemäße Haushaltsverfahren dürfe es im nächsten Jahr nicht geben.
    Den Vorwurf der "höchsten Verschuldung" wies Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans (SPD) zurück. Er versprach eine "ehrliche" Konsolidierung. Dabei sei nicht nur die Ausgaben-, sondern auch die Einnahmeseite im Blick zu behalten. Ein ausgeglichener Leistungshaushalt sei das Ziel.

    Inneres und Kommunales

    Quasi alle öffentlichen NRW-Haushalte seien überschuldet, betonte Theo Kruse (CDU). Doch Rot-Grün mache keine strukturellen Sparvorschläge. Zudem sei die Zahl der Straftaten zu hoch, die Aufklärungsquote zu gering: Ein schlüssiges Gesamtkonzept fehle.
    Lob für den Etat von Thomas Stotko (SPD): Die Bezirksregierungen erhielten 800.000 Euro aus dem Stärkungspakt, zwei Millionen Euro gebe es zum Anbinden kommunaler Leitstellen an den Digitalfunk und auch sonst investiere Rot-Grün in wichtige Projekte.
    Ob Dienstrecht, Verfassungs- oder Datenschutz: Überall fehlten Reformen, bemängelte Dr. Robert Orth (FDP). Die Regierung verliere sich in Alibiaktionen wie dem Blitzmarathon. Daneben forderte Orth: "Wir brauchen eine Polizei, die arbeitsfähig ist."
    Rot-Grüne schaffe neue Stellen bei der Polizei, sagte Verena Schäffer (GRÜNE). Auch diskutiere man darüber, wie diese zu entlasten sei. Zudem forderte Schäffer eine Debatte darüber, wie der Verfassungsschutz auf sein Kerngebiet zurückzuführen sei.
    Dirk Schatz (PIRATEN) lobte die neuen Stellen. Diese reichten aber nicht aus. Zusätzlich forderte er: Der öffentliche Dienst müsse mehr investieren, um Hochqualifizierte anzuziehen. Gleichzeitig gebe es beim Personal viel ungenutztes Potenzial.
    Er setze auf eine gut ausgebildete und gut ausgestatte Polizei, betonte Innenminister Ralf Jäger (SPD). Das habe Schwarz-Gelb versäumt. Nun gebe es auch 8,2 Millionen Euro zusätzlich für die Analyse von sich seit Jahren anstauenden DNA-Proben.

    Schule und Weiterbildung

    Petra Vogt (CDU) warf der Landesregierung vor, mit mangelndem Sparwillen und falscher Prioritätensetzung einen Irrweg in der Schul- und Bildungspolitik zu beschreiten. Bei der Inklusion werde die Umsetzung besonders schwer werden, so Vogt.
    "Bildungspolitik ist das Schwerpunktthema der rot-grünen Landesregierung", hielt Renate Hendricks (SPD) dem entgegen. Die notwendigen Mittel würden im Haushalt bereitgestellt. Bildung habe bei Rot-Grün weiterhin die höchste Priorität.
    Die rot-grüne "Priorität für Bildung" stellte die FDP-Abgeordnete Yvonne Gebauer infrage: "Unter Schwarz-Gelb wurden Lehrerstellen aufgebaut, unter Rot-Grün werden sie abgebaut." Alle geplanten Maßnahmen zielten in Richtung Qualitätsabbau.
    Sigrid Beer (GRÜNE) wies die Kritik an der rot-grünen Bildungspolitik vehement zurück und konstatierte, dass die Stellen für den gemeinsamen Unterricht verdoppelt worden seien, damit eine entsprechende Ausgestaltung überhaupt möglich sei.
    Die PIRATEN wollten mit dem Einbringen der Änderungsanträge ein Zeichen setzen und auf die steigende Belastung in Schulen hinweisen, so Monika Pieper (PIRATEN). Sie kritisierte, dass die Landesregierung den Ernst der Lage unterschätze. Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) verteidigte den konsequenten Kurs der Landesregierung, die innovative Schulentwicklung voranzutreiben. In Zeiten einer schwierigen Haushaltslage würden die vorhandenen Ressourcen gezielt eingesetzt.

    Innovation, Wissenschaft und Forschung

    "Noch nie studierten so viele Menschen an nordrhein-westfälischen Hochschulen", betonte Dr. Stefan Berger (CDU). Obwohl die Ausgaben mit 6,6 Milliarden Euro einen Höchststand aufwiesen, seien sie - pro Kopf gerechnet - gesunken. Es fehle an Geld und Konzepten für den Wissenschaftsstandort NRW.
    Bildungspotenziale auszubauen bedeute, Studierenden ein Studium ohne zusätzliche Kostenbelastung zu ermöglichen, begründete Karl Schultheis (SPD) die Abschaffung der Studiengebühren. Jetzt müsse der Bund dafür sorgen, dass man die Zahl der geförderten Studienplätze dem Bedarf anpassen könne.
    "Sie nehmen mutwillig eine Verschlechterung der Studienbedingungen in unserem Land in Kauf", meinte Angela Freimuth (FDP). "Fröhliche Ideenlosigkeit" herrsche hinsichtlich steigender Studierendenzahlen, einer Verbesserung der Lehr- und Studienbedingungen sowie einer Absenkung der Abbrecherquote.
    Die Hochschulen verfügten pro Studierenden über mehr Geld als im Jahr 2009, so Dr. Ruth Seidl (GRÜNE). Fast alle Länder, die jemals Studiengebühren eingeführt hätten, würden diese zurücknehmen. Seidl kritisierte, der Bund werde seiner Mitverantwortung bei der steigenden Studentenzahl nicht gerecht.
    "Die Finanzierung der Hochschulen bleibt weiter hinter dem Nötigen zurück", erwiderte Dr. Joachim Paul (PIRATEN). Notwendig seien mehr finanzielle Mittel, aber auch neue Strategien: So müsse man es unter anderem für das Studium nutzen, dass man heute an jedem Ort an didaktisch aufbereitete Informationen kommen könne.
    "Wir wollen ein attraktives, ein konkurrenzfähiges Studienangebot", erklärte Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD). Dazu gehöre die Fortführung des Hochschulpakts ebenso wie das Fachhochschul-Ausbauprogramm und das Hochschul-Modernisierungsprogramm. Hinzu komme mehr Geld für die Studentenwerke.

    Umwelt und Naturschutz, Verbraucherschutz und Landwirtschaft

    Die Politik von Minister Remmel wertete Christina Schulze Föcking (CDU) als "perfide Nadelstiche". Sie sei ideologisch einseitig und richte sich gegen Landwirte und Verbraucher. Die CDU wolle hingegen die Wertschöpfung in der Hand der bäuerlichen Familien halten.
    Manfred Krick (SPD) verteidigte die Umweltpolitik als aktive Gesundheitspolitik. Zur Verhinderung des Klimawandels müsse man beim Naturschutz allerdings "gewisse" Zugeständnisse machen. Vor "Energiearmut" durch steigende Strompreise warnte seine Kollegin Inge Blask.
    Rot-Grün misstraue der Landwirtschaft, sagte Karlheinz Busen (FDP) mit Blick zum Beispiel auf das Verbandsklagerecht. Dies werde den Tierschutz nicht fördern, sondern blockieren. Notwendig sei ein Ende "ideologisch aufgeladener Feldzüge" und staatlicher Bevormundung.
    Die Einheit von Ökonomie und Ökologie betonte Hans Christian Markert (GRÜNE); er lobte den Ausbau von Verbraucherberatung und Umweltverwaltung. Die Intensivlandwirtschaft sei gerade dabei, "die Festplatte unserer Natur in NRW zu löschen", warnte Norwich Rüße (GRÜNE).
    Die Landesregierung bediene seit Jahren in erster Linie die Interessen von industriellen Tierhaltern, Fleischgroßhandel und Pharmaindustrie, so Simone Brand (PIRATEN). Im Bereich des Umweltschutzes, also des Kernbereichs grüner Politik, sei die Bilanz wirklich mager.
    Landwirtschaftsminister Johannes Remmel (GRÜNE) vermisste bei der Opposition Antworten auf Zukunftsfragen. Es gehe um mehr als um Filteranlagen für Schweineställe und Hubertusmessen. Er wolle sicherstellen, dass Strukturen im ländlichen Raum dauerhaft Bestand haben.

    Klimaschutz

    Rainer Deppe (CDU) war dafür, das vorgelegte Klimaschutzgesetz zurückzuziehen: Es sei schädlich. Außerdem sollten endlich Windenergieanlagen im Wald genehmigt und der Antragsstau abgearbeitet werden.
    Der Klimaschutz sei Motor für Innovation, Wandel und Arbeitsplätze, betonte Norbert Meesters (SPD). Schwarz-Gelb habe die Förderung erneuerbarer Energien wie der Windenergie sträflich vernachlässigt.
    Ein Denkmal wollten sich die GRÜNEN mit dem Klimaschutzgesetz setzen, vermutete Hennig Höne (FDP). Aber man springe zu kurz. NRW sei keine Insel und niemandem sei mit 16 Länderklimaschutzgesetzen gedient.
    Die Vorreiterrolle des Landes mit dem Gesetz unterstrich dagegen Wibke Brems (GRÜNE). Man müsse handeln, nicht vertagen, denn der Klimawandel schreite fort. Das Zeitfenster werde immer kleiner.
    Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN) forderte eine regionale und lokale Energiewende. Dafür müssten den Kommunen Mittel zufließen. Diese solle man beim Rückbau des stillgelegten Reaktors in Hamm einsparen.
    In NRW werde der Klimaschutz als Gemeinschaftswerk mit Industrie, Wirtschaft, Kirchen und Gewerkschaften angegangen, erklärte Umweltminister Johannes Remmel (GRÜNE). Dies stehe im Gegensatz zur Bundespolitik.

    Justizministerium

    Den Personalmangel im Justizbereich beklagte Jens Kamieth (CDU). Es sei "schädlich", wenn der Minister über ein neues Amt für Justiz nachdenke. Die Vorgängerregierung habe die erforderlichen JVA-Neubauten geschaffen. Jetzt gebe es lediglich eine Zusage für Münster.
    Neubauten allein seien keine Lösung, wenn man darüber wie Schwarz-Gelb die Aufstockung des Personals vernachlässige, betonte Sven Wolf (SPD). Rot-Grün habe daher mehr Stellen geschaffen, mehr Mittel bereitgestellt und baue die Sicherungsverwahrung in Werl aus.
    Dirk Wedel (FDP) vermisste einen klaren Kurs in der Justizpolitik. Das setze voraus, dass der Minister seine eigenen Ziele kenne und benenne. So etwa bei der Dienstrechtsreform und auf dem Gebiet der Prävention und des Opferschutzes. Beides solle zur Chefsache werden.
    Es gebe wenig Spielraum im Justizhaushalt, räumte Dagmar Hanses (GRÜNE) ein. Die Bauten stammten aus drei Jahrhunderten. Es gebe einen Investitionsstau von zwei Milliarden Euro. Das könne in einem nachhaltigen Haushalt nur Stück für Stück angegangen werden.
    Er halte nichts davon, umgewandelte bisher zeitlich befristete Stellen als neue Stellen zu definieren, führte Dietmar Schulz (PIRATEN) aus. Seine Fraktion verlange, deutlich mehr neue Stellen für neue Köpfe in Positionen an relevanten Stellen zu schaffen.
    Die Personalsituation habe sich schon verbessert, unterstrich Justizminister Thomas Kutschaty (SPD). Bauen sei das eine - aber es komme vor allem auf die Inhalte, auf ein vernünftiges Konzept für den Strafvollzug an. Dazu werde Rot- Grün ein Gesetz vorlegen.

    Ministerpräsidentin und Staatskanzlei

    Eine Haushaltdebatte am Jahresende habe bestenfalls noch historischen Charakter, befand Werner Jostmeier (CDU). Rot-Grün missachte Parlamentsrecht und Verfassung, mache ungeniert neue Schulden und habe die WestLB-Milliarde zu spät eingerechnet.
    Krafts Etat sei "maßvoll" und "vernünftig", konterte Markus Töns (SPD). Insgeheim scheine die Opposition Krafts Arbeit hoch zu schätzen, denn es lägen keine Änderungsanträge vor. Schwarz-Gelb sei die größte Schuldenmacherin aller Zeiten gewesen.
    Für 2012 sei schon alles gelaufen, erklärte Christof Rasche (FDP) die ausgebliebenen Anträge. Doch sei Kraft auch verantwortlich für den Gesamthaushalt mit neuen Schulden trotz "Rekordsteuereinnahmen": Rot-Grün finanziere Wahlgeschenke auf Pump.
    "Versprechungen auf Pump?", fragte Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) irritiert und verwies auf das von der Bundesregierung geplante Betreuungsgeld. Zudem verteidigte er: Der Finanzminister habe den Haushalt nach der Neuwahl so früh wie möglich vorgelegt.
    Er habe kaum etwas zu Krafts Etat gehört, kritisierte Michele Marsching (PIRATEN) und schlug erneut vor, diesen zu erhöhen, um einen Arbeitskreis "Open Government" (OG) zu starten. Darauf habe Krafts "Regierung der Einladung" bisher aber nicht reagiert.
    Erste OG-Aktivitäten seien einbezogen, sagte Europaministerin Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD). Weitere folgten. Die späte Etatdebatte sei auch für die Regierung "unbefriedigend". Inhaltlich lobte sie, die Ministerpräsidentin spare bei sich selbst zuerst.

    Landesplanung

    "Informieren Sie das Parlament endlich über Ihre Pläne", forderte Hendrik Schmitz (CDU) die Regierung auf. In Sachen angekündigter Landesplanungs- Novelle sei bislang nichts passiert.
    Rot-Grün habe bereits "kluge" Weichen gestellt, betonte Rainer Schmeltzer (SPD). Zudem werde sie Landesentwicklungsplan und -programm zusammenfassen. Dies habe Schwarz- Gelb versäumt.
    Holger Ellerbock (FDP) warf Krafts Kabinett vor, die Landesplanung als strategisches Werkzeug "zu Grabe" zu tragen. Der von der Regierung geplante Klimaschutzplan sei übermächtig.
    Klimaziele, Flächensparen und Ressourcenschutz: Das seien die Schwerpunkte des neuen Entwicklungsplans, lobte Herbert Franz Goldmann (GRÜNE). Die Staatskanzlei sei auf einem guten Weg.
    Keine der fünf Fraktionen habe einen Antrag zum Etat des Landesentwicklungsplans gestellt, bemerkte der PIRATEN-Sprecher Michele Marsching: "Anscheinend ist das Ding zustimmungsfähig."
    Für den neuen Landesplan laufe derzeit die Ressortabstimmung, so Ministerin Dr. Angelica Schwall- Düren (SPD). Den Teilplan zum großflächigen Einzelhandel habe die Regierung bereits vorgezogen.

    Europa und Eine Welt

    Weniger Mittel zur Pflege der Beziehungen zu Holland und Belgien, mehr für die Dritte Welt: Das müsse für die Nachbarländer wie ein Affront wirken, befürchtete Henning Rehbaum (CDU). Die Schwerpunkte würden in die falsche Richtung verschoben.
    Markus Töns (SPD) betonte, die Europafähigkeit der Kommunen müsse ebenso gestärkt werden wie deren Fähigkeit zur Zusammenarbeit in der Entwicklungshilfe. Mit dem vorliegenden Etat gingen von NRW wichtige entwicklungspolitische Impulse aus.
    Die erhöhten Mittel für entwicklungspolitische Zusammenarbeit würden von den Kommunen nicht abgerufen, kritisierte Holger Ellerbrock (FDP). Das sollte man zurückfahren und zuständigkeitshalber dem Bund überlassen. "Heiße Luft" war sein Urteil.
    Bei ohnehin geringen Europamitteln lasse sich nichts einsparen, fand Stefan Engstfeld (GRÜNE). Stattdessen solle man weiter am "Haus Europa" bauen. Engstfeld verteidigte die Arbeit der Koordinatoren und die entwicklungspolitische Bildungsarbeit.
    Er vermisse inhaltliche Leitlinien - "Diskussionsrunden und Infobroschüren ersetzen keine europapolitische Landesstrategie", urteilte Nico Kern (PIRATEN). Die europa- und entwicklungspolitische Grundausrichtung der Regierung unterstütze man aber.
    Europaministerin Angelica Schwall-Düren (SPD) sah keine Vernachlässigung der Benelux-Zusammenarbeit. Das Programm des Landes sei so erfolgreich, dass der Bund es kopieren wolle. Zudem unterstrich sie die Beziehungen zu Israel und den USA.

    Medien

    Der CDU-Abgeordnete Thorsten Schick verglich die Medienpolitik der Landesregierung mit einem U-Boot, das abtauche und beobachte, wie sich die Medienlandschaft entwickle.
    Ganz anders sah das Alexander Vogt (SPD): "NRW ist im Medienbereich gut aufgestellt." Es gebe über 65.000 Unternehmen, die zukunftssichere Arbeitsplätze schafften.
    Thomas Nückel (FDP) konstatierte, dass NRW als Medienland wenig Ausstrahlung habe und machte dafür die medienpolitische Untätigkeit der Landesregierung verantwortlich.
    Für den GRÜNEN-Abgeordneten Oliver Keymis hat die Landesregierung im Hinblick auf die Medienpolitik Kontinuität gezeigt und wichtige Entwicklungspotenziale weitergeführt.
    Der Abgeordnete der PIRATEN Daniel Schwerd hob die Bedeutung der digitalen Medien als Innovationsmotor hervor, der für positive Effekte in anderen Branchen sorge.
    Die Vermittlung von Kompetenz, die Förderung von Qualität und Vielfalt sowie die Stärkung des Standorts NRW haben für Medienministerin Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD) Vorrang.

    Wirtschaft, Industrie, Mittelstand und Handwerk

    Die Wirtschaftspolitik in Nordrhein-Westfalen werde üppig verwaltet, kritisierte Hendrik Wüst (CDU) steigende Verwaltungskosten. Gleichzeitig könne das Klimaschutzgesetz zur Deindustrialisierung führen. Außerdem sei das duale Ausbildungssystem gefährdet.
    Der Mittelstand sei das Fundament des Erfolgs, betonte Elisabeth Müller-Witt (SPD). Daher habe man diesen auch besonders im Fokus. Gleichzeitig werde der Strukturwandel der Industrie begleitet. Dies zeige der verantwortliche Einsatz von Fördermitteln.
    Durch Klimaschutzgesetz sowie die Erhöhung des Wasserentnahmeentgelts erleide die Industrie in NRW Wettbewerbsnachteile, so Ralph Bombis (FDP). Mittelstand und Handwerk würden durch Neuregelungen beim Ladenschluss oder beim Nichtraucherschutz bedroht.
    Das Klimaschutzgesetz werde auch wirtschaftlich einen Vorteil bringen, so Daniela Schneckenburger (GRÜN Preuss >Preuß (CDU). Rot-Grün bewege auf dem wichtigen Feld "Gesundheit" nichts.
    Die Gesundheitspolitik der Regierung werde erfolgreich sein, konterte Angela Lück (SPD). Sie führe zu einer flächendeckenden und bedarfsgerechten Versorgung für alle - von der Prävention bis zur Palliativmedizin.
    Der Etat sehe eine "überflüssige Institution nach der anderen" vor, kritisierte Susanne Schneider (FDP). Darüber hinaus müssten geschlechterspezifische Unterschiede im Gesundheitsbereich stärker beachtet werden.
    Ortsnahe Arztversorgung, Prävention, psychosoziale Hilfen für Heranwachsende und neue Wohn- und Pflegeformen - da setze Rot- Grün Schwerpunkte, sagte Arif Ünal (GRÜNE). Die Altenpflegeumlage zeige bereits erste Wirkung.
    Der demografische Wandel komme nicht überraschend, betonte Lukas Lamla (PIRATEN): "Man hat es einfach verpennt." Es sei Zeit zu handeln. Seine Fraktion werde die Regierung "in ihrem guten Bestreben" unterstützen.
    Auch Gesundheitsministerin Barbara Steffens (GRÜNE) bewertete die Altenpflegeumlage mit 2.100 zusätzlichen jungen Azubis als "überwältigenden Erfolg". Im Übrigen sei die Krankenhausrahmenplanung nun abgeschlossen.

    Emanzipation

    Bei der Emanzipation der Frauen leide NRW nicht unter fehlenden Beratungseinrichtungen, so Regina van Dinther (CDU). Notwendig sei die Lösung ganz konkreter Benachteiligungen.
    Die von Schwarz-Gelb überrollte Beratungsstruktur habe Rot-Grün wieder aufgestockt, so Gerda Kieninger (SPD): Auch habe man in Frauenhäusern die zweite Fachstelle wieder eingerichtet.
    Ein Mehr an Geld ersetze kein Konzept, antwortete Susanne Schneider (FDP). Die Landesregierung mache sich wenig Gedanken über den tatsächlichen Nutzen der Kompetenzzentren.
    Diese Zentren berieten die Unternehmen vor Ort, erklärte Josefine Paul (GRÜNE). Mittlerweile hätte man sie in nahezu allen Arbeitsmarktregionen in NRW erfolgreich gestaltet.
    Die Bedeutung eines selbstbestimmten Lebens betonte Birgit Rydlewski (PIRATEN). Es sei richtig, Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle und Transgender verstärkt zu fördern.
    Den Kampf gegen Homo- und Transphobie hob auch Ministerin Barbara Steffens (GRÜNE) hervor. Daneben unterstrich sie den Gewaltschutz und die Integration von Frauen ins Berufsleben.

    (siehe Fortsetzung)

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt

    ID: LI121102

  • Über Rekordzahlen, Fehler und Verantwortung.
    Zweite Lesung Haushalt: Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition (Fortsetzung).
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 4-9 in Ausgabe 11 - 28.11.2012

    Bauen und Wohnen

    Als rückwärtsgewandt disqualifizierte Klaus Voussem (CDU) die Wohnungs- und Baupolitik von Rot-Grün. Zudem stehe sie in eklatantem Widerspruch zu früheren eigenen Forderungen.
    Reiner Breuer (SPD) legte den Akzent auf eine stärker sozialräumliche Orientierung bei der Förderung. Für den sozialen Wohnungsbau würden wieder 850 Millionen bereitgestellt.
    In der Konzentration der Förderung auf Ballungsgebiete sah Holger Ellerbrock (FDP) die Gefahr, dass die ländlichen Regionen zu kurz kommen könnten. Das müsse austariert werden.
    Der Bund ziehe sich aus der Verantwortung für die Stadtentwicklung zurück, so Daniela Schneckenburger (GRÜNE). Das sei doppelt dumm: haushaltspolitisch und volkswirtschaftlich.
    Es sei richtig, dass die Regierung mehr auf sozialen Wohnungsbau als auf Eigenheimförderung setze, sagte Oliver Bayer (PIRATEN). Sie solle die Mittel auf das Niveau von 2010 aufstocken.
    Schwarz-Gelb habe in nur einem Jahr 600 Millionen Euro für Eigentumsförderung "verschleudert", so Wohnungsbauminister Michael Groschek (SPD). In Zukunft heiße es "weniger und anders".

    Stadtentwicklung und Verkehr

    "Rot-Grün hat einen beispiellosen Planungsstopp für Straßenbauvorhaben vorgelegt", kritisierte Arne Moritz (CDU). Seine Fraktion wolle den Ausbau hingegen vorantreiben.
    Dem hielt Rainer Breuer (SPD) entgegen, dass sich die Landesregierung auf den Erhalt und die Optimierung der vorhandenen Infrastruktur vor dem Bau neuer Projekte konzentriere.
    Der FDP-Abgeordnete Christoph Rasche forderte aufgrund des drohenden Verkehrsinfarkts in NRW dringend mehr Investitionen im Verkehrsbereich und zukunftsweisende Konzepte.
    Für Arndt Klocke (GRÜNE) steht der vorgelegte Haushalt mit Ausgaben in Höhe von 1,5 Milliarden Euro für ÖPNV und SPNV klar für eine moderne ökologische Mobilitätspolitik.
    Oliver Bayer (PIRATEN) bewertete den bevorstehenden Verkehrswandel als Chance, eine Verkehrswende zu gestalten. Die Probleme des Verkehrssystems erforderten neue Lösungen.
    Die Landesregierung setze durch den Erhalt von Infrastruktur anstelle von Neubau die Priorität auf präventive Verkehrspolitik, bekräftigte Verkehrsminister Michael Groschek (SPD).
    bra, cw, zei, Jürgen Knepper

    Zusatzinformation:
    Eckdaten zum Haushalt
    Der Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen wird für das Haushaltsjahr 2012 in Einnahmen und Ausgaben auf rund 58,8 Milliarden Euro festgestellt. Die Steuereinnahmen werden im neuen Haushaltsplan 2012 mit 43,1 Milliarden Euro angesetzt. Die Nettoneuverschuldung soll 3,6 Milliarden Euro betragen. Hinzu kommt allerdings 1 Milliarde Euro als Sonderlast für die Restrukturierung der WestLB.

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt

    ID: LI121120

  • Dreiklang oder "Missklang"?
    Hartes Ringen um Schulden und Investitionen.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 11 - 28.11.2012

    28. November 2012 - Die vorläufige Haushaltsführung ist zu Ende, der Haushalt 2012 unter Dach und Fach: Mit den Stimmen der rot-grünen Regierungsmehrheit setzte die Landesregierung ihre Politik eines "Dreiklangs" aus Sparen, Investitionen und Einnahmeverbesserungen, wie sie selbst erklärte, durch. Alle drei Oppositionsfraktionen kritisierten, teils mit unterschiedlicher Begründung, mangelnden Sparwillen. Anders als in den Vorjahren gestaltete sich die dritte Lesung nicht als Generaldebatte des Regierungshandelns, sondern als Schlagabtausch über die Grundzüge der Haushalts- und Finanzpolitik.
    Die CDU-Fraktion lehne den Haushaltsentwurf der Landesregierung ab, weil er die Schuldenlast des Landes in unverantwortlicher Weise erhöhe, so Dr. Marcus Optendrenk. "Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen ist das Schlusslicht bei der Haushaltskonsolidierung unter allen Bundesländern", kritisierte er und unterstellte der Regierung Kraft, weder jetzt noch in Zukunft ernsthaft sparen zu wollen. Für den CDU-Politiker ist präventive Schuldenmacherei weder nachhaltig noch wirkungsvoll. Sie stelle eine schwere Hypothek für die Zukunftsfähigkeit dar. Im Gegensatz zu NRW gebe es sechs andere Bundesländer, die in ihren Haushaltsplänen mindestens eine schwarze Null schreiben könnten, einige von ihnen tilgten sogar schon Altschulden. Das zeuge davon, dass diese Länder sich den Herausforderungen des demografischen Wandels stellten und ihre Ausgaben nach verfügbaren Mitteln planten. Die Neuverschuldung im NRW-Haushalt weise aber nach oben und nicht nach unten. "Wie so die Schuldenbremse 2020 zu schaffen sein soll, ist ein Rätsel", konstatierte Optendrenk. Positiv zu vermerken sei lediglich, dass die geplanten Einnahmen aus dem Schul- und Studienfonds aus dem Etat gestrichen worden seien und die Milliarden-Ausgabe für die WestLB letztendlich doch in den Haushaltsplan aufgenommen worden sei.
    Der vorliegende Haushaltsentwurf sei mit gezielten Zukunftsinvestitionen verknüpft, entgegnete Martin Börschel (SPD). Eine Haushaltssanierung durch Raubzüge in kommunalen Kassen sei mit Rot-Grün nicht zu machen: "Wir dürfen die Kommunen nicht allein lassen." Zudem sende der Haushalt ein weiteres wichtiges Signal. So stelle das Land erste Gelder für den Aufbau von Ausbildungsmöglichkeiten für Mediziner in Ostwestfalen-Lippe bereit, um dem Ärztemangel im ländlichen Raum entgegenzuwirken. Darüber hinaus seien wesentliche Ziele der Landesregierung wie die Stärkung der frühkindlichen Bildung oder die Abschaffung der Studiengebühren in den Entwurf eingeflossen und sorgten so für mehr soziale Gerechtigkeit. Börschel widersprach dem Vorwurf der Opposition, die Haushaltskonsolidierung nicht ernst genug zu nehmen und verwies darauf, dass man die Nettoneuverschuldung immerhin auf 4,2 Milliarden Euro gesenkt habe, trotz der Sondereffekte aufgrund der Einberechnung der WestLB-Risiken. Der SPD-Sprecher zeigte sich enttäuscht über eine aus seiner Sicht wenig konstruktive Teilnahme der Opposition an der Haushaltsdebatte. Lediglich die PIRATEN hätten sich mit allerdings unrealistischen, nicht finanzierbaren Vorschlägen in die Debatte eingebracht und damit quasi die Rolle der LINKEN übernommen.
    "Dieser Haushalt ist verfassungskonform, weil er rechtzeitig eingebracht wurde." Mit diesen Worten begann der GRÜNEN-Abgeordnete Mehrdad Mostofizadeh seine Abrechnung mit den Vorwürfen der Opposition. Dabei sei der Haushaltsentwurf auch mit den eingebrachten Änderungsvorschlägen konsequent und zukunftsweisend. Wichtig seien beispielsweise die neuen finanziellen Mittel, die für die U3-Förderung bereitgestellt würden, damit der Ausbau auch entsprechend vorangetrieben werden könne. Bei den Positionen, die die Opposition vertrete, lasse sich allerdings keine klare Linie erkennen. "Wo soll denn eigentlich gespart werden?", fragte der GRÜNEN-Politiker bei der Opposition nach. Auch die Forderungen nach weniger Steuersenkungen auf Pump, keinen Stelleneinsparungen bei der Polizei und mehr Fachstellen bei der Justiz seien für ihn so nicht nachvollziehbar. Gerade bei der CDU gebe es zu bestimmten Themen wie beispielsweise beim Ehegattensplitting sehr unterschiedliche Auffassungen, die sich zum Teil sogar widersprächen. Die Landesregierung verliere entgegen der Ansicht der Opposition ihre Sparziele keineswegs aus den Augen und der kommende Haushalt 2013 werde mit größeren Einsparvorhaben davon Zeugnis ablegen. Auch zukünftig werde Rot-Grün eine konsistente Politik für NRW betreiben.
    Fünf verlorene Jahre für die Haushaltskonsolidierung und Generationengerechtigkeit sah Ralf Witzel (FDP) vor Nordrhein-Westfalen liegen. Der Haushalt 2012 forciere die Staatsschuldenkrise, denn die Regierung finanziere mit Sozialticket, beitragsfreiem Studium und beitragsfreien Kita- Jahren Wahlgeschenke und Staatsexpansion auf Pump. Damit nehme sie der jungen Generationen, die dies später "bitter" bezahlen müsse, notwendigen Gestaltungsspielraum. Witzel sah angesichts historisch höchster Steuereinnahmen und gleichzeitig niedriger Zinsen derzeit Idealbedingungen für den Abbau von Schulden gegeben. Angesichts von 4,3 Milliarden Euro neuer Schulden unter Bestbedingungen sei eine grundlegende Kurskorrektur "dringlich". "NRW hat kein Einnahmeproblem, sondern ein massives Ausgabeproblem", so der FDP-Sprecher. Der Schuldenstaat müsse aus den Fesseln der Finanzwirtschaft befreit werden. Die dazu notwendige Schuldenbremse bedinge harte Sanktionen und die Überprüfung aller Staatsausgaben. Fallen müssten "Überstandards" in der Umweltbürokratie, im Baurecht und in der Personalratsarbeit. Im Übrigen sei der Haushalt 2012, wenn er ins Gesetzblatt komme, zu elf Zwölftel bereits vollzogen, daher habe es keinen Sinn gemacht, Änderungsanträge mit Blick auf strukturelle Konsolidierung vorzulegen.
    Seine Fraktion habe gelernt, dass es nicht möglich sei, die Schulden auf den Mond zu schießen, erklärte Dietmar Schulz (PIRATEN). Am Steuerknüppel des Schuldenraumschiffs sitze dabei die Regierungskoalition. Ein Schuldenhaushalt wie der vorliegende sei nicht zwingend geboten. "Vernünftige" Anträge seien bei der Haushaltsberatung niedergestimmt worden. Milliardenforderungen hätte seine Fraktion dabei nicht gestellt. Der Haushalt beinhalte jetzt rund 4,2 Milliarden Euro von ursprünglich geplanten 4,75 Milliarden Euro an Krediten. Die gesamten Forderungen seiner Fraktion in den Haushaltsberatungen hätten Ausgaben von 470 Millionen Euro umfasst. Nicht bewilligt worden sei zum Beispiel die Forderung nach Anhebung des Verbundsatzes zugunsten der Städte und Gemeinden. Es werde notwendig sein, die haushaltspolitischen Daumenschrauben dort anzusetzen, wo seine Fraktion dies gefordert habe. Mit Verweis auf die Ausgaben für die WestLB kritisierte Schulz den vorliegenden Haushalt als Beleg für eine Politik der "Verlustsozialisierung". Angesichts bereits feststehender Minderausgaben stelle sich für ihn die Frage, ob es die Landesregierung mit dem Dreiklang Sparen, Zukunftsinvestitionen und Einnahmeverbesserungen ernst meine. Dieser Dreiklang sei für ihn eher ein "Missklang", betonte der Sprecher der PIRATEN.
    Dem einen seien die Ausgaben zu hoch, dem anderen zu niedrig, also müsse der Weg der Landesregierung richtig sein, schlussfolgerte Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans (SPD). Es habe keinen Haushalt gegeben, der im Parlament so lange diskutiert worden sei wie dieser; schließlich habe er seit einem Jahr vorgelegen. Bei der Landtagswahl, bei der auch das Thema "Finanzen" im Mittelpunkt gestanden habe, hätten die Menschen der rot-grünen Regierung ein klares Mandat für die von ihr propagierte Politik des Dreiklangs gegeben. Zur Generationengerechtigkeit gehöre es nämlich eben auch, neben Sparen auch in Bildung, Infrastruktur und öffentliche Sicherheit zu investieren. Man könne nicht allem den Boden entziehen, plädierte Walter-Borjans für eine "nachhaltige Konsolidierung", die auch den sozialen Zusammenhalt berücksichtige. Bei der Verschuldung pro Kopf liege Nordrhein-Westfalen im Vergleich aller Bundesländer nicht am Ende, sondern im Mittelfeld. Außerdem zahle NRW im Umsatzsteuerausgleich 2,4 Milliarden Euro ein und erhalte am Ende 200 Millionen Euro zurück. Hinsichtlich der Kritik an der WestLB hob der Minister die Bedeutung dieser Bank bei der Bewältigung des Strukturwandels hervor. Zur Schuldenbremse erklärte er schließlich, dass NRW diese im Normalfall einhalten werde.
    cw, zei

    Zusatzinformation:
    Der Haushalt 2012 (Drs. 16/300) sowie das Gemeindefinanzierungsgesetz (Drs. 16/302) wurden mit den Stimmen von SPD und GRÜNEN, das Stärkungspaktfondsgesetz (Drs. 16/176) mit den Stimmen von SPD, GRÜNEN und FDP angenommen. Alle Reden zur dritten Lesung unter dem QR Code.

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt; 8200 Finanzverwaltung

    ID: LI121108

  • Eiskirch, Thomas (SPD); Wüst, Hendrik (CDU); Schneckenburger, Daniela (Grüne); Bombis, Ralph (FDP); Schwerd, Daniel (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag:"Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum Thema Mittelstandsförderung.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 8-9 in Ausgabe 10 - 07.11.2012

    Für mittelständische Unternehmen bedeutet der vorliegende Gesetzentwurf ...

    Thomas Eiskirch (SPD) ... eine Verbesserung ihrer Rahmenbedingungen, weil sie zukünftig frühzeitiger als in jedem anderen Bundesland bei geplanten Gesetzen und Verordnungen mitwirken können. Dass die Dialogorientierung damit Gesetz wird, dokumentiert die Wertschätzung der Landesregierung für die kleinen und mittelständischen Unternehmen in unserem Land.
    Hendrik Wüst (CDU) ... keine nennenswerte Verbesserung zur jetzigen Rechtslage. Das Mittelstandsgesetz wird die gravierenden Belastungen für den Mittelstand etwa durch das Tariftreue- und Vergabegesetz, das Klimaschutzgesetz, das Nichtraucherschutzgesetz und die Erhebung des Wasserentnahmeentgelts nicht ausgleichen können.
    Daniela Schneckenburger (Grüne) ... dass sie zukünftig bei der Prüfung von Gesetzen, die mittelstandsrelevant sind, besonders berücksichtigt werden. Der Mittelstand als Rückgrat der Wirtschaft trägt maßgeblich zu Stabilität und Wachstum bei und bedarf so der besonderen Unterstützung durch die Politik. Das nehmen wir mit diesem Gesetz ernst.
    Ralph Bombis (FDP) ... zunächst nicht viel. Der Gesetzentwurf beschreibt sinnvolle Ziele wie Bürokratieabbau, die Erhöhung des mittelständischen Innovationspotenzials sowie die Pflege der Kultur der Selbstständigkeit. Im Konkreten bietet das Gesetz aber keine handfesten Verbesserungen für den Mittelstand - das ist enttäuschend.
    Daniel Schwerd (PIRATEN) ... noch wenig greifbare Verbesserungen, aber die richtige Absicht. Dass der Clearingprozess transparent und neutral stattfinden soll, ist zu begrüßen. Es ist sicherzustellen, dass alle interessierten Kreise daran offen teilnehmen können und Ergebnisse transparent sind.

    Die Interessen von Kleinunternehmen, Handwerksbetrieben und freien Berufen ...

    Thomas Eiskirch (SPD) ... werden zukünftig mithilfe der Clearingstelle stärker gebündelt und koordiniert. Das verbessert die Möglichkeiten für Freiberufler, Kleinunternehmen und das Handwerk, sich mit ihren berechtigten Anliegen in der Politik Gehör zu verschaffen.
    Hendrik Wüst (CDU) ... müssen wieder stärker in den Fokus der Landesregierung gerückt werden. Den Sonntagsreden von Minister Duin muss endlich konkrete Politik für Kleinunternehmer, Handwerker und Freiberufler folgen.
    Daniela Schneckenburger (Grüne) ... werden durch die Mittelstandsverträglichkeitsprüfung in angemessener Weise in den Beratungsprozess von Vorhaben der Landesregierung einbezogen und berücksichtigt. Dies geschieht im Zusammenwirken mit den Verbänden der kleinen und mittelständischen Unternehmen.
    Ralph Bombis (FDP) ... werden durch Rot-Grün in NRW in vielen anderen Bereichen schlecht vertreten. Beispiel Gemeindewirtschaftsrecht - in den Kommunen dürfen städtische bzw. staatliche Unternehmen dem Mittelstand wieder die Aufträge wegnehmen. Eine konsequent mittelstandsfreundliche Politik würde das nicht zulassen.
    Daniel Schwerd (PIRATEN) ... dürfen denen von großen Unternehmen nicht untergeordnet werden. Kleine Unternehmer stellen das Rückgrat und die Basis unserer Wirtschaft dar, speziell sie müssen geschützt und gefördert werden.

    Betriebliche Interessenvertretungen ...

    Thomas Eiskirch (SPD) ... werden für den nachhaltigen unternehmerischen Erfolg immer wichtiger. Die positiven Auswirkungen der sozialen Partnerschaft und der Mitbestimmung auf das Betriebsklima, die innerbetriebliche Weiterbildung und betriebliche Reorganisationsmaßnahmen sind vielfach empirisch belegt.
    Hendrik Wüst (CDU) ... sind ein Kernelement der sozialen Marktwirtschaft, gehören aber in das Betriebsverfassungsgesetz und nicht in ein Mittelstandsfördergesetz.
    Daniela Schneckenburger (Grüne) ... sind ein wichtiger Bestandteil der innerbetrieblichen Zusammenarbeit. Ihre Mitwirkung ist für uns ein wesentlicher Faktor für den Erfolg von mittelständischen Unternehmen. Auf die Verbesserung dieser Zusammenarbeit mit den Unternehmen hinzuwirken, ist auch ein Ziel des Gesetzes.
    Ralph Bombis (FDP) ... sind wichtiger partizipatorischer Bestandteil der Sozialen Marktwirtschaft. Bei kleinen und mittelständischen Betrieben findet Mitwirkung weniger formalisiert statt als bei tarifgebundenen Unternehmen. Mittelständler sind oft Familienbetriebe, wo Unternehmer und Mitarbeiter partnerschaftlich zusammenarbeiten.
    Daniel Schwerd (PIRATEN) ... sollen den Bestand des Unternehmens selbst im Blick haben. Entscheidungen, die es langfristig sichern, sind zu bevorzugen. Der kurzfristige Gewinn ist dem langfristigen Erfolg und dem Wohlergehen der Menschen unterzuordnen.

    Mittelstandsförderung sowie Sozial-, Gesundheits- und Umweltschutz ...

    Thomas Eiskirch (SPD) ... sind keine Gegensätze, sondern können sich mithilfe der dialogorientierten Wirtschaftspolitik gegenseitig stärken.
    Hendrik Wüst (CDU) ... sind in einen vernünftigen Ausgleich zu bringen. Mittelstandsförderung darf nicht an utopischen und realitätsfernen Sozial-, Gesundheitsund Umweltstandards scheitern.
    Daniela Schneckenburger (Grüne) ... sind keine Gegensätze. Unternehmen sind dann erfolgreich, wenn sie ihre Beschäftigten wertschätzen und die Verantwortung ihnen gegenüber wahrnehmen. Umweltschutz ist keine ordnungspolitische Hürde, sondern sollte als Herausforderung für Innovation und zur Erschließung neuer Märkte begriffen werden.
    Ralph Bombis (FDP) ... sind für die mittelständischen Unternehmen in der Praxis selbstverständlich. Die Wirtschaft darf aber durch gesetzliche Vorgaben zum Beispiel durch das Klimaschutzgesetz nicht überfrachtet werden. So werden Entwicklungschancen und Arbeitsplätze gefährdet, ohne tatsächliche Verbesserungen zu erreichen.
    Daniel Schwerd (PIRATEN) ... gehen Hand in Hand. Nachhaltigkeit als primäres Ziel wirtschaftlichen Handelns bedingt die Berücksichtigung sozialer Belange, der Gesundheit der Menschen und des Umweltschutzes, denn nur so wird der Mittelstand langfristig gesichert. Und sie bietet neue Chancen.

    ID: LI121013

  • Neuer Aufbruch.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 9 - 28.09.2012

    "Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne" ... mögen sich manche Abgeordneten gedacht haben, als sie am 7. Plenartag dieser jungen Legislaturperiode den alten, neuen Plenarsaal betraten. Vertraut und doch anders präsentierte sich das Mobiliar im Hohen Haus. Neue Tische, neue Bestuhlung: eine neue Optik, ein neuer Geruch, neue Bedienelemente - vieles war neu an diesem ersten Plenartag nach der Sommerpause.
    Und auch politisch war es ein neuer Aufbruch. Als solchen kann man jedenfalls die Regierungserklärung zu Beginn einer Legislaturperiode bezeichnen, in der die Regierungschefin oder der Regierungschef die politische Weichenstellung für die kommenden Jahre erläutert. Hier werden Zielsetzungen, Schwerpunkte, Zusammenhänge und Methoden vorgetragen und den gewählten Abgeordneten, aber auch den Bürgerinnen und Bürgern erklärt.
    Dass dies Zustimmung in den eigenen Reihen, diesmal bei den Regierungsfraktionen von SPD und GRÜNEN, ebenso hervorruft wie Kritik bei den Oppositionsfraktionen, diesmal CDU, FDP und PIRATEN, ist verständlich. Der Landtag hat als gewählte Volksvertretung die Aufgabe, die Landesregierung zu kontrollieren. Also nachzufragen und - wo es geboten ist - Ziele zu hinterfragen und den Weg anzuzweifeln. Von dieser Möglichkeit haben die genannten Oppositionsparteien bei der Aussprache über die Regierungserklärung auch jetzt wieder Gebrauch gemacht. Sie lesen dies auf den Seiten 3 bis 5.
    Dieser richtungsweisenden Debatte folgte direkt eine zweite: die Einbringung des Haushalts 2012. Da sich der Landtag in der Auseinandersetzung über den Haushalt des laufenden Jahres im März aufgelöst hatte, musste das Zahlenwerk nach erfolgter Landtagswahl nun neu eingebracht werden. Die Landesregierung verteidigte dabei ihren ursprünglich eingeschlagenen Kurs, die Opposition zog ihn wie schon zu Beginn des Jahres in Zweifel. Besonders umstritten: die Frage, ob und wie Haushaltskonsolidierung und die Erfüllung staatlicher Aufgaben unter einen Hut gebracht werden können (auch dies in diesem Heft, Seiten 6 bis 8).

    Bürgernaher Landtag

    Der Landtag ist den Bürgerinnen und Bürgern nah; rund 70.000 Besucherinnen und Besucher jährlich im Düsseldorfer Parlamentsgebäude verdeutlichen dies. Und die Mitglieder des Landtagspräsidiums haben bereits bei zwei Regionenreisen gezeigt, wie sie sich vor Ort mit den Anliegen der Menschen beschäftigen. Die dritte Regionenreise führte nun in die Eifel (Seite 9). Und da dreimal im Rheinland bereits eine (gute) Tradition darstellt, wird dieses Engagement auch fortgesetzt.
    cw

    ID: LI120902

  • Raus aus dem Dunstkreis.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 8 - 12.09.2012

    Verqualmte Büros, verrauchte Bahnhöfe und vernebelte Restaurants: Jahrelang gehörten Glimmstängel in Deutschland immer und überall wie selbstverständlich dazu. Breit gesellschaftlich akzeptiert machten sie gar Karriere als Statussymbol. Dem allgegenwärtigen Dunstkreis entkommen? Kaum eine Chance. Wer nicht selbst rauchte, rauchte zwangsweise mit - erhöhtes Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Lungenkrebs inklusive.
    Das hat sich in den vergangenen Jahren allmählich gewandelt, auch dank des steigenden Gesundheitsbewusstseins in Politik und Gesellschaft. Laut dem Deutschen Krebsforschungszentrum enthält Tabakrauch über 4.800 verschiedene Substanzen, wovon rund 70 krebserregend sind, beziehungsweise im Verdacht stehen, Krebs zu erzeugen.
    Ob auf dem Arbeitsplatz, in öffentlichen Gebäuden, Freizeiteinrichtungen oder der Gastronomie: Nichtraucherinnen und Nichtraucher sind verstärkt in den Fokus sowohl der bundes- wie auch landespolitischen Debatte gerückt. Nordrhein-Westfalen hat vor gut vier Jahren unter schwarz-gelber Regierung ein erstes - wenn auch von der Opposition als lückenhaft kritisiertes - Nichtraucherschutzgesetz verabschiedet.
    Dass Debatten um solche Gesetzgebungsprozesse, damals wie heute, nicht ohne Protest ablaufen, versteht sich von selbst: Einerseits können Nichtraucherinnen und Nichtraucher auf den Schutz ihrer Gesundheit pochen. Noch immer sterben in Deutschland jährlich über 3.000 Menschen an den Folgen des Passivrauchens. Andererseits hat jeder Mensch ein Recht auf Freiheit und selbstbestimmtes Leben, die Wahl seiner Genussmittel eingeschlossen.

    Sensibler Abwägungsprozess

    Verständlich, dass bei diesem Thema die unterschiedlichen Meinungen rauchender und nichtrauchender Menschen und in Konsequenz auch die der von ihnen gewählten Abgeordneten aufeinander prallen. Wie das Parlament als Gesetzgeber in Sachen Nichtraucherschutz nun konkrete Grenzen so ziehen kann, dass sie nicht zu weit, aber auch nicht überzogen sind, kontrollierbar und damit praxistauglich bleiben, ist also ein sensibler Abwägungsprozess zwischen den widerstrebenden Interessen.
    Dem muss sich die Landesregierung als Initiatorin des neuen Gesetzentwurfs genauso stellen, wie die einzelnen Fraktionen im Landtag (siehe hierzu auch Seite 16-17). Nach der bereits erfolgten ersten Lesung wird der Gesundheitsausschuss den Entwurf Ende September mit externen Fachleuten beraten - und sorgt damit für eine sachlich fundierte Debatte rund um den blauen Dunst.
    bra

    ID: LI120806

  • Strikte Grenzen für Glimmstängel.
    Landesregierung will aktuelles Gesetz deutlich verschärfen.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 3 in Ausgabe 8 - 12.09.2012

    4. Juli 2012 - In einer hitzigen Plenardebatte hat Gesundheitsministerin Barbara Steffens in erster Lesung den Entwurf für einen schärferen Nichtraucherschutz in NRW vorgestellt (Drs. 16/125). Der Gesundheitsausschuss des Landtags wird den Gesetzentwurf in den kommenden Monaten detailliert beraten.
    Kein Rauch mehr - weder in Festzelten noch auf ausgewiesenen Kinderspielplätzen. Dazu das Aus für Raucherclubs und ein höheres Bußgeld bei systematischen Verstößen: NRW brauche einen konsequenten Schutz, verteidigte Barbara Steffens den Regierungsentwurf. Im Tabak seien zahlreiche krebserregende Substanzen enthalten. Über 3.000 Menschen stürben jährlich deutschlandweit am Passivrauchen. Raucher hätten nicht das Recht, andere mit ihrem Verhalten gesundheitlich zu gefährden.
    "Es geht also nicht um ein Gesundheitserziehungsgesetz, wie uns einige - wahrscheinlich gleich auch einige Redner - weismachen wollen, sondern um ein Nichtraucherschutzgesetz", betonte auch SPD-Sprecher Günter Garbrecht. Die Freiheit des einen ende nun mal dort, wo die Freiheit des anderen beginne. Hinzu komme das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Und auch angesichts von Urteilen des Bundesverfassungsgerichts habe der verschärfte Nichtraucherschutz Bestand.
    Unabhängig davon stelle ein Rauchverbot in der Gastronomie keine so große Einschränkung dar, wie häufig behauptet, ergänzte der GRÜNENAbgeordnete Arif Ünal. In vielen anderen Staaten sei das absolute Rauchverbot längst Alltag. "Ein konsequenter Nichtraucherschutz ist also dringend notwendig, auch in NRW." Es gehe nicht darum, Rauchen zu verbieten, sondern Nichtraucherinnen und Nichtraucher in Räumen vor Rauch zu schützen. Das aktuelle Gesetz habe da zu viele Ausnahmen.
    "Wir haben einen funktionierenden Nichtraucherschutz", entgegnete der CDU-Abgeordnete Peter Preuß. Hier noch einen Schritt weiter zu gehen, wäre definitiv übertrieben, meinte auch Simone Brand (PIRATEN). Zu keinem Zeitpunkt habe es eine Bürgermehrheit für einen schärferen Nichtraucherschutz gegeben. "Nur weil Sie es offensichtlich nicht geregelt bekommen, die Einhaltung eines aktuellen Gesetzes zu kontrollieren, müssen Sie doch nicht gleich ein neues Gesetz verabschieden."
    Die SPD habe es in 39 Regierungsjahren nicht geschafft, einen solchen Schutz auf die Beine zu stellen, betonte auch Preuß. Mit ihrer Novelle bringe sie nun viele Gastronomen in die Bredouille, habe doch ein Großteil von ihnen in Umbauten entsprechend des aktuellen Gesetzes investiert. "Sie verspielen damit wieder in bemerkenswerter Arroganz Vertrauen", warnte der CDU-Sprecher.
    Dabei seien 80 Prozent der Gastronomiebetriebe in Nordrhein-Westfalen bereits rauchfrei, erinnerte auch der FDP-Abgeordnete Christian Lindner und warf insbesondere der GRÜNEN-Fraktion ein "Stück ideologisierte Gesellschaftspolitik" vor. Ein konsequenter Nichtraucherschutz sei zwar wichtig, und wenn Änderungen im Gesetz notwendig wären, könne man darüber reden. Doch Politik dürfe den Menschen keinesfalls einen Lebensstil aufzwingen, warnte er vor einer "Tugenddiktatur". Ähnlich argumentierte auch Brand: Ideologische Motive dürften in der Diskussion keine Rolle spielen.
    bra

    Zusatzinformationen:
    Nichtraucherschutz in NRW
    Abstimmungsergebnis:
    Der Landtag hat den Gesetzentwurf der rot-grünen Regierung zur weiteren Beratung einstimmig an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales (federführend) sowie mitberatend an drei weitere Fachausschüsse überwiesen: erstens an den für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk, zweitens an den Ausschuss für Kommunalpolitik sowie drittens an den Rechtsausschuss.

    Historie des Gesetzes:
    Im Jahr 2007 hat der Landtag mit den Stimmen von CDU und FDP den schwarz-gelben Regierungsentwurf für ein Nichtraucherschutzgesetz beschlossen (Drs. 14/4834). SPD und GRÜNE sowie der fraktionslose und spätere LINKEN-Abgeordnete Rüdiger Sagel stimmten dagegen. In Kraft ist das Gesetz seit Anfang 2008. Damit ist Rauchen in nordrhein-westfälischen Gaststätten und Restaurants nur noch ausnahmsweise erlaubt. Eine ergänzende Raucherkneipen-Regelung kam Mitte 2009 hinzu (Drs. 14/8806).

    Systematik: 5210 Gesundheitsschutz

    ID: LI120802

  • Altenkamp, Britta (SPD); Preuß, Peter (CDU); Ünal, Arif (Grüne); Brockes, Dietmar (FDP); Brand, Simone (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum Thema Nichtraucherschutz.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 14-15 in Ausgabe 8 - 12.09.2012

    Den neuen Gesetzentwurf unterscheidet von der bestehenden Regelung ...

    Britta Altenkamp (SPD) ... der konsequente Schutz von Kindern und Jugendlichen. Zudem sind keine Ausnahmen für den gastronomischen Bereich mehr vorgesehen.
    Peter Preuß (CDU) ... dass er freie und mündige Bürger von oben herab per Gesetz bevormunden, erziehen und ihnen die Entscheidungsfreiheit nehmen will. Die bisherige Regelung stellt dagegen einen angemessenen Ausgleich zwischen dem unumstrittenen Vorrang des Nichtraucherschutzes und der Freiheit der Raucher dar.
    Arif Ünal (GRÜNE) ... konsequenter Schutz vor dem Passivrauchen. Wer raucht, muss für sich selbst entscheiden, ob er oder sie sich den gesundheitlichen Risiken aussetzen will. In Gegenwart anderer Personen werden aber auch diese in Mitleidenschaft gezogen. Dies unterscheidet das Rauchen von allen anderen Suchtformen.
    Dietmar Brockes (FDP) ... die massive Einschränkung der bürgerlichen Eigenverantwortung und Freiheit. Die FDP hat in Regierungsverantwortung in NRW einen umfassenden und effektiven Nichtraucherschutz durchgesetzt. Staatliche Rauchverbote auf privaten Feiern, Brauchtumsveranstaltungen oder in Eckkneipen sind unverhältnismäßig.
    Simone Brand (PIRATEN) ... eine unangemessene Bevormundung von Bürgern und Gastronomie, die tief in die persönliche und wirtschaftliche Entfaltungsfreiheit eingreift.

    Grenzen staatlichen Eingreifens sind für mich ...

    Britta Altenkamp (SPD) ... und meine Fraktion dort erreicht, wo es nicht mehr nur um den effektiven und rechtssicheren Gesundheitsschutz von Nichtraucherinnen und Nichtrauchern geht. Ziel des Gesetzes darf keine Bevormundung von Raucherinnen und Rauchern sein.

    Peter Preuß (CDU) ... da gegeben, wo Menschen über einen effektiven Nichtraucherschutz hinaus gesetzlich bevormundet werden sollen. Es ist ausdrücklich zu unterstützen, wenn Menschen dabei geholfen wird, mit dem massiv gesundheitsschädlichen Rauchen aufzuhören. Gesetzlich verordnen können wir das allerdings nicht.
    Arif Ünal (GRÜNE) ... dort, wo es um die Privatsphäre geht. Die sehe ich im aktuellen Entwurf nicht berührt. Mit einer Stärkung des Nichtraucherschutzes schaffen wir für NRW lediglich eine Situation, die in vielen anderen Staaten längst selbstverständlich ist.
    Dietmar Brockes (FDP) ... wenn die Privatsphäre und die unternehmerische Freiheit missachtet werden. Die Landesregierung will gesetzlich vorschreiben, dass auf einer privaten Geburtstagsfeier das Rauchen verboten ist. Auch in inhabergeführten Eckkneipen soll das so sein. Rot-Grün will den Bürger offenbar entmündigen.
    Simone Brand (PIRATEN) ... Gesetze, die die freie Entfaltung des selbstbestimmten Bürgers einschränken.

    Die Trennung von Raucher- und Nichtraucherräumen ist für mich ...

    Britta Altenkamp (SPD) ... und meine Fraktion nicht der eigentliche Kern der Diskussion. Für uns steht im Vordergrund der Gesundheitsschutz von Kindern, Jugendlichen, Nichtraucherinnen und -rauchern. Wenn es Ausnahmen geben sollte, müssen diese rechtssicher sein, damit es nicht gleich wieder zu Klagen vor Gericht kommt.
    Peter Preuß (CDU) ... eine gute Lösung. Raucher können sich in klar abgetrennten Raucherräumen ihre Zigarette anzünden, ohne Nichtraucher zu belästigen. Viele Gastwirte, die für den Umbau ihrer Lokale erhebliche Investitionen getätigt haben, würden durch ein ausnahmsloses Rauchverbot vor großen Existenznöten stehen.
    Arif Ünal (GRÜNE) ... nicht ausreichend, um einen Schutz vor dem ungewollten Passivrauchen zu gewähren. Rauchen schadet potenziell nicht nur den Rauchenden selbst, sondern auch Personen in ihrer Umgebung, etwa Beschäftigte. Viele Staaten haben deshalb weitreichende, bereits bewährte Nichtraucherschutzgesetze erlassen.
    Dietmar Brockes (FDP) ... eine praktikable Lösung. Entscheidend ist, dass es in Restaurants und Kneipen zu einem ausgewogenen Interessenausgleich von Nichtrauchern und Rauchern kommt. Wenn Räume für das Rauchen freigegeben sind, kann der Einzelne entscheiden, ob er sich dort aufhält. Diese Freiheit sollten wir verteidigen.
    Simone Brand (PIRATEN) ... eine begrüßenswerte Lösung, um den Nichtraucherschutz zu wahren. Diese findet sich allerdings schon in der bestehenden Gesetzgebung. Auch ich als Raucher genieße ein gutes Essen lieber in rauchfreier Umgebung.

    Im Vergleich zu den Bestimmungen in anderen Bundesländern bewerte ich den neuen Entwurf als ...

    Britta Altenkamp (SPD) ... den weitestgehenden. Deshalb erfährt er in der Öffentlichkeit diese große Aufmerksamkeit einhergehend mit sehr kontroversen Diskussionen.
    Peter Preuß (CDU) ... vollkommen unnötig. Ziel eines konsequenten Nichtraucherschutzes muss es sein, dass Nichtraucher uneingeschränkt am öffentlichen Leben teilhaben können, ohne sich gegen ihren Willen einer Gesundheitsgefährdung durch Tabakrauch auszusetzen. Dieses Ziel ist mit der geltenden Regelung bereits erreicht.
    Arif Ünal (GRÜNE) ... umfassend konsequent beim Gesundheitsschutz. Ähnliches sehe ich nur in Bayern und im Saarland. Durch den Verzicht auf die vielen Ausnahmeregelungen würden wir endlich internationalen Standard bei Nichtraucherschutz erreichen und Wettbewerbsbenachteiligungen beseitigen.
    Dietmar Brockes (FDP) ... völlig unverhältnismäßig. Schauen wir auf das SPD-regierte Hamburg. Rauchen in Gastronomie mit separatem Raum: In Hamburg erlaubt, in NRW künftig verboten. Eckkneipe und Festzelt - in Hamburg erlaubt. In NRW künftig verboten. Die FDP wendet sich gegen diese allumfassende grüne Verbotspolitik.
    Simone Brand (PIRATEN) ... weit überzogen. Durch die unangemessene Einbeziehung des Verbots der E-Zigarette in das neue Gesetz übertrifft die Reglementierung sogar das "bayerische Modell".

    ID: LI120811

  • Erst das Parlament, dann die Regierung.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 7 - 05.07.2012

    Die neue-alte Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen heißt: Hannelore Kraft. Keine Überraschung nach dem eindeutigen Ergebnis der Landtagswahl und dem verabschiedeten rot-grünen Koalitionsvertrag. So können wir diese Zeilen für einen Blick auf das Grundsätzliche hinter dem Wahl-Prozedere der vergangenen Wochen nutzen.
    Und das fängt an bei der korrigierenden Klarstellung: "Erst kommt das Parlament und dann die Regierung!" So hat es die neue Landtagspräsidentin Carina Gödecke jüngst nach ihrer Wahl im Plenum betont. Tatsächlich werden Parlament und Regierung in der Öffentlichkeit allzu schnell miteinander vermengt, spielt die Regierung - nicht zuletzt wegen der großen Medienaufmerksamkeit - sogar scheinbar die erste Geige.

    Regierung durch das Volk

    Dabei sind es nicht die Ministerinnen und Minister, sondern die Abgeordneten, die die Menschen im Land gewählt haben, um sich von ihnen vertreten zu lassen. Nur dadurch ist das Parlament in unserem politischen System legitimiert, eine Regierung zu bestimmen. Um es mit den Worten von Abraham Lincoln zu sagen: Demokratie ist die Regierung des Volkes durch das Volk für das Volk.
    Wie bei der Montage von Felgen und Reifen kommt es beim Verhältnis von Parlament und Regierung also stets auf die richtige Reihenfolge an, damit’s im Sinne der parlamentarischen Demokratie rund läuft. Hier in Nordrhein-Westfalen dabei von besonderem Symbolwert: Die Ministerpräsidentin respektive der Ministerpräsident müssen selbst Abgeordnete sein. Sie kommen also direkt aus der Mitte des gewählten Parlaments. So verlangt es die NRW-Landesverfassung - übrigens im Gegensatz zu allen anderen 15 Bundesländern. Heißt: Nur wen die Menschen im ersten Schritt bei der Landtagswahl ins Parlament wählen, der hat im zweiten die Chance auf den obersten Kabinettsposten. Ohne Parlament also keine Regierung.
    Das gilt nicht nur vor, sondern auch jetzt für die Zeit nach der Wahl der neuen Ministerpräsidentin und der Vereidigung des Kabinetts. Denn eine der Hauptaufgaben des Landtags ist es, die Arbeit der Exekutive zu kontrollieren. Sie ist damit ständig abhängig von der Einschätzung und dem Vertrauen des Parlaments. Das hat nicht zuletzt die Geschichte rund um den von der Regierung vorgelegten Haushalt 2012 gezeigt - wenn auch unter anderen politischen Vorzeichen: Das Parlament stimmte im März gegen den Entwurf, löste sich auf und besiegelte damit automatisch auch das vorzeitige Amtsende des Kabinetts "Kraft I".
    bra

    ID: LI120706

  • Viel bewegt.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 5 - 15.05.2012

    Der Wähler, die Wählerin haben gesprochen. Wahlgewinner und Wahlverlierer präsentierten sich den Kameras. Ein ganz normaler Wahlsonntag. Oder doch nicht so ganz? Die Landtagswahl 2012 in NRW hat gezeigt, dass die Bürgerinnen und Bürger mit ihren Stimmen das über lange Jahre gewohnte Bild deutlich verändern können - zumindest deutlicher, als dies bei vielen Wahlsonntagen bislang der Fall war. Zwei Parteien (CDU und SPD) lagen bei der letzten Wahl 2010 gleichauf, jetzt trennen sie (bei den Zweitstimmen) fast 13 Prozentpunkte. Eine andere Partei (Die Linke) zog vor zwei Jahren mit 5,6 Prozent erstmals in den Landtag ein, jetzt wurde ihr Ergebnis mehr als halbiert. Dafür schaffte eine andere (Die Piraten) aus dem Stand den Sprung in die NRW-Volksvertretung. Bei einer vierten Partei, der FDP, lag das Wahlergebnis fast viermal so hoch wie Umfragewerte noch vor gut einem Monat suggerierten. Einzig die Grünen erreichten ein ähnliches Ergebnis wie beim letzten Mal. All das zeigt: Bei einem Wahlgang werden die politischen Verhältnisse heute deutlicher verändert als früher. Zu dieser Demonstration der Macht des Souveräns, des Wahlvolks, mag es nicht recht passen, dass die Nichtwähler erneut die größte "Gruppierung" darstellen: Die Wahlbeteiligung lag mit 59,6 Prozent nur 0,3 Prozentpunkte über dem Wert von 2010 - das sind gerade mal 31.510 Stimmen.
    Sieger wie Verlierer ziehen allerdings mit mehr Abgeordneten in den Landtag ein als noch in der 15. Legislaturperiode. Das liegt an einer Besonderheit des NRW-Wahlrechts: Die SPD erreichte 39,1 Prozent der Zweitstimmen, aber 42,3 Prozent der Erststimmen. Sie zieht also mit mehr Direktkandidaten in den Landtag ein, als ihr eigentlich anteilmäßig an Sitzen zustehen. Diese zusätzlichen Sitze nennt man Überhangmandate. Damit das Kräfteverhältnis zwischen den Fraktionen (das ja durch die Zweitstimmen festgelegt wird) gewahrt bleibt, erhalten die anderen (vor allem die CDU) wiederum Ausgleichsmandate. Als Konsequenz gehören dem Landtag der 16. Legislaturperiode 237 Abgeordnete an, 56 mehr als in der letzten. Nur 1990 waren es mit 239 Volksvertretern noch mehr, damals allerdings mit vier Fraktionen.

    237 Abgeordnete

    Mit dem Verkünden des vorläufigen amtlichen Endergebnisses in der Wahlnacht begann für den Landtag eine neue Phase: die Planung für die Konstituierende Sitzung am 31. Mai 2012. Das bedeutet nicht nur, dass im Plenarsaal die Stühle entsprechend zurechtgerückt werden müssen. Die Fraktionen müssen sich konstituieren, ihre jeweiligen Vorstände wählen. Und sich nicht zuletzt darauf verständigen, wie das neue Landtagspräsidium aussehen soll. Die (neue) Volksvertretung bereitet sich darauf vor, ihre Arbeit aufzunehmen.
    cw

    ID: LI120506

  • Abstimmungen mit Folgen.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 4 - 18.04.2012

    "Am Gelde hängt doch alles", schrieb Goethe einst in seinem Faust. Dass dieser Satz nicht ganz aus der Luft gegriffen ist, ist spätestens seit den jüngsten Wirtschafts-, Währungs- und Bankenkrisen allgemeine Überzeugung. Dass er aber auch mit Blick auf die politischen Machtverhältnisse gilt, wird dann sichtbar, wenn eine Regierung der gewählten Volksvertretung Rechenschaft ablegen muss, über die Verwendung der Steuereinnahmen, über die Pläne für zukünftige Ausgaben, also den Einsatz von Steuergeldern.

    Königsrecht des Parlaments

    Das war nicht immer so. Erst mit der Übernahme der Kontrolle über die Staatsschatulle durch die Parlamente verloren einst Kaiser und Könige ihre absolutistische Macht. Das Fundament für die Demokratie heutigen Zuschnitts war gelegt. Nicht zuletzt deshalb gilt das Haushaltsrecht immer noch als das Königsrecht einer jeden Volksvertretung. Daher auch die Sorgfalt, die einer Haushaltsberatung zukommt. Diese Gesetzesmaterie ist im Landtag NRW (ebenso wie Verfassungsänderungen) automatisch drei Lesungen im Plenum unterworfen. Zudem sind alle Ausschüsse an der Prüfung der Einzelpläne beteiligt.
    Wenn eine Regierung hier eine Abstimmung verliert, verliert sie nicht nur die Abstimmung über ein kompliziertes Zahlenwerk: Sie verliert die Fähigkeit zu gestalten, ihre Pläne umzusetzen und ihre Ziele zu erreichen.
    Genau das ist am 14. März in Düsseldorf geschehen. Rot-Grün erhielt bei der zweiten Lesung des Einzelplans "Inneres und Kommunales" des Haushalts 2012 schon in der ersten Abstimmung des Tages keine Mehrheit im Parlament. Als politische Konsequenz löste sich der Landtag nur wenige Stunden später mit der Zustimmung aller Abgeordneten auf.
    Die Fraktionen und mit ihnen die politischen Parteien geben damit dem Souverän, den Bürgerinnen und Bürgern, die Möglichkeit, neu über den künftigen Kurs und die Machtverhältnisse zu bestimmen.
    Damit ist jeder Einzelne aufgefordert, sich aktiv mit der anstehenden Wahlentscheidung zu beschäftigen. Denn die Gestaltung unseres Gemeinwesens, vom Kindergarten und dem Schulsystem über den Ausbau der Infrastruktur, der Energieversorgung bis hin zur Qualität unserer Lebensmittel betrifft uns am Ende alle.
    Umso wichtiger ist es, sich an der Landtagswahl zu beteiligen und vom Wahlrecht Gebrauch zu machen. Wenn nicht, dann bestimmen andere über das, was für jeden von eigenem Interesse ist. Das Wahlrecht: Man sollte es nicht ausschlagen. Gehen Sie wählen!
    cw

    ID: LI120405

  • Am 13. Mai wählen gehen - und für unser Land Nordrhein- Westfalen das Glück der Mitwirkung nutzen!
    Gemeinsamer Aufruf des Präsidiums des Landtags Nordrhein-Westfalen.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 3 in Ausgabe 4 - 18.04.2012

    Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen,

    am 13. Mai 2012 sind Sie aufgerufen, das "Glück der Mitwirkung" persönlich wahrzunehmen. Sie entscheiden, wie stark die politischen Kräfteverhältnisse im künftigen Landtag von Nordrhein-Westfalen sein werden. In Ihrer Hand liegt, welche Parteien und Personen die künftige Entwicklung unseres großen und wunderschönen Bundeslandes maßgeblich bestimmen.
    Sie haben mit Ihrer Erststimme in der Hand, wer Ihren heimatlichen Wahlkreis mit einem Direktmandat vertritt. Sie machen mit Ihrer Zweitstimme deutlich, welche Partei Sie auf jeden Fall im Landtag - und möglichst in Regierungsverantwortung - sehen wollen. Wahlen in Nordrhein- Westfalen sind nicht nur für uns, sondern aufgrund der Bedeutung unseres Landes für ganz Deutschland von großer Bedeutung. Doch vor allem hat Landespolitik ureigene Kompetenzen und wichtige Aufgaben.
    Politik im Landtag von Nordrhein-Westfalen stellt Weichen für Entwicklungen, die alle Menschen zwischen Eifel und Weser, Niederrhein und Siegerland in zentralen Lebensbereichen betreffen: Kinderbetreuung und Schulen, Handlungsfähigkeit der Gemeinden und Städte, Straßenbau und Staatsfinanzen, Kultur, Soziales und Wirtschaft sowie vieles mehr.
    Demokratie lebt aus politischer Vielfalt und vom engagierten Wettbewerb, den die Parteien mit ihren Programmen um die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger führen. Debatten und Entscheidungen, die alle betreffen, finden in der Volksvertretung statt. Deshalb brauchen unser Parlament und die Abgeordneten Ihre Wahlentscheidung: als Richtungsentscheidung für politische Parteien und Kandidaten und ebenso sehr als starkes Ja zu unserer freiheitlichen Demokratie.
    Daher bitten wir Sie gemeinsam herzlich, am 13. Mai von Ihrem Bürgerrecht tatsächlich Gebrauch zu machen, damit Sie als Wählerinnen und Wähler über den neuen Landtag Nordrhein-Westfalen entscheiden können. Dazu haben Sie natürlich am Wahltag, aber auch durch die Briefwahl vorab Gelegenheit.

    Auf Ihre Mitwirkung freuen wir uns

    Eckhard Uhlenberg (CDU), Präsident des Landtags von Nordrhein-Westfalen
    Carina Gödecke (SPD), Vizepräsidentin
    Oliver Keymis (Bündnis 90/Grüne), Vizepräsident
    Angela Freimuth (FDP), Vizepräsidentin
    Gunhild Böth (Die Linke), Vizepräsidentin

    Zusatz:
    "Ich werde niemals, niemals eine Wahl versäumen. Ich hatte einfach zu lange auf das Glück der Mitwirkung warten müssen, als dass ich die Ohnmacht der Untertanen je vergessen könnte."
    Bundespräsident Joachim Gauck am Tag seiner Wahl, 18. März 2012

    ID: LI120404

  • Der Souverän ist am Zug.
    Wissenswertes rund um die Wahl am 13. Mai 2012.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 4 in Ausgabe 4 - 18.04.2012

    In der Demokratie haben die Bürgerinnen und Bürger das Sagen. Damit der Wählerwille sich tatsächlich in der Volksvertretung, dem Parlament, widerspiegelt, gibt es allerhand Regeln. Diese betreffen insbesondere auch die Landtagswahlen und legen fest, wie der Weg von der Stimmabgabe zur Mandatsverteilung verläuft. Mit Blick auf den kommenden Wahltermin am 13. Mai 2012 (aufgrund der Selbstauflösung) erklärt Landtag Intern die wichtigsten Fragen.
    Alle fünf Jahre stimmen die Wählerinnen und Wähler bei der Landtagswahl über die Zusammensetzung des nordrhein-westfälischen Parlaments ab. Die gewählten Abgeordneten repräsentieren für die dann anschließenden fünf Jahre - so lang dauert normalerweise eine Wahlperiode - die Bevölkerung. Sie sind dabei keinerlei Weisung unterworfen, sondern nur ihrem Gewissen verpflichtet. Wahlberechtigt sind alle Erwachsenen, die die deutsche Staatsangehörigkeit haben und seit mindestens 16 Tagen vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen leben.

    Zwei Stimmen

    Seit der Landtagswahl am 9. Mai 2010 haben die Wählerinnen und Wähler zwei Stimmen, wie bei der Bundestagswahl. Mit der Erststimme können sie die Kandidatin oder den Kandidaten ihres Wahlkreises unterstützen, von der oder dem sie im Parlament vertreten werden möchten. Mit der Zweitstimme entscheiden sie sich für eine Partei.
    Wer nur seine Erst- oder nur seine Zweitstimme vergeben hat, macht seinen Stimmzettel nicht ungültig. Ungültig sind Stimmzettel nur dann, wenn aus ihnen der Wählerwille nicht klar hervorgeht oder wenn Anmerkungen auf dem Stimmzettel gemacht wurden.
    Wer selbst zur Landtagswahl antreten und sich um einen Sitz im Parlament bewerben möchte, muss wahlberechtigt sein und seit mindestens drei Monaten in Nordrhein-Westfalen wohnen. Allerdings ist die Zeitspanne, in der bei der derzeitigen Landeswahlleiterin Kandidatinnen und Kandidaten benannt werden konnten, bereits seit dem 10. April 2012 abgelaufen.
    Am Wahltag sind die Wahllokale von 8 bis 18 Uhr geöffnet. Danach zählen die Wahlhelferinnen und -helfer die Stimmen öffentlich aus und übermitteln das Ergebnis an die zuständigen Wahlorgane.
    Wer am Wahltag verhindert ist, sein zuständiges Wahllokal persönlich aufzusuchen - die Adresse befindet sich auf der per Post zugesandten Wahlbenachrichtigung - kann auch per Briefwahl seine Stimme abgeben. Menschen, die bei der persönlichen Stimmabgabe im Wahllokal Hilfe brauchen, können eine Person ihres Vertrauens mit in die Wahlkabine nehmen. Grundsätzlich aber geben die Bürgerinnen und Bürger ihre Stimme persönlich und geheim ab.
    Nach 18 Uhr werden die ersten Hochrechnungen des Wahlergebnisses bekannt gegeben. Dieses kann sich freilich noch verändern. Alle Parteien, die mindestens fünf Prozent der Stimmen erhalten haben, sind im Landtag vertreten. Steht fest, welche Parteien wie viel Prozent der Stimmen bekommen haben, wird errechnet, wie viele Sitze ihnen jeweils anteilig im Parlament zustehen.

    Ergebnis und Sitzverteilung

    Alle Kandidatinnen und Kandidaten, die in ihrem Wahlkreis die Mehrheit der Erststimmen bekommen, ziehen direkt in den Landtag ein. Entsprechend der 128 Wahlkreise in Nordrhein- Westfalen stehen damit schon die ersten 128 Abgeordneten der neuen Legislaturperiode fest. Die restlichen Abgeordneten ziehen über die Landesreservelisten der Parteien in den Landtag ein. Stehen einer Partei mehr Sitze zu, als sie erfolgreiche Direktkandidatinnen oder -kandidaten in den Wahlkreisen hatte, stockt sie also die noch fehlende Anzahl der Abgeordneten über ihre Liste auf. Wer an welcher Stelle auf ihrer Liste steht, entscheidet jede Partei im Vorfeld der Wahl selbst.
    Es kommt auch vor, dass über die Erststimmen mehr Direktkandidatinnen oder -kandidaten einer Partei ihren Wahlkreis gewinnen und damit einen Sitz im Parlament sicher haben, als der Partei entsprechend des Zweitstimmen-Ergebnisses zustehen (Überhangmandate). Weil diese Partei nun mit unverhältnismäßig vielen Abgeordneten im Parlament vertreten wäre, dürfen in einem solchen Fall auch die anderen in den Landtag gewählten Parteien entsprechend mehr Abgeordnete in den Landtag bringen, damit das Verhältnis wieder stimmt (Ausgleichsmandate).
    Die Gesamtzahl der Sitze im Landtag ist somit nicht von vornherein vorhersehbar. Fest steht nur: Entsprechend der gesetzlichen Mindestzahl werden mindestens 181 Abgeordnete dem neuen Parlament angehören.

    Zusatzinformation:
    Neue Wahlbroschüre Ausführliche Informationen rund um Wahlrecht und Mandatsverteilung in Nordrhein-Westfalen bietet die neue Informationsbroschüre "Landtagswahl 2012 - Von der Wählerstimme zum neuen Parlament". Sie ist kostenlos zu bestellen unter Tel. (0211) 884-2851 oder per Mail: email@landtag.nrw.de.

    Systematik: 1080 Wahlen

    ID: LI120406

  • Löttgen, Bodo (CDU); Börschel, Martin (SPD); Mostofizadeh, Mehrdad (Grüne); Engel, Horst (FDP); Demirel, Özlem Alev (Linke)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal geht es um das Ehrenamt in Stadträten und Kreistagen.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 8-9 in Ausgabe 3 - 14.03.2012

    Auf diesen Seiten beziehen die Fraktionen zum Schwerpunktthema Stellung.

    Die Übernahme von ehrenamtlichen Mandaten auf Ebene der Kommunen und der Kreise bedeutet für unsere Demokratie...

    Bodo Löttgen (CDU)... einen vielfach unterschätzten Gewinn. Das demokratische Gemeinwesen lebt davon, dass Menschen aus freien Stücken an seiner Gestaltung mitwirken. Die freiwillige Übernahme kommunalpolitischer Verantwortung ist wertvolle Arbeit zum Erhalt und zur Fortentwicklung unserer Gesellschaft.
    Martin Börschel (SPD)... einen unschätzbaren Dienst! Kein politisches Amt prägt das Verhältnis der Bürgerschaft zur Demokratie so intensiv und direkt wie ein kommunales.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne)... sehr viel. Die Mitwirkung gewählter Vertreterinnen und Vertreter in den Räten und Kreistagen bildet die Basis unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung. Sie stehen stellvertretend für die Bürgerinnen und Bürger und nehmen eine wichtige Aufgabe in der kommunalen Selbstverwaltung wahr.
    Horst Engel (FDP)... Fundament und Keimzelle. Denn jedwede gelebte demokratische Struktur basiert auf dem Einsatz engagierter Bürgerinnen und Bürger für ihre lokale Gemeinschaft. Erst auf dieser Grundlage funktioniert unser staatliches Gemeinwesen.
    Özlem Alev Demirel (Linke)... einen wesentlichen Beitrag. Das Engagement der Ehrenamtlichen ist wichtig und unverzichtbar. Nichtsdestotrotz sollte auf kommunaler Ebene die direkte Demokratie weiter ausgebaut werden, damit auch die vielen Vollzeitbeschäftigten ihre Vorstellungen einbringen können.

    Diejenigen, die dazu bereit sind, leisten aus meiner Sicht ...

    Bodo Löttgen (CDU)... mit ihren Ideen und Vorstellungen, mit ihrer Bereitschaft, sich im Interesse des Gemeinwohls zunehmend auch öffentlicher Kritik auszusetzen, einen unverzichtbaren Beitrag für die Zukunft der Gemeinschaft in unseren Städten, Gemeinden und Kreisen.
    Martin Börschel (SPD)... einen unverzichtbaren Beitrag für die Bevölkerung. Diese Bereitschaft verdient ein hohes Maß an Anerkennung und Respekt. Nachteile, etwa im Beruf, dürfen damit nicht verbunden sein.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne)... einen unverzichtbaren Einsatz für die Allgemeinheit. Sie opfern ihre Freizeit und nehmen berufliche Belastungen und Einschränkungen in Kauf. Sie bringen sich mit ihren Erfahrungen und Kompetenzen in die Gestaltung des Gemeinwesens konstruktiv ein.
    Horst Engel (FDP)... einen unschätzbar wertvollen Beitrag für unsere Gesellschaft. Der selbstlose Einsatz für die Belange der örtlichen Gemeinschaft ist meist mit erheblichen Entbehrungen im Privatleben verbunden. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, verdient höchsten Respekt und Anerkennung.
    Özlem Alev Demirel (Linke)... einen unglaublichen Arbeitsaufwand, der leider wenig honoriert wird. Ehrenamtliche MandatsträgerInnen wenden viele Stunden ihrer Freizeit auf, um im Gemeinwesen etwas zu verbessern. Dabei machen öffentliche Sitzungen nur den kleinsten Teil der Arbeit aus.

    Die Förderung solcher Ehrenämter ist für mich ...

    Bodo Löttgen (CDU)... Bestandteil einer neuen, dringend notwendigen Kultur der Anerkennung von freiwilligem Engagement, aber auch der Prioritätensetzung in Institutionen und Parteien.
    Martin Börschel (SPD)... eine Selbstverständlichkeit! Neben der Verbesserung der konkreten Rahmenbedingungen ist aber auch schlichte Wertschätzung des Engagements wichtig.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne)... eine wichtige Aufgabe des Landes, die wir als Grüne Fraktion sehr ernst nehmen. In der vergangenen Legislaturperiode ist eine Arbeitsgruppe des Kommunalausschusses damit befasst gewesen und hat gute Vorschläge erarbeitet.
    Horst Engel (FDP)... als Landespolitiker selbstverständlich und stellt für mich und die gesamte FDP-Fraktion eine dankbare Aufgabe dar. Vor diesem Hintergrund arbeiten wir im Landtag augenblicklich sogar fraktionsübergreifend an einem Gesetz zur Stärkung des kommunalen Ehrenamtes.
    Özlem Alev Demirel (Linke)... zwingend erforderlich. Die Zahlung einer Aufwandsentschädigung macht es für sozial ausgegrenzte Menschen überhaupt erst möglich, ihre Rechte einzufordern. Die faktische Streichung der Entschädigungen durch die Hartz-Gesetze ist ein Verstoß gegen die demokratischen Rechte von Erwerbslosen.

    Aktuellen Handlungsbedarf, zum Beispiel in den Bereichen Freistellungsmöglichkeit, Verdienstausfallentschädigung, Aufwandsentschädigung, sehe ich ...

    Bodo Löttgen (CDU)... bei der Berücksichtigung der immer flexibleren Arbeitszeiten und bei der Beseitigung von Rechtsunsicherheiten. Die "Erforderlichkeit" der Freistellung für mandatsbedingte Tätigkeiten bedarf einer rechtssicheren, mit hoher Akzeptanz ausgestatteten Regelung.
    Martin Börschel (SPD)... als dringend notwendig an, damit auch in Zukunft vor dem Hintergrund geänderter Arbeitsmodelle die Bereitschaft aller Bevölkerungsschichten besteht, ein kommunales Ehrenamt zu übernehmen.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne)... eindeutig als gegeben an. Daher haben wir das Gesetz zur Stärkung des kommunalen Ehrenamtes mit vorgelegt und verbesserte Freistellungsregelungen vorgeschlagen. Wir werden uns auch mit Fragen der angemessenen Entschädigungen sowie der Erweiterung der Rechte und Ausstattungen der Fraktionen befassen.
    Horst Engel (FDP)... vor allem im Bereich der Gleitzeitbeschäftigung. Das Gesetz zur Stärkung des kommunalen Ehrenamtes soll dazu beitragen, vorhandene Missstände in diesem und anderen Bereichen zu beseitigen.
    Özlem Alev Demirel (Linke)... bei den Regelungen für ALG-2-BezieherInnen. Es gibt keinen Grund, diese Menschen zu benachteiligen. Deshalb darf die Entschädigung nicht mehr auf den Hartz-IV-Satz angerechnet werden. Auch beim Verdienstausfall besteht Handlungsbedarf. Unsere Räte sollten genauso bunt sein wie unsere Gesellschaft.

    Die Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung solcher Mandatsträgerinnen und Mandatsträger ...

    Bodo Löttgen (CDU)... müssen zeit- und bedarfsgerecht angepasst werden. Die wachsende Komplexität kommunaler Aufgabenstellungen und das notwendige Fachwissen erfordern individuelle Lösungen.
    Martin Börschel (SPD)... müssen deutlich verbessert werden, die Aktiven in der Kommunalpolitik stehen immer mehr unter Druck. Die Anforderungen werden komplexer und herausfordernder, zum Beispiel durch europarechtliche Rahmenbedingungen. Auch die Vergaberechtspraxis hat sich immer weiter verkompliziert.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne)... müssen dringend verbessert werden. Die im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Freistellungsmöglichkeiten für acht Tage innerhalb einer Wahlperiode sind absolut notwendig angesichts der immer komplexer werdenden Sachverhalte, wie zum Beispiel das Neue Kommunale Finanzmanagement (NKF).
    Horst Engel (FDP)... sind aus Sicht der FDP zu stärken und zu vertiefen. Das geplante Gesetz zur Stärkung des kommunalen Ehrenamtes sieht hierzu einen festen Fortbildungsanspruch für kommunale Mandatsträger vor.
    Özlem Alev Demirel (Linke)... müssen verbessert werden. Es muss für alle MandatsträgerInnen eine Möglichkeit geschaffen werden, sich fortzubilden. Auch während der Arbeitszeit. Auch für Alleinerziehende oder für Menschen, die Angehörige pflegen müssen, müssen Möglichkeiten geschaffen werden.

    Systematik: 5130 Soziale Einrichtungen

    ID: LI120312

  • "Eine Kommune lässt sich nicht nebenbei regieren".
    Experten fordern weitergehende Stärkung des Kommunalen Ehrenamtes.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 11 in Ausgabe 3 - 14.03.2012

    9. März 2012: Für die Wahrnehmung eines kommunalen Ehrenamtes sollen sich künftig auch Arbeitnehmer in Gleitzeit oder mit vollständig flexiblen Arbeitszeiten von ihren Arbeitgebern freistellen lassen können. Den gestiegenen Ansprüchen an die ehrenamtliche kommunalpolitische Tätigkeit soll durch eine angemessene Fort- und Weiterbildung Rechnung getragen werden. Das sieht ein Gesetzesentwurf der Fraktionen von SPD, Grünen und FDP zur Stärkung des kommunalen Ehrenamtes vor. "Ein erster Schritt in die richtige Richtung, weitere müssen folgen", dieses Fazit zogen Experten im Ausschuss für Kommunalpolitik (Vorsitz: Carina Gödecke, SPD).

    Das kommunale Ehrenamt sei ein Ausdruck der Demokratie und verlange daher eine besondere Wertschätzung, betonte Bernhard Daldrup für die kommunalpolitischen Vereinigungen von CDU, SPD, Grünen und der FDP in NRW: "Es ist fatal, pauschal von einem Missbrauch des Freistellungsanspruches auszugehen".
    Dr. Marco Kuhn von der Arbeitsgemeinschaft für kommunale Spitzenverbände in NRW äußerte sich in seiner Stellungnahme insbesondere zur Freistellung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch für die Teilnahme an Sitzungen von Drittorganisationen. Grundsätzlich sehe er dort keine Bedenken, so der Sachverständige. Problematisch sei nur, dass die Kommune kein Recht zur Kontrolle und Entscheidung über die Terminierung solcher Sitzungen habe. "Es sollte gesetzlich sichergestellt werden, dass entweder die betreffende Drittorganisation die Kosten für den Verdienstausfall übernimmt oder die Kommune ein Entscheidungsrecht über die Terminierung bekommt, das sicherstellt, dass die Tätigkeit in Drittorganisationen sachgerecht unter Berücksichtigung der Interessen der Kommunen wahrgenommen wird."
    Zentral für die die Stärkung des Ehrenamtes, die Qualität der Ratsarbeit und die Unabhängigkeit der Fraktionen von Verwaltung und anderen Fraktionen, sei eine gute sachliche und insbesondere personelle Ausstattung der Fraktionsgeschäftsstellen durch die Kommunen, erklärte Marion Reiser (Goethe-Universität, Frankfurt/ Main). Dies gelte insbesondere für kleine Fraktionen. "Studien zeigen, dass Ratsmitglieder kleinerer Fraktionen einen sehr hohen Zeitaufwand haben. Hier ist im Gegensatz zu großen Fraktionen keine interfraktionelle Arbeitsteilung möglich. Eine Finanzierung der Fraktion über die Aufwandsentschädigungen für Politiker halte sie grundsätzlich für problematisch.

    Freistellung gefordert

    Dr. Frank Überall (Politologe und freier Journalist, Köln) regte in seiner Stellungnahme an, über alternative Formen der demokratischen Beteiligung nachzudenken, beispielsweise über eine hauptamtliche oder nebenamtliche Beschäftigung der Kommunalpolitiker bei gleichzeitiger Verkleinerung des Stadtrates. "Damit einhergehend könnte auch ein verbindlicher Pflichtenkatalog zur Fortbildung in wesentlichen Fragen der haushalterischen und juristischen Rahmenbedingungen beschlossen werden", so Überall.
    Nach Ansicht von Thomas Böll (Mitglied der SPD-Fraktion in der Landschaftsversammlung Rheinland) sollte ein entsprechender Freistellungsanspruch auch in die Landschaftsverbandsordnung aufgenommen werden. Hier gebe es eine solche Regelung bislang noch nicht. Folglich seien viele Arbeitgeber nicht ohne weiteres bereit, die Mitglieder der Landschaftsversammlung für ihr politisches Engagement von der Arbeit freizustellen. "Auch unser Amt ist ohne Freistellungsauftrag nur schwer ausführbar", so Böll.
    "Wir sehen dringenden Handlungsbedarf, um kleine Fraktionen in NRW ausreichend und rechtssicher mit Fraktionszuwendungen zu versehen", betonte Klaus Löhring (Fraktion der Grünen im Rat der Stadt Ahaus). Bislang stehe die finanzielle Ausstattung der Fraktionen im der jeweiligen Ratsmehrheit. Da scheine es bedenklich, dass inflationsbedingte Kostenanstiege nicht angepasst würden. Löhring forderte die Landesregierung auf, Vorgaben zur Mindestausstattung der Fraktionen zu machen. Bezüglich der Höhe schlug er eine Staffelung nach Einwohnerzahlen vor.
    Eleonore Lubitz (Die Linke im Rat der Stadt Schwelm) forderte, dass die neuen Regelungen insbesondere Frauen und Alleinerziehenden die Zeit und Chance bieten sollten, ein politisches Mandat auszuüben. Es sei schwierig, Kinder, Haushalt und Beruf auch trotz der rechtlichen Freistellung so zu organisieren, dass ein kommunales Ehrenamt zufriedenstellend wahrgenommen werden könne. Insbesondere die sogenannte "Hausfrauenentschädigung" müsse daher belassen und gegebenenfalls sogar anders gewichtet werden.
    Marie Schwinning

    Systematik: 5130 Soziale Einrichtungen

    ID: LI120314

  • Biesenbach, Peter (CDU); Stotko, Thomas (SPD); Mostofizadeh, Mehrdad (Grüne); Engel, Horst (FDP); Aggelidis, Michael (Linke)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum Thema Trinkgelage auf öffentlichen Plätzen.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 8-9 in Ausgabe 2 - 08.02.2012

    Auf diesen Seiten beziehen die Fraktionen zum Schwerpunktthema Stellung.

    Ausufernde Trinkgelage größerer Gruppen auf öffentlichen Plätzen stoßen vielerorts auf Kritik. Die Möglichkeit, dass Kommunen hier auch vorbeugend handeln können sollen, halte ich grundsätzlich für ...

    Peter Biesenbach (CDU) ... angebracht, allerdings begrenzt auf die Brennpunkte, wo es regelmäßig zu alkoholbedingten Straftaten kommt. Das heißt aber keineswegs, dass wir Menschen grundsätzlich draußen den Alkoholgenuss verbieten wollen. Es ist nicht Aufgabe der Politik, Menschen per Gesetz zu erziehen.
    Thomas Stotko (SPD) ... richtig. Bereits jetzt besteht jedoch die Möglichkeit, im Wege eigener Satzungen konkrete Verbotsregelungen für störenden Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit aufzustellen.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ...bereits gegeben. Kommunen können bereits präventiv gegen Alkoholmissbrauch vorgehen. Ausufernde Trinkgelage können zudem mit dem vorhandenen Ordnungsrecht unterbunden werden. Die CDU suggeriert einen Regelungsbedarf, wo keiner ist.
    Horst Engel (FDP) ... nicht zielführend und rechtlich bedenklich - vor allem, wenn umfassende präventive Alkoholverbotszonen gefordert werden. Diese sind kaum zu kontrollieren. Die FDP lehnt es ab, die Freiheit der Menschen pauschal zu beschränken.
    Michael Aggelidis (Linke) ... richtig, wenn darunter verstanden wird, alles zu tun, um jungen Menschen den Weg in normale Erwerbsarbeit zu bahnen und ihnen öffentliche Räume zur Begegnung und Freizeitgestaltung zu verschaffen.

    Geeignete Instrumente für die Städte und Gemeinden wären aus meiner Sicht ...

    Peter Biesenbach (CDU) ... die Vorschläge, die in unseren Entwurf zur Änderung des Ordnungsbehördengesetzes geflossen sind. Damit kommen wir der Bitte der Kommunalpolitik nach einem präventiven Instrument für ihre Ordnungsbehörden nach. Die parlamentarischen Beratungen hierzu stehen aber noch am Anfang.
    Thomas Stotko (SPD) ... die Schaffung von Glasverboten sowie die Möglichkeit des Verbotes des Alkoholverkaufs zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten, um die "Nachschubwege trockenzulegen".
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... umfassende Konzepte zur Prävention von und Hilfe bei Alkoholmissbrauch. Dazu gehört auch die Einbeziehung von Streetworkern, Jugendämtern, Eltern, Familien und Schulen. Ungeeignet ist die Verdrängung und Leugnung des Problems.
    Horst Engel (FDP) ... Präsenz und gemeinsame anlassbezogene Kontrollen durch Ordnungsamt, Jugendamt und Polizei. Rechtlich ist eine Klarstellung im Landesimmissionsschutzgesetz erforderlich. Sie soll zum Schutz der wohlverdienten Nachtruhe der Anwohner ein Einschreiten gegen von einer Menschenmenge verursachten Lärm ermöglichen.
    Michael Aggelidis (Linke)... Intensivierung der Berufsberatung, Schaffung von Arbeitsplätzen zur Bewältigung dringlicher kommunaler Aufgaben, Förderung von selbstverwalteten Jugendzentren, Ausstattung öffentlicher Plätze mit Bänken und Tischen ohne Verzehrzwang.

    Regelungen zu schaffen, die kontrollierbar und insbesondere vor Gericht durchsetzbar sind, ist meiner Meinung nach ...

    Peter Biesenbach (CDU) ... rechtlich möglich, wenn auch nicht einfach. Der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg hat in einem Urteil ausdrücklich bejaht, dass der Gesetzgeber im Bereich der Gefahrenvorsorge Freiheitsbeschränkungen anordnen kann, um gefährdete Rechtsgüter zu schützen. Dies wollen wir unseren Kommunen ermöglichen.
    Thomas Stotko (SPD) ... kaum möglich. Zu Recht wird der Freiheit des Einzelnen durch Gerichte große Bedeutung beigemessen. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit widerspricht pauschalen Ermächtigungen, mit denen friedliche Bürger schon im Vorfeld auf eine Stufe mit Ruhestörern gestellt werden.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... bereits möglich und geschehen. Im Gegensatz zum nicht umsetzbaren Vorschlag der CDU, bietet das Gefahrenabwehrrecht ein ausreichendes Instrumentarium zur Abwehr von Gefahren, die aus übermäßigem Alkoholkonsum herrühren. Platzverweise, Gewahrsam u.a. können bei Störungen verhängt werden.
    Horst Engel (FDP) ... mittels überzogener, mit Grundrechtseingriffen verbundener Alkoholverbote kaum möglich. Glasflaschenverbote sind für die FDP nur anlassbezogen, etwa an Karneval, zeitlich und örtlich eng begrenzt denkbar. Ein praxistauglicher Schutz der Nachtruhe ist jedoch nötig.
    Michael Aggelidis (Linke) ... nicht zielführend, wenn damit das polizeiliche Vorgehen gegen junge Menschen und die strengere Bestrafung ausgegrenzter Bevölkerungsteile gemeint ist.

    Einen Konflikt solcher Möglichkeiten mit dem Wunsch der Kommunen nach lebendigen Innenstädten sehe ich ...

    Peter Biesenbach (CDU) ... angesichts der differenzierten Regelung in unserem Gesetzentwurf nicht. Selbstverständlich wünschen wir uns gut besuchte Biergärten, Parkanlagen und Fußgängerzonen. Dazu gehören auch feiernde Menschen. Eine Grenze ist jedoch dann erreicht, wenn dabei regelmäßig alkoholbedingte Straftaten zu beklagen sind.
    Thomas Stotko (SPD) ... darin, dass auf der einen Seite an schönen sonnigen Tagen mit mediterranem Flair das Interesse besteht, gemütlich und gepflegt bei einem Glas Bier oder Wein in die Sonne zu blinzeln. Wer das in der eigenen Innenstadt nicht mehr will, vertreibt seine eigenen Bürgerinnen und Bürger aus der Stadt.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... durchaus. Die CDU will die Freiheit und Lebensqualität beschneiden, weil sie jedes gesellige Beisammensein unter Generalverdacht stellt. Diese Art der Bevormundung atmet den Mief des Obrigkeitsstaats. Offenheit, Toleranz und städtisches Lebensgefühl wünschen sich die meisten.
    Horst Engel (FDP) ... durch eine übertriebene Verbotsmentalität. Durch Bevormundung der Bürger und Regelungswut wird das urbane Leben der Menschen auf ihren Plätzen, Straßen und in Parks massiv eingeschränkt.
    Michael Aggelidis (Linke) ... bei verstärkter polizeilicher und juristischer Unterdrückung missliebiger Bevölkerungsgruppen durchaus - soziale Vorbeugung und Toleranz im Dialog sind besser.

    Eine verstärkte Sensibilisierung vor allem von Jugendlichen für einen bewussten Umgang mit Alkohol ist für mich ...

    Peter Biesenbach (CDU) ... eine sehr wichtige Aufgabe von Politik und Gesellschaft. Die jüngsten Zahlen zum exzessiven Alkoholkonsum bei Jugendlichen sind alarmierend und zeigen, dass die Gefahren bis heute vielfach unterschätzt werden. Hier müssen wir von Kindesbeinen an noch stärker auf Aufklärung setzen
    Thomas Stotko (SPD) ... wesentlich wichtiger als die Auseinandersetzung um Verbote, Verordnungen und Verkaufsregelungen. In den Familien und allen öffentlichen Einrichtungen muss klar gemacht werden, dass Alkohol abhängig machen kann.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... am allerwichtigsten. Nur, wenn die Betroffenen erreicht und bei ihnen ein Problembewusstsein hervorgerufen wird, kann das Problem auch ernsthaft gelöst werden. Ausufernde Gelage und rücksichtslose Störungen können und sollen von den Ordnungskräften unterbunden werden.
    Horst Engel (FDP) ... dringend notwendig. Die FDP fordert deshalb auch einen stärkeren Einsatz bei der Alkoholprävention gerade auch für Jugendliche. Die FDP-Fraktion hat dazu wiederholt Initiativen in den Landtag eingebracht.
    Michael Aggelidis (Linke) ... eine wichtige Aufgabe von Eltern, Schulen und Sozialarbeit.

    Systematik: 5250 Rauschmittel; 1330 Ordnungsrecht

    ID: LI120209

  • Die Freiheit aller respektieren.
    Anhörung zur Bekämpfung von Alkoholexzessen in der Öffentlichkeit.
    Titelthema / Schwerpunkt;
    Ausschussbericht
    S. 11 in Ausgabe 2 - 08.02.2012

    12. Januar 2012 - Alkohol ist Genuss- und Rauschmittel zugleich. Ein in den letzten Jahren verändertes Konsumverhalten in der Öffentlichkeit stellt einige Kommunen vor Probleme. Im Zentrum der Kritik: Trinkgelage größerer Gruppen und deren Folgen. Wie Städte und Gemeinden darauf reagieren können und sollen, war Thema einer Anhörung im Innenausschuss (Vorsitz: Monika Düker, Grüne). "Wir wollen ein fröhliches Miteinander aller sichern", begründete die CDU ihre Gesetzesinitiative, mit der sie es den Kommunen ermöglichen will, räumlich und zeitlich begrenzte Alkoholverbote zu verhängen. Im Ziel, Auswüchse zu Lasten der Allgemeinheit zu vermeiden, waren sich die Fachleute einig. Unterschiede gab es bei der Frage, welche Maßnahmen sinnvoll und rechtlich möglich sind.
    "Bitte geben Sie uns ein neues Instrument an die Hand", appellierte Detlev Fröhlke vom Ordnungsamt der Stadt Aachen an die Abgeordneten im Düsseldorfer Landtag auch im Namen zahlreicher großer und mittelgroßer Städte, aber auch von Anwohnerinnen und Anwohnern. Es gebe eine Veränderung des gesellschaftlichen Lebens dahin, dass immer mehr Freizeitaktivitäten im öffentlichen Raum stattfänden. Gerade in größeren Städten sei es dabei vor allem bei jüngeren Menschen zu einer neuen Qualität des Alkoholkonsums gekommen. Dies habe teilweise "erschreckende" Züge, wies Fröhlke auf die Folgen hin: Belästigungen von Anwohnerinnen und Anwohnern sowie Verunreinigungen der betroffenen Straßen und Plätze, auch in Folge von fehlenden Sanitäranlagen. Man brauche Möglichkeiten, um für alle Beteiligten eine gute innerstädtische Aufenthaltsqualität zu gewährleisten.

    Vorbeugung

    Die geltende Rechtslage erlaube keine vorbeugenden Maßnahmen, erläuterten Regine Meißner und Anne Wellmann für die Kommunalen Spitzenverbände. Daher begrüßten sie die Gesetzesinitiative. Um an den nachgewiesenen Problembrennpunkten tätig werden zu können, brauchten Städte und Gemeinden Handlungsoptionen wie ein räumlich und zeitlich begrenztes Alkoholverbot. Meißner regte an, dies um ein mögliches Verbot von Glasbehältern sowie die Möglichkeit, den Alkoholverkauf einzuschränken, zu ergänzen. Die Erfahrung habe gezeigt, dass manche Menschen mit der Freiheit, die zum Beispiel Flatrate-Trinkangebote und rund um die Uhr geöffnete Läden böten, nicht umgehen könnten. Es gehe nicht darum, den Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit zu steuern, sondern um präventive Möglichkeiten für Extremsituationen, ergänzte Wellmann.
    Für Köln sehe er derzeit nicht die Notwendigkeit für ein Alkoholverbot, betonte demgegenüber Stadtdirektor Guido Kahlen. Er unterschied zwischen der allgemeinen Szene auf öffentlichen Plätzen, angemeldeten Großveranstaltungen und Open-Air-Partys auf öffentlichen Plätzen. Bei letzteren könnten teilweise bis zu 2.000 Menschen das "mediterrane Flair" genießen wollen, was eine nicht zumutbare Lärmkulisse bedeute. Als Abhilfe hielt daher auch Kahlen ein zeitlich begrenztes Verbot des Alkoholverkaufs für sinnvoll. Des Weiteren sprach er sich grundsätzlich für ein Glasverbot aus, da man mit diesem Ansatz gerade auch bei Großveranstaltungen, wie beim Karneval, gute Erfahrungen gemacht habe. Es sei zu überlegen, ob der Landtag hierzu nicht eine gesetzliche Grundlage schaffen müsse. Ein Alkoholverbot könne er sich nur als an hohe Anforderungen geknüpfte "ultima ratio" vorstellen.
    Diese Anforderungen sind laut Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Clemens Arzt kaum zu erfüllen. Das Verbot des Alkoholkonsums im öffentlichen Bereich stelle nicht nur eine Beschränkung des Gemeingebrauchs von öffentlichen Straßen und Plätzen, sondern auch einen Eingriff in ein Grundrecht dar. Die Gefahrenvorsorge gestatte einen solchen Eingriff aber nur zum Schutz höherrangiger Rechtsgüter. Die Folgen von Alkoholgenuss und damit verbundene Ordnungswidrigkeiten gehörten seiner Meinung nach nicht dazu. Im vorliegenden Gesetzentwurf fehle ihm zudem eine nachweisbare, durch Daten belegte Darlegung der zu bekämpfenden Gefahren und eine Abwägung der Einschränkung der Grundrechte, kritisierte Arzt. Er warnte davor, eine Erwartungshaltung zu schaffen, die man nicht erfüllen könne. Seiner Meinung würden die Kommunen trotz einer gesetzlichen Handhabe am Ende nicht in der Lage sein, einen Gefahrenverdacht vor Gericht hinreichend nachzuweisen.

    Zielgruppe Jugendliche

    Die Frage, wer das im Antrag vorgeschlagene Alkoholverbot durchsetzen soll, stellte auch Erich Rettinghaus von der Deutschen Polizeigewerkschaft. Die Polizei stoße bereits heute personell an ihre Grenzen. Er warnte vor einer bloßen räumlichen Verlagerung des Problems. Notwendig seien vielmehr weitergehende Konzepte und eine umfassende Vorbeugung, um gerade Jugendliche vom übermäßigen Alkoholkonsum abzuhalten. cw

    Systematik: 5250 Rauschmittel; 1330 Ordnungsrecht

    ID: LI120211

  • Lob, Zweifel und Kritik am Sparen.
    Regierung strebt verfassungsgemäßen Haushalt 2012 an.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 7-9 in Ausgabe 1 - 25.01.2012

    21. Dezember 2011 - Kurz vor Weihnachten hat der Landtag in erster Lesung den Haushaltsentwurf für das Jahr 2012 debattiert (Drs. 15/3400). Trotz eines Ausgabenplus von 3,1 auf 58,4 Milliarden Euro geht die Regierung davon aus, mit der Verschuldung (geplant: knapp 4 Milliarden Euro) die verfassungsgemäße Obergrenze zu unterschreiten. Man wolle in der "Spitzengruppe der Sparsamen" landen, unterstrich Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans. CDU wie auch FDP bezweifelten jedoch den Sparwillen der Regierung und warfen ihr eine Politik "auf Pump" vor. Die Linke wandte sich gegen einen finanzpolitischen Kurswechsel und forderte verstärkte sozialökologische Investitionen.
    Nicht ohne Stolz präsentierte Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans (SPD) den NRW-Haushaltsentwurf 2012. Damit verband er zwei Botschaften. Erstens stelle die Regierung die Weichen weiterhin auf Zukunftsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Wohlstand in NRW. Zweitens zeige der Haushaltsplan, dass Rot-Grün die Aufgabe der Konsolidierung ernst nehme. In diesem Zusammenhang betonte der Minister die Notwendigkeit, nicht nur Ausgaben zu senken, sondern auch höhere Einnahmen zu erzielen. Deswegen sei die Grunderwerbsteuer auf 5 Prozent gestiegen, die Abschaffung des Wasserentnahmeentgeltes rückgängig gemacht und zusätzliches Personal für die Steuerprüfung eingestellt worden. Wirkliche Konsolidierung bedeute mehr als bloßes Kürzen und Kappen und dürfe nicht zulasten der Bildung und der Kommunen geschehen, erklärte Walter-Borjans. Gerade letztere gelte es zu unterstützen und zu stärken. Fast 30 Prozent aller Gesamtausgaben seien deshalb für die Städte und Gemeinden bestimmt. Wesentliche Mehrausgaben entfielen auch auf den Hochschulpakt und die Schulpolitik, um das Land zukunftsfähig zu machen. Zum Schuldenabbau stellte der Minister in Aussicht: "Wir werden alles daransetzen, diese Entwicklung fortzuführen und so bis 2020 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen." Mit der mittelfristigen Finanzplanung stelle sich die Regierung dem im Grundgesetz vorgegebenen Auftrag zur Einhaltung der Schuldenbremse.
    Wer 4 Milliarden Euro neue Schulden mache, "der spart nicht, sondern arbeitet weiter an seinem Image als Schuldenkönigin von Deutschland", warf der CDU-Fraktionsvorsitzende Karl-Josef Laumann der Ministerpräsidentin vor. In ganz Europa werde die bundesdeutsche Schuldenbremse zum Vorbild, nur in NRW gelinge es nicht, sie einzuführen, so Laumann. Keinen einzigen Sparvorschlag habe er seitens der Landesregierung gehört. Sie habe nicht den Mut, konkrete Einsparpotenziale zu benennen. In seiner Rede ging der Abgeordnete auf zahlreiche Politikfelder ein. So werde es etwa die Landesregierung nicht schaffen, den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren ab Sommer 2013 zu erfüllen, befürchtete Laumann. Ebenso kritisierte er die Landesplanung als den energiepolitischen Erfordernissen nicht angemessen. "Nordrhein-Westfalen muss seinen Wohlstand mehren. Sonst können wir die zukünftigen Aufgaben nicht bewältigen", zeigte sich Laumann besorgt und bezeichnete die Politik der Landesregierung als "innovationsfeindlich". Die Kommunen im Land würden erdrückt von Lasten und Ausgaben. Entsprechend müsse der Haushalt ausgestaltet werden, um Städten und Gemeinden zu helfen, appellierte er an die Regierung. Verwundert zeigte er sich, dass sie die finanzielle Haftung des Landes für die ausgegliederte Service-Bank der WestLB in Höhe von 1 Milliarde Euro nicht in den Stammhaushalt für 2012 aufnehmen wolle.
    "Klare Ziele, klare Prioritäten, das zeichnet diesen Haushalt aus", lobte SPD-Fraktionschef Norbert Römer. Rot-Grün investiere konsequent in die Zukunft. Im Fokus: die Förderung von Kindern und Familien, Bildung als Schlüssel zur Chancengleichheit, die kommunale Finanzsituation sowie Wachstumschancen für Wirtschaft, Industrie und Arbeitsmarkt - nicht zuletzt durch den Fortschrittsmotor Klimaschutz. "Wir lassen keinen Menschen zurück", betonte Römer mit Verweis auf den bundesweiten Armutsbericht, der NRW eine steigende Armutsquote attestiere - auch ein Ergebnis der Politik der Vorgängerregierung, warf Römer CDU und FDP vor. Solche Zahlen dürften die Politik nicht kaltlassen, präventives Handeln sei gefragt. Zudem kritisierte Römer die Vorgängerregierung dafür, dass sie in der Vergangenheit versucht habe, mit der Rasenmäher-Methode die Landes-Personalkosten zu senken. Seine Fraktion habe andere Ansprüche: Das Personal müsse den Aufgaben folgen und nicht umgekehrt. "Wir prüfen genau und zielorientiert." Angesichts der angestrebten Nettoneuverschuldung bis zum Jahr 2020 müsse das Land seine Mittel auf die wichtigen Aufgaben konzentrieren. Gleichzeitig betonte Römer: "Ohne Einnahmeverbesserung zur Lösung der strukturellen Probleme des Landes geht es aber nicht." Es sei daher unverantwortlich, Steuern zu senken. Zudem forderte er: "Den Aufbau Ost mit dem Abbau West zu finanzieren, damit muss endlich Schluss sein."
    Reiner Priggen, Fraktionsvorsitzender der Grünen, dankte zunächst den Oppositionsfraktionen für eine konstruktive Zusammenarbeit bei einzelnen politischen Entscheidungen. Er rief alle Fraktionen dazu auf, die wesentliche finanzpolitische Herausforderung ebenfalls gemeinsam anzugehen, nämlich für gerechtere Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern zu sorgen. Weil der Bund sich finanziell an den Kommunen vergreife, habe er das Land NRW in den Jahren 2007 bis 2010 mit 3,5 Milliarden Euro und zusätzlich die NRW-Kommunen mit 1,5 Milliarden Euro belastet. Nur wenn der Bund sich deutlich mehr an den Soziallasten der Kommunen beteilige, sei die Verschuldungsgrenze im Land überhaupt zu erreichen. Vor diesem Hintergrund bewertete Priggen Laumanns Rede als Oppositionsrhetorik, die an der Realität weitgehend vorbeigehe. Von den geplanten 3,1 Milliarden Euro Mehrausgaben im Jahr 2012 hätte auch Laumann mit seiner CDU-Fraktion über 90 Prozent mittragen müssen, argumentierte Priggen. Der Großteil entfalle nämlich auf gesetzliche Verpflichtungen und auf die Entlastung der Kommunen, die auch die CDU wolle. Was dann noch übrig bleibe, seien zum einen 250 Millionen Euro für die Abschaffung der Studiengebühren - ein "Auslaufmodell" in Deutschland, an dem nur zwei Bundesländer festhalten wollten. Der andere Posten entfalle auf das beitragsfreie dritte Kindergartenjahr, das die CDU in der Sache selbst unterstütze.
    Weder zustimmungsfähig noch hinnehmbar sei der vorliegende Entwurf des Haushalts 2012, erklärte Dr. Gerhard Papke (FDP) für seine Fraktion. Die Landesregierung habe keinen Spar-, sondern vielmehr einen Schuldenhaushalt vorgelegt. Trotz Steuereinnahmen in Rekordhöhe treibe sie die Neuverschuldung in die Höhe. Obwohl die Landesregierung mittlerweile eine Schuldengrenze vom Grundsatz her akzeptiere, beabsichtige sie nicht ernsthaft, den dafür ab 2020 notwendigen ausgeglichenen Haushalt schon jetzt anzustreben. Insbesondere kritisierte Papke zusätzliche Stellen in der Landesverwaltung, vor allem im Umweltbereich, sowie die Finanzierung der gestrichenen Studienbeiträge "auf Pump". Mit Blick auf Wachstum, Beschäftigung und Steuereinnahmen warnte der FDP-Fraktionsvorsitzende vor einer "Gängelungswut" sowie vor einer "Steuererhöhungsorgie". Je mehr man die Steuerschraube anziehe, desto niedriger seien am Ende die Steuereinnahmen, meinte Papke. Anders als andere Bundesländer müsse NRW im kommenden Jahr mit steigenden Arbeitslosenzahlen rechnen. Konkret wandte er sich gegen aus seiner Sicht mittelstandsfeindliche Auflagen durch das Klimaschutzgesetz, durch das Tariftreuegesetz, durch mögliche Änderungen bei den Ladenöffnungszeiten sowie die erweiterten Möglichkeiten für öffentliche Unternehmen, sich wirtschaftlich zu betätigen. Auch bei der Dichtheitsprüfung privater Abwasserkanäle habe sich die Landesregierung ins Abseits manövriert.
    "Die verspätete Einbringung des Haushalts 2012 verstößt gegen die Verfassung unseres Landes", kritisierte Linken-Fraktionschef Wolfgang Zimmermann. Es wäre machbar gewesen, das Gesetz im September einzubringen und im Dezember abzuschließen, meinte er.. "Dann hätte es für die Menschen, für die Organisationen und für die Initiativen, die in diesem Lande davon abhängig sind, Sicherheit gegeben." Nun würden Investitionen verzögert, teils sogar verhindert. Zudem liege der Entwurf erst seit zwei Tagen vor, was eine echte Debatte kaum möglich mache. Inhaltlich warf Zimmermann Rot-Grün eine halbherzige Reformpolitik vor, die nun verstärkt auf CDU und FDP eingehe. Seiner Fraktion gehe es um bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen für die Menschen. "Eine Politik im Interesse des Kapitals machen wir in diesem Landtag nicht mit." Zudem betonte der Linke, dass das Land ein Steuerplus nicht nur zur Haushaltskonsolidierung einsetzen dürfe - die Investitionen von heute seien der gesellschaftliche Reichtum von morgen. Er forderte ein Zukunftsinvestitionsprogramm und erklärte mit Blick auf die Haushaltseinnahmen, die beste Schuldenbremse sei die Vermögenssteuer. Zudem kritisierte Zimmermann die vorgesehene Höhe der globalen Minderausgaben. Er befürchtete, dass die Regierung so Sozial- und Personalabbau am Parlament vorbei organisieren wolle und stellte klar: Weder Zustimmung noch Enthaltung der Linken gebe es zum Nulltarif.

    Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG)

    Insgesamt 1,25 Milliarden Euro habe die rotgrüne Landesregierung den Kommunen über die Gemeindefinanzierungsgesetze seit 2010 zur Verfügung gestellt, betonte Innenminister Ralf Jäger (SPD). Des Weiteren habe man im vorliegenden Entwurf für 2012 die Grunddaten aktualisiert, den Soziallastensatz, den Schüleransatz und den Zentralitätsansatz geändert sowie einen Flächenansatz und einen Demographiefaktor eingeführt. Dadurch möglicherweise geringere Zuweisungen an einzelne Kommunen würden durch eine Abmilderungshilfe von 70 Millionen Euro aufgefangen.
    Von einer angemessenen Finanzausstattung der Kommunen könne keine Rede sein, klagte demgegenüber Bodo Löttgen (CDU). Mit ihren Gemeindefinanzierungsgesetzen betreibe die Landesregierung seit dem Jahr 2010 SPDKlientelpolitik und spalte die kommunale Familie. Sie benachteilige kleinere und mittlere Kommunen im ländlichen Raum gegenüber kreisfreien Städten im Ruhrgebiet. Auch habe sich der Konflikt über die Höhe der Kreisumlage extrem zugespitzt. Im Jahr 2013, warnte der Abgeordnete, werde sich so manche Gemeinde im Nothaushalt wiederfinden.
    Als "historisch bestes Gemeindefinanzierungsgesetz" bezeichnete Michael Hübner (SPD) den aktuellen Gesetzentwurf. Profitieren würden auch kreisangehörige Städte, die hohe Soziallasten tragen müssten. Außerdem habe Rot-Grün mit einer Änderung der Gemeindeordnung erreicht, dass Kommunen eine realistische Zeitspanne zur Konsolidierung bekämen. Der Finanzsaldo, um den es bei den Städten und Gemeinden gehe, betrage 2,85 Milliarden Euro, sagte der SPD-Sprecher. Diese Summe sei nur in den Griff zu bekommen, wenn auch der Bund seinen Teil beitrage.
    "Wir tun als Land das, was bis zur Grenze der Leistungsfähigkeit möglich ist", lobte Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) die Aktivitäten der Landesregierung in Sachen Gemeindefinanzierung. Ab dem Jahr 2014 gebe es eine Entlastung der NRWKommunen von insgesamt 1,7 Milliarden Euro - 1 Milliarde durch den Bund, 700 Millionen Euro durch das Land. Die Kritik der CDU sei dagegen mit keiner Zahl belegt. Der Grünen-Sprecher forderte weitere Entlastungen durch den Bund, ansonsten müsse es ab 2014 eine Solidarumlage der finanzstarken Kommunen in NRW geben.
    Horst Engel (FDP) kritisierte eine größer werdende Schere bei den Finanzzuweisungen an die einzelnen Kommunen. Wenn "angeblich besonders finanzbedürftige" Kommunen überproportional mehr Geld bekämen als "normale", dann könne man von einer "Einwohnerveredlung" sprechen. Er befürchtete daher auch mit Blick auf die Neubemessung des Soziallastenansatzes "massive Umverteilungen" innerhalb der kommunalen Familie. Fragwürdig sei auch die Anhebung des Zentralitätsfaktors, da zentrale Orte von der Ansiedlung vieler Gewerbetreibender profitierten.
    Dass es jetzt mehr Geld für die Städte und Gemeinden geben solle, sei eine Folge höherer Steuereinnahmen, widersprach Özlem Alev Demirel (Linke) der Darstellung der Regierungskoalition. In den letzten beiden Jahrzehnten hätten CDU, SPD, Grüne und FDP eine Politik zu Lasten der Kommunen betrieben. Die jüngsten Hilfen seien nur mit Unterstützung der Linken möglich gewesen. Das vorliegende GFG könne ihre Fraktion aber nicht mittragen, da sie einen erneuten Vorwegabzug beim kommunalen Finanztopf und eine Beibehaltung des niedrigen Verbundsatzes ablehne.
    Die Redaktion

    "Tabelle: hier nicht erfasst!"
    Haushaltseckdaten

    Tabelle:
    Einzeletats (in Milliarden Euro)
    2012
    Landtag 0,109
    Ministerpräsident 0,119
    Innen 4,873
    Justiz 3,638
    Schule und Weiterbildung 14,991
    Innovation, Wissenschaft, Forschung 6,658
    Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport 2,500
    Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Naturund Verbraucherschutz 0,910
    Arbeit, Integration und Soziales 2,848
    Finanzen 2,002
    Landesrechnungshof 0,040
    Wirtschaft, Energie, Bauen und Verkehr 4,030
    Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter 0,938
    Allgemeine Finanzverwaltung 14,734
    Summe 58,389

    Tabelle:
    Daten zur Gemeindefinanzierung
    (in Klammern Veränderung gegenüber Vorjahr/ Angaben in Euro)
    Zuweisungen 8.421 Millionen (+500 Millionen)
    Schlüsselzuweisungen 7.145 Millionen (+424 Millionen)
    davon für
    - Gemeinden 5.608 Millionen
    - Kreise 836 Millionen
    - Landschaftsverbände 701 Millionen
    Schulpauschale/Bildungspauschale 600 Millionen
    Investitionspauschalen 555 Millionen (+33 Millionen)
    Pauschale 30 Millionen
    Bedarfszuweisungen (+2 Millionen)
    Sportzuweisungen 50 Millionen
    Verbundsatz 23 Prozent

    Zusatzinformation:
    Daten und Fakten
    Das Haushaltsvolumen beträgt rund 58,4 Milliarden Euro. Damit liegen die Ausgaben 3,1 Milliarden Euro über denen des Jahres 2011. Vorgesehen ist eine Nettoneuverschuldung von knapp 4 Milliarden Euro, der eigenfinanzierte Investitionen von knapp 4,2 Milliarden Euro gegenüberstehen. Laut Landesverfassung darf die Nettoneuverschuldung die Höhe der Investitionen nicht übersteigen. Die erlaubte Obergrenze wird laut Entwurf in diesem Jahr um 191 Millionen Euro unterschritten.
    Mehr Geld bekommen sollen vor allem die Ministerien für Arbeit, Integration und Soziales (+756 Mio. Euro), Schule und Weiterbildung (+665 Mio. Euro) sowie Innovation, Wissenschaft und Forschung (+445 Mio. Euro).
    In Zusammenhang mit dem Haushaltsgesetz wird die Mittelfristige Finanzplanung 2011 bis 2015 (Drs. 15/3401), das Gemeindefinanzierungsgesetz 2012 (Drs. 15/3402) sowie das Stärkungspaktfondsgesetz (zur Unterstützung der kommunalen Haushaltskonsolidierung, Drs. 15/3427) beraten.
    Nun befinden sich die vier Beratungsgegenstände in den Fachausschüssen zur Detaildiskussion. Außerdem nehmen Sachverständige Stellung zum Haushaltsgesetz (Seite 13), bevor das Plenum des Landtags in zweiter und dritter Lesung über den Haushalt berät und schließlich entscheidet.

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt; 8200 Finanzverwaltung

    ID: LI120103

  • Weisbrich, Christian (CDU); Börschel, Martin (SPD); Mostofizadeh, Mehrdad (Grüne); Freimuth, Angela (FDP); Sagel, Rüdiger (Grüne)
    Schlag auf Schlag:"Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal geht es um den Landeshaushalt 2012.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 1 - 25.01.2012

    Der vorliegende Haushaltsentwurf trägt zur Erfüllung der Schuldenbremse ab 2020 ...

    Christian Weisbrich (CDU)... in keiner Weise bei. 2012 werden die höchsten Steuereinnahmen aller Zeiten erzielt. Dennoch will die rot-grüne Minderheitsregierung das Land um weitere 4 Milliarden Euro verschulden, während sich SPD und Grüne der Aufnahme einer wirksamen Schuldenbremse in unsere Landesverfassung verweigern.
    Martin Börschel (SPD) ... bei. Mit dem Entwurf setzt die Landesregierung klare Zeichen für eine Stärkung der wachstums- und nachhaltigkeitswirksamen Ausgaben bei gleichzeitigem konsequenten Abbau der Nettoneuverschuldung! Die Verschuldung liegt immerhin um 1,5 Mrd. Euro unter den Plänen der schwarz-gelben Vorgängerregierung.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... ganz wesentlich bei. 750 Millionen Euro werden eingespart und die Neuverschuldung - anders als bei CDU und FDP im Bund - weiter abgesenkt. Trotzdem sparen wir nicht zu Lasten der Zukunft, weil das teure Reparaturkosten bedeuten würde.
    Angela Freimuth (FDP) ... nicht bei. Obwohl SPD und Grüne 2012 die höchsten Steuereinnahmen der Geschichte NRWs erwarten, planen sie, ca. 4 Milliarden Euro neue Schulden aufzunehmen. Der Haushaltsentwurf lässt keine ernsthaften Absichten erkennen, einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen und die Schuldenbremse des Grundgesetzes einzuhalten.
    Rüdiger Sagel (Linke) ... deswegen nicht bei, weil ein schuldenfreier Haushalt nur durch Steuermehreinnahmen, z. B. über höhere Spitzensteuern oder eine Millionärssteuer ermöglicht wird. Sparpolitik kann das Problem nicht lösen!

    Im Haushalt sind die Bemühungen um Einnahmeverbesserungen ...

    Christian Weisbrich (CDU) ... pure Augenwischerei. Gemessen an den Bundesdaten sind die Steuereinnahmen deutlich zu hoch angesetzt. Der Länderfinanzausgleich ist um 250 Millionen Euro schön gerechnet, und 170 Millionen Euro veranschlagte Einnahmen aus den kirchlichen Schul- und Studienfonds sind eine reine Luftbuchung.
    Martin Börschel (SPD) ... insbesondere bei der Grunderwerbsteuer ersichtlich. Mit Mehreinnahmen durch zusätzliche Betriebsprüfer, die auch zu mehr Steuergerechtigkeit beitragen, rechne ich erst in ein bis zwei Jahren. Dank der robusten Konjunktur entwickeln sich die Steuereinnahmen allgemein sehr gut.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... auf Landesebene weitgehend ausgeschöpft. Steuererleichterungen für Besserverdienende haben NRW viele Milliarden Euro gekostet. 49 Prozent Spitzensteuersatz, eine Vermögensteuer und eine vitale Gewerbesteuer sind notwendige Bausteine, um ein handlungsfähiges Gemeinwesen wieder herzustellen.
    Angela Freimuth (FDP) ... von SPD und Grünen einseitig zu Lasten der Bürger und des Mittelstands angelegt. Statt Impulse für mehr Wachstum, mehr Beschäftigung und damit höhere Steuereinnahmen zu setzen, dreht Rot-Grün an vielen Stellen an der Steuerschraube. Die Folge werden letztlich geringere Einnahmen sein.
    Rüdiger Sagel (Linke) ... nicht wirklich erkennbar. Dazu müssten u. a. mehr Steuerprüfer eingestellt - sofort mindestens 500! - und Ausbildungsplätze für Steuerprüfer geschaffen werden. In NRW geht die Schere zwischen Arm und Reich ansonsten immer weiter auseinander.

    Die Förderung von Familien, Kindern und Bildung ist im Haushaltsentwurf ...

    Christian Weisbrich (CDU) ... nicht zielführend. Bundesweit ist die Versorgung mit U3-Betreuungsplätzen nirgendwo schlechter als in NRW. SPD und Grüne werden den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab 2013 nicht erfüllen. Die Mittelvergabe ist viel zu bürokratisch. Die Investitionsmittel für den Ausbau kommen nicht an.
    Martin Börschel (SPD) ... ein wesentlicher Schwerpunkt! Ausbau der Kitas, der U3-Betreuung und des Ganztagsunterrichts, Verbesserung der Betreuungs- und Unterrichtsqualität, Inklusion ... All dies belegt: Wir wollen kein Kind mehr zurücklassen, sondern optimal fördern!
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... wieder ein wichtiger Schwerpunkt. Wir investieren in kleinere Klassen, Ganztagsbetreuung und Inklusion und setzen unsere Zusagen für Gebührenfreiheit in Kita und Hochschule weiter um. U3-Betreuungsplätze werden ausgebaut und Hochschulen auf den Doppeljahrgang 2013 vorbereitet.
    Angela Freimuth (FDP) ... nicht effektiv umgesetzt, da kostspielige Wahlversprechen finanziert werden. Die Abschaffung der Studienbeiträge, das beitragsfreie dritte Kitajahr und die Kompensation durch neue Schulden führen zu Verschlechterungen bei der Qualität von Betreuung und Lehre und belasten alle Steuerzahler durch höhere Zinsen.
    Rüdiger Sagel (Linke) ... bei weitem nicht ausreichend. Kinderbetreuung muss kostenfrei sein, es müssen ausreichend Kita-Plätze für alle Kinder zur Verfügung gestellt und die Erzieherinnen und Erzieher besser bezahlt werden.

    Die Gesamthöhe der Mittel für die Kommunen bewerte ich als ...

    Christian Weisbrich (CDU) ... unzureichend. Die strukturelle und nachhaltige Verbesserung der Kommunalfinanzen ist eine unserer wichtigsten Aufgaben der Zukunft. Der rot-grüne "Schwächungspakt" ist nicht zielführend, nicht nachhaltig und damit unfair und sozial ungerecht.
    Martin Börschel (SPD) ... gewaltigen Kraftakt. Mit 8,4 Mrd. Euro ist das Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) so hoch wie noch nie. Auch der Stärkungspakt Stadtfinanzen und die Erhöhung des kommunalen Anteils an der Grunderwerbsteuer sind wichtige Signale an die Kommunen: Wir stehen an eurer Seite! Nun ist endlich der Bund in der Pflicht!
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... Beleg für den von Rot-Grün eingeleiteten Paradigmenwechsel zugunsten der Kommunen. 8,4 Mrd. Euro bedeuten das höchste GFG überhaupt. Mit weiteren 415 Mio. Euro Stärkungspaktmitteln übernimmt das Land umfassend Verantwortung für notleidende Kommunen. Jetzt wären CDU und FDP im Bund am Zug.
    Angela Freimuth (FDP) ... Kraftakt für den Landeshaushalt. Den Kommunen wird 2012 der größte Steuerverbund aller Zeiten zur Verfügung stehen. Dazu kommen die Mittel für den Stärkungspakt Stadtfinanzen, mit denen besonders hoch verschuldeten Kommunen geholfen und gleichzeitig ein Anreiz für mehr Sparsamkeit gesetzt wird.
    Rüdiger Sagel (Linke) ... bei weitem nicht ausreichend. Wenn Schwimmbäder und Büchereien geschlossen werden und Sozialeinrichtungen wegen Unterfinanzierung die Menschen nicht mehr unterstützen können, zeigt das, wie katastrophal die Situation mittlerweile ist.

    Die neu geregelte Differenzierung der Förderung von Städten und Gemeinden halte ich für ...

    Christian Weisbrich (CDU) ... eine erhebliche strukturelle Benachteiligung des kreisangehörigen Raums. Mit dem Gemeindefinanzierungsgesetz 2011 wurden dem ländlichen Raum 140 Millionen Euro entzogen, mit dem Gemeindefinanzierungsgesetz 2012 weitere 100 Millionen Euro. SPD und Grüne spalten die kommunale Familie.
    Martin Börschel (SPD) ... gerechter! Die Schlüsselzuweisungen im GFG 2012 bilden die besonderen Belastungen in den einzelnen Kommunen besser ab, als dies zu Zeiten der schwarz-gelben Vorgängerregierung der Fall war.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... eine wichtige Weiterentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs. Die Soziallasten werden angemessen abgebildet. Mit dem jetzt eingeführten Flächenansatz, dem neuen Demographiefaktor und einem an Halbtags- und Ganztagsschülern und -schülerinnen orientierten Schüleransatz ist unser GFG modern aufgestellt.
    Angela Freimuth (FDP) ... problematisch, weil hierdurch erhebliche Umverteilungen zu Lasten von Städten und Gemeinden insbesondere in ländlichen Gebieten hervorgerufen werden.
    Rüdiger Sagel (Linke) ... abwegig. In NRW sind mittlerweile alle Kommunen chronisch unterfinanziert und müssen sich immer mehr verschulden. Dies führt zu massiven sozialen Problemen und zu zunehmender Perspektivlosigkeit gerade bei jungen Menschen. DIE LINKE will daher auch 2012 mehr soziale Gerechtigkeit!

    ID: LI120110

  • "Dann fällt eben die Bundesliga aus".
    Fachleute: Große Meinungsunterschiede über Landeshaushalt 2012.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 13 in Ausgabe 1 - 25.01.2012

    19. Januar 2012 - Kritik am vorliegenden Landeshaushalt gab es mit Blick auf Verfassungsmäßigkeit und allgemeine Finanzpolitik bei der Anhörung im Haushalts- und Finanzausschuss (Vorsitz Manfred Palmen, CDU). Die Mehrzahl der Fachleute sah angesichts guter Wirtschaftslage und sprudelnder Steuereinnahmen die Regierung in der Pflicht, mehr zu sparen.
    Wenngleich er das finanzielle Plus für die Städte und Gemeinden begrüße, so sehe er doch große Probleme für den Landeshaushalt insgesamt, erklärte Dr. Christian von Kraack für die kommunalen Spitzenverbände. Diese resultierten wesentlich aus Ausgaben, die bislang nicht in den Haushalt aufgenommen worden seien. So sprach von Kraack von "Riesenkosten" bei der Integration von behinderten Menschen in das Regelschulsystem (Inklusion). Nicht ausreichend berücksichtigte Kosten kämen seiner Meinung nach auch durch die geplanten Klimaschutzmaßnahmen auf die Kommunen und damit letztendlich auf das Land zu.
    Das Land müsse die Ausgaben an die Einnahmen anpassen, forderte Elmar Clouth vom Landesrechnungshof mit Blick auf die kommende Schuldenbremse. Diese untersagt ab dem Jahr 2020 die Aufnahme neuer Kredite in konjunkturellen Normalzeiten. Vor diesem Hintergrund kritisierte Clouth, dass im Vergleich zum vergangenen Haushalt die prognostizierten Steuereinnahmen zwar um rund 4 Milliarden Euro anstiegen, die Nettoneuverschuldung aber nur um rund 850 Millionen Euro zurückgehe. Die Mehreinnahmen dienten also nicht im vollen Umfang zur Rückführung der Verschuldung.

    Wie vorbeugen?

    Als "finanzpolitisch leichtsinnig" wertete Prof. Gisela Färber von der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften den vorliegenden Haushaltsentwurf. Er beinhalte weder Vorkehrungen für die Schuldenbremse noch für einen möglichen Rückgang der Konjunktur oder steigende Zinssätze, die die Schuldenlast verteuerten. Färber hielt überdies die angenommenen Steuereinnahmen für zu optimistisch. Sollten sie aber stimmen, dann sei es nicht richtig, gleichzeitig höhere Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich zu veranschlagen. Angesichts der jüngsten Entwicklungen in Frankreich und beim Europäischen Rettungsfonds warnte sie auch vor einer möglichen Herabstufung der Bonität deutscher Gebietskörperschaften mit den daraus folgenden Konsequenzen für die weitere Kreditaufnahme.
    Als "schwierigen Einstieg in die Schuldengrenze" sah Ralph Brügelmann vom Institut der Deutschen Wirtschaft das Ausmaß der vorgesehenen Nettokreditaufnahme. Notwendig sei ein ambitionierter Konsolidierungskurs. Hierzu gehöre, die großen Ausgabenposten zu beschneiden oder kleinere Ausgaben- und damit Politikbereiche ganz aufzugeben. Letzteres könne er sich aber nur schwer vorstellen.
    "Das strukturelle Defizit ist durch konjunkturbedingte Mehreinnahmen nicht vollständig abzubauen", betonte Dr. Rainer Kambeck vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung. Das strukturelle Defizit liege angesichts der guten Konjunkturlage in Höhe der heute veranschlagten Nettoneuverschuldung von rund 4 Milliarden Euro. Positiv sei, dass sich die Landesregierung zum Abbau dieses strukturellen Defizits verpflichtet habe, so Kambeck. Aber auch er monierte, man erkenne im Haushaltsplan noch nicht die konkreten Schritte des Abbaupfads. Dazu verwies er auf die Personalausgaben als größten Posten aller Ausgaben. Einsparmöglichkeiten in diesem Ausgabenbereich sah auch Heiner Cloesges vom Bund der Steuerzahler. Wenn weniger Personal, dann auch weniger Aufgaben, forderte Meinolf Guntermann vom Beamtenbund und von der Tarifunion NRW als Konsequenz aus der Debatte. Dieser Auffassung des Finanzministers könne er sich anschließen.
    Die Schuldenbremse sei über Ausgabensenkungen nicht erreichbar, meinte Professor Heinz-Josef Bontrup: "Wir haben ein Rieseneinnahmeproblem." Dies sei durch die völlig falsche Steuerpolitik in den letzten 20 Jahren im Bund ausgelöst worden. Angesichts der Tatsache, dass der Anteil der Gewinnsteuern am gesamten Steueraufkommen zwischen 1960 und 2010 von 34,7 auf 19,2 Prozent gesunken sei, müssten die Steuern vor allem für Reiche und Vermögende erhöht werden.
    Einnahmeerhöhungen solcherart täten aber der Konjunktur gar nicht gut, entgegnete Dr. Stephan Wimmers von der Industrie- und Handelskammer. Er wandte sich denn auch eher gegen die vorgesehene Neuverschuldung und warnte, die Risiken von Seiten der WestLB, des Stärkungspakts Stadtfinanzen sowie der Pensionskosten seien im Haushalt noch nicht berücksichtigt.
    Wer Einsparungen, zumal beim Personal, fordere, müsse auch sagen, wo denn gespart werden solle, forderte Andreas Meyer-Lauber vom Deutschen Gewerkschaftsbund. Etwa bei den Lehrkräften - dann hätte man schlechtere Schulabgängerinnen und -abgänger. Oder in der Finanzverwaltung - dann hätte man geringere Steuereinnahmen. Oder bei der Polizei - dann falle eben die Bundesliga aus.
    cw

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt; 8200 Finanzverwaltung

    ID: LI120112

  • Laumann, Karl-Josef (CDU); Römer, Norbert (SPD); Priggen, Reiner (Grüne); Dr. Papke, Gerhard (FDP); Beuermann, Bärbel (Linke)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal die Fraktionsvorsitzenden.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 12-13 in Ausgabe 13 - 21.12.2011

    Aus meiner Sicht war das politische Jahr 2011 für Nordrhein-Westfalen ...

    Karl-Josef Laumann (CDU) ... ein Jahr mit Licht und Schatten. Der Schulkonsens zwischen CDU, SPD und Grünen hat einen Schlussstrich unter eine jahrzehntelange fruchtlose Schulstrukturdebatte gesetzt. Das ist gut für unsere Schulen. Frau Kraft hat sich den Ruf einer Schuldenkönigin erworben. Das ist schlecht für das Ansehen unseres Landes. Stoppen konnte sie nur der NRW-Verfassungsgerichtshof in Münster, der einem Antrag auf Einstweilige Anordnung der CDU-Landtagsfraktion gegen den Nachtragshaushalt folgte.
    Norbert Römer (SPD) ... ein spannendes Jahr. Endlich haben wir einen Schulkonsens im Interesse von Schülerinnen und Schülern, Eltern, Lehrern und Kommunen: Die Idee vom längeren gemeinsamen Lernen ist gesetzlich verankert und vor Ort ist das jeweils beste Schulangebot möglich.
    Mit dem gerade verabschiedeten "Stärkungspakt Stadtfinanzen" geben wir den dramatisch verschuldeten Kommunen Hilfe zur Selbsthilfe. Das ist notwendig, denn die Kommunen sind das Fundament unserer staatlichen Ordnung.
    Reiner Priggen (Grüne) ... geprägt vom rot-grünen Politikwechsel. Wir haben mit dem Schulkonsens einen Durchbruch für mehr Bildungsgerechtigkeit geschafft. Bei den Gemeindefinanzen werden wir noch im Dezember die ersten 350 Millionen Euro aus dem Stärkungspakt Stadtfinanzen auszahlen. Das Klimaschutz-Start-Programm, eine Offensive für mehr demokratische Bürgerbeteiligung und die Abschaffung der Studiengebühren - selten hat eine Koalition in so kurzer Zeit so viele Wahlversprechen eingelöst.
    Dr. Gerhard Papke (FDP) ... geprägt vom Versuch der rot-grünen Landesregierung, die schwarz-gelbe Reformpolitik zurückzudrehen. Dabei setzen SPD und Grüne auf Gleichmacherei statt Chancengerechtigkeit. Leider hilft die CDU Rot-Grün mit der Einführung der Sekundarschule, die Gymnasien in ihrer Existenz bedroht, bei der Aufweichung des gegliederten Schulwesens. Einen guten Kompromiss haben allerdings SPD, Grüne und FDP zum Jahresende mit dem Hilfsprogramm "Stärkungspakt Stadtfinanzen" für hochverschuldete Kommunen gefunden.
    Bärbel Beuermann (Linke) ... spannend und bewegt! Wie im Vorjahr haben wir Linke unsere Positionen klar darlegen und immer wieder auch durchsetzen können. Wir werden unseren strikten Kurs fortsetzen, gerade auch weil wir befürchten, dass SPD und Grüne sich für ihre geplanten Rotstiftstriche künftig die Stimmen der übrigen Hartz-IV-Parteien einholen werden. Das ist bedauerlich, weil mit uns eine klare, am sozialen Wohl Aller orientierte Politik möglich wäre.

    Die zentralen landespolitischen Fragen für das Jahr 2012 sind meiner Meinung nach ...

    Karl-Josef Laumann (CDU) ... 1. Hat Frau Kraft den Willen zu sparen? Bisher nicht. Bisher profitiert sie von sprudelnden Steuern. Das reicht nicht, um die Schuldenbremse 2020 zu erreichen.
    2. Hat Frau Kraft den ernsthaften Willen, den Kommunen zu helfen? Bisher nicht. Die wenigen Kommunen, die Hilfen erhalten sollen, wollen sie in dieser Form nicht. Und der Rest der notleidenden Kommunen geht leer aus.
    Und 3. werden wir uns in der Schule auf die Qualität des Unterrichts konzentrieren und schauen, wo wir Verbesserungen erzielen können.
    Norbert Römer (SPD) ... zum einen die Beratung und Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes und des Klimaschutzplans. Damit wollen wir Kompetenz, Kreativität und Innovationsfähigkeit der nordrhein-westfälischen Wirtschaft nutzen.
    Zum anderen wird deutlich werden, dass sich vorbeugende Politik und Haushaltskonsolidierung ergänzen. Mit einer grundlegenden Aufgabenkritik müssen Landesregierung und Parlament Möglichkeiten eröffnen, finanzielle Spielräume zu erweitern und die Neuverschuldung zu senken. Dabei darf es keine Tabus geben.
    Reiner Priggen (Grüne) ... von der Bundespolitik nicht zu trennen. NRW wird 2012 als erstes Land ein wegweisendes Klimaschutzgesetz verabschieden. Wir benötigen aber auch verstärkte Bundesinvestitionen in Erneuerbare Energien und Energieeinsparung. Zudem wollen wir den haushaltspolitischen Konsolidierungskurs fortsetzen, um die Schuldenbremse 2020 zu schaffen. Dafür brauchen wir eine stabile konjunkturelle Entwicklung und müssen das Steuersenkungsdelirium von Schwarz-Gelb im Bundesrat stoppen.
    Dr. Gerhard Papke (FDP) ... neben der Schulpolitik, die nach der Zukunft des Wirtschaftsstandorts NRW. SPD und Grüne müssen ihre industriefeindliche Politik beenden. Bisher blockieren die Grünen in unverantwortlicher Weise die Fertigstellung des modernsten Steinkohlekraftwerks der Welt in Datteln. Die SPD muss sich klar dazu bekennen und zeigen, ob sie die Arbeitsplatzsorgen von Industriearbeitern noch wirklich ernst nimmt. Deshalb ist auch das sogenannte Klimaschutzgesetz der Grünen gefährlich, das den Bau moderner Industrieanlagen massiv behindern würde.
    Bärbel Beuermann (Linke) ... zahlreich! Die Inklusion von Menschen mit Behinderung wird eine große, gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Gleiches gilt für die Klimaund Energiewende. Der Start der Rente mit 67 wird viele Leute ebenso treffen wie die weiterhin desaströse Finanzlage vieler Kommunen. An den Hochschulen fehlen Studienplätze, und es gibt noch immer kein Sozialticket, das diesen Namen verdient. Ich könnte so fortfahren, und ich fürchte, es kommen ohnehin noch Probleme dazu, die wir bisher noch gar nicht erkannt haben.

    Das Jahr 2012 wird für unser Land ein gutes Jahr, wenn ...

    Karl-Josef Laumann (CDU) ... Frau Kraft ernsthaft spart. Wenn Frau Kraft und die sie tragenden Regierungsfraktionen von SPD und Bündnisgrünen ihre Blockade bei wichtigen Industrie-Projekten wie etwa dem Kohlekraftwerk in Datteln aufgeben. Und wenn die Regierungsfraktionen von SPD und Bündnisgrünen stärker auf die Vorschläge der CDU im Düsseldorfer Landtag eingehen. Denn wir als CDU werden auch im Jahr 2012 unsere Politik der Alternative und der Attacke fortsetzen. Auch das ist gut für die Menschen in NRW.
    Norbert Römer (SPD) ... es wie beim Schulkonsens und beim Stärkungspakt gelingt, Sachpolitik im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger in den Vordergrund zu stellen.
    Reiner Priggen (Grüne) ... wir am Ende feststellen können, dass die europäische Idee mächtiger ist als jede Krise. Denn NRW liegt nicht nur in der Mitte Europas. Wir sind auch auf ein starkes Europa angewiesen.
    ... die demokratische Politik die Vorherrschaft über die Kapitalmärkte zurückerobert und kalte Gier endlich auf klare Regulierung trifft.
    ... die zwei rot-grünen Frauen an der Spitze der Landesregierung den schwarz-gelben Jungs auch weiterhin zeigen, dass sie es selbst ohne Mehrheit besser können.
    Dr. Gerhard Papke (FDP) ... die Gängelung von Industrie und Mittelstand sowie die Bevormundung der Bürger aufhören. Zusätzliche Einschränkungen und Gesetze sind häufig unnötig - wie die Wiedereinführung eines Tariftreuegesetzes. Es sorgt nur für bürokratischen Mehraufwand und verteuert öffentliche Aufträge, deshalb wurde es in Regierungsverantwortung der FDP abgeschafft. Ebenso haben sich die freiheitlichen Regelungen bei den Ladenöffnungszeiten bewährt. Und auch ein dogmatisches Rauchverbot in unseren Kneipen ist mit der FDP nicht zu machen.
    Bärbel Beuermann (Linke) ... wir es schaffen, die Menschen wieder für ihre und unsere Demokratie zu begeistern! Als Linke ist unser Beitrag dazu, klare Alternativen zu benennen und kritische Fragen zu stellen. Zu den Problemen der Zeit genauso wie zu unseren Vorstellungen einer besseren, gerechteren und friedlichen Zukunft. Wir sind streitbar und solidarisch - und exakt so werden wir auch im kommenden Jahr bleiben.

    ID: LI111326

  • Herzstück der Debatte.
    Organspenden in NRW: Rück- und Ausblick zur politischen Beratung.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 8 in Ausgabe 12 - 07.12.2011

    9. November 2011 - "Es bedarf weiterhin eines verstärkten Einsatzes aller Beteiligten, um die Zahl der Organspender weiter zu erhöhen und damit die Situation der Menschen, die dringend auf ein Spenderorgan warten, zu verbessern", stellen die Fraktionen von CDU, SPD und Grünen in einem gemeinsamen Antrag fest (Drs. 15/3440). Nach mehreren Beratungsrunden hat der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Integration (Vorsitz Günter Garbrecht, SPD) diesen nun mit den Stimmen der antragstellenden Fraktionen sowie der Linken angenommen. Die FDP enthielt sich. Bereits im Februar hatte sich das Plenum mit der Zahl der Organspenden in NRW befasst und einen zunächst allein von der CDU gestellten Antrag (Drs. 15/1315) an den Ausschuss überwiesen.
    In Deutschland warteten derzeit rund 12.000 Menschen auf ein neues Herz, Niere oder Lunge, erläuterte Hubert Kleff (CDU) in der Plenardebatte Ende Februar. Rund 1.000 Menschen würden aus Mangel an einem geeigneten Spenderorgan sterben. Der CDU-Politiker forderte daher, die Aufklärungsarbeit zu verstärken. Günter Garbrecht (SPD) erinnerte zudem daran, dass die Debatte um die Frage, ob die derzeit geltende Zustimmungsregelung ausreiche, dazu geführt habe, dass unter anderem der Ethikrat, aber auch der Deutsche Ärztetag mittlerweile eine Widerspruchslösung befürworteten. Das Thema Organspende sei ethisch besonders sensibel und für die betroffenen Angehörigen oft mit Unsicherheit und Schmerzen verbunden, betonte Arif Ünal (Grüne). Trotz des Organmangels müsse es jedoch wegen der notwendigen Selbstbestimmung gesellschaftlich auch akzeptiert werden, wenn sich jemand bewusst gegen eine Spende entscheide.
    Es sei schon viel passiert, verwies Dr. Stefan Romberg (FDP) auf im Jahr 2007 vereinbarte Maßnahmen: etwa den neuen Transplantationsbeauftragten in den Krankenhäusern, die Einführung klinikinterner Handlungsanweisungen für den Ablauf von Organspenden oder die entsprechende Begleitung von Angehörigen. Der FDP-Sprecher forderte zudem, die Vorrangigkeit der postmortalen Spende vor einer Lebendspende aufzuheben. Letztere habe die größeren Erfolgsaussichten. Wolfgang Zimmermann (Linke) schloss sich dem CDU-Vorschlag an, von den Krankenhäusern mehr Engagement in Sachen Organspende einzufordern. Allerdings müssten diese dann auch dementsprechend gefördert werden.

    Fraktionsübergreifende Einigung

    Das Plenum überwies den Antrag an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Integration. In den folgenden Ausschussberatungen einigten sich die Fraktionen von CDU, SPD und Grünen dann auf einen gemeinsamen Änderungsantrag zum ursprünglichen Antrag der CDU, den der Sozialausschuss denn auch annahm. Ein von der FDP im Ausschuss eingebrachter Entschließungsantrag (Drs. 15/2781) blieb dort ohne Mehrheit.
    Damit erkennt der Landtag die Organspende als Ausdruck zwischenmenschlicher Solidarität an. Er betont jedoch, dass es sich dabei um eine selbstbestimmte, freie Entscheidung handeln müsse. Gleichzeitig forderte er die Landesregierung dazu auf, Fortbildung und Zertifizierung der Transplantationsbeauftragten 9. November 2011 - "Es bedarf weiterhin eines verstärkten Einsatzes aller Beteiligten, um die Zahl der Organspender weiter zu erhöhen und damit die Situation der Menschen, die dringend auf ein Spenderorgan warten, zu verbessern", stellen die Fraktionen von CDU, SPD und Grünen in einem gemeinsamen Antrag fest (Drs. 15/3440). Nach mehreren Beratungsrunden hat der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Integration (Vorsitz Günter Garbrecht, SPD) diesen nun mit den Stimmen der antragstellenden Fraktionen sowie der Linken angenommen. Die FDP enthielt sich. Bereits im Februar hatte sich das Plenum mit der Zahl der Organspenden in NRW befasst und einen zunächst allein von der CDU gestellten Antrag (Drs. 15/1315) an den Ausschuss überwiesen. zu gewährleisten. Zudem gelte es, angehende Ärztinnen und Ärzte bereits in der Ausbildung für das Thema Organspende zu sensibilisieren sowie medizinisches und pflegendes Personal verstärkt fortzubilden. Und auch die Krankenhäuser selbst müssten sich noch mehr im Bereich der Organspende engagieren. Im Fall der Feststellung des Hirntodes solle zwingend der Transplantationsbeauftragte des jeweiligen Krankenhauses informiert werden. Insgesamt sei es notwendig, Umsetzungsdefizite zu analysieren und abzustellen.
    Vor allem müsse aber auch die Bevölkerung besser informiert werden. Dies sei Aufgabe unter anderem der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, der Krankenkassen sowie des Landes. Die Informationen sollten so gestaltet sein, dass sie eine fundierte Auseinandersetzung mit der schwierigen Thematik erleichterten. Zudem müssten Empathie und Sensibilität die ergebnisoffenen Gespräche mit Angehörigen möglicher Spenderinnen und Spender prägen.

    Zusatzinformation:
    Infokasten
    Dem Plenum wird voraussichtlich am 8. Dezember 2011 der gemeinsame Antrag von CDU, SPD und Grünen zur Bestätigung vorgelegt.

    Systematik: 5200 Gesundheit

    ID: LI111203

  • Mit Europa eng verknüpft.
    Möglichkeiten der europäischen Mitsprache für den Landtag NRW.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 9 in Ausgabe 11 - 16.11.2011

    November 2011 - Vor zwei Jahren, am 1. Dezember 2009, trat der Vertrag von Lissabon in Kraft. Er gilt als Meilenstein in der Geschichte der Europäischen Union, denn durch ihn wurde die demokratische Kontrolle der EU-Institutionen gestärkt. Auch für die nationalen und die regionalen Parlamente in Europa hatte dies positive Auswirkungen. Sie können nun in vielen europäischen Fragen mitentscheiden und ihre Positionen einbringen.
    Subsidiarität - was zunächst sperrig klingt, ist für die Parlamente in der EU Schlüssel zur Mitsprache. Das Subsidiaritätsprinzip besagt vereinfacht, dass eine Aufgabe immer von der kleinstmöglichen Organisationseinheit übernommen werden soll. Übertragen auf die Europäische Union stellt sich damit die Frage, ob die EU im Einzelfall tatsächlich gesetzgeberisch tätig werden muss oder ob nicht Regelungen der Nationalstaaten bzw. der Regionen ausreichend sind. Der Vertrag von Lissabon hat die Kontrollund Mitwirkungsmöglichkeiten der nationalen und der regionalen Parlamente in diesem Feld spürbar gestärkt. Ein "Frühwarnsystem" garantiert, dass die Parlamente in Europa frühzeitig über geplante Gesetzgebungsakte der Europäischen Kommission informiert werden und binnen einer Frist von acht Wochen Bedenken äußern können.
    In Deutschland funktioniert dies folgendermaßen: Die Europäische Kommission leitet dem Bundestag und dem Bundesrat neue Entwürfe von Gesetzgebungsakten zu. Über den Bundesrat als Kammer der 16 Bundesländer erreichen die Entwürfe dann die Landesparlamente und damit auch den Landtag NRW. Die Landesparlamente können nun ihre Landesregierungen auffordern, im Bundesrat Subsidiaritätsbedenken gegenüber dem Entwurf zu äußern. Hält die Mehrheit der Bundesländer den Entwurf für bedenklich, gibt der Bundesrat eine begründete Stellungnahme auf europäischer Ebene ab. Erreicht die Anzahl der Stellungnahmen mindestens ein Drittel der Stimmen der nationalen Parlamente (Bundesrat und Bundestag haben je eine Stimme), muss die Europäische Kommission ihren Entwurf überprüfen. Sie kann anschließend begründet daran festhalten, ihn ändern oder zurückzuziehen. Hält sie daran fest, kann der Entwurf im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren mit 55 Prozent der Stimmen im Rat der EU (Ministerrat) oder mit einfacher Mehrheit im Europäischen Parlament gestoppt werden. Unabhängig von diesem Verfahren können die nationalen Regierungen auch eine Subsidiaritätsklage am Europäischen Gerichtshof einbringen.
    Diese weitere Kontrollmöglichkeit besteht auch für den Ausschuss der Regionen der EU. Als politische Versammlung repräsentiert er die regionale und die kommunale Ebene in Europa. In der Versammlung vertreten sind für Nordrhein- Westfalen als europäische Region die Landtagsabgeordneten Werner Jostmeier (Vollmitglied) und Dietmar Brockes (stellvertretendes Mitglied). Der Ausschuss der Regionen muss laut dem Vertrag von Lissabon zwingend angehört werden, wenn Vorschläge der Europäischen Kommission regionale oder kommunale Politikbereiche betreffen. Er ist somit eng in den Prozess europäischer Rechtsetzung einbezogen.

    Der Ausschuss für Europa und Eine Welt

    Dass sich der Landtag Nordrhein-Westfalen auf die neuen Möglichkeiten europäischer Mitsprache einstellt, verdeutlicht der Ausschuss für Europa und Eine Welt. Dieser hat seine Arbeit zu Beginn der laufenden Wahlperiode aufgenommen. Die 21 Mitglieder aus den fünf Landtagsfraktionen bereiten die parlamentarische Willensbildung in europapolitischen Fragen vor. Federführend für das Parlament setzen sie sich mit aktuellen Entwicklungen in der EU auseinander, die Auswirkungen auf das Land NRW haben. So führte der Ausschuss beispielsweise Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der Europäischen Kommission in Brüssel, um aus erster Hand Informationen über die Pläne für die zukünftige Haushaltspolitik der EU und die Höhe der weiteren EU-Strukturförderung für das Land zu erhalten.
    Regelmäßig werden die Abgeordneten im Landtagsausschuss von der nordrhein-westfälischen Landesregierung - der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien, Dr. Angelica Schwall-Düren - über das europapolitische Engagement NRWs informiert. Da die Entscheidungen der EU in viele Politikbereiche hineinwirken, sind auch die Themen im Ausschuss vielfältig. Ein Blick auf die Tagesordnungen zeigt: Europa- und landespolitische Frage sind eng miteinander verknüpft.
    sw.

    Bildunterschrift:
    Auch vor dem Landtag NRW wird regelmäßig die Europafahne gehisst.

    Zusatzinformation:
    Aktuelle Informationen über Europa-Themen im Landtag NRW erhalten Sie auf den Internetseiten www.landtag. nrw.de unter der Rubrik "Europa". Dort zu finden ist unter anderem auch ein Lexikon, das zahlreiche wichtige EU-Begriffe erklärt

    Systematik: 1600 Europäische Union; 1540 Europapolitik; 1530 Entwicklungszusammenarbeit

    ID: LI111104

  • Boeselager, Ilka von (CDU); Töns, Markus (SPD); Engstfeld, Stefan (Grüne); Dr. Wolf, Ingo (FDP); Beuermann, Bärbel (Linke)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum Thema Europa.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 11 - 16.11.2011

    Europapolitik ist für den Landtag NRW von Bedeutung, weil ...

    Ilka von Boeselager (CDU)... Nordrhein-Westfalen die europäische Drehscheibe für Wirtschaft, Handel, Verkehr und Begegnungen ist. Die Beziehungen und Verflechtungen mit unseren europäischen Nachbarn werden immer enger. Deshalb setzen wir uns dafür ein, insbesondere jungen Menschen den Mehrwert europäischer Politik näher zu bringen.
    Markus Töns (SPD)... die Rechtsetzung der EU unser Leben in vielen Fragen betrifft. Unsere Aufgabe ist es, für Europa, seine Erfolge und Chancen zu werben. Wir wollen gestalten und uns positiv in die EU mit vollem Einsatz für die Interessen Nordrhein- Westfalens einbringen.
    Stefan Engstfeld (Grüne)... unsere Zukunft ohne Europa und unsere Nachbarn nicht denkbar ist und immer mehr Gesetze und Verordnungen, die uns betreffen, auf der europäischen Ebene beschlossen oder vorentschieden werden.
    Ingo Wolf (FDP)... europäische Entscheidungen sich unmittelbar auf unser Land auswirken. Der Landtag sollte daher aktiv und bereits im Vorfeld - also im Ablauf der Entscheidungsprozesse - mitgestalten, damit sichergestellt ist, dass am Ende die bestmögliche Regelung für die Bürger unseres Landes getroffen wird.
    Bärbel Beuermann (Linke)... durch die Verlagerung von Kompetenzen viele Entscheidungen auf europäischer Ebene getroffen werden. Der Landtag muss als Sprachrohr der Interessen der Bürgerinnen und Bürger NRWs europafähig sein.

    Um Nordrhein-Westfalen als Region in Europa strukturpolitisch weiter zu stärken, halte ich es für erforderlich, ...

    Ilka von Boeselager (CDU)... am 2007 eingeführten Wettbewerbsverfahren um EU-Fördergelder festzuhalten, das landesweit attraktiv ist und mit dem die Wachstumsund Beschäftigungseffekte nachweislich belebt werden konnten. Diese Entwicklung wird auch bei der Europäischen Kommission als mustergültig wahrgenommen und gewürdigt.
    Markus Töns (SPD)... Strukturförderpolitik für NRW intelligent, nachhaltig und integrativ zu gestalten. Wettbewerbsfähigkeit, ökologisch nachhaltiges Wachstum, Soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit, Beschäftigung und Innovation sollten dabei im Fokus stehen. Europäische Fördermittel sind allerdings nicht nur Gelder, sondern "europäischer Mehrwert" für unser Land.
    Stefan Engstfeld (Grüne)... die Förderprioritäten stärker als bisher auf die Verbesserung von Wettbewerbsfähigkeit, nachhaltigem Wachstum, die ökologische Modernisierung der Industrie, die Umstellung auf erneuerbare Energien, den Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und Inklusion, Chancengleichheit und Beschäftigung auszurichten.
    Ingo Wolf (FDP)... dass das erfolgreiche Wettbewerbsmodell der Ziel-2-Förderung in NRW fortgeführt wird. Wenn gute Ideen miteinander konkurrieren und sich am Ende die innovativste und kreativste Gestaltung durchsetzt, profitiert schließlich der gesamte Standort NRW.
    Bärbel Beuermann (Linke)... dass NRW in Sachen innovativer Verkehrsund Transportlösungen, Umweltschutz, Sozialpolitik, Demokratie, Transparenz und der Förderung von guter Arbeit vorbildlich vorangeht.

    Damit politische Positionen aus NRW in Brüssel gehört werden, bedarf es ...

    Ilka von Boeselager (CDU)... einer Intensivierung der von der damaligen CDU-geführten Landesregierung vorangebrachten Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen Nordrhein-Westfalen und den Benelux-Staaten. Die in den Jahren 2009/2010 geschlossene Partnerschaft innerhalb der Europäischen Union gilt als vorbildhaft und zukunftsweisend.
    Markus Töns (SPD)... einer engagierten Interessenvertretung nordrhein- westfälischer Positionen. Der Landtag wird dazu seine neuen europapolitischen Rechte verantwortungsvoll nutzen und die Landesregierung unterstützen.
    Stefan Engstfeld (Grüne)... einer frühestmöglichen Beschäftigung und Positionierung für alle Politikfelder im Landtag, einer guten Vernetzung sowie einer schlagkräftigen Landesvertretung in Brüssel.
    Ingo Wolf (FDP)... täglicher harter Arbeit. NRW ist die größte Region der EU; sein BIP macht 4,2 % des Gesamt-BIP aller Mitgliedstaaten der EU aus. NRW muss in Brüssel aber auch angemessen vertreten sein. Gerade im wichtigen Ausschuss der Regionen besteht noch Nachholbedarf, hier ist NRW deutlich unterrepräsentiert.
    Bärbel Beuermann (Linke)... Informationen der Kommunen, um diese ebenso wie den Landtag europafähig(er) zu machen. Das kann z.B. durch eine oder einen Europabeauftragte/-n in der kommunalen Verwaltung oder mit der Verpflichtung einer regelmäßigen Berichterstattung des Rates umgesetzt werden.

    Aus Sicht Nordrhein-Westfalens bedeutet die aktuelle Euro-Krise ...

    Ilka von Boeselager (CDU)..., dass die Landesregierung die Sorgen der Bürger vor einer wachsenden Staatsverschuldung endlich ernst nehmen und sich zu der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse bekennen muss. Hierzu muss Rot-Grün auf den im Jahr 2010 unterbrochenen Konsolidierungspfad zurückkehren.
    Markus Töns (SPD)... eine große Herausforderung. Die Chance der Krise liegt darin, die EU weiterzuentwickeln und zu festigen. Eine Strategie zur zukünftigen Ausrichtung der Währungs-, Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie der Finanzmarktregulierung ist dabei unerlässlich. Es braucht mehr Europa statt weniger.
    Stefan Engstfeld (Grüne)... eine reelle Gefahr für die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Errungenschaften der europäischen Integration, von denen NRW so stark profitiert hat. Aus unserer Sicht muss der Zusammenhalt in Europa gewahrt und die Krise entschlossen und vor allem gemeinschaftlich gelöst werden.
    Ingo Wolf (FDP)... vorrangig erst einmal eine Staatsschuldenkrise. Nicht der Euro kriselt, sondern die Staaten, die Jahrzehnte über ihre Verhältnisse gelebt und nachfolgenden Generationen Schuldenberge hinterlassen haben. Von einer Umgestaltung der EU in eine Stabilitätsunion profitiert daher auch NRW.
    Bärbel Beuermann (Linke)... eine Fortsetzung der Sozialisierung der von Zockern verursachten Verluste auf Kosten der einfachen Bürger/-innen von Düsseldorf bis nach Athen.

    Um Europa bürgernah zu gestalten und zu vermitteln, sollte die Landespolitik ...

    Ilka von Boeselager (CDU)... alles dafür tun, damit die Vorteile der verwobenen Volkswirtschaften im Alltag der Menschen erfahrbar werden. Konkret sollten baldmöglichst gemeinsam mit den unmittelbaren Nachbarstaaten Initiativen insbesondere auf den Gebieten Bildung, Arbeitsmarkt, Verkehr und Energieversorgung entwickelt werden.
    Markus Töns (SPD)... nein, "muss" die Landespolitik für die europäische Idee aktiv eintreten. Die Landesregierung setzt hierbei mit unserer Unterstützung einen klaren Akzent auf die europapolitische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit und eine demokratisch legitimierte Politik der Europäischen Union.
    Stefan Engstfeld (Grüne)... den Europaausschuss stärken, in die Europafähigkeit der Kommunen investieren und die europapolitische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit weiter konsequent ausbauen.
    Ingo Wolf (FDP)... jeden Ansatz fördern, der auf EU-Ebene die demokratische Mitbestimmung der Bürger stärkt. Das neu eingeführte EU-Volksbegehren kann nur der Anfang sein. Künftig sollte das Europaparlament zu einer echten Alleinentscheidungs- und Kontrollinstanz der übrigen EU-Organe aufgewertet werden.
    Bärbel Beuermann (Linke)... auf einen Neustart der Union hinwirken, die den Krieg ächtet, ein starkes Europäisches Parlament hat und direkte Partizipation ermöglicht, den sozialen Fortschritt sowie den ökologischen Strukturwandel befördert und die Finanzmärkte einer strikten Kontrolle unterwirft.

    Systematik: 1540 Europapolitik; 1600 Europäische Union

    ID: LI111127

  • "Eine neue Qualität".
    Landtagspräsident Uhlenberg berichtete über Europa-Aktivitäten des Parlaments.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 13 in Ausgabe 11 - 16.11.2011

    18. November 2011 - So vielfältig wie Europa, so vielfältig ist das europapolitische Engagement des Landtags NRW. Dies veranschaulichte der Bericht von Landtagspräsident Eckhard Uhlenberg im Ausschuss für Europa und Eine Welt (Vorsitz Werner Jostmeier, CDU). Den Ausschussmitgliedern gab der Landtagspräsident einen Überblick über die Europaaktivitäten und den Ausbau der Europafähigkeit des Parlaments. Seine Botschaft: "Europa spielt eine zunehmend wichtige Rolle, auch für den Landtag Nordrhein-Westfalen."
    "Nach meiner Einschätzung haben europäisches Selbstbewusstsein und Engagement im Landtag seit 20 Jahren eine neue Qualität", erklärte der Präsident und zeichnete im Ausschuss einige Entwicklungsschritte des Landtags NRW zu einem Parlament in Europa nach. So hatte Ende des Jahres 1990, in der damals 11. Wahlperiode, zum ersten Mal ein Unterausschuss "Europapolitik und Entwicklungszusammenarbeit" beim Hauptausschuss seine Arbeit aufgenommen - ein Vorläufer des heutigen Ausschusses für Europa und Eine Welt. Ebenso erinnerte der Landtagspräsident an ein Europaforum der deutschen Landtage und weiterer Regionalparlamente, das 1991 vor dem Hintergrund der politischen Umbrüche in Mittel- und Osteuropa im Landtag NRW stattfand. Die Konferenz endete damals mit der Verabschiedung der "Düsseldorfer Erklärung", in der sich die Parlamente für eine starke Stellung der Regionen in Europa aussprachen und eine europäische Vertretung der Regionen sowie eine rechtlich garantierte Beteiligung am europäischen Gestaltungsprozess einforderten. Mit dem Vertrag von Maastricht schuf die Europäische Union 1992 den Ausschuss der Regionen, und längst sei "Subsidiarität" als Beteiligungsprinzip kein Fremdwort mehr, so der Landtagspräsident.
    Gleichwohl gebe es weiterhin ein "natürliches" Spannungsverhältnis zwischen Europa, Bund und Regionen, meinte Uhlenberg, der die thematischen Verzahnungen Nordrhein- Westfalens mit Europa und der Europäischen Union in den Fachausschüssen des Landtags "gut aufgehoben" sah. Dies gelte beispielsweise für die regionale Wirtschaftsförderung, für transeuropäische Verkehrsnetze, für den Verbraucherschutz und die Agrarpolitik. Uhlenberg hob zugleich hervor, dass der Landtag auch auf europäischer Ebene präsent sei, so mit Mandaten im Brüsseler Ausschuss der Regionen der Europäischen Union (AdR), im Kongress der Gemeinden und Regionen Europas beim Europarat in Straßburg (KGRE) sowie in der Konferenz der Präsidenten der regionalen gesetzgebenden Versammlungen in der Europäischen Union (CALRE).
    Durch EU-Recht, insbesondere durch den Vertrag von Lissabon sowie durch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sah Uhlenberg die Beteiligung der deutschen Bundesländer und Parlamente an der europäischen Rechtssetzung heute "deutlich verbessert". Nun komme es darauf an, die bereits bestehende Informationsvereinbarung zwischen der Landesregierung und dem Landtag NRW im Sinne der neuen Beteiligungsmöglichkeiten zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Die Vereinbarung garantiert laut aktueller Fassung, dass die Landesregierung das Parlament "frühestmöglich" unter anderem über "Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union" informiert (Drs. 14/11070). Der Präsident kündigte an, eine Arbeitsgruppe zu diesem Themenkomplex mit Beteiligung des Europaausschusses sowie des Hauptausschusses (Vorsitz: Wolfram Kuschke, SPD) einrichten zu wollen.

    Europa begegnen

    Dass auch persönliche Begegnungen wichtig für europäische Verständigung sind, belegte der Landtagspräsident unter anderem mit einem Rückblick auf die vergangenen fünf Jahre. In diesem Zeitraum seien 3 Staatspräsidenten, 6 Parlamentspräsidenten, 24 Botschafter und 17 Parlamentsdelegationen aus EU-Mitgliedsstaaten zu Gesprächen im Landtag NRW zu Gast gewesen. Uhlenberg berichtete zudem über die Aktivitäten der zu Beginn der laufenden Wahlperiode neu eingerichteten Parlamentariergruppe NRW-Benelux, deren Vorsitzender er ist. Gespräche mit den benachbarten Parlamenten in Belgien, in den Niederlanden und in Luxemburg hätten zahlreiche Anknüpfungspunkte für eine verstärkte Zusammenarbeit aufgezeigt.
    Die Abgeordneten im Ausschuss für Europa und Eine Welt erörterten im Anschluss an den Bericht im Gespräch mit dem Präsidenten, wie der Landtag NRW seine Position in Europa weiter stärken könne. Unter anderem sahen sie die Notwendigkeit zu einem regelmäßigen und frühzeitigen Austausch mit Akteurinnen und Akteuren der Europäischen Union - in Düsseldorf und auch vor Ort in Brüssel.
    sw

    Bildunterschrift:
    Im Gespräch mit den Spitzen der EU: Werner Jostmeier, Mitglied des Landtags und des Ausschusses der Regionen (AdR), bei einem Treffen in Brüssel mit EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy

    Systematik: 1540 Europapolitik; 1220 Landesregierung

    ID: LI111113

  • Ein Thema mit Zukunft.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 10 - 19.10.2011

    Kinder sind Zukunft. Bildung garantiert Zukunft. Folglich kann man nicht früh genug damit anfangen, Kindern die ihren Fähigkeiten entsprechende Bildung zukommen zu lassen. Spielerisch lernen, ausprobieren und experimentieren: Kinder, so die Forschung, wollen lernen, sind von sich aus neugierig und wissbegierig. Nie wieder lernen Menschen so viel und mit so großem Spaß wie in den ersten Lebensjahren, so das deutsche Kinderhilfswerk. Bekanntestes Beispiel ist die Aufnahmefähigkeit für fremde Sprachen. Wie der Volksmund sagt: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Oder positiv: Was Hänschen lernt, kann Hans.

    Kinder und Kompetenzen

    In einer globalisierten Welt wird aus dem Spiel durchaus Ernst. Adäquate, frühzeitig begonnene Bildung entscheidet mit über Lebensperspektiven. Sie ist ein Baustein dafür, an unserem vernetzten Gemeinwesen aktiv teilzuhaben. Bildung bedeutet in diesem Zusammenhang nicht nur den Erwerb von Wissen und technischen Fähigkeiten, sondern auch Verinnerlichung von Werten und dem, was man braucht, um sich in der modernen Welt zurechtzufinden. Kompetenz wird heute aufgespalten zum Beispiel in fachliche, soziale, kommunikative, methodische, interkulturelle, emotionale und personale Kompetenz. Das alles will und muss gelernt sein. Denn das Beherrschen dieser Fähigkeiten ermöglicht bzw. erleichtert das Mithalten mit technischem Fortschritt, aber auch die soziale Integration in die Gesellschaft. Also kann man nicht früh genug damit anfangen.
    Das Ziel, Kindern bestmögliche Bildungschancen zu geben, eint die politischen Fraktionen im Düsseldorfer Landtag, auch wenn sie in der konkreten Ausgestaltung oft unterschiedliche Ansätze verfolgen. Im Jahr 2007 verabschiedete die damalige schwarz-gelbe Mehrheit das Kinderbildungsgesetz, kurz KiBiz. Hiermit sollten die Förderung und Bildung von Kindern in Tageseinrichtungen ebenso gefördert werden wie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Da die konkrete Ausgestaltung der Förderung umstritten ist, beschloss die neue rot-grüne Landesregierung im Juni 2011 das sogenannte Erste KiBiz-Änderungsgesetz. Dieses soll über die Beitragsbefreiung für das letzte Kindergartenjahr einen Einstieg in die völlige Gebührenbefreiung bringen. Über die Folgen dieses Beschlusses diskutierte der Landtag Ende September (S.9). Grundsätzliche Positionen im Hinblick auf die Verantwortung von Land und Kommunen, die finanzielle Ausgestaltung sowie die Qualität der Betreuung werden im Schwerpunkt dieser Ausgabe deutlich. Kinderbildung - ein Zukunftsthema auch und gerade für den Landtag.
    cw

    ID: LI111006

  • Stadt, Land, Kind.
    Neuer Streit über die Regelung der Kita-Elternbeiträge.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 9 in Ausgabe 10 - 19.10.2011

    28. September 2011 - Tageseinrichtungen für Kinder gehörten zur Grundversorgung, begründete die SPD-Fraktion die Beitragsbefreiung fürs dritte Kindergartenjahr. Schwarz-Gelb habe im Jahr 2006 die landesweite einheitliche Beitragsgestaltung abgeschafft, so die Grünen. Dann solle man diese doch wieder einführen, schlugen die Linken in einem Gesetzentwurf vor. CDU wie auch FDP kritisierten in entsprechenden Anträgen das jetzige "Chaos" bei den Elternbeiträgen - ihrer Meinung nach eine Folge des rot-grünen ersten KiBiz-Änderungsgesetzes.
    "Das Chaos um die Beitragsfreiheit in den letzten Wochen spottet jeder Beschreibung", kritisierte Dr. Carolin Butterwegge (Linke) die CDU/FDP-Vorgängerregierung für die Abschaffung der landesweiten Gebührentabelle. Die jetzt eingeführte Gebührenfreiheit für das letzte Kindergartenjahr habe das Problem noch verschärft. So komme es durch den Wegfall der Geschwisterregelung in einigen Kommunen sogar zu noch höheren Belastungen mancher Eltern. Als Lösung schlug Butterwegge die Wiedereinführung der landesweit einheitlichen Beitragsregelung vor. Dies sei auch der Wunsch aller beteiligten Verbände. Ziel des Antrags sei die Abschaffung ungleicher Startchancen für Kinder.
    Die Linke habe im Juli dem KiBiz-Änderungsgesetz zugestimmt, erklärte Bernhard Tenhumberg (CDU). Insofern könne sie sich nicht aus der Mitverantwortung stehlen. Die Aufhebung des sogenannten Elternbeitragsdefizitverfahrens durch CDU und FDP im Jahr 2006 habe ein bürokratisches Monster abgeschafft. Die Kommunen seien verpflichtet, das Beitragsaufkommen der Eltern bei 19 Prozent der Betriebskosten festzulegen - unter Berücksichtigung sozialer Kriterien. Insbesondere kritisierte Tenhumberg die Beitragsfreistellung, auf die man angesichts knapper Kassen hätte verzichten müssen. Diese entlaste einkommensstarke Haushalte stärker als einkommensschwache.
    Die von der Regierung versprochenen Verbesserungen in der Betreuungsqualität seien fast komplett ausgeblieben, meinte Marcel Hafke (FDP) und ergänzte: "Jetzt fahren Sie auch noch Ihr teures Wahlgeschenk vor die Wand." Bereits in der Anhörung sei vor einem "Gebühren- Chaos" gewarnt worden. Jetzt dürfe man die Kommunen nicht zu Prügelknaben machen. Als "klaren Wortbruch" bezeichnete der FDP-Sprecher die für ihn unzureichende Erstattung des Gebührenausfalls durch das Land. Zum Gesetzentwurf der Linksfraktion erklärte Hafke, diese müssten erklären, woher denn das Geld kommen solle. Mit der nächsten KiBiz-Änderung müsse jedenfalls mehr Qualität in der Betreuung erreicht werden.
    Sie seien für die jetzige Situation verantwortlich, attackierte Heike Gebhard (SPD) die Fraktionen von CDU und FDP. Diese hätten 2006 die Kommunen in einen Wettbewerb um Elternbeiträge gezwungen. Die 19 Prozent Elternbeiträge seien meistens nicht erzielt worden; der Elternbeitragsdefizitausgleich sei dann für diese Lücke aufgekommen. Es sei "pharisäerhaft", sich jetzt einerseits "scheinbar" an die Seite von Familien mit mehreren Kindern zu stellen und andererseits zu behaupten, die Kommunen dürften nicht auf solche zusätzlichen Einnahmen verzichten. Die rot-grüne Landesregierung habe geregelt, dass die Geschwisterbeiträge nicht erhoben werden müssten.
    Die Abschaffung der landesweiten Beitragstabelle vor fünf Jahren sei "eines der dunkelsten Kapitel der Regierungszeit Rüttgers", kommentierte Andrea Asch (Grüne). "Sie haben damit die Befreiung der Geschwisterkinder von den Gebühren abgeschafft." Die damalige Regelung habe die soziale Spaltung in NRW weiter vorangetrieben. Und die damaligen Regierungsfraktionen hätten dies im Landtag ausdrücklich begrüßt. Jetzt redeten CDU und FDP ein Chaos herbei, das nicht stattfinde. In den meisten Kommunen stelle sie vielmehr fest: "Die Appelle, die aus Düsseldorf kommen, das Geld tatsächlich den Kindern zugutekommen zu lassen, treffen auf fruchtbaren Boden".
    "Für die Kommunalisierung der Beiträge ist Schwarz-Gelb verantwortlich", erklärte auch Familienministerin Ute Schäfer (SPD). Den damals gewollten Wettbewerb mache sie nicht mit. In einem ersten Schritt habe die Regierung nun im Bereich Kinderbildung eine Qualitätsverbesserung im Umfang von 100 Millionen Euro in den Gruppen für Kinder unter drei Jahren herbeigeführt. Ebenfalls geregelt habe man die Vorsorge für Investitionen in den U3-Bereich. Und den "unhaltbaren Zustand eines Flickenteppichs unterschiedlicher Gebühren" wolle man schrittweise beenden. Die Kommunen würden nun damit beginnen, diese Gelder des Landes auch an die Familien weiterzugeben.
    cw

    Zusatzinformation:
    Weitere Beratung
    Der Gesetzentwurf der Linksfraktion (Drs. 15/2851) wurde an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend (federführend) überwiesen. Die Anträge von CDU (Drs. 15/2853) und FDP (Drs. 15/2857) wurden abgelehnt.

    Systematik: 4260 Vorschulische Erziehung; 8100 Abgaben

    ID: LI111003

  • Tenhumberg, Bernhard (CDU); Jörg, Wolfgang (SPD); Asch, Andrea (Grüne); Hafke, Marcel (FDP); Dr. Butterwegge, Carolin (Linke)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum Thema Kinderbildung.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 10 - 19.10.2011

    Kommunale Gestaltungsfreiheit mit Blick auf die Kinderbetreuung ...

    Bernhard Tenhumberg (CDU) ... ist ein hohes Gut, das in großer Verantwortung genutzt wird. Landesweit existieren unterschiedliche Voraussetzungen, die individuelle Lösungen erfordern. Vor Ort weiß man in der Regel besser, was erforderlich, angemessen und umsetzbar ist.
    Wolfgang Jörg (SPD) ... ist im Jahr 2006 ohne Not von der damaligen schwarz-gelben Koalition eingeführt worden. Sie führte zu einem Flickenteppich unterschiedlicher und ungerechter Elternbeitragsregelungen, den wir in NRW nun leider haben.
    Andrea Asch (Grüne) ... muss Eltern, die pädagogischen Fachkräfte und Träger einbeziehen, um zu größtmöglicher Kinder- und Familienfreundlichkeit zu kommen. Nach Bundesgesetz sind die Kommunen für die Kinderbetreuung verantwortlich. Landesrechtliche Vorgaben sind unverzichtbar, um die Finanzierung und Qualität zu gewährleisten.
    Marcel Hafke (FDP) ... ist grundsätzlich richtig. Die Kommunen wissen am besten, welche Bedürfnisse vor Ort bestehen. Das entbindet die Landespolitik natürlich nicht von der Verantwortung, zu große Unterschiede, etwa bei den Elternbeiträgen, in den Blick zu nehmen.
    Dr. Carolin Butterwegge (Linke) ... darf für die Landesregierung keine Ausrede sein, sich der eigenen Verantwortung für eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung zu entziehen. Die Kommunen müssen hier unterstützt werden. Wir brauchen landesweit bessere Bedingungen für Kinder, Eltern und Beschäftigte.

    Eine Regelung mit landesweit einheitlichen Elternbeiträgen halte ich für ...

    Bernhard Tenhumberg (CDU) ... eine Beschränkung kommunaler Gestaltungsfreiheit. Aus diesem Grund gibt es sie in keinem anderen Bundesland. Wichtiger ist, dass einkommensschwache Haushalte keinen Beitrag zahlen. Das gewährleisten die Kommunen durch soziale Staffelung mit großem Engagement.
    Wolfgang Jörg (SPD) ... grundsätzlich wünschenswert; sie ist aber nur in Form einer kompletten Beitragsbefreiung für alle Kinder im Kindergarten realisierbar.
    Andrea Asch (Grüne) Eine Regelung mit landesweit einheitlichen Elternbeiträgen ist von Schwarz-Gelb abgeschafft worden. Eine Wiedereinführung würde ca. 180 Millionen kosten. Eine grundsätzlich beitragsfreie gesamte Bildungskette ist ein erstrebenswertes Ziel. Der Landeshaushalt lässt das jedoch derzeit nicht zu.
    Marcel Hafke (FDP) ... zu starr. Da sich die Kommunalisierung der Beitragserhebung jedoch nicht flächendeckend bewährt hat, setzt sich die FDP für landesweite Höchstgrenzen für kommunal festgesetzte Beiträge ein.
    Dr. Carolin Butterwegge (Linke) ... absolut notwendig, damit der Zugang zur Kita für Kinder nicht wie bisher vom Wohnort der Eltern abhängig ist und alle Kinder gefördert werden. NRW gewinnt so ein Stück soziale Gerechtigkeit zurück, Eltern werden finanziell entlastet und Kinder erhalten einen guten Start ins Leben.

    Die im Juli beschlossene Beitragsfreiheit des letzten Kindergartenjahres ist in meinen Augen ...

    Bernhard Tenhumberg (CDU) ... handwerklich schlecht gemacht und vor allem kein Mittel für bessere Qualität in der frühen Bildung. Die Kinder sind dabei die doppelten Verlierer, weil genau sie unsere Schuldenberge später abtragen müssen.
    Wolfgang Jörg (SPD) ... ein weiterer wichtiger Schritt hin zur gebührenfreien Bildung, damit alle Kinder optimal gefördert werden können und gleichzeitig der Geldbeutel der Eltern entlastet wird. Diese Maßnahme bringt den jungen Familien mehr als jede Kindergelderhöhung.
    Andrea Asch (Grüne) ... richtig, da die Kosten über die Erhöhung der Grunderwerbssteuer seriös gegenfinanziert sind. Dies gilt auch für die Abschaffung der Studiengebühren. Für den Bildungserwerb in der Kita darf es gerade für sozial benachteiligte Familien keine finanziellen Hinderungsgründe geben.
    Marcel Hafke (FDP) ... ein teures Wahlgeschenk von Rot-Grün, das mit einem schlecht gemachten Gesetz auf den Weg gebracht wurde und Chaos in den Kommunen angerichtet hat. Die Eltern wünschen sich vor allem Qualitätsverbesserungen, die Vorrang vor der Beitragsfreiheit haben müssen, aber jetzt nicht mehr finanzierbar sind.
    Dr. Carolin Butterwegge (Linke) ... ein wichtiger Schritt zu mehr Chancengleichheit und muss ausgebaut werden, bis Bildung in Gänze gebührenfrei ist. Nun muss die Politik zügig weitere Kitajahre beitragsfrei stellen. Wenn es dafür im Landtag keine Mehrheit gibt, sind landesweit einheitliche Elternbeiträge das Mindeste.

    Die Gebührenbefreiung von Geschwisterkindern ...

    Bernhard Tenhumberg (CDU) ... stellt eine zusätzliche Unterstützung für Familien mit mehreren Kindern dar. Deshalb ist Frau Schäfers Beitragsfreiheit unsozial, wenn sie zu Gebühren für jüngere Geschwisterkinder führt, die bisher kostenlos zur Kita gehen konnten.
    Wolfgang Jörg (SPD) ... soll auch die Familien mit mehreren Kindern spürbar entlasten. Einige Kommunen wollen die Beitragsbefreiung im letzten Kita-Jahr nicht umsetzen, sondern über die Geschwisterkinder bei Eltern und beim Land doppelt abkassieren. Diese Haushaltssanierung auf dem Rücken der Kinder ist unerträglich!
    Andrea Asch (Grüne) ... wurde von CDU/FDP 2006 landesweit abgeschafft und liegt nun in kommunaler Entscheidungshoheit. Nach anfänglichen Unsicherheiten gehen die Kommunen in der Regel damit verantwortlich um. Städte und Gemeinden, die jetzt mehr Geld vom Land bekommen als die Eltern bisher zahlten, sollten das in die Kitas investieren.
    Marcel Hafke (FDP) ... ist eine gute Maßnahme, die viele Kommunen in ihren Beitragssatzungen vorsehen. Die miserable Umsetzung der Beitragsfreiheit führt aber jetzt dazu, dass viele Eltern mehr zahlen müssen.
    Dr. Carolin Butterwegge (Linke) ... muss in allen Städten und Gemeinden garantiert sein. Dafür müssen gerade ärmere Kommunen auch finanziell unterstützt werden. So fördern wir in NRW Familien und nehmen jungen Eltern die Angst, durch mehrere Kinder in die Armutsfalle zu geraten.

    Mehr Qualität in der Betreuung bedeutet für mich ...

    Bernhard Tenhumberg (CDU) ... dass das Kind im Mittelpunkt steht. Sofern finanzierbar, könnte ich mir z.B. mehr U3-Plätze, mehr Familienzentren, mehr individuelle Förderung, mehr Flexibilität für die Eltern, mehr Personal, kleinere Betreuungsgruppen sowie bessere Rahmenbedingungen für Erzieherinnen und Erzieher vorstellen.
    Wolfgang Jörg (SPD) ... vor allem der Einsatz von mehr Personal in den Einrichtungen. Deshalb haben wir den U3-Bereich wieder für Kinderpflegerinnen geöffnet und in einem ersten Schritt zusätzlich 100 Millionen Euro für zusätzliches Personal bereitgestellt. Weitere Maßnahmen werden folgen.
    Andrea Asch (Grüne) ... das wichtigste Ziel in der Kinderbetreuung. Qualität hängt von der Personalausstattung ab, Rot-Grün finanziert daher 3.000 zusätzliche Stellen für die Kitas. Hinzu kommen 1.000 zusätzliche Stellen für Berufspraktikantinnen und Berufspraktikanten, die wir anteilig mitfinanzieren.
    Marcel Hafke (FDP) ... mehr und gut ausgebildetes Personal, bessere Vertretungsregelungen, Flexibilität der Betreuungszeiten, Angebote der frühen Förderung, U3-Ausbau. Hier muss investiert werden, damit die Kinder beste Bildung und Erziehung und die Eltern ein passendes Angebot erhalten.
    Dr. Carolin Butterwegge (Linke) ... jedem Kind in seiner Einzigartigkeit gerechtzuwerden und ihm die bestmögliche Betreuung, Erziehung und Bildung anzubieten. Dies erreichen wir nur, wenn sich die Arbeitsbedingungen in den Kitas grundlegend verbessern. Mehr Qualität verlangt flächendeckend das Prinzip "Gute Arbeit!".

    Systematik: 4260 Vorschulische Erziehung; 1230 Kommunale Angelegenheiten

    ID: LI111011

  • Über Masse und Klasse.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 2 in Ausgabe 9 - 28.09.2011

    Fleisch ist ein Produkt. Fleisch, ebenso Milch oder Eier, kommen letztendlich von lebenden, empfindsamen Mitgeschöpfen. Die Logik industrieller Verfahren bringt es mit sich, von Produktionseinheiten zu sprechen und sie den Grundsätzen effizienter Unternehmensführung zu unterwerfen. Das Mitgeschöpf Tier - sei es Rind, Schwein oder Huhn - dagegen fordert Achtung und einen respektvollen Umgang. Diesem Spagat muss sich Politik stellen, wenn sie sich mit der Landwirtschaft und deren Finanzierung beschäftigt.
    In NRW wurden im Jahr 2010 rund 2,1 Millionen Tonnen Rind- und Schweinefleisch "produziert". Manches davon geht in den Export, muss sich also in der EU wie auch auf dem Weltmarkt behaupten können. Ansonsten droht der Verlust von Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätzen. Die Auswirkungen wären vor allem in den Regionen, die von Intensivlandwirtschaft geprägt sind, deutlich spürbar. Spürbar sind Auswirkungen andererseits natürlich auch für die Tiere.

    Teures billiges Fleisch?

    Großmastanlagen produzieren nicht nur Schweine- und Rindersteaks, sondern auch Emissionen in Luft und Wasser. Monokulturen und Chemieeinsatz auf den Feldern bringen nicht nur einen hohen Ertrag, sondern laugen auch die Böden aus und engen die natürliche biologische Vielfalt ein. Der (weltweite) Rückgang der Bienen, als Bestäuberinsekt unentbehrlich für die Entwicklung von Pflanzen und somit für die Nahrung der Menschen, ist nur ein Zeichen dieser Entwicklung. Die Folgen solcher landwirtschaftlichen Verfahren für die Umwelt insgesamt wie auch die menschliche Gesundheit sind noch nicht abzusehen. Unser Gemüse kann Pestizide, das Futter für unsere Nutztiere kann gentechnisch veränderte Pflanzen ebenso wie Hormone und Antibiotika enthalten. Die Auswirkungen auf Eier, Fleisch, Milch oder Käse sind umstritten.
    Die Landwirtschaft ist im Wandel. Schneller, als es jemals der Fall war. Die Grundstrukturen der bäuerlichen Betriebe, die über Jahrhunderte das Bild unseres Landes geprägt haben, verändern sich. Die Konkurrenz sitzt teilweise auf der anderen Seite des Globus. Und nicht wenige Menschen müssen auch beim Kauf ihrer Lebensmittel auf den Preis schauen.
    Vor diesem Hintergrund kann Politik landwirtschaftliche Strukturen und Verfahren am ehesten über gesetzliche Regulierungen und staatliche Fördermittel steuern. Daher stellte sich der Landtag gleich in mehreren Debatten der Frage, wie eine Steigerung von Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit einerseits sowie von artgerecht und umweltschonend produzierten Lebensmitteln andererseits unter einen Hut gebracht werden können. Dass die jeweiligen Ansätze dabei unterschiedlich sind, ist angesichts der Bedeutung des Themas nicht verwunderlich.
    cw

    ID: LI110903

  • Das Schweigen der Lämmer.
    Landesregierung will Tierschutz eine Stimme geben.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 9 - 28.09.2011

    21. Juli 2011 - Im Grundgesetz und in der Landesverfassung ist der Tierschutz als Staatsziel verankert. Weil die Tiere selbst dessen Einhaltung nicht überprüfen und einklagen können, will die Landesregierung stellvertretend den anerkannten Tierschutzverbänden Klagerechte einräumen: gegenüber denen, die Tiere halten. Das betrifft sowohl Herrchen und Frauchen als auch Landwirte. Im Naturschutz gibt es das Verbandsklagerecht bereits. Während SPD, Grüne und Linke den Gesetzentwurf (Drs. 15/2380) begrüßten, bewerteten CDU und FDP ihn als Schlag ins Gesicht für Tierhalter, Forschung und Wissenschaft.
    Den Gesetzentwurf beschrieb Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) als Meilenstein, um das Staatsziel Tierschutz endlich mit Leben zu füllen. Es gehe nicht darum, Gerichte zu beschäftigen, sondern anerkannten Tierschutzorganisationen die Mitwirkung zu ermöglichen und Verwaltungsverfahren im Sinne des Tierschutzes sicherer zu machen. Im Naturschutz funktioniere dies einwandfrei und habe auch zu keiner Klageflut geführt. Außerdem sei es niemandem zu erklären, warum die Interessen von Tieren in freier Natur vertreten werden könnten - Stichwort Naturschutz -, die Interessen von Tieren in Haltung aber nicht.
    "Ihr Gesetzentwurf stellt die Tierhalter unter Generalverdacht. Er führt zu erheblich mehr Bürokratie, verzögert Investitionen und treibt die Forschung aus unserem Land", entgegnete Rainer Deppe (CDU). Den Kommunen entstehe zudem Mehraufwand. Ein "einseitiges Sonderklagerecht" verhindere den Konsens und treibe Menschen gegeneinander, kritisierte er. Darüber hinaus bedeute der Gesetzentwurf ein Misstrauensvotum gegenüber den sechs Tierschutzkommissionen des Landes. Im Ergebnis werde es in NRW weniger Tiere in Haltung geben und andernorts, wo man nicht so genau hinschaue, mehr, sagte der Landwirt voraus.
    Horrorszenarien entbehrten jeglicher Grundlage, antwortete Angela Lück (SPD). Sie empfand den Gesetzentwurf als Gewinn für alle: Im Vorfeld Stellungnahmen einzuholen, sei besser als Konflikte eskalieren zu lassen, was nicht zuletzt Stuttgart 21 zeige. Die Einführung des Verbandsklagerechts im Naturschutz habe nicht zu der befürchteten Lawine vor den Gerichten geführt, was an den damit verbundenen Kosten und am Verantwortungsbewusstsein der Verbände liege, vermutete Lück. Sie würdigte die für Tierschutz zuständigen Behörden, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie auch alle ehrenamtlich Tätigen.
    "Gott wünscht, dass wir den Tieren beistehen, wenn sie der Hilfe bedürfen. Ein jedes Wesen hat gleiches Recht auf Schutz", zitierte Norwich Rüße (Grüne) Franz von Assisi. Weder Grüne noch SPD zweifelten daran, dass die meisten Tierhalter den geltenden Tierschutz beachteten, aber es gebe eben auch Verstöße. "Der Tierschutz bekommt eine Stimme, die Tiere bekommen eine Lobby", freute sich der Landwirt. Da sich nicht der gesetzliche Rahmen für Tierhaltung ändern solle, stehe auch nicht zu befürchten, dass die Forschungslabore schlössen, erklärte er. Der Pharmakonzern Bayer habe bereits Zustimmung signalisiert.
    Kai Abruszat (FDP) sprach sich dafür aus, die Schöpfungsethik gegen die Ethik des Heilens und Helfens abzuwägen. Dabei erkannte er im vorgelegten Gesetzentwurf keinen gelungenen Ausgleich. Vielmehr empfand er das Verbandsklagerecht als einen schweren Schlag ins Gesicht des Forschungs- und Wissenschaftsstandorts NRW. Er warnte vor Verzögerungen in der Forschung und befürchtete die Abwanderung von Innovation und Wissen, was nicht ohne Auswirkungen auf Arbeitsplätze bleibe. Der Abgeordnete plädierte für eine europäische Sichtweise und für praktischen Tierschutz anstelle von "abstrakten Blockademöglichkeiten".
    Für die Linksfraktion begrüßte Hamide Akbayir den Gesetzentwurf, er sei längst überfällig. Durch die Nutzung und Verwertung von Tieren durch Wissenschaft und Wirtschaft werde der im Grundgesetz festgeschriebene Tierschutz missachtet. Auch Akbayir war zuversichtlich, dass die Tierschutzverbände ebenso verantwortungsvoll mit dem Klagerecht umgehen würden, wie die Naturschützer dies täten. Ein solches Gesetz könne die Behörden zu einem umsichtigeren Umgang mit dem Tierschutz veranlassen, sorgfältig begründete Entscheidungen fördern und helfen, die Interessen der Tiere stärker zu berücksichtigen, meinte sie.
    sow

    Zusatzinformation:
    Fachberatung
    Der Landtag hat den Gesetzentwurf (Drs. 15/2380) zur Fachberatung an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - federführend - überwiesen. Mitberaten sollen der Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie sowie der Rechtsausschuss.

    Systematik: 6120 Tierschutz/Tierhaltung

    ID: LI110911

  • Zwei Säulen und eine Frage.
    Landtag debattierte: EU-Direktzahlungen an Umweltschutz in der Landwirtschaft koppeln?
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10 in Ausgabe 9 - 28.09.2011

    20. Juni 2011 - Wie soll die Gemeinsame Agrarpolitik in der EU (GAP) bis zum Jahr 2020 ausgestaltet werden? Hierzu hat die EU-Kommission im November 2010 erste Vorschläge vorgelegt. Vor diesem Hintergrund hat die CDU-Fraktion in einem Antrag (Drs. 15/852) ihre Positionen formuliert. Sie spricht sich für den Erhalt des Zwei-Säulen-Modells aus. Danach erhalten Landwirte in der ersten Säule Direktzahlungen unter anderem für ihre landwirtschaftlichen Flächen und in der zweiten Säule Fördermittel zur Entwicklung des ländlichen Raums. In der Plenardebatte ging es um die Frage, ob die Direktzahlungen an Umweltschutzmaßnahmen ("Greening") gekoppelt werden sollen. Während CDU und FDP dies ablehnten, sprachen sich SPD, Grüne und Linke für eine Stärkung der ökologischen Landwirtschaft aus.
    "Das Zwei-Säulen-Modell hat sich bewährt", meinte Margret Vosseler (CDU) und lehnte Umweltmaßnahmen für die erste Säule ab. Diese gehörten in die zweite Säule und müssten "so gestaltet werden, dass sie einen tatsächlichen Nutzen für die Umwelt bringen und zudem unbürokratisch sind", so Vosseler. Ziel müsse es sein, die Landwirtschaft in einem offenen Binnenmarkt zu stärken, dafür zu sorgen, dass die Landwirte ihr Einkommen durch den Verkauf qualitativ hochwertiger Produkte erwirtschaften, ihre Leistungen für die Allgemeinheit anzuerkennen und sie noch wettbewerbsfähiger und umweltfreundlicher zu machen.
    "Die Landwirte sollen ihr Geld von der EU zukünftig unbürokratischer bekommen", hob Frank Sundermann (SPD) den politischen Konsens hervor. Anders als seine Vorrednerin sprach er sich für ökologische Maßnahmen in der ersten Säule aus. "Direktzahlungen setzen die Akzeptanz in der Bevölkerung voraus, dass öffentliches Geld auch für öffentliche Güter angewandt wird", so Sundermann. Umso mehr werde "Greening" in der ersten Säule gewährleisten, dass die Zahlungen der EU an die Landwirtschaft weiterhin in dieser Höhe erfolgten. Daher seien diese ökologischen Maßnahmen in der ersten Säule zusätzlich einzuführen.
    "Der Antrag ist von der agrarpolitischen Debatte längst überholt worden", meinte Norwich Rüße (Grüne). "Die Bürgerinnen und Bürger wollen eine Landwirtschaft, bei der die Landwirte im Einklang mit der Natur wirtschaften und die vielfältige Kulturlandschaften erhält." Gefordert seien eine artgerechte Tierhaltung ohne Großmastanlagen und eine Landwirtschaft mit vielen Betrieben. Notwendig seien verbindliche ökologische Komponenten, um Monokulturen zu verhindern. Die Gesellschaft wolle "wissen, wie wir gedenken, mit den europäischen Milliarden eine positive Entwicklung der Landwirtschaft nach vorne zu treiben".
    "Die Debatte ist kein Nebenschauplatz", sagte Kai Abruszat (FDP) und verwies auf die Bedeutung für Steuern und Verbraucherschutz. Seine Fraktion unterstütze die marktorientierte Landwirtschaft im Rahmen der europäischen Agrarpolitik. Es sei richtig, wenn Landwirte ihr Geld am Markt erwirtschafteten und nicht ihre Geschäftsmodelle an den Vorstellungen der EU-Kommission ausrichteten. Zentral sei die Stärkung der ersten Säule, denn "unternehmerische Landwirte in NRW stehen für höhere Erträge, für geringeren Flächenverbrauch, bessere Qualität, günstigere Preise, mehr frische Ware und höchste Hygienestandards."
    "Wir wollen eine Landwirtschaft, die gesunde Produkte aus gesunder Natur erzeugt, und zwar von Menschen, die gute Löhne und gute Arbeitsbedingungen haben", erklärte Hamide Akbayir (Linke).
    Erforderlich seien der Ausbau des Ökolandbaus und die Orientierung der konventionellen Landwirtschaft an umweltfreundlicheren Produktionsformen. Ab der Förderperiode 2013 müsse deshalb der Grundsatz gelten, dass öffentliche Gelder nur noch für konkret nachweisbare öffentliche Leistungen flössen, so Akbayir. "Wer keine sozialen und ökologischen Leistungen erbringt, darf auch nicht weiter mit europäischen Mitteln rechnen."
    Die Pläne für den mehrjährigen Finanzrahmen der EU sähen vor, die Finanzmittel in der ersten Säule bis 2020 um 12 Prozent auf 38 Milliarden Euro zu kürzen. Zugleich sei von der EUKommission geplant, in der zweiten Säule die Ausgaben um 13 Prozent auf 12 Milliarden Euro zu reduzieren, verdeutlichte Landwirtschaftsminister Johannes Remmel (Grüne). Notwendig sei daher eine gemeinsame Position der deutschen Länder, um massiv auch die Interessen des ländlichen Raumes und der Landwirtschaft einzubringen. Es sei längst Konsens, Direktzahlungen stärker an Klima-, Umwelt-, Natur- und Tierschutzbelangen zu orientieren.
    sw

    Zusatzinforamtion:
    Abgelehnt
    Mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linken und gegen die Stimmen von CDU und FDP lehnte der Landtag den Antrag ab.

    Systematik: 6510 Landwirtschaftliche Betriebe; 6100 Umwelt; 1600 Europäische Union

    ID: LI110912

  • Weide, Stall und Tierfabrik.
    SPD und Grüne fordern Vorrang für bäuerliche Landwirtschaft vor Großmastanlagen.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 11 in Ausgabe 9 - 28.09.2011

    20. Juli 2011 - Der Landtag blickt von Bratwurst und Bulette zurück auf den Produktionsprozess. Riesige Anlagen mit tausenden von Tieren sind in Niedersachsen keine Seltenheit. Der Trend drohe nach NRW zu schwappen - gegen den Willen der ländlichen Kommunen und zulasten der bäuerlichen Landwirtschaft, warnen SPD und Grüne in einem Antrag und plädieren dafür, dem mit Gesetzesänderungen vorzubeugen (Drs. 15/2357). Alle Fraktionen bekannten sich zum Tierschutz, bewerteten den Antrag aber unterschiedlich.
    Das Bauernland gehöre in Bauernhand, argumentierte Frank Sundermann (SPD). Er berichtete von Kommunen, die sich gegen Pläne zu Großbetrieben wehrten, aber sie nicht verhindern könnten. Die Mastanlagen veränderten das Landschaftsbild, Bürgerinitiativen verwiesen auf gesundheitsgefährliche Immissionen. Zudem behindere die Zunahme der Großanlagen kleinere bäuerliche Betriebe in ihrer Entwicklung, kritisierte der Münsterländer. Deshalb wolle man nun das Immissionsschutzrecht verschärfen und per Bundesratsinitiative eine Neudefinition von Landwirtschaft anstreben. "Wir möchten", erklärte er, "einen Dialog beginnen".
    Norwich Rüße (Grüne) beschrieb den Antrag als "bitter notwendig" und erläuterte die Situation im niedersächsischen Emsland: 30 Millionen Hähnchenmastplätze gebe es, 10 Millionen weitere seien beantragt. Weil man dort den Trend bremsen wolle, drohe er nach NRW zu schwappen. Deshalb gelte es, jetzt regulierend einzugreifen. In den ohnehin schon viehdichtesten Regionen NRWs seien bereits zehn- und hunderttausende neue Mastplätze für Schweine und Geflügel beantragt worden. Man wolle mit immer billigerem Fleisch am Weltmarkt konkurrenzfähig sein. "Nur: Dieses Billigfleisch hat eine teure Kehrseite", warnte der Landwirt vor möglichen Emissionen dieser Betriebe.
    Christina Schulze Föcking (CDU), ebenfalls Landwirtin, vermisste Definitionen für Intensivmastanlagen und bäuerliche Landwirtschaft. Auch fehle der wissenschaftliche Beweis, dass große Anlagen Kleinbauern schadeten. Sie wandte sich zudem gegen die Annahme, dass größere Ställe per se schlechter seien als kleinere. Das Wohl der Tiere gelte für beide Varianten, argumentierte sie. Geplante Verschärfungen könnten gerade kleine Betriebe treffen, die das Futter nicht auf ihrem Hof anbauen könnten. Außerdem schwäche jede Regelung, die über EU-Vorgaben hinausgehe, die Wettbewerbsposition der heimischen Landwirtschaft.
    "Tierschutz ist ein Schlüsselthema in der Gesellschaft. Das muss sich auch in der praktischen Politik wiederfinden", erklärte Kai Abruszat (FDP). Der Antrag aber führe zu einem vergifteten Klima. Massentierhaltung könne man nicht pauschal mit Qualzucht gleichsetzen. Tierquälerei komme auf der Basis von krimineller Energie vor, dem sei aber nicht mit Bürokratie beizukommen. Der Abgeordnete wandte sich sowohl gegen einen Blankoscheck als auch gegen apodiktische Verbote für Anlagen und forderte stattdessen differenzierte Lösungsansätze. Eine träumerische Ökolandwirtschaft entspreche jedenfalls nicht der Lebensrealität. Immer mehr Menschen legten Wert auf artgerechte Tierhaltung, konstatierte Hamide Akbayir (Linke). "Für Schweine ist das Leben vor dem Schnitzel aber meist ein Schweineelend." Ihre Fraktion betrachte industrielle Tierhaltung nicht allein als eine Frage des Baugesetzbuchs, sondern als fragwürdiges Ergebnis marktradikalen Denkens und rücksichtsloser Profitmaximierung. Zu mehr Tierschutz von der Geburt bis zum Schlachthof komme man deshalb nur, wenn die Bauern fairere Preise erzielen könnten und Massentierhaltung verboten werde. "Kühe, Schweine und Hühner gehören auf die Weide, nicht in Tierfabriken", bekräftigte sie.
    Die Politik könne sich am Thema nicht vorbeimogeln, erklärte Landwirtschaftsminister Johannes Remmel (Grüne). Definitionsfragen hälfen bei konkreten Problemen nicht weiter. Unbestritten gebe es in der Gesellschaft eine Diskussion "über den Umgang mit unseren Mitgeschöpfen". Der Minister hob auf die Perspektive ab, dass zunehmend mit Rohstoffen und Lebensmitteln spekuliert werde. Er stellte die Frage in den Raum, was diese Aussicht für die heimische, weitgehend weltmarktorientierte Landwirtschaft bedeute. Auch er warb dafür, sich mit dem Bau- und Immissionsrecht auseinanderzusetzen - möglichst im Dialog mit den Bauern.
    sow

    Zusatzinformation:
    Fachberatung
    Im Weiteren soll sich der Landwirtschaftsausschuss mit dem Antrag (Drs. 15/2357) befassen, wahrscheinlich ist zudem eine Expertenanhörung. Der Bauausschuss wird mitberatend tätig, abschließend über den Antrag abstimmen soll der Landwirtschaftsausschuss.

    Systematik: 6510 Landwirtschaftliche Betriebe; 6120 Tierschutz/Tierhaltung

    ID: LI110913

  • Deppe, Rainer (CDU); Sundermann, Frank (SPD); Rüße, Norwich (Grüne); Abruszat, Kai (FDP); Akbayir, Hamide (Linke)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal geht es um die Landwirtschaft.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 12-13 in Ausgabe 9 - 28.09.2011

    Die Verkoppelung von EU-Zahlungen an die Landwirte mit Maßnahmen des Umweltschutzes halte ich für ...

    Rainer Deppe (CDU) ... wirksam, wenn sie über die sogenannte zweite Säule echte Anreize für die freiwillige Teilnahme an Agrarumweltprogrammen setzt. Die starke Beteiligung der Landwirte zum Beispiel am Blühstreifenprogramm oder bei der Anlage von Lerchenfenstern sind gute Beispiele dafür.
    Frank Sundermann (SPD) ... einen notwendigen Schritt, um größere Akzeptanz für die Agrarmittel zu finden. Es muss in der Agrarpolitik das Prinzip gelten: öffentliches Geld für öffentliche Güter. Bislang fließen die Subventionen hauptsächlich zu den großen Betrieben und haben zu geringe ökologische Auswirkungen.
    Norwich Rüße (Grüne) ... dringend geboten angesichts wachsender Umweltprobleme durch die Landwirtschaft. Die Landwirtschaft dient der Nahrungsmittelerzeugung, muss aber mit der Natur im Einklang stattfinden. Jeder Schritt in diese Richtung ist richtig, deshalb unterstütze ich auch das so genannte Greening der EU-Agrarsubventionen.
    Kai Abruszat (FDP) ... eines von verschiedenen denkbaren Anreizsystemen. Eine einseitige Ausrichtung nur auf Umweltschutzgesichtspunkte ist aber nicht zielführend. Für die FDP gilt es, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe zu stärken und einen nachhaltigen, effizienten Umgang mit den natürlichen Ressourcen zu fördern.
    Hamide Akbayir (Linke) ... dringend erforderlich, denn ich will eine Landwirtschaft, die gesunde Produkte aus gesunder Natur von Menschen erzeugt, die gute Löhne und gute Arbeitsbedingungen haben.

    Die Herstellung von qualitativ hochwertigen, nicht durch Pestizide oder Antibiotika belasteten und doch gleichzeitig preiswerten Lebensmittel ist aus meiner Sicht ...

    Rainer Deppe (CDU) ... von den deutschen Landwirten in vorbildlicher Weise gewährleistet. Deutsche Lebensmittel sind die sichersten der Welt. Die Verbraucher sind gut beraten, wenn sie zu einheimischen Lebensmitteln greifen.
    Frank Sundermann (SPD) ... ein grundlegendes Ziel der SPD-Agrarpolitik. Wir stellen allerdings fest, dass der Markt nach dem Prinzip "immer mehr und immer billiger" funktioniert. Dadurch müssen die Landwirte verstärkt Pestizide und Antibiotika einsetzen. Hier werden wir den politischen Hebel ansetzen.
    Norwich Rüße (Grüne) ... absolut kein Gegensatz! Würden die ökologischen und gesundheitlichen Folgekosten in die Produkte einkalkuliert, kämen uns die vermeintlich so billige Massenproduktion und Massentierhaltung teuer zu stehen. Eine bäuerliche und nachhaltige Landwirtschaft garantiert Qualität und schont die Umwelt.
    Kai Abruszat (FDP) ... eine Herausforderung, bei der sich alle in der Landwirtschaft, Verarbeitung und Vertrieb beteiligten Akteure einbringen müssen. Unsere Landwirte erzeugen qualitativ hochwertige Lebensmittel. Gute und preiswerte Lebensmittel setzen kluge Rahmenbedingungen voraus, die die Politik im Dialog schaffen muss.
    Hamide Akbayir (Linke) ... ein Beitrag zur sozialökologischen Gesellschaft und lebenswichtig für eine lebenswerte Zukunft.

    Mit Blick darauf wie auch auf den Umgang mit der Umwelt strebe ich in der Wahl zwischen klein-bäuerlichen Betrieben einerseits und landwirtschaftlichen Großbetrieben andererseits eine Struktur an, die ...

    Rainer Deppe (CDU) ... Stopp! Die Gewährleistung von Umwelt- und Tierschutz ist keine Frage der Betriebsgröße, sondern eine Frage des Charakters von Inhabern und Mitarbeitern. Das Leitbild der CDU ist das landwirtschaftliche Familienunternehmen im Eigentum der Landwirtsfamilie.
    Frank Sundermann (SPD) ... eine umweltgerechte Produktion zum Ziel hat. Dies kann sowohl durch Groß- als auch durch Kleinbetriebe geschehen. Es sollte einen gesunden Mix in den Betriebsstrukturen geben. Wichtig ist es, die Bedingungen für die Kleinbetriebe so zu optimieren, dass sie nicht mehr nur die Alternative wachsen oder weichen haben.
    Norwich Rüße (Grüne) ... unseren Regionen gerecht wird, Verbraucherwünschen entspricht und gleichzeitig vielen Bauernhöfen eine Perspektive bietet. Dazu halte ich eine regionale Vermarktung sowie die Einhaltung hoher Standards wie Gentechnikfreiheit und artgerechte Haltung für erforderlich.
    Kai Abruszat (FDP) ... es beiden ermöglicht, ihren berechtigten Platz einzunehmen. Im Interesse der Verbraucher müssen wir sicherstellen, dass es eine Vielfalt unterschiedlicher Erzeugerbetriebe gibt. Deswegen dürfen wir von Seiten der Politik nicht bestimmte Konzepte diskriminieren oder auch einseitig bevorzugen.
    Hamide Akbayir (Linke) ... den Ausbau des Ökolandbaus und die Orientierung der konventionellen Landwirtschaft auf umweltfreundliche Produktionsformen vorantreibt.

    Ein ausreichender Tierschutz gemäß dem entsprechenden Staatsziel und gleichzeitige (internationale) Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte ist für mich ...

    Rainer Deppe (CDU) ... und die Landwirte eine Selbstverständlichkeit! Wie auf dem einheimischen Markt kann nur der auf dem Weltmarkt bestehen, der beim Tier- und Umweltschutz und bei der Qualität höchste Ansprüche erfüllt. Gerade deshalb sind deutsche Lebensmittel weltweit so erfolgreich.
    Frank Sundermann (SPD) ... kein Gegensatz, sondern eine Selbstverständlichkeit, die zu einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft führen wird. Wir sind sicher, dass die Verbraucher zukünftig noch stärker danach fragen werden, unter welchen Bedingungen Nahrungsmittel produziert werden.
    Norwich Rüße (Grüne) ... kaum miteinander zu vereinbaren. Deshalb sollte unsere Landwirtschaft nicht versuchen, am Weltmarkt um den billigsten Preis zu kämpfen. Stattdessen sollte sie sich auf eine Qualitätsproduktion für heimische und ausgewählte internationale Märkte konzentrieren.
    Kai Abruszat (FDP) ... kein Gegensatz und wird auch von der Landwirtschaft nicht als Gegensatz gesehen. Beides muss miteinander in Einklang stehen. Deshalb darf unsere im harten Wettbewerb stehende heimische NRW-Landwirtschaft aber nicht benachteiligt werden.
    Hamide Akbayir (Linke) ... oft ein Widerspruch, da Tierschutz nicht mit internationalem Handel vereinbar ist. Ebenso der Export von landwirtschaftlichen Produkten, der die regionale Landwirtschaft kaputtkonkurriert und Monokulturen sowie Massentierhaltung befördert.

    Das Klagerecht für anerkannte Tierschutzverbände bewerte ich im Spannungsfeld zwischen Tierschutz, Produktionskosten und dem Forschungsstandort NRW als ...

    Rainer Deppe (CDU) ... ein Projekt, das am Ende zu weniger statt mehr Tierschutz führen wird. Landwirte, Zoos, medizinische Universitäten, Tierärzte, Genehmigungsbehörden werden unter den Generalverdacht gestellt, tierschutzfeindlich zu sein. Die heutigen Gesetze sind wirksam, um Missstände abzustellen und zu ahnden.
    Frank Sundermann (SPD) ... ein wichtige Maßnahme, um den in der Verfassung verankerten Tierschutz zu stärken. Die Erfahrungen mit der Verbandsklage im Naturschutz haben gezeigt, dass die zugelassenen Verbände nur selten von ihrem Klagerecht Gebrauch machen - meist erst dann, wenn ein erhebliches Verwaltungsdefizit vorliegt.
    Norwich Rüße (Grüne) ... angemessen und dringend notwendig. Immer mehr Menschen kritisieren die Massentierhaltung und Tierversuche. Es ist ein großes Verdienst der Tierschutzverbände, dass zahlreiche Missstände aufgedeckt wurden. Dass sie nun den Tiernutzern rechtlich gleichgestellt sind, ist auch deshalb eine richtige Entscheidung.
    Kai Abruszat (FDP) ... eine Initiative, die angesichts bereits strenger Tierschutzgesetze keine substanzielle Verbesserung bringt. Die FDP befürchtet eine Klageflut und letztlich eine Schwächung des Forschungsstandorts NRW. Die Ethik des Heilens und Helfens gebietet es, medizinische Forschung zu stärken.
    Hamide Akbayir (Linke) ... notwendig, da es zu einem umsichtigeren Umgang mit der Ausführung des Tierschutzrechts führt und die Interessen von Tieren besser berücksichtigt sowie die gerichtliche Kontrolle des Gesetzesvollzugs intensiviert.

    Systematik: 6120 Tierschutz/Tierhaltung; 6100 Umwelt; 6500 Landwirtschaft

    ID: LI110914

  • Konflikt und Konsens.
    Konflikt und Konsens Empfehlungen der Bildungskonferenz - eine Perspektive für die Schulpolitik?
    Titelthema / Schwerpunkt;
    Plenarbericht;

    S. 9 in Ausgabe 8 - 20.07.2011

    29. Juni 2011 - Ein halbes Jahr lang hat die von der Landesregierung eingesetzte Bildungskonferenz getagt, um Vorschläge für eine möglichst einvernehmliche Weiterentwicklung der Schule in Nordrhein-Westfalen zu erarbeiten. Das überparteiliche Gremium unter Beteiligung von mehr als 50 Verbänden hat nun Empfehlungen vorgelegt. Diese hat die Landesregierung zum Thema einer Unterrichtung im Landtag gemacht und gemeinsam mit dem Parlament diskutiert, wie es nun weitergehen soll. Dank galt den Beteiligten der Konferenz für die engagierte Arbeit an der Sache.
    Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) lobte die gemeinsam gefundenen Empfehlungen der Bildungskonferenz als Meilenstein auf dem Weg zu einem Schulkonsens. Sie sähen vor, Kinder individuell zu fördern, den Übergang zwischen zwei Schulformen zu erleichtern, den schulischen Ganztag auszubauen, die Eigenverantwortlichkeit der Schulen zu stärken und den Kommunen mehr Möglichkeiten zu geben, organisatorische Verbünde unterschiedlicher Schulformen und auch integrative Zusammenschlüsse zu bilden. Nun sei es am Landtag, daraus Schlüsse zu ziehen, appellierte sie an die Abgeordneten, möglichst gemeinsam eine "historische Chance" zu nutzen.
    Für die CDU-Fraktion zählte Klaus Kaiser einige bildungspolitische Maßnahmen der schwarz-gelben Vorgängerregierung auf, an denen die Bildungskonferenz festhalten wolle. Für einen Schulkonsens stellte der Abgeordnete Forderungen auf. Dabei war ihm der Erhalt von Gymnasium und Realschule ebenso wichtig wie die Zusage, die Gemeinschaftsschule nicht zu bevorzugen. Wert legte er zudem auf einen regionalen Konsens, um Konfrontationen vor Ort zu vermeiden. Für Grundschulen forderte er vor dem Hintergrund des demographischen Wandels neue Rahmenbedingungen. Die CDU habe sich bewegt, sagte der Abgeordnete. Nun sei die Landesregierung am Zug.
    Als weise und moderat bezeichnete für die SPD Renate Hendricks die Empfehlungen der Bildungskonferenz. "Schulstrukturen stehen nicht unter Artenschutz", antwortete sie auf ihren Vorredner und lehnte den Vorschlag ab, einzelne Schulformen in der Landesverfassung festzuschreiben. Es gelte nicht, das Gymnasium zu schützen, sondern den Schülerinnen und Schülern zu ihrem Recht auf optimale Bildung zu verhelfen. Zusammenschlüsse von Haupt- und Realschulen machten wenig Sinn, wenn der Hauptschule die Nachfrage fehle, argumentierte die Abgeordnete unter Berufung auf CDU-Bürgermeister und warb für das Konzept der Gemeinschaftsschule.
    Die Politik könne sich an dem ernsthaften Ringen um einen Konsens in der Bildungskonferenz eine Scheibe abschneiden, meinte Sigrid Beer (Grüne). Die Schulen, Eltern und Lehrkräfte hätten nun die Erwartung, dass auch politisch etwas geschehe, mahnte sie. "Wir dürfen sie nicht enttäuschen." Die Grüne wandte sich ebenfalls gegen eine Verfassungsänderung zugunsten des Gymnasiums. Auch der Hauptschule habe ihr Bestandsschutz durch die Landesverfassung nichts genutzt - entscheidend sei das Elternverhalten. Beer kritisierte eine Verweigerungshaltung der FDP, die als einzige Landtagsfraktion nicht an der Bildungskonferenz teilgenommen habe.
    Schulpolitik sei in einem demokratisch legitimierten Rahmen durch den Landtag zu gestalten, verteidigte Ingrid Pieper-von Heiden (FDP) die Haltung ihrer Fraktion. Sie verstand die Bildungskonferenz als Beruhigungspille und verwies auf kritische Stimmen von beteiligten Vertretungen. Allerdings ziehe sich durch die Empfehlungen des Gremiums wie ein roter Faden die individuelle Förderung, die schließlich die Vorgängerregierung ins Gesetz geschrieben habe. Pieper-von Heiden meldete Zweifel am Konzept der Gemeinschaftsschule an. "Das funktioniert nur auf dem Papier", erklärte sie. Im Übrigen fehle dem Land für die Pläne der Regierung das Geld.
    Bärbel Beuermann (Linke) hob die differenzierende Funktion von individueller Förderung hervor und antwortete damit auf ihre Vorrednerin: Nicht defizit-, sondern begabungsorientiert solle diese Förderung sein. Die Linksfraktion begrüße insgesamt die Empfehlungen der Bildungskonferenz, wünsche sich aber an vielen Stellen eine schnellere Umsetzung. Die Regierung stehe nun in der Verantwortung, die Bildungsempfehlungen in praktische Politik umzuwandeln. Dafür notwendige Mittel müsse das Parlament freigeben. Die Linke, betonte Beuermann, fordere generell eine Schule für alle Kinder. Dieses Wahlversprechen hätten auch SPD und Grüne gegeben.
    sow

    Systematik: 4200 Schulen

    ID: LI110808

  • Gemeinsam lernen - mit und ohne Behinderung.
    CDU-Fraktion erinnert Landesregierung an einen einstimmigen Beschluss.
    Titelthema / Schwerpunkt;
    Plenarbericht
    S. 10 in Ausgabe 8 - 20.07.2011

    29. Juni 2011 - Kinder mit und ohne Behinderungen sollen künftig gemeinsam lernen können. Dieses Prinzip der Inklusion schreibt die UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen vor, die Deutschland ratifiziert hat. Ein einstimmiger Beschluss des Landtags verpflichtet die Landesregierung, entsprechende Rahmenbedingungen für die Schulen in Nordrhein-Westfalen zu schaffen. Nun hat die CDU-Fraktion einen Antrag vorgelegt, der an die Landesregierung appelliert, endlich tätig zu werden (Drs. 15/1793). In der Debatte verteidigten SPD, Grüne und Regierung einen sorgfältigen Prozess, in dem alle Betroffenen beteiligt würden.
    Michael Solf (CDU) forderte die Schulministerin zum Handeln auf. Seine Fraktion wolle helfen, dass endlich etwas geschehe, schließlich sei man sich doch im Ziel einig. Er warf der Ministerin schuldhaftes Zögern vor. Es genüge nicht, auf die Verantwortung des Bundes zu verweisen. Zwar gebe es diese, aber das Land trage eine eigene. "Die betroffenen Menschen können Ehrlichkeit und einen klaren Zeitplan erwarten", mahnte er. Auch Sofortmaßnahmen vermisste der Abgeordnete. Zumindest ein Beratungs- und Hilfestellungssystem für Eltern und Schulen hätte längst eingerichtet werden müssen, meinte er und forderte zudem Integrationshelferinnen und -helfer.
    Irritiert reagierte Marlies Stotz (SPD) auf den Antrag der CDU, den sie für völlig überflüssig hielt. Gemeinsam habe man beschlossen, unter Einbeziehung aller Beteiligten Veränderungen zu schaffen, und die Landesregierung habe diesen Prozess unmittelbar in Gang gesetzt, eine Arbeitsgruppe im Ministerium eingerichtet und den Gesprächskreis Inklusion hinzugezogen. Den Inklusionsplan kündigte Stotz für dieses Jahr an. "Ich kann die CDU nur auffordern, den gemeinsam beschlossenen Weg nicht ohne Not zu verlassen", sagte die Abgeordnete. Außerdem habe gerade die CDU den Willen von Eltern und Kommunen lange ignoriert, spielte sie auf die Gemeinschaftsschule an.
    Auch Sigrid Beer (Grüne) fand den Antrag der CDU nicht zielführend. Der Landtag habe sich gemeinsam für einen sorgfältigen und gelingenden Prozess entschieden. Daher gelte es, die Balance zu wahren zwischen einer verständlichen Ungeduld der Elternseite und der Notwendigkeit, Schulen konzeptionell und durch Lehrerfortbildungen vorzubereiten. Was die Verantwortung des Landes betreffe, habe die Regierung bereits die 600 Stellen abgesichert, die für den Integrationszuschlag benötigt würden, darüber hinaus 326 Stellen zum Ausbau des gemeinsamen Unterrichts bewilligt. Für mehr finanzielle Hilfe des Bundes müsse man das Bundessozialgesetzbuch entsprechend anpassen.
    Den Eindruck großer Verunsicherung in den Kommunen teile ihre Fraktion mit der CDU, erklärte Ingrid Pieper-von Heiden (FDP). Der Antrag beschreibe die Problemlage treffend. Die Abgeordnete sah sich in Warnungen bestätigt: Das habe man nun davon, Hoffnungen geweckt zu haben, man könne in relativ kurzer Zeit alle Wünsche nach inklusivem Lernen erfüllen. Kritikwürdig am CDU-Antrag fand Pieper-von Heiden allerdings das Drängen auf gesetzliche Grundlagen. "Qualität geht vor Schnelligkeit", sagte sie. Die sonderpädagogische Forderung dürfe nicht den Bach hinuntergehen. Außerdem gelte es, die begrenzten finanziellen Spielräume des Landes zu berücksichtigen.
    Gunhild Böth (Linke) verstand die Intention der CDU. Die Kommunen bräuchten gerade in der Debatte über Veränderungen der Schulstruktur Zielvorstellungen und Leitlinien für das weitere Vorgehen bei der Inklusion. Ob aber eine kurzfristige gesetzliche Grundlage erforderlich sei, wisse sie nicht. Klar sei aber: Der staatliche Auftrag zur Inklusion, der sich aus der UNCharta ergebe, gelte auch für die Kommunen als Teil des Staats. Im Antrag vermisste die Linke die Frage der Personalbesetzung, der Mitbestimmung und der Arbeitsbedingungen für die sonderpädagogischen Lehrkräfte. Sie regte an, diese Aspekte in die weiteren Beratungen miteinzubeziehen.
    "Ihr Antrag mag gut gemeint sein, ist aber kontraproduktiv", sprach Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) die CDU an. Die geforderte Klärung wolle auch sie, halte sich aber an beschlossene Vorgaben. Deshalb laufe ein engagierter Abstimmungsprozess mit allen Beteiligten. Vieles substanziell Notwendige könne man aber erst jetzt, nach Verabschiedung des Haushalts, anpacken, weil es Geld erfordere, etwa wissenschaftliche Gutachten. Diese hälfen, grundsätzliche Fragen für einen Landesinklusionsplan zu klären. Lörmann warb für einen "Prozess, der sorgfältig und systematisch angegangen werden muss. Das tun wir. Das sage ich aus voller Überzeugung."
    sow

    Zusatzinformation:
    Der Landtag hat den Antrag (Drs. 15/1793) zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung überwiesen. Sozial- und Kommunalausschuss sollen mitberaten.

    Systematik: 4240 Sonderschulen; 5050 Behinderte

    ID: LI110809

  • "Keine Krücke, sondern eine Brücke".
    Beiratsmodell soll islamischen Religionsunterricht als Schulfach ermöglichen.
    Titelthema / Schwerpunkt;
    Plenarbericht
    S. 11 in Ausgabe 8 - 20.07.2011

    29. Juni 2011 - Rund 320.000 junge Menschen islamischen Glaubens lernen an Schulen in NRW. Um ihnen islamischen Religionsunterricht als Schulfach anbieten zu können, haben die Fraktionen von CDU, SPD und Grünen einen Gesetzentwurf (Drs. 15/2209) auf den Weg gebracht. "Unabhängig von der Entwicklung der islamischen Organisationen zu Religionsgemeinschaften" schlagen sie die Einrichtung eines Beirats vor, der, zunächst bis Ende 2018 befristet, die Einführung des Unterrichts begleiten und von den islamischen Religionsgemeinschaften sowie dem Schulministerium zu gleichen Teilen besetzt werden soll.
    "Wir haben die Pflicht", erklärte Michael Solf (CDU), "für die jungen Menschen muslimischen Glaubens die gleichen Bedingungen zu schaffen, wie sie für die jungen Menschen christlichen Bekenntnisses gelten." Die Einrichtung des islamischen Religionsunterrichts unter staatlicher Aufsicht sah er als eine "Tür zur Integration". Wer will, dass Religionsgemeinschaften keine Parallelgesellschaften fördern, der muss ihnen Teilhabe am Gemeinwesen geben. Der islamische Religionsunterricht sei auch Auseinandersetzung mit dem "Glauben an sich" und werde die Auseinandersetzung mit Glaubensfragen stärken, hoffte Solf.
    Die Einführung des islamischen Religionsunterrichts sei weniger eine Frage der Integration, sondern vielmehr der Toleranz, sagte Sören Link (SPD). Muslimische Schülerinnen und Schüler hätten ein Recht auf "ihren Religionsunterricht". Den Gesetzentwurf bezeichnete Link als gute Grundlage, sah aber offene Fragen. So werde es noch dauern, bis genügend ausgebildete Lehrkräfte zur Verfügung stünden. Wer dürfe in der Zwischenzeit unterrichten? Zudem müsse die Gleichwertigkeit des Religionsunterrichts an Schulen sichergestellt sein, auch wenn es "keine organisatorische Vergleichbarkeit" zwischen den Religionen gebe.
    Als "Meilenstein in der Integrationspolitik des Landes" empfand Arif Ünal (Grüne) den Gesetzentwurf. Dieser basiere auf einem langen, interfraktionellen Diskussionsprozess zur Integrationsoffensive. Da der Islam ein Teil Deutschlands und Nordrhein-Westfalens sei, "können wir muslimische Kinder nicht anders behandeln als Kinder anderer Glaubensrichtungen", so Ünal. Er lobte die Vorarbeiten der Deutschen Islamkonferenz, des Koordinierungsrates der Muslime und der drei Landesregierungen in den letzten zehn Jahren. Auch wenn das Gesetzgebungsverfahren gewisse Risiken berge, werde es bundesweit Beachtung finden.
    "Die FDP begrüßt sowohl inhaltlich als politisch das Ziel der schrittweisen Einführung eines staatlichen islamischen Religionsunterrichts", betonte Ingrid Pieper-von Heiden (FDP). Jedoch wolle ihre Fraktion zunächst eine Expertenanhörung im Landtag abwarten, um im rechtssicheren Raum entscheiden zu können. Die Konstruktion eines Beirats hielt sie für "rechtlich nicht unproblematisch". Zudem habe sich bisher keiner der Verbände, die Vertreter für den Beirat benennen sollen, als Religionsgemeinschaft im verfassungsrechtlichen Sinne konstituiert. "Wir brauchen allerdings einen rechtsstaatlich gangbaren Weg", sagte die Abgeordnete.
    "Religion ist eine sehr private Angelegenheit", erklärte Gunhild Böth (Linke) und plädierte deshalb dafür, Religion und Religionsunterricht außerhalb der Schule zu verorten. Sie sprach sich stattdessen für einen gemeinsamen Ethikund Religionskunde-Unterricht aus. Darin könne man "Gemeinsamkeiten und die Differenzen herausarbeiten, indem Menschen unterschiedlicher religiöser Glaubensrichtungen miteinander sprechen". Bezüglich des geplanten Beirats äußerte auch Böth "große verfassungsrechtliche Bedenken". Zudem seien dort Organisationen vertreten, die unter bestimmten Aspekten auf der Liste des Verfassungsschutzes stünden.
    Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne), zeigte sich erfreut, dass NRW "einen entscheidenden Schritt für Gleichstellung, Toleranz und Integration" gehe. Die Einrichtung eines Beirats sei "keine Krücke, sondern eine Brücke auf diesem gemeinsamen Weg". Als Übergangslösung hielt sie ihn für notwendig, "damit wir als Land einen Partner haben, mit dem wir alles regeln können, was wir für den Religionsunterricht anderer Bekenntnisse auch geregelt haben". Zugleich könne man nicht warten, bis die Muslime eine übergreifende und von allen akzeptierte Organisationsstruktur schafften, die den christlichen Kirchen gleiche.
    sw

    Zusatzinformation:
    Das Plenum hat den Gesetzentwurf (Drs. 15/2209) an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung federführend sowie an den Haupt- und Medienausschuss und den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Integration mitberatend überwiesen.

    Systematik: 4200 Schulen; 7300 Religionsgemeinschaften

    ID: LI110811

  • Prof. Dr. Dr. Sternberg, Thomas (CDU); Link, Sören (SPD); Beer, Sigrid (Grüne); Pieper-von Heiden, Ingrid (FDP); Böth, Gunhild (Linke)
    Schlag auf Schlag: "Landtag intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren. Diesmal geht es um Bildung.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 12-13 in Ausgabe 8 - 20.07.2011

    Um die Bildungsgerechtigkeit zu stärken, ist es aus meiner Sicht geboten, ...

    Prof. Dr. Dr. Thomas Sternberg: ... jedem einzelnen Kind mit seinen Talenten und Interessen gerecht zu werden. Das gelingt am besten in einem vielfältigen Schulsystem mit vielen Anschlussmöglichkeiten, denn es kommt auf jedes Kind an.
    Sören Link (SPD): ... Bildungshürden abzubauen und viele Wege zu guten Schulabschlüssen zu ermöglichen. Bildung darf nicht vom sozialen Status der Schüler oder ihrer Eltern abhängen. Deshalb ist es richtig, dafür zu sorgen, dass mehr Schülerinnen und Schüler länger gemeinsam lernen können.
    Sigrid Beer (Grüne): ... die Lernbarrieren abzubauen durch längeres gemeinsames Lernen und die individuelle Förderung konsequent zu entwickeln. Die soziale oder kulturelle Herkunft darf nicht länger über den Lernerfolg entscheiden. Die unterschiedlichen Talente brauchen eine anregende Lernumgebung und individualisierendes Lernen.
    Ingrid Pieper-von Heiden (FDP): ... die individuelle Förderung weiter zu stärken. Zudem ist eine konsequente Fortbildung zur Unterstützung der Lehrer notwendig. Um Chancen zu eröffnen, muss jeder einzelne Schüler unabhängig von Leistungsstand, Geschlecht und Herkunft die bestmögliche Förderung erhalten.
    Gunhild Böth (Linke): ... Kita- und U3-Plätze kostenfrei zu stellen, damit kein Kind wichtige Entwicklungsimpulse verpasst. Im Schulsystem brauchen wir mehr "Eine Schule für Alle", die alle zusammen individuell fördert. Wie das geht, kann man an der Laborschule Bielefeld sehen - dazu braucht man nicht nach Finnland!

    Damit unser Schulsystem leistungsfähiger wird, ...

    Prof. Dr. Dr. Thomas Sternberg: ... muss Politik die besten Rahmenbedingungen insbesondere für eine qualitativ hochwertige Lehreraus- und -fortbildung schaffen; denn es kommt auch in den Schulen vor allem auf die Menschen an.
    Sören Link (SPD): ... brauchen wir ein Schulsystem, das individuelle Förderung nicht nur auf dem Papier verspricht. Deshalb bleibt es für uns dabei: Die demographischen Gewinne durch sinkende Schülerzahlen bleiben im System "Schule" und werden dort beispielsweise für kleinere Lerngruppen oder eine Ausweitung des Sozialindexes verwendet.
    Sigrid Beer (Grüne): ... brauchen wir mehr Ganztagsschulen, um ein anderes Lernen möglich zu machen, anregende und herausfordernde Lernlandschaften sowie multiprofessionelle Teams. Eine bessere Lehrerausbildung, die den Praxisteil stärker betont, und eine Fortbildungsoffensive unterstützen die Lehrkräfte bei den Aufgaben.
    Ingrid Pieper-von Heiden (FDP): ... darf es keine ideologisch motivierte Zerschlagung erfolgreich arbeitender Schulen geben. Genau das ist die Folge der rot-grünen Gemeinschaftsschule. Aus Sicht der FDP wird die Gemeinschaftsschule niemals die hohen Qualitätsstandards der Realschule erreichen können.
    Gunhild Böth (Linke): ... muss das Land die demographischen Gewinne im Schulsystem belassen und endlich einen Stufenplan "Kleine Klassen" realisieren. Das würde individuelle Förderung ermöglichen, die Lehrkräfte entlasten, den Lärmpegel senken und kleine Schulen erhalten, damit wir in NRW keine schulfreien Zonen bilden.

    Die richtige Antwort auf den demographischen Wandel sehe ich in ...

    Prof. Dr. Dr. Thomas Sternberg: ... einem an der Ausbildung orientierten Verbund von Haupt- und Realschulen, der neben dem am Studium orientierten Gymnasium den Kindern und Jugendlichen entsprechende Lerninhalte vermittelt, aber auch einen Anschluss zur Oberstufe ermöglicht, denn wir wollen ortsnahe Schulvielfalt.
    Sören Link (SPD): ... einem flexiblen Schulgesetz, das pragmatisch wohnortnahe Schulangebote ermöglicht. Deshalb setzen wir auf die Gemeinschaftsschule als Weiterentwicklung des bestehenden Schulsystems. Wir wollen, dass die Schule im Ort bleibt, dies gilt besonders für die Grundschule; hier gilt für uns weiterhin: kurze Beine, kurze Wege!
    Sigrid Beer (Grüne): ... der Ermöglichung von Gemeinschaftsschulen, um ein attraktives wohnortnahes Schulangebot in der Sekundarstufe I bei rückläufigen Schülerzahlen zu gewährleisten. Grundschulen sollten durch neu gestaltete Bedingungen für Lerngruppen, altersgemischten Unterricht und Schulverbünde "im Dorf" bleiben können.
    Ingrid Pieper-von Heiden (FDP): ... einem freiwilligen Zusammenschluss von Schulformen der Sekundarstufe I bei Erhalt differenzierter Bildungsgänge und Sicherstellung der individuellen Förderung jedes Kindes. Die rot-grüne Gemeinschaftsschule bedroht aber Gymnasien, Realschulen und bestandsfeste Hauptschulen.
    Gunhild Böth (Linke): ... dem Erhalt kleiner Schulen mit kleinen Klassen, denn außer der besseren Förderung der Kinder stärkt dies auch den Stadtteil- oder dörflichen Zusammenhalt. Dazu müssen die Schulen über den Schulbetrieb hinaus kulturelle und soziale Zentren werden.

    Die Bildungskonferenz hat empfohlen, neue Schulformen oder auch organisatorische Verbünde zweier Schulen auf freiwilliger Basis zusätzlich anzubieten. Eine solche optionale Regelung halte ich für ...

    Prof. Dr. Dr. Thomas Sternberg: ... pragmatisch; denn wir wollen ruhige Weiterentwicklung, nicht täglich neue Unruhe in den Schulen.
    Sören Link (SPD): ... für einen guten Weg, um vor Ort endlich zu den benötigten Lösungen bei den Schulangeboten zu kommen. In vielen Kommunen besteht großer Handlungsdruck, das vorhandene Schulsystem weiterzuentwickeln - und deshalb wären wir bereit, uns in einem schulpolitischen Konsens auf einen solchen Weg zu machen.
    Sigrid Beer (Grüne): ... eine gute Grundlage für einen Schulkonsens, der Eltern und Kommunen sowie den Schulen verlässlich die notwendigen Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort gibt. Organisatorische Verbundschulen und integrative Schulen mit längerem gemeinsamen Lernen sollten hinsichtlich ihrer Wirkung evaluiert werden.
    Ingrid Pieper-von Heiden (FDP): ... Wildwuchs und Qualitätsgefährdung der Schullandschaft. Vergleiche werden dadurch erschwert und differenzierte Bildungsgänge zur Disposition gestellt.
    Gunhild Böth (Linke): ... dringend geboten, weil damit die Kommunen in den Stand gesetzt werden, ein ihren spezifischen Bedürfnissen und Wünschen gerechtes Schulwesen zu gestalten. Dies stärkt auch die dörfliche und Stadtteilentwicklung, für die sonst immer erst Programme aufgelegt werden, wenn es schon Probleme gibt.

    Hinsichtlich der Kompetenzen von Bund, Land und Kommunen sollte Schulpolitik ...

    Prof. Dr. Dr. Thomas Sternberg: ... wie im Grundgesetz festgelegt in der Verantwortung der Länder bleiben, die sich untereinander absprechen müssen. Eine bloße Zentralisierung brächte noch keine Verbesserungen. Wir sind kein kleines Land; denn Nordrhein-Westfalen hat so viele Einwohner wie die Schweiz, Österreich und Slowenien zusammen.
    Sören Link (SPD): ... unbedingt und zeitnah das widersinnige Kooperationsverbot kippen, damit die Kommunen auch mit Geld aus Berlin dringend nötige Bildungsinvestitionen tätigen können. Ansonsten halte ich es für sinnvoll, zentrale Standards auszuweiten, um die Anschlussfähigkeit der Bildungsgänge zu sichern.
    Sigrid Beer (Grüne): ... vom Bund für Aufgaben wie Inklusion und Ganztag Unterstützung bei den Investitionen erhalten. Schluss mit den unsinnigen FDPSteuersenkungsdebatten! Wir brauchen mehr Investitionen in die Bildungsinfrastruktur. Schulpolitik ist Ländersache, kann nicht zentral verordnet werden, aber man muss effektiv kooperieren.
    Ingrid Pieper-von Heiden (FDP): ... prioritäre Aufgabe der Länder bei größtmöglicher Eigenverantwortung und Freiheit der Schulen sein. Grundsätzlich ist eine finanzielle Unterstützung des Bundes wünschenswert, allerdings müssen die Verteilungshoheit und die Organisation von Programmen bei den Ländern verbleiben.
    Gunhild Böth (Linke): ... auch von Bundesprogrammen profitieren können. Dazu muss das Kooperationsverbot aufgehoben werden, damit nicht immer administrative Winkelzüge erfunden werden müssen, um die Bundesmittel den Kindern zugutekommen zu lassen. Schule sollte Keimzelle sozialräumlicher kommunaler Entwicklung werden.

    Systematik: 4200 Schulen

    ID: LI110812

  • Die neue Haltbarkeit.
    Landtag verabschiedet Gesetzentwurf zur Bürgermeisterabwahl.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 9 in Ausgabe 7 - 29.06.2011

    18. Mai 2011 - Wie wird man einen ungeliebten Bürgermeister los? Bislang mussten Gemeinderäte und Kreistage mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit den Weg für die Abwahl kommunaler Spitzen durch Bürgerinnen und Bürger frei machen. Nun hat der Landtag einen Gesetzentwurf der Linksfraktion (Drs. 15/465) verabschiedet, der genau das ändert.
    "Das ist ein herber Schlag gegen die Kommunalparlamente", kritisierte Wiljo Wimmer (CDU). Mit dem Gesetz erklärten Linke, SPD und Grüne lokale Mandatsträgerinnen und Mandatsträger für unfähig zu entscheiden, ob ihre Stadtoberhäupter noch haltbar seien oder nicht, meinte der CDU-Sprecher. Darüber hinaus provozierten sie zukünftig Charaktere, die mit unrealistischen, aber populären Versprechungen versuchten, kurzfristig möglichst viele Wählerstimmen zu mobilisieren. Abgesehen davon könnten die Menschen in NRW schon jetzt ihre lokalen Spitzen abwählen. Nur bedürfe dies eben noch der qualifizierten Entscheidung des Gemeinderats oder Kreistags.
    Bereits mit dem Koalitionsvertrag und vor der Loveparade habe Rot-Grün das Abwahlverfahren angepeilt, sagte Sven Wolf (SPD) in Anspielung auf den umstrittenen Duisburger Oberbürgermeister. Das Vertrauen zwischen Bevölkerung und Stadtoberhaupt sei genauso wichtig wie das zwischen diesem und dem Gemeinderat: "Wenn dieses Vertrauen aufgebraucht ist, muss die Möglichkeit bestehen, das Ganze zu beenden", meinte der Abgeordnete. Aber: "Es soll mit diesem Verfahren ausdrücklich nicht zum Bürgermeisterkegeln kommen." Deshalb müssten auch mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten mit Nein stimmen. Mit dieser Quote greife das Gesetz verschiedene verfassungsgerichtliche Bedenken auf.
    "Wir haben in dem gesamten Verfahren sehr deutlich gemacht, dass die Abwahl die Ausnahme sein soll", unterstrich auch Mehrdad Mostofizadeh (Grüne). Gleichwohl sei es das vornehmste Recht der Bürgerinnen und Bürger, ihre Stadtund Kreisoberhäupter nicht nur zu wählen, sondern auch abwählen zu dürfen. "Sie werden doch auch nicht den Vorschlag machen, Herr Wimmer, bei der nächsten Wahl beziehungsweise Wiederwahl erst den Rat zu fragen, ob es eine Neuwahl der Bürgermeister geben soll", argumentierte der Grüne. Zudem regte er an, darüber nachzudenken, die Abwahl in einem weiteren Schritt an das Vorliegen eines Nachfolgevorschlags für das Amt zu koppeln.
    Wahl und Abwahl gehörten logisch zusammen, stimmte Horst Engel (FDP) dem Anliegen von Linken, SPD und Grünen zu. Allerdings seien die vorgesehenen Quoren zu niedrig. "Das Einleitungsquorum ist ein wichtiger Filter, um zu vermeiden, dass Abwahlverfahren aufgrund lokaler Stimmungen willkürlich initiiert werden", erläuterte der Abgeordnete. "Das Abstimmungsquorum setzt dann die Hürde für die eigentliche Abwahl." Zudem, betonte Engel, würde sich das Abwahlproblem in vielen Fällen gar nicht stellen, wenn Stadtoberhäupter zurücktreten könnten, ohne dabei ihre Versorgungsansprüche zu gefährden: "Wir meinen daher, dass es einer Paketlösung bedarf."
    "Heute freuen wir uns als Fraktion, dass der erste Gesetzentwurf der Linken verabschiedet wird", sagte Özlem Alev Demirel (Linke). Gleichzeitig betonte sie den Kompromisscharakter der geänderten Version. So falle bei Städten mit einer Einwohnerzahl über 100.000 das Einleitungsquorum von 15 Prozent noch deutlich zu hoch aus. Ursprünglich habe ihre Fraktion analog zu Bürgerbegehren Quoren von drei bis zehn Prozent angestrebt - da hätten SPD und Grüne jedoch nicht mitgemacht. "Wir wollen eine politische Rechenschaftspflicht und Wähl- und Abwählbarkeit politischer Beamter durch die Bevölkerung ohne unnötige Hürden", betonte die Linken-Politikerin.
    "Zurzeit lässt die Gemeindeordnung es zu, dass eine kleine Minderheit eines Rates, nämlich ein Drittel plus eine Stimme, ein unmittelbares Abwahlverfahren zu verhindern weiß", erklärte Kommunalminister Ralf Jäger (SPD). Das sei im Zweifel undemokratisch. Auch verteidigte er die gestaffelten Quoren. Sie verhinderten, dass ein Abwahlverfahren das nächste jage, ohne dass es um wirklich wichtige Dinge gehe. Zudem müssten der eigentlichen Abwahl wiederum mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten zustimmen, reagierte Jäger auf entsprechende Kritik. "Das ist oftmals mehr, als der Amtsinhaber bei der Kommunalwahl an Zuspruch erhalten hat."
    bra

    Zusatzinformation:
    Neue Regelung
    Um ein Abwahlverfahren einzuleiten, ist ein Antrag entweder des Rats oder der Bürgerinnen und Bürger notwendig. Das Stadtoberhaupt ist abgewählt, wenn sich eine Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen ergibt und diese Mehrheit insgesamt mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten beträgt.

    Abstimmung
    Der Gesetzentwurf (Drs. 15/465) wurde in geänderter Fassung (Drs. 15/1934) mit den Stimmen von Linken, SPD und Grünen in zweiter Lesung bei Enthaltung der FDP und gegen die Stimmen der CDU verabschiedet.

    Systematik: 1080 Wahlen; 1230 Kommunale Angelegenheiten

    ID: LI110703

  • Laschet, Armin (CDU); Altenkamp, Britta (SPD); Beer, Sigrid (Grüne); Witzel, Ralf (FDP); Demirel, Özlem Alev (Linke)
    Schlag auf Schlag:"Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zu direkter Demokratie.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 7 - 29.06.2011

    Derzeit wird über ein Erstarken der Bürgergesellschaft diskutiert. Das liegt meiner Meinung nach an ...

    Armin Laschet (CDU) ... einem selbstbewussten Bürgertum, was mit entscheiden will. Dies müssen wir als Parlament aufgreifen, da Demokratie vom Engagement der Bürger lebt.
    Britta Altenkamp (SPD) ... der Unzufriedenheit der Bürger mit der politischen Parteienlandschaft. Und mit der schwarz-gelben Bundesregierung ...
    Sigrid Beer (Grüne) ... der Unzufriedenheit mit politischen Entscheidungsprozessen, wenn sie intransparent und nicht nachvollziehbar sind. Bürgerinnen und Bürger schauen viel aufmerksamer darauf, ob von politischen Entscheidungen einzelne bzw. einseitige Interessen bedient werden und sich offensichtlich Lobbygruppen durchsetzen.
    Ralf Witzel (FDP) ... mehr Interesse der Bürger an Entscheidungen vor Ort. Die FDP betont seit langem, dass der Einzelne mehr Verantwortung erhalten muss. Der Vollkaskostaat hat ausgedient: Er ist weder finanzierbar noch wünschenswert, da er den Menschen die Freiheit nimmt. Eigenverantwortung und Bürgerengagement sind unverzichtbar.
    Özlem Alev Demirel (Linke) ... dem aufkeimenden Widerstand gegen die Arroganz der Regierenden, die sich daran gewöhnt haben, Politik gegen die Mehrheit zu machen. Ob Hartz IV, Afghanistan-Krieg oder auch Stuttgart 21 und die Atompolitik: Immer wird im Interesse einer kleinen Minderheit entschieden. Dagegen regt sich Widerstand.

    Für uns als gewählte Volksvertreterinnen und Volksvertreter bedeuten die Möglichkeiten direkter Demokratie ...

    Armin Laschet (CDU) ... eine Ergänzung des repräsentativen Demokratiemodells. Politik muss wieder zuhören, besser erklären und die Bürger ernst nehmen. Politik muss aber auch klar Position beziehen und darf nicht nur auf Umfragen schielen.
    Britta Altenkamp (SPD) ... die unmittelbarere Mitwirkung der Bürger an politischen Entscheidungen. Ein richtiges und wichtiges Mittel, um die Bürger stärker einzubinden - nicht umsonst haben wir uns im Koalitionsvertrag verpflichtet, die direkte Demokratie auf Landes- und kommunaler Ebene auszubauen. Mit dem Gesetzentwurf zur Erleichterung von Volksbegehren machen wir einen ersten großen Schritt in diese Richtung.
    Sigrid Beer (Grüne) ... eine engere Bindung an die Bürgerinnen und Bürger. Eine starke Demokratie lebt von der Einmischung ihrer Bürgerinnen und Bürger. Wir stehen für die demokratische Teilhabe in einer offenen, pluralistischen Gesellschaft. Direktere Demokratie wirkt auch einer zunehmenden Politikverdrossenheit entgegen.
    Ralf Witzel (FDP) ... eine weitere bereichernde Säule im politischen System, die Entscheidungen repräsentativ gewählter Gremien flankiert und ergänzt, aber Verantwortlichkeiten nicht ersetzen darf. Grobe Fehlentscheidungen politischer Mehrheiten werden durch mündige Bürger korrigiert wie unlängst die Hamburger Bildungsreform.
    Özlem Alev Demirel (Linke) ... die Menschen selbst - den Souverän - entscheiden zu lassen. Nur dann wird die Demokratie lebendiger. Privatisierungen und Liberalisierungen bedeuten Demokratieabbau, weil nur noch Konzernzentralen entscheiden. DIE LINKE aber will mehr Demokratie wagen.

    Direkte Demokratie auf bestimmte Themenfelder zu begrenzen, halte ich für ...

    Armin Laschet (CDU) ... falsch. Entscheidend ist, ob die Fragestellung vertiefte Sachkenntnis erfordert und wie sich Beteiligung organisieren lässt. Der Moderationsprozess zu Stuttgart 21 von Heiner Geißler zeigt, dass auch komplizierte Fragen zum Ergebnis geführt werden können.
    Britta Altenkamp (SPD) ... sachgemäß und rechtlich erforderlich.
    Sigrid Beer (Grüne) - Die im Grundgesetz festgeschriebenen Grundrechte sind für alle bindend. Für direkte Demokratie muss die präventive Normenkontrolle durch das Bundesverfassungsgericht gelten, so dass es unmöglich ist, durch ein Volksbegehren z. B. die Todesstrafe oder eindeutig minderheitenfeindliche Gesetze durchzusetzen.
    Ralf Witzel (FDP) ... angebracht, zumal Abstimmungen zu Fachthemen ein hohes Maß an Sachkenntnis voraussetzen. Die Emotionalität des Augenblicks darf sachlich fundierte und qualifizierte Entscheidungsprozesse nicht ersetzen. Schützenswerte Grundrechte einzelner sollten nicht einem populistischen Mainstream zum Opfer fallen.
    Özlem Alev Demirel (Linke) ... falsch. Grundsätzlich sollten alle Themenfelder offen für direkte demokratische Entscheidungen sein. Dabei dürfen aber die Grundrechte der Menschen natürlich nicht infrage gestellt werden. Gerade finanzielle Auswirkungen dürfen kein Grund sein, Themen auszuschließen. Letztlich heißt Demokratie für mich nicht, nur alle paar Jahre an die Wahlurne zu gehen.

    Kommune, Land, Bund, EU - direkte Demokratie macht aus meiner Sicht am meisten Sinn ...

    Armin Laschet (CDU) ... in der Kommune, da dort Probleme vor Ort gelöst werden. Komplexe Sachverhalte lassen sich besser im parlamentarischen Kompromiss als in einer simplen Ja-Nein-Frage beantworten.
    Britta Altenkamp (SPD)... bei Themen, die die Bürger direkt und unmittelbarer betreffen, d. h. aus der "Nachbarschaft" - direkte Demokratie ist daher in Kommunen und Land sinnvoll.
    Sigrid Beer (Grüne) ... wenn sie konsequent auf allen Ebenen ausgestaltet wird. Demokratie braucht gerade in der pluralen Gesellschaft demokratischen Zusammenhalt. Dieser entsteht gerade dann, wenn Bürgerinnen und Bürger auch wirklich politisch teilhaben und wir gemeinsam, demokratisch, die Zukunftsherausforderungen angehen.
    Ralf Witzel (FDP) ... vor Ort, wo die Betroffenheit von Entscheidungen am unmittelbarsten für jeden Abstimmungsberechtigten erlebbar ist. Eine lebendige Demokratie macht aber nicht Halt vor bestimmten Ebenen. Genauso wichtig für die persönliche Urteilsfähigkeit wie das Abstimmungsgebiet ist die zu entscheidende Fragestellung.
    Özlem Alev Demirel (Linke) ... auf allen vier Ebenen. Wenn wirklich alle Staatsgewalt vom Volke ausgehen soll, dann muss die Bevölkerung auch auf allen Ebenen direkt beteiligt werden. Bürger- und Volksentscheide sind ein Teil unserer Demokratie. Menschen systematisch bei bestimmten Entscheidungsprozessen auszuschließen, weil sie z. B. die Staatsbürgerschaft nicht haben, ist falsch.

    Systematik: 1080 Wahlen

    ID: LI110713

  • Die Stimme des Volkes.
    Regierung plant niedrigere Hürden für direkte Demokratie.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 13 in Ausgabe 7 - 29.06.2011

    9. Juni 2011 - Laut Landesverfassung müssen acht Prozent der Stimmberechtigten ein Volksbegehren unterstützen, damit es Erfolg hat. Das entspricht mehr als einer Million Unterschriften, die die Organisatoren sammeln müssen. Dafür haben sie laut Gesetz acht Wochen Zeit, entsprechende Listen sind in Rathäusern auszulegen. Diese Hürden will die Regierung nun verringern. Künftig sollen die Bürgerinnen und Bürger 18 Wochen Zeit haben, um das Begehren zu unterstützen. Außerdem ist geplant, neben der Eintragung in Rathäusern auch freie Unterschriftenlisten mit einer Sammlungsfrist von einem Jahr zuzulassen, damit man auch auf der Straße unterschreiben kann. Im Innenausschuss (Vorsitz Monika Düker, Grüne) nahmen Sachverständige zum Gesetzentwurf (Drs. 15/1312) Stellung.
    Alexander Slonka vom NRW-Landesverband des Vereins Mehr Demokratie begrüßte den Gesetzentwurf. Für absolut notwendig hielt der Experte darüber hinaus aber auch eine Absenkung des Quorums für Volksbegehren. Statt acht Prozent genügten aus seiner Sicht drei Prozent der Stimmberechtigten, um ihnen zum Erfolg zu verhelfen. Für eine solche Neuregelung müssten die Abgeordneten allerdings mit Zweidrittelmehrheit die Landesverfassung ändern. "Der Landtag muss keine Angst haben, sich selbst zu entmachten", ergänzte Dr. Michael Efler vom Bundesverband des Vereins seine Erfahrungen aus Hamburg oder Schleswig-Holstein. Dort habe ein niedrigeres Quorum zu mehr Praxis geführt, nicht aber zu einer inflationären Anzahl von Volksbegehren. In NRW hingegen sei die empirische Praxis fast gleich null.
    Der Politikwissenschaftler Martin Florack von der Universität Duisburg-Essen konnte keinen empirischen Zusammenhang zwischen den Rahmenbedingungen für Volksbegehren und deren Häufigkeit feststellen. In Bayern beispielsweise gebe es restriktive Regeln, aber trotzdem mehr Praxis. Als entscheidender machte der Experte in diesem Zusammenhang die politische Kultur vor Ort aus. Auch die Tatsache, dass sich Volksbegehren in einem Bundesland naturgemäß nur auf die Länderkompetenzen beziehen könnten, sei ein möglicher Grund für die Zurückhaltung.
    Unabhängig davon hielten alle Sachverständigen die Information der Bürgerinnen und Bürger für wesentlich, damit sich möglichst viele an einem Volksbegehren beteiligten. Nach Schweizer Vorbild gelte es, nicht nur eine Abstimmungsaufforderung an die Haushalte zu versenden, sondern gleichzeitig Sachinformationen zum Thema. "Das Schöne bei der direkten Demokratie ist, dass die Bildungsveranstaltung schon mit drin ist", bekräftigte Slonka. Denn politische Bildung gelinge in der Regel dann besonders gut, wenn sie sich auf einen aktuellen, konkreten Anlass beziehe.
    Problematisch an direktdemokratischer Beteiligung fand Wissenschaftler Florack die Gefahr einer sozialen Verzerrung von Volkes Stimme. Noch mehr als bei Wahlen blieben Bürgerinnen und Bürger aus bildungsferneren und einkommensschwächeren Gesellschaftsschichten bei Volksbegehren tendenziell zu Hause, während sich gebildete und politisch interessierte Menschen eher daran beteiligten. Daher hinterfragte er, wie repräsentativ solche Voten sein könnten. Diesem Problem könne man weder mit freien Unterschriftenlisten oder einer längeren Zeitspanne noch mit einem niedrigeren Quorum begegnen. Deshalb sprach er sich bei letzterem auch nicht für eine bestimmte Prozentzahl aus. Acht Prozent der Stimmberechtigten seien in einem Flächenland wie NRW allerdings schwieriger zu erreichen als acht Prozent in einem Stadtstaat wie Berlin oder Hamburg.
    Marion Stein von der Organisation Transparency International hielt die Hürde über ein hohes Quorum hingegen schon für entscheidend. Um weitestgehende Transparenz herzustellen, plädierte sie dafür, Spenden an Organisatoren von Volksbegehren ab einer Höhe von 2.000 Euro zu veröffentlichen. Im Gesetzentwurf liegt diese Grenze bei 5.000 Euro.
    Ein weiteres Thema waren die Kosten von Volksbegehren. Vereinssprecher Efler betonte, wie wichtig es sei, den Organisatoren ihre Kosten zu erstatten. Ansonsten laufe man Gefahr, dass nur Interessengruppen, die über entsprechendes Geld verfügten, solche Initiativen oder Kampagnen starten könnten. Auch Parteien erhielten Wahlkampfkostenerstattung - selbst wenn sie nicht ins Parlament einzögen, plädierte NRW-Sprecher Slonka für eine erfolgsunabhängige finanzielle Anerkennung des Engagements für mehr Demokratie.
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    Zusatzinformation:
    Der Innenausschuss wird nun die Anhörung zum Gesetzentwurf (Drs. 15/1312) auswerten. Nach Ende der Ausschussberatungen debattiert ihn die Vollversammlung des Landtags in zweiter Lesung und stimmt darüber ab.

    Systematik: 1080 Wahlen

    ID: LI110715

  • Auf Heller und Pfennig.
    In der zweiten Lesung geht es um die Einzeletat der Ressorts.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 4-9 in Ausgabe 6 - 19.05.2011

    13./14. April 2011 - Die Landesregierung will in diesem Jahr so viel Geld ausgeben wie für ihren Ansatz einer präventiven Politik nötig sei, sieht sich aber auch zum Sparen gezwungen. Ursprünglich hatte sie (nach einer Korrektur) ein Budget von insgesamt etwa 55,8 Milliarden Euro und Neuschulden in Höhe von rund 7,1 Milliarden Euro geplant. Darüber hat der Landtag im März in erster Lesung diskutiert. Nach Beratungen in den Fachausschüssen sollen es nun noch rund 4,8 Milliarden Euro neue Schulden sein. Dies und die einzelnen Bausteine des Haushaltsentwurfs waren Gegenstand der zweiten Lesung. Die CDU forderte in einem Änderungsantrag weitere Einsparungen, unter anderem durch globale Minderausgaben in allen Ressorts. Wie ein roter Faden zieht sich daher durch die Fachdebatten die Frage von SPD und Grünen, wo denn genau gekürzt und Stellen gestrichen werden sollen. Die FDP pocht auf Konsolidierung, die Linke fordert höhere Ausgaben quer durch die Ressorts.

    Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG)

    Es sei kaum Substanz festzustellen, bewertete Bodo Löttgen (CDU) den Entwurf des GFG mit Blick auf die Ankündigungen der Landesregierung, den Kommunen zu helfen. Auch bisher gesunde Kommunen drohten, in den Nothaushalt zu fallen. Löttgen appellierte an die Regierungsfraktionen, durch ein gemeinsames Sondergesetz den Kommunen mit 650 Millionen Euro für Zins und Tilgung zu helfen.
    Auch Marc Herter (SPD) trat für parteipolitische Zusammenarbeit ein. Das Angebot der CDU wertete er allerdings als "vergiftet": Der Vorschlag ziele darauf ab, reiche und arme Kommunen gegeneinander auszuspielen. Ein Gesetz zur Konsolidierung der Kommunen solle man gemeinsam angehen, appellierte Herter. Dieses Ziel sei aber nur bei stärkerer Beteiligung des Bundes zu erreichen.
    In die gleiche Richtung argumentierte auch Mehrdad Mostofizadeh (Grüne). Die "dramatische" Finanznot der Städte und Gemeinden könne nicht durch das Land alleine, sondern nur unter stärkerer Beteiligung des Bundes gelöst werden. Bei der Anerkennung der Problemlage sei die CDU eigentlich auf dem richtigen Weg, plädierte auch Mostofizadeh für ein fraktionsübergreifendes Vorgehen.
    "Wir liegen nicht weit auseinander", konstatierte Horst Engel (FDP). Alle müssten konsolidieren - auch die Kommunen. Diese schwebten bei den Kassenkrediten angesichts möglicherweise steigender Zinsen allerdings in der Zinsfalle. Ein Teil dieser Kredite werde nur dann verlängert, wenn die NRW-Bank dafür bürge. Engel forderte eine umfassende Reform des Finanzausgleichs im Jahr 2012.
    Deutlich höhere Ausgaben für die Städte und Gemeinden verlangte Rüdiger Sagel (Linke). Man dürfe das Land nicht kaputtsparen. Notwendig sei, stärker in soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit zu investieren. SPD und Grüne seien hier "angstgesteuert", kritisierte der Linken-Sprecher. Um die Haushalte zu sanieren, sei eine stärkere Belastung großer Vermögen erforderlich.
    "Wir sitzen alle in einem Boot", analysierte Innenminister Ralf Jäger (SPD). Er sah das kommunale Finanzsystem in seiner Leistungsfähigkeit bedroht. Dieser dramatischen Entwicklung müsse man entgegentreten, denn das Vertrauen der Banken in die Kommunen werde zunehmend in Frage gestellt. Dies resultiere allerdings auch aus dem Scherbenhaufen, den die Vorgängerregierung hinterlassen habe.

    Inneres und Kommunales

    Der CDU-Abgeordnete Theo Kruse vermisste Engagement bei der Entbürokratisierung und sah viele innenpolitische Fragen unbeantwortet. Die Kriminalität werde zunehmen, fürchtete er, weil die Landesregierung sich aus der Verantwortung stehle.
    Thomas Stotko (SPD) wandte sich gegen pauschale Kürzungen, die nicht ohne Stellenstreichungen möglich seien. Wohin zu wenig Personal führe, habe etwa der Fall Envio gezeigt. Stotko lobte beispielsweise 123 geplante neue Stellen bei der Polizei.
    Als zentral beschrieb Matthi Bolte (Grüne) die Mittel für die Kriminalitätsprävention. Außerdem solle NRW menschlicher und demokratischer werden, begründete der Grüne mehr Geld für die Flüchtlingspolitik. Des Weiteren solle rassistische Gewalt bekämpft werden.
    Horst Engel (FDP) begrüßte die Einrichtung von acht zusätzlichen Stellen im Datenschutz und die Pläne gegen Jugendkriminalität, hielt letztere aber ebenso wie das Vorgehen gegen organisierte Kriminalität, etwa gegen die Mafia, für unzureichend.
    Licht und Schatten sah Anna Conrads (Linke) im Etat. Auch sie lobte im Kern die Planungen bei Polizei, Datenschutz und Flüchtlingsarbeit, sah aber auch weitere Herausforderungen. Der Verfassungsschutz solle in der jetzigen Form abgeschafft werden.
    Innenminister Ralf Jäger (SPD) begrüßte die sachliche Debatte. Er lobte die Kriminalprävention als bundesweit neuen Weg, bestätigte dem FDP-Sprecher das Problem, dass Polizeikräfte zunehmend brutaler angegriffen würden und warb für deren Wertschätzung.

    Ministerpräsidentin und Staatskanzlei

    In der Staatskanzlei gebe es weder Kompetenz noch Können, urteilte Armin Laschet (CDU). Als Beispiele nannte er unter anderem den Nachtragshaushalt sowie die "Schulpolitik per Schulversuch", die beide per Gerichtsurteil gestoppt worden seien.
    Der rot-grüne Regierungsstil sei von "Nähe zu den Menschen" gekennzeichnet, so Prof. Dr. Rainer Bovermann (SPD). Außerdem sei im Gegensatz zur Regierung Rüttgers die Zahl der Stellen stabil geblieben, und die Personalausgaben gingen leicht zurück.
    Die Ministerpräsidentin wähle für ihre Veranstaltungen eine andere Art als ihr Vorgänger, erklärte Reiner Priggen (Grüne). Sie treffe Menschen in deren Lebensrealität. In diesem Bereich hätten CDU, FDP und Linke gemeinsam Kürzungen beschlossen, kritisierte er.
    Ob die jetzt als Regierungsaufgabe deklarierten "Tatkraft-Tage" die Fortsetzung der gleichnamigen früheren Parteiveranstaltungen seien, fragte Ralf Witzel (FDP). Anscheinend dienten sie eher Vermarktungszwecken, verwies er auf dazu angebotene Pressefotos.
    Die notwendige Trennung der Ämter als Ministerpräsidentin und SPD-Vorsitzenden werde in der "TatKraft-Tour" verwischt, bemängelte auch Ralf Michalowsky (Linke). Ebenso wandte er sich gegen eine Reihe anderer Veranstaltungen "mit eindeutigem SPD-Bezug".
    Es handele sich um ein neues Konzept unter bekanntem Namen, verteidigte Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren die "TatKraft-Tage". Anders als beim früheren "Rüttgers Club" stünden diese Veranstaltungen für eine bürgernahe Politik.

    Landesplanung

    "Wer betreibt zurzeit Landesplanung?", fragte Josef Hovenjürgen (CDU) nach den Zuständigkeiten. Offensichtlich wisse die Landesregierung noch nicht, wohin sie wolle.
    In der Landesplanung habe man unerledigte Vorhaben und verlorene Prozesse vorgefunden, so Thomas Eiskirch (SPD). Er verwies unter anderem auf das Kraftwerksprojekt Datteln.
    Landesentwicklungsplan und Landesentwicklungsprogrammgesetz zusammenzuführen, war für Daniela Schneckenburger (Grüne) wichtig, auch um zukünftige Energiepolitik abzusichern.
    Für Holger Ellerbrock (FDP) hatten die Fragen der Energiepolitik in der Landesplanung ebenfalls besonderen Stellenwert. So müsse man Trassen für Leitungen großzügig freihalten.
    Rüdiger Sagel (Linke) forderte in der Landesplanung mehr Bürgerinformation, Bürgerbeteiligung und Transparenz. Bisher gebe es hier bei SPD und Grünen nur "zarte Ansätze".
    Zentrales Projekt sei der neue Landesentwicklungsplan, so Ministerin Dr. Angelica Schwall- Düren. Er solle nachhaltige Raumentwicklung fördern.

    Europa und Eine Welt

    Aus Sicht von Ilka von Boeselager (CDU) setzt die Landesregierung in der Europa- und Eine-Welt- Politik Mittel nicht effizient ein. "Sie investieren in Strukturen und nicht in Substanz. Sie verplanen Geld für Netzwerke und Kanäle anstatt für Ideen und Initiativen."
    "Der Haushaltsentwurf in den Bereichen Europa und Eine Welt zeigt die Bedeutung, die diesen Querschnittsfeldern zukommt", entgegnete Markus Töns (SPD). Es sei wichtig, die Europafähigkeit des Landes und auch der Kommunen in NRW weiter zu stärken.
    Stefan Engstfeld (Grüne) hielt das vorgesehene Plus von 600.000 Euro für die internationale und Eine-Welt-Politik für einen "vollen Erfolg". NRW werde "seiner Internationalität, seiner europäischen und globalen Verantwortung in vollem Umfang gerecht".
    Es sei schändlich, so Dr. Ingo Wolf (FDP), dass die Landesregierung im vorgelegten Haushaltsentwurf finanzielle Verschiebungen zulasten des Bereichs Europa vornehme. "Hier gehört das Geld hin und nicht in den Bereich Eine Welt", kritisierte der Liberale.
    Bärbel Beuermann (Linke) sah die Landesregierung auf gutem Weg, das Werben für die Völkerverständigung gerade auf kommunaler Ebene zu unterstützen und zu stärken. Eine Fortsetzung und Vertiefung des europäischen Engagements sei unabdingbar.
    Die Landesregierung verfolge den Anspruch, Europapolitik aktiv zu gestalten und das Europabewusstsein auf allen gesellschaftlichen Ebenen zu steigern, erklärte Europaministerin Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD). Dies schlage sich im Haushaltsentwurf 2011 nieder.

    Medien

    Andrea Verpoorten (CDU) beanstandete, die Regierung sehe Mittel für einen Medienkompetenzführerschein vor, ohne zu wissen, wie dieser inhaltlich ausgestaltet werden solle.
    "Wir wollen Unternehmen stärken und die Menschen fit machen, die Chancen der Medien positiv zu nutzen." Dies betreffe die Medienkompetenz gerade von Kindern, meinte Alexander Vogt (SPD).
    Oliver Keymis (Grüne) betonte, die medienpolitische Stärke bestehe nicht in der Summe des Geldes, sondern darin, wie stark sich Regierung und Fraktionen um das Thema Medien kümmerten.
    Von der rot-grünen Landesregierung forderte Ralf Witzel (FDP) neue Konzepte, um gemeinsam darüber diskutieren zu können, wie der Medienstandort NRW in Zukunft aussehen solle.
    Ralf Michalowsky (Linke) schlug vor, Fördermittel des Landes bereitzustellen, um beispielsweise die Existenz von Kinos zu sichern und diese bei der Digitalisierung zu unterstützen.
    Medienministerin Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD) forderte, das kreative Potenzial NRWs auch weiterhin zu fördern. Daher solle der Ansatz um 430.000 Euro angehoben werden.

    Schule und Weiterbildung

    Die CDU trage Maßnahmen für die Weiterbildung und die Inklusion mit, erklärte Prof. Dr. Dr. Thomas Sternberg. Dagegen kritisierte er einen "Flatrate-Etat" für das Landesinstitut für Bildung und zu hohe Summen für den Modellversuch Gemeinschaftsschule.
    "Wir werden auch in finanziell schwierigen Zeiten nicht an der Bildung sparen", sagte Sören Link (SPD). Weniger Geld wolle man für Werbemaßnahmen ausgeben, dafür mehr für die Friedenserziehung, für Inklusion und längeres gemeinsames Lernen.
    "Wir wollen Verlässlichkeit in der Schulpolitik über eine Legislaturperiode hinaus", bekräftigte Sigrid Beer (Grüne). Sie wünschte sich einen breit angelegten Bildungskonsens und lobte in diesem Zusammenhang die überparteiliche Bildungskonferenz.
    Für Ingrid Pieper-von Heiden (FDP) hat der Schuletat Schlagseite. Sie kritisierte das Landesinstitut, die schulische Beteiligung von Friedensaktivisten und den Modellversuch Gemeinschaftsschule als "rot-grüne Spielwiesen" trotz fehlenden Geldes.
    Gunhild Böth (Linke) verteidigte das Landesinstitut für Schule als deutschland-, europa- und weltweit renommiert. Für politische Vorhaben müsse man eben Geld in die Hand nehmen. Dies gelte auch für die Förderung von Kindern mit ausländischen Wurzeln.
    Als Ziele des Haushalts beschrieb Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne), die Ganztagsschule zu fördern, die Sonderpädagogik zu verbessern, die Inklusion auszuweiten, in puncto Gemeinschaftsschulen ausreichend zu beraten und Schulleitungen zu entlasten.

    Innovation, Wissenschaft und Forschung

    "Diese Landesregierung hat keine auskömmliche Finanzierung der Hochschulen sichergestellt", meinte Dr. Michael Brinkmeier (CDU). Sie habe die Studienbeiträge abgeschafft, kompensiere den Wegfall aber nur unzureichend und auch noch schuldenfinanziert.
    Ziel des 6,2-Milliarden-Euro-Plans sei es, mehr Menschen fürs Studium zu begeistern und dem Fachkräftemangel vorzubeugen, sagte Karl Schultheis (SPD). Dazu trage der Gebührenwegfall bei. Investitionen in Wissenschaft und Bildung rentierten sich für Land und Menschen.
    "Diese Mittel leisten einen Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit in unserem Land", freute sich Dr. Ruth Seidl (Grüne) über rund sechs Prozent mehr Geld im Einzelplan. Rot-Grün habe dabei den doppelten Abiturjahrgang genauso berücksichtigt wie die Aussetzung der Wehrpflicht.
    "Sie nehmen Geld weg, das im System ist, und kompensieren es mit neuem Geld, und dann auch noch zu wenig", befand Marcel Hafke (FDP). Rot-Grün habe nicht dargelegt, wie sie das Gebühren- Aus finanzieren wolle. Auch vermisse er eigene Technologie-Projekte seitens der Regierung.
    Die mangelhafte Kompensation provoziere prekäre Jobverhältnisse an Hochschulen, befürchtete Gunhild Böth (Linke). Als weiteres Grundproblem beschrieb sie das Hochschulfreiheitsgesetz: Es gehe nicht an, dass staatliche Einrichtungen finanziell machen könnten, was sie wollten.
    "Fehlende Bildungschancen und schlechte Bildungsbedingungen vermindern das Wirtschaftswachstum", begründete Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) die 6,2 Milliarden- Investition. Diese beinhalte unter anderem ausgeweitete Studienangebote und eine bessere Geschlechtergleichstellung.

    Umwelt- und Naturschutz

    Umwelt, Klima- und Verbraucherschutz hätten die höchste Steigerungsrate. Minister Remmel sei damit der "Schuldenkaiser" der Landesregierung, meinte Rainer Deppe (CDU).
    Es wären wohl noch ein paar Euro mehr notwendig gewesen, um zu zeigen, wie Nachhaltigkeit im 21. Jahrhundert eigentlich aussehe, entgegnete André Stinka (SPD).
    Fit gemacht werden für die Zukunft müsse NRW über eine Umgestaltung der Industriegesellschaft, orientiert an einem Kompass der Nachhaltigkeit, so Hans-Christian Markert (Grüne).
    Er sehe nicht, wie die Landesregierung die Gegensätze von Landschafts- wie auch Artenschutz und Flächenverbrauch miteinander versöhnen wolle, meinte Kai Abruszat (FDP).
    Gegen Gentechnik bei Lebensmitteln sowie gegen Kohle und Gas wandte sich Hamide Akbayir (Linke) und forderte stattdessen, auf 100 Prozent erneuerbare Energie umzusteuern.
    Klimaschutz, die Erhaltung der Artenvielfalt und der Umgang mit immer knapperen Rohstoffen seien die "Jahrhundertherausforderung", so Umweltminister Johannes Remmel (Grüne).

    Verbraucherschutz

    Statt für Verlässlichkeit, Vertrauen und seriöse Information sorge er für Verunsicherung, warf Rainer Deppe (CDU) dem Minister vor.
    Man müsse die Arbeit der Verbraucherzentrale sowie der Schuldner- und Insolvenzberatung weiter stärken, betonte Cornelia Ruhkemper (SPD).
    Verbraucherschutz sichere den Konsumentinnen und Konsumenten die notwendige Teilhabe am Wirtschaftsleben auf Augenhöhe, erklärte Hans Christian Markert (Grüne).
    Der Beschluss über die Finanzierung der Verbraucherzentralen sei im Landtag einstimmig gefasst worden, unterstrich Kai Abruszat (FDP).
    Gerade Menschen mit geringem Einkommen brauchten eine noch bessere und effizientere Lebensmittelkontrolle, forderte Hamide Akbayir (Linke).
    Aufgrund neuer Produkte und Verfahren sei beim Verbraucherschutz ständige Innovation gefragt, betonte Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne).

    Landwirtschaft

    Der Landwirtschaftsminister betreibe eine Diskriminierung der Landwirte in NRW, die nach den weltweit höchsten Umweltstandards arbeiteten, so Christina Schulze-Föcking (CDU).
    "Wir wollen, dass sich die Leute wieder stärker mit der Landwirtschaft vor Ort identifizieren können", wandte sich Frank Sundermann (SPD) gegen einen Ausbau von Großbetrieben.
    Statt Exportförderung und Weltmarktorientierung brauche man regionale Märkte, regionale Wertschöpfungsketten und eine bäuerliche Landwirtschaft, betonte Norwich Rüße (Grüne).
    "Unsere Landwirte brauchen keine Politiker, die ihnen Vorschriften machen, wie sie zu arbeiten haben", forderte Kai Abruszat (FDP) mehr Vertrauen in Landwirtschaft und Konsumentenverhalten.
    Bei nur 62.880 Hektar Ökofläche habe NRW einen großen Nachholbedarf, daher müsse die regionale und ökologische Landwirtschaft stärker gefördert werden, so Hamide Akbayir (Linke).
    Für eine konzertierte Aktion für den Flächenschutz warb Landwirtschaftsminister Johannes Remmel (Grüne). Einen Aufstand im Bauernland gegen seine Politik gebe es jedenfalls nicht.

    Klimaschutz

    Die Energiewende in Deutschland koste rund 1,5 Billionen Euro, so Gregor Golland (CDU). Und sie bedeute vor allem besonders viele neue Energieleitungen.
    Klimaschutz sei Motor für Innovation, Wandel und Arbeitsplätze, beschrieb André Stinka (SPD), dass so der Strukturwandel im ländlichen Raum gemeistert werde.
    Wenn die Klimakatastrophe nicht jetzt bekämpft werde, werde bald ein massiver volkswirtschaftlicher Schaden spürbar, meinte Wibke Brems (Grüne).
    Hochmoderne Kohlekraftwerke seien Klimaschutz mit Augenmaß, warnte Kai Abruszat (FDP) vor einem "Deindustrialisierungsgesetz" der rot-grünen Landesregierung.
    Beim Klimaschutz dürfe nicht mehr gekleckert, es müsse geklotzt werden, forderte Michael Aggelidis (Linke) einen "radikalen" Umbau der Industriegesellschaft.
    Es gehe um die Reindustrialisierung von NRW, und die Leitentscheidung dabei heiße "Klimaschutz als Treiber", erklärte Klimaschutzminister Johannes Remmel (Grüne).

    Justiz

    SPD und Grüne hätten jahrelang mehr Justizpersonal gefordert, sagte Harald Giebels (CDU). Davon höre er nun kaum noch etwas. Zudem müsse NRW nicht nur gegen Rechts-, sondern auch gegen Linksextremismus vorgehen.
    Eine leistungsstarke und moderne Justiz, ein sicherer und humanerer Strafvollzug sowie mehr Prävention seien die Ziele von Rot-Grün, so Sven Wolf (SPD). Hierzu zähle etwa der Abbau prekärer Arbeitsverhältnisse.

    (siehe Fortsetzung)

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt

    ID: LI110602

  • Auf Heller und Pfennig.
    In der zweiten Lesung geht es um die Einzeletat der Ressorts. (Fortsetzung).
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 4-9 in Ausgabe 6 - 19.05.2011

    Die von der CDU geforderten Einsparungen seien in der Justiz nicht möglich, betonte Dagmar Hanses (Grüne). 60 Prozent der Ausgaben entfielen allein aufs Personal. Zusätzlich enthalte der Einzelplan auch 400 notwendige neue Stellen.
    Anstatt zu gestalten, verwalte Rot-Grün lediglich, kritisierte Dr. Robert Orth (FDP): "Was haben Sie von der neuen Landesregierung eigentlich für neue Überlegungen umgesetzt?" Eigene Ansätze seien nicht erkennbar.
    Anna Conrads (Linke) lobte das Mehr an psychologischer und sozialer Betreuung in den JVAs. Gleichzeitig rügte sie Rot-Grün dafür, sich nicht auf Linken-Anträge im Bereich der Justiz eingelassen zu haben.
    Effektiv Recht sprechen, zügig vollstrecken, Rechtsfrieden sichern und Gerechtigkeit durchsetzen: "Hierfür schaffen wir mit dem Haushalt 2011 die Voraussetzungen", betonte Justizminister Thomas Kutschaty (SPD).

    Wirtschaft und Mittelstand

    "Das Wirtschaftsressort ist gefleddert und nur noch ein Schatten seiner selbst", meinte Hendrik Wüst (CDU). Kies-Euro, Wasserentnahmeentgelt, Bettensteuer und höhere Gewerbesteuer: Mit diesen "Grausamkeiten" belaste Rot-Grün die Wirtschaft.
    "Der Wirtschaftsminister hat die Lehren aus der Krise gezogen", lobte Thomas Eiskirch (SPD). Mit gezielten Impulsen bekämpfe der Haushalt Risiken für die konjunkturelle Entwicklung. Zudem bestehe trotz guter Konjunktur immer noch eine Produktionslücke.
    Die erneuerbaren Energien müssten zum ökologischen und wirtschaftlichen Zukunftsmotor werden, sagte Daniela Schneckenburger (Grüne). Dazu brauche das Land zusätzliche Fachkräfte. "Es geht darum, aus Umwelt und Wirtschaft ein Win-Win-Team zu machen."
    "Sorgen Sie dafür, dass die Landesregierung nicht noch weiter den Mittelstand malträtiert", forderte Dietmar Brockes (FDP) den Wirtschaftsminister auf. Das Vertrauen der Unternehmen in die Landespolitik sei erschüttert, neue rotgrüne Akzente fehlten.
    "Nordrhein-Westfalen verliert den Anschluss an die Wachstumsdynamik in Deutschland", befürchtete Michael Aggelidis (Linke). Das Land müsse stärker in die regionale Wirtschaftsstruktur investieren. Stattdessen konsolidiere Rot- Grün den Haushalt.
    Zwar gehe es der NRW-Wirtschaft gut. Doch "die Risiken für die konjunkturelle Entwicklung bleiben unverändert hoch", betonte Wirtschaftsminister Harry Kurt Voigtsberger (SPD). Wichtig seien staatliche Wachstumsimpulse, wie sie der Haushalt vorsehe.

    Energie

    "Klimaschutz ist wichtig, aber Klimaschutz steht nicht über allem", betonte Lutz Lienenkämper (CDU). Der Regierungsentwurf zum Klimaschutzgesetz gefährde den Industrie- und Energiestandort NRW.
    NRW müsse zeigen, dass Ökologie und Industriegesellschaft keine Gegensätze seien, erklärte Dietmar Bell (SPD). Mit dem rot-grünen Konzept werde man wieder eine Vorreiterrolle bei den erneuerbaren Energien übernehmen.
    "Die erneuerbaren Energien liefern die Lösungen für die Energieversorgung der Zukunft", meinte Wibke Brems (Grüne). Wirtschaftskraft und Jobs seien nur sicher, wenn das Land jetzt in den Klimaschutz investiere.
    Das Umweltressort bestimme die Energiepolitik in NRW, beanstandete Dietmar Brockes (FDP). Die Regierung müsse endlich erklären, wie sie den Umstieg auf mehr erneuerbare Energien finanzieren wolle.
    "Der sofortige Ausstieg ist möglich", sagte Michael Aggelidis (Linke). Zwar könne das Aus für Atomund Kohlestrom kurzfristig Wachstum kosten und Energiepreise anheizen, dies sei jedoch lösbar.
    Netze ausbauen und Akzeptanz hierfür schaffen: "Es geht darum, die Strukturen auf dem schnellstmöglichen Weg hin zu erneuerbaren Energien umzustellen", so Wirtschaftsminister Harry Kurt Voigtsberger (SPD).

    Städtebau und Wohnen

    Der Einzelplan dokumentiere die Fehlerhaftigkeit der rot-grünen Politik, sagte Bernhard Schemmer (CDU). Er bemängelte unter anderem die gekürzte Wohnraumförderung.
    Die hohe Eigenheimförderung unter Rüttgers sei unverantwortbar gewesen, entgegnete Jochen Ott (SPD). "Sie haben damit dem sozialen Wohnungsbau in diesem Land einen Bärendienst erwiesen."
    "Unser Interesse ist es, für die Zukunft Vorsorge zu treffen", erklärte Daniela Schneckenburger (Grüne). Beispiele seien Investitionen in barrierefreien und günstigen Wohnraum.
    Christof Rasche (FDP) lobte die neue Enquetekommission, kritisierte aber die Koalition, da diese die Wohnraumförderung plündere und ein Feindbild "Private Investoren" aufbaue.
    NRW brauche eine starke Wohnraumförderung, meinte Özlem Alev Demirel (Linke). Anderenfalls befürchte sie erheblich steigende Mieten und einen verschärften Investitionsstau.
    Der Einzelplan setze wichtige Impulse für Land, Kommunen und Menschen, sagte Bauminister Harry Kurt Voigtsberger (SPD). Auch die Wohnraumförderung sei bedarfs- und nachfragegerecht.

    Verkehr

    "Sie können es nicht", warf Olaf Lehne (CDU) der Landesregierung vor. Sie reduziere die Mittel für den Straßenneubau, und auch die zusätzlichen Sanierungsgelder seien zu gering.
    Es sei dringend notwendig, gemeinsam den "Mobilitätsinfarkt" zu stoppen, so Jochen Ott (SPD). Rot-Grün investiere dazu in Straßenerhalt statt Neubau und in ein Sozialticket im ÖPNV.
    Die CDU setze lediglich auf Autos und Straßen, kritisierte Arndt Klocke (Grüne). Rot-Grün wolle den Menschen stärker ermöglichen, auf Alternativen wie Rad und Bahn umzusteigen.
    Ob Schiene, Luft oder Wasser: Bei allen Verkehrsträgern sei unter Rot-Grün bisher nicht viel passiert, urteilte Christof Rasche (FDP). Beim Straßenneubau würden gar Mittel reduziert.
    Zu einer sozialen Verkehrspolitik gehöre bezahlbare Mobilität für alle, betonte Bärbel Beuermann (Linke). Allerdings sei das rot-grüne Sozialticket eine Flickschusterei.
    So viele Menschen wie möglich müssten mobil sein können, sagte Verkehrsminister Harry Kurt Voigtsberger (SPD). Rot-Grün investiere deshalb verstärkt in den ÖPNV, Radwege und den Straßenerhalt.

    Familie, Kinder und Jugend

    "Schuldenmachen geht generationenpolitisch völlig am Ziel vorbei", betonte Ursula Doppmeier (CDU). Bei der Kindertagesbetreuung opfere die Landesregierung zudem mögliche Qualitätsverbesserungen einem beitragsfreien dritten Kindergartenjahr.
    Dagegen bewertete Wolfgang Jörg (SPD) den Etat als großartigen Aufschlag für einen Paradigmenwechsel hin zu einer vorausschauenden Politik. Der demographische Wandel lasse keine Zeit: Man müsse sowohl in Qualität als auch in die Beitragsfreiheit investieren.
    Auch Andrea Asch (Grüne) sah in dem Teilbereich des Haushalts einen Quantensprung in der Familien-, Kinder- und Jugendpolitik. Familien würden mehr unterstützt und entlastet, die Kleinkindbetreuung verbessert und ausgebaut, die Jugendarbeit gestärkt.
    Marcel Hafke (FDP) vermisste angesichts knapper Kassen eine vernünftige Prioritätensetzung. Bei der Kinderbetreuung sprach er sich dafür aus, anstelle in die noch unzureichend präzisierte Beitragsfreiheit lieber in Qualität zu investieren.
    Dr. Carolin Butterwegge (Linke) begrüßte richtige Ansätze, erwartete aber deutliche Nachbesserungen. Rot-Grün drohe am selbstgesteckten Ziel einer qualitativ hochwertigen Kindertagesbetreuung zu scheitern, sagte sie und forderte eine Investitionsoffensive.
    Viel Hysterie in der Debatte erkannte Familienministerin Ute Schäfer (SPD). Sie beklagte eine dramatisch hohe Kinderarmutsrate in NRW. Deshalb wolle man einen radikal anderen Weg einschlagen und die Zukunft der Kinder und Familien nicht kaputtsparen.

    Kultur

    "Wo bleibt hier die Kultur?", fragte Monika Brunert-Jetter (CDU) mit Blick auf den Haushaltsentwurf. De facto werde der Kulturhaushalt um 2,3 Millionen Euro gekürzt.
    "Die Landesregierung steht für Verlässlichkeit in der Finanzierung der Kultur", sagte dagegen Andreas Bialas (SPD). So viel Geld für Kultur habe es noch nie gegeben.
    In NRW gebe es ein breites Kulturangebot, die Menschen seien kulturell aktiv, so Oliver Keymis (Grüne). Die Politik sorge für entsprechende Rahmenbedingungen.
    Angela Freimuth (FDP) forderte, Gelder für konkrete Maßnahmen zur kulturellen Bildung auszugeben, jedoch nicht allgemeine Mittel in den Haushalt einzustellen.
    "Kürzungen gibt es de facto nicht", meinte Ralf Michalowsky (Linke). "Aber kann es das Ziel der Kulturpolitik sein, sich mit einer Mangelverwaltung zufriedenzugeben?"
    Kunst und Kultur würden der Gesellschaft enorme Impulse geben, so Kulturministerin Ute Schäfer (SPD). Daher solle die Kulturförderung in allen Sparten erhalten bleiben.

    Sport

    "Dieser Sporthaushalt ist ein Dokument des Stillstands", so Holger Müller (CDU). Der Entwurf enthalte große Worte, doch die Regierung sei "nicht vom Fleck gekommen".
    In diesem Haushalt, so erklärte Wolfgang Roth (SPD), materialisiere sich, was die Landesregierung im "Pakt für den Sport" mit den Sportorganisationen erarbeitet habe.
    "Rot-Grün zeigt, dass es möglich ist, auch ohne große Erhöhungen im Sportetat ein verlässlicher Partner des Sports zu sein", lautete Josefine Pauls (Grüne) Fazit.
    Dr. Ingo Wolf (FDP) kritisierte unter anderem die Absenkung der Mittel für den Neu- und Ausbau von überregional bedeutsamen Sportstätten um 1,9 Millionen Euro.
    Ralf Michalowsky (Linke) fragte sich, "ob der Anteil des Landes und der Stadt Dortmund am entstehenden DFB-Museum tatsächlich so hoch sein muss".
    Es sei "sehr wichtig, die Sportförderung auf einem hohen Niveau abzusichern", betonte Sportministerin Ute Schäfer. Dies sei der Regierung gelungen.

    Arbeit und berufliche Weiterbildung

    Die Landesregierung stelle sich nicht den Anforderungen des Arbeitsmarktes, dem Fachkräftemangel einerseits und der steigenden Zahl von Geringqualifizierten andererseits, meinte Peter Preuß (CDU).
    Bei der regionalisierten Arbeitsmarktpolitik wie auch beim sozialen Arbeitsmarkt habe die neue Landesregierung Kürzungen zurückgenommen und neue Akzente gesetzt, betonte Rainer Bischoff (SPD).
    Die neue Handschrift sei, zum Beispiel Arbeitslosen, alleinerziehenden Frauen, Migranten, Flüchtlingen und Behinderten den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen, so Martina Maaßen (Grüne).
    Die Landesregierung orientiere sich an der Vergangenheit, der Ruf nach dem "Normalarbeitsverhältnis" verkenne die Wirklichkeit. Wichtig seien differenziertere Ansätze, meinte Marcel Hafke (FDP).
    Die Rückkehr zur Zeit vor der schwarzgelben Regierung könne er nur begrüßen, lobte Wolfgang Zimmermann (Linke): "Wir wollen Arbeit wieder aufwerten." Die Ein-Euro-Jobs müssten abgeschafft werden.
    Die Arbeitsmarktpolitik in NRW sei in guten Händen, so Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD). Er kritisierte dagegen die Kürzung von 1,3 Milliarden Euro in der Arbeitsförderung durch die Bundesregierung.

    Integration

    "Der Integrationsbereich wird mehr oder minder nebenbei verwaltet", bedauerte Michael Solf (CDU). Der Bereich sei unter Rot-Grün "ein Anhängsel von Arbeit und Soziales".
    "Wir sind mit dem Haushaltsansatz auf einem guten Weg", sagte Bernhard von Grünberg (SPD). Das politisch bislang Erreichte könne gehalten und ausgebaut werden.
    "Integration kann man nicht für Geld kaufen", betonte Arif Ünal (Grüne). "Es geht um das Gefühl dazuzugehören." Daher handele es sich um einen relativ kleinen Etat von rund 18 Millionen Euro.
    Marcel Hafke (FDP) bemängelte, dass die Regierung Mittel für einen neuen Bürgerservice einplane. "Warum investieren Sie diese Mittel nicht in schon etablierte Institutionen?"
    "Integration ist nicht zum Nulltarif zu haben", erklärte Ali Atalan (Linke). Das Land müsse investieren und könne "nicht einfach auf Zuständigkeit des Bundes verweisen".
    Integrationsminister Guntram Schneider (SPD) erklärte, der Entwurf verspreche, Anfang 2012 ein Teilhabe- und Integrationsgesetz in Kraft setzen zu können.

    Soziales

    Im Sozialhaushalt habe Rot-Grün keine nennenswerten Akzente gesetzt, nicht einmal eigene Zielvorstellungen umsetzen können, urteilte Norbert Post (CDU). Vieles Übrige bleibe zu vage.
    Zentrale Vorhaben im Sozialbereich seien die - möglichst gemeinsame - Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und eine Grundsicherung für Kinder, so Michael Scheffler (SPD).
    Andrea Asch (Grüne) forderte echte Inklusion: Das bedeute, dass alle dazugehörten. Bei der Armutsbekämpfung würden künftig mehr Kinder berücksichtigt, erklärte sie.
    Beim Thema Kinderarmut erhoffte sich Marcel Hafke (FDP) den Verzicht auf parteipolitische Reflexe. Auf den angekündigten Inklusionsplan könne man gespannt sein.
    "Ihr Sozialetat ist eine Atempause gegen den rasanten Sozialabbau" der letzten Jahre, meinte Dr. Carolin Butterwegge (Linke). Sie vermisste aber mehr Einsatz gegen Armut.
    Die Bekämpfung der Kinderarmut erfordere komplexe Maßnahmen, erklärte Sozialminister Guntram Schneider (SPD). Zudem wolle man die Behindertenpolitik in die Inklusion überführen.

    Gesundheit, Pflege und Alter

    Hubert Kleff (CDU) beklagte vor allem Versäumnisse in der Gesundheits- und Generationenpolitik und nannte dazu die Themen Krankenhausrahmenplan, Nichtraucherschutz, Organspende und demographische Entwicklung.
    Zwar könne man nicht ruckartig das Ruder herumreißen, aber einen Politikwechsel beginnen, sagte Angela Lück (SPD). So stünden der Ärztemangel auf dem Land und eine Stärkung der Pflege auf dem Programm.
    Arif Ünal (Grüne) ergänzte dies um die Ziele einer ortsnahen Versorgung, der Vorbeugung und Suchthilfe, eines geschlechtersensiblen Gesundheitswesens und neuer Wohn- und Pflegeformen.
    Marcel Hafke (FDP) bemängelte "ideologische Aktivitäten" und Ausgaben etwa gegen den Ärztemangel im ländlichen Raum sowie für Modellprojekte zur besseren Patientenorientierung im Krankenhaus.
    Es handele sich um eine Fortsetzung der alten Politik, allerdings mit leichtem sozialen Anstrich, urteilte Wolfgang Zimmermann (Linke). Er forderte unter anderem eine bedarfsbezogene Krankenhauspolitik.
    "Wir sind viel weiter, als Sie meinen", antwortete Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) CDU und FDP. Das Wohn- und Teilhabegesetz etwa behindere neue Wohnformen, weswegen es überarbeitet werde.

    Emanzipation

    Andrea Milz (CDU) fand im Haushaltsentwurf einen "Beweis dafür, wie man Wahlgeschenke auf Pump und auf Kosten der nachwachsenden Generationen finanzieren will".
    Dagegen erklärte Gerda Kieninger (SPD), der Entwurf sei ein guter Haushalt für die Geschlechtergerechtigkeit in NRW und stelle die Weichen wieder in die richtige Richtung.
    Auch Verena Schäffer (Grüne) lobte den "Schritt in Richtung zukunftsweisender Gleichstellungspolitik", etwa mit Blick auf die finanzierten Kompetenzzentren "Frau und Beruf".
    Angela Freimuth (FDP) fand, die politischen Ansätze im Haushalt seien überholt. Es gebe zahlreiche eigene Initiativen von Unternehmen zur Stärkung der Frauen im Beruf.
    Nicht zufrieden zeigte sich Hamide Akbayir (Linke). Es fehle nach wie vor an Geld und Personal, um nötige Maßnahmen den Anforderungen entsprechend zu organisieren.
    Emanzipationsministerin Barbara Steffens (Grüne) erklärte, Rot-Grün habe Wort gehalten und die zuvor von der CDU/FDP-Regierung gekürzten Mittel wieder in den Haushalt eingestellt.

    Allgemeine Finanzverwaltung

    Die CDU stimme der Einstellung von mehr Betriebsprüfern zu, verlange aber, dass diese durch Einsparungen gegenfinanziert werde, meinte Bernd Krückel (CDU). Die Landesregierung müsse endlich anfangen, mit Augenmaß zu sparen, um so einen verfassungsmäßigen Haushalt vorzulegen.
    Mit Blick auf Wirtschaftswachstum, Beschäftigungsstand und Preisniveaustabilität müsse man für NRW noch eine "Abweichung von der Normlage" feststellen, so Martin Börschel (SPD). Die Eignung der geplanten Investitionen, insbesondere im Bildungsbereich, sei nachgewiesen worden.
    Die kommunale Familie sei mit 2 bis 2,5 Milliarden Euro jährlich unterfinanziert, ergänzte Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) die Äußerungen seines Vorredners. Auch diese Situation trage zur Störungslage bei und müsse daher durch entsprechende Hilfen des Landes beseitigt werden.
    Durch die Abschaffung der Studiengebühren oder das beitragsfreie letzte Kindergartenjahr werde die Haushaltslage bewusst verschlechtert, kritisierte Angela Freimuth (FDP). Beim Wasserentnahmeentgelt oder der Grunderwerbssteuer belaste man dagegen die Bürgerinnen und Bürger.
    Die massiven Korrekturen am Haushalt sowie die globale Minderausgabe von über 500 Millionen Euro seien fragwürdig und parlamentarisch inakzeptabel, so Rüdiger Sagel (Linke). Nachgebessert werden müsse vor allem in den Bereichen Bildung und Soziales sowie auf der Einnahmeseite.
    Die Landesregierung habe bei den Ausgaben sparen können, ohne dass die "entscheidenden Punkte des Politikwechsels" geändert worden seien, betonte Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans (SPD). Die heute stark sprudelnden Steuerquellen seien aber kein Beweis für stetiges Wachstum.

    Zusatzinformation:
    Die beratenen Einzelpläne haben mit den Stimmen von SPD und Grünen jeweils die Zustimmung einer Landtagsmehrheit gefunden. CDU und FDP stimmten dagegen, die Linksfraktion nahm an allen Abstimmungen nicht teil. Nach nochmaliger Beratung im Haushalts- und Finanzausschuss folgt die dritte Lesung im Plenum.

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt

    ID: LI110622

  • Der Haushalt steht.
    Generaldebatte begleitet finale Etatberatungen.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 6 - 19.05.2011

    18. Mai 2011 - Es ist soweit: Der Landeshaushalt für das laufende Jahr 2011 ist beschlossene Sache. In diesem Jahr will die rot-grüne Regierung rund 55,3 Milliarden Euro ausgeben, davon rund 4,8 Milliarden Euro über neue Schulden finanzieren (siehe Seite 4). Das ist den Fraktionen von CDU und FDP zu viel, denn die Schulden übersteigen die Investitionen, was laut Landesverfassung nur bei einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zulässig ist. Die CDU hat deswegen angekündigt, gegen den Haushalt 2011 Klage einzureichen. SPD und Grüne verteidigen den Etat und die Politik der Koalition, die Linke fordert höhere Ausgaben, ermöglicht der Minderheitsregierung aber schließlich eine Mehrheit für den Haushalt.
    Die Regierung sei mit ihrer präventiven Haushaltspolitik krachend vor dem Verfassungsgerichtshof gescheitert, stellte der CDU-Fraktionsvorsitzende Karl-Josef Laumann fest. Neue Schulden auf dem Rücken der Kinder, diese Politik sei nicht nur unvernünftig: "Wir halten sie auch nicht für verantwortlich", betonte Laumann. In ganz Europa teile kein Land die Auffassung von Rot-Grün - bis auf früher einmal Griechenland. Die CDU werde erneut klagen. Gleichzeitig forderte Laumann, die vom Bund beschlossene Schuldenbremse auch in der NRW-Verfassung zu verankern, "damit wir uns alle dem Ziel einer nachhaltigen Haushaltspolitik für die zukünftigen Generationen verpflichtet fühlen". Darüber hinaus sprach er sich für einen Schulfrieden aus, stellte aber die Gemeinschaftsschule als zweite integrative Form neben der Gesamtschule in Frage. Kritik übte Laumann zudem an Krafts Personal. Ein schwacher Finanzminister, ein quasi abgeschafftes Wirtschaftsressort, der Atomkugel-Fall im Wissenschaftsministerium und die Spendenaffäre des Innenministers: "Sie haben einen verdammt hohen Preis bei der Auswahl Ihres Personals für die Minderheitsregierung bezahlt." Auch der Umgang mit den Kommunen lasse zu wünschen übrig: Fairness und Mitsprache habe Kraft versprochen. Wer das geglaubt habe, sei heute bitter enttäuscht.
    "Keine Alternative, keine inhaltliche Perspektive. Das war ein Armutszeugnis, Herr Laumann", meinte der Fraktionsvorsitzende Norbert Römer (SPD) zu seinem Vorredner. Schwarz-Gelb im Landtag sei das Gegenteil von "Schwarz-Gelb" in Fußball-Dortmund, nämlich "alles andere als meisterlich". Dagegen habe die rot-grüne Regierung den Mut, die Aufgaben der Zukunft anzupacken. "Diese Regierung wird weiterhin solide, stabil und zuverlässig ihre Arbeit machen", sagte Römer. Er erklärte, "Aufstieg durch Bildung" werde zum Markenkern der Regierung werden. Es komme darauf an, Barrieren für Bildungsgerechtigkeit aus dem Weg zu räumen, und zwar von der Kita bis zur Universität. Mit dem Haushaltsentwurf werde deutlich: "Wir setzen auf Vorsorge als umfassenden Politikansatz." Es sei Anspruch der Landesregierung, jetzt Geld in die Hand zu nehmen, um zukünftig Geld zu sparen. In diesem Sinne sei es notwendig, die Kommunen mit Unterstützung des Bundes wieder finanziell auf eigene Beine zu stellen. Als weiteres Politikfeld nannte Römer die Industrie- und Energiepolitik. Ökologische Herausforderungen und industriepolitische Erfordernisse seien nicht gegensätzlich, sondern würden von Rot-Grün gleichermaßen ernst genommen. 308 Tage sei die Landesregierung nun im Amt. "Und es werden viele mehr werden", so der Sozialdemokrat.
    "Wir machen die Arbeit gerne weiter", sagte auch Reiner Priggen, Grünen-Fraktionsvorsitzender. Er zog ebenfalls eine positive Bilanz zur Arbeit der rot-grünen Koalition. Sie habe dem "ideologischen Popanz ‚Privat vor Staat‘" ein Ende gesetzt, Schluss gemacht mit der Kommunalfeindlichkeit und mit der Mitbestimmungsfeindlichkeit der FDP in der Vorgängerregierung. "Wir begrüßen modernste Kraftwerke", verwies der Grüne zudem auf mindestens 13 Kohle- und Gaskraftwerksblöcke, die Rot-Grün unterstütze, um den Übergang zu mehr erneuerbaren Energien zu gestalten. Die Schulpolitik zeichne sich durch mehr Entscheidungsspielraum für die Kommunen aus, solange Abschlüsse vergleichbar blieben. Gleichzeitig strebe die Landesregierung einen Schulfrieden mit den anderen Landtagsfraktionen und Akteuren der Schulpolitik an. Priggen freute sich über entsprechende Gesprächsangebote der CDU und lobte auch deren Paradigmenwechsel bei den Kommunalfinanzen, vermisste ansonsten aber eine gradlinige Oppositionsstrategie der Fraktion. Die FDP habe ein Jahr lang keinen substanziellen Beitrag geleistet, wohingegen die oppositionellen Linken ein Stück weit ihre Gestaltungsmöglichkeiten nutzten. Als nächstes wolle man mehr Demokratie ermöglichen, kündigte Priggen Vorhaben der näheren Zukunft an. "Arbeit gibt es genug."
    "Ihnen fehlt die Kraft, Sparmaßnahmen auf den Weg zu bringen", attackierte der FDP-Fraktionsvorsitzende Dr. Gerhard Papke die rot-grüne Landesregierung. Sie habe die Aufnahme neuer Schulden zur Staatsphilosophie erhoben. Dies sei weder zukunftsorientiert noch sozial gerecht. So bedeute die Ersetzung von Studiengebühren durch Haushaltsmittel, dass die Arzthelferin die Ausbildung des Chefarztes bezahle. Auch das beitragsfreie Kindergartenjahr "auf Pump" gehe letztendlich zu Lasten der Kinder selbst. Die Linkspartei habe als "Wackeldackel" keine eigene Haltung und verhelfe der "heimlichen rot-rot-grünen Koalition" stets zur Mehrheit. Den Grünen warf der FDP-Sprecher eine industriefeindliche Politik vor, wie der gerichtsanhängige Kraftwerksneubau in Datteln zeige. Nach dem von ihnen initiierten kommenden Klimaschutzgesetz werde in NRW keine nennenswerte Industrieansiedlung mehr möglich sein, befürchtete der FDP-Sprecher. Wirtschaftsminister Voigtsberger jedenfalls setze dem nichts entgegen. Er sei ebenso eine Fehlbesetzung wie Wissenschaftsministerin Schulze, die das Parlament belogen habe, und Innenminister Jäger, der nicht den Mut zur Aufklärung der Tragödie bei der Loveparade habe. Gesprächsbereit zeigte sich Papke mit Blick auf die Schulpolitik, sofern es sich um eine "Qualitätsdebatte" handele.
    Rot-Grün sei mit dem Haushalt als Tiger gesprungen, aber als Bettvorleger gelandet, konstatierte Linken-Fraktionschef Wolfgang Zimmermann. Die Koalition habe die geplante Neuverschuldung ohne Not auf 4,8 Milliarden Euro reduziert. "Wir teilen die Ansicht der Landesregierung, dass das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gestört ist", betonte er. Deshalb wäre es eigentlich richtig gewesen, mehr zu investieren, anstatt den Schuldenansatz von gut 7 Milliarden Euro zu kürzen, argumentierte Zimmermann. "Diese 3 Milliarden fehlen nun in diesem Land." Der Finanzminister habe es versäumt, mit dem unerwarteten Steuerplus die Konjunktur zu stützen. Zimmermann bezeichnete den Haushalt daher als Enttäuschung. Zwar verzichte dieser auf Privatisierung und Sozialabbau. Doch: "Statt konsequenter präventiver Sozialpolitik erleben wir ein Einknicken vor den abgewählten neoliberalen Parteien CDU und FDP", kritisierte Zimmermann. Es bleibe skandalös, dass die Regierung die wegfallenden Studiengebühren nicht entsprechend kompensiere, so einer seiner Kritikpunkte. Gleichzeitig forderte er, die Schuldenbremse gehöre auf den "Müllhaufen der Geschichte". Sie verhindere ein soziales Zukunftsinvestitionsprogramm. "Leiten Sie den überfälligen Politikwechsel ein", forderte der Linke die Ministerpräsidentin auf.
    "Wenn wir diesen Haushalt verabschieden, schaffen wir damit die finanzielle Basis für eine gute Zukunft unseres Landes NRW", sagte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Es sei richtig und wichtig, in Kinder und Bildung zu investieren, um dem Fachkräftemangel vorzubeugen. Kein Kind dürfe zurückgelassen werden, verwies Kraft auf geplante bildungspolitische Reformen. Es gelte außerdem der Grundsatz "Stadt und Land: Hand in Hand", denn die Regierung nehme die Sorgen und Nöte der Kommunen ernst. Die Kritik der Opposition an der Gemeindefinanzierung nannte Kraft "verlogen", da Rot-Grün in diesem Bereich von der Vorgängerregierung versäumte, statistische Anpassungen vornehmen müsse. Die Regierungschefin erklärte, NRW zu einem "Land der guten Arbeit" machen zu wollen. Sie sprach sich für flächendeckenden Mindestlohn und mehr Mitbestimmung sowie gegen Dumping-Löhne und befristete Arbeitsverträge aus. Die Regierung habe zudem als Ziel vor Augen, dass NRW Industrieland bleiben müsse. Mit einem Klimaschutzgesetz wolle sie zugleich deutlich machen, dass dieser als Fortschrittmotor zu verstehen sei. Die Ministerpräsidentin betonte, mit einer Politik der Vorbeugung die Schulden Nordrhein-Westfalens nachhaltig zurückführen zu wollen. Diesen Weg werde die Regierung konsequent weiter beschreiten.
    cw/sow/bra/sw

    Zusatzinformation:
    Der Haushalt 2011 hat mit den Stimmen von SPD und Grünen eine knappe Mehrheit gegen die Stimmen von CDU und FDP gefunden, weil die Linksfraktion sich enthalten hat. Auch das Gemeindefinanzierungsgesetz 2011 wurde mit demselben Abstimmungsergebnis beschlossen.

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt

    ID: LI110608

  • Fukushima verändert.
    Fraktionen positionieren sich zur Zukunft der Energieversorgung.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 7 in Ausgabe 5 - 13.04.2011

    30. März 2011 - Der Landtag hat sich auf Antrag von SPD und Grünen mit der Zukunft der Atomkraft befasst. Unter dem Eindruck der Situation in Fukushima, aber auch der Wahlergebnisse aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, haben die Fraktionen im Rahmen einer Aktuellen Stunde ihre Standpunkte und verschiedene Wege für die Zukunft der Energieversorgung aufgezeigt. Klar ist für alle: Fukushima hat etwas verändert.
    Der SPD-Fraktionsvorsitzende Norbert Römer erinnerte an die Bedeutung, die die Bundesregierung ihrem Energiekonzept vom letzten Herbst beigemessen habe. CDU und FDP hätten ihr Konzept mitsamt der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke hoch gehangen und seien nun entsprechend tief gefallen. Fukushima markiere das Ende der Laufzeitverlängerung, meinte der SPD-Sprecher. SPD und Grüne träten im Industrieland NRW den Beweis an, dass eine sichere Energieversorgung auch mit umweltfreundlicher Energie möglich sei, eröffnete er und lud die Energiekonzerne dazu ein, sich mit auf diesen Weg zu begeben. Von CDU und FDP erwartete er ebenfalls klare Richtungsaussagen.
    Auch Reiner Priggen, Vorsitzender der Grünen-Fraktion, bezeichnete die Ereignisse in Fukushima als Zäsur, an der niemand mehr vorbeikomme. Kritik übte er an einer rechtlich unsicheren Basis des Moratoriums, das die Bundesregierung nun verhängt habe. Klare, verlässliche Parameter für erneuerbare Energien seien notwendig, damit die Energiewirtschaft wisse, wie es nun weitergehe. Dies gelte auch für die Kraft-Wärme-Kopplung, die eine große Chance in Ballungsräumen sei. Die größten Potenziale und daher auch den größten Handlungsbedarf sah er bei der Energieeinsparung und bei der Energieeffizienz. Priggen forderte die CDU auf, sich dazu klar zu positionieren.
    Josef Hovenjürgen (CDU) reklamierte für die Politik das Recht, getroffene Entscheidungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Ein "Weiter so" könne es nicht geben. Er verwies zudem auf einen notwendigen europäischen Dialog, damit alle Reaktoren in der Umgebung berücksichtigt würden. Ebenso müsse man sich der Notwendigkeit eines Endlagers für Atommüll stellen, einen Ort dafür finden und ihn verantworten. Für einen möglichst emotionsfreien Übergang von der Atom- hin zur erneuerbaren Energie brachte er heimische Energieträger ins Spiel. Sein Fraktionskollege Hendrik Wüst zeigte sich bereit, "auch über unsere Position zum Windkrafterlass noch einmal zu diskutieren".
    Auf die Herausforderung, sicheren, sauberen und bezahlbaren Strom bereitzustellen, wies Dietmar Brockes (FDP) hin und vermisste dazu einen Beitrag der Landesregierung. Diese plädiere bisher nur für den Ausbau der Windkraft, die Grünen wollten am liebsten alle Kohlekraftwerke abschalten. Dann bleibe aber nur noch teures Gas aus Russland. Die Deutschen seien allerdings vor allem gegen höhere Strompreise. Kernkraft müsse gegen alle Eventualitäten sicher sein, erklärte der FDP-Sprecher. Ein schneller Ausstieg werde zu steigenden Strompreisen führen, einen Ausbau der Stromnetze erfordern und Kohlekraftwerke wieder attraktiver machen, prognostizierte er.
    Bärbel Beuermann (Linke) kritisierte den Grund für die Aktuelle Stunde. Es gelte nicht, "Lehren aus den Landtagswahlen" zu ziehen, sondern aus dem Atomunglück in Japan. Für ihre Fraktion forderte sie den sofortigen Ausstieg aus der Kernkraft, auch aus Forschung und Export. Da ein solcher Unfall wie in Fukushima offenbar nicht verhindert werden könne und es zudem kein Endlager für Atommüll gebe, stehe außer Frage, dass die Technologie unverantwortlich sei. Bezeichnungen wie "Restrisiko" oder "äußerst unwahrscheinlich" verschleierten die Realität. Nun sei es an der Zeit für eine radikale ökologische und soziale Wende, erklärte die Linken-Fraktionsvorsitzende.
    Es habe zur Atomenergie einen Volksentscheid auf der Straße und an den Wahlurnen gegeben, deutete Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) die Ereignisse des vorangegangenen Wochenendes. Auch er befürchtete wegen eines, wie er fand, rechtsunsicheren Moratoriums Schadenersatzansprüche in Millionenhöhe seitens der Energiekonzerne. Dabei sei es für die Rettung der Banken möglich gewesen, binnen einer Woche eine sichere Rechtsgrundlage zustande zu bringen, rief er in Erinnerung. Konkret fragte er CDU und FDP, wie sie zu Koalitionsplänen bezüglich Kraft-Wärme-Kopplung, Fernwärme, Geothermie oder Gebäudesanierung stünden. Über Antworten würde er sich freuen, erklärte der Minister.
    sow

    Systematik: 2120 Kernenergie; 2130 Alternative Energien; 2100 Energie

    ID: LI110503

  • Datteln und das neue Denken.
    Kohle, Gas, Sonne oder Wind: Was folgt aufs Atom?
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 8 in Ausgabe 5 - 13.04.2011

    30. März 2011 - Eigentlich ging es um eine schnelle Fertigstellung des neuen Blocks 4 des Kohlekraftwerks Datteln (Drs. 15/1547). Denn dieser, so die antragstellende CDU, sei allemal effizienter und sauberer als Altanlagen der "kalten Reserve". Für rechtlich schwierig hielten dies SPD und Grüne und verwiesen auf den geltenden Baustopp. Vor dem Hintergrund eines Ausstiegs aus der Kernenergie geriet die Debatte dann zur Generalaussprache darüber, ob man jetzt erst einmal in effizientere Kohlekraftwerke oder doch direkt in alternative Energiestrukturen investieren sollte.
    Bei einem Ausstieg aus der Kernenergie müssten die entstehenden Stromlücken geschlossen werden, meinte Hendrik Wüst (CDU), und "spätestens da hört das Wunschkonzert auf". Immerhin sei Kernenergie unbestritten die CO2-emissionsärmste konventionelle Form der Stromerzeugung. Bereits durch das dreimonatige Moratorium werde so viel CO2 zusätzlich ausgestoßen wie im ganzen Jahr durch erneuerbare Energien eingespart werden könne. Es fehlten effiziente neue Kohlekraftwerke, so Wüst. Man müsse daher "neu denken". Das betreffe die Windkraft, aber eben auch das geplante Steinkohlekraftwerk Datteln, den Ausbau der Energienetze oder Pumpspeicherkraftwerke.
    Es gehe nicht darum, ob man Datteln wolle oder nicht, entgegnete Thomas Eiskirch (SPD). Es gehe darum, dass die alte Landesregierung das entsprechende Planungsverfahren "versaubeutelt" habe, wie es ein Gerichtsurteil des Oberverwaltungsgerichts bestätige. "Wenn es nicht klappen kann, liegt das bei Ihnen, nicht bei uns", betonte der SPD-Sprecher seine grundsätzliche Zustimmung zum Kraftwerksneubau. Ebenso befürworte er neue Übertragungskapazitäten und Pumpspeicherkraftwerke. Eiskirch kündigte an, das geplante neue Klimaschutzgesetz werde ein "richtiges Industrieunterstützungsgesetz" für Nordrhein-Westfalen, um die Chancen des Wandels zu nutzen.
    In NRW könnten neue Kohlekraftwerke ohne Probleme errichtet werden, verwies Wibke Brems (Grüne) auf entsprechende Baustellen in Hamm, Duisburg, Lünen und Neurath. Die Stromversorgung hänge nicht an "Datteln" und generell nicht an "trägen" Kohlekraftwerken. Notwendig seien jetzt Lösungen basierend auf Gaskraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung, die schwankende Strommengen aus erneuerbaren Energien schnell ausgleichen könnten. Außerdem müssten "intelligente Netze" geschaffen werden, um den Netzausbau so gering wie möglich zu halten. Und schließlich komme es generell auf die Senkung des Energiebedarfs an, damit Ressourcen eingespart werden könnten.
    Durch die Ereignisse in Japan werde es schneller zu Veränderungen in Deutschland kommen müssen, stimmte Dietmar Brockes (FDP) zu. Daher passe auch seine Partei ihre Position an die neuen Gegebenheiten an. Gleiches müsse aber auch für die Düsseldorfer Regierungskoalition gelten, zum Beispiel mit Blick auf das Kraftwerk in Datteln. Der vorgesehene neue Block 4 könnte drei alte Blöcke ersetzen, damit den CO2- Ausstoß um 30 Prozent verringern und so einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten, argumentierte Brockes. Wenn man schneller aus der Kernenergie aussteigen wolle, so bedeute dies, dass Kohlekraftwerke wieder rentabler würden.
    "Man weint den Strahlenschleudern nach, obwohl die noch gar nicht weg sind, und will sie durch Dreckschleudern ersetzen", sagte Michael Aggelidis (Linke). Er empfand es als "zynisch", den Bau eines Kohlekraftwerks als aktiven Beitrag zum Klimaschutz darzustellen. Dazu passe es, seitens der CDU von der Regierung zu fordern, auf das geplante neue Klimaschutzgesetz zu verzichten. Alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Vollendung des Kohlekraftwerks Datteln 4 schnellstmöglich zu erreichen, das bedeute Rechtsbruch, bezog sich der Linke auf ein Gerichtsurteil zum Baustopp. Man könne sich darüber schließlich nicht einfach hinwegsetzen und trotzdem bauen.
    Man müsse den Umstieg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien schneller erreichen, forderte Umweltminister Johannes Remmel (Grüne). Bei der Windenergie etwa habe NRW aber gegenüber anderen Bundesländern fünf Jahre verloren. Gleiches gelte beim Netzausbau. Auch bei Pumpspeicherkraftwerken habe die alte schwarz-gelbe Landesregierung nichts geleistet. Um die bundespolitische Leitentscheidung umzusetzen, bis zum Jahr 2020 fast 40 Prozent erneuerbare Energie "im Netz zu haben", müsse man entsprechend investieren, meinte Remmel und verwies auf die Nah- und Fernwärmeschiene Rhein-Ruhr, basierend auf hocheffizienten Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung.
    cw

    Zusatzinformation:
    Der Antrag (Drs 15/1547) wurde einstimmig an den Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie - federführend - sowie an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz überwiesen.

    Systematik: 2110 Herkömmliche Energien; 2130 Alternative Energien

    ID: LI110510

  • Gefüllte Blasen.
    FDP fordert mehr Transparenz bei Erdgasbohrung im Münsterland.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 5 - 13.04.2011

    30. März 2011 - Wind, Sonne, Erdgas: Nach dem Reaktorunglück von Fukushima ist die Frage nach dem richtigen Energiemix wieder Topthema der politischen Debatte. Auf Eilantrag der FDP (Drs. 15/1635) hat der Landtag nun über die vom US-Ölkonzern Exxon geplanten Probebohrungen nach unkonventionellem Erdgas in münsterländischem Schiefergestein diskutiert. Die Menschen dort seien verunsichert und befürchteten Schäden für Grundwasser und Umwelt, falls der Konzern nach der Fracking-Methode Chemikalien mit großem Druck durchs Bohrloch in den Boden pumpe, betont die FDP. Sie fordert daher mehr Transparenz seitens der Landesregierung.
    "Die Informationspolitik der Behörden und auch dieser Landesregierung hat bisher nicht dazu geführt, Ängste und Sorgen dieser Menschen zu reduzieren", kritisierte Dr. Stefan Romberg (FDP). Noch im Februar habe der Wirtschaftsminister behauptet, NRW sei beim Fracking völlig unerfahren. Wenige Wochen später habe die Bezirksregierung nun bestätigt, dass es solche Bohrungen bereits von 1992 bis 1997 gegeben habe. "Hat der Wirtschaftsminister hier das Plenum bewusst getäuscht?", fragte Romberg. Auch habe die Regierung bereits aus Niedersachen bekannte Umweltschäden verschwiegen. "Wir wollen endlich vollständige Aufklärung von Ihnen."
    Rot-Grün nehme die Sorgen der betroffenen Menschen nicht ernst genug, kritisierte Hendrik Wüst (CDU). "Als Münsterländer muss man den Eindruck gewinnen, dass Ihnen das Thema noch immer am Allerwertesten vorbeigeht." Gleichzeitig gratulierte Wüst den Bürgerinitiativen, die mit ihren Protesten offenbar ein Moratorium erreicht hätten. Allerdings bleibe dieses inhaltlich bisher unklar, bemerkte er: "Irgendjemand sollte uns irgendwann einmal unterrichten, was das mit dem Moratorium eigentlich auf sich hat." Zudem wundere er sich, dass der Wirtschaftsminister angeblich weder von Fracking in NRW noch von Problemen in Niedersachsen gewusst habe.
    André Stinka (SPD) konnte den Vorwurf mangelnder Transparenz nicht nachvollziehen. "In dem Verfahren hat ein Expertengespräch stattgefunden, wasserrechtliche Genehmigungen sind eingezogen worden", erklärte er. Auch hätten die Bezirksregierung Arnsberg und die Landesregierung die Öffentlichkeit und das Parlament informiert. "Sie sollten die Vorlagen lesen, die im Wirtschaftsausschuss niedergelegt werden", empfahl er seinen Vorrednern. Die beiden Abgeordneten hätten auch jüngst nicht an einem Fachgespräch der Bezirksregierung teilgenommen, bemerkte der SPD-Sprecher. Viele der angesprochenen Dinge seien dort Thema gewesen.
    Die Regierung werde ihrer Verantwortung gegenüber den Betroffenen gerecht, verteidigte Wibke Brems (Grüne) die Koalition und kündigte ein aufklärendes Gutachten zu wichtigen Fragen rund um unkonventionelles Erdgas an. Problematisch sei allerdings die mangelnde Transparenz des Exxon-Konzerns. In Niedersachsen habe er die Menschen nicht über den Giftunfall aufgeklärt, kritisierte Brems. "Wenn Fragen zu unkonventionellem Erdgas an Exxon gestellt werden, antwortet das Unternehmen ausweichend." Das mache es auch der Regierung nicht gerade leicht. Als oberstes Ziel formulierte Brems, Trinkwasser frei von giftigen Chemikalien zu halten.
    "Sie sollten sich hier endlich konsequent verhalten und klipp und klar sagen: Dieses unkonventionelle Erdgas wollen wir nicht", forderte Rüdiger Sagel (Linke) die anderen Fraktionen auf.
    Im dichtbesiedelten Nordrhein-Westfalen nach Erdgas zu bohren, sei völlig falsch. Niemand könne ausschließen, dass es zu Problemen komme. In den USA seien die Risiken längst eingetreten. "Der Konzern Exxon ist als Verursacher gewaltiger Umweltauswirkungen bekannt", sagte Sagel. Offenbar wollten sich aber sämtliche Fraktionen noch ein Türchen offenhalten, vermutete er. Würden diese eine konsequente Politik machen, müssten sie die Probebohrungen verbieten.
    "Der konstruierte Vorwurf, die Landesregierung versuche gezielt, Informationen zurückzuhalten, entbehrt jeder Grundlage", sagte Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) in Vertretung des Wirtschaftsministers. Über die von der FDP angesprochenen Probebohrungen aus den 90er-Jahren habe dieser den Ausschuss bereits im Dezember unterrichtet. Die nun geplanten Tests seien dennoch Neuland für NRW: Es gehe nicht nur um Gas aus Flözen, sondern auch aus Schiefergestein. Eine solche unkonventionelle Lagerstätte hätten Unternehmen in NRW erstmals während der aktuellen Erdgassuche angezapft - mit der im Jahr 2008 noch unter Schwarz-Gelb genehmigten Bohrung in Oppenwehe.
    bra

    Zusatzinformation:
    Der Landtag hat den Eilantrag (Drs. 15/1635) mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linken gegen die Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP abgelehnt.

    Systematik: 2100 Energie

    ID: LI110512

  • Wüst, Hendrik (CDU); Eiskirch, Thomas (SPD); Brems, Wibke (Grüne); Brockes, Dietmar (FDP); Aggelidis, Michael (Linke)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal geht es um die Energiepolitik.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 5 - 13.04.2011

    Atomenergie wird als Brückentechnologie bezeichnet. Dies halte ich für ...

    Hendrik Wüst (CDU) ... richtig. Als Ergebnis der schrecklichen Ereignisse in Japan gilt es, diese Brücke zu verkürzen, ohne unsere Emissionsminderungsziele, die Versorgungssicherheit und die Bezahlbarkeit von Strom und Wärme für Bürger und Unternehmen zu gefährden.
    Thomas Eiskirch (SPD) ... hinfällig. Nach Fukushima können die Sicherheitsrisiken auch von den größten Ignoranten nicht länger geleugnet und verharmlost werden. Mit der absehbaren Stilllegung von Atomkraftwerken scheitert der untaugliche Versuch der Bundesregierung, die Verlängerung der Atomlaufzeiten als Finanzierungsquelle für den Energie- und Klimafonds anzudienen.
    Wibke Brems (Grüne) ... irreführend, da die starre Atomkraft nicht geeignet ist, um mögliche Schwankungen bei den erneuerbaren Energiequellen flexibel auszugleichen. Für den Übergang brauchen wir vielmehr Kraft-Wärme-Kopplung und flexible Gaskraftwerke, die die Erneuerbaren auf dem Weg zu 100 Prozent ideal ergänzen.
    Dietmar Brockes (FDP) ... die zutreffende Bezeichnung dieser Technologie, die aus Sicht der FDP nur noch so lange genutzt werden sollte, bis es möglich ist, auf diese zu verzichten, ohne Strom zu importieren. Voraussetzung ist, dass die Nutzung der Kernkraft sicher ist.
    Michael Aggelidis (Linke) ... zynisch und verantwortungslos nach Harrisburg und Tschernobyl und erst recht angesichts der aktuellen Katastrophe von Fukushima.

    Ab sofort auf Atomenergie zu verzichten, würde bedeuten, ...

    Hendrik Wüst (CDU) ... dass die Versorgungssicherheit erheblich gefährdet ist. Stromausfälle wären an der Tagesordnung, es sei denn, man importiert in erheblichem Umfang Atomstrom aus unseren Nachbarländern. Das jedoch wird von uns abgelehnt.
    Thomas Eiskirch (SPD) ... Atomstrom zu importieren und CO2-Ausstoß zu erhöhen. Ein Atomausstieggesetz schafft Investitionssicherheit. Damit in Kraftwerkserneuerung, Effizienztechniken, Energieeinsparung und neue Netze investiert wird. Und die Strompreise für Verbraucher bezahlbar und für die Industrie wettbewerbsfähig bleiben.
    Wibke Brems (Grüne) ... zehn weitere Meiler vom Netz zu nehmen. Für einen verantwortungsvollen Ausstieg müssen die gefährlichsten Anlagen sofort abgeschaltet werden. Bis 2017 muss der komplette Ausstieg aus der Atomkraft geschafft sein. Dies muss flankiert werden durch einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien.
    Dietmar Brockes (FDP) ... dass man Strom aus dem benachbarten Ausland teuer importieren müsste. Es wäre geradezu irrwitzig, Strom aus ausländischen Kernkraftwerken zu importieren. Einen Sicherheitsgewinn würde das für keinen deutschen Bürger bedeuten. Wir brauchen eine EU-weite Strategie.
    Michael Aggelidis (Linke) ... die Macht der Energiemonopolisten zu brechen, ganz rasch umzusteuern auf erneuerbare Energien und den dringend erforderlichen ökologischen und sozialen Umbau unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung endlich anzupacken.

    Das größte Problem bei erneuerbaren Energien sehe ich ...

    Hendrik Wüst (CDU) ... in der schnellen und ausreichenden Errichtung von Energiespeichern sowie der einvernehmlichen Realisierung des notwendigen Netzausbaus. Die Windparks im Norden müssen an die Verbrauchszentren in der Mitte und im Süden Deutschlands angeschlossen werden.
    Thomas Eiskirch (SPD) ... in der fehlenden Akzeptanz in der Praxis - bei der Installation von Windrädern und Übertragungsnetzen, Pumpspeicherwerken oder Biomasseanlagen. Erneuerbare Energien müssen rund um die Uhr zu akzeptablen Bedingungen zur Verfügung stehen. Deshalb müssen sie wirtschaftlicher erzeugt und speicherbar gemacht werden.
    Wibke Brems (Grüne) ... in der ablehnenden Haltung der CDU und der teilweise bösartigen Angriffe der FDP. Die Erneuerbaren emittieren kaum CO2, stehen endlos zur Verfügung und haben geringe Auswirkungen auf die Umwelt. Die Chancen für Klima- und Umweltschutz sowie Wertschöpfung und Arbeitsplätze sind daher enorm.
    Dietmar Brockes (FDP) ... darin, dass sie nicht immer ausreichend verfügbar sind. Dazu benötigen wir einen Ausbau der Netzkapazitäten und Speichermöglichkeiten. Außerdem müssen erneuerbare Energien schneller wirtschaftlich werden.
    Michael Aggelidis (Linke) ... in ihrer zu langsamen Verallgemeinerung, aber auch in der Illusion, man könne mit ihnen um ein radikales Stromsparen und um die Vergesellschaftung, Rekommunalisierung, Dezentralisierung und Demokratisierung der Energiewirtschaft herumkommen.

    Öl, Gas, Kohle - fossile Energieträger spielen im Energiemix der Zukunft ...

    Hendrik Wüst (CDU) ... keine wesentliche Rolle mehr. Auf dem Weg dahin sind wir auf sie jedoch als Reserve und Ergänzung zu den Erneuerbaren angewiesen. Daher muss die modernste Technik in den modernsten Kraftwerken zum Einsatz kommen. Datteln 4 muss ans Netz.
    Thomas Eiskirch (SPD) ... nach wie vor eine Rolle. Auch im Jahr 2020 wird der größte Teil des Stroms aus fossilen Energieträgern kommen. Um nicht zum Stromimporteur z. B. aus französischen AKWs zu werden, muss die Erzeugung wirkungsschwacher Blöcke auch durch neue, effiziente, flexible Kraftwerke und Kraft-Wärme-Kopplung ersetzt werden.
    Wibke Brems (Grüne) ... nach 2050 keine Rolle mehr. Selbst mit den Zielen der Bundesregierung von 80 bis 95 Prozent weniger CO2-Emissionen bis 2050 wird aufgrund der landwirtschaftlichen und produktionsbedingten Emissionen eine Stromversorgung aus 100 Prozent Erneuerbaren unumgänglich sein.
    Dietmar Brockes (FDP) ... nur noch solange eine Rolle, wie sie wirtschaftlich verfügbar sind und gebraucht werden, um den Energiebedarf zu decken. Der Emissionshandel stellt dabei sicher, dass wir die gesetzten Klimaziele erreichen.
    Michael Aggelidis (Linke) ... keine Rolle, weil die unabdingbaren Klimaziele die drastische Minderung des Kohlendioxid- Ausstoßes und damit den völligen Ausstieg aus der Nutzung der fossilen Energieträger zwingend erfordern.

    Um den Energiebedarf zu senken, kommt es aufs Stromsparen an. Um Anreize für Bürgerinnen und Bürger zu schaffen, sollte Politik ...

    Hendrik Wüst (CDU) ... noch stärker in Informationskampagnen investieren. Verbraucherzentralen und die Energieagentur. NRW machen eine gute Arbeit, stoßen aber an ihre Leistungsgrenzen. Darüber hinaus gilt es, Förderinstrumente zu stärken und das Mietrecht zu überprüfen. Energieeffizienz ist die beste Energiequelle.
    Thomas Eiskirch (SPD) ... helfen, dass keiner zu arm zum Sparen ist, Fonds oder Contracting-Modelle schaffen, damit auch Menschen mit geringen Einkommen effiziente Geräte nutzen können. Stromtarife müssen Anreize setzen: Niedrige Strompreise bei geringem Stromverbrauch. Bei höherem Verbrauch müssen Stromkosten überproportional steigen.
    Wibke Brems (Grüne) ... Aufklärung betreiben, sozialverträgliche finanzielle Anreize bieten und für einen Emissionshandel in allen Bereichen eintreten. Ebenso wichtig ist die Einsparung im Bereich der Wärmeversorgung. Darum engagiert sich die Landesregierung bei der energetischen Gebäudesanierung und der Kraft-Wärme-Kopplung.
    Dietmar Brockes (FDP) ... die Bürger darin bestärken, durch gezielte Investitionen Kosten zu sparen. Die Menschen müssen die Potenziale erkennen und dort investieren, wo es ökonomisch sinnvoll ist. Dazu brauchen wir vor allem Beratung. Dass sich diese Investitionen lohnen, macht die Industrie bereits seit vielen Jahren vor.
    Michael Aggelidis (Linke) ... ein kostenloses Kontingent des Elektrizitätsverbrauchs pro Kopf festlegen, das den vernünftigen Bedarf abdeckt und allen die Teilhabe sichert - und zugleich hohe und stark progressive Gebühren für jeden Elektrizitätsverbrauch über dieses Kontingent hinaus erheben.

    Systematik: 2100 Energie

    ID: LI110513

  • Rückenwind und Gegenwind.
    Sachverständige nehmen Windkrafterlass unter die Lupe.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 13 in Ausgabe 5 - 13.04.2011

    6. April 2011 - Die Landesregierung will die Rahmenbedingungen für einen höheren Anteil der Windenergie an der Stromproduktion verbessern. Dazu hat sie einen neuen Windkrafterlass vorgelegt, den die FDP-Fraktion kritisiert (Drs. 15/1323). Sie fürchtet, dieser berücksichtige Anwohnerinteressen nicht ausreichend und schränke die kommunale Selbstverwaltung ein. Beides gefährde die Akzeptanz erneuerbarer Energien. Im Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Vorsitz Friedhelm Ortgies, CDU) haben sich Sachverständige zum Erlass und zum FDP-Antrag geäußert.
    Das Ziel, die Stromgewinnung aus erneuerbaren Energien zu forcieren, unterstützten alle Sachverständigen. Einige sahen aber aus unterschiedlichen Gründen noch Nachbesserungsbedarf beim Windkrafterlass.
    Der Erlass könne den Behörden keine Rechtssicherheit geben, denn Gerichte seien nicht daran gebunden, erklärte Andreas Lahme vom Landesverband WindEnergie. Auch Prof. Dr. Martin Beckmann verstand den Erlass eher als politische Absichtserklärung, weswegen dieser die kommunale Selbstverwaltung nicht beeinträchtige. Es komme bei der tatsächlichen Umsetzung auf die Ebene der Regionalplanung an, meinte er. Dementsprechend wünschten sich Vertreter der kommunalen Spitzenverbände konkretere Vorgaben, welche Regelungen verbindlich seien.
    Die Sachverständigen diskutierten ebenso Chancen des Repowering, worunter man den Ersatz älterer durch neuere Anlagen versteht. Jan Dobertin von der Landesarbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie NRW erklärte, allein dadurch, dass man die rund 2.800 Windkraftanlagen in NRW durch neue ersetze, lasse sich das Ziel der Landesregierung erreichen, nämlich die Windkraft bis 2020 auf 15 Prozent der NRW-Stromproduktion zu verfünffachen. Ökonomisch und ökologisch sinnvoll sei das Repowering allerdings erst in etwa fünf Jahren, schränkte der Rechtsanwalt Thomas Mock ein. Elmar Reuter vom Sauerländer Heimatbund zeigte sich besorgt, dass größere Anlagen das Landschaftsbild zu stark beeinträchtigen könnten. Er sprach sich dafür aus, eher neue Standorte für Windräder auszuweisen und dabei eine möglichst unzerstörte Landschaft zu erhalten.

    Bürgerbeteiligung

    Bürgerinnen und Bürger könnten sich durchaus für Repowering begeistern und auch neue Anlagen akzeptieren, berichtete Frank Brösse von der Stadtwerke Aachen AG. Man müsse sie nur beteiligen. Erfahrungen habe Aachen beispielsweise mit Wind-Sparbriefen oder mit einem GbR-Modell (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) gemacht, wobei Privatpersonen zu Gesellschaftern würden. Von positiven Erfahrungen mit Bürgerbeteiligung konnte auch Guido Wallraven aus der "Klimakommune NRW" Saerbeck berichten. Eine örtliche Genossenschaft plane, von sieben Windrädern mindestens eines zu betreiben, die Gemeinde selbst ebenfalls. Bürgerbeteiligungen funktionierten nicht wegen erwarteter Profite, wandte der Sauerländer Elmar Reuter ein, sondern aufgrund von frühzeitiger Kommunikation, Information und Transparenz den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber.
    Dr. Franz-Joachim Weyers von der Bürgerinitiative Aktion Gegenwind unterschied zwischen den Bürgerinnen und Bürgern, die sich an solchen Projekten beteiligten, und solchen, die unmittelbar betroffen seien. Für letztere überwögen die Störungen durch die Windkraftanlagen mögliche wirtschaftliche Gewinne deutlich. Er veranschaulichte, dass es hier um Anlagen so hoch wie der Kölner Dom gehe - nur dass sie oben nicht spitz zuliefen, sondern quasi ein rotierendes Fußballfeld an ihrer Spitze hätten. Gesundheit bedeute auch seelisches und geistiges Wohlbefinden, was in direkter Nachbarschaft solcher rotierender Großanlagen nicht gegeben sei, führte er aus.
    Auch Windräder im Wald waren Gegenstand der Diskussion. "Im Wald wohnt nur der Förster und ansonsten die Tiere", wandte sich Hermann Norff vom Bundesverband Landschaftsschutz gegen Anlagen im Wald. Paul Kröfges vom Naturschutzverband BUND präzisierte, dass alte Wälder und Mischwälder dafür auch aus Naturschutzsicht nicht in Frage kämen, sondern nur Nadelwald-Monokulturen. Hinsichtlich des Landschaftsbilds spreche allerdings einiges für den Wald als Windrad-Standort, meinte Klaus Schulze-Langenhorst vom Landesverband WindEnergie: Hier würden sie weniger auffallen als auf freier Fläche.
    Auch mit Blick auf Arbeitsplätze sprachen sich einige Sachverständige für Rückenwind für die Windkraft aus. Dr. Norbert Allnoch vom Internationalen Wirtschaftsforum Regenerative Energien bezifferte beispielsweise die Arbeitsplätze in der nordrhein-westfälischen Windenergie-Branche und der entsprechenden Zuliefererindustrie auf rund 10.000 und sah weitere Potenziale.
    sow

    Systematik: 2100 Energie

    ID: LI110515

  • "Butter bei die Fische".
    Haushalt 2011: Regierung fordert Sparvorschläge von CDU und FDP.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 7-9 in Ausgabe 4 - 30.03.2011

    23. Februar 2011 - Der Landtag NRW hat in erster Lesung über den Haushaltsplan für 2011 debattiert, den die Landesregierung im Entwurf vorgelegt hat. Er umfasst insgesamt rund 55,8 Milliarden Euro. Die Landesregierung wirbt für eine vorsorgende Sozialpolitik und nimmt dafür etwa 7,1 Milliarden Euro neue Schulden in Kauf. Später, so argumentiert sie, zahlten sich Zukunftsinvestitionen nicht nur sozialpolitisch, sondern auch ökonomisch aus. CDU und FDP kritisieren die aus ihrer Sicht verheerende Verschuldungspolitik, die Linke erkennt Schnittmengen mit der Regierungspolitik. Ministerpräsidentin Kraft fordert Sparvorschläge von CDU und FDP.
    "Vorbeugung jetzt anstelle von Reparaturkosten in der Zukunft." Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans (SPD) kündigte an, gemäß diesem Motto investiere die rot-grüne Landesregierung im Jahr 2011 rund 1,1 Milliarden Euro in die Zukunft des Landes, setze mit 500 Millionen Euro aber auch ein "klares" Sparsignal. Gleichzeitig betonte der Minister, nach dem Konjunkturabsturz von nie gekanntem Ausmaß sei ein wirtschaftliches Gleichgewicht auch heute nicht gegeben. Die Wirtschaft habe sich von der schärfsten Rezession seit 1945 noch nicht erholt. Für den aktuellen Aufschwung bestünden nach wie vor erhebliche Risiken, insbesondere in der Exportwirtschaft sowie durch die anhaltenden Banken- und Staatsschuldenkrisen. Von daher sei es folgerichtig, eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts anzunehmen. Sechs von 16 Bundesländern beriefen sich aktuell darauf. Daher müssten auch die neuen Schulden im Haushaltsentwurf 2011 die Höhe der Investitionen überschreiten. Allerdings rechnete der Finanzminister mit Einsparungen von 500 Millionen Euro am Ende des Jahres. Addiere man dies zur geplanten globalen Minderausgabe von 270 Millionen Euro, sinke die Neuverschuldung laut Ergänzungsvorlage zum Haushalt von 7,8 auf 7,1 Milliarden Euro. Insgesamt verteidigte Walter-Borjans den Ansatz einer "vorsorgenden Politik" der Landesregierung als nachhaltige Sicherung der Leistungsfähigkeit Nordrhein-Westfalens.
    Als Etikettenschwindel bezeichnete dagegen Karl-Josef Laumann (CDU) die Darstellung dieser Finanzpolitik. Sie sei weder neu noch präventiv, sondern die "alte, bequeme sozialdemokratische Schuldenpolitik", von der sich alle anderen Regierungen in Deutschland und Europa einschließlich Griechenland verabschiedeten. Bis 2014 wolle Rot-Grün den heutigen Schuldenberg um 30 Milliarden Euro erhöhen, den die "Kinder und Kindeskinder abstottern" müssten. Dies habe mit Nachhaltigkeit und Vorsorge nichts zu tun, meinte Laumann. "Die maßlose Neuverschuldung, über die das Verfassungsgericht zu befinden hat, ist Ihre Neuverschuldung, Frau Kraft, nicht unsere", widersprach er der Koalition, die den Schuldenberg als Schlussbilanz der Vorgängerregierung deutet. Mit Blick auf das für den 15. März 2011 angekündigte Urteil erklärte der CDU-Fraktionsvorsitzende zudem, seine Fraktion werde erst danach in die Haushaltsberatungen einsteigen, wenn nämlich die Regierung dann einen belastbaren Entwurf vorgelegt habe. Im Einzelnen kritisierte Laumann die vorgesehene Streichung der Studiengebühren sowie das beitragsfreie Kindergartenjahr als Geschenke an Besserverdienende. Die Regierung wolle für Vorbeugung, Betreuung und Bildung Geld ausgeben, das sie nicht habe. Noch dazu fehle ihr ein erkennbares und berechenbares wirtschaftspolitisches Konzept. Aus dem Industrieland NRW solle offenbar ein Naturschutzgebiet werden.
    Die Kritik seines Vorredners wertete Norbert Römer (SPD) als kleinkariert, rückwärtsgewandt und ohne Perspektive für die Menschen. Anscheinend scheue die CDU die politische Auseinandersetzung. Der erste Haushalt der rot-grünen Regierung sei gekennzeichnet von Vorsorge für die Familien, Kinder, Städte und Gemeinden. Die Zukunftschancen der Kinder bestimmten über den wirtschaftlichen Erfolg von morgen, unterstrich Römer. Nach der Produktionslücke durch den "drastischen Absturz unserer Wirtschaft" sei heute eine Politik für mehr Arbeit mit Perspektive und anständiger Bezahlung notwendig. Somit kennzeichneten den Haushaltsentwurf drei klare Linien: Zukunftsinvestitionen, Sparmaßnahmen und Einnahmeverbesserungen. Im Übrigen profitierten von der Abschaffung der Studiengebühren sowie vom beitragsfreien Kindergartenjahr vorwiegend die weniger gut verdienenden Bürgerinnen und Bürger. Diese Maßnahmen kosteten auch weniger als das von der CDU propagierte verbindliche Vorschuljahr. Und schließlich müsse die heutige Landesregierung die Lücken schließen, die die Vorgängerregierung etwa bei der Kleinkindbetreuung, der Arbeitsschutz-, Versorgungs-, Umwelt- und Justizverwaltung sowie bei den Eichämtern hinterlassen habe. Daneben werde man alle Ausgaben einer Generalüberprüfung unterziehen, so der SPD-Fraktionsvorsitzende. Hierzu vermisse er die von CDU und FDP angekündigten Sparvorschläge.
    Grünen-Fraktionsvorsitzender Reiner Priggen betonte den Politikwechsel in Nordrhein-Westfalen. Vorbei sei es mit dem Mantra "Privat vor Staat", mit dem Motto "Steuersenkung um jeden Preis" und mit der "organisierten Kommunalfeindlichkeit" der ehemaligen Landesregierung. Kein Verständnis hatte Priggen dafür, dass diese mit ihrer Zustimmung im Bundesrat zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz der Bundesregierung 880 Millionen Euro "leichtfertig weggegeben" habe. Eine solche Summe, umgerechnet 17.000 Stellen, könne das Land nicht einfach wieder einsparen. Drei zentrale Ziele der Koalition hob Priggen heraus. Erstens wolle sie die Kommunen in ihrer "dramatischen" Notlage unterstützen. Zweitens solle kein Kind zurückbleiben. Langfristiges Ziel sei, die gesamte Ausbildung kostenfrei zu machen, damit die Bildung nicht mehr vom Geldbeutel der Eltern abhänge. Studiengebühren etwa hielten junge Menschen vom Studium ab. Drittens, führte Priggen aus, wolle die Koalition investieren statt reparieren und mit früher Förderung beispielsweise spätere Inobhutnahmen von Kindern oder zermürbende Warteschleifen für Arbeitslose vermeiden. "Wir wissen, dass Einsparungen nötig sind", sagte Priggen. Die Haushaltsproblematik lasse sich aber nicht durch eine "Rasenmäherpolitik" etwa bei Personalkosten lösen. Als notwendig erachtete er verbesserte Einnahmen: "Ohne Änderungen beim Bund werden wir keine Chance haben."
    "Fast sprachlos" machten ihn die Ausführungen des Finanzministers, sagte Dr. Gerhard Papke (FDP). Der Fraktionsvorsitzende hielt es für respektlos gegenüber dem Verfassungsgerichtshof, dass die Landesregierung trotz des noch ausstehenden Urteils zum Nachtragshaushalt bereits den Haushaltsentwurf 2011 vorgelegt habe. Offenbar wolle sie das Haushaltsverfahren unter Volldampf durchziehen, um ein brandgefährliches Thema möglichst schnell abzuräumen, vermutete er und erinnerte an den Volldampf- Kapitän der Titanic. Er empörte sich darüber, dass die Regierung mit ihrer mittelfristigen Finanzplanung schnurstracks in einen Bruch mit dem Grundgesetz hineinlaufe, das sie auf das Verschuldungsverbot schlicht pfeife. "Sie verabschieden sich von der Konsolidierung und machen aus ihrer Verschuldungsorgie eine Staatsphilosophie", kritisierte der FDP-Sprecher die Landesregierung. Dabei ließen sich komplexe Probleme nicht einfach mit immer mehr Geld hinwegspülen. Trotzdem - auch wenn die Regierung nicht daran glaube - CDU und FDP hätten in der vergangenen Wahlperiode gezeigt, dass Konsolidierung möglich sei. Mit dem Abbau von 12.000 Stellen in der allgemeinen Verwaltung ließen sich 600 Millionen Euro einsparen, rechnete Papke vor. Eine Totalverweigerung der Konsolidierung führe in den Staatsbankrott. Papke bezeichnete den Haushalt der Landesregierung als weiteres Dokument des Scheiterns.
    Die Wandlung von CDU und FDP "vom Saulus zum Paulus" - gestern Schuldenmacher, heute Schuldenbremse - hielt Bärbel Beuermann (Linke) für nicht glaubwürdig. Nach dieser Vorbemerkung erklärte die Fraktionsvorsitzende, dass die Linke für Investitionen in die Zukunft der Menschen in NRW stehe und dafür im vorgelegten Haushaltsentwurf Schnittmengen erkenne. Dieser sei nicht nur Ausdruck eines Politikwechsels, sondern zeige auch eine Kurskorrektur in Richtung Vorsorge und Nachhaltigkeit, lobte sie. Die Wirksamkeit von Zukunftsinvestitionen ließen sich nicht immer innerhalb eines Jahres nachvollziehen, auch seien diese nicht aus der Portokasse zu bezahlen, zeigte Beuermann Verständnis für neue Schulden. "Wir müssen über den Tellerrand hinausschauen", betonte sie und zählte Ziele auf, für die Investitionen lohnten: Bildung für nachfolgende Generationen, handlungsfähige Kommunen, beitragsfreie Bildung vom Kindergarten bis zur Weiterbildung, bezahlbaren Wohnraum und Nahverkehr auch für sozial Schwache, eine Teilhabe aller Menschen am sozialen Leben und eine bessere öffentliche Daseinsvorsorge. Notwendige Ausgaben seien im Interesse aller Menschen. Beuermann warb für eine aktive Rolle des Staates und kündigte konkrete Verbesserungsvorschläge im Rahmen der Haushaltsberatungen an. An deren Berücksichtigung entscheide sich schlussendlich auch das Abstimmungsverhalten der Linken zum Haushalt.
    "Scheinheilig" sei die Aussage von CDU und FDP, man könne im Jahr 2011 auf einen Haushalt kommen, der die verfassungsmäßige Grenze der Neuverschuldung einhalte, sagte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). "Dies kann nicht gelingen." Denn die Verfassungsgrenze bedeute eine Neuverschuldung von höchstens 3,8 Milliarden Euro. Selbst wenn man die neuen Projekte der rot-grünen Landesregierung streiche, müssten zusätzlich immer noch 2,2 Milliarden Euro eingespart werden. Dies bedeute zum Beispiel einen Einstellungsstopp für die freiwerdenden 8.200 Stellen in Schulen, bei Polizei, Staatsanwaltschaften und Finanzämtern sowie im Richteramt. Alternativ müsste man alle Landesförderprogramme zum offenen Ganztag, zur Kultur, frühkindlicher Bildung und Stadterneuerung streichen, rechnete Kraft vor. Gleiches gelte für Kürzungen bei den Ersatzschulfinanzierungen, bei der Betreuung von Kleinkindern, Kindern und Jugendlichen sowie im Maßregelvollzug. "Geben Sie Butter bei die Fische", forderte die Ministerpräsidentin CDU und FDP auf, konkrete Spar- und Kürzungsvorschläge zu machen. Ebenso sollten sie auf die jüngst von ihnen beantragten Mehrausgaben verzichten, die sich zum Beispiel im Bereich Schule auf rund eine Milliarde Euro beliefen. Diese Auseinandersetzung solle NRW politisch führen, mahnte Kraft. Sie warnte davor das Parlament durch häufige Klagen vor dem Verfassungsgerichtshof zu entmündigen.

    Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG)

    "Der vorgelegte Entwurf zum Gemeindefinanzierungsgesetz 2011 sieht eine der höchsten Finanzausgleichsmassen vor, die je in einem kommunalen Finanzausgleich gewährt wurden", lobte Kommunalminister Ralf Jäger (SPD). Insgesamt erhielten Städte und Gemeinden 323 Millionen Euro und damit 4,3 Prozent mehr Geld. Zudem habe Rot-Grün die Daten aktualisiert, auf deren Basis das Land die Milliarden verteile. "Dass dies durch die Vorgängerregierung nicht geschehen ist, ist letztendlich verantwortungslos", kritisierte Jäger.
    "Sie wollten die Notlage der Städte, Gemeinden und Kreise schamlos ausnutzen, um sich wenigstens an einem einzigen Tag als kommunale Heilsbringer und Gralshüter darzustellen", warf Bodo Löttgen (CDU) der Regierung vor. Die im Nachtragshaushalt versprochene 300-Millionen-Euro-Soforthilfe knapse sie vielen Kämmerern nun über das GFG wieder ab. "217 Kommunen verlieren sogar im Saldo aus Nachtragshaushalt 2010 und Entwurf des GFG 2011", erklärte der CDU-Sprecher und forderte Jäger dazu auf, den Entwurf zurückzuziehen.
    "Den Kommunen wird in der Summe kein Geld aus den Taschen gezogen, sondern zusätzliches Geld in die Taschen gesteckt", verteidigte Marc Herter (SPD) den Entwurf und appellierte an Löttgen, die Kommunen nicht länger gegeneinander auszuspielen. Schwarz-Gelb seien es gewesen, die in den vergangenen Jahren einen Raubzug durch die Kommunen veranstaltet hätten. Bezüglich der nun aktualisierten Daten warf Herter CDU und FDP zudem vor: "Sie haben auch 2010 auf der Basis der Zahlen von 1999 abgerechnet und sich dabei wohlgefühlt."
    CDU und FDP hätten die finanzielle Basis der Kommunen auf Bundes- und Landeseben kaputt gehauen, konstatierte Mehrdad Mostofizadeh (Grüne): "Ihre Landesregierung hat die Kommunen mehrfach - das ist sogar gerichtlich bestätigt - über den Leisten gezogen." Und nun gingen diese beiden Fraktionen hin und erzählten den Leuten, Rot-Grün würde den Städten und Gemeinden Geld wegnehmen, kritisierte der Grüne. "Das ist nicht zu fassen." Es gehe doch lediglich darum, die Datenbasis auf den aktuellsten Stand zu bringen.
    "Für uns ist es das kommunalfeindlichste GFG aller Zeiten", sagte Horst Engel (FDP). Es verteile Finanzmittel zulasten kreisangehöriger Städte und Gemeinden. Viele Kommunen dränge dies in die Haushaltssicherung oder sogar direkt ins Nothaushaltsrecht. "Sie wissen, dass das Gemeindefinanzierungssystem im Ganzen zu überarbeiten ist", kritisierte Engel. Trotzdem habe Rot-Grün, anders als noch von Schwarz-Gelb geplant, nun einzelne Werte verdreht anstatt im kommenden Jahr das gesamte System anzupassen.
    Die Linken-Abgeordnete Özlem Alev Demirel forderte die anderen Fraktionen dazu auf, Städte und Landkreise in NRW nicht länger gegeneinander auszuspielen: "Wir dürfen uns doch nicht auf der Landesebene instrumentalisieren lassen." Vielmehr gehe es darum, die Situation in allen Kommunen zu verbessern. Dazu müsse die Regierung jedoch mehr Geld in die Hand nehmen. "Erhöhen Sie endlich die Verbundmasse", appellierte Demirel an alle Fraktionen. "Kommen Sie Ihrer Verantwortung gegenüber den Kommunen nach!"
    cw/sow/bra

    Zusatzinformation:
    Der Gesetzentwurf zum Landeshaushalt 2011 (Drs. 15/1000) wird in drei Lesungen beraten. Bis zu den folgenden Lesungen werden die Fachausschüsse tätig, diskutieren im Detail und hören Sachverständige an.

    "Tabelle Haushaltseckdaten hier nicht erfasst!"

    Tabelle:
    Einzeletats (in Milliarden Euro) 2011
    Landtag 0,103
    Ministerpräsident 0,119
    Innen 4,614
    Justiz 3,545
    Schule und Weiterbildung 14,325
    Innovation, Wissenschaft, Forschung 6,195
    Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport 2,262
    Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Naturund Verbraucherschutz 0,832
    Arbeit, Integration und Soziales 2,149
    Finanzen 1,949
    Landesrechnungshof 0,039
    Wirtschaft, Energie, Bauen und Verkehr 4,007
    Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter 0,922
    Allgemeine Finanzverwaltung 14,760
    Summe 55,823

    Tabelle:
    Daten zur Gemeindefinanzierung
    (in Klammern Veränderung gegenüber Vorjahr/Angaben in Euro)
    Zuweisungen 7.922 Millionen (+24 Millionen)
    Schlüsselzuweisungen 6.722 Millionen (+29 Millionen)
    davon für
    - Gemeinden 5.275 Millionen
    - Kreise 787 Millionen
    - Landschaftsverbände 659 Millionen
    Schulpauschale/Bildungspauschale 600 Millionen
    Investitionspauschalen 521 Millionen (+3 Millionen)
    Pauschale 28 Millionen
    Bedarfszuweisungen (-1 Millionen)
    Sportzuweisungen 50 Millionen
    Verbundsatz 23 Prozent

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt; 1220 Landesregierung

    ID: LI110403

  • Weisbrich, Christian (CDU); Börschel, Martin (SPD); Mostofizadeh, Mehrdad (Grüne); Freimuth, Angela (FDP); Sagel, Rüdiger (Grüne)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zur Haushaltspolitik.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 4 - 30.03.2011

    Aus dem Gerichtsurteil zum Nachtragshaushalt 2010 ziehe ich den Schluss, dass ...

    Christian Weisbrich (CDU) ... die präventive Finanzpolitik von Ministerpräsidentin Kraft mit der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen nicht vereinbar ist. Bürger und Parlamente der Zukunft müssen davor bewahrt werden, den finanziellen Handlungsspielraum zur Bewältigung künftiger Probleme zu verlieren.
    Martin Börschel (SPD) ... die bisher angelegten Kriterien zur Definition einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, wie vom Gericht angeregt, nicht mehr den heutigen Anforderungen entsprechen. Auch die Expertenanhörung im HfA hat bestätigt, dass z.B. Verwerfungen des Finanzmarkts nicht berücksichtigt werden.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... sehr hohe Hürden für die Begründung einer wirtschaftlichen Störungslage formuliert wurden. Das Urteil führt aber nicht zu Einsparungen, da es nur die Bildung von Rücklagen für zukünftige Ausgaben (WestLB, Pensionen, Urteil zum Kinderfördergesetz) nicht aber die Ausgaben selbst verhindert.
    Angela Freimuth (FDP) ... Haushaltskonsolidierung und ein Ende der Schuldenpolitik im Interesse künftiger Generationen notwendig sind. Ausgaben müssen aus den Einnahmen gedeckt werden. Ein stetig wachsender Schuldensockel darf die Handlungsfähigkeit künftiger Generationen und Gesetzgeber nicht in Frage stellen.
    Rüdiger Sagel (Linke) ... endlich die unterfinanzierten öffentlichen Haushalte durch mehr Steuergerechtigkeit und höhere Einnahmen strukturell gesichert werden müssen. Das Finanzchaos von CDU/FDP in den letzten fünf Jahren mit 23 Milliarden Euro neuer Verschuldung muss beseitigt werden. Neuwahlen lösen das Finanzproblem nicht.

    Eine Alternative zum vorliegenden Haushaltsentwurf 2011 ...

    Christian Weisbrich (CDU) ..., in der die Vorgaben des Urteils des Verfassungsgerichtshof 1:1 umgesetzt werden, ist von der Landesregierung bislang nicht vorgelegt worden. In der vorliegenden Fassung ist der Haushaltentwurf 2011 wieder nicht verfassungskonform.
    Martin Börschel (SPD) ... hat bislang niemand substantiell vorgetragen. Wer, wie die CDU, die Neuverschuldung auf einen Schlag halbieren möchte, muss entweder die Steuereinnahmen künstlich schön rechnen oder massiv Personal bei Schulen, Polizei und Justiz abbauen und den Kommunen erneut tief in die leeren Kassen greifen.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... hat die Opposition nicht ernsthaft dargestellt. Die Regierung hat bereits Konsolidierungsvorschläge über 700 Millionen Euro vorgelegt. SPD und Grüne werden zudem Anträge zum Verzicht auf nicht zwingend erforderliche Ausgaben und sozialverträgliche Einnahmeverbesserungen vorlegen.
    Angela Freimuth (FDP) ... muss von der rot-grünen Landesregierung und dem Landesparlament erarbeitet werden. Wir erwarten, dass Rot-Grün Konsequenzen aus dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs zieht, die sich erkennbar im Haushalt 2011 abbilden.
    Rüdiger Sagel (Linke) ... ist das Konzept der Fraktion Die Linke für mehr soziale Gerechtigkeit. Wir wollen ein landesweites Sozialticket für Bus und Bahn, gebührenfreie Kitas, "Eine Schule für alle", gleichen Lohn für gleiche Arbeit und Mindestlöhne von zehn Euro pro Stunde.

    Am Haushalt, an den harten Zahlen, lassen sich die Prioritäten einer Regierung ablesen. Diese Regierung ...

    Christian Weisbrich (CDU) ... missachtet Artikel 83 der Landesverfassung. Das Urteil des Verfassungsgerichtshofs stellt klar, dass die Landesverfassung dem Schutz künftiger Generationen vor unbeschränkter Vorwälzung staatlicher Lasten dient.
    Martin Börschel (SPD) ... setzt diese Prioritäten bei Bildung vom Kindergarten bis zur Hochschule und bei den Kommunen als Hauptinvestoren in Infrastruktur. Beides sind Investitionen in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes, weil dadurch Wachstumsimpulse gesetzt werden.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... setzt klare Prioritäten für bessere Bildung und Ausbildung. Sie stellt sich dem finanziellen Desaster, das CDU und FDP bei den Kommunen hinterlassen haben. Sie investiert in Klimaschutz und den ökologischen Umbau der Industrie und setzt damit wichtige positive Impulse für mehr Arbeitsplätze.
    Angela Freimuth (FDP) ... plant zu Lasten der Gestaltungsräume künftiger Generationen schuldenfinanzierte Wahlzusagen, z.B. Verbot der Studienbeiträge. Die Zeche zahlen die Steuerzahler mit Zins und Zinseszins, aber auch zum Beispiel die Studierenden, deren Studienbedingungen sich verschlechtern.
    Rüdiger Sagel (Linke) ... von SPD und Grünen hat ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht. Schulen, Hochschulen und Kitas bleiben unterfinanziert wie auch viele soziale Einrichtungen. Die schlechte Bezahlung, z.B. bei angestellten LehrerInnen, wurde ebenso wenig verbessert wie die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst (Original sozial nach der Wahl ist nur Die Linke).

    Angesichts des Schuldenbergs muss eine Haushaltspolitik ...

    Christian Weisbrich (CDU) ... her, die langfristig dem Willen der Bürgerinnen und Bürger Rechnung trägt, die Verschuldung des Landes zurückzuführen, um politischen, insbesondere auch sozialpolitischen Handlungsspielraum zurück zu gewinnen und neu zu schaffen. Auf dem Konsolidierungsweg ist eine gerechte Lastenverteilung zwischen den Generationen zu wahren.
    Martin Börschel (SPD) ... alle Kosten mit einbeziehen, sich um die Ursachen kümmern und dabei auch den unteren Teil des Eisbergs im Blick behalten Dazu zählen die Kommunen, die Pensionslasten, aber auch die Opportunitätskosten von unterlassenen Bildungsinvestitionen. Wir können es uns nicht mehr leisten, kurzfristig zu denken.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... her, die nachhaltig wirkt. Steuergeschenke, die NRW jährlich fast drei Milliarden Euro kosten, sind (im Bund) abzubauen und zur Konsolidierung einzusetzen. Schwarz-Gelb musste schlechte Politik in Events und Broschüren teuer verkaufen. Auf diese Art der Selbstdarstellung verzichtet Rot-Grün als erstes.
    Angela Freimuth (FDP) ... her, die langfristig ohne neue Schulden auskommt und Altschulden tilgt. Die Schuldenbremse unterstreicht dieses Ziel, weshalb sich die FDP auch für eine eigene Verfassungsregelung in NRW ausspricht, die leider von Rot- Grün verweigert wird.
    Rüdiger Sagel (Linke) ... her, die langfristig angelegt ist und zu wirklichen Verbesserungen der Lebensbedingungen führt. Soziale Sicherheit, gleiche Chancen für alle, ein gesundes Leben in einer gesunden Umwelt erfordern nachhaltige Investitionen, z.B. brauchen wir statt Atomenergie schnellstmöglich 100 Prozent erneuerbare Energien.

    Die Gesamthöhe der vorgesehenen Zuweisungen an die Gemeinden betrachte ich als ...

    Christian Weisbrich (CDU) ... eine gezielte, durch ein Sondergesetz zu regelnde Konsolidierungshilfe für die in Not geratenen Kommunen. Durch die Übernahme der Kosten der Grundsicherung durch den Bund, die Hilfe vom Land und eigene Anstrengungen werden die Kommunen in die Lage versetzt, ausgeglichene Haushalte zu erreichen.
    Martin Börschel (SPD) ... wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Die Kommunen haben in den vergangenen Jahren finanziell stark bluten müssen und laufen teilweise auf dem Zahnfleisch. Wir müssen den Kommunen jetzt unter die Arme greifen; sie sind mindestens so systemrelevant wie Banken.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... klares Signal, dass Rot-Grün die desaströse Finanzlage der Kommunen verbessern will. Leider haben CDU und FDP im Bund für dieses Jahr erneut keinen Cent an Sozialkostenentlastung zugestanden. Dies erhöht die Dramatik zusätzlich und erschwert massiv den geplanten Konsolidierungsprozess.
    Angela Freimuth (FDP)... guten Beitrag des Landes zur Gemeindefinanzierung bis zu einer grundlegenden Gemeindefinanzreform, da jeder vierte Euro aus dem Landesetat den Kommunen zugutekommt. Wir halten aber die von rot-grün geplante Umstrukturierung im GFG insbesondere zu Lasten des kreisangehörigen Raums für falsch.
    Rüdiger Sagel (Linke) ... unzureichend, CDU/FDP haben den Städten und Gemeinden in den letzten fünf Jahren mehr als 3 Milliarden Euro entzogen. Die Linke fordert eine gerechte Finanzreform, die den Kommunen jährlich 1 Milliarde Euro mehr einbringt.

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt

    ID: LI110409

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Die Fraktionen im Landtag NRW