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  • Verstorben: Prof. Dr. Friedrich Halstenberg.
    Zur Person
    S. 20 in Ausgabe 10 - 01.12.2010

    3.11. 2010 Prof. Dr. Friedrich Halstenberg (SPD), MdL 1972-1980
    Halstenberg war von 1966 bis 1975 Staatssekretär und Chef der Staatskanzlei, von 1972 bis 1975 Minister für Bundesangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei sowie von 1975 bis 1978 Finanzminister. Außerdem war er von 1972 bis 1978 Mitglied des Bundesrats sowie von 1975 bis 1978 Vorsitzender des Finanzausschusses des Bundesrats.

    ID: LI101024

  • Der Sieger ohne Fortüne.
    Umfangreiche Biografie des CDU-Politikers Heinrich Köppler.

    S. 21 in Ausgabe 7 - 13.06.2007

    Die 60-jährige Landes- wie Landtags-Geschichte bedarf der Zeugenschaft ihrer Epoche. Darum ist das aufklärerische Buch, wie es der Historiker Dr. Stefan Marx aus 50 Quellen geschöpft und akzentuiert hat, von primärer Bedeutung. Ist der Lebenslauf Heinrich Köpplers signifikant? Berufsoffizier, Kriegsgefangenschaft, Studium, Jugendführer, Politiker und zweifacher Wahlsieger in NRW, jedes Mal als Oppositionsführer gegen Heinz Kühn gestartet, aber an der Koalition aus SPD und FDP in den 1970er Jahren gescheitert. Der Junge gegen den Alten. Unvergessliche Konfrontationen! Von Horst-Werner Hartelt*
    Vorlaute Kritiker hatte Köppler zum Fundamentalisten des Klerus abstempeln wollen. Standhaft hat jedoch der Jugendführer der Katholiken sein Religionsverständnis gegen Bischöfe wie Michael Keller (Münster) und andere im Episkopat verteidigt. Sturmfest stritt Köppler auch mit Parteifreunden wie Franz Meyers. Der damalige Innenminister wollte eine FDJ-Delegation aus Ost-Berlin verhaften. Vehementer Protest, Honeckers Freunden wurde kein Haar gekrümmt.

    Meisterstück

    Opposition um jeden Preis? Nein! Obwohl die CDU im Lande eine kommunale Neuordnung ablehnte, wie sie die Minister Willi Weyer (FDP) und Friedrich Halstenberg namens der Regierung Kühn (SPD) anbahnten, setzte der Oppositionsführer die geradezu revolutionäre Notwendigkeit in seiner Landtagsfraktion durch. 80 Prozent aller bis dato selbständigen Gemeinden büßten ihre Amtshoheit ein: CDU, SPD und FDP Hand in Hand, ein Meisterstück der parlamentarischen Demokratie, ein Jahrhundertwerk.
    Danach kämpfte der Oppositions-Herold die Regierung nieder, weil sie einen Kommunisten zum Richter ernennen wollte, und als Bildungs-Ideologen in der SPD die Zukunft der Gymnasien zerschlagen wollten, rief Köppler zum Volksbegehren auf und siegte. Da gönnte er sich ätzende Süffisanz im Dialog mit Kultusminister Jürgen Girgensohn (SPD), der ja nun keine "sozialistische Einheits-Schule" für seine Enkelkinder zu fürchten hätte.
    Was bleibt? So fragt Historiker Marx, selbst kein Zeitzeuge. Köpplers früher, vielleicht doch noch vermeidbarer Herztod an einem Sonntagmittag im Krankenhaus, stürzte die CDU in Depressionen, bis Jürgen Rüttgers (CDU) kam.
    Alle Köppler-Nachfolger bis zum Jahre 2000 verharrten im traurigen Mut, freudloses Herumsitzen auf Oppositionsbänken bis in die Nacht, glimmende Fixsterne verglühten. Zwei Jahrzehnte lang trauerten die Freunde Köppler nach. Er war unersetzlich, stellt Dr. Marx fest, der ihn persönlich nicht erlebt hat, diesen großen Mann, seine athletische Figur, der sportliche Schwung, seine Rhetorik, dieser Bassbariton, und wenn er mitten im Wahlkampf auf Wochenmarktkisten sprang, die Wucht seiner Argumentation belebte ihn selbst am meisten.
    Neutralität der Gesinnung im Umgang mit eifernden Studenten verpönte Köppler. APOKrakeeler in Hörsälen nannte er beim Namen, an seiner Seite Hochschulpolitiker Brüggemann (CDU). Unerbittlich die Dispute, die Wahrheit war oft teuer, weil gefährlich. Polizeischutz nötig! Dass Köppler auch zum Schiedsmann in der CDU-Bundesführung wurde, ist der breiten Öffentlichkeit nicht bewusst geworden: Diese Machtkämpfe zwischen Kohl und Biedenkopf, Intrigen zwischen Barzel und Strauss, das Hin und Her um Albrecht und andere - Köpplers taktische Ambivalenz wurde von den Rivalen ausgenutzt, der redliche, um die Einheit der Union besorgte Spitzenmann ausgespielt, was dem Historiker nicht verborgen blieb. Trotz dieser auch seelischen Belastungen trat Köppler zum dritten Mal zur nächstfälligen Landtagswahl 1980 an. Johannes Rau (SPD) musste zunächst um den Wahlsieg bangen, denn Köpplers Aura war nicht verbraucht.
    Was fehlte dem Mann, um Ministerpräsident zu werden?
    Es fehlte Fortüne. "Immer knapp links von der Mitte" stand Köppler, so Bernhard Vogel, und was jetzt Jürgen Rüttgers über Adenauer sagte, kann auch für Heinrich Köppler gelten: Konservativ und progressiv.
    * Horst-Werner Hartelt war langjähriger landespolitischer Korrespondent der Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung in der Landeshauptstadt Düsseldorf und Rundfunkkommentator. Er ist Träger des renommierten Theodor-Wolff-Preises.

    Zusatzinformation Buchempfehlung:
    Stefan Marx: Heinrich Köppler (1925-1980). Politik aus christlicher Verantwortung. Droste 2006. 348 Seiten. 29,80 Euro

    ID: LIN03156

  • Zwischen gestern und morgen.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9-11 in Ausgabe 11 - 25.10.2006

    Der nahezu 80-jährige Alterspräsident der Gründerversammlung, Peter Zimmer, musste unmittelbar vor der Geburtsstunde des ersten, gleichwohl nicht frei gewählten Landtags Rede und Antwort stehen, – dem von der KPD entsandten und durch die Militär-Regierung genehmigten Vertreter Karl Schabrod. Der ab 1934 bis 1945 in Hitlers Gefängnissen misshandelte Edel-Kommunist wollte von Zimmer nur wissen: "Warum Coriolan und nicht Fidelio?" Beethovens Ouvertüre Coriolan, zur Eröffnung des Landtags doch angemessen, wie Zimmer bedeutete, gelte dem Gleichnis eines Mannes, der seine Vaterlandsliebe mit dem Leben bezahlen musste, so in der Oper. Tischler und Journalist Schabrod ließ Galgenhumor aufblitzen: "Da habe ich ja wohl noch Glück gehabt."
    Die Gründerversammlung von Englands Gnaden fasste an jenem grauen Oktobertag 1946 die verschiedensten Gruppen und Charaktere zusammen: Kriegs-Invaliden, KZ-Überlebende, NS-Mitläufer, Vertriebene und auch NS-Nutznießer. Umso empörter Parteifreunde des Sozialdemokraten Carl Severing: Die Militär- Regierung sperrte ihn aus, weil er 1932 als Innenminister von Preußen dem Putsch der Demokratie-Feinde auswich: "Ich weiche nur der Gewalt!" Genugtuung empfand Severing jedoch 1947, als der Prominente in seinem Bielefeld mit großer Mehrheit in den nun frei zu wählenden Landtag entsandt wurde, ebenso wie sein Gerechtigkeits-Kämpfer, der Zeitungsverleger Emil Groß.
    Konrad Adenauer und Carl Severing, zwei Parteien, zwei Welten, und doch gemeinsam ihr Schicksal der Verdammten in verfluchten NS-Zeiten. Aber Adenauer (CDU) wollte keine Große Koalition, er wollte die Macht allein und schon gar nicht mit seinem gewerkschaftsnahen Karl Arnold teilen. Adenauer-Urteile über ihn bedrückend, beleidigend. Frontal ging der Machtmensch gegen die Zentrumspartei (DZP) vor, gegen Parteifreunde aus der Weimarer Zeit. Amelunxens Signal, seine Parteilosigkeit aufzugeben und den bedrängten Katholiken das politische Überleben zu ermöglichen, erfreute den Klerus, doch der Landtag überließ das eigentümliche Schisma der Gleichgültigkeit. Millionen rangen ums nackte Überleben, der Gesetzgeber musste Ordnung schaffen, Ernährung, Unterkunft und soziale Gerechtigkeit organisieren, den Staatsaufbau nicht nur in den Mund, sondern in die Hand nehmen.
    Die Ruhr-Angst
    Der Landtag in diesem Katastrophen-Jahrhundert "quälte" sich, so der kernige Kölner Robert Görlinger. Das Parlament darbte mit, die Tagesration: zwei Scheiben Graubrot, 20 Gramm Fett, ein Löffel Marmelade, zwei Tassen Muckefuck. Erik Nölting jedoch fahndete nur nach Schreibpapier, der Paderborner Johannes Gronowski, einstmals Oberpräsident, freute sich über einen Bleistift. Heinrich Lübke besaß eine Aktentasche und musste den falschen Verdacht ertragen, Butterbrote aus dem Sauerland mitzubringen. Tabak-Krümel in einer aus Zeitungspapier gedrehten Zigarette, "ein Hochgenuss", wie Karl Matull allen Ernstes meinte. Die Abgeordneten-Diät: 200 Reichsmark!
    Aus dem Ruhrgebiet indes Töne neuen Erschreckens, die Fritz Henßler in der zerschundenen Region analysierte: Sowjetunion und Frankreich strebten nach restloser Ausbeutung sowie territorialen Veränderungen. Der Landtag einig in der Abwehr, nur die KPD abseits.
    Schneller als gedacht entwickelte sich lebensnotwendige Vernunft mit der britischen Siegermacht, nachdem die ersten drei Landtagspräsidenten Ernst Gnoß, Robert Lehr sowie Josef Gockeln die Besatzer fortwährend beschworen. 75 Millionen Pfund spendeten die Engländer, die erste Rate noch vor dem dollarschweren Marshall-Plan.
    Im Landtag jagten sich die Konferenzen Tag und Nacht, aufopfernd die wahren Volksvertreter, zwölfstündiges Anreisen, zehn Stunden andauernde Sitzungen. Da fragte doch einmal ein Pastor Emil Marx, ob er denn gar nicht in die Bibelstunde käme. Der fromme Christ: "Erst kommt’s Fressen, dann der Choral!" Der Abgeordnete hungerte nicht allein. Amelunxen indes stieß sich an Manieren einiger Offiziers- Gäste. Die Herren legten gern ihre Füße auf den Tisch, tadelte Amelunxen: "Kommiss-Köppe!" Feiner hingegen hohe Zivilbeamte aus London, Mitglieder der CONTROL-Kommission. Einer von ihnen Michael Thomas; er visitierte Franz Blücher und berichtete seinem Chef General Templer in Bad Oeynhausen: Der FDP-Politiker sei "eitel, stieselig, ein Buchhalter".
    Blücher und Freund Friedrich Middelhauve haben jedenfalls die FDP-Krise nicht erkannt. Über Nacht verhaftete die Militär-Polizei in Düsseldorfs Umgebung Goebbels’ ehemaligen Staatssekretär Naumann und Hintermänner. Secret Service konstatierte "Unterwanderungen" bei den Liberalen, zumal ihr Landtagsabgeordneter Ernst Achenbach, Ribbentrops Gesandter in Paris, gleich nach 1945 wie Phönix aus der Asche herumflog. Umtriebe am Rand schadeten auch Unbescholtenen wie Willi Weyer. Dieser Hüne von Gestalt sollte angeblich SS-Mann gewesen sein, sein wirklicher Rang: Unteroffizier der Flakartillerie. Er wurde stellvertretender Ministerpräsident an Fritz Steinhoffs Seite, jener Mann mit zerfurchtem Bergmanns- Antlitz und dem Leibspruch: "Butter bei die Fische!"
    Der traurige Sieg
    Die erste SPD/FDP-Koalition hatte nach Karl Arnolds Sturz keinen Bestand, das Schicksal schlug unbarmherzig zu. Arnold erlag im Wahlkampf dem Herztod, und seine CDU errang die absolute Mehrheit. Es kam Franz Meyers, kein Reformator, wohl aber ein exzellenter Administrator mit Witterungen für Zeitströmungen. Als erster und einziger CDU-Prominenter forderte er die Aufhebung des KPD-Verbots. Josef Hermann Dufhues griff ihn scharf an. Meyers revanchierte sich: "Zeit meines Lebens hat er nicht vergessen und mir nicht verziehen, dass er bei der Wahl zum Ministerpräsidenten unterlegen war." Und noch eines wusste Meyers genau: Käme der Rivale Heinz Kühn erst an die Macht, würden die Sozis mindestens 30 Jahre regieren... Warum, wieso? Die parlamentarische Fachelite von Christine Teusch bis Fritz Holthoff, von Josef Hofmann bis Heinz Kühn, von Paul Mikat bis Johannes Rau, von Wilhelm Lenz bis Wolfgang Brüggemann verstrickte sich in leidenschaftliche Gegensätze und Glaubenskämpfe um 2.000 Zwergschulen sowie um das überfällige Ende staatlicher Konfessionsschulen. Den Knoten durchhaute Wilhelm Lenz, wohl wissend, wie viele dagegen standen. Kirchliche Geistheiler haben es ihm nie verziehen. Dass fast 20 Jahre Lenz und John van Nes Ziegler abwechselnd ab 1966 bis 1985 Landtagspräsidenten waren, mutet wie ein Kuriosum an, zumal der SPD- und der CDU-Repräsentant ihre Wahlkreise in Köln hatten, "Nes" Vorgänger und Nachfolger von "Bobby", die Spitznamen der beiden, merkwürdige Zufälle.
    Die grosse Einigkeit
    Turbulente Jahre, epochale Entscheidungen im Landtag, so die Schul- und Bildungsreform, 20 Fachhochschulen auf einen Schlag Anfang der 70er Jahre und schließlich die Gebietsreform, Opposition und Regierungsparteien nach stürmischen Phasen Hand in Hand: Aus 2.334 Kommunen wurden 396! Das hohe Lied des Hohen Hauses stimmte aber keiner an, kein Präludium, kein Tedeum, obschon doch eine historische Umwälzung in den Regionen.
    Das Parlament konnte auch schweigsam sein. Nach Hin und Her rief der amtierende Präsident Alfred Dobbert den hoch angesehenen Erklärer Josef Hofmann auf: "Sie wollen berichten..." Doch der verzichtet. Also ruft Dobbert den Kollegen Köllen auf, aber der winkt ab. Ersatzweise soll jetzt "Herr von Ameln das Wort haben". Wiederum Absage, Dobbert hartnäckig: "Dann Kollege Schmelter..." Der Präsident, von der Stirne heiß, rinnen muss der Schweiß, macht noch einen letzten Versuch bei "Herrn Schmiedel". Wiederum Nein, da bricht Dobbert die Sitzung ab und verabschiedet sich mit einem "Dankeschön".
    Es ging schon mal lustiger in der Landtagsrunde zu. Christine Teusch: "Für meinen Herrgott springe ich über jede Mauer." Kühns Zwischenruf: "Ihr konfessioneller Hochsprung!" Größter Lacherfolg durch Unikum Walter Möller: "Ja, diese großen Politiker sehen alles durch die Große-Weite-Welt-Brille, und wir in Hausberge gucken durchs herzige Guckloch in der Klo-Tür!" Der Welt-Reisende, Landesvater Kühn, war gemeint, den Katharina Focke in Redepausen labte mit Schokolade, zart-bitter. Heinrich Köppler, ein rhetorischer Genuss allzeit, musste Burkhard Hirsch verknusen, denn der spottete, es müsse Nacht werden, "wenn Köpplers Sterne strahlen sollen".
    Der plötzliche Herztod des Oppositionsführers Köppler 1980 wiederholte das Karl-Arnold- Drama von 1958. Damals wie jetzt nicht nur ein erschreckender Verlust der CDU, sondern für den Landtag insgesamt. Selbst Nachfolger Kurt Biedenkopf konnte das Unglück kaum verkleinern, auch Bernhard Worms nicht. Abwanderungen verstärkten das Defizit.
    Der intellektuelle Reichtum des Parlaments schmolz dahin wie die Kassenbestände. Friedel Neuber, einst Finanzexperte im Landtag, warnte vor "Ewigkeits-Schulden" durch rücksichtslose Kreditaufnahmen. Finanzminister Diether Posser jedoch setzte sich ans Klavier und spielte "Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück...". Der integere Mann machtlos, und der Sieger-Meister Rau in allen Wahlen bis 1995 winkte ab, wenn Helmut Linssen "Schulden-Johannes" rief.
    Das letzte Jahrzehnt im letzten Jahrhundert stand im Glanze der deutschen Einheit. NRW übernahm die Patenschaft für Brandenburg, generös der Landtag, auf eigene Faust Herbert Schnoor und Bodo Hombach. Lieferungen wurden organisiert, von der Büroklammer bis zur Apfelsine, und Friedrich Halstenberg baute die Brandenburger Verwaltung auf. Der energische Präsident Karl Josef Denzer half mit Delegierungen, bevor er sein Amt freudig an Ingeborg Friebe übergab, ein außergewöhnliches Ereignis! Erstmals eine Frau Landtagspräsidentin, die aus ihrer Bescheidenheit kein Hehl machte: "Das liebste Amt ist mir das Bürgermeisteramt in Monheim..."
    Neue Farben
    Dass die Grünen mit Sitz und Verstimmungen dem Landtag nicht schadeten, war ihrem versierten Politikus zu verdanken, nämlich Michael Vesper, der zuvor in Bonn Joschka Fischer half. Das Erscheinungsbild des Hohen Hauses allerdings mit einer exorbitanten Darbietung in jeder Plenarsitzung: Bajazzohaft gekleidet defilierte der grüne Roland Appel im Plenarsaal. Leise weinend nahm es der Landtag hin. Ausweichend Patriarch Hans Ulrich Klose: "Kein Blödmann"! Und Ulrich Schmidt nickte.
    Die durch Rau vorgelebte Harmonie verwehte im Wind des Werte-Wandels. Ob Kalkar oder Garzweiler, ob Kohle oder Kalk, mehr Dispute statt Debatten zum Umweltschutz. Friedhelm Farthmann warnte vor "emotionalen Unterwanderungen", die Grünen in der Offensive, Klaus Matthiesen im Streit um Meinungsmacht. Balance-Politik bröckelte im Steinbruch der Kompromisse, Unmut und Unruhe. Edgar Moron: "Die Kohle ist unser Schicksal!" Händeringend die Experten im Landtag, die in den 50er, in den 60er, in den 70er, in den 80er und in den 90er Jahren und in der jetzt laufenden 14. Wahlperiode fortdauernd um Absatz und Existenz der Kohle ringen. Hunderte Anträge, Entschließungen, Richtlinien, Gesetze und Resolutionen in knapp 60 Jahren haben den Niedergang im Bergbau nicht verhindert. SPD, CDU, FDP, einst vereint in der so genannten "Kohle-Fraktion", sind schon lange uneins. Den Grünen gefällt dies.
    Sozusagen im Nebenlicht der Kontroversen die mustergültige Haushaltskontrolle des Abgeordneten Franz Riehemann, doch nur zuständig für die Richtigkeit der Rechnungen, nicht ob ihrer Notwendigkeit. So konnte es geschehen, dass die Regierung noch nach 1990 für die Bonner Landesvertretung viele Millionen zum Aus- und Umbau vergeudete. Dass der ungewollte Umzug von Bonn nach Berlin sich um zehn Jahre verspätete, verdoppelte die Kosten...
    Eine neue Zeit brach an, ein neuer Mann in der Arena: Bundesminister a.D. Jürgen Rüttgers. Raus Nachfolger Clement und Steinbrück haben ihn unterschätzt. Perfekt die Überraschung, als Regina van Dinther den Präsidentenstuhl im Landtag einnehmen konnte, es war seit 1980 das erste Mal für die CDU und das erste Mal für die SPD seit 1966, dass sie die Opposition einnehmen musste. Staatsministerin a. D. Hannelore Kraft die Vorsitzende, – unvergesslich der sozialdemokratische Oppositionsführer von 1962 bis 1966, "der CICERO", wie Freunde Heinz Kühn wegen seiner brillanten Redekunst apostrophierten.
    Der Landtag im 60. Lebensjahr arbeitet schon wieder auf Hochtouren: 29 Gesetze beschlossen! Zuviel des Guten? An Danksagungen fehlt es nicht, aber übersehen werden die Spezialisten der Staatsverwaltung, "Nicht-Politiker" wie Rietdorf, Rombach, Röver und andere. Dank ihres administrativen Sachverstandes haben sie in vielen Jahren viele Gesetze des Gesetzgebers vorbestimmt.
    Horst-Werner Hartelt

    ID: LIN02152

  • Der Staatsverschuldung auf der Spur.
    Minister a.D. Friedrich Halstenberg wird 85.
    S. 12 in Ausgabe 6 - 22.06.2005

    Gefeiert habe ich im Kreise der Familie – mit meiner Frau, vier Kindern, sieben Enkeln und vier Urenkeln. Die Politik lade ich jetzt in kleinen Tranchen ein. Da kann man sich besser unterhalten." Und über Politik unterhält sich Professor Dr. Friedrich Halstenberg auch mit 85 Jahren noch gerne. So alt wurde der ehemalige SPD-Abgeordnete und NRW-Finanzminister am 12. Juni 2005.
    In seiner Wahlheimat Düsseldorf beschäftigt sich der Jurist – passionierter Heimwerker und Schwimmer – bis heute mit seinem politischen Lieblingsthema, der Staatsverschuldung. 2001 erschien sein letztes Buch, ein "sehr ärgerliches", wie der Sozialdemokrat schmunzelnd behauptet. Denn Sparvorschläge würden in der Politik von niemandem gern gehört, so die Erfahrung des pensionierten Hochschullehrers.
    Geboren wurde Friedrich Halstenberg in Werfen im Kreis Herford. Nach dem Jurastudium arbeitete er beim Deutschen Städtetag und an der Technischen Hochschule Hannover, bevor er 1962 als Ministerialdirigent im Bundeswohnungsbauministerium ersten Kontakt zur Politik aufnahm. 1964 trat er der SPD bei, 1966 berief man den Juristen zum Chef der Staatskanzlei. Dem Landtag gehörte Halstenberg von 1972 bis 1980 an; in den ersten drei Jahren als Minister für Bundesangelegenheiten, von 1975 bis zu seinem Rücktritt im Zuge der "Poullain-Affäre" 1978 als Finanzminister.
    Danach kümmerte sich Halstenberg zunächst um die Finanzen der SPD; von 1990 bis 1995 beriet er die Brandenburgische Landesregierung, bevor er sich dann wieder seinem Steckenpferd, der Staatsverschuldung widmete. Das nächste Werk zu dem Thema ist übrigens bereits in Arbeit.

    ID: LIN00990

  • 1978.
    Karikaturen.
    S. 10 in Ausgabe S1 - 31.10.2000

    In Camp David einigen sich der ägyptische Staatschef Sadat und der israelische Ministerpräsident Begin unter Vermittlung von US-Präsident Carter auf die Einleitung von Friedensschritten für den Nahen Osten. Über 50% der Österreicher sprechen sich gegen die Nutzung der Atomenergie aus. Druckerstreik: Die IG Druck und Papier sieht durch die Einführung computergesteuerter Textverarbeitungssysteme ihren tariflichen Besitzstand gefährdet. Neuer Papst wird der Pole Karol Wojtyla. Über 900 Mitglieder der Sekte "Tempel des Volkes" begehen im Dschungel von Guayana Selbstmord. In NRW ist das Volksbegehren gegen die kooperative Schule erfolgreich. Nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Heinz Kühn wird Johannes Rau zum Regierungschef gewählt. Der Datenschutz wird in der Landesverfassung verankert.
    Karikaturen:
    23.01.1978 Im Zusammenhang mit der Krise der WestLB und der Poullain-Affäre tritt Finanzminister Prof. Friedrich Halstenberg (SPD) von seinem Amt zurück. Die SPD/F.D.P.-Landesregierung gerät in eine Krise. Die CDU-Opposition fordert auch den Rücktritt von Ministerpräsident Heinz Kühn (SPD).
    Bildunterschrift:
    Glatteis in Düsseldorf
    06.03.1978 Auch durch das Volksbegehren gegen die Kooperative Schule gerät die Regierung Kühn unter Druck. Über 3,6 Millionen Bürgerinnen und Bürger haben sich in die Unterschriftenlisten für das Volksbegehren eingetragen, das von der CDU unterstützt wird. Die SPD/F.D.P.-Landesregierung zieht umgehend Konsequenzen und schlägt dem Landtag die Aufhebung des Gesetzes über die kooperative Schule vor, was der Landtag dann auch tut.
    Bildunterschrift:
    Frühjahrshochwasser
    25.09.1978 Am 20. September 1978 wählt der Landtag den SPD-Landesvorsitzenden und bisherigen Wissenschaftsminister Johannes Rau zum neuen Ministerpräsidenten- Rau, der in geheimer Wahl alle 104 Stimmen der SPD/F.D.P. Koalition erhält, löst Heinz Kühn ab, der fast 12 Jahre amtierte. Für Raus Gegenkandidaten Heinrich Köppler stimmen die 95 CDU-Abgeordneten.
    Bildunterschrift:
    In Treue fest
    06.11.1978 Oppositionschef Heinrich Köppler unterstreicht seine Bereitschaft, auch bei der Landtagswahl 1980 als Spitzenkandidat der CDU zur Verfügung zu stehen, ungeachtet der innerparteilichen Konkurrenz.
    Bildunterschrift:
    ... da ist die Motte drin.

    ID: LIN04981

  • Der Bundesrat nahm Abschied von Bonn.
    Von der Aula am Rhein ins Berliner Herrenhaus.
    S. 24 in Ausgabe 13 - 05.09.2000

    Zum Abschied von Bonn hatte der amtierende Präsident des Bundesrats, der sächsische Ministerpräsident und frühere CDU-Fraktionsvorsitzender im NRW-Landtag Professor Kurt Biedenkopf, am 13. Juli 2000 in das Bundesratsgebäude eingeladen. Es war der Vorabend der vielleicht dramatischsten Sitzung in der über 50-jährigen Geschichte der Länderkammer. Denn am 14. Juli sollte die Steuerreform der rotgrünen Bundesregierung im Bundesrat die letzte Hürde nehmen. Bis in die Nacht blieb der Öffentlichkeit verborgen, wie die fünf Länder abstimmen würden, die in Koalitionsregierungen mit den Berliner Oppositionsparteien CDU, FDP und PDS verbunden sind: Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg/Vorpommern und Rheinland-Pfalz.
    "Der Himmel weint" sagten Bonner Journalisten, die seit Jahren die Arbeit des Bundesrats beruflich begleiten. Denn es regnete und hörte auch am folgenden Tag nicht auf. Ein bisschen Wehmut lag über der früheren Bundeshauptstadt, wo noch große Schilder zum "Auswärtigen Amt" weisen, beim Abschied von der letzten gesetzgebenden Verfassungsinstanz. Unter den Ehrengästen waren viele frühere Mitglieder des Bundesrats, aus NRW zum Beispiel die früheren Minister Inge Donnepp, Dr. Dieter Haak, Dr. Friedrich Halstenberg, Dr. Diether Posser. Auch die Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann war da. Und der für Regionalpolitik zuständige EU-Kommissar Michel Barnier. Der langjährige Vorsitzende des Bundesrats-Finanzausschusses, NRW-Finanzminister a. D. Heinz Schleußer war nicht mehr dabei.
    In seiner Abschiedsansprache erinnerte Biedenkopf an die Funktion des Bundesrats: Er sichert der Bundesregierung den Sachverstand bei der Ausführung der Gesetze, für die die Länder maßgeblich zuständig sind. Und hob hervor: Das geeinte Deutschland passe als Bundesstaat zu seinen neun europäischen Nachbarstaaten besser als ein Zentralstaat. Für seine Anmerkung, der wohltuende Unterschied zum Bundestag sei der Verzicht auf Beifall im Bundesrat, erhielt er ausnahmsweise doch Beifall.
    Am 14. Juli dann die letzte Sitzung des Bundesrats in Bonn. Wegen des ungeheuren Andrangs von Medienvertretern rief der Präsident die Steuerreform als ersten Tagesordnungspunkt auf. Doch zuvor gedachte der Bundesrat des verstorbenen Mitglieds Schleußer. Und es gab weitere Abschiedsworte. Biedenkopf erwähnte den schlichten Sitzungssaal, die ehemalige Aula der Bonner Pädagogischen Akademie, deren drangvolle Enge an diesen beiden Tagen wieder deutlich wurde. Wo bis zur deutschen Einheit 11 Ländervertretungen gesessen hatten, mussten sich dann 16 Ministerpräsidenten mit ihren leitenden Beamten die erste Stuhlreihe teilen. Übrigens war der Bonner Bundesrat auch sprachlich ein interessanter Ort. Nirgendwo konnte man auf engstem Raum so viele deutsche Dialekte neben- und miteinander hören wie hier.
    Für die Bundesregierung sprach Staatsminister Hans Martin Bury aus Baden-Württemberg vom "Tag des Aufbruchs". Und Erik Bettermann aus Bremen hatte sich für die 16 Bevollmächtigten noch etwas Besonderes ausgedacht: Aus der "Ewigen Liste" aller Bevollmächtigter seit 1949 erwähnte er die Ehemaligen: Karl Carstens, Roman Herzog und Johannes Rau, alle spätere Bundespräsidenten, und scherzte zu seinen 15 Kolleginnen und Kollegen: "Sie haben also noch eine große Karriere vor sich".
    Dann teilte der Präsident die Namen von sechs Mitgliedern des 2. Kabinetts von NRW-Ministerpräsident Clement mit, die die Landesregierung - nach der Wahl - als neue (bzw. neu gewählte) Mitglieder des Bundesrats benannt hatte. Wolfgang Clement, Peer Steinbrück, Dr. Fritz Behrens, Dr. Michael Vesper, Ernst Schwanhold und Detlev Samland bilden die NRW-"Mann"schaft für das Berliner "Herrenhaus". Das frühere Preußische Herrenhaus ist der Sitz des Bundesrats nach dem Umzug in Berlin. Die weiblichen und zwei weitere männliche Kabinettsmitglieder aus NRW finden sich als Stellvertreter auf der Liste.
    Dann wurde es ernst. Tagesordnungspunkt Steuersenkungsgesetz. Als Berichterstatter erläuterte NRW-Finanzminister Peer Steinbrück die trockene Materie und das "unechte Vermittlungsergebnis" nur der "A-Länder". Die B-Länder, also die unionsregierten Länder, das war aus den Medien bekannt, wollten es auf ein zweites Verfahren im Vermittlungsausschuss ankommen und dann die Steuerreform im September passieren lassen. Doch in der Nacht davor "kippten" alle fünf "AB"- und "AC-Länder". Bundeskanzler Schröder und Bundesfinanzminister Eichel hatten ihnen für die Zustimmung Zugeständnisse gemacht. Es soll sich um Extra- bzw. vorgezogene Leistungen des Bundes in Höhe von sieben Milliarden Mark handeln. Am Ende gab es 41 Stimmen für die Berliner Steuersenkungen, sechs Stimmen mehr als nötig. Die Medien sprachen von einem "Steuer-Coup".
    CDU- und CSU-Ministerpräsidenten machten ihrem Ärger noch in der Bundesratssitzung Luft: "Missbrauch eines Verfassungsorgans" (Dr. Bernhard Vogel, Thüringen), "Stimmenkauf", "Grauzone des Föderalismus" (Dr. Edmund Stoiber, Bayern). Am nächsten Tag stellten die Medien die CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel und den CDU-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag Dr. Friedrich Merz als Verlierer heraus. "Triumph und Desaster" überschrieb eine süddeutsche Zeitung ihren Bericht. Eine Zeitung aus Frankfurt stellte klar, dass die nun verabschiedete Steuerreform zwei Forderungen von CDU und FDP erfülle, nämlich die Senkung des Spitzensteuersatzes auf 42 Prozent ab 2005 und die steuerliche Erleichterung von Unternehmensübergaben.
    Ursachen, Schuldige, Kosten des "Steuercoup" wurden abgehandelt. Das neuartige Verfahren wurde wenig beleuchtet, da es für "der Öffentlichkeit schwer vermittelbar" gehalten wurde. Der Bundesrat nahm, erstmals in einer so späten Phase der Beratung, am 14. Juli zum Steuersenkungsgesetz einen Entschließungsantrag an. Danach wurde der Bundesregierung aufgegeben, ein weiteres Steuergesetz mit den beiden Änderungen "des letzten Augenblicks" vorzulegen. Dieser Entschließungsantrag wurde den Vertretern der unionsregierten Länder erst während der Sitzung bekannt, während die "AB-Länder" während der Vorgespräche davon unterrichtet worden waren. Inzwischen hat das Bundeskabinett dieses Steuersenkungsänderungsgesetz eingebracht. Wenig beachtet wurde auch ein "Tauschgegenstand", den der Stadtstaat Bremen dem Bundeskanzler abgerungen hat: weitere Berücksichtigung seiner Sonderlasten im Länderfinanzausgleich. Das bedeutet, dass auch die anderen "Nehmerländer" mit wenig Änderung zu rechnen haben. Bei einer grundsätzlichen Neuordnung der Ländergliederung und der Länderfinanzen hätte wohl auch das ungleiche Stimmgewicht im Bundesrat zur Diskussion gestanden. Weil die Länder nicht einzeln ihre Stimme abgeben, sondern als Stimmpakete: die größten haben sechs, die kleinsten drei Stimmen, sind ihre Voten äußerst ungleich. Eine Stimme von Nordrhein-Westfalen (18 Millionen Einwohner) steht im Bundesrat für drei Millionen Menschen, eine Stimme von Bremen/Bremerhaven (673000 Einwohner) dagegen nur für 220000 Menschen. NRW hat sechs, Bremen drei Stimmen im Bundesrat.
    mmg

    ID: LIN04313

  • Professor Dr. Friedrich Halstenberg.
    Zur Person
    S. 12 in Ausgabe 11 - 27.06.2000

    Professor Dr. Friedrich Halstenberg(SPD) hat am 12. Juni seinen 80. Geburtstag begangen. Geboren in Werfen im Kreis Herford als Sohn eines Schulrektors besuchte er das Realgymnasium und machte noch vor dem Krieg 1938 Abitur. Halstenberg studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Göttingen. Köln und Bonn und legte 1950 das erste juristische Staatsexamen in Köln ab. Das zweite Examen folgte 1955 in Düsseldorf. Von 1951 bis 1962 war er Referent, später Beigeordneter im Deutschen Städtetag, in der kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung und im Verband kommunaler Unternehmen. 1962 erhielt er als Honorarprofessor einen Lehrauftrag an der Technischen Universität Hannover. Von 1962 bis 1965 leitete er als Ministerialdirigent die Abteilung Städtebau und Raumordnung im Bundeswohnungsbauministerium. Von 1965 bis 1966 war der Jurist aus Westfalen Verbandsdirektor des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk. Von 1966 bis 1972 hatte er als Staatssekretär das Amt des Chefs der Staatskanzlei inne. Von 1972 bis 1975 war Friedrich Halstenberg Minister für Bundesangelegenheiten und von 1975 bis 1978 Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen. Der SPD, deren Finanzen er als Schatzmeister lange regelte, gehört er seit 1964 an. Gewählt in der 7. und 8. Wahlperiode über Landesliste, hatte der Vater von fünf Kindern von 1972 bis 1980 ein Mandat im Landtag.

    ID: LIN04543

  • Ein Meister der freien Rede.
    Vor 75 Jahren wurde Albert Pürsten geboren.
    S. 17 in Ausgabe 3 - 10.02.1998

    Von Professor Dr. Wolfram Köhler
    Wenn er es erlebt hatte, wäre das ein großes Fest geworden. Am 20. Februar hätte Albert Pürsten seinen 75. Geburtstag gefeiert, dieser deftige Mann, der dem NRW-Landtag fast 22 Jahre lang angehört hat. Wenn er ans Rednerpult marschierte, füllten sich Ränge und Abgeordnetenbänke. Denn er redete in der Sprache des Volkes, die jeder verstand, stets ohne Manuskript, frei von der Leber weg. Aber auch hinter dem wütendsten Angriff blieb Menschlichkeit spürbar, und aus donnernden Wolken blitzte bald wieder versöhnlicher Humor. Eigentlich mochten alle "den Albert".
    Der studierte Volks- und Hauptschullehrer fühlte sich als Vogtländer, als Kind des Erzgebirges. Dort war er groß geworden, und in der Kreisstadt Annaberg hatte er die Schule besucht; geboren wurde er 1923 in einem Dorf in Thüringen. Dann Krieg, Offizier der Luftwaffe, auf kommunistischen Druck Flucht nach dem Westen — ihm war nichts erspart geblieben. An der PH Wuppertal studierte er und begann zugleich, sich politisch zu engagieren. Das Stichwort, das dann zu seiner Lebensaufgabe wurde, hieß Espelkamp. Hier, bei Bielefeld, sollte aus einem Munitionslager eine halbwegs menschenwürdige Unterkunft für die hereinströmenden Ostvertriebenen gemacht werden. Als Student und dann als junger Lehrer war Albert Pürsten voll dabei, und die später so beispielhafte Flüchtlingsstadt Espelkamp wurde auch ihm zur zweiten Heimat.
    Die politische Karriere verlief ebenfalls zügig und über die Junge Union nach oben. Bald war er Stellvertreter sowohl im Landesvorstand Westfalen wie in der CDU-Landtagsfraktion, der er von 1958 bis 1980 angehört. Alles, was in diesen langen Jahren in Sachen Schule und Sport diskutiert und beschlossen wurde, ist wesentlich von ihm beeinflußt worden.
    Seine politische Meisterleistung aber war Anfang 1978 das Organisieren und Durchpauken des Volksbegehrens gegen die Kooperative Schule, die von der sozialliberalen Regierung unter Heinz Kühn (SPD) beschlossen worden war. Das Konzept dieser Bürgerinitiative gegen die offizielle Schulpolitik stammte von Pürsten, der dabei aber die volle Unterstützung seines CDU-Landesvorsitzenden und Freundes Heinrich Köppler hatte. Der westfälische Vorsitzende Kurt Biedenkopf war eher skeptisch. Es gelang der CDU trotz Winterzeit und Karneval, das Land wie bei einem Wahlkampf zu mobilisieren. Die Abstimmung Ende Februar 1978 wurde zu einem Sieg der Opposition: 29,8 Prozent der Stimmberechtigten (benötigt: 20 Prozent) sprachen sich gegen "Koop" aus. Die Regierung Kühn-Riemer/Hirsch mußte den Gesetzentwurf zurückziehen.
    Dieses Jahr 1978, diese Monate vor genau zwanzig Jahren, waren landespolitisch bewegt und krisenhaft. Da war die "Affaire Poullain", die seit Sommer 1977 schwelte. Der Chef der WestLB, der NRW-Hausbank, hatte sich, obwohl mit auskömmlichem Salär ausgestattet, als Berater noch eine Million dazuverdient und diesen Betrag bar, per Koffer und persönlich in München abgeholt. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß (Vorsitz: Theo Schwefer [CDU]) ermittelte. Am 17. Januar 1978 entließ die West-LB Ludwig Poullain, wenig später trat Finanzminister Halstenberg (SPD) zurück. Dann die Niederlage der SPD beim Volksbegehren. Der Hintergrund zu diesem Krisenszenario war die offensichtliche Amtsmüdigkeit des 66jährigen Heinz Kühn und die ungelöste Nachfolgefrage. Diether Posser? Johannes Rau? Erst ein Parteitag in Duisburg brachte Klarheit und entschied sich mit 161 zu 150 Stimmen für Rau, der dann im September 1978 Ministerpräsident wurde. Damit klärte und beruhigte sich die Lage für die SPD.
    Die CDU hingegen mußte bis zur nächsten Landtagswahl 1980 personell harte Schläge hinnehmen. Albert Pürsten, des Nur-Opposition-Machens müde, war 1979 ins Straßburger Europaparlament gegangen. Am 20. April 1980 starb jäh der CDU-Landesvorsitzende Heinrich Köppler, erst 54 Jahre alt. Albert Pürsten, dieser taten- und lebensfrohe Mann, folgte seinem Freund Köppler nur sieben Wochen später. Er starb im Alter von 57 Jahren an einer Viruserkrankung. Wie im Zeitraffer hatte die CDU zwei große politische Begabungen und Hoffnungen verloren.

    ID: LI980340

  • Höhen und Tiefen eines Vierteljahrhunderts Landespolitik.
    S. 4-6 in Ausgabe S2 - 01.10.1995

    Von Horst-Werner Hartelt
    Ein Vierteljahrhundert ist verstrichen, Leistung und Schicksal in der Bilanz zwischen gestern und morgen: Den goldenen 70ern folgten teure 80er, und inmitten ermatteter 90er erleidet die Landespolitik eine Art von Magersucht. Aus Reformern sind häufig Administratoren geworden, zu viele Gesetze, zu wenig Geld und zu viele Schulden verwalten sie jetzt. Weder Landtag noch Landesregierung können sich aus den selbst angelegten Fesseln einer zu lange betriebenen Politik der Redundanz befreien. Die Reduktion ist nun Programm.
    Das waren noch Zeiten, als vor 25 Jahren die Regierung Kühn/Weyer eine in den 60er Jahren ausgebrochene Kohlen-Krise eindämmte. Dem vom Landtag abgesicherten Entwicklungs-Programm Ruhr folgte auch ein alle Regionen umfassendes NRW-Programm, Finanzbedarf: 32 Milliarden Mark, davon zehn Milliarden für Bildung und Forschung; acht neue Universitäten wurden aus dem Boden gestampft. Aufbruch, Aufschwung; Aufwind draußen im Land und drinnen im Landtag.
    Es war die Zeit parlamentarischer Sternstunden: Hie Heinz Kühn, da Heinrich Köppler, dort Johannes Rau und hier Wolfgang Brüggemann. Willi Weyer, Fritz Holthoff, Josef Neuberger; eine Lust, ihnen zuzuhören.
    Den Finanzministern Wertz und Halstenberg verging jedoch alsbald die gute Laune, denn überall wucherten die Begehrlichkeiten. Aufgaben, Ausgaben, ein gefährlicher Zyklus.
    Vor allem an die Adresse der eigenen Partei wandte sich gleich zweimal Heinz Kühn, 1973 und 1974: "Es gibt Zeiten, in denen die Bewahrung der Erreichten das Maximum des Erreichbaren ist." Und 1975 wies er um den SPD- Wahlsieg fürchtende Funktionäre in die Schranken: "Wahltaktik hin, Wahltaktik her, Redlichkeit zuvor", es muß gespart werden."
    Jungsozialisten zettelten Kampagnen gegen Kühn an, die seine Amtsmüdigkeit beschleunigten. Scharfen Gegenwind blies ihm auch die CDU-Opposition ins Gesicht. Heinrich Köppler nannte den Ministerpräsidenten einen "apokalyptischen Rittmeister mit Notstandsprogramm".
    Hans Wertz mußte erstmals 1975 vier Milliarden Mark auf dem Kreditmarkt besorgen, Nachfolger Friedrich Halstenberg hielt den Jahresetat NRW noch unter 40 Milliarden, die Gesamtverschuldung des Landes machte damals 13 Milliarden Mark aus, eine durchaus verkraftbare Finanzmasse.
    1995 umfaßt der Landeshaushalt 87 Milliarden Mark und die Gesamtverschuldung beträgt 120 Milliarden Mark. Finanzminister Schleußer mußte bei seiner Amtsübernahme eine Schuldenlast schultern, einsam steht er da, das Schicksal des Rufers in der Wüste vor Augen.

    Ideen mit Echo

    Die Landespolitik lebt nicht vom Brot, vom Etat allein. Im letzten Vierteljahrhundert sind überfällige Ideen gereift, von großem Echo begleitet. Den längsten Zeitraum für breit gefächertes Interesse der Öffentlichkeit nahm die kommunale Gebietsreform ein. Die Räume Aachen, Bielefeld, Ruhrgebiet, Niederrhein, Münster/ Hamm, Mönchengladbach, Düsseldorf, Wuppertal, Köln, Sauerland und Paderborn wurden neu gefaßt. Von 2277 Gemeinden sind nur 396 selbständig geblieben. Ein politischer Kraftakt sondergleichen, wenn auch nicht in allen Fällen ein Meisterstück. Immerhin wurde eine von den Kölnern erhoffte und hartnäckig betriebene Räuberei zunichte gemacht: Die Domstadt wollte sich nämlich Leverkusen einverleiben. Der legendäre "Zehnerklub" hat dergleichen Gigantomanie zu verhindern gewußt und die Landkarte zwischen Rhein und Weser allemal seriös verändert. Antwerpes, Worms, Neu, Koch, Kassmann, Weyer, Halstenberg, dies war das Fähnlein der sieben Aufrechten, das sich mit Gott und der Welt herumschlagen mußte.
    Daran gemessen war die spätere Kommunalreform mit dem Ziel, endlich die Doppelführungsspitze in den Rathäusern abzuschaffen, geradezu ein Kinderspiel. Hier zogen doch letztlich alle an einem Strang, nachdem unbegreiflicherweise die Regierungspartei ausgerechnet ihren Innenminister Herbert Schnoor im ersten Anlauf gestoppt hatte und gar ein Landesparteitag seine Vorlage ablehnte. Im letzten waren es die Oppositionsparteien, die Schnoor zum Sieg verhalfen, der Landtag hat hier ein weiteres Mal seine regulative Kraft über einzelne Parteiinteressen hinweg unter Beweis gestellt.
    Da staunten selbst die Kulturpolitiker. Ihre Dispute, ihre wechselseitige Ablehnung, ihr Reformeifer, dies und anderes hat immer wieder das Klima eines Kulturkampfes heraufbeschworen, als ginge es noch immer um Zwerg- und Konfessionsschulen, die ja Ende der 60er endlich abgeschafft wurden. Aber nun ging es um die Ausbildung der Lehrer, um die Vermehrung ihrer Planstellen von 70 000 (1967) auf 160 000, um das Schulpflichtgesetz, wie Fachschulgesetze, um die Einführung der Gesamtschule, um das Hin und Her um Hauptschule und Oberstufe, um Abitur und klägliche Leistungsdefizite. Pädagogen und Ideologen rangen in Tausenden von Debattenstunden. Kultusminister Hans Schwier hat sie in 25 Jahren sowohl als Abgeordneter wie auch als pausenlos von irgendeiner Seite angegriffenes Regierungsmitglied erstaunlich gut überstanden - ein Wunder! Die Schule stand immer im zentralen Konfliktfeld des Landtags, woran auch die Verbandsdemokratie ihren mitbestimmenden Anteil hat, was so nicht in der Verfassung vorgeschrieben steht. Aber es wird keine Ruhe geben, traditionelle Fundamente stehen nicht unter Denkmalschutz und über Bildung wie Erziehung, über Lehrer sowie Elternrecht läßt sich immer trefflich streiten. Auch die GRÜNEN, seit 1990 dabei, mischen kräftig mit und propagieren die "neue" Schule.
    Es ist nicht alles grün, was glänzt, wie sich heute retrospektiv am deutlichsten in der Überlebenshilfe zeigt, die Landtag und Landesregierung bedrängten Industrien angedeihen ließen. Kohle, Stahl, Textil und Landwirtschaft, Milliarden sind geflossen für Arbeitsplätze und Sozialpläne. Bei aller Würdigung Hunderter Landesgesetze von der Wiege bis zur Bahre, ob für Krankenhäuser, Wasser, Wohnungen, Hochschulen, Kindergärten, Umwelt - der Jahrhundertvertrag NRW/Bund zwecks Vorrang heimischer Kohle für die Energieerzeugung und die Millionen-Bewilligungen sind im wahrsten Sinne des Wortes ein exorbitantes Kapitalstück der Landespolitik. Das Ganze ging und geht einher mit dem Abbau überholter Infrastrukturen, mit der Gründung neuer Arbeitsplätze, Umwälzungen sind im Gange, die ohne Landtag und ohne Landesregierung trotz aller Anstrengungen von Industrie und Wirtschaft nicht möglich wären.
    Inzwischen hat die Politik auch den neuen Medien einen vielversprechenden Standort in NRW geschaffen. "Einzigartig" nennt Wolfgang Clement das Zwei-Säulen-Modell für den privaten Hörfunk, dem zunächst keine Chancen eingeräumt wurden. 44 Lokalsender sind aktiv, aber ihren volkswirtschaftlichen oder nur publizistischen Wert muß der Landtag noch diskutieren. Auch TV-Sender VOX, der mit Hilfe von NRW-Verfassungsorganen aus der Taufe gehoben wurde, gibt manche Rätsel hinsichtlich der Verwirklichung seines gesetzlichen Auftrages auf. "Der Landtag als Gestalter der Medienlandschaft", wie es der Abgeordnete Jürgen Büssow stolz verkündete, steht ziemlich ratlos den auffallenden Konzernbeteiligungen im Medienbereich gegenüber. Zum Abschied aus ihrem Amt deutete dies Landtagspräsidentin Ingeborg Friebe an. Die Konzentration im Bereich des Privatfernsehens könnte vielleicht eines Tages den Pluralismus in unserer Demokratie beeinträchtigen, und so postulierte Frau Friebe:"Die Meinungsfreiheit darf nicht verkauft werden!" Das Parlament kann stolz darauf sein, diese Meinungsfreiheit auch Journalisten eingeräumt zu haben, die Abgeordnete, Fraktionen und Landtagsverwaltung immer wieder scharf und schärfer kritisierten.
    Auch die umstrittene Entscheidung für einen neuen Parlamentsbau hat länger als ein Jahrzehnt gedauert, was nicht zuletzt auch an Journalisten lag (der Autor der Chronik nimmt sich da nicht aus), die sich so lange in Kosten- und Nutzen- Rechnung ergingen, bis die Baupreise am Markt mehr als verdoppelt waren. Die Parlamentspräsidenten Wilhelm Lenz, John von Nes Ziegler und Karl Josef Denzer haben dieses moderne Architektendenkmal am Rhein entstehen lassen, nachdem das alte Domizil am idyllischen Schwanenspiegel mitten in Düsseldorf den Abgeordneten nicht mehr gut genug war. Eine historisch zu nennende Stätte wurde aufgegeben, aber nicht nur das, wenn Steine reden könnten, müßten sie bezeugen: Verloren ging eine für das Ständehaus ziemlich einmalige Atmosphäre des Streitens und der Aussöhnung: Regierung und Landtag immer auf Tuchfühlung. In diesem stimulierenden Gemäuer ist Johannes Rau groß geworden. Vor 25 Jahren wurde dieser begnadete Parlamentarier Minister, eigentlich blieb er bis heute, was er schon 1958 als blutjunger Abgeordneter zu werden schien: Politikus und Praktikus, eine wahrhaft singulare Erscheinung in NRW, nachdem Heinz Kühn in die Pension und Willi Weyer in den Sportbund geflüchtet waren. Schon lange vor ihrer Demission hatte der Landtag 1971 Josef Hermann Dufhues verloren, der einem Virus erlag.
    "Ich darf nicht wagen, dem spröden Manne, der die Weichheit seines Inneren so scheu verbarg, noch nach seinem Tode meine Freundschaft anzudienen..., doch wurde ich so schmerzlich getroffen wie beim Tode eines guten Freundes", sagte Ministerpräsident Heinz Kühn (SPD) und dankte dem einst so vehementen CDU-Kontrahenten Josef Hermann Dufhues für "Gemeinsamkeiten". In einer traurigen Stunde offenbarte sich die Demokratie in menschlicher Reinheit, es war ein Akt politischer Kultur, die bei allem Gegeneinander im Plenarsaal auch Heinrich Köppler nicht verkommen ließ.
    Wie schon Karl Arnold und wie Josef Hermann Dufhues ereilte auch Köppler allzu früh der Tod. Er stürzte die CDU hierzulande fast in eine tödliche Krise. Köpplers unmittelbarer Nachfolger, der Professor Kurt Biedenkopf, beehrte zwar den Landtag mit wahrhaft großartigen Reden, doch unvergessen bleiben die meist persönlichen Kontroversen mit eigenen Parteifreunden, vor allem mit Bernhard Worms und seinem rheinischen Anhang. Erst nach zwei verheerenden Landtagswahl-Niederlagen faßte die Union der Zwietracht wieder neuen Mut. Von der Hinterbank ganz nach vorn stieg ein Abgeordneter namens Dr. Helmut Linssen. Erstaunlicherweise ist er zunächst von den meisten seiner Anhänger unterschätzt worden, auch vom politischen Gegner. Linssen hat die zerrissene Fraktion in den Griff bekommen und steht heute als durchaus ernstzunehmender Kandidat für das Ministerpräsidentenamt auf der Empore. Daß die CDU in ihrer schwersten Krise fusionierte, indem Norbert Blüm die rivalisierenden Verbände Rheinland und Westfalen unter einen Hut brachte, half Linssen immens. Franz Meyers Vorahnung im Jahre 1966, die SPD könnte 30 Jahre in NRW regieren, scheint sich zu erfüllen, doch Linssen könnte nach diesen 30 Jahren der sozialdemokratischen Regierungsmacht ein Ende setzen, zumal er den Gegenkandidaten Johannes Rau wohl nicht mehr zu fürchten braucht.
    Das Schicksal wollte es schon so, daß der Oppositionsführer Helmut Linssen seinen überlegenen Gegenspieler Dr. Friedhelm Farthmann übertrumpfte. Der energiegeladene Fraktionschef der SPD verlor bei der letzen Wahl sein Mandat. Mit diesem Debatten-Reißer Farthmann büßte der Landtag einen seiner besten Kämpfer am Rednerpult ein. Hoch- oder auch Tiefschwätzer fürchteten Farthmanns Replik, er teilte verbal Kinnhaken aus und scheute auch nicht den Disput mit Freunden in der Regierung. Daß ein Landesminister, wie es Friedhelm Farthmann von 1975 bis 1985 war, auf dem Stuhl des Fraktionsehefs zum Anwalt des Landtags wird, dessen Rechte zuweilen mit Zähnen und Klauen verteidigt werden müssen, hat er bewiesen wie weiland Fritz Kassmann.
    Und jetzt ist Klaus Matthiesen an der Reihe, und auch er verließ die Regierungsbank und taucht ein ins alte Metier. Bevor Matthiesen in Düsseldorf zum Landwirtschaftsminister anstelle von Hans Otto Bäumer berufen wurde, hat er im Kieler Landtag die SPD-Opposition geführt und Gerhard Stoltenberg, den Ministerpräsidenten, an den Rand von Niederlagen gekämpft. Willy Brandt war an Klaus Matthiesens Karriere nicht unbeteiligt und lobte ihn:"Ein großer Steher!"
    Der F.D.P. sind solche Persönlichkeiten nach und nach abhanden gekommen. Das Drama des Abstiegs in NRW leitete Otto Graf Lambsdorff ein. Als Exekutor der obersten F.D.P.-Führung in Bonn erschien der Prominente auf der Walstatt in Düsseldorf: Wirtschaftsminister und Landesvorsitzender Horst-Ludwig Riemer wurde zum Rücktritt von beiden Ämtern gezwungen.
    Viele Gründe wurden genannt, aber der wichtigste mehr vernebelt als aufgeklärt. Riemer wollte den Weiterbau des Atommeilers in Kalkar verhindern, er wollte die Energiewirtschaft von dem geplanten Unsinn abbringen und sprach sich für Umwandlung des Projekts aus, und zwar in eine Plutonium-Vernichtungsanlage. Da stießen sich viele Interessen im engen Raum, Riemer verlor in einer Nacht auf einen Schlag sein Regierungs- und sein Parteiamt. Kalkar wurde weitergebaut, bis Wirtschaftsminister Prof. Dr. Reimut Jochimsen ans Ruder kam und in einem beispiellosen Akt der Diplomatie zwischen Landtag, Bundesregierung und Energiewirtschaft die mächtige Atom-Lobby nach und nach abkühlte.
    Für die F.D.P. in Nordrhein-Westfalengab es noch einmal einen neuen Anfang mit Dr. Burkhard Hirsch. Er hatte das Innenminister-Amt aus den Händen Willi Weyers übernommen und wurde Riemers Nachfolger als Landesvorsitzender. Doch das parlamentarische Aus in Düsseldorf hatten Freund und Feind im Streit um alle und alles programmiert, und am Bonner Horizont zeichnete sich bereits das Unwetter ab, SPD und F.D.P. drifteten auseinander, das Ende der Koalition unter Helmut Schmidt war nicht aufzuhalten.

    Spontanes Hilfswerk

    Bund und Land, es war Carlo Schmid, der von einem System der kommunizierenden Röhren sprach. Für Burkhard Hirsch, der bis zuletzt das Bündnis SPD/F.D.P verteidigte und von der Bonner Kommunikation a la Lambsdorff ausgespielt wurde, konnte sich und den Landesverband nicht mehr halten. Ein brillanter und charakterstarker Politiker wie Hirsch erlebte die kalte Rache der CDU-Anhänger in der F.D.P. und wurde Jürgen Möllemann, dem "Bauchredner Genschers", geopfert.
    Immerhin schaffte Achim Rohde 1985 mit der F.D.P. den Wiedereinzug in den Landtag, aber zehn Jahre später büßten die Freien Demokraten alle ihre Unsäglichkeiten seit dem Sturz von Burkhard Hirsch. Wiederum verloren sie das Landtagsmandat, mindestens für die Dauer von fünf Jahren. "Eine Überlebensgarantie gibt es nicht", bedauert der neue F.D.P.-Landesvorsitzende Joachim Schultz-Tornau und spricht zutreffend von einer "Wüstenwanderung" seiner Partei.
    Die GRÜNEN frohlocken wie noch nie, sie haben ihre kleine Rolle als vierte Partei im Landtag abgestreift, freigewordenen F.D.P.-Raum und Plätze eingenommen; der oberflächliche Betrachter könnte glauben, es wachse jetzt eine Öko-F.D.P. ersatzweise heran. In Zeiten des Niedergangs der Liberalen hat sich bei den Grünen ein Polit-Akademiker qualifiziert, zunächst meist unerwünscht, doch dann weithin akzeptiert Dr. Michael Vesper. Seine heitere Frechheit in turbulenten Debatten kompensierte er mit der Zielstrebigkeit eines Parteiführers neuen Typs. Ohne ihn wären die GRÜNEN bei der letzten Landtagswahl nicht auf zehn Prozent hochgewachsen, ohne Vespers Strategie, im grünen Lager der SPD-Wählerschaft Feuer zu machen, stünden die Sozialdemokraten heute besser da. Es ist alles gesagt, und er hat alles erreicht, indem er an der grünen Seite des Ministerpräsidenten Rau als dessen Stellvertreter und Minister wie selbstverständlich Platz genommen hat. Und Bärbel Höhn durchforstet ministeramtlich die gefährdete Umwelt, zuerst entdeckt vom ersten SPD-Landwirtschaftsminister in NRW Diether Deneke.
    Im Oktober 1996 besteht der Landtag 50 Jahre. Hunderttausend Stunden haben jetzt schon die Abgeordneten ihr Mandat wahrgenommen, "haben gedacht, geredet, gelacht, gelitten, sich versöhnt und auch gefeiert", so Präsident Karl Josef Denzer bei seiner Jubiläumsrede 1986.
    Überstrahlt allerdings hat alles Dagewesene die völlig überraschende Zeitenwende 1989/1990, die Deutsche Einheit. Regierung wie Landtag haben spontan ein Hilfswerk für ganz Brandenburg ins Leben gerufen, zwischen Potsdam und Cottbus ist Solidarität vielfältig und ausdauernd praktiziert worden. Manfred Stolpe baute mit Nordrhein-Westfalen die neue Staatsverwaltung auf, Beamte, Angestellte, Pensionäre und viele Abgeordnete kamen zu Hilfe, ein Extra-Fond wurde gegründet. Diese unbestrittenen Leistungen überdecken die seltsame Stunde im Düsseldorfer Landtag, der ungefragt für eine Status-quo-Politik in Sachen Hauptstadt zugunsten Bonns plädierte. Der Bundestag hat, wenn auch mit knapper Mehrheit, diesen Landtagsbeschluß ignoriert und für Berlin gestimmt. Rheinischer Neo-Separatismus blieb allen erspart.
    Aus der Geschichte zu lernen, ist und bleibt auch Auftrag des Landtags. Für seine Abgeordneten ergeben sich dabei immer wieder Erfahrungen, von denen Paul Mikat bei seinem Rückblick sprach: Man müsse sich damit bescheiden, "daß nicht jeder, der gesät hat, ernten konnte, und nicht jeder, der die Ernte in die Scheuern fuhr, sich der Saat rühmen kann".
    Doch auch jeder Landtag fängt immer wieder auf's Neue an, und so versteht sich der älteste Landesgruß, den der neue Landtagspräsident Ulrich Schmidt soeben erst Parlament und Regierung entbot: "Glück auf".

    Horst-Werner Hartelt war langjähriger landespolitischer Korrespondent verschiedener nordrhein-westfälischer Tageszeitungen.

    Bildunterschriften:
    Vater Rhein und seine Töchter - Denkmal vor dem alten Ständehaus
    Eingebettet in den Bürgerpark Bilk: das neue Landtagsgebäude
    Der runde Plenarsaal im neuen Landtagsgebäude

    ID: LI95S203

  • 1978.
    Karikaturen.
    S. 14 in Ausgabe S2 - 01.10.1995

    In Camp David einigen sich der ägyptische Staatschef Sadat und der israelische Ministerpräsident Begin unter Vermittlung von US-Präsident Carter auf die Einleitung von Friedensschritten für den Nahen Osten. Über 50% der Österreicher sprechen sich gegen die Nutzung der Atomenergie aus. Druckerstreik: Die IG Druck und Papier sieht durch die Einführung computergesteuerter Textverarbeitungssysteme ihren tariflichen Besitzstand gefährdet. Neuer Papst wird der Pole Karol Wojtyla. Über 900 Mitglieder der Sekte "Tempel des Volkes" begehen im Dschungel von Guayana Selbstmord. In NRW ist das Volksbegehren gegen die kooperative Schule erfolgreich. Nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Heinz Kühn wird Johannes Rau zum Regierungschef gewählt. Der Datenschutz wird in der Landesverfassung verankert.

    Karikaturen:
    23.01.1978
    Im Zusammenhang mit der Krise der WestLB und der Poullain-Affäre tritt Finanzminister Prof. Friedrich Halstenberg (SPD) von seinem Amt zurück. Die SPD/F.D.P.-Landesregierung gerät in eine Krise. Die CDU-Opposition fordert auch den Rücktritt von Ministerpräsident Heinz Kühn (SPD).
    Bildunterschrift:
    Glatteis in Düsseldorf

    06.03.1978
    Auch durch das Volksbegehren gegen die Kooperative Schule gerät die Regierung Kühn unter Druck. Über 3,6 Millionen Bürgerinnen und Bürger haben sich in die Unterschriftenlisten für das Volksbegehren eingetragen, das von der CDU unterstützt wird. Die SPD/F.D.P.-Landesregierung zieht umgehend Konsequenzen und schlägt dem Landtag die Aufhebung des Gesetzes über die kooperative Schule vor, was der Landtag dann auch tut.
    Bildunterschrift:
    Frühjahrshochwasser

    25.09.1978
    Am 20. September 1978 wählt der Landtag den SPD-Landesvorsitzenden und bisherigen Wissenschaftsminister Johannes Rau zum neuen Ministerpräsidenten. Rau, der in geheimer Wahl alle 104 Stimmen der SPD/F.D.P. Koalition erhält, löst Heinz Kühn ab, der fast 12 Jahre amtierte. Für Raus Gegenkandidaten Heinrich Köppler stimmen die 95 CDU-Abgeordneten.
    Bildunterschrift:
    In Treue fest

    06.11.1978
    Oppositionschef Heinrich Köppler unterstreicht seine Bereitschaft, auch bei der Landtagswahl 1980 als Spitzenkandidat der CDU zur Verfügung zu stehen, ungeachtet der innerparteilichen Konkurrenz.
    Bildunterschrift:
    ... da ist die Motte drin.

    ID: LI95S214

  • Landtag wählte nach gemeinsamer Vorschlagsliste 141 Mitglieder für die zehnte Bundesversammlung.
    Plenarbericht
    S. 6 in Ausgabe 5 - 08.03.1994

    Die im Landtag vertretenen Fraktionen der SPD, CDU, F.D.P. und Bündnis 90/DIE GRÜNEN haben am vergangenen Donnerstag einer gemeinsamen Vorschlagsliste zugestimmt, die die Mitglieder bzw. Ersatzmitglieder für die zehnte Bundesversammlung enthält. Diese Bundesversammlung wählt am 23. Mai den neuen Bundespräsidenten. Grundlage für den Wahlvorschlag war eine Bekanntmachung der Bundesregierung über die Zahl der von den Volksvertretungen der Länder zu wählenden Mitglieder der Bundesversammlung vom 14. Januar dieses Jahres.
    Diese Bekanntmachung enthielt unter anderem die Feststellung, daß der Landtag Nordrhein-Westfalen 141 Mitglieder zur zehnten Bundesversammlung zu wählen hat. Nach dem Höchstzahlenverfahren d'Hondt entfallen auf die SPD-Fraktion 73, auf die CDU- Fraktion 53, auf die F.D.P.-Fraktion acht und die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN sieben Mitglieder. Mit der gemeinsamen Vorschlagsliste verabschiedete der Landtag eine Ersatzliste, in der in verbindlicher Reihenfolge für die Fraktionen die Ersatzmitglieder benannt sind, falls mal jemand aus der Vorschlagsliste an der Bundesversammlung nicht teilnehmen kann. Der gemeinsame Wahlvorschlag wurde von den Fraktionsvorsitzenden Professor Dr. Friedhelm Farthmann (SPD), Dr. Helmut Linssen (CDU) und Dr. Achim Rohde (F.D.P.) sowie der Fraktionssprecherin und dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen, Bärbel Höhn und Dr. Michael Vesper, unterschrieben.

    Mitglieder für die zehnte Bundesversammlung

    SPD: Dr. h.c. Johannes Rau MdL, Gabriele Behler, Prof. Dr. Berthold Beitz, Heidi Berger MdL, Manfred Böcker MdL, Ursula Bolte, Anke Brunn MdL, Ilse Brusis, Norbert Burger MdL, Jürgen Büssow MdL, Wolfgang Clement MdL, Prof. Dr. Manfred Dammeyer MdL, Dr. Diether Deneke, Karl-Josef Denzer, Inge Donnepp, Günther Einert MdL, Prof. Dr. Friedhelm Farthmann MdL, Birgit Fischer MdL, Hans Frey MdL, Ingeborg Friebe MdL, Anne Garbe MdL, Gabriele Gorcitza MdL, Reinhard Grätz MdL, Dr. Dieter Haak MdL, Prof. Dr. Fritz Halstenberg, Dr. Klaus Hansen MdEP, Hermann Heinemann MdL, Magdalene Hoff, Axel Horstmann, Hans Jaax MdL, Prof. Dr. Dr. h.c. Reimut Jochimsen, Karin Junker MdEP, Franz-Josef Kniola MdL, Bettina Kohlrausch, Ursula Kraus, Dr. Rolf Krumsiek MdL, Stefan Lennardt, Heinz Dieter Mahlberg, Klaus Matthiesen MdL, Loke Mernizka MdL, Heinz-Werner Meyer, Dieter Moritz MdL, Franz Müntefering, Friedel Neuber, Johannes Pflug MdL, Dr. Diether Posser, Heinz Putzrath, Dr. Manfred Ragati, Marita Rauterkus MdL, Egbert Reinhard MdL, Dr. h.c. Annemarie Renger, Ilse Ridder-Melchers MdL, Detlev Samland MdEP, Jürgen Schaufuß MdL, Heinz Schleußer MdL, Ulrich Schmidt MdL, Dr. Herbert Schnoor MdL, Volkmar Schultz MdL, Hans Schwier MdL, Horst Sommerfeld MdL, Brigitte Speth MdL, Carola Stern, Klaus Strehl MdL, Reinhold Trinius MdL, Rainer Verhoeven, Hans Vorpeil MdL, Ernst-Martin Walsken MdL, Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Gerhard Wendzinski MdL, Heinz Westphal, Richard Winkels, Hans-Jürgen Wischnewski und Fritz Ziegler.
    CDU: Dr. Helmut Linssen MdL, Hermann- Josef Arentz MdL, Prof. Teresa Bock, Dr. Hans Daniels, Leo Dautzenberg MdL, Helmut Diegel MdL, Regina van Dinther MdL, Hermann Gröhe, Dr. Regina Görner, Sandra Hackethal, Erhard Hackler, Marina Hammes, Heinz Hardt MdL, Hansheinz Hauser, Lothar Hegemann MdL, Dr. Heinz Janning, Hans Katzer, Ilka Keller MdL, Claudia Kemmerich, H. Keppelhoff-Wiechert MdEP, Werner Kirstein, Dr. Hans-Ulrich Klose MdL, Heinrich Kruse MdL, Leonhard Kuckart MdL, Josef Kürten, Albert Leifert MdL, Ursula Lietz, Wilhelm Lieven MdL, Laurenz Meyer MdL, Prof. Dr. Renate Möhrmann MdL, Maria Theresia Opladen MdL, Heinrich Ostrop, Heinz Paus MdL, Marianne Paus MdL, Beatrix Philipp MdL, Thomas Rachel, Hans-Joachim Rauch, Hans-Joachim Reck, Gudrun Reinhardt MdL, Herbert Reul MdL, Antonius Rüsenberg MdL, Hartmut Schauerte MdL, Dr. Annemarie Schraps MdL, Alexander Graf von Schwerin, Elfriede Schütz, Karl-Ernst Strothmann MdL, Christa Thoben, Dr. Jörg Twenhöven MdL, Eckhard Uhlenberg MdL, Heinrich Windelen, Bärbel Wischermann MdL, Marie-Luise Woldering MdL und Dr. Bernhard Worms.
    F.D.P.: Dr. Achim Rohde MdL, Prof. Dr. Gernot Born, Wolfram Dorn MdL, Heinz Lanf ermann MdL, Friedel Meyer MdL, Andreas Reichel MdL, Bundespräsident a.D. Walter Scheel und Marianne Thomann-Stahl MdL.
    Bündnis 90/DIE GRÜNEN: Bärbel Höhn MdL, Dr. Michael Vesper MdL, Fasia Jansen, Annemarie Böll, Asghedet Ghirmazion, Beate Scheffler MdL und Roland Appel MdL.

    Systematik: 1080 Wahlen; 1010 Staatsaufbau

    ID: LI940512

  • Professor Dr. Friedrich Halstenberg.
    Zur Person
    S. 24 in Ausgabe 2 - 28.01.1992

    Professor Dr. Friedrich Halstenberg(SPD), in den 70er Jahren Landtagsabgeordneter, Minister und Chef der Staatskanzlei, hat sein Amt als Aufsichtsratsvorsitzender der Holding der Wirtschaftsbetriebe der SPD niedergelegt. Halstenberg schickte noch vor der Jahreswende sein Rücktrittsschreiben an den SPD-Vorsitzenden Björn Engholm. Darin heißt es, er trete "im Interesse des Generationswechsels" zurück.

    ID: LI920254

  • SPD-Landtagsfraktion Nordrhein-Westfalen
    Land und Gemeinden werden finanziell erdrosselt.
    Aus den Fraktionen
    S. 22 in Ausgabe 13 - 16.07.1991

    Als skandalös hat SPD-Fraktionschef Professor Dr. Friedhelm Farthmann die Verteilung der bis 1994 erwarteten Steuermehreinnahmen in Höhe von 103 Milliarden Mark bezeichnet. "Von dieser ungeheuren Steuerschwemme kassiert der Bund über 80 Milliarden Mark", stellte Farthmann fest. Die neuen Bundesländer profitierten mit 17 Milliarden, die EG mit elf Milliarden Mark Plus von den Steuererhöhungen. Skandalös sei aber, so Friedhelm Farthmann weiter, daß den alten Ländern Mindereinnahmen von fast sieben Milliarden Mark auferlegt würden und die Gemeinden in den alten Ländern ein Minus von fast zwei Milliarden Mark erwarteten.
    Finanzminister Heinz Schleußer hatte vor der SPD-Fraktion zuvor die Eckdaten des Landeshaushaltes 1992 mit geschätzten 67,5 Milliarden Mark Einnahmen mitgeteilt. Er wolle dem Kabinett ein "Überrollen" der 91er Haushaltsdaten vorschlagen. Schleußer: "Das Halten dessen, was wir bisher erreicht haben, wird jetzt für einige Jahre das Optimale sein." Die Steuereinnahmen des Landes würden im nächsten Jahr zu 88 Prozent aufgezehrt durch Personalkosten (53), Schuldendienst (14) und Zuweisungen an die Gemeinden (21).
    "Diese Entwicklung ist das Gegenteil dessen, was im Lande draußen noch immer diskutiert wird", faßte Friedhelm Farthmann zusammen. Dort werde oft noch so getan, als ob das Land enorme Steuergewinne habe und immer mehr leisten könne. Farthmann zitierte Fritz Halstenberg: "Es gibt Situationen, die sind so ernst, daß nur noch die Wahrheit hilft."
    Eine Ausweitung von Landesleistungen sei unter den bisher geltenden Bedingungen nicht möglich, stellte der Fraktionsvorsitzende fest: "Wenn Teilen mit den neuen Ländern angesagt ist, dann muß auch offen ausgesprochen werden, was das kostet." Allerdings werde Nordrhein-Westfalen es nicht hinnehmen, daß der Bund satte Steuergewinne einfahre, die Länder und Gemeinden im Westen aber finanziell erdrosselt würden.

    ID: LI911346

  • Neuordnung erschöpft Reformkraft einer Politikergeneration.
    Hein Hoebinks großes Werk über Preußische Gebietsreform im Industriegebiet an Rhein und Ruhr.
    S. 16 in Ausgabe 20 - 11.12.1990

    Von Friedrich Halstenberg:
    Die im Jahre 1987 als Habilitationsschrift angenommene Arbeit schließt eine Lücke der nordrhein-westfälischen Landesgeschichte und der Kommunalgeschichte des Reviers. Daß dieser Stoff trotz seiner großen verwaltungsrechtlichen und politikwissenschaftlichen Bedeutung bislang nur fragmentarisch Eingang in das Fachschrifttum fand, erklärt sich aus der kriegsfolgebedingt höchst unvollständigen Archiv- und Quellenlage. Der großen Gründlichkeit des Verfassers gelingt dennoch ein aussagekräftiges Bild der kommunalen Gebietsänderungen, die im "rheinisch-westfälischen Industriegebiet" im ersten Drittel dieses Jahrhunderts stattfanden. Eine willkommene Ergänzung bildet der umfangreiche Anhang mit Karten, Tabellen, Belegen.
    Vor dem Ersten Weltkrieg hatten die daran interessierten Kommunen selbst die Initiativen zu den Gebietsänderungen ergriffen, darin von einflußreichen Industrieunternehmen gefördert. Eingehend werden zuerst die eben noch zu Beginn des Ersten Weltkrieges abgeschlossenen Eingemeindungen nach Essen dargestellt. Für die preußischen Instanzen nur von geringerem politischen Interesse: "Der Gesetzentwurf passierte beide Häuser ohne jede Aussprache und Änderung."
    Ein Kuriosum bleibt die Eingemeindung von Rotthausen nach Gelsenkirchen, 1922 veranlaßt durch politisch unhaltbar gewordene Zustände in der Gemeindevertretung und -verwaltung.
    Nach Zwischenstufen der bis 1928 abgeschlossenen Neuordnung der Räume Gelsenkirchen, Bochum, "Groß-Dortmund" und Düsseldorf entwickelten sich bei allen an der Willensbildung beteiligten kommunalen und staatlichen Stellen zunehmend fachlich qualifiziertere Urteilsmaßstäbe, an denen es anfänglich mangelte. Kommunal- und sozialwirtschaftliche, siedlungs- und finanzstatistische Instrumentarien standen nur in rudimentärem Zustand zur Verfügung.
    Erst spät konnte sich die Strategie durchsetzen, die mittelfristig anstehenden Gebietsänderungen, statt wie bisher als Einzelfall, nun möglichst in einem Zuge durchzusetzen mit dem Ziel der "Großzügigkeit und Dauerhaftigkeit", wie der preußische Innenminister meinte.
    Dieser Durchbruch zu einer gesamträumlich übergreifenden und stärker Staats- und wirtschaftspolitisch orientierten Betrachtungsweise gelang nun mit der "Großen Reform", die im Revier 1929 die Zahl der Stadtkreise von 29 auf 22, die der Landkreise von 23 auf elf reduzierte.
    Im Gesetzgebungsverfahren hatte es der Sache angemessene eingehende, auch streitige Verhandlungen gegeben. Gegen Hunderte von Abänderungswünschen setzte sich die Regierungsvorlage durch. Das Gesetz wurde am 10. Juli 1929 mit 211 gegen 167 Stimmen im Preußischen Landtag verabschiedet. Mit dieser bedeutenden Reform hatte Preußen seinen staatlichen Führungsanspruch durchgesetzt und im Gesetzgebungsprozeß dem politischen Rang einer möglichst optimalen kommunalen Raumordnung Rechnung getragen.
    Wie drei Jahrzehnte später wird um die Eignung der alten oder den Vorzug neuerer Typen kommunaler Körperschaften gestritten, bis sich am Ende die bisherigen Strukturen denn doch bestätigen. Die Neuerung in Gestalt der obligatorischen "interkommunalen Arbeitsgemeinschaft" gewann indes, trotz ihrer unbestreitbaren Rechtfertigung, keine praktische Bedeutung. Da bestätigt sich Hoebinks auf die Relevanz der Verwaltungsmacht anspielender Buchtitel: Macht kooperativ zu teilen, war und bleibt wohl immer weniger attraktiv! Auch die vom 29er Gesetz zugelassene innerstädtische Dekonzentration fand in der kommunalen Praxis wenig Gegenliebe.
    Kaum verwundern kann die erst allmählich zuwachsende Problem- und Ortskenntnis der maßgebenden Beamten und Abgeordneten in Berlin. Kein Vergleich zu den höchst detailkundigen Experten, die die Gebietsreform der 70er Jahre in Nordrhein-Westfalen in Landtag und Regierung verhandelten.
    Verwaltungshistorisch aufschlußreich, welch deutlich höheren Stellenwert infolge der weiten Entfernung zur Staatshauptstadt Berlin die Mittelinstanzen, Provinz, Regierungen, Siedlungsverband in der Praxis der Verwaltung besaßen und speziell bei der Gebietsreform ausübten.
    Die bei der 29er Reform noch geringe Leistungsfähigkeit der überörtlichen, der regionalen und der Landesplanung fand eine bemerkenswerte Kompensation durch die fast in jedem Neuordnungsfall gutachtlich beigezogene Sachkunde und Urteilsfähigkeit der Leitung des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk, der sich damals als Regionalplanungsinstitution auf der Höhe seiner nationalen und internationalen Geltung befand.
    Das große Reformwerk hatte (bis auf die Wiederaufhebung der Vereinigung von Mönchen-Gladbach) langfristigen Bestand bis zur nordrhein-westfälischen Gebietsreform der 70er Jahre.
    Den entscheidenden Unterschied zur Gebietsreform 1929 macht in den 70er Jahren die systematische, von der Landesplanung ausgehende landesweite Gesamtplanung und das ernsthafte Bemühen um Objektivierung nach politisch-wissenschaftlich übergeordneten Maßstäben und Standards. Gewiß war dennoch allemal mancher Kompromiß über die Hürden zu heben.
    Die Arbeit von Hoebink bestätigt unsere Erfahrung, daß anspruchsvolle Neuordnungsmaßnahmen dieser Größenordnung die Reformkraft einer Politikergeneration erschöpfen. Daraus und aus dem Bedarf an Restabilisierung folgt, daß der Abstand zur nächsten Verwaltungsreform, so unausweichlich diese ist, wohl wieder eine Generation ausmachen wird, selbst wenn man akzeptiert, daß die geplante Arbeit weder 1929 noch 1975 zur Gänze hatte bewältigt werden können.
    Nicht erst weit nach der Jahrhundertwende werden die neuen Maßstäbe der europäischen Politik und ihrer Institutionen grundlegende Veränderungen in Staats- und verwaltungsrechtlichen Maßstäben als unvermeidlich erfordern. Es sei hier nur auf die Notwendigkeit hingewiesen, den in der europäischen Diktion zentralen Begriff der "Region" räumlich, funktional und im Verwaltungsaufbau zu bestimmen und auszufüllen. Wenn im weiteren Verlauf der längst wirkenden Entwicklung die supranationale Ebene einerseits und die kommunale Basis andererseits die Gewinner bleiben werden, muß ein gegenüber heute reibungsloseres Funktionieren auch auf den Zwischenebenen gesichert werden. Das wird mit den gegenwärtigen Strukturen ohne Reparaturen kaum gelingen.
    Unmittelbar fällig ist, auch als ein Element bundesweiter Mindestharmonisierung, die kommunale Maßstabsvergrößerung in den neuen Bundesländern. Anlaß genug für alle, die das angeht, sich den Lehren der Vergangenheit zu öffnen, auch denen, die das ausgezeichnete Werk von Hoebink aus der Preußischen Gebietsreform im rheinischwestfälischen Industriegebiet vermittelt.

    (Hein Hoebink, Mehr Raum — mehr Macht, Preußische Kommunalpolitik und Raumplanung im rheinisch-westfälischen Industriegebiet 1900—1933, Düsseldorfer Schriften zur Neueren Landesgeschichte und zur Geschichte Nordrhein-Westfalens, Band 26, Klartext Verlags GmbH, 419 S., 78 Mark.

    * Der Autor, Dr. Hein Hoebink, ist Privatdozent für Neueste Geschichte an der Heinrich- Heine-Universität zu Düsseldorf. Sein hier besprochenes Werk ist von deren Philosophischer Fakultät in einer erweiterten Fassung im Jahre 1987 als Habilitationsschrift angenommen worden.

    * Der Rezensent, Professor Dr. Friedrich Halstenberg, war enger politischer Vertrauter des ehemaligen nordrhein-westfälischen Ministerpräsident Heinz Kühn [beide SPD]. Der Jurist Halstenberg leitete als Staatssekretär ab 1966 die Düsseldorfer Staatskanzlei, ein Amt, das er beibehielt, als er 1972 zum Minister für Bundesangelegenheiten ernannt wurde. 1975 berief ihn Kühn zum Landesfinanzminister. 1978 wählte ihn die SPD in Bonn auf Vorschlag von Willy Brandt zum Schatzmeister der Partei. 1984 trat Halstenberg aus gesundheitlichen Gründen von diesem Amt zurück.)

    ID: LI902038

  • Porträt: Karl Josef Denzer (SPD).
    Porträt
    S. 14 in Ausgabe S1 - 23.10.1990

    Kein Landtagspräsident in der mehr als 40jährigen Geschichte Nordrhein-Westfalens war stets so umgeben und umringt von Freund und Gegner wie Karl Josef Denzer, der sich nach der Parlamentswahl im Mai aus der Landespolitik gänzlich zurückzieht und in seinen Bielefelder Garten heimkehrt.
    Den Gegnern hat er es meist nicht schwer gemacht, indem er ihnen spontan, impulsiv und ehrlich die höchstpersönliche Meinung geigte ... Da gab es kein Drumherumreden, da stand Denzer, fast Herbert Wehner gleich, laut, überdeutlich auf der Walstatt, auf daß den Rechtschaffenen, ob in Verwaltung oder im Landtag selbst, Hören und Sehen verging. Den eigenen Freunden wiederum machte es der "Jupp" auch nicht leicht, weil er gelegentlich erhoffte Zustimmung gar nicht erst abwartete, den Beschlüssen vorauseilte.
    Ein Mensch in seinem Widerspruch, ein Sozialdemokrat aus der Kurt-Schumacher- Ära, die Karl Josef Denzer in Bielefeld vor allem unter Emil Gross erlebte, dessen Bedeutung für die SPD und den gesamten Detmolder Regierungsbezirk gleichrangig neben der Statur Heinrich Drakes zu werten ist.
    Der Jungsozialist Denzer hat es damals erfahren: Die Geschlossenheit der Partei war oberster Grundsatz, Abweichler überrollte die Disziplin der Mehrheit, nicht das Programm, sondern die Person war alles. Es gab noch keinen linken Flügel, der Erzfeind waren die KPD und Nachfolger.
    Die Jusos galten damals als Avantgarde der alten SPD, nur so ist heute erklärbar, daß beispielsweise Denzers Juso-Mitstreiter Heinz Castrup zum persönlichen Referenten Erich Ollenhauers aufstieg, als dieser nach Schumachers Tod zum ersten Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands gewählt wurde. Denzer ging den anderen Weg, schlug sich neben seinem Beruf als Verwaltungsfachmann durch die Kommunalpolitik, bis er 1970 in den Landtag gelangte.
    Der politischen Gesäß-Geographie zufolge, die inzwischen auch die SPD erfaßt hatte, galt der Abgeordnete aus Bielefeld als "Rechter"; zweifellos war er kein Linker im Sinne der APO, auch kein Freund der Ideologen. Die politische Praxis hatte ihn zum Pragmatiker gemacht, und dies im Geiste seiner Partei- Ahnen. Daß sich auch in Ostwestfalen-Lippe die SPD-Mehrzahl verjüngte, daß beispielsweise mit dem Aufbau der Bielefelder Universität auch eine gesellschaftliche Umschichtung der Partei einherging und nicht mehr die Metallarbeiter das Sagen hatten, dies bekümmerte freilich zuweilen einen "alten" Sozialdemokraten wie Denzer.
    Immerhin, die SPD Nordrhein-Westfalens wußte, was sie an ihm hatte: in der Landtagsfraktion rückte er auf, wurde als Etat-Sprecher Nachfolger von Friedel Neuber, den der Rheinische Sparkassenverband zum Präsidenten gewählt hatte. Beim Rücktritt des Finanzministers Professor Dr. Friedrich Halstenberg blieb tagelang die Frage in der Schwebe, ob Diether Posser oder Karl Josef Denzer das wichtigste Ressort der Landesregierung übernehmen sollte. Daß der damalige Ministerpräsident Heinz Kühn Posser den Vorzug gab, erwies sich alsbald für die Landtagsfraktion als Glücksfall, denn sie brauchte einen neuen Vorsitzenden. Dieter Haak übergab sein Amt an Denzer; die Fraktion, auch die Regierung, nun schon mit Ministerpräsident Johannes Rau, war glücklich mit ihm.
    In einer Zeit, da die SPD erstmals die absolute Mehrheit in den Landtag einbrachte und nur noch zwei Parteien im Parlament abstimmten, war die Führung der Majoritäts-Fraktion um so schwieriger, denn so viele Begehrlichkeiten in der siegreichen SPD mußten abgeschlagen werden, konnten nicht ausweichend wie entschuldigend mit Hinweisen auf Koalitionspartner leicht ins Abseits gedrängt werden. Dazu gehörte auch mancher Ansturm auf die Landeskasse, auch auf die Schulpolitik etc. Zudem mußte sich Karl Josef Denzer im Plenarsaal mit keinem Geringeren als Professor Kurt Biedenkopf herumschlagen, dessen Reden immer gefürchtet waren. Mit einem weinenden und einem lachenden Auge nahm Fraktionschef Denzer Abschied von dem ihm auf den Leib geschriebenen Führungsamt. Die Partei bestand darauf, ihn zum Landtagspräsidenten zu wählen, es wurde keine leichte Zeit für ihn. 227 Abgeordnete, also 27 mehr, waren 1985 ins Parlament eingezogen, auch die dritte Partei, die F.D.P., war wieder da. Schwierige Gewöhnungsprozesse auf beiden Seiten kamen in Gang. Der Präsident, traditionsgemäß persona grata, wurde plötzlich angerempelt. Einzelne Abgeordnete verstiegen sich zu Gemeinheiten.
    Am schwierigsten indes vollzog sich der materielle und geistige Umzug vom Altbau am Schwanenspiegel in das überdimensionale neue Gebäude am Rhein. Der Landtagspräsident mußte für alles geradesteben, obschon er den Neubau nicht forciert hatte. Einzig und allein seine beiden Vorgänger im Amt, John van Nes Ziegler (SPD) und Wilhelm Lenz (CDU), haben das gewaltige Millionen-Projekt betrieben, wenngleich die ersten hochfliegenden Pläne Wilhelm Johnen ausgedacht hatte, jener legendäre "Herzog von Jülich". Dieser Christdemokrat wollte schon in den sechziger Jahren den Neubau, aber Oppositionsführer Heinz Kühn schlug ihm alles aus der Hand. Auch die F.D.P. mit Willy Weyer legte sich quer.
    Karl Josef Denzer hat alles auf sich genommen, entzog sich nicht der Geschichte und nicht der Verpflichtung, auch nicht der Moral. Erst unlängst würdigte er alle seine Amtsvorgänger, gab ein Beispiel, das leider seltener auf der Tagesordnung des Landtags steht — die Solidarität der Demokraten.
    Horst-Werner Hartelt
    (Erschienen am 2. Mai 1990)

    ID: LI90S128

  • Staatsminister a. D. Friedrich Halstenberg wurde 70 Jahre.
    Zur Person
    S. 15 in Ausgabe 11 - 19.06.1990

    Professor Dr. Friedrich Halstenberg (SPD), von 1972 bis 1980 Abgeordneter des Landtags, hat am 12. Juni seinen 70. Geburtstag begangen. Halstenberg war unter Ministerpräsident Heinz Kühn (SPD) von 1966 bis 1972 Chef der Staatskanzlei, danach Minister für Bundesangelegenheiten bis 1975, wobei er die Amtsführung in der Staatskanzlei behielt. 1975 wurde er zum Finanzminister berufen. Professor Halstenberg stammt aus Werfen bei Herford. Der Jurist begann beim Deutschen Städtetag, wurde Honorarprofessor mit Lehrauftrag an der Technischen Universität Hannover. Von 1962 bis 1965 war er als Ministerialdirigent und Leiter der Abteilung Städtebau und Raumordnung im Bundeswohnungsbauministerium tätig. 1965 berief ihn der damalige Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk zu seinem Verbandsdirektor, ehe ihn Heinz Kühn nach Düsseldorf holte. Der SPD gehört der Jubilar, Vater von fünf Kindern, seit 1964 an.

    ID: LI901130

  • Porträt der Woche: Im Strom der Zeit.
    Karl Josef Denzer (SPD) nimmt Abschied vom Landtag.
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 8 - 02.05.1990

    Kein Landtagsgräsident in der mehr als 40jährigen Geschichte Nordrhein-Westfalens war stets so umgeben und umringt von Freund und Gegner wie Karl Josef Denzer, der sich nach der Parlamentswahl im Mai aus der Landespolitik gänzlich zurückzieht und in seinen Bielefelder Garten heimkehrt.
    Den Gegnern hat er es meist nicht schwer gemacht, indem er ihnen spontan, impulsiv und ehrlich die höchstpersönliche Meinung geigte... Da gab es kein Drumherumreden, da stand Denzer, fast Herbert Wehner gleich, laut, überdeutlich auf der Walstatt, auf daß den Rechtschaffenen, ob in Verwaltung oder im Landtag selbst, Hören und Sehen verging. Den eigenen Freunden wiederum machte es der "Jupp" auch nicht leicht, weil er gelegentlich erhoffte Zustimmung gar nicht erst abwartete, den Beschlüssen vorauseilte. Ein Mensch in seinem Widerspruch, ein Sozialdemokrat aus der Kurt-Schumacher-Ära, die Karl Josef Denzer in Bielefeld vor allem unter Emil Gross erlebte, dessen Bedeutung für die SPD und den gesamten Detmolder Regierungsbezirk gleichrangig neben der Statur Heinrich Drakes zu werten ist. Der Jungsozialist Denzer hat es damals erfahren: Die Geschlossenheit der Partei war oberster Grundsatz, Abweichler überrollte die Disziplin der Mehrheit, nicht das Programm, sondern die Person war alles. Es gab noch keinen linken Flügel, der Erzfeind waren die KPD und Nachfolger.
    Die Jusos galten damals als Avantgarde der alten SPD, nur so ist heute erklärbar, daß beispielsweise Denzers Juso-Mitstreiter Heinz Castrup zum persönlichen Referenten Erich Ollenhauers aufstieg, als dieser nach Schumachers Tod zum ersten Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands gewählt wurde. Denzer ging den anderen Weg, schlug sich neben seinem Beruf als Verwaltungsfachmann durch die Kommunalpolitik, bis er 1970 in den Landtag gelangte.
    Der politischen Gesäß-Geographie zufolge, die inzwischen auch die SPD erfaßt hatte, galt der Abgeordnete aus Bielefeld als "Rechter"; zweifellos war er kein Linker im Sinne der APO, auch kein Freund der Ideologen. Die politische Praxis hatte ihn zum Pragmatiker gemacht, und dies im Geiste seiner Partei-Ahnen. Daß sich auch in Ostwestfalen-Lippe die SPD-Mehrzahl verjüngte, daß beispielsweise mit dem Aufbau der Bielefelder Universität auch eine gesellschaftliche Umschichtung der Partei einherging und nicht mehr die Metallarbeiter das Sagen hatten, dies bekümmerte freilich zuweilen einen "alten" Sozialdemokraten wie Denzer.
    Immerhin, die SPD Nordrhein-Westfalens wußte, was sie an ihm hatte: in der Landtagsfraktion rückte er auf, wurde als Etat-Sprecher Nachfolger von Friede/Neuber, den der Rheinische Sparkassenverband zum Präsidenten gewählt hatte. Beim Rücktritt des Finanzministers Professor Dr. Friedrich Halstenberg blieb tagelang die Frage in der Schwebe, ob Diether Posser oder Karl Josef Denzer das wichtigste Ressort der Landesregierung übernehmen sollte. Daß der damalige Ministerpräsident Heinz Kühn Posser den Vorzug gab, erwies sich alsbald für die Landtagsfraktion als Glücksfall, denn sie brauchte einen neuen Vorsitzenden. Dieter Haak übergab sein Amt an Denzer; die Fraktion, auch die Regierung, nun schon mit Ministerpräsident Johannes Rau, war glücklich mit ihm.
    In einer Zeit, da die SPD erstmals die absolute Mehrheit in den Landtag einbrachte und nur noch zwei Parteien im Parlament abstimmten, war die Führung der Majoritäts-Fraktion um so schwieriger, denn so viele Begehrlichkeiten in der siegreichen SPD mußten abgeschlagen werden, konnten nicht ausweichend wie entschuldigend mit Hinweisen auf Koalitionspartner leicht ins Abseits gedrängt werden. Dazu gehörte auch mancher Ansturm auf die Landeskasse, auch auf die Schulpolitik etc. Zudem mußte sich Karl Josef Denzer im Plenarsaal mit keinem Geringeren als Professor Kurt Biedenkopf herumschlagen, dessen Reden immer gefürchtet waren.
    Mit einem weinenden und einem lachenden Auge nahm Fraktionschef Denzer Abschied von dem ihm auf den Leib geschriebenen Führungsamt. Die Partei bestand darauf, ihn zum Landtagspräsidenten zu wählen, es wurde keine leichte Zeit für ihn. 227 Abgeordnete, also 27 mehr, waren 1985 ins Parlament eingezogen, auch die dritte Partei, die F.D.P., war wieder da. Schwierige Gewöhnungsprozesse auf beiden Seiten kamen in Gang. Der Präsident, traditionsgemäß persona grate, wurde plötzlich angerempelt. Einzelne Abgeordnete verstiegen sich zu Gemeinheiten.
    Am schwierigsten indes vollzog sich der materielle und geistige Umzug vom Altbau am Schwanenspiegel in das überdimensionale neue Gebäude am Rhein. Der Landtagspräsident mußte für alles geradestehen, obschon er den Neubau nicht forciert hatte. Einzig und allein seine beiden Vorgänger im Amt, John van Nes Ziegler (SPD) und Wilhelm Lenz (CDU), haben das gewaltige Millionen-Projekt betrieben, wenngleich die ersten hochfliegenden Pläne Wilhelm Johnen ausgedacht hatte, jener legendäre "Herzog von Jülich". Dieser Christdemokrat wollte schon in den sechziger Jahren den Neubau, aber Oppositionsführer Heinz Kühn schlug ihm alles aus der Hand. Auch die F.D.P. mit Willy Weyer legte sich quer.
    Karl Josef Denzer hat alles auf sich genommen, entzog sich nicht der Geschichte und nicht der Verpflichtung, auch nicht der Moral. Erst unlängst würdigte er alle seine Amtsvorgänger, gab ein Beispiel, daß leider seltener auf der Tagesordnung des Landtags steht — die Solidarität der Demokraten.
    Von Horst-Werner Hartelt

    ID: LI900866

  • Riotte neuer Staatssekretär.
    Zur Person
    S. 18 in Ausgabe 21 - 22.12.1987

    Der neue Staatssekretär im nordrheinwestfälischen Innenministerium, Wolfgang Riotte (49), ist von Innenminister Dr. Herbert Schnoor (SPD) zu Beginn dieses Monats in sein Amt eingeführt worden. Der bisherige Ministerialdirigent Riotte ist damit Nachfolger von Dr. Eberhard Munzert, der vom Landtag, wie berichtet, zum neuen Präsidenten des Landesrechnungshofs gewählt worden war.
    Der Jurist Wolf gang Riotte war zuletzt als Abteilungsleiter im NRW-Finanzministerium tätig. Der gebürtige Kölner hat bis 1959 in seiner Heimatstadt das Gymnasium besucht und dort auch Abitur gemacht. Nach dem Wehrdienst studierte er von 1960 bis 1962 an der Universität Köln Geschichte und Anglistik. Es folgte dann bis 1965 ein Studium der Rechtswissenschaften.
    Von 1965 bis 1968 war Wolfgang Riotte Referendar im Oberlandesgerichtsbezirk Köln und im Jahr 1968 Anwaltsassessor in der Domstadt. Bis 1971 arbeitete er dann als Sachgebietsleiter beim Finanzamt Opladen (Leverkusen) und von 1971 bis 1975 als Pressereferent des NRW-Finanzministers.
    Von 1975 bis 1978 ging er als Persönlicher Referent den Finanzministern Professor Dr. Friedrich Halstenberg und Dr. Diether Posser (beide SPD) zur Hand, ehe er 1978 für zwei Jahre als Leiter das Büro des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Johannes Rau (SPD) übernahm. Seit 1980 bis zu seiner Ernennung zum Staatssekretär war Wolfgang Riotte als Leiter der Personal-, Organisations- und Automations-Abteilung im Finanzministerium tätig.
    Innenminister Dr. Herbert Schnoor, einst Chef der Staatskanzlei, begrüßte seinen neuen Spitzenbeamten als alten Bekannten sehr herzlich. Beide hatten in Raus Regierungssitz am Rhein bereits eng zusammengearbeitet.

    ID: LI872126

  • Zeuge distanziert sich deutlich von Försters Vorgehen.
    Ausschussbericht
    S. 15 in Ausgabe 16 - 20.10.1987

    Weitgehende Bestätigung der anfänglichen Haltung des ehemaligen Finanzministers Professor Friedrich Halstenberg (SPD) in der Parteispendenaffäre und deutliche Distanz zur Vorgehensweise des Steuerfahnders Klaus Förster erbrachte die dritte Vernehmung des Zeugen Ernst Spindler, früher Ministerialdirigent im Landesfinanzministerium, am 9. Oktober 1987.
    Der Zeuge berichtete in der Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses I unter der Leitung seines Vorsitzenden Egbert Reinhard (SPD) von den Bemühungen der Parteien zur Schadensbegrenzung vor der bevorstehenden Bundestagswahl im Jahr 1976. So habe der Generalbevollmächtigte des Schatzmeisters der CDU, Kontakte mit den anderen Parteien angekündigt, um "fehlerhafte Rückschlüsse in der Öffentlichkeit auf ein eventuelles Fehlverhalten bei der Finanzierung der Parteien zu vermeiden". In diesem Zusammenhang gehörte auch das Gespräch, um das der damalige Schatzmeister der SPD, Alfred Nau, bei Finanzminister Halstenberg nachgesucht hatte. Er, Spindler, sei bei diesem Gespräch nicht dabeigewesen, darum könne er auch nicht sagen, ob der Minister "hart" mit Nau verhandelt habe. "Aber ihm - Halstenberg - paßten solche .Fühlungnahmen' gar nicht", teilte der Zeuge mit und unterstrich, zu einer "Einflußnahme" sei es durch Nau bei Herrn Halstenberg nicht gekommen. Im übrigen habe der Minister ein direktes Gespräch in seinen Amtsräumen vermieden, sonst wäre er als Leiter der Steuerabteilung sicher hinzugezogen worden; telefonische Kontakte des Ministers konnte Spindler nicht ausschließen.
    Zu dem vorläufigen Ermittlungsstopp gegenüber der CDU sei es gekommen, weil weitere fundierte Gespräche mit Vertretern dieser Partei anberaumt waren, da wäre es verfahrensrechtlich zumindest unfair gewesen, weitere Ermittlungen anzustellen - es sei denn, diese Gespräche hätten der Verschleierung oder der Verschleppung mit dem Ziel der Verjährung gedient. Aber dies sei nicht der Fall gewesen, im Gegenteil: Die CDU habe im März 76 erstmals die Bereitschaft bekundet, der Finanzverwaltung durch Unterlagen entgegenzukommen und so an den Ermittlungen mitzuwirken. Die CDU habe jedoch erkennen lassen, daß dieses Angebot nur unter der Bedingung gelte, daß auf bundesweite Fahndungsmaßnahmen verzichtet würde.
    "Diese Erkenntnisquelle wäre verschüttet worden, wenn die Steuerfahndung St. Augustin weiter ermittelt hätte", erklärte der Zeuge. Die Zusammenarbeit mit der CDU habe zu diesem Zeitpunkt die Chance geboten, die Ermittlungen schneller und besser durchzuführen. Zur Bedeutung des Falls stellte er klar, es habe sich im Vergleich zu den Summen, um die es etwa bei Konzernprüfungen gehe, um einen vergleichsweise "kleinen Fisch" gehandelt.
    Ihn habe die Remonstration des Steuerfahnders Förster überrascht, zumal Förster bei einem Gespräch im Finanzministerium die Gelegenheit nicht genutzt habe, seine abweichende Einschätzung zur Kenntnis zu geben. Der Weg, den Förster eingeschlagen habe, sei dann für das Ministerium Veranlassung gewesen, die Angelegenheit an die Staatsanwaltschaft abzugeben. Nach wie vor, daran ließ Spindler keinen Zweifel, halte er den Weg des Finanzministeriums, die Vorwürfe in Zusammenarbeit mit der Beschuldigten zu klären, für den besseren; Försters Vorgehensweise habe erschwert, die Fälle in angemessener Zeit zu bewältigen.
    Die damals bevorstehende Bundestagswahl sei für das Ministerium "ein zu vernachlässigender Zeitfaktor" gewesen; das Verfahren hätte noch Jahre gedauert, meinte er und stellte auf Nachfrage fest, die Weisung des Finanzministers, eine bestimmte Partei zu überprüfen, sei zwar denkbar, "aber absolut unüblich".

    Bildunterschrift:
    An mittlerweile schon gewohntem Platz: Der Zeuge Spindler (70) auf der Zeugenbank.

    Systematik: 8200 Finanzverwaltung; 1070 Politische Kräfte; 3300 Justiz

    ID: LI871625

  • Dr. Heinz Nehrling.
    Zur Person
    S. 16 in Ausgabe 10 - 30.06.1987

    Dr. Heinz Nehrling (SPD), Staatssekretär im Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr, ist am 8. Juli 25 Jahre in der nordrhein-westfälischen Landespolitik tätig. Vor einem Vierteljahrhundert wurde Heinz Nehrling als Kandidat des Wahlkreises Oberhausen-Süd erstmalig in den Landtag gewählt. 1966 und 1970 erfolgte Wiederwahl. Von 1966 bis 1973 war er Parlamentarischer Geschäftsführer bei den SPD-Fraktionsvorsitzenden Heinz Kühn, Johannes Rau und Dr. Fritz Kassmann. Ab 1973 erfolgte dann Arbeit als Staatssekretär für den Minister für Bundesangelegenheiten, Professor Dr. Friedrich Halstenberg, die Wirtschaftsminister Dr. Horst Ludwig Riemer, Liselotte Funcke (beide F.D.P.), sowie Professor Dr. Reimut Jochimsen und für den Stadtentwicklungsminister Dr. Christoph Zöpel (beide SPD).

    ID: LI871047

  • Porträt der Woche: Dr. Herbert Schnoor (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 8 - 26.05.1987

    Zwischen Dollart und Jade ist die Geduld geboren: Das Meer, der Sturm, die Kälte, lange Winter, kurze Sommer. Ostfriesen müssen beharrlich sein - so wie Herbert Schnoor, der dort in Moordorf bei Aurich am 1. Juni 1927 als Sohn eines Lehrers zur Welt kam. Der Lebensweg schien vorgezeichnet, weil die Liebe zur Poetik und Poesie den Schüler einfing; er rezitiert heute noch aus dem Stegreif Morgenstern wie Lichtenstein, und Ernst Jüngers "Stahlgewitter" widerfuhr dem Leser und Fahnenjunker Schnoor 1945 an der Elbe. Hitler hatte den Sturmangriff der Armee Wenck befohlen, die Berlin und den Führerbunker vor den Russen retten sollte, aber die letzte deutsche Offensive mit den jüngsten Soldaten der Nation versank in Blut und Tränen. Aus dem Brückenkopf Barby bei Magdeburg kämpfte sich Schnoor wie sein Kommandeur durch den russischen Ring in die amerikanische Gefangenschaft. Später an die Franzosen ausgeliefert, arbeitete der Zwangsarbeiter in Lothringens Kohlegruben, bis ihm die Flucht gelang. Knapp 20jährig kehrte er heim, ging wieder zur Schule, um das Abitur abzulegen, das der Krieg bis dato verwehrt hatte. Germanistik und Philosophie wollte Herbert Schnoor studieren, doch die alten Prüfer in Göttingen befanden ihn dafür noch nicht reif. "Da ging ich zu den Juristen", lächelt heute verschmitzt Doktor jur., der 1958 in den niedersächsischen Landesdienst eintrat, als Hinrich Wilhelm Kopf in Hannover regierte. Über den Umweg Bonn, "das mir nicht gefiel", kam der junge Beamte 1964 nach Düsseldorf, übernahm unter Kultusminister Prof. Paul Mikat (CDU) das Referat Volksschulgruppe. Sankt Proporzius hatte es dem Oberregierungsrat Schnoor erleichtert, weil die Position unbedingt mit einem Protestanten möglichst ohne CDU-Gesangbuch besetzt werden mußte. So wollte es Mikat, der dann 1966 aus allen Wolken fiel: Heinz Kühn löste die Regierung Meyers ab, Fritz Holthoff übernahm das Kultusministerium und Herbert Schnoor wurde sein persönlicher Referent.
    Sozusagen von Natur aus war Schnoor den Sozialdemokraten verbunden, denn in Ostfriesland, ja gar in Moordorf, hat die SPD tiefe Wurzeln, wenngleich der junge Mann aus dem Norden sich mehr an Rheinländern wie Heinz Kühn parteipolitisch orientierte. Der Ministerpräsident förderte ihn vorahnend, entsandte den sportlich-hageren Juristen und passionierten Waldläufer ins Innenministerium, nun schon als Ministerialdirigent und Personalchef; manch Beamter bei Willi Weyer stutzte. Es war nur ein kurzes Gastspiel, denn der unaufhaltsame Aufstieg des Johannes Rau zum Wissenschaftsminister zog 1970 Herbert Schnoor mit; seine Beamten-Karriere hatte den Höhepunkt erreicht: Staatssekretär! In den folgenden fünf Jahren vollbrachten Rau und Schnoor ein Glanzstück sozialdemokratischer Regierungspolitik; das gigantisch zu nennende Hochschulprogramm, die Regionalisierung der Universitäten mit ihren Standortvorteilen für Studenten von Bielefeld bis Siegen! Ein Lebenswerk für sich...
    Damit nicht genug, weil als einzig möglicher Nachfolger für Professor Dr. Friedrich Halstenberg erkannt, berief Kühn den nun schon mit allen Wassern der Ministerialbürokratie gewaschenen Staatssekretär zu seinem Stabschef, zum Chef der Staatskanzlei. Jetzt war auch der Diplomat gefordert, der die Sensibilität eines Seismologen benötigt, denn es bahnte sich die Zeit des Übergangs von Heinz Kühn zu Johannes Rau an. Die Turbulenzen in der Regierungspartei durften die Regierungszentrale nicht erschüttern, ein Ostfriese im Sturm. Es hat alles geklappt, und die Freundschaft zu Kühn wie zu Rau, trotz manch' bitterer Stunde für alle drei, ist geblieben.
    Wer konnte prophezeien, daß dieser Herbert Schnoor aus der Exekutive alsbald auch in die Legislative vordringen würde? Der SPD-Landesparteitag wollte es 1980 verhindern, aber Rau und Hans Otto Bäumer setzten den persönlich spartanisch bescheidenen Spitzenbeamten als Landtagskandidaten durch, ebneten seinen Weg ins Ministeramt. - Zufall oder Schicksal, die FDP konnte sich nicht mehr halten, Burkhard Hirsch mußte nach der Wahl das Innenministerium räumen, Rau berief seinen Vertrauten Schnoor zum Nachfolger. Ein Glücksfall!
    Von der Parteien Gunst und Hass nie verwirrt, entwickelte sich der neue Innenminister und Landtagsabgeordnete zum geduldigen Apologeten einer flexiblen, liberalen Politik, wie sie auch bei Demonstrationen musterhaft praktiziert wird. - Sozialdemokraten, die der bewaffneten Macht in einer rechtsstaatlichen Demokratie vorstehen, haben es oft schwer. Die einen verlangen mehr Härte, die anderen mehr Nachsicht. Fern jeder Ideologie lenkt und leitet Schnoor Polizei und Verwaltung; Demokratie hat Vorfahrt, auch im Zweifelsfalle immer für die Freiheit.
    Horst-Werner Hartelt

    ID: LI870825

  • "Als nächste wäre CDU drangewesen".
    Untersuchungsausschuß I.
    Ausschussbericht
    S. 12 in Ausgabe 6 - 05.05.1987

    Bei der Vernehmung des ehemaligen Finanzministers Professor Friedrich Halstenberg und seines Finanzstaatssekretärs Dr. Martin Döring als Zeugen vor dem Untersuchungsausschuß I standen die Ereignisse in den Jahren 1975/76 im Vordergrund. Das war die Zeit, als die Steuerfahndung St. Augustin von der Schattenfinanzierung der CDU Kenntnis bekam und diese Informationen "nach oben" weiterleitete.
    Er sei, so Halstenberg bei der Vernehmung, am 1. oder 2. Dezember 1975 von dem damaligen Leiter der Steuerabteilung seines Hauses über die Gutachtengeschäfte der CDU unterrichtet worden. Es habe dann Mitte des Monats ein Gespräch mit den Beteiligten gegeben, in dem mit der CDU die Übereinkunft getroffen wurde, alles Material über diese Vorgänge der Finanzverwaltung zur Verfügung zu stellen, um - wie der Staatssekretär bei seiner anschließenden Vernehmung sagte - "zu einem Generalreinemachen zu kommen". Die Steuerbehörden verpflichteten sich im Gegenzug, die Angelegenheit "rite" zu behandeln: Ohne übertriebenen Eifer, aber auch ohne unzulässige Verschonung. Dann sei aber die Sache mit der freiwilligen lückenlosen Aufklärung aus Wahlkampfgründen verschleppt worden, und um die Steuerbeamten nicht in den Verdacht der Begünstigung im Amt geraten zu lassen, sei schließlich die Angelegenheit an die Staatsanwaltschaft abgegeben worden. Halstenberg nachträglich: "Es war schon richtig, daß Herr Foerster die Frage zur Entscheidung gebracht hat." Andererseits habe es ihn "erstaunt", daß er als Minister in einer solch weitgehenden Sache nicht gefragt worden sei, nämlich als die OFD Köln St. Augustin angewiesen habe, vorläufig keine Fahndungsmaßnahmen zu treffen.
    Der Zeuge machte aus seiner Haltung zur Schattenfinanzierung keinen Hehl: Er halte es für "unerhört" und für ein "großes Ärgernis", daß die Schatzmeister aller Parteien der Meinung gewesen seien, sie genössen sozusagen Immunität; die Parteien seien von den Steuerbehörden nicht prüfbar. Wenn es dennoch Versuche dazu gegeben habe, dann seien sie, wie das in Schleswig-Holstein getan und in Rheinland-Pfalz beabsichtigt gewesen sei, durch Interventionen beim Landesfinanzminister unterbunden worden. Mit dieser Übereinkunft habe er, als er Schatzmeister der SPD geworden sei, sofort Schluß gemacht, erklärte Halstenberg.
    Er teilte auch mit, daß er zwei Dinge veranlaßt habe: So habe er als Finanzminister die Zahl der Stellen für die Steuerfahndung enorm erhöht, um diesen Dingen auf den Grund gehen zu können; und er habe außerdem eine Konzernbetriebsprüfung beim Bundesvorstand der SPD anberaumt. Halstenberg: Als nächste Partei wäre die CDU drangewesen, danach die F.D.P. Dazu ist es dann nicht mehr gekommen; Halstenberg schied als Finanzminister 1978 aus dem Amt. Zuvor habe er mit seinem Nachfolger die Problematik "eindeutig und in voller Breite" erörtert; Halstenberg räumte aber ein: "Kein Amtsnachfolger braucht den Rat des Vorgängers."

    Systematik: 3300 Justiz; 1070 Politische Kräfte

    ID: LI870628

  • Helmut Schmidt: Parteien sollen sich aus Mitgliedsbeiträgen finanzieren.
    Ex-Bundeskanzler vor Untersuchungsausschuß Parteispenden.
    Ausschussbericht;

    S. 15 in Ausgabe 3 - 24.02.1987

    " Keinen Pfennig aus Steuergeldern" sollten die Parteien erhalten, meinte der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuß "Parteispenden" und erläuterte den Abgeordneten und zahlreich anwesenden Pressevertretern, daß er mit dieser "frugalen, preußischen, hanseatischen Auffassung" so allein dagestanden habe, daß sich jede Diskussion erübrigte. Als Antwort auf das vom CDU-Vorsitzenden Professor Biedenkopf angesprochene Dilemma, daß die politischen Parteien zwar staatstragende Aufgaben, aber nur geringe Finanzierungsmöglichkeiten hätten, wies er auf Mitgliedsbeiträge und mehr Mitglieder hin. Die vom Ausschußvorsitzenden Egbert Reinhard (SPD) verlesene Aussagegenehmigung durch das Bundeskanzleramt erstreckte sich auf Vorgänge in der Justiz- und Finanzverwaltung des Landes NRW im Zusammenhang mit der Schattenfinanzierung von Parteien. Ob er mit Kühn, Rau, Halstenberg oder Posser hierüber gesprochen habe, wurde der Ex-Bundeskanzlergefragt.
    Seine Antwort lautete: "Nein." Der "Zeuge Schmidt", als Hamburger nicht zur Aussage in NRW verpflichtet, sondern "selbstverständlich freiwillig" erschienen, schlug dem Ausschuß vor, ihn eher als Sachverständigen zu befragen. "Ich kann mit Sicherheit ausschließen, daß ich weder als Bundesminister noch als Bundeskanzler für irgend etwas eine steuerabzugsfähige Bescheinigung erteilt oder erhalten habe", sagte Schmidt zur einvernehmlich erweiterten Fragestellung. "Niemals etwas mit der Kasse zu tun haben", nannte er als Grundsatz seiner langen politischen Laufbahn. Allerhand mit Wirtschaftspolitik, mit Steuerpolitik habe er zu tun gehabt, aber nichts mit der Finanzierung seiner Partei. Er habe selbst gespendet, ohne Bescheinigungen erbeten, erhalten oder verwendet zu haben. Für seine Stimmenthaltung bei der Änderung der Parteienfinanzierung durch den Bundestag habe er sich 100 DM abziehen lassen. Im übrigen zahle er einen "immensen" Parteibeitrag und frage sich, ob dieser immer zu vernünftigen Zwekken verwendet würde.
    "Ich kann mich nicht erinnern, daß das Geld in meinen Wahlkreis geflossen ist", sagte Schmidt zu einem ihm von Professor Biedenkopf vorgehaltenen Brief an Dr. Nau, den er seiner Sekretärin telefonisch diktiert habe. Darin wird der frühere SPD-Schatzmeister um die Prüfung von Steuerbegünstigungen für eine ihm von einem NRW-Bürger angebotene Wahlkreis-Spende gebeten. Seine Kenntnisse über Parteispenden und Umwegfinanzierung stammten im übrigen aus der Zeit der Aufdeckung der großen Fälle. Das sei aber nicht Gegenstand von Diskussionen zwischen dem Bundesfinanzminister und den Finanzministern der Länder gewesen. Es habe nie auf der Tagesordnung einer Finanzministerkonferenz gestanden, sagte Schmidt vor dem Ausschuß, der den Kenntnisstand der NRW-Finanzbehörden über die Schattenfinanzierung der Parteien untersuchen soll.
    Daß es Spenderwünsche, Steuerwünsche gegeben habe, sei ihm bekannt, sagte Schmidt auf Fragen von Ausschußmitgliedern, nicht jedoch, wie weit das gegangen sei. Er meine zu ahnen, daß einige Berufsverbände "in gewissem Maße" mit Spenden zu tun gehabt hätten. Wie das steuerlich abgehandelt worden sei, habe er aber nie erfahren. Nachdrücklich widersprochen habe er nach Bekanntwerden der Praktiken den Versuchen der Beteiligten, sich rückwirkend in ein milderes Licht stellen zu wollen.

    Bildunterschrift:
    Zeuge Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) wollte zum Thema Parteispenden lieber als Sachverständiger aussagen, da er "mit der Kasse nie etwas zu tun" gehabt habe.
    Foto: Schüler

    Systematik: 1070 Politische Kräfte

    ID: LI870327

  • Debatte über den Bericht des Untersuchungsausschusses Klinikum Aachen.
    SPD: Keine Beanstandungen - CDU: Grobe Versäumnisse.
    Plenarbericht;

    S. 7-8 in Ausgabe 5 - 12.03.1985

    Nach mehrstündiger Debatte über den Schlußbericht des II. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses - Klinikum Aachen - gab es unterschiedliche Wertungen dieser Arbeit im Landtag. Während in den Tatsachenberichten keine größeren Differenzen zwischen den Fraktionen bestehen, unterscheiden sich die bewertenden Berichtsteile erheblich. Die SPD-Mehrheit kam zu dem Schluß, daß die einzelnen Mitglieder der Landesregierung kein Verschulden an den Kostensteigerungen und Bauverzögerungen treffe. Die CDU-Minderheit dagegen warf einzelnen Ministern Versäumnisse, unterlassene Konsequenzen und grobe Fahrlässigkeit vor, zuletzt und vor allem dem Landes- und Stadtentwicklungsminister seit 1980, Dr. Christoph Zöpel (SPD). Die CDU erwog eine Ministeranklage gegen Regierungschef Rau, den früheren Finanzminister Wertz und Minister Zöpel. Auch über eine Sondersitzung des Landtags wurde gesprochen. Der Untersuchungsausschuß tagte in neun Monaten 45mal, hörte 34 Zeugen an und prüfte mehrere tausend Unterlagen. Ihm gehörten die Abgeordneten Theo Heimes, Albert Klütsch, Franz-Josef Kniola, Egbert Reinhard (stellvertretender Vorsitzender) und Reinhold Trinius (alle SPD) sowie Rolf Klein (Vorsitzender), Dr. Gerhard Rödding, Siegfried Zellnig, Peter-Olaf Hoffmann (alle CDU) an. Als neutraler Gutachter arbeitete wieder Professor Werner Giesen dem Ausschuß zu.
    Rolf Klein (CDU) bedauerte als Berichterstatter, daß es nicht einmal im Tatsachenteil zu gemeinsamen Berichten gekommen sei. Allerdings bestehe zwischen den Tatsachenberichten beider Fraktionen eine weitaus größere Übereinstimmung, als beim ersten Anblick zu vermuten. "Vor dem Jahre 1988 (gegenwärtiger Fertigstellungstermin) weiß niemand, was das Klinikum wirklich kostet", stellte Klein fest. Der Abgeordnete bezifferte die Kosten für die Vorfinanzierung auf 60 Mio. Mark. Um mehrere Mio. Mark handele es sich auch bei zusätzlichen Baunebenkosten. Ein unbekanntes Kostenrisiko verberge sich auch hinter den 2000 bis 3000 noch zu erwartenden Baumängeln. Im Wertungsteil seien häufig unterschiedliche Urteile abgegeben worden, wobei die Mehrheit das Verhalten der Mitglieder der Landesregierung positiver beurteilt habe. Die Minderheit werfe Minister Prof. Halstenberg übertriebene Solidarität vor, dadurch, daß er das Parlament über erkannte Pannen nicht aufgeklärt habe. Minister Wertz sei unfähig, sich eine fehlerhafte Sachbehandlung einzugestehen. Finanzminister Dr. Posser sei lediglich vorzuwerfen, daß er den Landtag nicht über die Folgen der Senkung der Nebenkostenpauschale unterrichtet habe. Minister Dr. Zöpel werde nach Meinung beider Fraktionen nicht ausdrücklich entlastet. Die Minderheit werfe ihm wegen seiner grundsätzlichen Weigerung, sich bei Gründung des Ressorts und Amtsantritt sachkundig zu machen, grobe Fahrlässigkeit vor. Ministerpräsident Rau seien nach Mehrheitsmeinung keine Vorwürfe zu machen. Die CDU-Mitglieder wiesen aber darauf hin, daß Rau der einzige war, der von 1971 an ständig mit dem Klinikum befaßt gewesen sei.
    Egbert Reinhard (SPD) kritisierte, der Kollege Klein habe sich zwar bei seiner Berichterstattung rein äußerlich den Mantel der Objektivität umgehängt. Aber wenn man genau zugehört habe, sei Klein der Berichterstatter der Minderheitenmeinung gewesen. Reinhard wies auf die große Gefahr hin, daß Untersuchungsausschüsse nicht mehr Wahrheiten erforschten, Sachverhalte feststellten, sondern zu politischen Kampfinstrumenten würden. Reinhard erinnerte an einen von ihm gemachten Vorschlag, daß es zweckdienlich wäre, wenn der Vorsitzende ein neutraler unabhängiger Nichtparlamentarier sei. "Wenn wir einen geeigneten Vorsitzenden gehabt hätten, wäre manches in diesem Untersuchungsausschuß sachlicher verlaufen", meinte der SPD-Politiker. Man habe die Ausübung eines inquisitorischen Fragerechts durch den Vorsitzenden erlebt. Der Ausschuß sei schon ein Wahlkampfinstrument der CDU gewesen. Sie habe ihn degradiert. Auf dem ersten Parlamentarischen Untersuchungsausschuß aufbauend, habe dieser U-Ausschuß die Situation nach 1980 erörtern sollen. Es habe ganz schlechte Verträge für das Land gegeben. Die Neue Heimat habe das gewußt. Dankbar könne man nur Staatssekretär Winter sein, der das ganze Geschäft halbwegs vernünftig über die Bühne gebracht habe. Weder Rau noch Zöpel seien verantwortlich. Nur hätten die das nachher ausbaden müssen. Aus dem Mehrheitsbericht zitierend, sagte Reinhard, das politische Ziel der Landesregierung sei gewesen, den Bau so schnell wie möglich fertigzustellen.
    Der Vorsitzende des Justizausschusses ging dann auf das nach seinen Worten "Schlimmste" ein, was das Minderheitenvotum enthalte, nämlich gegen den Ministerpräsidenten und Minister Zöpel Ministeranklage nach Artikel 63 der Landesverfassung zu erheben. Reinhard sagte voraus, die CDU werde in Münster abgeschmettert, wenn sie sich auf den Amtseid berufe. Zur moralischen Seite sagte der Abgeordnete: "Diese beiden hier, Rau und Zöpel, sind für mich auch unbescholtene Bürger, die Sie durch Ihren unverschämten Antrag in die Nähe der Kriminalität bringen wollen. Das ist das Verwerfliche."
    Dr. Gerhard Rödding (CDU) bezeichnete das "Lebenswerk" (Rau) als "größte finanzielle Schlamperei, die es je in Nordrhein-Westfalen gegeben hat". Die Vergabe ohne Ausschreibung an die Neue Heimat sei schon zu kritisieren, mehr noch die Verträge. "Je teurer der Bau, um so höher das Honorar", diese Automatik sei nie durchbrochen und das Land erpreßbar geworden: Wenn es für Fehlleistungen nicht zahlen wollte, habe die Neue Heimat nur zu drohen brauchen, die Baustelle zu verlassen. Die "cleveren Genossen in Hamburg" hätten dem Land Verträge untergejubelt, daß man die Neue Heimat eigentlich nie mehr los werde. Die "harmlosen Genossen in Düsseldorf haben sich schlicht übers Ohr hauen lassen". Die Aussagen des Minister Zöpel bewertete Rödding als "Verhaltensweise eines Ideologen, der mit der Realität nicht fertig wird und der gleich nach der Hochschule ohne praktische Erfahrung auf einen Ministersessel gesprungen ist". Die Technikfeindlichkeit dieses Ministers habe der Regierung die Kraft genommen, das Ganze zu steuern und die Schäden in Grenzen zu halten.
    Franz-Josef Kniola (SPD) erinnerte daran, daß die Beauftragung der Neuen Heimat Städtebau im November 1969 erfolgt sei. Zuständig sei damals der Bauminister und Vorsitzende des Aufsichtsrates Kohlhase (FDP) gewesen. Dieser habe erklärt, er habe den früheren Finanzminister Hans Wertz (SPD) noch dazu überreden müssen, den gewerkschaftseigenen Baukonzern Neue Heimat mit der schlüsselfertigen Herstellung des Klinikums zu beauftragen. Kniola erwähnte dann das Spitzengespräch im Juli 1976, das Fritz Hai-stenberg mit der NHS geführt habe in der Hoffnung, die Schwierigkeiten in Aachen ausräumen zu können. Erst danach sei er zu neuen Erkenntnissen gekommen, nachdem das Spitzengespräch zu keiner positiven Wende geführt habe. Die CDU aber verlagere bewußt verfälschend die Erkenntnismöglichkeiten früherer Jahre. Zur "Ministeranklage" meinte der Abgeordnete unter Hinweis auf Zustimmungen der Opposition im parlamentarischen Haushaltsbereich: "Können Sie angesichts einer solchen Situation Ihren Versuch, eine Ministeranklage zu installieren, aufrechterhalten?" Er fragte weiter: "Haben Sie nicht selber Angst davor, daß man Ihnen zu Recht vorwerfen wird, daß, wenn es denn dann dazu kommt, es sich hier um einen eindeutigen Fall von Rechtsmißbrauch handeln wird?"
    Landes- und Stadtentwicklungsminister Dr. Christoph Zöpel (SPD) berichtete, die Medizinische Fakultät der RWTH Aachen sei seit dem 28. Dezember 1984 fertiggestellt und dem Nutzer übergeben. Danach habe die CDU nie gefragt. Ferner sei mit dem Baubetreuer eine Abrechnungsplanung fest vereinbart. Hinsichtlich der Kosten sei die erzielbare Kostensicherheit erreicht. Die Rechtspositionen des Landes seien vielfältig gewahrt. Dazu sei die finanzielle Position des Landes gegenüber der Neuen Heimat bezüglich ihrer potentiellen Honoraransprüche restriktiv gehandhabt worden. Der Minister unterstrich, die Wirklichkeit der letzten viereinhalb Jahre sei so, daß ein strapaziöses Krisenmanagement hinter der Landesregierung liege. Auch bei der Opposition habe es Abgeordnete gegeben, die sich nicht auf Rechtskasuistik beschränkt, sondern die konkreten Managementprobleme ebenfalls gesehen hätten. Die Feststellungen der CDU zu seinem Verhalten als Minister bezeichnete Zöpel als "die größte Absurdität". Er zitierte dann aus seiner eigenen Zeugenaussage vor dem U-Ausschuß und warf den Verfassern des Minderheitsgutachtens vor, vorsätzlich Zeugenaussagen unterschlagen zu haben. Den Wettlauf um die Fertigstellung habe er nun gewonnen.
    Peter-Olaf Hoffmann (CDU) bezeichnete die Zeugenvernehmung von Minister Zöpel als "katastrophal". Bei der Einzelvernehmung habe der Minister häufig Dinge nicht gewußt. Die Ministeranklage laut Artikel 63 der Verfassung sei die einzige Möglichkeit, Schadenersatz, Regreßforderungen anzumelden und feststellen zu lassen, daß Amtspflichten verletzt worden seien. Der Ausschußbericht bestehe aus einem vollständigen Teil und dem von der Mehrheit beschlossenen unvollständigen Teil. Der SPD sei es nur darauf angekommen, den Tatbestand so lange zu kneten, bis er zu ihrer Wertung paßte. Damit werde die Grenze zur Rechtsbeugung unscharf. Die von der Mehrheit nicht ausgewerteten Kabinettsprotokolle zeigten, daß es schon sehr viel früher als in den letzten Monaten konkreten Handlungsbedarf gegeben hätte, um Schaden vom Land abzuwenden. Daß früher nichts geschehen sei, entspreche "dem zögerlichen und problemverdrängenden Naturell" des Ministerpräsidenten. Er könne aus der Verantwortung nicht entlassen werden. Der SPD sei es nicht gelungen, die Verantwortlichen "in ihrer Minister-Waschanlage reinzuwaschen".
    Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) erwiderte, er stehe für das Klinikum Aachen ein und werde das auch weiter tun. Zur Debatte im Landtag meinte er, angesichts des Termins 1985 habe er schon 1978 bei der Amtsübernahme gewußt, daß er für die Mängel zuständig sein solle. Dem Oppositionsführer warf er schlechte Strategie vor bei dem Taktieren um die Ministeranklage. Tagelang würden Menschen unter dem Verdacht belassen, das Land um Hunderte von Millionen geschädigt zu haben. Er persönlich werde in der Geschichte des Klinikums auch mit seinen Fehlern vorkommen. Als der für den Hochschulbau acht Jahre lang Zuständige könne er nicht für ein Projekt einer Größenordnung, die es noch nie gegeben habe, garantieren, daß nichts schiefgehe. Er habe sein Bestes getan. Aachen werde ein Mekka der Hochleistungsmedizin, und es werde von allen politischen Parteien die Idee reklamiert werden. Und Aachen werde immer Probleme bereiten. Aber es helfe vielen Menschen. Er sei stolz darauf.
    Dr. Bernhard Worms (CDU) beanspruchte nach seinen eigenen Worten das Rederecht des Oppositionsführers, wenn der Ministerpräsident gesprochen habe. Er habe von Rau erwartet, daß dieser "etwas zu dem zentralen Punkt" gesagt hätte, "nämlich zu dem Maß Ihrer Verantwortung". Worms traf die Feststellungen, Antrag und Einsetzung des Untersuchungsausschusses seien richtig gewesen. Ein Fachausschuß allein hätte die Feststellungen nicht treffen können. Der Weg des Klinikums Aachen enthalte drei Stationen, die Einrichtung einer GmbH, den Untersuchungsausschuß I und sein einmütiges Ergebnis im Tatsachenteil sowie die Aufstellungen des Rechnungshofs und unzureichend beantwortete Fragen der Opposition, die zum U-Ausschuß geführt hätten. Hätte die Opposition ihr Wächteramt nicht wahrgenommen, so hätte die Landesregierung bei der offiziellen Feier der Übergabe des Klinikums mit Worten wie "Mekka der Medizin" dem Steuerzahler verschwiegen, wieviel man ihm aus der Tasche gezogen habe. Gebe es Verantwortung, so gebe es auch Schuld und die Frage der Haftung. Diese Frage werde die CDU in der Auswertung der Debatte klären und dann verfassungsrechtlich mögliche Konsequenzen ziehen.
    Karl Josef Denzer (SPD), Fraktionsvorsitzender, meinte, man habe vom Oppositionsführer die hohe Erleuchtung erwartet. Nun werde er endlich die Ministeranklage als Antrag auf den Tisch legen. "Es ist einfach nicht zu glauben, für wie dumm Sie uns verkaufen wollen, Herr Kollege Worms!" sagte Denzer. Viereinhalb Stunden sei geredet, unterschlagen, falsch zitiert worden. An Worms gewandt, sagte der SPD-Fraktionschef, wenn erden Antrag auf Ministeranklage stelle daran könne ihn die SPD nicht hindern "dann sollten Sie ihn heute hier mit aller Begründung gestellt haben". Aber der CDU gehe es überhaupt nicht darum. Es gehe ihr nur um die Diffamierung eines Ministerpräsidenten, "den Sie auf diese Art und Weise als Konkurrenten in der Auseinandersetzung am 12. Mai madig machen wollen!" behauptete Denzer. Der Ministerpräsident habe sich, wie alle seine Minister, in der Verantwortung für das Klinikum auch für die Pannen und Fehler hier hingestellt. Er habe sie nie bestritten. Auch Zöpel und Wertz hätten das nicht getan.
    Rolf Klein (CDU) erklärte, es sei Sache der Opposition, ihre Antragsmittel einzusetzen, wann sie das wolle. "Wir sind bis jetzt nicht an der Stelle, daß die Verfahrensdebatte von Ihnen hier bestimmt wird", sagte der Abgeordnete und Vorsitzende des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses II. Er habe geglaubt, daß die Regierungsseite heute im Stande gewesen wäre, diesem Hause ein Stück von der Verantwortung zu zeigen im Sinne von "mea culpa!". "Es ist ausgeblieben."

    Bildunterschriften:
    Unterschiedliche Positionen: v. I. Egbert Reinhard (SPD), Dr. Gerhard Rödding (CDU) und Peter-Olaf Hoffmann (CDU).

    Der Minister für Bundesangelegenheiten, Günther Einen (SPD), links, im Gespräch mit dem SPD- Abgeordneten Franz-Josef Kniola, der bei der Debatte über den Klinikum-Bericht die Position der SPD verdeutlicht hatte. Foto: Schüler

    Systematik: 5220 Gesundheitseinrichtungen; 2800 Bauwesen

    ID: LI850508

  • Als Wissenschaftsminister die Interessen der Medizinischen Fakultät vertreten.
    Ministerpräsident Johannes Rau als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuß des Landtags.
    Ausschussbericht;

    S. 11 in Ausgabe 21 - 18.12.1984

    Die Bau-Überwachung beim Klinikum Aachen sei in erster Linie Sache des Finanzministers gewesen. Er habe als Wissenschaftsminister vor allem die Nutzerinteressen zu vertreten gehabt. Ärger über Planungsrückstand, Bauverzug, Kostensteigerungen hätten sich im Aufsichtsrat vor allem gegen die Geschäftsführer der Neuen Heimat gerichtet, berichtete Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) vor dem II. Parlamentarischen Untersuchungsausschuß. Sein Amtsnachfolger Professor Dr. Reimut Jochimsen (SPD) bestätigte, auch er sei vorwiegend mit den vielen Problemen der Nutzer befaßt gewesen.
    Seine Funktion als stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates der Hochschulbau-Finanzierungsgesellschaft (HFG) beschrieb Zeuge Rau zu Beginn der rund eineinhalbstündigen Befragung als die des Vertreters des Vorsitzenden (des Finanzministers), was nur einmal vorgekommen sei. Vertragliche Regelungen über eine Aufgabenverteilung innerhalb des Aufsichtsrates habe es nicht gegeben. Einziger Zweck der Ende der 60er Jahre gegründeten Gesellschaft sei, auch im vollen Einvernehmen mit dem Landtag, eine neue Organisation des staatlichen Hochschulbaus gewesen.
    "Situationen des Zorns"
    Bedenken gegen die Synchronbauweise beim Klinikum Aachen - gleichzeitiges Planen und Bauen - habe er bei Kenntnis dieser Methode nicht gehabt, erläuterte Rau. Auf die bohrenden Fragen der Abgeordneten nach Zweifeln an der Netzplantechnik antwortete er mit dem Hinweis, an der Auftragsvergabe an die Neue Heimat Städtebau (NHS) nicht beteiligt gewesen und in eine vollzogene Entscheidung eingestiegen zu sein. Daß das Thema im Aufsichtsrat der HFG erörtert worden wäre, war ihm nicht erinnerlich. Er sei zwar jede Woche mit dem Klinikum befaßt gewesen, aber nicht in Sachen Netzplantechnik. Das sei Sache des Finanzministers gewesen, wie überhaupt die gesamte Kontrolle des Großbaus. Seine Aufgabe als Wissenschaftsminister sei die Vertretung der Nutzerinteressen gewesen, also der zu errichtenden medizinischen Fakultät: "Das Wünschenswerte zu formulieren und gegenüber dem Bauherrn durchzusetzen." Dabei hätten zum Teil widersprüchliche Anliegen auf einen Nenner gebracht werden müssen, nicht nur im Lande selbst, sondern auch im Wissenschaftsrat in Bonn. Sich ständig verändernde Anforderungen an den Bau, zum Beispiel bei Bettenbelegung und modernster technischer Ausstattung, hatten diese Aufgabe erschwert
    . Zur Kritik des bereits vernommenen früheren Finanzministers Professor Halstenberg an der HFG und der Neuen Heimat äußerte Rau, es habe in Aufsichtsratssitzungen Situationen des Zorns gegeben, "in denen die Galle die Funktion des Gehirns hätte übernehmen können". Grundsätzliches Mißtrauen in die HFG sei das aber nicht gewesen, sondern Kritik, die sich vor allem an die NH-Geschäftsführer richtete. Die Formulierung von Halstenberg, das Land sei der NH "auf den Leim gegangen", könne er nicht nachvollziehen. Es sei aber keine Frage, daß die NH nicht gehalten habe, was sie zugesagt hatte. "Wenn ich das alles damals gewußt hätte, hätte ich einen anderen Unternehmer vorgeschlagen."
    "Wer überwacht die Wächter?" betitelte Ausschußvorsitzender Rolf Klein (CDU) die Fragen nach der Überwachertätigkeit des HFG-Aufsichtsrats. Der frühere Wissenschaftsminister konnte sich auch an eine damalige Äußerung seines Finanzkollegen "Wir haben keinen Kostenüberblick" nicht erinnern. Die Kostenfrage sei Sache der Haushaltsabteilung des Finanzministers gewesen. "Wir brauchen schnell dieses Klinikum, dessen Funktionen wir heute loben wollen", beschrieb er seine Position. Man habe "das Lebenswerk des Landes" nicht mehr stoppen können. Teilweise sei mit Sicherheit ohne Genehmigung gebaut worden, er habe aber erst später davon erfahren. Der Vorwurf der Neuen Heimat, von seinem Ministerium seien keine ausreichenden Vorgaben für die Planung gekommen, werde zur Zeit gerichtlich geprüft.
    Raus Amtsnachfolger Professor Dr. Reimut Jochimsen (SPD), Wissenschaftsminister von 1978 bis 1980, bestätigte, daß die Baufortschritte Sache des Finanzministers gewesen seien. Er habe sich um die Operationalisierung der Bettenplanung, um die baldige Inbetriebnahme und um die Folgekosten (Betriebskosten) gekümmert. Eine Fülle von Umplanungswünschen habe es aus den Vorjahren gegeben. Neben den Nutzerinteressen habe er Landesinteressen auf Bundesebene zu vertreten gehabt. Zu seiner Amtszeit sei der Neubau weit fortgeschritten gewesen, "die Fächerstruktur lag fest, die Bettenplanung war fertig, die Berufungen großenteils erfolgt". 1979 habe er einen besonderen Auftrag zur Ermittlung der Folgekosten erteilt.
    Die beiden Amtsnachfolger Hans Schwier (SPD), Wissenschaftsminister von 1980 bis 1983, und Dr. Rolf Krumsiek (SPD), seit 1983, bekräftigten vor dem Ausschuß, daß es zu ihrer Amtszeit nur noch darum gegangen sei, das Werk so schnell wie möglich zu Ende zu bringen. Schwier berichtete auch vom Drängen auf konkrete Kostenziffern durch Bonn, was jedoch vor Vorlage der Endabrechnung nicht möglich sei.
    Der Ausschuß wird Anfang nächsten Jahres erneut Ministerpräsident Rau als Zeugen laden und ihn dann über seine Verantwortlichkeit als Regierungschef ab 1978 befragen.
    Bildunterschrift:
    Als Zeugen vor dem Untersuchungsausschuß Klinikum Aachen: v.l. Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) und Wirtschaftsminister Professor Dr. Reimut Jochimsen (SPD). Fotos: Schüler

    Systematik: 2800 Bauwesen; 5220 Gesundheitseinrichtungen

    ID: LI842130

  • "Macht reicht nicht aus - wir wußten zu wenig".
    Finanzminister vor Untersuchungsausschuß: Sonderbauleitung ab 1977 vor Ort.
    Ausschussbericht;

    S. 4 in Ausgabe 20 - 04.12.1984

    Um Zuständigkeiten und Abrechnungsprobleme ging es bei der Vernehmung von zwei ehemaligen und einem amtierenden Finanzminister als Zeugen in der 29. Sitzung des II. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses/Klinikum Aachen. Der frühere Finanzminister Wertz (SPD) stellte seine Verantwortlichkeit in den Zusammenhang mit anderen Großvorhaben und sagte, zu seiner Zeit habe es keinen besonderen Anlaß, auf Netzpläne beim Aachener Klinikum zu achten, und keine Alternative zur Neuen Heimat gegeben. Sein Amtsnachfolger Halstenberg (SPD) räumte Schwierigkeiten ein, das Kompetenzwirrwarr zu durchblicken, und gab zu, das Land sei der Neuen Heimat "auf den Leim gegangen". Er selbst und auch der Ministerpräsident hätten keine ausreichende Chance gehabt, das Bauvorhaben zu kontrollieren. Der amtierende Finanzminister Posser (SPD) stellte seine Bemühungen um das Durchhalten trotz mangelhafter Kontrollmöglichkeiten dar. Landesmittel für eventuelle Kostensteigerung durch den "Deckelbeschluß" des Bundes seien weder 1985 noch 1986 vorgesehen. Mit seinem Anteil an der Finanzierung sei der Bund zur Zeit in Vorlage.
    Johann Heinrich Wertz, Finanzminister von 1970 bis 1975 und qua Amt Vorsitzender des Aufsichtsrats der Hochschulbau- Finanzierungsgesellschaft (HFG), heute 62 Jahre alt, sagte, eine bereits 1974, wie Ausschußvorsitzender Rolf Klein (CDU) vortrug, erwogene Begutachtung der Leistungen der NH-Netzplantechnik sei "keine Chefsache" gewesen und auf Referentenebene entschieden worden.
    Mit notariatsmäßiger Überprüfung von Verträgen habe er sich nicht befassen können, meinte Wertz auf Vorhalte der Abgeordneten, warum die Frage der Abrechnung nicht neu geregelt worden sei. Er habe "jede Menge Verträge unterschrieben", ohne sich damit zu befassen. Man müsse sich auf seine Mitarbeiter verlassen können. Die Abrechnung sei Sache der Innenrevisoren gewesen. Der HFG habe der ganze Staatsapparat zur Verfügung gestanden, die Ministerien seien "große Organismen mit der gewaltigen Intelligenz des Landes". Die HFG sei im übrigen voll computerisiert gewesen, für Laien die Kontrolle also nicht möglich.
    Prof. Dr. Friedrich Halstenberg, Finanzminister von 1975 bis Anfang 1976, heute 64 Jahre alt, schilderte dem Ausschuß seine Bemühungen im ersten Jahr seiner Amtszeit, sich einen Durchblick zu verschaffen, der ihn im Dezember 1976 zu dem Entschluß brachte, die Aufgaben der HFG einer Sonderbauleitung zu übertragen. Als besondere Komplikation über die Synchronbauweise hinaus stellte er das "Kompetenzwirrwarr" zwischen der HFG, dem Land und der Neuen Heimat dar, wodurch wesentliche Aufgabenbereiche der Kompetenz des Finanzministers entzogen gewesen seien. Darüber hinaus habe es unter den Finanzbeteiligten ein von Kontroversen geprägtes Verhalten gegeben, auch mit den Baugenehmigungsbehörden. "Hin- und Herschieben des Schwarzen Peters", gegenseitiges Rechtfertigen und Mißtrauen habe die Verhandlungen geprägt. Äußerst positiv habe sich über den Projektstand die MH geäußert, sich verwahrend die HFG, sich verfestigend die Genehmigungsbehörden, bestärkt von ihren Chefs, untereinander unterschiedlich. Er habe mehrere Chefgespräche in Sachen Aachener Klinikum geführt. Die daraus gewonnene positive Einstellung habe sich im nachhinein nicht halten lassen. Auch die HFG und die begleitenden Beamten seien der Neuen Heimat "auf den Leim gegangen".
    Unter Berufung auf seine nicht mehr gegebene Bindung innerhalb des Kabinetts und Hinweis auf eigene Aufzeichnungen berichtete Prof. Halstenberg auch von grundlegendem Streit zwischen dem Innenministerium und der HFG. "Zahlreiche Nachträge und Änderungsanträge schienen uns notwendig", eine Fakultät habe noch nicht existiert, der Hochschulkanzler habe gefehlt. Das Verhältnis zwischen HFG und NHS sei zerstört gewesen. "Ich wußte nicht mehr, wem ich mehr glauben sollte."
    In dieser Situation habe ein Kabinettsbeschluß Klarheit bringen sollen, wer das zu verantworten habe. Der Ministerpräsident habe seinem Vorschlag, die HFG aus dem Geschäft zu ziehen, zugestimmt. Schonungslos habe er, Halstenberg, vorgetragen: "Ich habe das nicht mehr im Griff." Die Entscheidung sei richtig gewesen. Ehrlicherweise zuzugeben sei, daß sie hätte früher fallen müssen. Über seine Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender der HFG sagte er auf Befragen der Abgeordneten, er sei immer ein "Mann des Zupackens" gewesen, aber mit diesem Instrument habe man nicht zupacken können. "Macht reicht nicht aus, wir wußten zu wenig", sagte er und folgerte, dem Unternehmen hätte "eine kraftvolle Verwaltung" gegenübertreten müssen.
    Der seit 1978 amtierende Finanzminister Dr. Diether Posser berichtete von Gesprächen und Baustellenbesuchen zu Beginn seiner Amtszeit. Bei den Gesprächen sei es nicht um Vertragsänderungen gegangen, sondern darum, wer für die Mängel verantwortlich sei. Er habe Gerichtsverfahren angekündigt und Beweissicherungsverfahren eingeleitet, was bei den unvereinbaren Auffassungen unvermeidlich gewesen sei.
    Daß zunächst ungeprüfte Rechnungen und Schecks aus Haushaltsmitteln gedeckt wurden, gab er auf Fragen der Abgeordneten zu und wies auf rechtliche Absicherung durch einen Zusatz sowie Prüfungen ab 1980 und detaillierte Änderungen im Abrechnungsverfahren ab Mai 1983 hin, als man den Überblick hatte. Seine Grundüberzeugung sei gewesen, den Bau so rasch wie möglich zu Ende zu bringen. Trotz schlafloser Nächte wegen Befürchtungen um Absinken des Fundaments habe er den Beteiligten Mut machen wollen. Trotz weiter bestehender Meinungsverschiedenheiten sei die MH nicht förmlich in Verzug gesetzt worden. Die Frage, ob durch den Stopp der Bundeszahlungen Zinsausfälle für das Land entstünden, bezeichnete Posser als hypothetisch. Im Haushalt 85 und auch für 86 seien dafür keine Mittel eingestellt. 1985 seien 150 Millionen, 1986 Restzahlungen in Höhe von 51,4 Millionen Mark vorgesehen. Ob der Ansatz für 1984 voll verbaut werde, sei noch offen, der Bund sei bereits in Vorlage mit seiner Zahlung. Das Land habe bereits zugestimmt, Mittel aus 1984 auf das nächste Jahr zu übertragen. Die Frage, wie es zu der Vereinbarung von 9,8 Prozent für Baunebenkosten gekommen sei, versprach er schriftlich zu beantworten. Die endgültigen Kosten inklusive Erstausstattung bezifferte der Finanzminister auf 2,305 Milliarden Mark.
    Bildunterschrift:
    Finanzminister vor dem Untersuchungsausschuß: v.l. Hans Wertz, Professor Friedrich Halstenberg und Dr. Diether Posser (alle SPD). Fotos: Schüler

    Systematik: 5220 Gesundheitseinrichtungen; 2800 Bauwesen

    ID: LI842016

  • CDU-Landtagsfraktion Nordrhein-Westfalen
    "Die Leistungen der CDU können sich sehen lassen".
    1975-1980.
    Aus den Fraktionen
    S. 17 in Ausgabe 11 - 29.04.1980

    Parlamentarische Opposition hat in unserem Regierungssystem zwei Aufgaben wahrzunehmen: Wirksame Kontrolle des Exekutivhandelns der Landesregierung und das Aufzeigen sachlicher und personaler Alternativen zu den politischen Aussagen und Personen auf Regierungsseite. Die CDU-Landtagsfraktion ist beiden Pflichten auch in der 6. Wahlperiode des Parlaments voll gerecht geworden.
    Die CDU kontrolliert die SPD/F.D.P.-Landesreglerung der Skandale. Die jetzige Landesregierung hat durch eine Fülle peinlicher Affären und Versagensfälle der oppositionellen Kontrolltätigkeit ein weites Aufgabenfeld aufgezwungen.
    Schon während des Wahlkampfs 1975, dann auch bei der Bundestagswahl 1976 wurde rechtswidrig und mit hohen Kosten für den Steuerzahler Regierungspropaganda betrieben, die die CDU rügen mußte. Damit wurde u.a. seinerzeit die berüchtigte "Aufschwunglüge" verbreitet. Unter Beratung durch den Landesrechnungshof hat die CDU diese Regierungsaktivität überprüft und ist nachträglich in ihrer Rechtsauffassung durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 1977 vollinhaltlich bestätigt worden. Dennoch setzte die Regierung ihre Rechtsverstöße beim Volksbegehren gegen die Koop-Schule fort und hat in jüngster Zeit im Blick auf die kommende Landtagswahl verbotswidrig durch ihre Gesamtschul-Veröffentlichung weitere Propaganda vorbereitet.
    Beim Skandal um das Klinikum Aachen hat die CDU 1976 ihren Antrag aus 1972 zur Auflösung der Hochschulbau- und Finanzierungsgesellschaft wiederholt, was zur Auflösung der Gesellschaft durch Gesetzesbeschluß führte. Der von uns erzwungene Untersuchungsausschuß deckte zahlreiche Mängel in Planung, Bau und beteiligten Organisationsstrukturen auf. Seine Ergebnisdebatte im November 1979 stellte die Regierung und besonders den Ministerpräsidenten bloß. Da Konsequenzen seitens der Regierung ausblieben, stellte die CDU im Januar 1980 einen entsprechenden Antrag. Seine Verabschiedung wird leider verschleppt.
    Durch den ebenfalls von der CDU erzwungenen Untersuchungsausschuß um Vorgänge bei der West-LB wurde ein Fehlverhalten mehrerer Kabinettsmitglieder aufgedeckt. Die Vorkommnisse erzwangen den Rücktritt von Finanzminister Halstenberg und die vorzeitige Ablösung des Ministerpräsidenten Kühn. Weitere Konsequenz muß noch die Änderung des Sparkassengesetzes sein, wozu ein CDU- Antrag vorliegt.
    Im Haushalts- und Finanzausschuß und ebenfalls unter kritischer Würdigung durch den Landesrechnungshof wird auf Betreiben der CDU intensiv geprüft, wie die Landesregierung am fehlerhaften Zustandekommen einer Bürgschaft für die Beton- und Monierbau AG beteiligt war und das Parlament getäuscht wurde. Eine erste Konsequenz war die Entlassung von Staatssekretär Döring. Die erbitterten Reaktionen von Finanzminister Posser Ende März 1980 zeigen die berechtigte Unruhe und Besorgnis der Regierung.
    Durch Einführung der Koop-Schule wollte die Koalition einen ersten Schritt zur sozialistischen Einheitsschule tun. Die CDU unterstützte das Volksbegehren und setzte mit den am Schulleben beteiligten Gruppen die Verhinderung der Koop-Schule durch. Auch dies war - wenn auch außerhalb des Parlaments - ein wichtiger Oppositionserfolg.
    Ebenso wurde durch eine Verfassungsklage der CDU die durch ein Koalitionsgesetz unter Verletzung der Hochschulautonomie angestrebte Fach-zu-Fach-Integration der Pädagogischen Hochschulen verhindert. Der Verfahrensablauf führte dazu, daß der Landtag einstimmig das Gesetz novellierte und die Gerichtsentscheidung überflüssig wurde.
    Als letztes Beispiel sei erwähnt, daß nach langen Bemühungen der CDU die Mitfinanzierung der Universität Bremen, welchen sich zur unwissenschaftlichen und einseitig roten Kaderschmiede entwickelt hat, durch das Land NRW ein Ende findet. Die Landesregierung sieht sich endlich veranlaßt, den Staatsvertrag nicht mehr zu verlängern.
    Diese Fakten zeigen, daß die CDU durch ihre Kontrolltätigkeit in vielen Punkten unsinniges Handeln der Regierenden verhindern und Fehler aufdecken konnte.
    Die CDU legt sachliche Alternativkonzepte in den Lebensfragen unseres Landes vor.
    Unser politisches Alternativangebot in der 8. Wahlperiode umfaßte die wichtigen Themenkreise der Landespolitik.
    In der Wirtschaftspolitik lag der Schwerpunkt unserer Arbeit aufgrund der Arbeitsmarktlage in NRW (Arbeitslosigkeit über dem Bundesdurchschnitt, im Ruhrgebiet über dem Landesdurchschnitt) beim gezielten Kampf gegen die Arbeitslosigkeit (speziell für besondere Arbeitnehmergruppen wie Jugendliche, Frauen, Ältere).
    Da wir in besonderer Weise die Bedeutung des Mittelstandes, seiner Leistungsbereitschaft und Initiative sowie den Wert kleinerer und mittlerer Unternehmen für eine gesunde Betriebsgrößenstruktur und bedarfsgerechte Marktversorgung anerkennen, haben wir uns besonders für die mittelständische Wirtschaft eingesetzt. Kernpunkt ist unsere nach wie vor geltende Forderung nach einem Mittelstandsförderungsgesetz, das alle diesbezüglichen Maßnahmen vereinigt.
    Für das Ruhrgebiet hat die CDU schon seit 1966 ständig konkrete Vorschläge zur wirtschaftlichen und strukturellen Sanierung und Modernisierung gemacht. In der 8. Wahlperiode ist umfassendes Kernstück unserer Bemühungen der große Ruhrgebietsantrag (Drs. 8/4427) gewesen, der durch zahlreiche Einzelanträge (so auch bei den Etatberatungen) ergänzt wurde und endlich auch die Regierung zumindest zum Nachdenken gezwungen hat. Nur die CDU-Opposition hat ein einheitliches energiepolitisches Konzept durch Anträge und Anfragen im Parlament verdeutlicht. Im Kohleland NRW gilt für uns zur künftigen Energieversorgung der Leitsatz: Soviel Kohle wie möglich, soviel Kernenergie wie nötig. Die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes wird nur dann günstig verlaufen, wenn langfristig eine preiswerte und sichere Energieversorgung garantiert bleibt. Deswegen sagen wir ein klares Ja zum Einsatz der Kernenergie im Verbund mit der Kohle. Die Sicherung von Gesundheit und lebenswerter Umwelt ist mit dem Einsatz von Kernenergie durchaus vereinbar und unabdingbare Voraussetzung.
    Unsere schulpolitischen Alternativen haben fünf Schwerpunkte gesetzt, die die zentralen Themen des Schulwesens aufgreifen: Kampf für eine gegliederte Schule und gegen die Einheitsschule, Stärkung und Gleichberechtigung der Hauptschule, verbesserte Arbeit der Berufsschule, Korrektur der erkannten Fehler bei der Reform der gymnasialen Oberstufe, Bemühung um verfassungskonforme, an der gesellschaftlichen Wirklichkeit orientierte, dem Elternwillen entsprechende und wissenschaftlich fundierte Bildungsinhalte.
    Schließlich sei exemplarisch als besonderer Schwerpunkt der CDU-Arbeit die Familienpolitik erwähnt. Für uns steht im Vordergrund die Aufgabe, die Lebensfähigkeit der Familie in der modernen Industriegesellschaft zu sichern und insbesondere für junge und kinderreiche Familien die Unterstützung der Gesamtgesellschaft zu mobilisieren.
    Denn die Familie ist für uns das Fundament der menschlichen Gesellschaft; sie kann weder durch den Staat noch durch andere gesellschaftliche Lebensformen ersetzt werden. Ehe und Familie als Lebens- und Erziehungsgemeinschaft, als Ort der individuellen Geborgenheit und der personalen Solidarität wollen wir schützen und unterstützen. Durch eine Fülle von Parlamentsinitiativen wurde diese familienpolitische Konzeption praktisch umgesetzt.
    Natürlich hat die CDU neben diesen Schwerpunktfeldern zu allen wichtigen Fragen der Landespolitik ihre Vorschläge im Landtag vorgetragen und offensiv vertreten. Diese Arbeit, das hochqualifizierte personelle Angebot einer neuen Führungsmannschaft für unser Land und die Reaktionen der Bevölkerung und der Publizistik auf unsere Aussagen geben der CDU für die Entscheidung am 11. Mai eine verdiente und solide Chance!

    ID: LI80110D

  • Opposition: Hoffnung auf Ende von SPD/F.D.P.-Epoche - Ministerpräsident: Wahl schicksalhaft für Bundesrepublik.
    51,5-Milliarden-Haushalt für 1980 in dritter Lesung verabschiedet.
    Plenarbericht;

    S. 3-5 in Ausgabe 6 - 03.03.1980

    Bei der dritten Lesung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Jahr 1980 (Drs. 8/4950) zogen Oppositionsführer Heinrich Köppler (CDU), Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) und Sprecher der drei Fraktionen noch einmal Bilanz über die politische Arbeit der auslaufenden Legislaturperiode. Bei der Generaldebatte über das Handeln der Regierung äußerte Oppositionschef Köppler die Hoffnung, daß mit der Landtagswahl am 11. Mai eine dreizehneinhalbjährige Epoche zu Ende gehe, die dem Land wenig Nutzen gebracht habe und ihm "denkbar schlecht"bekommen sei. Regierungschef Rau vermutete, er werde bei der Wahl, die er auch als "schicksalhaft für die Bundesrepublik" bezeichnete, die größeren Chancen haben. Er lud die F.D.P. ein, bei der nächsten Regierung wieder mitzumachen. Finanz-, Wirtschafts- und Energiefragen, das Ruhrgebiet sowie Schul- und Wohnungsbauprobleme bestimmten weitgehend die parlamentarische Aussprache. Der Etat wurde von der Koalitionsmehrheit im Landtag gegen die Stimmen der CDU-Fraktion verabschiedet.
    Heinrich Köppler (CDU) betonte: "Wir erwarten zuversichtlich, daß dies der letzte Haushalt ist, der von dieser Koalitionsregierung hier im Hause verabschiedet wird." Die Epoche habe mit dem Slogan angefangen "Wählt SPD, und wir sind über den Berg!" Bereits ein oder zwei Jahre später sei im Landtag "zu Recht von dem ehemaligen Kollegen Pütz" festgestellt worden, daß es von da an bergab gegangen sei. "Und es ist weiter bergab gegangen!" sagte der Oppositionsführer. Heute sitze die Landesregierung, was ihre Leistungsbilanz angehe, in weiten und wichtigen Bereichen der Landespolitik auf einer Talsohle und igele sich dort in einem Überlebensbunker ein. "Mit ihr ist das Land unten angekommen", sagte Köppler. Er griff den Vorwurf auf, bei einer CDU-Regierung würden Arbeitslose "neu entstehen". Der Oppositionschef unterstrich, die CDU-Regierung habe im Jahre 1966 eine Arbeitslosenquote von 0,7 Prozent hinterlassen. Mit 0,7 Prozent sei die Arbeitslosenquote im Land Nordrhein-Westfalen und im Bundesdurchschnitt damals noch identisch gewesen. Im Jahre 1979, nach einer Entlastung des Arbeitsmarktes gegenüber 1978, habe die durchschnittliche Arbeitslosenquote im Bundesgebiet immer noch 3,8, aber im Land Nordrhein-Westfalen 4,6 Prozent betragen.
    Auch beim Wirtschaftswachstum hat nach seinen Angaben das Land seine Position im Bundesgebiet und im Vergleich zu anderen Bundesländern verschlechtert. "In den sechziger Jahren lag die Wachstumsrate in Nordrhein-Westfalen um 0,2 Prozent hinter dem Bundesdurchschnitt, in den siebziger Jahren bereits um 0,4 Prozent; das heißt, das Defizit gegenüber dem Bundesdurchschnitt hat sich unter Ihrer Regierungsverantwortung schlicht verdoppelt", meinte der Oppositionschef. Zur Staatsverschuldung erklärte er, 1966 habe die Nettoverschuldung des Landes 443 Millionen DM betragen. "Das waren 26 DM pro Kopf der Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen." 1980 belaufe sich die Nettoverschuldung auf 32,73 Milliarden DM und ihre Erwartung für 1983 auf 52,1 Milliarden DM, das bedeute rund 3000 DM Verschuldungsquote pro Kopf der Einwohnerschaft.
    Die Epoche SPD-geführter und F.D.P.unterstützter Landespolitik bezeichnete er als "denkbar dürftig". Wörtlich stellte der Oppositionsführer fest: "Sie haben sich 1975 mit der Lüge vom Aufschwung noch einmal in die Regierungsverantwortung hineinstehlen können. Glauben Sie ja nicht, daß sie die Bürger zweimal belügen können." Zu den "Skandalen" zählte er das Klinikum Aachen, das nach heutigen Schätzungen dreimal soviel koste, als ursprünglich vorgesehen sei, und dessen Nutzungsmöglichkeiten mehr als nur einem Zweifel unterlägen. "Das war alles andere als ein Ruhmesblatt für das Land Nordrhein-Westfalen", meinte Köppler. Er erinnerte weiter an die "Affären im Zusammenhang mit der Tätigkeit dieser Landesregierung bei der Westdeutschen Landesbank", an "besonders eklatante Kunstfälle der Wirtschaftsförderung" (Fall Reichet) sowie an die Stützungsaktion des Landes für das Unternehmen Beton- und Monierbau. Auf die Regierung eingehend, meinte der Oppositionsführer, dementsprechend habe sich "die Truppe auch auf dem langen Marsch der hinter uns liegenden Jahre der Legislaturperiode" erheblich dezimiert. Er erwähnte den "erzwungenen Rücktritt" des Ministerpräsidenten Kühn, den "blamablen Rücktritt des Kollegen Halstenberg" und die "Niedermetzelung des Kollegen Riemer". "Dann ist Kollege Deneke von Bord des Regierungsschiffs gegangen; vom Rauswurf von Herrn Döring will ich gar nicht reden", sagte Köppler.
    Zum "Berg von Schulden", den er mit dem Himalaja-Gebirge verglich, meinte er, von 1970 bis 1978 habe die Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts im Land 74 Prozent betragen. Das Haushaltsvolumen habe sich dagegen in diesem Zeitraum auf 155 Prozent gesteigert. Der Oppositionschef äußerte die Befürchtung, daß die Schulden-Politik der Regierung "über kurz oder lang" zur Vernichtung der politischen Gestaltungsspielräume in Nordrhein-Westfalen führen werde. Er forderte Konsolidierung der Haushaltspolitik. Sorge bereitete ihm auch die Entwicklung der Arbeitslosigkeit. Er erinnerte an den Arbeitslosenstand von 6 Prozent "im industriellen Kernland von Nordrhein-Westfalen", im Ruhrgebiet. "1980 müssen wir wieder damit rechnen, daß die Zahl der Arbeitslosen in Nordrhein-Westfalen weit über 300000 Personen betragen kann und betragen wird", erklärte Köppler. Er verwies auf Prognosen des Landesarbeitsamtes. Großen Wert maß er daher der Mittelstandsförderung bei. Zur Vergabe öffentlicher Darlehen an die Hoesch AG zur Schaffung eines neuen Stahlwerks stellte er die Frage, warum "eine solche richtige, vernünftige Investition" nicht aus Mitteln des Unternehmens finanziert werde.
    Zur Energiepolitik sagte der Oppositionsführer: "Wir sind froh, daß schwere Sorgen im Bereich des heimischen Steinkohlebergbaus, die uns bekanntlich gemeinsam gedrückt und die wir auch gemeinsam getragen haben, ihrem Ende entgegengehen." Als möglicherweise größten Engpaß bei der Erreichung des energiepolitischen Ziels einer Förderung von 100 Millionen Tonnen Kohle gegen Ende des Jahrhunderts, bezeichnete er es, genügend geeignete und befähigte junge Menschen für den Bergbau zu finden. Neben der Kohle muß nach seinen Worten "gerade in Nordrhein-Westfalen" die Nutzung der Kernkraft stehen.
    Zur Schulpolitik meinte Köppler, es gebe keine Landesregierung, die demoskopisch eine so miserable Einschätzung ihrer Leistungsbilanz in schulpolitischer Hinsicht bescheinigt bekomme wie diese Landesregierung. Zum Rundfunkproblem sagte der Oppositionsführer: "Staatsrundfunk sind in gewissem Sinne alle ARD-Anstalten und das ZDF. Staatsnaher Rundfunk, den wir alle nicht wollen, wird rechtlich am perfektionistischen im Land Nordrhein-Westfalen praktiziert."
    Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) erklärte an die Opposition gewandt: "Sie möchten gern nach dem 11. Mai aus der mehr als 13jährigen und gewiß oft mühevollen Zeit der Opposition heraus. Sie möchten wieder regieren. Das ist ein aus ihrer Sicht legitimer Anspruch." Er empfahl der CDU Gelassenheit und meinte, er sei im Gegensatz zur Opposition zuversichtlich. "Denn ich glaube, nach 13 Jahren erfolgreicher Politik wird der Wähler diese Regierung am 11. Mai bestätigen." Rau warnte vor "falschen Propheten", die sogar eine erneute Währungsreform nicht ausgeschlossen hätten. "Wo ist die Währungsreform geblieben?" fragte er. "Die SPD und die F.D.P. haben 1976 gewonnen, so wie sie es am 5. Oktober wieder tun werden, und wir haben neben der Schweiz die stabilste Währung der Welt." Zu den von der Opposition angeschnittenen Fragen der Finanzpolitik, der Belastungsquoten und der mittelfristigen Finanzplanung meinte der Regierungschef, das sei "so eine Sache" mit den Zahlen. Er sagte: "Hätten Sie die Kreditmarktverschuldung der Länder am 30. September 1979 netto und, wie sie ist, pro Kopf gerechnet, dann hätten Sie diesem Landtag berichten müssen - und ich tue das nun stellvertretend für Sie -, daß Nordrhein-Westfalen mit 1199 DM je Einwohner unter den Flächenländern im ganzen Bundesgebiet an zweitbester Stelle steht." Vom Oppositionsführer wollte Rau wissen, ob dieser einmal dazugerechnet habe, wie hoch die Schulden wären, "wenn wir in den 13 Jahren auch noch alle CDU-Anträge angenommen und das alles zu bezahlen hätten". Der Ministerpräsident wies darauf hin, daß auch die Investitionsrate immer noch weit höher sei als in anderen Flächenländern. "Die Verschuldung, die wir betrieben haben, war nötig", sagte Rau. Er erinnerte daran, daß ein Teil der Kredite auch für die Gemeinden aufgenommen worden sei. "Denn nur so war es möglich, daß trotz höherer Steuerausfälle beim Land die Leistungen an die Gemeinden gesteigert wurden und daß deren Investitionskraft gesichert wurde."
    Der Regierungschef räumte ein, daß es Probleme im Land gebe. Über diese Probleme werde nicht hinweggeredet. "Aber auch wenn wir Probleme haben, die tiefste Rezession der Nachkriegszeit haben wir gemeistert. Die Wirtschaft befindet sich heute trotz eines neuen Ölpreisschocks in einer insgesamt guten Verfassung. Die Zuversicht der Unternehmen wird in ihrer durchaus robusten Investitionsneigung deutlich." Es habe sich ausgezahlt, schloß Rau, daß Nordrhein-Westfalen in den Jahren des Booms eine antizyklische Haushaltspolitik betrieben habe. Zur Schuldenentwicklungen meinte er, die Opposition habe sich in allen Prognosen verschätzt. Zudem betrage der Schuldenstand des Jahres 1979 nicht 30 sondern nur 20 Milliarden DM. "Die Lage, in der wir uns jetzt befinden, erfordert einen Defizitablauf in diesem Jahr. Deshalb sieht der Entwurf zur dritten Lesung vor, daß die Neuverschuldung um rund eine halbe Milliarde DM zurückgeführt wird, und zwar trotz 2,8 Milliarden DM notwendiger Mehrausgaben", sagte der Ministerpräsident.
    Auf Äußerungen des CDU-Politikers Professor Kurt Biedenkopf eingehend, meinte Rau: "Es hat keinen Sinn, dieses Land in die Krise zu reden. Denn dieses Land ist nicht in der Krise." Er räumte ein, es gebe seit 1975 "einen gewissen Wachstumsrückstand". Aber er beginne, sich zu verringern. 1979 habe er nur noch 0,3 Prozent-Punkte betragen. Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner sei im Bundesgebiet um 4,4 Prozent gestiegen, in Nordrhein-Westfalen um 4,1 Prozent. "Deshalb gilt für uns und sollte für die Opposition gelten: um Vertrauen werben, Zuversicht vermitteln, Angst abwehren, Besonnenheit beweisen - auch in der Wirtschaftspolitik des Landes!" Er erinnerte daran, dieses werde auch mit dem Aktionsprogramm Ruhr getan. "Wir glauben, daß wir mit diesem Ruhrprogramm das Herz unseres Landes, das Revier, so stärken können, daß der Kreislauf des ganzen Landes und der Bundesrepublik wiederbelebt wird und wieder in Gang kommt", bekräftigte der Regierungschef.
    Zur Energiepolitik meinte er: "Wir haben den Vorrang der Kohle nicht nur behauptet, sondern wir haben ihn durchgesetzt." Rau erinnerte daran, daß 28 Kohlekraftwerke, davon 15 auf Steinkohle- und 13 auf Braunkohlebasis gebaut worden seien. 8000 Megawatt seien genehmigt, 8000 weitere Megawatt "kommen auf uns zu". Er erwähnte die Prototypen des Schnellen Brüters und des Hochtemperaturreaktors, die in Nordrhein-Westfalen ständen. "Mit Ahaus, mit Schmehausen, mit Jülich, mit Kalkar, mit Gronau, mit Würgassen trägt dieses Land gegenwärtig ein Kernkraftrisiko, das den Bürgern dieses Landes bei verantwortlicher Politik zuzumuten ist. Wir stehen zu diesem Risiko; aber wir stehen zuerst zum Vorrang der Kohle", betonte der Ministerpräsident. Er versprach, weiter eine besonnene, aber sichere Energieversorgung zu betreiben. Den Wohnungs-Vorwurf der Opposition suchte Rau mit dem Hinweis zu entkräften, von 1970 bis 1979 habe die Landesregierung 541969 Wohnungen im Land gefördert. Zur Bildungs- und Schulpolitik meinte der Regierungschef, auch in der nächsten Wahlperiode werde sichergestellt, daß der Elternwille im Blick auf die gewünschte Schulform optimal und gerecht erfüllt werden könne. Zu dem Problemkreis Rundfunkanstalten, erklärte Rau, die Privatisierungspläne im Norden seien ein Alarmzeichen. Nach seinen eigenen Angaben möchte er das Gegenüber von öffentlich-rechtlichem Rundfunksystem und privatwirtschaftlich organisierter Presse gerne erhalten wissen.
    Dr. Dieter Haak (SPD) wandte sich entschieden gegen Köpplers "unwahre Behauptungen". Die seiner Ansicht nach erfolgreiche Bilanz der sozialliberalen Koalition "lassen wir uns auch durch eine noch so eifersüchtige Opposition nicht kaputtmachen", rief er aus. Haak wies ebenfalls die "Herummäkelei" an Rau zurück. "Ministerpräsident Rau hat die Regierungsführung in diesem Lande übernommen und führt sie sicher aus und wird sie auch in der nächsten Wahlperiode genauso sicher ausführen." Partei und Fraktion stünden geschlossen hinter dem Regierungschef.
    In einem "Blick" zur Opposition meinte der SPD-Fraktionsvorsitzende, die programmatische Rolle sei Köppler von dem westfälisch-lippischen CDU-Vorsitzenden Biedenkopf "total abgenommen" worden, der aber nur im Falle eines Wahlsieges in die Landespolitik überwechseln wolle. Bei einer Niederlage der CDU "kommt er eben nicht. Dazu muß ich sagen: So etwas gäbe es bei uns in der SPD nicht."
    Der Opposition bescheinigte Haak, "uns in der vergangenen Wahlperiode das Leben weiß Gott nicht schwergemacht" zu haben. Sie habe "den Löwenanteil unserer Maßnahmen" noch nicht einmal überzeugend kritisieren können, kaum verwertbare Vorschläge eingebracht und "wenige bis gar keine" konstruktiven Alternativen entwickelt, sondern sich in wichtigen landespolitischen Fragen "selbst demaskiert". Der "total unsinnigen" Äußerung Köpplers, ein baldiger Währungsschnitt sei aktueller als der Weltuntergang, habe Biedenkopf "die Krone aufgesetzt" mit der Feststellung die Staatsverschuldung zur Ankurbelung der Konjunktur erzeuge nur ein künstliches Wirtschaftswachstum und verhindere Arbeitslosigkeit nicht. Angesichts der arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen der 80er Jahre sei "dieser Mann" untragbar, erklärte Haak.
    Die angeblich so hohe Staatsverschuldung Nordrhein-Westfalens nehme die SPD als angemessen hin. "Unsere Schulden sind, gemessen an anderen Ländern des In- und Auslandes, nicht übermäßig und das Wort vom Himalaja-Gebirge in diesem Bereich ist eine einfache Propagandaformel des Herrn Köppler."
    Als Schwerpunkte künftiger Landespolitik nannte der SPD-Politiker die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, der Strukturwandel und die Energieversorgung ("Nutzung vor allem der heimischer Energieträger wie der Kohle"). Gleichfalls sollen nach Haaks Worten der Umweltschutz vorangetrieben und die Lebensbedingungen in den Städten und Dörfern verbessert werden. Auf die Schulpolitik eingehend, kündigte Haak an: "Wir wollen in den 80er Jahren wesentlich mehr Gesamtschulen anbieten, als Angebot neben Hauptschule, Realschule und Gymnasium, überall dort, wo die Eltern es wollen." Die Ergebnisse des Gesamtschulversuchs seien überwiegend positiv ausgefallen. Die Gesamtschule sei "eine freiheitliche soziale Schule, die auf die Eignung, die Begabung und die Neigung der Kinder Rücksicht nimmt."
    Der kommenden Wahlauseinandersetzung sehe die SPD "mit großer Zuversicht" entgegen, betonte Haak. Köpplers Rechnung, ihm fehle nur noch ein Prozent, hielt Haak angesichts ihm vorliegender Meinungsumfragen für ein, wie er sagte, durchsichtiges Zweckgerücht.
    Wolfgang Heinz (F.D.P.) qualifizierte die Oppositionspolitik in den letzten fünf Jahren als "alternativlos und zerfahren". Gute Ansätze zur sachlichen Zusammenarbeit, zur allseitigen Kompromißlosigkeit in den Ausschüssen habe die CDU oft im Plenum wieder zunichte gemacht. "Statt eigenständige Beiträge zu entwickeln, hat sie teilweise noch gar nicht ausgereifte Fremdarbeiten übernommen, wie beispielsweise den Polizeigesetzentwurf der Innenministerkonferenz aus einem frühen Stadium oder den Mittelstandsförderungsgesetzentwurf des Rheinisch-Westfälischen Handwerkerbundes", rügte der F.D.P.-Fraktionsvorsitzende. Mit dieser "armseligen" Opposition sei wahrhaftig kein Staat zu machen.
    Den NRW-Haushalt 1980 wertete Heinz als erneuten Beweis für die Leistungsfähigkeit der sozialliberalen Koalition. Der Etat zeige deutlich, daß "wir uns den Problemen unseres Landes stellen, Lösungen anbieten und Entscheidungen fällen". Im Gegensatz zu früheren CDU-Regierungen habe sich die Koalition bei ihren haushaltspolitischen Überlegungen nicht von der bevorstehenden NRW-Wahl beeinflussen lassen. "Wir verteilen keine Geschenke", stellte Heinz fest, "um uns beim Wähler beliebt zu machen, sondern wir sagen dem Wähler die Wahrheit." Der Etatanstieg bleibe auch 1980 unter sechs Prozent, und die Nettokreditaufnahme werde um fast 500 Millionen DM geringer ausfallen als im letzten Jahr. "Damit schreiten wir trotz der Kassandrarufe der Opposition auf dem Pfad der Konsolidierung fort- so schwer das auch sein mag." Heinz räumte ein, der Schuldenstand sei seit 1973 von 2,7 Milliarden DM auf 22 Milliarden gestiegen. Als Gründe hierfür führte er die schwere Wirtschaftskrise der Jahre 1974/75 und den deutlichen Rückgang der Investitionen und der Nachfrage an. Die Erfolge bei der "Milderung" der Arbeitslosigkeit und bei der Erhöhung des Bruttosozialprodukts könnten auch von der Opposition ernstlich nicht bestritten werden. Mit dem 1979 um vier Prozent gestiegenen realen Sozialprodukt hat Nordrhein-Westfalen nach den Worten des F.D.P.-Politikers wieder Anschluß an das bundesdurchschnittliche Wirtschaftswachstum gefunden, "obwohl es erheblich schlechtere wirtschaftsstrukturelle Voraussetzungen dafür besaß". Die Wachstumsverluste des monostrukturierten Ruhrgebiets seien so groß gewesen, daß "wir flankierende Maßnahmen ergreifen müßten, die erst längerfristig wirken können, aber ja nun auch wirken", erinnerte Heinz.
    Als "Beispiel für liberale Politik mit Vernunft und Augenmaß" bezeichnete Heinz die Gesamtschule, die von der F.D.P. unter den Vorbehalt eines breitangelegten Versuchs gestellt worden sei. Der "vorschnellen" Forderung von Kultusminister Girgensohn nach flächendeckender Einführung der Gesamtschule als Regelschule habe die F.D.P. noch Anfang 1979 dauerhaft einen Riegel vorgeschoben. Die Gesamtschule, die noch Schwächen zeige, "kann das bestehende Schulwesen nicht ersetzen, aber seine Vielfalt erweitern".
    Dr. Theodor Schwefer (CDU) hielt der F.D.P. vor: "Die einzige Kunst, die Sie beherrschen, ist doch, mit rund fünf Prozent seit zig Jahren hier im Lande und im Bund zu regieren." Man könne nur staunen, mit welcher Leichtfertigkeit die F.D.P. über die zentralen und existentiellen Probleme Nordrhein-Westfalens hinweggehe. Zur Staatsverschuldung warf Schwefer der Koalition Versagen vor. Ihrer Ankündigung, spätestens 1980 eine Konsolidierung der Landesfinanzen herbeigeführt zu haben, stellte der finanzpolitische Sprecher der CDU als Situationsbeschreibung gegenüber: "Wir sind heute von der Konsolidierung weiter entfernt denn je." Statt eines Abbaus seien in der mittelfristigen Finanzplanung für 1981 weitere 7 Milliarden DM als Neuverschuldung vorgesehen.
    Finanzminister Dr. Diether Posser (SPD) wies darauf hin, daß die zwischen 1975 und 1979 tatsächlich aufgenommenen Kredite um mehr als 10 Milliarden DM unter der Summe liege, "zu deren Aufnahme wir durch den Landtag ermächtigt waren". Die aktuelle Verschuldung betrage auch nicht 32 Milliarden DM, sondern 22 Milliarden DM, rechnete Posser der Opposition vor. Unter allen Bundesländern habe Nordrhein-Westfalen die niedrigste Pro-Kopf-Verschuldung.
    Wirtschaftsminister Liselotte Funcke (F.D.P.) setzte sich mit der Frage auseinander, was Nordrhein-Westfalen "zu erwarten hat, denn Herr Köppler und Professor Biedenkopf die Wirtschaftspolitik in diesem Land zu verantworten haben". Die Forderungen aus den Reihen der CDU seien ganz anders als die recht theoretischen Analysen Biedenkopfs. Schwefer beispielsweise lobe das Aktionsprogramm Ruhr als Erfüllung einer CDU-Initiative, Biedenkopf dagegen kritisierte die Förderung mit dem Vorwurf, das Revier werde zum Kostgänger der Nation gemacht. Andere in der CDU wiederum hielten das Gesamtvolumen für nicht ausreichend, während Biedenkopf das Engagement des Staates für Wirtschaftswachstum einschränken wolle.
    Innenminister Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.) wehrte sich gegen Köpplers Vorwurf, er wolle die ARD zerschlagen. "Das ist nicht richtig." Die Zerschlagung des Norddeutschen Rundfunks halte er für "medienpolitischen Rückschritt ersten Ranges". Hirsch: "Das Wesentliche ist aber, wenn es bei dieser Zweiländeranstalt bleiben sollte, die in der Tat ein zahlendes Mitglied der ARD sein kann, daß ein Sender Hamburg überhaupt nicht Partner des Finanzvertrags zwischen den Ländern ist, weil es diesen Sender zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages nicht gegeben hat. Das würde bedeuten, daß dieser Sender, der sicherlich kein zahlender, sondern ebenso wie andere kleinere Rundfunkanstalten ein Nehmersender wäre, überhaupt nicht existieren könnte." Deshalb müsse man zu einer, so der Minister, "angemessenen Regelung" kommen.
    Albert Pürsten (CDU) meinte zu der Rede von Heinz: "Bei Ihnen hat die Galle die Funktion des Gehirns übernommen." Die CDU lasse sich "nichts von dem abzeichnen", daß die Landespolitik erst durch ihre Alternativen und konstruktiven Beiträge Farbe erhalten habe. Der Landtag wäre über weite Strecken arbeitslos geblieben, wenn er auf Initiativen der Regierung und der Koalition gewartet hätte, hielt Pürsten dem F.D. P.-Fraktionsvorsitzenden vor, Ironisch stellte er in einer Gesamtschau fest: "Unser Land hat eine feine Entwicklung genommen." Während die Arbeitslosenquote 1966 ein Prozent betragen habe ("Welchen Terror haben Sie damals gemacht!"), liege sie heute bei fünf und mehr Prozent. Gleiches gelte für Verschuldung und Investitionen, führte Pürsten aus. Die jetzige Regierung werde einmal in die Landesgeschichte als "die Regierung der Immobilität bei politischen Entscheidungen" eingehen, prophezeite er.

    Bildunterschriften:
    Oppositionsführer Heinrich Köppler: Die 13jährige SPD/F.D.P.-Epoche hat dem Land wenig Nutzen gebracht und ist ihm denkbar schlecht bekommen.
    Ministerpräsident Johannes Rau: Die Landtagswahl ist entscheidend für NRW und schicksalhaft für die Bundesrepublik.
    SPD-Fraktionsvorsitzender Dr. Dieter Haak: Erfolgreiche Bilanz der sozialliberalen Koalition.
    F.D.P.-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Heinz: Die Opposition ist zerfahren und alternativlos.

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt

    ID: LI800604

  • Zweite Lesung: Opposition stimmt gegen NRW-Etat.
    Plenarbericht
    S. 6-9 in Ausgabe 5 - 15.02.1980

    Gegen die Stimmen der CDU nahm der Landtag in zweiter Lesung den Landeshaushalt für 1980 an, der am 27. und 28. Februar abschließend im Parlament beraten wird. Bei den Einzelplänen stimmte die CDU lediglich für die Etats des Landtags und des Landesrechnungshofs. Die zweite Lesung des 51,3-Milliarden-Haushalts ging mit einer scharfen Auseinandersetzung über die Politik der SPD/F.D.P.-Landesregierung zu Ende. Der finanzpolitische Sprecher der Opposition, Dr. Theodor Schwefer, rügte steigende Arbeitslosenzahlen, Versäumnisse in der Energiepolitik und die Haushaltsentwicklung. Zusammenfassend warf er der Regierungskoalition vor: "Schlimmer kann es nicht mehr kommen, als das, was Sie verursacht haben." Karl Josef Denzer (SPD), Wolfram Dorn (F.D.P.) und Finanzminister Dr. Diether Posser (SPD) wiesen unter Berufung auf positive Daten zur Wirtschaftskonjunktur die Vorwürfe zurück. Der Lebensstandard der Bevölkerung sei so stabil wie in keinem anderen Land. - "Landtag intern" schließt seine Berichterstattung über die zweite Lesung ab (s. auch Ausgabe 4/80).

    Keine Mehrheit fand auch in diesem Jahr die Forderung der CDU, den Betriebskostenanteil des Landes Nordrhein-Westfalen an der Universität Bremen in Höhe von 20 Millionen DM ersatzlos zu streichen. Zum Etat des Wissenschaftsministers brachte die Opposition insgesamt 14 Änderungsanträge ein, die alle von der SPD/F.D.P.-Koalition abgelehnt wurden.

    CDU: Kein Geld für Bremer Uni - F.D.P.: Vertrag nicht verlängern

    Lothar Theodor Lemper (CDU) stellte wegen "des nicht ausreichenden Pluralismus an der sogenannten Universität Bremen" das Ende 1980 auslaufende Finanzierungsabkommen erneut in Frage. Diese Gegenuniversität, die sich nach eigenem Bekunden vor allen Dingen die Ablösung der bürgerlichen Wissenschaft zum Ziel gesetzt habe, betreibe lediglich eine marxistische Ideologielehre. "Mit einiger Genugtuung" stellte Lemper fest, auch in der F.D.P. werde der Prozeß des Nachdenkens über die Universität Bremen "ansatzweise nachvollzogen".
    Franz-Josef Kniola (SPD) warf der Opposition vor, sie "wolle mit Hilfe des Geldknüppels dieser Universität einen anderen Inhalt geben und dort ein anderes Verhalten erzwingen". Den von Lemper unternommenen "Versuch der Diffamierung" weise er zurück. Für "uns als Sozialdemokraten" sei klar, daß im Rahmen einer allgemeinen Vereinbarung über den finanziellen Ausgleich zwischen den Ländern auch eine weitere Mitfinanzierung der Bremer Universität gesichert werden müsse.
    Reinhard Roericht (F.D.P.) bekräftigte die von seiner Fraktion "schon vor zwei Jahren" eingenommene Haltung. "Wir haben erklärt", so Roericht, "daß für uns eine Verlängerung dieses Staatsvertrags nicht mehr in Betracht kommt." Gleichwohl lehne er eine inhaltliche Diskussion über die Universität Bremen ab. Er schloß nicht aus, daß "die Bundesregierung und alle anderen Landesregierungen zusammen mit dem Land Bremen im Rahmen der allgemeinen Finanzausgleichsverhandlungen zu neuen Regelungen kommen".
    Dietmar Katzy (CDU) bezeichnete es als Ziel der CDU-Anträge, die Wirksamkeit von Forschung und Lehre an den nordrhein-westfälischen Hochschulen zu erhöhen. Anträge zum Hochschulbau und zur gezielten Verbesserung der Strukturen seien aber nur bedingt möglich, weil Wissenschaftsminister Jochimsen notwendige Informationen vorenthalte und damit eine sachgerechte parlamentarische Arbeit verhindere.
    Franz-Josef Kniola (SPD) setzte sich in einem zweiten Beitrag mit Einzelforderungen der CDU auseinander. Den Antrag zur Einrichtung eines Lehrstuhls für Pharmakologie in Bochum könne er nicht teilen. Ein solcher Lehrstuhl habe keine Priorität an der dortigen Universität. Auch habe die SPD Angst vor den Folgewirkungen. In den Bereichen der personellen Ausstattung der Fachhochschulen und der Forschungsförderung hätte die SPD gern zugestimmt, aber auch die CDU wisse, daß "am Ende die finanzielle Decke stimmen muß".
    Reinhard Roericht (F.D.P.) registrierte zum Wissenschaftsetat "eine wachsende Kohärenz der haushaltspolitischen Vorstellungen im ganzen Haus". Das Volumen der CDU-Änderungsvorschläge sei von Jahr zu Jahr kleiner geworden. Es nähere sich "asymptotisch" der Regierungsvorlage. "Ich kann daraus entnehmen", folgerte Roericht, "daß sich die Kritik, die in den früheren Jahren geäußert worden ist, durch die Ereignisse in der Zwischenzeit offensichtlich zum Teil positiv erledigt hat."
    Wissenschaftsminister Professor Dr. Reimut Jochimsen (SPD) sah es mit "einer gewissen Genugtuung", daß es der Hochschulpolitik während der Etatberatungen der großen Themen ermangele. Die "markigen Worte" des CDU-Abgeordneten Katzy zu fehlenden Daten nahm er nicht ernst: "Das sind natürlich verbale Kraftakte." Beispielsweise habe sein Ministerium dem Landtag eine 322seitige Strukturdatenübersicht aller Hochschulen zur Verfügung gestellt. Die Bauplanungen im Hochschulbereich zum zehnten Jahresplan rechtzeitig vorzulegen, sei er durch die Normenkontrollklage der CDU gegen das PH-Integrationsgesetz gehindert worden, gab Jochimsen den entsprechenden oppositionellen Vorwurf zurück. Auch nannte er es eine "etwas fragwürdige Angelegenheit", den Auslastungsgrad für den Maßstab von Erfolg oder Mißerfolg einer neugegründeten Hochschule zu machen. Das sei "die falsche Denkfigur", betonte Jochimsen. Nordrhein-Westfalen habe eine "außerordentlich erfolgreiche" Gründungspolitik betrieben, die einen regionalen Hochschulausbau im ganzen Lande ermöglichen sollte.
    Dr. Wilfried Heimes (CDU), der einen "überzeugenden und einsichtigen Strukturplan" vermißte, vertrat die Ansicht, an den Gesamthochschulen habe sich pragmatisch eine Arbeit entwickelt, "die sich von der ideologischen Zielvorstellung wegentwickelt hat, die der Herr Rau seinerzeit noch in Glanzbroschüren verkündet hatte". Die Koalition habe ihre "starre Vorstellung" aufgegeben, daß an jedem Hochschulstandort in kürzester Frist eine Gesamthochschule entstehen müsse.

    Auch Sportpolitik strittig

    Kurt Schmelter (CDU) bezog sich auf den CDU-Antrag, der Zuweisungen an Gemeinden für den Bau von Sportstätten vorsieht. Wörtlich sagte der Abgeordnete: "Ich schildere Ihnen die Lage auf diesem Gebiet wie folgt. Die Kommunen haben für das Jahr 1980 Anträge für die Errichtung von Sportstätten in ihren Bereichen vorgelegt, die ein Gesamtzuschußvolumen des Landes von 423 Millionen Mark erfordern. Im Etat hat die Landesregierung Zuschüsse von rund 119 Millionen ausgewiesen. Das bedeutet im Klartext, daß mehr als zwei Drittel der Anträge der Gemeinden zur Errichtung von Sportstätten im Jahre 1980 vom Land nicht bezuschußt werden können, eine Diskrepanz, die wir seit Bestehen eines Sportplanes in diesem Land in dieser Größenordnung noch nicht vorgefunden haben", schloß der Politiker.
    Richard Winkels (SPD) wies entschieden zurück, daß die Sportförderung und die Sportpolitik "kein Schwerpunkt" der Landesregierung gewesen sei. "Herr Schmelter, ich muß Sie belehren: Das ist falsch, falscher geht es nicht." Der Politiker wies darauf hin, daß die Steigerung bei den Hallenbädern im Sportstättenbau seit 1966 genau 273, bei den Lehrschwimmbecken 85, den Freibädern 19, den Sporthallen 84 und den Sportplätzen 119 Prozent betrage.
    Fritz Thielmann (F.D.P.) plädierte dafür, die Bereiche Freizeit- und Sportpolitik "offensiv zu behandeln, denn hier liegen Möglichkeiten und Aufgaben für unsere Gesellschaft, die wir nicht vorbeigehen lassen dürfen". Er begrüßte, daß die Landesregierung die Ansätze für den Sportstättenbau von sich aus um 10 Millionen DM erhöht habe. Die Koalitionsfraktionen hätten dann mit Zustimmung der CDU noch einmal 7,75 Millionen DM zugelegt. In der nächsten Legislaturperiode werde es zu einer zusätzlichen Mittelbereitstellung kommen, sagte Thielmann voraus.
    Auch im Justizbereich stimmten die Koalitionsfraktionen den Änderungswünschen der CDU nicht zu. Die drei oppositionellen Anträge bezogen sich auf Planungskosten für den Neubau eines Jugenddorfs als Jugendvollzugseinrichtung, von vier Übergangshäusern und einer Haftanstalt für Kurzzeitbestrafte.

    Justizetat: Kein neues Jugenddorf

    Dr. Hans-Ulrich Klose (CDU) meinte, als Schwerpunkt der Landespolitik sei der Justizvollzug angesichts gestiegener Kriminalitätsraten von besonderer Bedeutung. Trotz zweifelloser Fortschritte bestehe zwischen dem gesetzlichen Anspruch und der Wirklichkeit ein "krasser Widerspruch", urteilte der CDU-Abgeordnete. "Wir haben nicht mehr als die Anfänge des Behandlungsvollzugs erreicht. Wir wissen, daß nach wie vor der Vollzug von Freiheitsstrafen in unserem Lande dringend verbesserungsbedürftig ist, und zwar an den Punkten, wo wirksam der Abbruch einer kriminellen Karriere erreicht werden kann."
    Reinhard Wilmbusse (SPD) gab der Opposition "völlig recht", daß zur Ausgestaltung des Strafvollzugsgesetzes "noch vieles" zu tun sei. "Aber es ist doch nicht mangelnder Wille, sondern die enge Schere der Finanzen, daß wir da nicht mehr tun können", stellte Wilmbusse klar. Zwischen den Fraktionen bestünden nur graduelle, keine fundamentalen Unterschiede. "Da ist zum Beispiel unser Antrag gewesen, 600000 DM zur Schaffung von Modellversuchen für zentrale Beratungsstellen einzusetzen."
    Dr. Fritz Vogt (F.D.P.) rief der Opposition zu: "Wir würden gern manchen Ihrer Vorschläge noch zustimmen, wenn diese Vorschläge besser formuliert und besser durchgeprüft wären und wenn sie sich im Gesamtrahmen vertragen." Zum Unterschied zur CDU hätten die Koalitionsfraktionen auch Rücksichten auf den Gesamtetat zu nehmen. Während Vogt die von der CDU geforderten Übergangshäuser und das Jugenddorf grundsätzlich nicht ablehnte, sagte er ein deutliches Nein zu einer zentralen Einrichtung für Kurzzeitbestrafte.
    Justizminister Inge Donnepp (SPD) wies die von Klose erhobenen Vorwürfe zurück: "Am Konzept für eine Verbesserung der baulichen Gestaltung der Justizvollzugsanstalten haben wir gearbeitet. Wir haben natürlich das neue Strafvollzugsgesetz berücksichtigt und erste Erfahrungen aus der Praxis einbezogen." Auch zu den Übergangshäusern liege dem Justizausschuß eine ausführliche Stellungnahme ihres Ministeriums vor. Versäumnisse lägen in keiner Weise vor. Ein Jugenddorf nannte Frau Donnepp eine "sicher gutgemeinte Idee, die aber nicht einer erheblichen Konkretisierung bedarf". Da im Bundestag ein Jugendstrafvollzugsgesetz beraten werde, "erscheint es untunlich, gegenwärtig Überlegungen zur Schaffung einer Vollzugseinrichtung in der Art eines Jugenddorfes anzustellen".
    Elsbeth Rickers (CDU) beklagte die schlechte Unterbringung von jugendlichen Untersuchungshäftlingen, die zusammen mit erwachsenen Gefangenen in den geschlossenen Anstalten seien. Dort beginne für sie der Teufelskreis. "Wir könnten", so Frau Rickers, "wenn wir ein solches Jugenddorf hätten, sicher einen großen Prozentsatz der Jugendlichen aus dem Untersuchungsgefängnis herausnehmen."

    600000 DM mehr für Erholung Behinderter

    Zum "Einzelplan 07 - Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales" lagen dem Parlament vier Änderungsanträge der CDU vor. Die Koalition stimmte lediglich in einem Teilbereich zu: Die Förderung von Erholungsmaßnahmen für körper- und geistigbehinderte Kinder und Jugendliche wurde um 600000 DM erhöht.
    Helmut Brömmelhaus (CDU) sprach von einer "völlig verfahrenen Situation" im Krankenhaus-Investitionsbereich. Von dem eingeplanten 565 Millionen DM seien über 460 Millionen DM für die Weiterfinanzierung bereits begonnener Baumaßnahmen veranschlagt. 75 Millionen stünden für geringfügige Investitionen und lediglich 30 Millionen DM für Not- und Überbrückungsmaßnahmen zur Verfügung. Dringend notwendige neue Projekte können nach Ansicht des Abgeordneten nicht in Angriff genommen werden, "weil einfach das Geld fehlt". Er beantragte zusätzlich 10 Millionen DM für Krankenhausbauten.
    Hans Reymann (SPD) hielt der Opposition vor, sie mache Sozialpolitik "schwärmerisch im Wolkenkuckucksheim" und sehe die Dinge nicht realistisch. Eine Unterversorgung gebe es nicht, der Krankenhausbedarfsplan gehe davon aus, daß effektiv 10000 Krankenhausbetten zuviel vorhanden seien. Reymann, der auf eine überdurchschnittliche Steigerungsrate von 9,1 Prozent für 1980 im Farthmann-Etat hinwies, bedauerte ausdrücklich den Stil der Haushaltsdebatte. "Es ist bekannt, daß im Ausschuß ein vernünftiges Klima herrscht. Deshalb soll in der zweiten Lesung nicht so getan werden, Kollege Brömmelhaus, als wären wir meilenweit auseinander gewesen."
    Peter Eykmann (F.D.P.) gab Brömmelhaus recht, daß "vermutlich nicht einmal die von Ihnen beantragten 10 Millionen DM ausreichen, um alle Not- und Überbrückungsmaßnahmen in diesem Jahr in den Griff zu kriegen". Er werde den Antrag allerdings wegen fehlender Deckung ablehnen. Das Problem sei schlicht und einfach, daß "wir den Haushalt nicht weiter ausdehnen wollen". Auch habe die Koalition andere Prioritäten gesetzt. Nach den Worten Eykmanns setzt sich die F.D.P. für eine bürgernahe Krankenhausversorgung ein. Sie dürfe "aber nicht heißen, in ländlichen Bereichen eine schlechtere Medizin zu bekommen".
    Norbert Schlottmann (CDU) verdeutlichte den für seine Fraktion hohen Stellenwert der Familienpolitik, die seit Jahren allein von der CDU im Landtag geführt werde. Angesichts der prekären Situation des Haushalts konzentriere sich die CDU auf einige wenige Schwerpunkte: 5 Millionen DM für in Not geratene Schwangere, 500000 DM zur Förderung der Ehe- und Lebensberatungsstellen, 600000 DM zur Förderung von Erholungsmaßnahmen für behinderte Kinder und Jugendliche und 1,3 Millionen DM für Familienerholung.
    Anke Brunn (SPD) begegnete den "traurigen Sprüchen" der Opposition mit einer aus ihrer Sicht eindrucksvollen Leistungsbilanz. Beispielsweise habe Nordrhein-Westfalen in den letzten zehn Jahren 100 Millionen Mark für Familienerholung ausgegeben, das CDU-regierte Baden-Württemberg aber nur 12 Millionen Mark. Auch für Ehe- und Lebensberatungsstellen wird nach Auffassung der SPD-Politikerin in NRW mehr getan als in anderen Bundesländern.
    Silke Gerigk-Groht (F.D.P.) vertrat die Ansicht, die CDU-Anträge würden "nur die Struktur unserer Familienpolitik im wesentlichen unterstützen". Zu den Sonderfonds erklärte sie, es handele sich nicht um irgendeine ideologische Auseinandersetzung. Mit einem Betrag von 5 Millionen DM könne aber keine wirkungsvolle Hilfe gegeben werden. Der Koalition gehe es darum, mit einem Bündel von familienpolitischen Maßnahmen tatsächlich die Situation der Familien zu verbessern. Das von der CDU entworfene Jammerbild der Familienpolitik wertete Frau Gerigk-Groht als "Wahlkampfpropaganda".
    Jürgen Rosorius (CDU) setzte sich für eine Erhöhung der Betriebskostenzuschüsse für Heime der teiloffenen Tür von 6000 auf 9000 DM ein. Es sei ein Skandal, daß diese Zuschüsse seit 1963 nicht angehoben worden seien. Die wertvolle pädagogische Arbeit in den Heimen der teiloffenen Tür dürfe nicht durch unzureichende Mittel behindert werden, meinte Rosorius. Nachdrücklich kritisierte er auch das Scheitern des Jugendbildungsgesetzes. Die F.D.P. habe mit ihrem Nein die Jugendlichen getäuscht.
    Helmut Hellwig (SPD) zeigte sich mit dem Landesjugendplan 1980 außerordentlich zufrieden. Mit ihm sei "der Abstand der Summe, die wir in Nordrhein-Westfalen für diese Aufgaben zur Verfügung stellen, ein Vielfaches geworden zu dem, was alle Länder gemeinsam tun". Der über 270 Millionen DM umfassende Landesjugendplan sei ein vorbildliches Instrument und übertreffe alle Erwartungen der Jugendverbände. Auf das Jugendbildungsgesetz eingehend, stellte Hellwig zum Verhalten des Koalitionspartners wörtlich fest: "Es ist für mich ein bedauerlicher und, was die Jugend angeht, ein peinlicher Vorgang, daß dann die F.D.P. plötzlich meinte, sie müsse doch noch abspringen."
    Silke Gerigk-Groht (F.D.P.) bestritt, daß ihre Fraktion das Gesetz "kaputtgemacht" habe. Die F.D.P. habe schon sehr frühzeitig deutlich gemacht, welche politischen Vorstellungen sie sich für die Jugendarbeit wünsche. Leider sei nicht auf die einstimmige Aufforderung des kommunalpolitischen Ausschusses reagiert worden, vorab ein Planspiel zu veranstalten. Auch habe sich die F.D.P. nicht in der Lage gesehen, kurz vor Ende der Legislaturperiode "auf den letzten Drükker ein solches Gesetz noch durchzupeitschen".
    Arbeits- und Sozialminister Professor Dr. Friedhelm Farthmann (SPD) entgegnete den CDU-Vorwürfen zur Krankenhauspolitik: "In keinem anderen Lande wie in Nordrhein-Westfalen sind in den letzten Jahren so ungeheure Investitionen auf diesem Sektor vorgenommen worden. Wir haben weit über das hinaus investiert und finanziert, was nach der Zwei-Drittel-Komplettierung der Bundesmittel nötig war. Wir haben teilweise das Vier- bis Fünffache pro Jahr geleistet." Im jugendpolitischen Teil seines Beitrags erteilte Farthmann den Einrichtungen der teiloffenen Tür eine Absage. Hinter den nicht erhöhten Zuschüssen stecke eine "politische Absicht". Jugendarbeit könne im Grunde nur dann erfolgreich vollzogen werden, wenn sie nicht allein mit ehrenamtlichen Funktionären und Referenten geleistet werde. Deshalb würden ganz bewußt die Einrichtungen der offenen Tür mit hauptamtlichen Kräften gefördert. "Außerordentlich" bedauerte Farthmann das Nichtzustandekommen des Jugendbildungsgesetzes, das "im wesentlichen an dem Widerstand der Kommunalpolitiker aller Fraktionen gescheitert ist".

    Wirtschaftsminister falsche Ankündigungen angelastet

    Drei Änderungsanträge brachte die CDU zum Etat des Wirtschafts- und Verkehrsministers ein - ohne Erfolg. Im Öffentlichkeitsbereich sollten 200000 DM für Veröffentlichungen gestrichen werden, "um die Gefahr der Fehlinformation zu verringern". Zahlreiche Broschüren enthalten nach Einschätzung des CDU-Abgeordneten Rinsche "falsche Ankündigungen" . Weitere Ziele der Opposition: 2 Millionen DM mehr für die Förderung der Berufsausbildung und 200000 DM weniger für die Landesverkehrsplanung.
    Dr. Günter Rinsche (CDU) betonte, die Wettbewerbsfähigkeit der NRW-Wirtschaft und damit die sozialwirtschaftliche Zukunftssicherung der Bürger seien gefährdet, "wenn es uns nicht rechtzeitig gelingt, das Selbständigendefizit, die in den achtziger Jahren zu erwartende Energielücke und den heute schon spürbaren Facharbeitermangel zu überwinden". Der SPD/F.D.P.-Koalition lastete Rinsche umfangreiche Versäumnisse während ihrer 14jährigen Regierungszeit an. Sie habe "das Notwendige verkannt und das Mögliche unmöglich gemacht". Die Todsünde des Politikers, die Mißachtung der Wirklichkeit und der Erfordernisse, sei "gleich dutzendweise begangen" worden.
    Hilmar Selle (SPD) wies die CDU-Anträge zurück. Schon bei den Ausschußberatungen habe auch die Opposition eingesehen, daß dem Anliegen des Handwerks und der überbetrieblichen Ausbildung mit dem aufgestockten Haushaltsansatz vollauf Genüge getan worden sei. Auch sei Rinsches Situationsbeschreibung falsch. Die Bundesrepublik liege mit einem Wirtschaftswachstum von drei Prozent international an dritter Stelle, mit einer Arbeitslosenquote von 3,1 Prozent sogar an der Spitze. Die CDU verbreite wieder einmal "Schreckensmeldungen" über ein anderes Land.
    Fritz Thielmann (F.D.P.) bescheinigte der Regierung eine "behutsame und stetigvernünftige Wirtschafts- und Mittelstandspolitik". Eindeutig widersetzte er sich einer Kürzung des Öffentlichkeitsetats. Das Wirtschaftsministerium müsse in der Lage sein, der mittelständischen Industrie die notwendigen Informationen an die Hand zu geben. Die für Veröffentlichungen vorgesehenen 500000 DM seien eher zu gering als zu hoch angesetzt. Zur beruflichen Bildung erinnerte Thielmann daran, daß die Landesregierung den Titel bereits von 24 Millionen DM auf 31,4 Millionen DM angehoben habe.
    Heinz Hardt (CDU) kritisierte, daß die nordrhein-westfälische Verkehrspolitik nicht langfristig und konzeptionell durchdacht sei. Statt dessen würden immer nur neue Untersuchungen vorgelegt. Die CDU sei dagegen, daß dieses "Spielchen" 1980 fortgesetzt werde. Trotz der vielen Gutachten habe Nordrhein-Westfalen die mit dem Bund abgesteckten Ziele nicht erreichen können.
    Erich Kröhan (SPD) wies darauf hin, daß es gravierende Kontroversen im Verkehrsetat lediglich bei dem Mittelansatz zur Förderung von Verkehrsverbünden und bei der Anhebung der Kfz-Steuerpauschale gebe. Daraus zog Kröhan den Schluß: "Das verkehrspolitische Konzept der Regierung ist so überzeugend, daß auch die Oppositionsvertreter es mittragen können."
    Mechthild von Alemann (F.D.P.) beschuldigte die Opposition der "Konzeptlosigkeit". In der Verkehrspolitik habe die CDU seit Jahren keinen Antrag vorgelegt, der das Konzept der Landesregierung und der Koalitionsfraktionen in wesentlichen Punkten in Frage gestellt habe. F.D.P. und SPD hätten in den letzten Jahren Schwerpunkte vorgenommen, die anschließend auch in anderen Bundesländern Allgemeingut geworden seien.
    Wirtschafts- und Verkehrsminister Liselotte Funcke (F.D.P.) verteidigte ihren Öffentlichkeitsetat. Sie müsse die Möglichkeit haben, den Bürger über wirtschafts- und verkehrspolitische Fragen zu informieren. Eingehend befaßte sich Frau Funcke mit der nordrhein-westfälischen Energiepolitik. Kernenergie dürfe nur einen eventuellen Spitzen- und Restbedarf ausgleichen, nicht aber die Kohle ersetzen. Die Entsorgung sei eine entscheidende Grundlage der weiteren Überlegungen, fügte sie hinzu. Der niedersächsische Ministerpräsident Albrecht habe die Voraussetzungen bisher nicht erfüllt. Die Einzelheiten der Entsorgung würden im Augenblick noch verhandelt, nachdem Albrecht das Entsorgungskonzept erschüttert habe. Die Länder seien durch die Weigerung Niedersachsens, für Gorleben eine Wiederaufbereitungsanlage zu genehmigen, gezwungen, "nach irgendeinem Ausweg zu suchen".
    Heinrich Köppler (CDU) unterstellte dem Wirtschaftsminister, entweder ahnungslos zu sein oder nicht die energiepolitische Konzeption der Bundesregierung zu unterstützen. Obwohl der Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten sich im Herbst 1979 in der Entsorgungsfrage geeinigt hätten, erkläre Frau Funcke, man müsse erst ein Entsorgungskonzept suchen.

    CDU will Agrarkreditprogramm - Bäumer: Einkommen überdurchschnittlich

    In einem Entschließungsantrag hat die CDU von der Landesregierung die Vorlage eines NRW-Agrarkreditprogramms gefordert. Damit soll die Existenz landwirtschaftlicher Betriebe vor allem in den von der Natur benachteiligten Gebieten gefördert und gesichert werden. Fünf CDU-Anträge zum Etat wurden von SPD und F.D.P. abgelehnt.
    Walter Neuhaus (CDU) stimmte dem von Minister Bäumer vorgelegten Personaletat mit einer Ausweitung von 219 Planstellen trotz Bedenken für dieses Jahr zu. Schon seit Jahren sei bei der Wasserwirtschaft ein erhebliches Vollzugsdefizit festzustellen. Den Gewässerzustand in NRW bezeichnete Neuhaus als "immer noch beklagenswert". Die von der CDU als wünschenswert erachtete Beförderung des Hauptsattelmeisters im Landgestüt Warendorf begründete Neuhaus mit der Bemerkung, er sei einer der maßgeblichen Sachverwalter des Landesvermögens. In dieser Funktion "zeichnet er für 126 Hengste mitverantwortlich".
    Heinrich Ostrop (CDU) sprach von einer "bedrückenden Ertragsbilanz" der Landwirtschaft. Nach Berechnungen von Bundesernährungsminister Ertl werde das Einkommen pro landwirtschaftlicher Familienarbeitskraft in diesem Jahr um vier Prozent sinken. Betriebsschließungen befürchtet Ostrop vor allem in den Mittellagen und in den von der Natur benachteiligten Gebieten. "Wir dürfen auch aus Gründen des Landschaftsschutzes und der Erhaltung der gepflegten Landschaft nicht zulassen", appellierte Ostrop, "daß die Betriebe in diesen Gebieten verlassen werden und daß die Gegend verkommt." Die CDU halte deshalb ein Landesagrarkreditprogramm für erforderlich.
    Julius Drescher (SPD) meinte auch, der Warendorfer Hauptsattelmeister müsse mehr verdienen. Eine Beförderung sei bisher am Besoldungsrecht gescheitert, betonte er, schloß aber eine Aufwertung zum "Ersten Hauptsattelmeister" nicht aus. Eine solche Stelle solle der Minister zum Wohle des Landgestüts ausbringen. Zum gesamten Stellenplan bestätigte Drescher die im Fachausschuß vorhandenen Bedenken. Man habe sich aber davon überzeugen lassen, daß die für den Vollzug des Wasserabgabengesetzes nötig seien. Skeptisch äußerte sich Drescher zu dem von der CDU beantragten Agrarkreditprogramm. Er wehre sich dagegen, daß die Opposition die bisher in der Praxis hervorragend angekommenen gezielten einzelbetrieblichen Maßnahmen auf Sparflamme kochen und eine Art Gießkannenverfahren einführen wolle.
    Klaus Lantermann (F.D.P.) machte der CDU deutliche Vorhaltungen: "Eine oppositionelle Konzeption ist auch beim besten Wohlwollen in all ihren Anträgen nicht zu erkennen, wenn man Neinsagen nicht schon für eine Konzeption hält." Keine großen Chancen räumt auch Lantermann einem Agrarkreditprogramm ein. In Übereinstimmung mit Wissenschaftlern sei die F.D.P. der Auffassung, daß die Ausweitung des potentiellen Empfängerkreises die notwendigen Strukturveränderungen beeinträchtigen und eher konservierende als strukturverbessernde Effekte bewirken werde. Vielen Betrieben sei mit einem allgemeinen Agrarkredit auf die Dauer einfach nicht zu helfen.
    Landwirtschaftsminister Hans-Otto Bäumer (SPD) sah es als "große Schwäche" eines Agrarkreditprogramms für Nordrhein-Westfalen an, daß "überall über die ganze Landwirtschaft der Segen einkehren und die Förderung betrieben werden soll". Dabei sei NRW in der Einkommensskala führend. Das Jahreseinkommen pro Familienarbeitskraft liege 3400 DM über dem Bundesdurchschnitt. Das Durchschnittseinkommen liege um mehr als 8 Prozent über dem Vorjahresniveau. An die Opposition gerichtet stellte Bäumer fest: "Dann können Sie doch nicht herumjammern. Ich kann darauf nur sagen: Der liebe Gott möge uns helfen, daß es so bleibt." Strukturverbesserungen könne man nur über gezielte Förderungen erreichen. Ein Agrarkreditprogramm wäre "rausgeschmissenes Geld", eine bewußte Fehlförderung.

    BuM-Konkurs entzündet neuen Landtagsstreit

    Der Konkurs des Düsseldorfer Baukonzerns Beton- und Monierbau bestimmte die Schlußrunde der zweiten Etatlesung. Nach Ansicht des CDU-Finanzexperten Schwefer hat die Landesregierung die "verdammte Pflicht und Schuldigkeit" zu sagen, warum sie zur Entscheidung über die 70-Millionen-Landesbürgschaft eine "fehlerhafte und unzureichende Vorlage" gegeben habe. Die vier Änderungsanträge der CDU zum Etat des Finanzministers fanden keine Mehrheit.
    Dr. Theodor Schwefer (CDU) verlangte Vorkehrungen, daß die Parlamentarier "nicht noch einmal mit falschen Zahlen getäuscht werden" und behielt sich ausdrücklich weitere Schritte in dieser Sache vor. Im Zusammenhang mit der BuM-Pleite komme auch die Westdeutsche Landesbank zusehends ins Gerede. Ohne Schutz des Landes werde dieses Institut, "das wir dringend brauchen", immer mehr zum Freiwild. Schwefer forderte die Landesregierung auf, auch rückhaltlos zu der Pensionierung von Staatssekretär Döring Stellung zu nehmen, der kürzlich wegen einer privaten Algerienreise mit dem ehemaligen BuM-Vorstandsvorsitzenden Hoppe im Jahre 1976 von Finanzminister Posser entlassen worden war.
    Karl Josef Denzer (SPD) zeigte sich ebenfalls an der Aufklärung der BuM-Bürgschaftsangelegenheit interessiert, distanzierte sich aber von Schwefers Vorwurf der Täuschung. Als Konsequenz kündigte er an: Die Banken müßten künftig mindestens vier Wochen zur sorgfältigen Überprüfung einer solchen Angelegenheit für den Ausschuß gewährleisten. Denzer hielt der CDU vor, es sei pure Heuchelei zu sagen, sie lasse sich von der Sorge um die WestLB leiten. Zwar halte sich Schwefer zurück, jedoch gebe sein Fraktionskollege Spellerberg jede Woche eine neue Erklärung ab und "haut auf die Pauke". Die Entlassung von Staatssekretär Döring billigte der SPD-Finanzexperte ausdrücklich. Auch die CDU habe schließlich personelle Konsequenzen gefordert.
    Wolfram Dorn (F.D.P.) erklärte, auch er fühle sich in Sachen Beton- und Monierbau "nicht richtig und umfassend informiert". Und weiter: "Für mich gilt das für eine Vielzahl von Beteiligten, für eine Vielzahl der zugelassenen Unterlagen wie auch für eine Vielzahl der angehörten Personen." Dorn drängte darauf, die Angelegenheit, in der März-Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses abschließend zu beraten. Zur WestLB stellte er an die CDU die Frage, ob man die Bank dadurch aus dem Gerede bringe, daß man im Landtag "eine solche Philippika zu diesem Thema vom Stapel läßt".
    Finanzminister Dr. Diether Posser (SPD) legte die Gründe für Dörings Entlassung dar. Der in den Ruhestand versetzte Staatssekretär sei von dem früheren Finanzminister Halstenberg wegen der Privatreise mit Hoppe gewarnt worden, sich niemals dienstlich mit Beton- und Monierbau zu befassen. Es sei der Fehler Dörings gewesen, daß er nicht jegliche Mitwirkung auch an dem Ingangsetzen des Bürgschaftsverfahrens abgelehnt habe. Posser bestritt aber mit Nachdruck, daß Döring einen unzulässigen Zeitdruck auf das Gutachten für den Landesbürgschaftsausschuß ausgeübt habe. "Das stimmt nicht," stellte er sich vor seinem ehemaligen Staatssekretär. Der Finanzminister räumte ein, es sei objektiv richtig, daß die von Schwefer beanstandete Vorlage Fehler enthalten habe. Dafür sei aber nicht die Regierung verantwortlich, denn die unrichtigen Daten stammten von BuM.
    Bernhard Spellerberg (CDU) entgegnete Posser, das BuM-Gutachten sei sehr wohl unter Zeitdruck erstellt worden. Den Vorwurf, die CDU halte die WestLB im Gerede, wies Spellerberg mit der Bemerkung zurück, auch Koalitionsabgeordnete erklärten öffentlich, sie seien getäuscht worden.
    Hans Paumen (CDU) begründete den Antrag seiner Fraktion, Planstellen bei der Fachhochschule für Finanzen anzuheben. Angesichts der Versäumnisse der Landesregierung in der Rechtsgestaltung der besonderen Fachhochschulen habe die CDU das Ziel, wenigstens die Funktionsfähigkeit der Fachhochschule für Finanzen aufrechtzuerhalten.

    Bildunterschriften:
    Werden die Krankenhäuser ausreichend gefördert? In der Etatdebatte: (v. l.) Hans Reymann (SPD), Helmut Brömmelhaus (CDU) und Peter Eykmann (F.D.P.).
    Fotos: Tüsselmann
    Beurteilten die NRW-Wirtschaftspolitik unterschiedlich: (v. l.) Dr. Günter Rinsche (CDU), Hilmar Selle (SPD) und Fritz Thielmann (F.D.P.).

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt

    ID: LI800509

  • CDU lastet Fehlplanung beim Klinikum Regierung an - Aber alle Fraktionen bekennen sich zum "Sachstandsteil".
    Neue medizinische Fakultät der TH Aachen beschäftigt Landtag.
    Plenarbericht
    S. 10-11 in Ausgabe 32 - 14.12.1979

    Große Unsicherheit gegenüber dem Problemfall "Klinikum Aachen" kennzeichnete die Debatte am 29. November, bei der sich Sprecher aller Fraktionen mit dem Zwischenbericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses über die Hochschulbau- und Finanzierungsgesellschaft (Drs. 8/1965 und Drs. 8/2020) befaßten. Sowohl die Regierungskoalition als auch die CDU-Opposition bekannten sich dabei zum "Sachstandsteil". Bei der "Wertung" wurde auch von Seiten der SPD und F.D.P. erhebliche Kritik an der Landesregierung laut. Wissenschaftsminister Prof. Dr. Reimut Jochimsen (SPD) wies dagegen auf die "Klippen" hin, durch die er als Fachminister steuern müsse. Baue er zu klein, drohe man ihm mit dem Untergang von Forschung und Lehre. Baue er zu groß, werde er für seine mangelnde Voraussicht gescholten, erklärte der Minister.

    Dietmar Katzy (CDU) zitierte in Entgegnung auf die Stellungnahme des nordrhein-westfälischen Finanzministers Dr. Diether Posser (SPD) (siehe Ausgabe vom 3. Dezember 1979) "aus den Akten des Untersuchungsausschusses" einen Bericht des Referenten des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Ministerialrat Dr. Ehlers, "zur Bettenzahl im Neubau des Klinikums der RWTH Aachen". Darin heißt es laut Katzy, der damalige Regierungspräsident von Aachen habe berichtet, er werde über die Bettenplanung der Medizinischen Fakultät nicht offiziell unterrichtet. Durch die Presse habe er erfahren, daß ursprünglich 1500, dann 1600 und "nunmehr 1735 Betten" geplant seien. Auf diese Aussage hinweisend und an die Regierung gewandt, meinte der Abgeordnete: "Darin wird schon einmal sichtbar, auf welcher Basis Sie Bettenplanung anfingen." Zur Frage der Kosten erklärte der Politiker, am 31. März 1971 habe es noch geheißen, es seien 690 Millionen DM Gesamtbaukosten. Im Mai 1976 seien 821 Millionen DM angegeben worden. Am 12. Oktober 1976 habe der damalige Finanzminister Prof. Halstenberg bekräftigt, es werde insgesamt unter einer Milliarde bleiben. Katzy wies darauf hin, daß die Opposition "auf Grund der Erfahrungen mit diesen Landesregierungen, und zwar den sozialliberalen", einen Entwurf vorgelegt habe, das Gesetz über die Aufhebung des Hochschulbaus in Angriff zu nehmen. "Bereits damals bestanden gravierende Bedenken innerhalb des Landtags gegen die Tätigkeit der HFG, und zwar seit 1972 immer wieder von uns angemahnt", betonte der Abgeordnete. Der Vorstandsvorsitzende der Neuen Heimat, Vietor, habe im Zeugenstand vor dem Untersuchungsausschuß gesagt, es sei überlegt worden, ob das Bauvorhaben stillgelegt werden solle. Weiter heiße es in einem Vermerk der HFG, das bauaufsichtliche Genehmigungsverfahren sei außer Kontrolle geraten. Bereits im März 1970 habe der Finanzminister den Ministerpräsidenten informiert, bei "der derzeitig bestehenden Verwirrung am Klinikum sei ihm eine Beurteilung der Planung nicht mehr möglich". "Damals also hätte die Landesregierung noch Schaden von unserem Land und vom Klinikum Aachen abwenden können", stellte der Politiker fest. Aber "mit einer Arroganz ohnegleichen, die bis an den Rand des Machtmißbrauchs geführt hat", habe der Finanzminister seinerzeit Überlegungen angestellt, "wie man die lästigen, im wesentlichen zutreffenden kritischen Prüfungsberichte des Landesrechnungshofes zur Tätigkeit der HFG stoppen könnte".

    Karl Josef Denzer (SPD) erklärte: "Wir sind uns darüber im klaren: Politische Auseinandersetzung - ja. Aber Verdrehung von Tatsachen und Herabsetzung von einzelnen Mitgliedern dieses Hauses und von Zeugen des Untersuchungsausschusses - nein." Der Abgeordnete warf den Vertretern der CDU im Untersuchungsausschuß vor, sie gingen mit den ermittelten Tatsachen "zumindest leichtfertig, wenn nicht sogar willkürlich" um. Wörtlich stellte er fest: "Ich teile die Auffassung von Herrn Minister Dr. Posser. Der Wahlkampf ist sehr nahe, und da ist jedes Mittel recht. Wenn eine Verdrehung der Tatsachen hilft, dann tun wir das auch. Dieses ist gewollt. Das sollte man deutlich sagen." Der Abgeordnete ging auf die "vorgefaßte Meinung der CDU" ein, die Gründung der Hochschulbau- und Finanzierungsgesellschaft (HFG) sei durch das Kabinett nicht beschlossen worden. Er betonte: "Tatsache ist: Wir wissen aus den übereinstimmenden Zeugenaussagen und den vorbereitenden Arbeiten durch die Staatssekretäre für die Kabinettssitzungen vom 25. bis 28. Januar 1969, daß die Gründung einer eigenen Hochschulbau- und Finanzierungsgesellschaft sehr wohl im Kabinett erörtert worden ist und daß die Presseerklärung der Minister Kohlhase, Wertz und Holthoff vom 29. Januar im Kabinett erörtert worden ist. Dies paßt der CDU nicht ins Konzept, weil schon die Gründung der HFG ins Dubiose gezogen werden soll und die CDU davon ablenken will, daß sie im Jahr 1969 das Konzept voll mitgetragen hat", folgerte Denzer.

    Reinhard Roericht (F.D.P.) betonte, die Kontrolle der Regierungstätigkeit durch das Parlament obliege "selbstverständlich auch den Regierungsfraktionen". Der Abgeordnete wies darauf hin: "In dieser Legislaturperiode des Landtags habe ich als erster Abgeordneter seinerzeit die Probleme des Aachener Klinikums aufgegriffen. Die Art und Weise, wie wir dieses Problem als Parlament erledigen werden, wird auch für den politischen Stil in unserem Lande ein Stück Bedeutung haben", meinte Roericht. Wörtlich fuhr er fort: "Ich werde in meinem Diskussionsbeitrag niemanden schonen. Ich werde mich aber gleichzeitig auch darum bemühen, daß wir hier über die Lösung der Probleme sprechen. Dazu müssen wir uns allerdings die Ursachen vor Augen führen und einen Blick auf die geschichtliche Entwicklung werfen. Ich befürchte, daß die Landesregierung die politische Dimension des Problems Klinikum Aachen noch nicht vollständig erfaßt hat", erklärte der Abgeordnete. Der Opposition riet er jedoch, keine unnütze Polarisierung zu betreiben. "Es gibt eine Reihe von Problemen, die in der Tat nicht nur mit zwei Standpunkten - mit ja oder nein, mit schwarz oder weiß oder mit gut oder böse beantwortet werden können", sagte Roericht. Die SPD müsse sich fragen, das gelte auch für amtierende Mitglieder der Landesregierung, ob Solidarität unbedingt einschließe, gemeinsame Probleme zu verdrängen. Die CDU hingegen müsse sich fragen, ob die Pflicht zur Opposition auch das Recht auf falsche Anschuldigung bedeute. "Die Kritik, die ich seinerzeit als Abgeordneter vorgetragen habe, für die ich von vielen Seiten gescholten worden bin - ich habe noch das Wort des damaligen Ministerpräsidenten Kühn im Ohr: Da handelt ein profilierungssüchtiger junger Abgeordneter - ist durch den vom Untersuchungsausschuß vorgelegten Zwischenbericht - ich sage leider - in vollem Umfang bestätigt worden, in einigen Punkten ist sie überschritten worden", meinte Roericht.
    Zur Frage der Ministerverantwortlichkeit, was persönlich zuzurechnen sei, wofür einer geradestehen müsse, meinte der Politiker, in allen Parlamenten unseres Staates finde zur Zeit "eine sehr kritische und nachdenkliche Bewertung" statt. "Ich bitte mal darum, das jetzt wirklich grundsätzlich zu sehen, daß wir uns doch heute quer durch die Partei zum Beispiel fragen müssen: Gibt es nicht im Regierungsapparat Fehler, über die sich zwar nach Bekanntwerden alle einig sind, wo es aber keineswegs so einfach ist zu sagen, daß man das auch schon alles ein paar Jahre vorher genau so und nicht anders hätte wissen können." Die andere Frage laute, in welchem Umfang beim heutigen Haftungsgrad der Exekutive der Minister verantwortlich gemacht werden könne.

    Wissenschaftsminister Prof. Dr. Reimut Jochimsen (SPD) erklärte, es gehe nicht um den Bau eines möglichst großen Krankenhauses, damit Professoren und Studenten genügend viele Versuchsobjekte für Forschung und Lehre hätten. "Es gibt aber auch ein anderes Zerrbild. Hochschulkliniken fressen die kleinen Krankenhäuser auf. Mammutgebilde erdrücken die Kleinen. Auch dies ist falsch!" Richtig sei vielmehr, daß Hochschulkliniken unter den vielfältigsten Anforderungen gleichzeitig stünden und die eigentlichen Probleme wüchsen immer erst dann, wenn alle Anforderungen jeweils optimal und gleichzeitig und "selbstverständlich nach Weltstandard" verwirklicht werden sollten. "Kein Wissenschaftsminister in der Welt hielte den Vorwurf aus, er plane eine Hochschulklinik, die nicht dem Weltstandard entspräche. Von Provinzialisierung der deutschen Forschung, von Absenkung der Ausbildungsqualität wäre die Rede, von der Gefährdung der kranken Menschen, von unverantwortlicher politischer Blindheit, Engstirnigkeit und mangelnder Weit- und Voraussicht", betonte Prof. Jochimsen. Er folgerte weiter, der gleiche Wissenschaftsminister müsse dann Prügel einstecken, wenn durch den Bau eines Hochleistungsklinikums "die Normalität der normalen Krankenhäuser im Umfeld als solche" sichtbar werde. Der Minister unterstrich: "Wir haben uns in den letzten Jahren bemüht, komplexe Planungsprozesse dieser Art in den Griff zu bekommen, sie zu optimieren. Dabei ist aber das Unbehagen an Planung eher gewachsen, als daß sich die Erkenntnis für die Beherrschung solcher Planungen eingestellt hätte. "Ich kenne aber keine andere Planungs- und Bauaufgabe, die so komplex, so eng verbunden auch mit der Zeitachse ist, wie der Bau eines Krankenhauses heute, und zwar eines Krankenhauses der Hochleistungsmedizin mit allein 14 Spezialkliniken unter einem Dach einschließlich des Neubaus einer vollständigen medizinischen Fakultät", sagte Jochimsen. Bei den langen Planungs- und Bauzeiten, bei dem raschen Wechsel der technischen apparativen Ausstattung, bei dem zügigen Voranschreiten der Forschung und der Behandlungsmethoden werde man entweder "zum hoffnungslosen Narren" oder man gehe "mit dem Mut des Verzweifelten" an die Sache heran.

    Dr. Hans-Ulrich Klose (CDU) ging auf den "Sachbericht" ein und betonte: "Wir hatten in weiten Passagen zwar zwei unterschiedliche Voten, aber übereinstimmende Voten. Auch das verdient festgehalten zu werden." An die SPD gerichtet erklärte Klose, daß keine übereinstimmende Auffassung habe gefunden werden können, sei "nach menschlichem Ermessen" zu erwarten gewesen. "Das konnten Sie fünf Monate vor der Wahl nicht tun, und wir als Opposition haben die Aufgabe, das zu tun, was die Regierung vor einer Wahl tut: Bilanz zu ziehen." Dazu zählte der Politiker eine kritische Stellungnahme zum "Kontaktfenstererlaß". Er erwähnte, daß bereits in den Jahren 1970 und 1971 das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt in Aachen erklärt habe, daß in den Funktionsräumen des Klinikums, die der Versorgung und Behandlung der Menschen und der Patienten dienten, eben Fenster aus menschlichen Gründen sein müßten.

    Friedrich Schreiber (SPD) betonte, er sei sich der Unvollständigkeit und Unvollkommenheit der bisherigen Untersuchungsergebnisse bewußt. Er äußerte sein Bedauern, daß alle Fraktionen nicht zu einer einmütigen Feststellung im Wertungsteil gelangt seien. Schreiber betonte, es wäre besser gewesen, die Spitze der HFG mit Wirtschaftsfachleuten zu besetzen. "Wir sind der Ansicht, daß die mit der 'Neuen Heimat' ausgehandelten Verträge zu große Spielräume einräumten und die Kontrollmöglichkeiten über die Kosten des Klinikums erschwerten", sagte der Abgeordnete. Er bekräftigte außerdem die Auffassung, daß es "im konkreten Fall Aachen" bei der praktischen Anwendung "des angeblich sinnvollen sogenannten Synchronbauverfahrens" zu Koordinierungsmängeln gekommen sei. Der Politiker sagte wörtlich: "Auch sind wir der Ansicht, daß nach heutigem Kenntnisstand gewisse technische Probleme beim Bau des Klinikums Aachen früher hätten gelöst werden können und daß das 'Klinikum der kurzen Wege' zu groß ist."

    Bildunterschriften:
    Redner der ersten Runde in der leidenschaftlich geführten Debatte: v. I. Dietmar Katzy (CDU), Karl Josef Denzer (SPD) und Reinhard Roericht (F.D.P.).
    Fotos: Tüsselmann
    Sie beschlossen das parlamentarische Streitgespräch um das Klinikum: v. I. Wissenschaftsminister Prof. Dr. Reimut Jochimsen (SPD), Dr. Hans-Ulrich Klose (CDU) und Friedrich Schreiber (SPD).
    Fotos: Tüsselmann

    Systematik: 5220 Gesundheitseinrichtungen; 4300 Hochschulen

    ID: LI793213

  • Untersuchungsausschuss über Beweisergebnis einig - Wertung von Millionen-Verlusten unterschiedlich.
    Zwischenbericht über HFG und Klinikum Aachen vorgelegt.
    Plenarbericht;

    S. 3-5 in Ausgabe 31 - 03.12.1979

    Millionen-Verluste und jahrelange Verzögerungen bei Planung und Bau des Klinikums der Technischen Hochschule Aachen standen im Mittelpunkt der Debatte über den Zwischenbericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses betreffend die Hochschulbau- und Finanzierungsgesellschaft (HFG) (Drs. 8/1965 und Drs. 8/2020) am 29.November. Der Vorsitzende des Ausschusses, der Abgeordnete Egbert Reinhard (SPD) sowie der CDU-Abgeordnete Rolf Klein, der einen zusätzlichen mündlichen Bericht abgab, waren sich in der Bewertung der Tatsachen einig, in der Wertung der Schuldfrage jedoch unterschiedlicher Auffassung. Von der Opposition wurde vor allem dem ehemaligen Wissenschaftsminister und heutigen Ministerpräsidenten Johannes Rau (SPD) sowie den früheren sozialdemokratischen Finanzministern Hans Wertz und Prof. Friedrich Halstenberg Versagen vorgeworfen. Der amtierende Finanzminister Dr. Diether Posser (SPD) stellte Schwierigkeiten beim Bau des Aachener Klinikums nicht in Abrede. Er verwies jedoch darauf, daß die HFG andere Projekte im Lande zum Teil billiger als veranschlagt erstellt habe. Die Debatte erreichte ihren Höhepunkt durch ein von Oppositionsführer Heinrich Köppler (CDU) erzwungenes Rededuell mit Ministerpräsident Johannes Rau (SPD). Hier einige Auszüge aus der politischen Auseinandersetzung. Ein ausführlicher Bericht mit den Beiträgen der Redner der einzelnen Fraktionen folgt in unserer nächsten Ausgabe.

    Egbert Reinhard (SPD), Vorsitzender des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses betonte, es sei vom Verfahren her ungewöhnlich, daß ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuß einen Zwischenbericht vorlege. "Der Untersuchungsauftrag des Landtags, der sich in eine Fülle von Einzelfragen gliedert, überschreitet aber bei weitem den bei der Einsetzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses vorgestellten Rahmen", sagte der Abgeordnete. So habe sich der Ausschuß nach der Untersuchung einiger grundlegender Aspekte bei der Gründung der Hochschulbau- und Finanzierungsgesellschaft im Schwerpunkt mit dem Neubau des Klinikums Aachen befaßt. Der Zwischenbericht könne jedoch keine abschließende Antwort auf die Frage des Untersuchungsthemas geben, nämlich in welcher Weise die Hochschulbau- und Finanzierungsgesellschaft entsprechend der Zielsetzung der Zweckbestimmung des Hochschulbaugesetzes ihre Aufgaben erfüllt habe. "Dazu müßte die Tätigkeit der HFG in Münster, Essen, Bielefeld, Düsseldorf und im Bereich der Studentenwohnheime überprüft werden", sagte Reinhard. Auch für den Bereich des Klinikums Aachen seien nicht alle Einzelfragen des Untersuchungsauftrags abschließend untersucht worden. Das Aktenmaterial habe insoweit nicht vollständig ausgewertet werden können.
    "Außerdem wurde im Hinblick auf die rechtzeitige Vorlage eines Zwischenberichts darauf verzichtet, die umfangreichen Aufzeichnungen des Generalunternehmers 'Neue Heimat Städtebau' oder dessen Vertragsfirmen beizuziehen", stellte der Abgeordnete fest. Trotz dieser Vorbehalte käme den im Zwischenbericht getroffenen Wertungen "einige Bedeutung" zu. Reinhard erinnerte daran, daß der parlamentarische Untersuchungsausschuß betreffend die Hochschulbau- und Finanzierungsgesellschaft auf Antrag von 54 Abgeordneten der CDU-Fraktion durch den Landtag am 11.Mai 1977 eingesetzt worden sei. Er habe sich in seiner ersten öffentlichen Sitzung am 26.Mai des gleichen Jahres konstituiert. Bis zur Abstimmung über den Zwischenbericht seien 50 weitere Sitzungen, davon 14 öffentlich, gefolgt. Außerdem hätten in der Schlußphase der Beratungen über den Wertungsteil des Zwischenberichts drei Kommissionssitzungen stattgefunden. 38 Zeugen seien vernommen worden und zur Problematik des synchronen Planens und Bauens sowie der Vertragswerke zwei Gutachten in Auftrag gegeben worden.
    "Hervorzuheben ist, daß der Ausschuß den Tatsachenteil, das heißt das Beweisergebnis, einstimmig beschlossen hat", betonte der Politiker. Alle Mitglieder des Ausschusses seien sich bewußt gewesen, daß gerade eine einstimmige Beschlußfassung über den Wertungsteil dem Zwischenbericht eine noch größere Aussagekraft verliehen hätte, sagte Reinhard. Er schloß: "Diese Bemühungen blieben aber leider erfolglos." Der Abgeordnete machte auf zwei Punkte besonders aufmerksam: Das Vorermittlungsverfahren sowie das grundsätzliche Verständnis Parlamentarischer Untersuchungsausschüsse nach Verfassungsrecht und Staatspraxis.
    Er berichtete, der dem Bundestag vorliegende Gesetzentwurf über das Untersuchungsverfahren sehe bewußt von der Möglichkeit eines Voruntersuchungsverfahrens ab. "Nach den Erfahrungen dieses Untersuchungsausschusses halte ich die Bundesregelung insoweit für unzureichend", sagte Reinhard. Er wandte sich gegen eine Ablehnung der Übertragung von Untersuchungen auf eine außerhalb des Parlaments stehende Person, etwa auf einen Richter. "Angesichts der komplexen wirtschaftlichen und rechtlichen Problematik, die sich mit diesem Untersuchungsauftrag gestellt hat, hätte ein dem staatsanwaltlichen oder richterlichen Ermittlungsverfahren angeglichenes Vorverfahren entscheidende Hilfestellungen für die Arbeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses gegeben", betonte der Ausschußvorsitzende. Die Prüfberichte des Rechnungshofes hätten die Lücke nur zu einem geringen Teil schließen können. In der "politischen Zielsetzung", die zur Gründung der HFG führte, hat laut Reinhard in allen Fraktionen Einigkeit bestanden. Es sollte erreicht werden, auch für die Universitätsklinikbauten die Bundesförderung zu erhöhen. Die zu gründende Gesellschaft sollte von Anforderungen der Landeshaushaltsordnung befreit und der Ausbau der nordrhein-westfälischen Universitäten mit Hilfe dieser Gesellschaft beschleunigt werden. "Damit war man sich auch bewußt, daß damit parlamentarische Kontrollrechte aufgegeben würden", meinte der Politiker.
    Er wies Behauptungen zurück, wonach am Ursprung der Überlegungen für die Gründung einer Hochschulbaugesellschaft nicht das Staatsinteresse, sondern das Privatinteresse einer Baugesellschaft gestanden habe. Zur Frage der Auswahl der Betreuungsunternehmen, insbesondere der Vergabe des Klinikums Aachen an die Neue Heimat, stellte der Abgeordnete fest, daß ein Wettbewerb nicht stattgefunden habe. Er folgerte: "Die Mehrheit des Ausschusses ist jedoch der Ansicht, daß es trotzdem nicht zu unsachgemäßen Entscheidungen gekommen ist." Das Verfahren des synchronen Planens und Bauens bezeichnete der Politiker als eine der "zentralen Gegenstände des Untersuchungsverfahrens. Er führte eine Reihe von Gründen an, warum dieses "an sich gute Verfahren" beim Bau des Klinikums in Aachen nicht alle erwünschten Erfolge gebracht habe. So habe der Zeitrahmen keine Sicherheitsreserven "für nicht vorhersehbare Koordinierungsprobleme" enthalten. Reinhard kritisierte, daß sich die Neue Heimat nicht um "intensive Zusammenarbeit" bemüht habe. Vertragliche Leistungen seien von ihr nur unvollständig oder mangelhaft erbracht worden.
    Probleme seien auch entstanden, weil weder die Geschäftsführung der HFG den Aufsichtsrat über Schwierigkeiten ausreichend informiert habe, noch die im Aufsichtsrat verantwortlichen Minister über Koordinierungsprobleme von ihren Häusern ausreichend in Kenntnis gesetzt worden seien. Eine abschließende Beurteilung über die Mehrkosten durch Planungsänderungen der Neuen Heimat war dem Ausschuß nach Reinhards Worten nicht möglich. Er sagte, der Ausschuß rege daher an, diesen Komplex durch eine Sonderprüfung des Landesrechnungshofes klären zu lassen. Zur Bettenplanung meinte der Vorsitzende, sie habe im Einklang mit der Landeskrankenhausplanung gestanden. Erst als die Zielvorstellungen des Gesundheitsministeriums aus der Sicht der Stadt Aachen und des Verbandes der Allgemeinen Ortskrankenkassen in Zweifel gezogen worden seien, sei der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales nach einer Korrektur der Bedarfsdeterminanten 1974 zu einem Bettenüberhang von 515 Betten im Versorgungsgebiet Aachen gekommen. Als ursächlich für zahlreiche Koordinierungsprobleme bezeichnete Reinhard die Trennung der Verantwortung für Universitätskliniken von den übrigen Einrichtungen des Gesundheitswesens in zwei Ministerien.

    Rolf Klein (CDU) betonte, in der Feststellung der Tatsachen sei sich der Ausschuß einig. "Auch erhebliche Teile der Wertung stimmen überein", sagte der Abgeordnete.
    Massive Kritik an der Landesregierung, insbesondere an dem früheren Wissenschaftsminister und heutigen Ministerpräsidenten Rau sowie an den früheren Ministern Wertz und Halstenberg (beide SPD) habe der Ausschuß gemeinsam genommen. "Die Koalitionsfraktionen waren aber nicht bereit, die Folgen dieser Kritik zu ziehen, also im Haftungsbereich und im Bereich der persönlichen politischen Verantwortung Konsequenzen zu ziehen. Hier liegt der entscheidende Einigungsmangel", stellte Klein fest. Zu den Tatsachen erklärte der Politiker, die Verwirrung beginne schon bei der Frage, wie denn konkret die Hochschulbau-Finanzierungsgesellschaft in die Welt gekommen sei. Der normale Weg, wonach die Landesregierung nach Beratung einen Kabinettsbeschluß fasse, zur Gründung einer solchen Gesellschaft dann die entsprechende Gesetzesvorlage erarbeite, die dann dem Landtag vorgelegt werde, sei nicht gegangen worden. "Vielmehr haben, ohne daß ein Kabinettsbeschluß vorlag, drei Minister auf einer Pressekonferenz die Gründung der HFG bekanntgegeben", sagte der Abgeordnete. Er wies darauf hin, daß während der Lesung des Gesetzes über die Gründung der HFG Einigkeit unter den Fraktionen geherrscht habe, daß dies prinzipiell ein geeigneter Weg sein könne, schnell Hochschulbauten errichten zu können. Zur Gesellschaft selbst meinte Klein, formal seien die notwendigen Interessenabstimmungen gesichert gewesen. "Tatsächlich war aber die Amtsführung der Beteiligten so miserabel, daß hier im untersuchten Fall Aachen nicht ersichtlich ist, daß der Aufsichtsrat irgend etwas genutzt hat. Der Aufsichtsrat hat sozusagen statt draufzusehen lieber weggesehen." Der Politiker kritisierte die Auftragsvergabe an die "Neue Heimat Städtebau", bei der es sich um eine rein private im gewerkschaftlichen Eigentum stehende Baugesellschaft handele, die sich bereits zur Zeit der Regierung Meyers um Hochschulaufträge bemüht habe, aber abgelehnt worden sei. "Kaum war die Regierung Kühn im Amt, wendet sich im Februar 1967 die ,NHS' erneut an die Landesregierung NRW", sagte der Politiker. Die gewerkschaftseigene Firma habe nun geglaubt, leichter an Aufträge zu kommen, weil sie mit Bevorzugung rechnete. "Diese Rechnung ist aufgegangen", betonte Klein. Er bezeichnete das Argument als unglaubwürdig, daß die nach Überzeugung der Landesregierung leistungsfähigste Firma herausgesucht worden sei. "Wenn es schon schlimm ist, daß der Staat einen einzelnen Interessenten völlig einseitig bevorzugt, so widerspricht es erst recht jeder vernünftigen Gepflogenheit, wenn mit diesem Anbieter dann auch noch die Bezahlung vereinbart wird, ohne daß die Gegenleistung feststeht", erklärte der Politiker. Zum Synchron-Bauverfahren meinte er, dieses Verfahren sei hinsichtlich seiner Durchführbarkeit und seiner besonderen Erfordernisse nur unzureichend vertraglich abgesichert gewesen. So seien noch nicht einmal Vertragsstrafen für Terminüberschreitungen vereinbart worden.
    Den damaligen Ministem Wertz und Rau warf Klein vor, obwohl sie an den Schaltstellen gesessen hätten, hätten sie sich nicht in die Probleme hineingekniet, sondern statt dessen den Dingen einfach ihren Lauf gelassen. "Dies allerdings wäre grobe Pflichtverletzung sowohl der zuständigen Ressortminister Wertz und Rau wie auch der gleichen Personen in ihrer Funktion als Vorsitzender beziehungsweise stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates der HFG", meinte der Abgeordnete. Nach seinen Angaben war geplant, ein Klinikum zu errichten, das bis 1979 bezogen sein sollte. Tatsache sei, daß nun die beteiligten Minister für den endgültigen Bezug 1985 angeben. "Sechs Jahre Zeitverzögerung also zugeben", sagte Klein. Zur Bettenplanung meinte der Oppositionssprecher, den Ministern Wertz und Rau hätte klar sein müssen, daß die Zahl der Betten im Klinikum Aachen und ihre Aufteilung auf Disziplinen dringend mit der Planung des Gesundheitsministeriums für den Krankenhausbedarf der Region Aachen hätte abgestimmt werden müssen. "Es geschah nichts", betonte Klein. Ein weiterer Punkt, der schließlich "zu dem unglaublichen Zustand heute" geführt habe, sei der, daß wohl alle Beteiligten damals von Synchronplanung redeten, sich mindestens die Minister Rau und Wertz aber kaum Vorstellungen gemacht hätten, was das hieße. "In seiner Zeugenvernahme konnte der Ministerpräsident Rau nicht einmal den Zeitpunkt benennen, bis zu dem eine Änderung des Bauvorhabens im Inneren noch möglich war", erklärte der Politiker.

    Finanzminister Dr. Diether Posser (SPD) wies darauf hin, daß im Zwischenbericht vom Arbeitsergebnis von acht Jahren Tätigkeit der Hochschulbau- und Finanzierungsgesellschaft nur ein Bruchteil behandelt werden konnte: das Klinikum Aachen.
    Dieses Klinikum habe freilich viele Schlagzeilen gebracht und der Landesregierung einiges Kopfzerbrechen und große Anstrengungen abverlangt, bis das Vorhaben wieder so gelaufen sei, daß "wir nunmehr guter Hoffnung sind", es in den jüngst genannten Fristen und zu den seit Januar 1978 unverändert genannten Kosten fertigstellen zu können. Der Minister versprach, die Landesregierung werde das Arbeitsergebnis des Untersuchungsausschusses noch sorgfältig prüfen. "In dieser ersten und notgedrungen vorläufigen Stellungnahme hier geht es mit darum, einige Perspektiven aufzuzeigen und auch zurechtzurücken", sagte Posser. Er versicherte, er wolle nicht vom Thema Aachen ablenken. Die Landesregierung wolle allerdings vermeiden, "daß unser einziger Problemfall in dem riesigen Bauvolumen, das über die HFG abgewickelt worden ist", andere Bauvorhaben verdunkele, die glatt gelaufen seien. Bei drei Vorhaben hätten die HFG und ihre Betreuer den Kostenrahmen des Hochschulbaugesetzes von 1969 unterschritten.
    Der Minister zählte dazu die Universität Düsseldorf. Mit fast 85000 Quadratmetern Hauptnutzfläche habe das fortgeschriebene Ausbauprogramm bei einem Preisindex für August 1970 443 Millionen DM vorgesehen. Das Kostenlimit habe sich um 24 Millionen ermäßigt. Für die Universität Bielefeld mit 185000 Quadratmetern Nutzfläche habe das Ausbauprogramm einen Betrag von 623,5 Millionen DM vorgesehen. "Dieses Programm wurde um 11,6 Prozent unterschritten, so daß sich die entsprechenden Gesamtkosten um 62,6 Millionen auf 560,9 Millionen DM ermäßigten", teilte Posser mit. Bei den nach seinen Worten "höchst anspruchsvollen klinischen Einrichtungen in Essen", die hauptsächlich der theoretischen Medizin und damit der Forschung dienten, seien die Kosten von 98 auf 88 Millionen DM gesenkt worden. Der Minister führte weiter aus, beim Klinikum Münster sei die Planung von rund 105000 Quadratmetern Hauptnutzfläche um 7,1 Prozent unterschritten worden. Als "weitere durchaus positiv zu vermerkende Leistung der HFG" wertete Posser die Errichtung von 8000 Studentenwohnheimplätzen mit einem Aufwand von 247 Millionen Mark. "Das sind durchschnittlich 30000 DM pro Bettplatz. Das ist sicher nicht billig. Die Mieten in diesem Wohnheim sind auch nicht billig. Aber diese Heime sind solide und zweckentsprechend gebaut. Sie werden von den Studenten gern angenommen. Sie haben mit Abstand die längsten Wartelisten aller Studentenheime, und es gibt dort keine Mieterstreiks", berichtete der Minister.

    "Klärende Worte"

    In der anschließenden mehrstündigen Debatte nahmen die Abgeordneten Reinhard Roericht (F.D.P.), Dietmar Katzy (CDU), Karl Josef Denzer (SPD), Dr. Hans-Ulrich Klose (CDU), Friedrich Schreiber (SPD) und Wissenschaftsminister Professor Dr. Reimut Jochimsen (SPD) zu weiteren Aspekten des Zwischenberichts Stellung. CDU-Fraktionsvorsitzender Heinrich Köppler und Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) griffen zum Schluß in die Auseinandersetzung ein.

    Heinrich Köppler (CDU) forderte Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) auf, vor dem Parlament über den "Gegenstand des Untersuchungsausschusses" zu sprechen. "Wir erwarten von Ihnen ein klares Wort", betonte der Oppositionsführer. Niemand unterstelle Rau "in der Rüge" im Zusammenhang mit seinen Pflichten als Ressortminister für den Klinikbau und als Mitglied und stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats "ein ehrenrühriges Verhalten". Jedoch solle die Landesregierung "einmal darüber nachdenken, ob es eigentlich eine richtige und kluge Regierungspraxis ist, in Exekutivfunktionen von der Qualität eines Aufsichtsrats, wenn es darum geht, schwerige und komplizierte Bauaufträge zu kontrollieren, höchstpersönlich als Minister einzusteigen, oder ob es nicht klüger ist, hier zwar die politische Verantwortung in der Hand zu behalten, aber nicht selber in eine solche Funktion einzusteigen."
    Der CDU-Fraktionsvorsitzende warf dem Regierungschef vor, er habe als Wissenschaftsminister und führendes Mitglied in der für Aachen zuständigen landeseigenen Hochschulbau- und Finanzierungsgesellschaft (HFG) nichts gegen die "Talfahrt" des Milliarden-Projekts unternommen. "Dafür haben Sie einzustehen. Für dieses Verschulden müssen Sie die Verantwortung tragen." Weiter: "Sie müssen sich darüber im klaren sein, daß dieses nicht irgendein Kleckerverschulden ist." Vom Volumen und von den Vorgängen her "ist dies eine unglaubliche Angelegenheit". Ein ähnliches Fehlverhalten in einem anderen Unternehmen hätte dazu geführt, daß der Verantwortliche "längst von seiner Aufgabe entbunden worden wäre".

    Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) räumte ein, "daß es in der Planungs- und Baugeschichte des Klinikums Aachen Fehler gegeben hat und daß nach dem Vorliegen des Untersuchungsberichts, des Zwischenberichts, Wertungen vorzunehmen und Konsequenzen zu ziehen sind". Eindringlich wies der Regierungschef jedoch die Vorwürfe der Opposition zurück. Seine Tätigkeit im Aufsichtsrat der HFG sei im Gesetz festgelegt. Es sei also "nicht in mein Belieben gestellt, ob ich dieses Aufsichtsratsmandat wahrnahm oder nicht". Auch sei er noch nicht Wissenschaftsminister gewesen, als der Baubetreuungsvertrag mit der "Neuen Heimat Städtebau" abgeschlossen worden sei. Während seiner achteinhalbjährigen Tätigkeit als Wissenschaftsminister und auch als stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der HFG, so Rau weiter, habe er "alle mir zur Verfügung stehende Sachkunde und alle mir von meinen Mitarbeitern zusätzlich erwiesene Sachkenntnis in die Arbeit dieses Aufsichtsrats eingebracht". Er halte es nicht für der Sache angemessen, wie die Opposition die Schuld aufteile und nun "volle Ladung auf den Ministerpräsidenten" schieße. Kritik übte der Regierungschef daran, daß das Aachener Klinikum "Rausoleum" genannt und als eigentlicher Bauherr er selbst, "nämlich der Rau" bezeichnet werde, während bei allen anderen Einrichtungen, die er als Wissenschaftsminister gebaut habe, heute gesagt werde, Bauherren seien die Vorgänger gewesen und "nicht der Rau".
    Ausdrücklich stellte der Ministerpräsident fest, daß die Größe des Klinikums Aachen, gemessen an seiner Bettenzahl, richtig ist. Auch zu der Ausstattung des Klinikums und für die Gerätelisten stehe er noch heute. Es sei falsch, wenn die CDU aus Gründen politischer Propaganda das Klinikum in Aachen nun zu einem "Unikum" und einem "Monstrum" sowie "zu einem Beispiel für eine Politik" mache, die sie bekämpfe; damit treffe die Opposition in Wirklichkeit das Klinikum, "das dort für Tausende von kranken Menschen notwendig ist, die darin behandelt werden müssen".

    Bildunterschriften:
    Grundsätzliche Stellungnahmen zum Zwischenbericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses: v. I. Egbert Reinhard (SPD), Rolf Klein (CDU) und Finanzminister Dr. Diether Posser (SPD).
    Fotos: Tüsselmann

    Kontrahenten in der Diskussion: v. I. Oppositionschef Heinrich Köppler (CDU) und Ministerpräsident Johannes Rau (SPD).
    Fotos: Tüsselmann

    Oft in die Schlagzeilen geraten: Der gigantische Neubau des Klinikums der Technischen Hochschule Aachen.
    Foto: Tüsselmann

    Systematik: 5220 Gesundheitseinrichtungen; 4300 Hochschulen

    ID: LI793104

  • CDU: Finanzpolitik der Landesregierung gleicht Desaster - Koalition wertet Haushaltsbemühungen als erfolgreich.
    Erste Lesung zum 51,2-Milliarden-Etat des Landes NRW für 1980.
    Plenarbericht;

    S. 3-4, 7 in Ausgabe 26 - 29.10.1979

    Das Bemühen um Solidität künftiger Haushaltspolitik im Land Nordrhein-Westfalen kennzeichnete die erste Lesung zum 51,2- Milliarden-Etat am 24. Oktober im Landtag. Bei der Debatte über den Entwurf des Haushaltsgesetzes 1980 der Landesregierung (Drs. 8/4950) sowie die Finanzplanung des Landes von 1979 bis 1983 (Drs. 8/4951) richtete die Opposition scharfe Angriffe gegen die Finanzpolitik der SPD/F.D.P.-Regierungskoalition, die in der Kritik gipfelten, die finanzpolitische Bilanz der Landesregierung sei "ein einziges Desaster".
    Von der SPD wurden positive, wirtschaftliche Indikatoren als Zeichen für eine richtige Etatpolitik in den vergangenen Jahren gewertet. Die F.D.P. äußerte Sorgen um künftige Belastungen der jungen Generation. Finanzminister Dr. Diether Posser (SPD) bezeichnete es als Aufgabe, dem Vorwurf entgegenzuwirken, zuviel von der Gegenwart zu erwarten und zuwenig für die Zukunft zu tun.

    Dr. Theodor Schwefer (CDU) erklärte, die Landesregierung müsse sich am Ende einer fünfjährigen Legislaturperiode finanzpolitisch fragen lassen, zu welchen Ergebnissen sie in diesem Zeitabschnitt gekommen sei, welche Vorstellungen sie gehabt habe und inwieweit die verkündeten Ziele und die heutige Wirklichkeit übereinstimmten. "Die finanzpolitische Bilanz dieser Landesregierung ist ein einziges Desaster. Sie ist, gelinde gesagt, schlimm. Auch beste Schminke kann nicht darüber hinwegtäuschen, die Regierung ist am Ende ihres Lateins", sagte der finanzpolitische Sprecher der CDU. Er erinnerte an den früheren Finanzminister Wertz (SPD), der bei seinem Abschied 1975 der neuen Landesregierung ins Stammbuch geschrieben habe, die kommenden Jahre müßten von äußerster Sparsamkeit und Zurückhaltung bei den Finanzen geprägt sein, wenn nicht die Zukunft des Landes verspielt werden solle.
    Sich weiter auf Aussagen von Wertz' Nachfolger, Prof. Halstenberg (SPD), berufend, betonte Schwefer: "Wir sind von einer Konsolidierung der Landesfinanzen heute weiter entfernt denn je." Zu befürchten sei, daß der finanzielle Boden, auf dem alle Leistungen des Landes beruhten, unter den Füßen verlorengehe. Es gehöre schon außerordentlicher Galgenhumor oder eine kaum zu fassende Überheblichkeit, aber schon gar nicht besondere Wahrhaftigkeit dazu, wenn der Beginn einer Konsolidierung der Landesfinanzen angesichts einer vorgesehenen Netto-Neuverschuldung von 7,6 Milliarden DM im Jahr 1980 darin gesehen werde, daß die Verschuldung des kommenden Jahres um 96 Millionen DM unter der des Jahres 1979 liegen solle, betonte der Politiker.

    Er räumte ein: "Unstreitig befinden wir uns in einer guten Konjunktursituation, so daß auch die Entwicklung der Steuereinnahmen günstig ist." Wenn die Landesregierung aber darauf hinweise, die vorgesehene Haushaltserhöhung von 5,4 Prozent sei maßvoll und den Umständen nach angemessen, so dürfe sie gefragt werden, welche Konstellation denn gegeben sein müsse, um nach ihrer Auffassung zu einer wenigstens schrittweisen Konsolidierung der Landesfinanzen zu kommen. "Tatsache ist doch, daß kaum eine andere Zeit als die einer wirtschaftlichen Hochkonjunkturphase denkbar ist, um die Landesfinanzen wieder ins sprichwörtliche 'Lot' zu bringen", meinte Schwefer.
    Daran äußerte er jedoch Zweifel und befürchtete, daß bei einer Inflationsrate von rund fünf Prozent im Land und einer Haushaltssteigerung von 5,4 Prozent der Leistungsstand insgesamt kaum erhalten bleibe. Wenn die Schuldenfinanzierungsquote seit Jahren schon bei mehr als 15 Prozent liege, dann gehe es nicht um die Frage künftiger politischer Gestaltungsmöglichkeiten allein, sondern um die Aufrechterhaltung des heutigen Leistungsniveaus des Landes und um die Verhinderung eines finanzpolitischen Kollapses, "den allein unsere Bürger zu erleiden hätten", folgerte der Politiker.
    Hinzu käme, daß die Haushaltsvolumensteigerung von 5,4 Prozent gedanklich noch gemindert werden müsse um 523 Millionen DM als Spitzenausgleich für die Städte, die vom Wegfall der Lohnsummensteuer betroffen seien, um die Sonderleistungen in Höhe von 443 Millionen DM für das Ruhrgebiet und um 216,7 Millionen DM für den Mehraufwand an Zinsen, der 1980 infolge der immer höheren Schuldenlast anfalle.
    Der Sprecher der Opposition befürchtete, NRW werde 1980 real weit weniger als 1979 leisten und müsse dennoch mehr als 7,6 Milliarden DM Kreditmarktmittel neu aufnehmen.
    Er schloß: "Welch eine gigantische Fehlentwicklung!" Zur Verschuldung sagte Dr. Schwefer weiter, die Landesregierung plane trotz Steuereinnahmen, die sich bis 1983 jahresdurchschnittlich um mehr als acht Prozent erhöhen sollen, eine Kreditmarktverschuldung des Landes, die 1983 insgesamt 52 Milliarden DM übersteige. "Das macht je Bürger mehr als 3000 DM aus und dürfte einen jährlichen Zinsaufwand von rund 3,5 Milliarden DM erfordern. Die gesamten Kreditmarktschulden betragen somit in vier Jahren schon weit mehr als das gesamte Jahreshaushaltsvolumen von heute", sagte der Abgeordnete. Er erinnerte daran, die CDU bleibe dabei, daß eine ständige Korrektur im Bereich der heimlichen Steuererhöhungen, der Steuerbelastungen, die insbesondere auf inflationär aufgeblähten Einkommenssteigerungen beruhten, korrigiert werden müßten.

    Zur Arbeitslosigkeit stellte Dr. Schwefer fest, die Problemgruppen des Arbeitsmarktes, nämlich ältere Angestellte, Teilzeitbeschäftigung suchende Frauen, Schwerbehinderte, Akademiker und jugendliche Arbeitnehmer seien besonders zahlreich im Ruhrgebiet zu finden.
    "Die Praxis zeigt mit aller Deutlichkeit, daß die Schwerindustrie und die großen Unternehmen offenbar einen weniger günstigen Einfluß auf den Arbeitsmarkt haben als die ausgeprägt mittelständisch orientierte Industrie in anderen Regionen des Landes", erklärte der Abgeordnete. Im Namen seiner Partei begrüßte er "die verschiedenen arbeitsmarktpolitisch orientierten Programme des Bundes und des Landes". Auf den Konjunkturverlauf eingehend, vertrat er die Ansicht, daß große Gefahren von der außenwirtschaftlichen Front ausgingen. Die Leistungsbilanz gegenüber dem Ausland sei zum erstenmal seit Jahren negativ. Bei den Rohstoffimporten machten die Verteuerungen große Sorgen. Er erinnerte daran, daß Frankreich zur Zeit 33 und die DDR 18 Kernkraftwerke bauten. Die große Fragwürdigkeit der lebenswichtigen Entwicklung auf den Energieweltmärkten mache schnelles und entschlossenes Handeln erforderlich.
    Zuviel Zeit sei seit der letzten Ölkrise von 1973 schon verstrichen. "Aber auch und gerade in diesem Bereich wirken Landesregierung und Koalitionsfraktionen und ihre Parteien wie ein manövrierunfähiges Schiff, das den Kurs nicht finden kann. Der Ministerpräsident entpuppt sich als ein zaudernder Leichtmatrose, dessen Kameraden zerstritten sind und von Bord zu gehen drohen", betonte Schwefer. Nach seinen Worten könne nach dem heutigen Stand des Wissens und der Technik nur die Kernenergie die Energielücke schließen. "Es geht somit kein Weg an der Feststellung vorbei: Der unbedingte Ausbau weiterer Kraftwerke zur Verringerung unserer Abhängigkeit vom Erdöl ist eine der wichtigsten Maßnahmen der Zukunftssicherung", sagte der Politiker.

    "Besondere Aufmerksamkeit" widmete er den Personalaufwendungen des Landes, die bis zu 38 Prozent der Gesamthaushaltsausgaben ausmachten. Nach seinen Angaben nimmt bis Ende 1979, gerechnet seit 1976, die Bevölkerung in NRW um 260 000 Einwohner ab. Gleichzeitig beschäftigte das Land mit 341000 Staatsdienern 30 000 Personen mehr im öffentlichen Dienst. Jede neue Planstelle belaste den Haushalt für über 40 Jahre. Er betonte, die CDU-Fraktion könne in der Ausweitung des öffentlichen Dienstes grundsätzlich kein geeignetes Mittel zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit sehen. Mehreinstellungen seien auch als arbeitsmarktpolitische Überbrückungsmaßnahmen ungeeignet.
    Zu dem von der Landesregierung mit 40 000 für 1985 und 100 000 für 1990 bezifferten Überangebot an Lehrern erklärte Dr. Schwefer, schon jetzt sei eine Aussage zwingend notwendig, was mit diesem Überhang an hoch ausgebildeten Kräften geschehen solle.

    Zur Investitionspolitik stellte der Politiker die Frage, ob es tragbar sei, daß bei allem Verständnis für einen humanisierten Strafvollzug ein Gefängnisplatz heute 130 000 DM koste und das Klinikum Aachen mit einem Ansatz von 120 Millionen DM für 1980 weitergebaut werde, obwohl der Bundesrechnungshof es für möglich halte, daß in Aachen 1000 Klinikbetten überflüssig seien. "Investitionen und Subventionen des Landes sollten in jedem Einzelfall nur dann getätigt oder gewährt werden, wenn vollständige und ausgereifte Planungen vorliegen, und zwar nicht zuletzt auch aus Kostennutzungsgesichtspunkten", sagte der Oppositionssprecher.
    Ein Paradebeispiel biete die Finanzierung des Aktionsprogramms der Regierung für das Ruhrgebiet. Da werde zum Beispiel ein Kraftwerk-Sanierungsprogramm in Höhe von 660 Millionen DM mit einem Betrag in Höhe von 50 Millionen DM im Haushalt 1980 anfinanziert, ohne daß ausgereifte Planungen vorlägen.
    Der Landesregierung unterstellte Dr. Schwefer, sie habe die Idee eines zentralen Grundstückfonds im Aktionsprogramm Ruhr der CDU-Fraktion "ganz einfach abgeschrieben". Im übrigen sei die Konferenz in Castrop-Rauxel kein Meilenstein für das Ruhrgebiet und nicht der Durchbruch zu neuen Ufern gewesen, sondern habe sich "bei näherem Hinsehen als ein Komödchen entpuppt". Beim Bereich der inneren Sicherheit bezweifelte der Politiker das Zutreffen der Durchschnittszahl von einem Polizeibeamten auf 400 Einwohner. Bedenklich erscheine, wenn zum Beispiel im Kreis Siegburg die Polizeidichte bei 1 zu 925 liege. Zur Wirtschaftspolitik erklärte er, das mittelstandspolitische Klima verschlechtere sich zunehmend.
    Wenn staatliche Hilfen für die mittelständische Wirtschaft nicht bald verbessert würden, drohe der sozialen Marktwirtschaft ein Erosionsprozeß, der dazu führen müsse, daß die kleinen und mittelständischen Firmen immer weniger und die großen Unternehmen zu Lasten des wirtschaftlichen und staatlichen Gefüges immer größer und mächtiger würden.

    Karl Josef Denzer (SPD) erinnerte daran, daß die vom ehemaligen Finanzminister Halstenberg (SPD) für Anfang der achtziger Jahre angekündigte Konsolidierung des Landeshaushalts erst mit dem zur Beratung anstehenden Haushalt in Angriff genommen werden könne. Die drastische Zurücknahme der Verschuldung der öffentlichen Haushalte Anfang 1977 habe zu einem Konjunktureinbruch geführt, der dann im Herbst 1977 für NRW einen Nachtragshaushalt notwendig machte. "Im Zuge dieses Nachtragshaushalts wurde die Nettokreditermächtigung um knapp zwei Milliarden auf über fünf Milliarden DM angehoben", sagte Denzer. Alle Sachverständigen seien damals der Meinung gewesen, daß die öffentlichen Haushalte zu drastisch konsolidiert worden seien.
    Diese Rückführung der zunächst antizyklischen Haushaltspolitik habe zu einem Zeitpunkt stattgefunden, als die selbsttragenden Aufschwungkräfte in der Wirtschaft noch nicht stark genug gewesen seien. "Diese Erfahrungen haben uns gelehrt, daß ein Abbau der öffentlichen Verschuldung nur behutsam vorgenommen werden darf, soll es nicht erneut zu Konjunktureinbrüchen kommen", sagte der Abgeordnete.

    Der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion vertrat die Auffassung, das "Defizit-Spending" der Haushaltspolitik der vergangenen Jahre habe sich auch 1979 gelohnt. Weitere konjunkturelle Indikatoren seien die erheblich gestiegene Nachfrage durch die Investitionstätigkeit der Unternehmen. Das gelte insbesondere für den Bereich der Ausrüstungsinvestition. Die Ertragslage der Unternehmen habe sich nachhaltig verbessert. Die Kapazitäten in der Industrie seien nahezu vollständig ausgelastet. Die Situation auf dem Baumarkt schließlich habe ein Ausmaß erreicht, dem von seiten der öffentlichen Auftraggeber bereits gegengesteuert werden müsse, um überproportionale Preissteigerungen nicht weiter anzuheizen.
    Denzer nahm seine Aussagen als Beleg, wie richtig die Haushaltspolitik der vergangenen Jahre im Land gewesen sei. "Die Opposition muß sich fragen lassen, wo die Wirtschaft unseres Landes heute stünde, wäre die Landesregierung den schwarzmalerischen und überdies widersprüchlichen Empfehlungen der Opposition anläßlich der Haushaltsdebatten der vergangenen Jahre gefolgt", betonte der Politiker. Nach seinen Worten knüpft der Haushalt 1980 an eine erfolgreiche Politik an.

    Zum Ruhrprogramm erklärte der Abgeordnete, die Hilfen für das Ruhrgebiet seien letztlich Hilfen für das ganze Land Nordrhein-Westfalen. "Sie werden auch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik positiv beeinflussen", folgerte der SPD-Sprecher.
    Gegenüber der Opposition äußerte er die Bitte, das Aktionsprogramm für das Ruhrgebiet nicht in Zweifel zu ziehen, damit der Umfang der Bundeshilfe für das Land NRW nicht geschmälert werde. Dem Vorwurf der Opposition, die Landesregierung habe in den vergangenen Jahren Schulden gemacht, ohne dafür meßbare Leistungen für die Bürger des Landes erbracht zu haben, begegnete Denzer mit Zahlen über Investitionen.
    Nach seinen Angaben wurden von 1975 bis 1979 Investitionen in Höhe von 5,7 Milliarden für Straßenbau, 3 Milliarden für Städtebau und gleich viel für Schulbau, 2,5 Milliarden für öffentlichen Nahverkehr, 0,82 Milliarden für Kindergärten und 3,9 Milliarden für Wasserwirtschaft und Agrarstruktur möglich.
    Der Politiker betonte, für die SPD habe die Politik immer unter den Leitlinien der Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, sicherer Energieversorgung, des Schutzes und der Verbesserung der Umwelt, des Ausbaus einer humanen Gesellschaft sowie der Chancengleichheit für junge Bürger gestanden.

    Wolfram Dorn (F.D.P.) erklärte an die Opposition gewandt: "Wenn ich dem, was Herr Dr. Schwefer als Tenor seiner Rede vorgetragen hat, folge, kann ich nur feststellen: Dieses Land ist arm, dieses Land ist verschuldet. Den Menschen geht es schlecht. Wer weiß, wie lange wir eigentlich noch leben."
    Man müsse sich nach der Rede von Herrn Dr. Schwefer die Frage stellen, ob es sich für die Menschen in Nordrhein-Westfalen überhaupt noch lohne, hier länger zu leben, "oder sollen wir nicht gleich alle auswandern?".
    Der Abgeordnete beantwortete seine eigene Frage mit dem Hinweis auf das von den Bürgern bei den Banken und Sparkassen des Landes angelegte Geld und die Landes- und Bundesanleihen, die schon ein oder zwei Tage nach ihrer Auflage vergriffen seien. "Das Vertrauen der Bürger zu den Regierenden, darüber gibt es doch gar keinen Zweifel, und in die Solidität der Landesregierung ist vorhanden", meinte Dorn.
    Dem Finanzminister bescheinigte der Abgeordnete, die Liberalen seien der Meinung, daß es sich bei der Vorlage um einen grundsoliden Haushalt handele, daß die Steigerungsrate von 5,4 Prozent sowieso niedriger als 1979 - einen zaghaften, aber immerhin sichtbaren Konsolidierungsbeginn der Finanzen weiter in die Erinnerung bringe und realisiere.
    Zu den Personalausgaben meinte der finanzpolitische Sprecher der F.D.P., es gebe keinen Zweifel, daß an die Obergrenze des "möglich Machbaren" gestoßen werde. "Wir stellen 1980 wieder 3214 Lehrer ein", sagte der Politiker. Er gab zu bedenken, "ob wir alle Lehrer einstellen und damit Gefahr laufen in den nächsten Jahren auch diejenigen Lehrer nicht mehr einstellen zu können, die ihre Examina besonders qualifiziert abgeschlossen haben".
    Ein besonderes Problem in der Frage der Entwicklung und Erweiterung der Finanzen sah Dorn in den vom Haushaltsausschuß beschlossenen Verpflichtungsermächtigungen.
    "Wir sehen hier Entscheidungseinschränkungen für die kommenden Jahre, die uns in manchen Bereichen mit Sorge erfüllen, weil sie nämlich nicht mehr auf flexible und notwendige Veränderungen Reaktionen zulassen, die wünschenswert wären."
    Der Politiker befürchtete auch durch eine Ausdehnung der Verpflichtungsermächtigungen "die Gefahr der Einschränkung der Rechte des Parlaments für die nächsten zwei Legislaturperioden".

    Finanzminister Dr. Diether Posser (SPD) erklärte zu dem Vorwurf der CDU, die Finanzpolitik des Landes sei ein Desaster: "Sie haben ja ganz fleißig dazu beigetragen, daß wir Schulden gemacht haben, oder Sie waren noch mit weitergehenden Anträgen über das hinaus, was wir zur Erfüllung der Staatsaufgaben für notwendig gehalten haben, in den Debatten beteiligt." Zur Kreditaufnahme und Verschuldung sagte der Minister, die ökonomische und rechtliche Bezugsgröße für die Schuldenaufnahme seien die Investitionen.
    Die ökonomische Zulässigkeit der Kreditfinanzierung der Investitionen sei dadurch gerechtfertigt, daß öffentliche Investitionen einen über mehrere Legislaturperioden wirksamen Nutzungseffekt hätten und Kredite einen über mehrere Legislaturperioden wirksamen Belastungseffekt.
    Posser folgerte, in NRW seien die Kreditaufnahmen stets deutlich unter der Höhe der Investitionen, das heiße der von der Verfassung gezogenen Grenze geblieben. Als Aufgabe für eine solide Finanzpolitik des Landes bezeichnete es der Minister, nicht zuviel von der Gegenwart zu verlangen und dem Vorwurf zu entgehen, zuwenig für die Zukunft zu tun.

    Dr. Hans-Ulrich Klose (CDU) hielt dem entgegen: "Wenn die Eckwerte hier lauten, 51 Milliarden DM Haushalt, zum 30. September 1979 32 Milliarden DM Verschuldung und eine Zuwachsrate von sieben Milliarden DM von Ihnen in Aussicht genommen wird, dann muß sich derjenige Bürger, der etwas nachdenkt, insbesondere aber alle, die hier sitzen - und ich bin überzeugt davon, daß sich alle dieselben Sorgen um ihre eigenen Kinder und ihre eigenen Eltern und wen auch immer machen -, sagen, daß das auf Dauer nicht gutgehen kann."

    Heinz Schleußer (SPD) erklärte zu den Problemen im Lehrerbereich, die CDU könne nicht so tun, als gebe es Patentrezepte. "Wir müssen hier auch an die einzelnen Betroffenen denken", sagte der Abgeordnete. Im Prinzip gebe es nur zwei Überlegungen, die angestellt werden könnten.
    Zum ersten, daß unter Berücksichtigung späterer Jahrgänge heute bei den Lehrern eine sehr eingeschränkte Einstellungspolitik betrieben werde. Die zweite Möglichkeit wäre, zunächst einmal weitere Junglehrer nach dem heutigen Bedarf einzustellen. "Das hat die Regierung mit den Zwei-Drittel-Lehrern gemacht", betonte Schleußer.

    Bernhard Spellerberg (CDU) äußerte die Auffassung, trotz Steuermehreinnahmen von 8,1 Prozent werde die Verschuldung des Landes rapide weiterwachsen. Es sei weiter kaum damit zu rechnen, daß künftig noch einmal Wachstumsraten einträten, die wesentlich über die für 1980 prognostizierte Höhe von 3,5 bis 4 Prozent hinausgehen würden.
    Wie die Vergangenheit gezeigt habe, könnten auch massierte staatliche Ausgabenprogramme allenfalls eine kurzfristige Belebung, aber keinen Trendwandel herbeiführen.

    Bildunterschrift:
    Kritisierte den Etatentwurf der Regierung: Dr. Theodor Schwefer (CDU).
    Foto: Tüsselmann

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt; 8200 Finanzverwaltung; 1220 Landesregierung

    ID: LI792604

  • CDU: Nur noch zwei Minister im WestLB-Verwaltungsrat.
    Organisation der Gremien soll verändert werden.
    Plenarbericht
    S. 6 in Ausgabe 26 - 29.10.1979

    Bei der Westdeutschen Landesbank soll die Organisation der Gremien verändert werden. Kernpunkt ist die Trennung der Staatsaufsicht von der Wahrnehmung der Beteiligungs- und Vermögensrechte des Landes. Dem entsprechenden CDU-Antrag stimmten alle drei Fraktionen und auch die Landesregierung am 25. Oktober im Grundsatz zu. Differenzen wurden jedoch zu dem Tempo des Verfahrens deutlich: Die CDU plädierte dafür, die Zahl der Kabinettsmitglieder im Verwaltungsrat des größten öffentlich-rechtlichen Kreditinstituts umgehend auf zwei zu reduzieren und durch qualifizierte Fachleute aus der Wirtschaft und aus Bankkreisen zu ersetzen, dagegen wandte sich die Koalition gegen übereiltes Handeln. Schnelle Teilentscheidungen lägen nicht im Interesse der WestLB.

    Dr. Theodor Schwefer (CDU) erinnerte an die Forderungen des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der die Poullain-Affäre durchleuchtet hatte, daß die Aufsichtsgremien der Landesbank anders organisiert werden sollten.
    Die Staatsaufsicht und die Wahrnehmung der Beteiligungsrechte seien voneinander zu trennen, erklärte er zur Begründung des CDU-Antrags, in dem die Landesregierung aufgefordert wird, den Entwurf für eine Novelle des Sparkassengesetzes vorzulegen. Auch aufgrund der Aussagen des ehemaligen Finanzministers Halstenberg sei der Untersuchungsausschuß zur Auffassung gelangt, daß "die Wahrnehmung beider Positionen in einer Person zu Interessenkollisionen führen könnte". Schwefer trat dafür ein, möglichst auch den Anschein einer Politisierung der WestLB zu vermeiden.

    Karl Josef Denzer (SPD) gab zu bedenken, jede Änderung einer einzelnen Bestimmung habe Folgewirkungen, "die sehr wohl bedacht sein müssen". Seine Fraktion stimme mit den Anregungen und Empfehlungen des Untersuchungsausschusses voll überein. Meinungsverschiedenheiten gebe es möglicherweise nur über den Zeitpunkt, zu dem die beantragten Änderungen vollzogen werden sollten. Die Staatsaufsicht von der Beteiligungsverwaltung zu trennen, halte er für relativ einfach. Dem Wirtschaftsminister unterliege ja bereits die Sparkassen- und Börsenaufsicht. Der Finanzminister könne weiter die Beteiligungen des Landes bei der WestLB verwalten. Allerdings bedürfen nach den Worten Denzers die, wie er meinte, komplexen Fragen, ob die Staatsaufsicht eine reine Rechtsaufsicht oder auch zum Teil eine Fachaufsicht sein soll, eingehender Überlegungen.

    Hans Koch (F.D.P.) betonte, seine Fraktion werde kein Hindernis sein, das geänderte Sparkassengesetz noch in dieser Legislaturperiode zu beschließen.
    Sollten bei einer neuen Zusammensetzung der WestLB-Gremien Fachleute statt Minister in den Verwaltungsrat entsandt werden, stelle sich "natürlich die Frage: Können diese frei schalten und walten, oder muß es mindestens im bestimmten Umfang eine Weisungsgebundenheit geben". Auf die anhaltende öffentliche Diskussion um den Konkurs des Bauriesen Beton- und Monierbau eingehend, warnte der F.D.P.-Fraktionsvorsitzende davor, "bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit nach einem Untersuchungsausschußzu rufen".
    Es sei allerhöchste Zeit, daß die Landesbank aus dem Gerede komme. "Wir machen uns ein wertvolles Instrument dieses Landes selber kaputt."

    Dr. Ottmar Pohl (CDU) vertrat die Ansicht: "Eine Stärkung der Staatsaufsicht bei gleichzeitiger Entflechtung zwischen Staatsaufsicht und Eigentümerposition tut not - und nicht eine Umwandlung der Bank in private Rechtsform. Zu der Diskussion, wer die Landesbank ins Gerede gebracht habe, meinte Pohl, alles habe damit begonnen, daß ein Grundstücksgeschäft der WestLB in London öffentlich von der Regierung gerügt und die Wiederwahl Poullains nicht verhindert worden sei.

    Finanzminister Dr. Diether Posser (SPD) teilte mit, daß für die Vorarbeiten zur Änderung des Sparkassengesetzes unter anderem eine Bestandsaufnahme in anderen Bundesländern eingeleitet worden sei. Erste Ergebnisse über die rechtlichen Konstruktionen bei den anderen Landesbanken ergäben ein "außerordentlich buntscheckiges Bild". Da eine Neuregelung in Nordrhein-Westfalen Auswirkungen auf andere Bundesländer hätte, müsse man deren Überlegungen kennen.
    Nachdrücklich wandte sich Posser gegen eine vorweggenommene Teillösung. Sie werde der Bedeutung der WestLB nicht gerecht und "könnte für dieses bedeutende und leistungsfähige Institut vermeidbare Nachteile mit sich bringen", betonte er.

    Wirtschaftsminister Dr. Horst-Ludwig Riemer (F.D.P.) äußerte sich besorgt über die seit knapp zwei Jahren anhaltende öffentliche Auseinandersetzung über die WestLB. "Wir jagen diese Bank, und sie verliert auf dem Kapitalmarkt immer mehr an Wertschätzung, mit all den Konsequenzen, die sich daraus ergeben." Schuld sei nicht die Regierung, stellte Riemer klar. ("Es sind doch andere Leute, die mit dem Koffer und der Million davongegangen sind.") Das Problem der Bank habe in einer "ganz bestimmten Person und deren Verhalten" gelegen.

    Systematik: 8400 Finanzmarkt

    ID: LI792607

  • CDU-Landtagsfraktion Nordrhein-Westfalen
    Ungeschminktes Bild der Lage.
    Aus den Fraktionen
    S. 15 in Ausgabe 19 - 24.08.1979

    Der finanzpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Dr. Theodor Schwefer, stellt zum Haushaltsentwurf fest:
    "Das ganze Dilemma jetzt 13jähriger Landespolitik von SPD/F.D.P. offenbaren die von der Landesregierung bekanntgegebenen Eckdaten des Haushaltsentwurfs für 1980.
    Bei einer Steigerungsrate des Haushalts von 5,4 Prozent, der bei einer Geldentwertung von 4,6 Prozent gerade noch die Realleistungen des Jahres 1979 auch für 1980 zu sichern vermag, muß das Land eine Nettoneuverschuldung von 7,6 Milliarden DM in Kauf nehmen. Dies geschieht bei angenommenen Steuermehreinnahmen von 8,1 Prozent und angesichts einer Wirtschaftskonjunktur, die vielerorts als überschäumend bezeichnet wird. Es rächt sich nun, daß die Landesregierung jahrelang von dem Ziel der Konsolidierung der Landesfinanzen nur gesprochen, aber in dieser Hinsicht nichts getan hat. Nicht vergessen sind die Aussagen des früheren Finanzministers Halstenberg zu Beginn dieser Legislaturperiode, als er für 1980 eine Konsolidierung der Landesfinanzen prophezeite. Wir alle werden jetzt eine Antwort auf die Frage zu geben haben, wie das Land, wenn schon nicht mittel- aber wenigstens langfristig aus dem Dilemma heraus will, wenn wir nicht vollends den Pfad der finanzpolitischen Tugend verlassen wollen. Denn immerhin müssen wir einkalkulieren, daß konjunkturell weniger günstige Jahre die Anforderungen an den Landeshaushalt auch im Hinblick auf eine antizyklische Ausgabenpolitik noch verstärken dürfte. Die Finanzprobleme des Landes werden sich aller Voraussicht nach eher verschärfen.
    Die vorgelegten Eckdaten der Landesregierung eröffnen das Feld für eine Reihe von Fragen, die demnächst zu erörtern sein werden. So ist nicht recht einzusehen, daß die Personalvermehrung der letzten Jahre mit dem Ziel einer Konsolidierung des Arbeitsmarktes betrieben worden sein soll. Stellenvermehrungen mit dieser Zielsetzung sind kaum hinnehmbar und müßten die Steuerzahler auf den Plan rufen. Schließlich ist eine solche arbeitsmarktpolitisch orientierte Finanzpolitik (Einstellungen in den öffentlichen Dienst am Bedarf vorbei) für jene Bürger nicht nachvollziehbar, die dennoch 'draußen vor der Tür' bleiben müssen. Sie ist also in sich verfehlt.
    Hinzu kommt, daß, wenn in dem Haushalt 1980 schon 523 Millionen DM für Gemeinden als Spitzenausgleich für entgangene Lohnsummensteuer enthalten sind und 423 Millionen DM Sondermittel für das Ruhrgebiet eingesetzt worden sind, dies für die Leistungen des Landes insgesamt eine exorbitant zu nennende Einschränkung für 1980 bedeutet, die sich in Anbetracht des erhöhten Schuldendienstes zukünftig noch verstärken dürfte. Die kommenden Beratungen zum Haushalt wird die Opposition dazu benutzen, um den Bürgern des Landes ein reales und ungeschminktes Bild der Lage zu vermitteln."

    ID: LI79190F

  • Bericht einstimmig gebilligt.
    Parlamentarischer Schlußstrich unter Poullain-Affäre.
    S. 1 in Ausgabe 18 - 18.06.1979

    Der Landtag hat am 13. Juni einen parlamentarischen Schlußstrich unter die Poullain-Affäre gezogen. Der vom Untersuchungsausschuß vorgelegte Abschlußbericht (Drs. 8/4557), der schwere Vorwürfe gegen den ehemaligen Chef der Westdeutschen Landesbank (WestLB), Ludwig Poullain, und Mitglieder der Landesregierung enthält, wurde einstimmig im Plenum gebilligt.
    Insbesondere Poullain sieht sich der Kritik des Untersuchungsausschusses ausgesetzt. Ausschußvorsitzender Dr. Theodor Schwefer (CDU) erklärte, das Kassieren von einer Million Mark für den Beratervertrag mit dem Konstanzer Finanzmakler Schmidt sei "nicht akzeptabel und könne nicht hingenommen werden. Zudem habe Poullain den WestLB-Kreditausschuß, als es um die Entscheidung eines Bank-Engagements in Sachen Schmidt gegangen sei, bewußt irregeführt. Dem ehemaligen Finanzminister Halstenberg wird vorgeworfen, die Wiederwahl Poullains als Vorstandsvorsitzender am 2. Mai 1977 nicht verhindert zu haben. Die PouIIain-Affäre hatte Ende 1977/Anfang 1978 monatelang die Öffentlichkeit beschäftigt, zum Rücktritt und später zur fristlosen Entlassung des WestLB-Chefs geführt. Halstenberg zog politische Konsequenzen.
    (Seite 4)

    ID: LI791802

  • Abschlußbericht des Untersuchungsausschusses: Schwere Vorwürfe gegen Poullain und Halstenberg.
    "Bewußte Irreführung" des WestLB-Kreditausschusses - "Grund zur fristlosen Kündigung".
    Plenarbericht;

    S. 4 in Ausgabe 18 - 18.06.1979

    Schweren Vorwürfen sehen sich der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Westdeutschen Landesbank, Ludwig Poullain, und Mitglieder der Landesregierung ausgesetzt. In dem vom Landtag am 13. Juni einstimmig gebilligten Abschlußbericht des zuständigen Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der die Vorgänge um die WestLB durchleuchten sollte, wird Poullains millionenschwerer Beratervertrag mit dem Konstanzer Finanzmakler Schmidt als "unsachgemäß und nicht akzeptabel" gerügt. Wie Ausschußvorsitzender Dr. Theodor Schwefer (CDU) weiter feststellte, habe Poullain bei der Behandlung des 31-Millionen-DM-Kredits für Schmidt dessen Verhaftung verschwiegen. Dies sei eine "bewußte Irreführung" des WestLB-Kreditausschusses gewesen. "Dieser Punkt gab allein einen Grund zur fristlosen Kündigung."

    Nachdrücklich trat Schwefer dem Eindruck entgegen, der Untersuchungsausschuß habe mit dieser Einschätzung die tatsächlich erfolgte fristlose Kündigung Poullains sanktioniert. Die von der Regierung und den Gremien der Landesbank angeführten Kündigungsgründe seien andere. Zu dem Beratervertrag meinte Schwefer, es sei eine Frage der "bankmäßigen Moral" und könne nicht hingenommen werden, daß Poullain von Schmidt eine Million Mark kassiert habe. Die "Hinnahme eines solchen Honorars" habe zwangsläufig Zweifel an der Lauterkeit der Bank auslösen müssen. Erschwerend komme hinzu, daß der Finanzmakler seinerseits Geschäfte auf Provisionsbasis mit der Westdeutschen Landesbank unterhalten habe.
    Dem damals für die Staatsaufsicht über die WestLB zuständigen, über die Poullain-Affäre gestürzten Finanzminister Professor Dr. Friedrich Halstenberg (SPD) bescheinigte Schwefer, daß "er objektiv nicht die Sorgfalt hat walten lassen, die notwendig war, um zu verhindern, daß Herr Poullain am 2. Dezember 1977 wiedergewählt wurde". Indirekt warnte Schwefer den früheren Minister dann, sich auch künftig in der Öffentlichkeit "zu der ganzen Problematik" zu äußern. "Wenn sich Herr Halstenberg weiter so ergießt", werde er ihm "bei bestimmter Gelegenheit dazu die passende Antwort" geben.
    Nach Angaben des Untersuchungsausschusses trifft die Behauptung von Wirtschaftsminister Dr. Horst-Ludwig Riemer (F.D.P.) nicht zu, man habe bei der Abfassung des zuerst mit Poullain am 23. Dezember 1977 geschlossenen Vergleichs "besondere Sorgfalt" walten lassen. Riemer hatte wiederholt dargelegt, der Wegfall der Geschäftsgrundlage sei "expressis verbis" aufgenommen worden. Dazu Schwefer: "Das Wort 'Geschäftsgrundlage' oder auch nur ein ähnliches Wort ist in dem Vergleich nicht zu sehen." Es sei ungewöhnlich, daß ein so schwerwiegendes Vertragswerk nicht in der Form einer schriftlichen Konzeption und Abzeichnung abgegeben worden sei, sondern "gewissermaßen im nachhinein protokollarisch durch den damaligen Vorsitzenden des Verwaltungsrates der Bank". Millionenverträge müßten in einer anderen Art und Weise abgeschlossen werden.
    Auch zu der Kündigung Poullains nahm der Ausschußvorsitzende wertend Stellung: "Es ist der Eindruck entstanden, als wenn die spätere fristlose Entlassung am 16./17. Januar 1978 auf Druck der öffentlichen Meinung hin erfolgt wäre. Das hat natürlich den Verdacht ausgelöst, als wenn die öffentliche Meinung einen solchen Druck auf die Staatsaufsicht und Gremien der Bank erzeugen könnte, daß sie möglicherweise gegen ihren eigenen Willen eine solche Maßnahme wie die fristlose Kündigung des Vorstandsvorsitzenden der Westdeutschen Landesbank vornähmen. Wir haben im Bericht zum Ausdruck gebracht, daß die Landesregierung bei ähnlichen Vorgängen alles vermeiden sollte, was auch nur den Anschein einer solchen Kombination rechtfertigen könnte. Herr Halstenberg hat als Zeuge hierzu ausgesagt, man habe Herrn Poullain einem allgemeinen politischen Wunsch entsprechend fristlos entlassen. Ich möchte im Einvernehmen mit allen Ausschußmitgliedern feststellen, daß eine solche Kündigung nicht auf allgemeinen politischen Wunsch hin erfolgt, sondern dann, wenn sie Rechtens ist."
    "Grobe Pflichtverletzung" hielt Schwefer dem ehemaligen Vorsitzenden des WestLB-Verwaltungsrates, Landesdirektor Walter Hoffmann, vor. Er habe von den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Poullain gewußt und die Verpflichtung gehabt, "dafür Sorge zu tragen, daß Herr Poullain nicht so ohne weiteres wieder zum Vorstandsvorsitzenden gewählt wurde". Auch sei es nicht in Ordnung gewesen, daß Hoffmann entgegen dem ausdrücklichen Wunsch der Staatsanwaltschaft Poullain "diskret" auf das gegen ihn schwebende Ermittlungsverfahren hingewiesen habe.
    Kritik erfuhr auch der neue WestLB-Chef, Völling. Als damaliges Vorstandsmitglied hätte er ebenso wie sein Kollege, Kuhr, obwohl sie in Kenntnis der von Poullain erhaltenen einen Million Mark gewesen seien, "nichts unternommen, um sicherzustellen, daß Herr Poullain entweder nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt wiedergewählt, daß jedenfalls die Wahl aufgeschoben wurde". Sie hätten die Entscheidungsgremien unbedingt informieren müssen.
    Innenminister Dr. Burkhard Hirsch mußte sich erneut den Vorwurf anhören, möglicherweise der Bank und damit auch dem Land geschadet zu haben, weil er als Mitglied des WestLB-Kreditausschusses nur an einer von 16 Sitzungen teilgenommen hat. Verhielten sich andere Mitglieder ähnlich, so wäre eine "ordnungsgemäße Fortführung der Bank einfach nicht mehr möglich".
    Nach Ansicht des Untersuchungsausschusses kann "die Staatsaufsicht im Grunde genommen, wenn gleichzeitig die Beteiligungsrechte durch die gleichen Regierungsmitglieder wahrgenommen werden, zu Interessenkollissionen führen". Mit dieser Frage solle sich das Parlament beschäftigen, forderte Schwefer. Die Funktion der Staatsaufsicht, für die zur Zeit Finanz- und Wirtschaftsministerium verantwortlich sind, müsse von der Wahrnehmung der Beteiligungsrechte getrennt werden. Ebenfalls nicht günstig sei die Besetzung der sechs dem Land zustehenden Positionen im WestLB-Verwaltungsrat ausschließlich durch Minister. Die Landesregierung sollte "mehr Fachkompetenz" entsenden.

    Bildunterschrift:
    Legte den Abschlußbericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses vor: Ausschußvorsitzender Dr. Theodor Schwefer (CDU).
    Foto: Tüsselmann

    Systematik: 8400 Finanzmarkt

    ID: LI791805

  • Rau zum dritten Male vor HFG-Ausschuß.
    Streit um Abschlußbericht.
    Ausschussbericht
    S. 10 in Ausgabe 17 - 11.06.1979

    Keine neuen Erkenntnisse erhielt der Parlamentarische Untersuchungsausschuß, der die Vorgänge um die inzwischen aufgelöste landeseigene Hochschulbau- und Finanzierungsgesellschaft (HFG) aufklären soll, von der dritten öffentlichen Vernehmung des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Johannes Rau (SPD). Dennoch: Die Sitzung am 1. Juni endete mit einem Eklat. Bei Stimmenthaltung des F.D.P.-Abgeordneten Reinhard Roericht lehnte der Ausschuß den CDU-Antrag ab, den abschließenden Bericht am 19. September vorzulegen.
    Die Opposition warf anschließend der SPD vor, sie wolle "den Skandal unter den Teppich kehren". Dagegen meinte SPD-Sprecher Karl Josef Denzer im Hinblick auf die bevorstehenden Kommunalwahlen am 30. September, die CDU mißbrauche den Untersuchungsausschuß "nur noch zu Wahlkampf- und Propagandazwecken". Ihr gehe es gar nicht um gründliche und sachliche Aufklärung. Die CDU konterte: Der Bericht hätte ursprünglich bereits Anfang Mai im Parlament diskutiert werden sollen. Auch der zweite Termin - die letzten Wochen vor der Sommerpause sei geplatzt, der Fahrplan erneut über den Haufen geworfen worden. Der CDU-Abgeordnete Dietmar Katzy bedauerte, daß nunmehr erst eine Beratung Ende Oktober möglich sein werde.
    Zu den Bau- und Planungspannen beim Aachener Klinikum nahm Ministerpräsident Rau 22 Minuten lang Stellung. Der Regierungschef, der aus seiner Zeit als Wissenschaftsminister berichtete, ging auf mehrere Besprechungen mit dem damaligen NRW-Finanzminister Professor Dr. Friedrich Halstenberg und "Neue Heimat"-Chef, Albert Vietor, in den Jahren 1976 und 1977 ein. Dabei habe man sich über Bauverzögerungen, Kostensteigerungen und Gewährleistungsansprüche unterhalten. In einem der Dreiergespräche sei auch eine umfangreiche Problemliste erörtert worden. Man habe sich gegenseitig versprochen, eine zügige Fertigstellung des Aachener Klinikums sicherzustellen. Auf Fragen des stellvertretenden Ausschußvorsitzenden Rolf Klein (CDU) stellte Rau Koordinationsschwierigkeiten zwischen ihm und Halstenberg entschieden in Abrede. Daß es "Ressortprobleme" gegeben habe, bestreite er jedoch nicht. Der Ministerpräsident antwortete damit auf den Vorhalt, sein Haus habe auf ein Schreiben aus dem Finanzministerium zur gemeinsamen Abstimmung von Gerätelisten in mehr als 1,5 Jahren nicht reagiert. Die fehlenden Listen seien aber, so Rau vor dem Untersuchungsausschuß, Ende 1977 in einer Sitzung der Hochschulbau- und Finanzierungsgesellschaft angesprochen worden.

    ID: LI79170B

  • Neue Heimat: Verzögerungen beim Klinikum Aachen durch Personalmangel der Landesbaubehörde Ruhr.
    Parlamentarischer Untersuchungsausschuß vernahm Vorstandsvorsitzenden.
    Ausschussbericht
    S. 10 in Ausgabe 15 - 21.05.1979

    Die Verzögerungen beim Bau des neuen Aachener Klinikums seien im wesentlichen auf personelle Unterbesetzung bei der Landesbaubehörde Ruhr, der Genehmigungsbehörde für das Großprojekt, zurückzuführen. Diese Auffassung vertrat der Vorsitzende des Vorstands der Neuen Heimat Städtebau, Albert Vietor, vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß. Bei der 44. Sitzung des Ausschusses verteidigte der Chef des Bauträgerunternehmens die Synchronbauweise, durch die nach seinen Berechnungen bis zu fünf Jahre Bauzeit und rund 200 Millionen Mark an Baukosten eingespart worden seien. Auch der Düsseldorfer Regierungspräsident Dr. Achim Rohde ging bei seiner Zeugenvernehmung vor dem Ausschuß davon aus, daß der in Aachen angewandte Grundsatz von "Planen und Bauen" mit der sich daraus ergebenden "Überlappung" richtig sei.

    Albert Vietor (57), von Beruf Kaufmann, stellte gleich zu Beginn seiner Vernehmung klar, daß ein Projekt von der Größenordnung des Aachener Klinikums erfolgreich nur mit dem Synchronbauverfahren habe in Angriff genommen werden können. Andernfalls wäre es zu erheblichen Verteuerungen gekommen. Als Beweis, daß die Planungsart richtig war, führte der Vorstandsvorsitzende aus Wedel in Holstein die geschätzte Plan- und Bauzeit für das Aachener Klinikum von zehn bis elf Jahren an. Vietor: "Das ist ein ungeheurer Erfolg." Er wies darauf hin, daß die Bauzeiten bei vergleichbaren Klinikumsneubauten in Wien 21 Jahre und in Münster 17 Jahre betrügen. Der Chef der Neuen Heimat Städtebau wandte sich gegen alle Vorwürfe, die gegen sein Unternehmen geäußert worden waren. "Nach unserer Meinung haben wir alles getan, um die Baugenehmigungsbehörde zu unterrichten", meinte Vietor. Tatsächlich seien Verzögerungen nicht auf das System, sondern auf personelle Schwierigkeiten bei der Baugenehmigungsbehörde zurückzuführen. Nur zwei von der Landesbaubehörde Ruhr abgestellte Mitarbeiter hätten nicht ausgereicht, um den Arbeitsanfall zu bewältigen. Der Vorstandssprecher des Bauträgers bemängelte weiter, daß die Listen über medizinische Geräte viel zu spät von der Technischen Hochschule Aachen abgeliefert worden seien. Das habe eine genaue Planung erschwert. Noch 1976, als das neue Klinikum eigentlich fertiggestellt sein sollte, seien drei restliche Gerätelisten eingegangen. Durch "verzögerliche Angaben" der medizinischen Fakultäten in Aachen seien die baulichen Vorkehrungen bis 1976 behindert worden. "Das Ganze hat zu Verzögerungen zwischen drei und vier Jahren geführt", erklärte Vietor. "Wir wären 1976 fertig geworden", betonte der Vorstandsvorsitzende des Hamburger Unternehmens. Nach seinen Worten wird das Klinikum Aachen zum Wintersemester 1980/81 fertiggestellt und die vollständige Inbetriebnahme 1983/84 möglich sein. Entschieden wandte Vietor sich gegen angebliche Äußerungen des Landesrechnungshofs NRW, wonach das Synchronbauverfahren gescheitert sei. Er bezeichnete diese als "nicht gerechtfertigt".
    Mit einer Überraschung wartete Vietor auf, als er dem Ausschuß unter dem Vorsitz des SPD-Abgeordneten Egbert Reinhard versicherte, die Neue Heimat habe 1973 überlegt, ob sie das Aachener Bauvorhaben nicht stillegen sollte. Sie habe es jedoch nicht getan, weil sie trotz aller Berechtigung meinte, einen solchen Schritt nicht verantworten zu können. 1976 sei das Unternehmen erneut zu der Überzeugung gekommen, daß der Vertrag gekündigt werden müsse. Das sei wiederum nicht geschehen. "Ich ärgere mich, daß wir das nicht getan haben", sagte Vietor dazu. Als Grund für das Weitermachen nannte er die "wesentliche Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit".
    Nach eingehender Diskussion und intensiver Befragung durch den CDU-Abgeordneten Rolf Klein, bei der sich Vietor in Widersprüchen verfing, versicherte der Vorstandsvorsitzende schließlich, die Neue Heimat Städtebau habe zu keinem Zeitpunkt die Landesbaubehorde Ruhr als Genehmigungsbehörde dazu bewegen wollen, auf das schriftliche Verfahren zu verzichten. Er kritisierte jedoch, daß die Kontaktierung zwischen der Baugenehmigungsbehörde und dem Bauträger nicht "an Ort und Stelle" stattfand und Anträge über Änderungen nicht sofort abgesprochen werden konnten.
    Vietor berichtete weiter, am 29. Juli 1976 habe ein Gespräch mit dem damaligen Finanzminister Prof. Friedrich Halstenberg (SPD) stattgefunden, wobei die ständigen Verzögerungen in der Zusammenarbeit mit der Hochschulbau- und Finanzierungsgesellschaft (HFG) zur Sprache gekommen seien. Bei einem weiteren Gespräch mit Halstenberg sei auch der damalige Wissenschaftsminister des Landes NRW, Johannes Rau (SPD), dabeigewesen. Der Ausschuß will den heutigen Ministerpräsidenten Rau deshalb voraussichtlich am 1. Juni ein drittes Mal in den Zeugenstand rufen.
    Der Düsseldorfer Regierungspräsident Dr. Achim Rohde berichtete vor dem Ausschuß, seine Behörde habe als Mittelinstanz am 1. Januar 1976 die Kompetenz für die Baugenehmigung von der Landesbaubehörde Ruhr übernommen. Absicht sei gewesen, "nicht die Untere Baubehörde fungieren zu lassen", sondern mit der Mittelinstanz "den Weg synchronen Bauens zu gehen". Rohde bestätigte, daß von seiner Behörde Managementprobleme übernommen worden seien. Beim "Zuständigkeitsübergang" sei der Stab der Genehmigungsbehörde auf fünf Kräfte erhöht worden.

    Systematik: 5220 Gesundheitseinrichtungen; 2800 Bauwesen

    ID: LI79150A

  • Klinikum Aachen: Hochschule beschuldigt Planungsbüro.
    Ausschussbericht
    S. 8 in Ausgabe 11 - 02.04.1979

    Der Streit um das Aachener Klinikum verschärft sich deutlich. Die Technische Hochschule Aachen hat am 23. März vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß die von der "Neuen Heimat" als Generalübernehmerin erhobenen Vorwürfe, die Hochschule trage mit ihren Sonderwünschen die Schuld an der mehrjährigen Zeitverzögerung, mit allem Nachdruck zurückgewiesen. Professor Jung, bis Ende 1977 Baubeauftragter der Medizinischen Fakultät, stellte klar, die Änderungen seien auf Fehlplanungen zurückzuführen. So habe die Einrichtung der Operationssäle unter dem dafür gültigen Standard gelegen. Die Fakultät hätte dies natürlich nicht hinnehmen können.

    Der von der "Neuen Heimat" mit der betriebsorganisatorischen Planung des Klinikums beauftragte Tübinger Krankenhausplaner Professor Riethmüller hatte zu Beginn der Zeugenvernehmung der Technischen Hochschule ein falsches Management bei den Planungsvorbereitungen angelastet. Diese Einlassung löste erhebliche Kritik aus. Sowohl von Ausschußmitgliedern als auch von Jung mußte sich Riethmüller vorhalten lassen, daß sein eigenes Planungsbüro Unterlagen nicht rechtzeitig vorgelegt und so selbst die Bauverzögerungen ausgelöst habe. Dies gehe auch aus eindringlichen Schreiben, beispielsweise des ehemaligen Finanzministers Professor Dr. Friedrich Halstenberg (SPD), hervor. "Bei vielen Sitzungen, in denen unsere Wünsche besprochen wurden", beklagte Professor Jung, "war das Büro Riethmüller überhaupt nicht anwesend." Auch der Verwaltungsdirektor des Klinikums, Dipl.-Ing. Thomas, bezeichnete die Zusammenarbeit als "nicht glücklich". Riethmüller habe seine Präsenzpflicht im Gegensatz zu der Mediplan-Gesellschaft nicht ernst genommen. Der Hochschule seien von der "Neuen Heimat" und den anderen Planern niemals ein letzter Termin für Änderungswünsche gesetzt worden. Diesen habe die Fakultät selbst auf das Jahr 1974 festgelegt. Auch sei die "Neue Heimat" niemals über die inzwischen aufgelöste nordrhein-westfälische Hochschulbau- und Finanzierungsgesellschaft (HFG) an die Hochschule mit der Aufforderung herangetreten, Umplanungen zu unterlassen. Krankenhausplaner Riethmüller verteidigte nachdrücklich die Synchronplanung (gleichzeitiges Planen und Bauen). Die Verzögerungen seien eindeutig nicht auf dieses Verfahren zurückzuführen. Die Technische Hochschule Aachen habe über kein Instrumentarium verfügt, um zu schnellen Entscheidungen zu kommen. Der ehemalige Abteilungsdirektor bei der Landesbaubehörde Ruhr, Horst Gädtke, teilte dem Untersuchungsausschuß mit, sein für die Baugenehmigungen zuständiges Haus habe anfangs Bedenken gegen die Synchronplanung gehabt, weil dieses Prinzip zu Beginn der siebziger Jahre nicht geläufig gewesen sei. Die Zweifel seien jedoch bei einem Besuch in Göttingen, wo bei dem Bau des dortigen Klinikums dasselbe Verfahren angewendet wurde, ausgeräumt worden. Nach Ansicht Gädtkes ist die Synchronplanung mit Risiken für den Bauherrn verbunden und sei als "Ausnahme" anzusehen. Sie könne nicht bei jedem beliebigen Projekt eingesetzt werden.
    Der Untersuchungsausschuß setzt seine Arbeit am 4. Mai mit der Vernehmung des Vorstandsvorsitzenden der "Neuen Heimat", Albert Vietor, fort. Noch vor der parlamentarischen Sommerpause will der Ausschuß dem Landtag seinen Abschlußbericht vorlegen.

    Systematik: 5220 Gesundheitseinrichtungen

    ID: LI79110A

  • Klinikum Aachen: Land will "Neue Heimat" verklagen.
    S. 12 in Ausgabe 9 - 19.03.1979

    Der Streit um das Klinikum Aachen wird aller Wahrscheinlichkeit nach vor Gericht fortgesetzt. Die Landesregierung schließt einen Rechtsstreit mit der "Neuen Heimat" nicht mehr aus, wie Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß am 9. März mitteilte. Bei diesem Prozeß wird es in erster Linie um die enormen Kostenüberschreitungen gehen. Das ursprünglich auf knapp 700 Millionen DM veranschlagte Projekt wird bei Fertigstellung Ende 1981 mindestens 1,5 Milliarden DM kosten.
    Ex-Finanzminister Hans Wertz (SPD) sagte als erster Zeuge aus, man habe sich vor Baubeginn der Illusion hingegeben, daß ein Generalübernehmer, die in Aachen beauftragte "Neue Heimat", das Klinikum ohne Schwierigkeiten "durchziehen" könne. Die Beauftragung eines Generalübernehmers für solche Komplexe sei damals beispiellos gewesen. Auf die Probleme während der gesamten Bauzeit eingehend, erklärte Wertz, "bei anderen Universitätsbauten mußten wir uns nicht mit so vielen Details beschäftigen". Der "Fall Aachen" sei "relativ einmalig". Bestürzung habe 1973 der neue Kontaktfenstererlaß ausgelöst. "Wir waren davon überrascht worden," Wertz meinte ironisch: "Der rasante Fortschritt auf dem Felde der Bauvorschriften hat zu einer interessanten Entwicklung geführt." Eine Änderung des Erlasses wäre aussichtslos gewesen. Er bezeichnete den Kontaktfenstererlaß, der erhebliche Umplanungen und damit Zeitverzögerungen zur Folge hatte, als "höhere Gewalt".
    Auch nach Ansicht des ehemaligen Finanzministers Professor Dr. Friedrich Halstenberg (SPD) stellte sich der neue Erlaß "außerordentlich verzögerlich" dar. Es sei jahrelang um Ausnahmen gerungen worden. Eine Änderung habe er niemals angestrebt.
    Mit dem Hinweis, er habe sich auf die Fachleute verlassen müssen, verteidigte sich der jetzige SPD-Schatzmeister gegen Vorwürfe des CDU-Abgeordneten Dietmar Katzy. Katzy hielt ihm eine Äußerung vom Herbst 1976 vor, die Alarmmeldungen über Kostenexplosion und Terminverzögerungen seien in sich zusammengefallen, die Termine könnten eingehalten werden. Katzy: "Wenige Tage später wurden Sie unterrichtet, daß die HFG die Angaben stark anzweifelt, ohne daß Sie dann Ihre Aussagen revidierten." Dazu Halstenberg: "Ein Minister kann nur sagen, was ihm seine Apparaturen berichten. Ich habe mitgeteilt, was zu diesem Zeitpunkt geprüft auf meinem Tische lag." Er habe also mit einer Fertigstellung im Jahre 1979 rechnen können. Er räumte ein, Mitte 1977 erkannt zu haben, daß Termine und Kosten nicht zu halten seien. Die Verzögerungsursachen habe man aber erst ein Jahr später in den Griff bekommen. Im Frühjahr 1977 seien die Koordinationsmängel nicht mehr ohne "Chefentscheidungen" zu lösen gewesen. "Mit dem bisherigen Verfahren war die Zeit nicht aufzuholen." Deshalb habe er die Auflösung der Hochschulbau- und Finanzierungsgesellschaft beantragt.
    Ministerpräsident Rau nahm zu der Abstimmung zwischen den Ministerien Stellung. Er meinte, daß es keinen Anlaß zur Klage gegeben habe. Rau sah in der Tatsache, daß er als Wissenschaftsminister gleichzeitig Aufsichtsratvorsitzender in der HFG war und sich damit selbst kontrollierte, keine Interessenkollision. "Ich hatte den Eindruck, daß der Landtag diese Konstruktion ausdrücklich wünschte." Zu dem Kontaktfenstererlaß sagte Rau, "er hat uns in vielen Sitzungen beschäftigt". Das Kabinett hätte den Erlaß der Regierung nicht zugunsten eines Regierungsprojekts außer Kraft setzen können. "Wir waren uns im klaren", so Rau, "daß wir die Konsequenzen zu tragen haben." Die Darstellung der "Neuen Heimat" im Untersuchungsausschuß, Regierung und HFG seien mehrmals darauf hingewiesen worden, Umplanungen seien ohne Zeitverzögerungen nur bis Ende 1973 möglich gewesen, wurden von Rau nicht bestätigt. Er sei stets von einem Zeitraum bis Ende 1974 ausgegangen.
    Staatssekretär Dr. Herbert Schnoor, Chef der Staatskanzlei, bestritt, daß das Kabinett mit der Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Überwindung der Planungsschwierigkeiten Einfluß auf die Bauaufsichtsbehörde habe nehmen wollen. Die Arbeitsgruppe sollte zwar grundsätzlich die Entscheidungen der Landesregierung unterstützen, aber nicht manipulieren.

    Bildunterschrift:
    Ex-Minister Professor Halstenberg: "Ein Minister kann nur sagen, was ihm seine Apparaturen berichten."
    Foto: Tüsselmann

    Systematik: 5220 Gesundheitseinrichtungen

    ID: LI790910

  • Poullain-Ausschuß: Finanzmakler Schmidt verweigert jede Aussage zum Beratervertrag.
    West-LB-Chef Völling kritisiert Vorstandkollegen.
    Ausschussbericht
    S. 4 in Ausgabe 25 - 06.11.1978

    Der Konstanzer Finanzmakler Franz-Josef Schmidt hat vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß jede Aussage zum Beratervertrag mit dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Westdeutschen Landesbank, Ludwig Poullain, verweigert. Poullain, der von Schmidt 1,1 Millionen DM kassierte, war Mitte Januar fristlos gekündigt worden, weil er den Bankvorstand nicht über Einzelheiten des Kautionskredits in Höhe von drei Millionen Mark (eine Million Mark Darlehen, zwei Millionen Mark Bürgschaft) für den 1976 kurzzeitig verhafteten Finanzmakler informiert haben soll. Als zweiter Zeuge am 2. November kritisierte der neue WestLB-Chef Dr. Johannes Völling zumindest indirekt seinen Vorstandskollegen Dr. Norbert Fischer. Eigenen Aussagen zufolge wußte Fischer bereits seit dem 20. Dezember 1976 von den Umständen der Kautionszahlung, verschwieg sie aber.

    Verzicht auf weitere Fragen

    Schmidt berief sich bei der Aussageverweigerung immer wieder auf das gegen ihn in Süddeutschland gerichtete Strafverfahren. Die Ausschußmitglieder erfuhren zwar, daß er Poullain zwischen 1962 und 1964 kennengelernt haben will, jedoch nicht, ob das Beratungsverhältnis anfangs unentgeltlich oder bereits entgeltlich gewesen ist. Schmidts einzige Reaktionen: Schulterzucken und Kopfschütteln. Er könne nicht das Risiko eingehen, sich ohne Unterlagen festzulegen. Der gesamte Komplex falle zudem in den Bereich der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Dr. Theodor Schwefer ("Ihre juristischen Ratgeber in Ehren, aber hören Sie auch einmal auf uns. Sie sitzen schließlich in eigener Verantwortung hier"), unterbrach nach 20 Minuten die Sitzung. Nachdem Schmidts Anwalt mit Schwefer gesprochen hatte, verzichtete der Ausschuß auf weitere Fragen zum Beratervertrag.
    Zur Kautionszahlung teilte Schmidt mit, er habe im Beisein des Haftrichters ein kurzes Telefonat mit Poullain geführt. Über den Kredit in Höhe von einer Million Mark zur Haftverschonung hätten anschließend die Anwälte mit Poullain verhandelt. Er selbst sei unmittelbar nach dem Gespräch in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Von der zusätzlichen Zwei-Millionen-Bürgschaft habe er erst später erfahren.
    Schmidt stellte energisch in Abrede, von der Westdeutschen Landesbank vier Millionen Mark an Provisionen für Kreditvermittlungen erhalten zu haben. "Die Differenz zu vier Millionen ist ganz erheblich." Derartige "Windeier" aus der Presse seien "absurd". Auch sei Poullain nicht an den Provisionszahlungen beteiligt gewesen. Nach Schmidts Angaben besteht das im Herbst 1976 abgeschlossene Kreditengagement (30,8 Millionen DM für Bauprojekte in Süddeutschland), das der WestLB-Kreditausschuß in Unkenntnis der Verhaftung und der Drei- Millionen-Kaution genehmigte, nach wie vor. Seine Grundstücksverkäufe gingen weiter. "Gerade in diesen Tagen werden größere Abschlüsse vorbereitet." Hinsichtlich der Konditionen habe die Bank keinerlei Entgegenkommen gezeigt. Die Vermögensbewertung sei "ganz normal, wie es so üblich ist", erfolgt. WestLB- Vorstandsmitglied Fischer habe jedes Grundstück einzeln geprüft beziehungsweise prüfen lassen.

    "Nachträglich akzeptiert"

    Der Chef der Westdeutschen Landesbank, Dr. Völling, schilderte vor dem Untersuchungsausschuß, wie ihn die mit einem Sondergutachten beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft "Treuarbeit" am 9. Januar 1978 darüber informiert habe, daß Poullain die erste Million Mark für die Kaution als Kreditsumme von der WestLB in Münster auf ein Konto in der Düsseldorfer Zentrale überwiesen hat. Bis dahin war in WestLB-Kreisen angenommen worden, daß diese Million aus Schmidts Privatvermögen stammte. Die Anfang des Jahres für die Staatsaufsicht zuständigen Minister Halstenberg und Riemer seien aufgrund des neuen Sachverhalts zu der Auffassung gelangt, daß die nach Poullains freiwilligem Ausscheiden Ende Dezember 1977 ursprünglich getroffene Abfindungsvereinbarung nicht mehr haltbar sei. Die Tatsache, daß Poullain die Million aus Münster angewiesen hat, sei für ihn "ein ganz erstaunlicher Vorgang" gewesen. Poullains Begründung vor dem Untersuchungsausschuß, dies sei nur geschehen, weil er sich gerade in Münster aufgehalten und die Zeit gedrängt habe, könne er, Völling, nachträglich akzeptieren. "Ich kannte sie damals nicht."

    "Durchaus nicht unüblich"

    Die Rolle von Vorstandsmitglied Fischer bei der Vergabe des Kautionskredits an Schmidt rügte Völling auf eine zunächst hypothetische Frage des stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Hans Otto Bäumer. Bäumer bat den Bankchef um Auskunft, wie er es beurteilen würde, wenn ein Vorstandsmitglied wichtige Einzelheiten einer Bürgschaftsgewährung für sich behalte. Völlings Antwort, offenbar im Glauben, Bäumer ziele auf Poullain: "Ich würde dies mißbilligen und erklären, das sei nicht im Interesse einer vertrauensvollen Zusammenarbeit." Er würde das betreffende Vorstandsmitglied veranlassen, selbst dem WestLB-Vorstand zu berichten. Für ihn, Völling, sei aber schwer vorstellbar, daß eine solche Situation auf ihn zukäme. Darauf Bäumer: "Aber Fischer hat das ja für sich behalten" und habe sich sogar noch Mitte Januar peinlich bemüht, den gesamten Vorgang im Verwaltungsrat der Landesbank nicht zu bewerten. Danach äußerte Völling die Überzeugung, daß so etwas nicht noch einmal vorkommen werde. Die Kaution habe der WestLB-Vorstand mit einem Beschluß im Jahre 1977 als sinnvoll angesehen.
    Vorstandsmitglied Vinzenz Grothgar bestätigte vor dem Ausschuß, daß er eine Bonitätserklärung für den Konstanzer Finanzmakler abgezeichnet habe. Er habe diese Erklärung als Referenzbrief angesehen und ihr keine Bedeutung beigemessen, sei aber bereits damals davon ausgegangen, daß "dieses Schreiben von Poullain kam". Daß Firmen von ihren Hausbanken Referenzbriefe verlangten, sei "durchaus nicht unüblich".

    Bildunterschrift:
    Zunächst zu keiner Aussage bereit: Der Konstanzer Finanzmakler Franz-Josef Schmidt am 2. November vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß. Schmidt hatte einen millionenschweren Beratervertrag mit dem inzwischen fristlos gekündigten ehemaligen Chef der Westdeutschen Landesbank, Ludwig Poullain, abgeschlossen. Foto: Tüsselmann

    Systematik: 8400 Finanzmarkt

    ID: LI782505

  • CDU: Hohe Verschuldung des Landes ist alarmierend Koalition wirft Opposition Schwarzmalerei vor.
    Plenarbericht
    S. 5-6 in Ausgabe 24 - 23.10.1978

    Harte Kritik an der Finanzpolitik der Landesregierung übte der CDU-Abgeordnete Dr. Theodor Schwefer zu Beginn der ersten Lesung des 48,8-Milliarden-Etats für 1979 am 19. Oktober. Der finanzpolitische Sprecher der Opposition richtete seinen Hauptangriff gegen die Verschuldung des Landes, die sich in der vorgesehenen Ermächtigung offenbare, den Kreditmarkt bis zu einem Höchstbetrag von 7,7 Milliarden DM in Anspruch nehmen zu können. "Die Verschuldensentwicklung gerät immer mehr zu einem einzigen Skandal", betonte Schwefer. Mittelfristig, bis 1982, steige die Verschuldung in Nordrhein-Westfalen auf rund 50 Milliarden DM. Das mache pro Kopf der Bevölkerung in NRW eine Belastung von rund 3000 DM aus. Der SPD-Abgeordnete Karl Josef Denzer erklärte dagegen, mit dem Etatentwurf 1979 zeige die Landesregierung, daß sie bereit sei, "der wirtschaftlich angespannten Situation mit den erforderlichen Maßnahmen zu begegnen, und daß sie solide Haushaltspolitik und aktive Konjunkturpolitik auf einen sinnvollen Nenner gebracht hat". Wolfram Dorn (F.D.P.) wies die Kritik der Opposition mit dem Hinweis auf die Erfolge der Wirtschaftspolitik zurück, die von der Landesregierung erzielt worden seien. Die wirtschaftspolitischen Zielsetzungen und Programme der Regierungskoalition hätten "entscheidende Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung gegeben". - Hier Auszüge:
    Dr. Theodor Schwefer (CDU) warf der Landesregierung vor, sie gebe "Verwalten als Politik" aus, wie der Etat'79 zeige. Neue Ideen, Antworten auf Fragen der Gegenwart und Zukunft sowie Weichenstellungen, die eine neue Richtung anzeigten, seien nicht zu erkennen. Die Probleme des Landes würden nicht gelöst; sie würden eher verschärft, wie die anwachsende Netto-Neuverschuldung des Landes um 7,7 Milliarden DM beweise. Vergebens suche man nach einem brauchbaren Hinweis, "wie die seit Jahren überfällige Konsolidierung der Landesfinanzen, die von dem ehemaligen Finanzminister Halstenberg schon 1975 und in den folgenden Jahren für 1980 angekündigt worden war, bewirkt werden soll". Schwefer vermißte, wie er betonte, "Antworten auf die Frage, wie dem bedrängten Ruhrgebiet, das an Bevölkerungsverlusten, erhöhter Arbeitslosigkeit, industrieller Monostruktur, finanzieller Auszehrung bestimmter Großstädte und an Umweltproblemen leidet, geholfen werden kann".
    Auch müsse die Frage beantwortet werden, wie das Land bei weiter nachlassenden Schülerzahlen in den achtziger Jahren das Beschäftigungsproblem bei den Lehrern lösen wolle, wenn heute bereits in einigen Schulformen Beschäftigungsquoten erreicht würden, die in einigen Jahren zu einer optimalen Lehrer/Schüler-Relation führten.
    Wenn der Finanzminister bei der Einbringung des Etats "die Konjunkturstützen der Finanzpolitik des Landes auf der Einnahmenseite begründet sieht", so mache er sich damit die von der CDU seit Jahren vertretene Auffassung zu eigen, der Staatsverbrauch müsse durch Steuerentlastung zugunsten der Privatwirtschaft eingedämmt werden. Jedoch müsse sich der Finanzminister fragen, warum er einerseits die allgemeine Konjunktur und Wirtschaftssituation auch für 1979 als gut bewerte, während er andererseits "durch eine Verschuldenspolitik sondergleichen der Konjunkturstützung das Wort redet".
    Bei der Prüfung des Haushaltsentwurfs erscheine die These des Finanzministers, der Etat sei antizyklisch angelegt, unhaltbar. Offenbar gehe es dem Minister, so der CDU-Abgeordnete, "nur um ein Alibi für die außergewöhnlich hohe Neuverschuldung des Landes, die einen traurigen Nachkriegsrekord darstellt". Wenn der Landesetat für das kommende Jahr weder auf der Ausgabenseite noch auf der Einnahmenseite konjunkturstützende Akzente setze, also keineswegs antizyklisch sei, so sei "die nächstjährige SuperVerschuldung, die in einem Jahr jeden Bürger unseres Landes mit 452 DM belastet, um so mehr alarmierend, weil der Schuldenzuwachs eindeutig rein konsumtiven Ausgaben dient". Im weiteren Verlauf bemängelte Schwefer den sinkenden Anteil der Investitionen, von denen eigentlich ein steigender Konjunkturbeitrag ausgehen sollte. Während ihrer bisher dreizehnjährigen Tätigkeit sei es der sozial-liberalen Regierung nicht gelungen, die Monostruktur in diesem Industriegebiet aufzubrechen. Überhöhte Arbeitslosigkeit sei die Folge. Auch beklagte Schwefer die ungünstige Lage der Grundstoffindustrie, und als "Skandal" wertete er, daß Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) das Ruhrgebiet, den größten industriellen Ballungsraum Europas, schon mit dem Zonenrandgebiet verglichen habe.
    Ausdrücklich erklärte der CDU-Sprecher im Namen seiner Fraktion die Bereitschaft, "an Bemühungen mitzuwirken, die vorgesehene Neuverschuldung des Jahres 1979 um 1,3 Milliarden DM zurückzuführen, um die Netto-Neuverschuldung des Jahres 1978 nicht zu überschreiten. Die CDU müsse allerdings darauf bestehen, daß die Landesregierung konkrete Einsparungspläne vorlege; die Opposition werde nicht wie in früheren Jahren "erneut in großer Zahl Sparanträge stellen, um dann der Abstimmungsmaschinerie der Koalitionsfraktionen zu erliegen". Schwefer kündigte an, die CDU werde bei den Haushaltsberatungen "kaum Anträge stellen, die zu einer Erhöhung des Haushaltsvolumens ohne entsprechende Deckung führen". Sie erwarte dies auch von den Koalitionsfraktionen.
    Kritisch setzte sich der Oppositionsabgeordnete mit dem Personaletat für das kommende Haushaltsjahr in Höhe von knapp 18 Milliarden DM auseinander. Während die Bevölkerung Nordrhein- Westfalens in der Zeit von 1976 bis 1979 von 17,686 Millionen auf 17,253 Millionen Einwohner abgesunken sein werde, würde die Zahl der Beschäftigten des Landes, Beamte, Angestellte und Arbeiter, in derselben Zeit von 311066 auf 341588 steigen. Das heiße, bei einer Abnahme von 370000 Einwohnern steige die Zahl der Staatsdiener über 30000. Überdies enthalte das Haushaltsgesetz die Möglichkeit, die Zahl der Landesbediensteten weiter zu erhöhen. Würde man diese Entwicklung bis 1990 fortschreiben, so stünde einem voraussichtlichen Bevölkerungsrückgang von 1,1 Millionen Einwohnern ein Mehr an Landesbediensteten von 100000 gegenüber. "Diese Entwicklung kann kaum so weitergehen, denn jede neue Planstelle belastet den Haushalt rund 40 Jahre, es sei denn, man würde beabsichtigen, in Zukunft frei werdende Planstellen nicht wieder zu besetzen." Dies sei aber auf absehbare Zeit nur auf Kosten der Arbeitssuchenden der kommenden Jahrgänge möglich.
    Selbstverständlich könne die Personalpolitik des Landes nicht ohne Bezug zum allgemeinen Arbeitsmarkt gestaltet werden. Es sei aber wichtig, "daran festzuhalten, daß sich der öffentliche Dienst schwerlich eignet, ohne entsprechende Bedarfsorientiertheit Arbeitskräfte einzustellen, um den Arbeitsmarkt zu entlasten". In diesem Zusammenhang bemängelte Schwefer auch, daß die Landesregierung gegenwärtig jeden Lehramtsanwärter einstelle. Damit würden vom Anfang der achtziger Jahre an ganzen Jahrgängen und damit auch den Qualifiziertesten der nachrückenden Junglehrer der Zugang zum Schuldienst verbaut. Nach einer umfassenden kritischen Analyse vieler bedeutender Etatpositionen der einzelnen Ministerien sagte Schwefer, die Zukunft des Landes könne von der CDU nicht positiv gesehen werden, "solange die Landesregierung in ihrer Statik verharrt, konzeptionslos bleibt, und Verwaltung als Politik ausgibt".
    Karl Josef Denzer (SPD) setzte sich kritisch mit den Vorwürfen der CDU auseinander. Die Opposition verfolge ständig das Ziel "den Schönheitsfehler des Machtverlustes in Bonn und Düsseldorf zu korrigieren". Anstatt aber Alternativen zur Regierungspolitik aufzuzeigen, habe der CDU-Abgeordnete Schwefer "an dieser Stelle wiederholt den Machtwechsel herbeizureden versucht". Allerdings habe sich die CDU "in ihren Prognosen und schwarzmalerischen Beschwörungen immer wieder von der Entwicklung korrigieren lassen müssen". Sie scheine diese Tatsache jedoch nicht zur Kenntnis zu nehmen.
    Zum Landeshaushalt 1979 erklärte der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, bei der Aufstellung des Etats sei eine dreifache Aufgabe zu lösen gewesen: Die Wirtschaftsentwicklung solle durch eine wohldosierte Ausgabensteigerung und Steuersenkungen abgestützt werden; ferner solle der Arbeitsmarkt durch eine bedarfsorientierte Personalstellenausweitung entlastet werden; dennoch sei das mittelfristig anzustrebende Konsolidierungsziel im Auge zu behalten. Die SPD-Fraktion sei der Auffassung, daß der vom Finanzminister eingebrachte Etatentwurf dieser dreifachen Zielsetzung entspreche.
    Zur Verschuldung des Landes erläuterte der Abgeordnete, daß die Frage, ob die Verschuldenshöhe des Landes richtig sei, auch danach beurteilt werden müsse, wie die Pro-Kopf-Verschuldung im Vergleich zu den anderen Bundesländern aussehe. Dabei gebe die Höhe der Kreditmarktverschuldung allein keine sachgemäße Information über den Grad der Verschuldung eines Landes. Vielmehr müßten die Schuldendiensthilfen einbezogen werden, da einige Länder anstelle einer vollen Darlehensgewährung die Zahlung von Schuldendiensthilfen bevorzugten. Danach liege Nordrhein-Westfalen mit 843 DM je Einwohner an zweitniedrigster Stelle vor Bayern mit 748 DM. "Sie können es also drehen und wenden, wie Sie wollen, meine verehrten Damen und Herren von der Opposition: Die Verschuldung des Landes im Jahre 1979 ist erstens gesamtwirtschaftlich notwendig, zweitens finanzpolitisch richtig, drittens im Vergleich zu den anderen Flächenländern völlig unproblematisch", unterstrich Denzer.
    Zum jetzigen Zeitpunkt dürfe bei sachlicher Auseinandersetzung nicht gesagt werden, "daß die Netto-Kreditaufnahme von 7,7 Milliarden DM unvertretbar" sei. Mit Schwarzfärberei sei es hier nicht getan. "Eine Opposition, die unseren Staat verantwortlich mitgestalten will, darf es sich einfach nicht leisten, ein solch ernstes Thema zur Stimmungsmache in der Bevölkerung zu benutzen." Ausführlich beschäftigte sich der SPD- Abgeordnete mit dem großen Block der Investitionsausgaben, der im Etat mit rund 11 Milliarden DM enthalten ist. Gegenüber dem Vorjahr sei eine Steigerung von rund 433 Millionen DM zu verzeichnen. In diesem Betrag sei die Förderung des Wohnungsbaues mit 2,67 Milliarden DM enthalten, ferner der Straßen- und Brückenbau mit 1,54 Milliarden DM und die Förderung des Krankenhausbaus mit 539 Millionen DM. 12,3 Milliarden DM erhielten die Gemeinden.
    Überdies verwies Denzer auf die Ankündigung von Ministerpräsident Rau, das Land werde durch eine bedarfsgerechte Personaleinstellung zur unmittelbaren Entlastung des Arbeitsmarktes beitragen. Die Stellenzugänge vollzögen sich fast ausschließlich in den Bereichen, die als Dienstleistungen den Bürgern unmittelbar zugute kämen. Besondere Beachtung verdienten auch die finanziellen Mittel zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit.
    Wolfram Dorn (F.D.P.) verteidigte Wirtschaftsminister Dr. Riemer gegen den CDU-Vorwurf, ein "Wirtschaftsverhinderungsminister" zu sein. In den letzten Jahren seien entscheidende Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung gerade von der Landesregierung gekommen. Die regionale Wirtschaftsförderung in Nordrhein-Westfalen habe die derzeitige Tendenzwende entscheidend beeinflußt. Allein in den letzten drei Jahren habe die NRW-Regierung mehr als 5,6 Milliarden DM für die Wirtschaftsförderung ausgegeben.
    Im finanzpolitischen Teil seiner Rede setzte sich der F.D.P.-Abgeordnete auch mit dem Bonner Steuerpaket auseinander, das von großer wirtschaftlicher Bedeutung sei. Die zusätzlichen Steuerkürzungsvorschläge der CDU/CSU bewertete Dorn dagegen als "geradezu grotesk", denn "Erhöhung der Kinderfreibeträge, Erziehungsgeld, weniger Steuern und weniger Schulden ist etwas, was es in der Praxis überhaupt nicht geben kann . Allerdings sei im Steuerbereich noch einiges zu leisten, räumte er ein und wünschte dabei der Landesregierung "etwas mehr Mut". Beispielsweise bei der Abschaffung der Mineralölsteuer. Auch müsse Nordrhein-Westfalen die Steuerverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden vorantreiben.
    Eingehend beschäftigte sich Dorn mit der Verschuldung des Landes. Wenn NRW im Ländervergleich auch einen sehr niedrigen Schuldenstand habe, so sei "die Grenze der Belastbarkeit zukünftiger Haushaltsentwicklungen nach unserer Meinung fast erreicht". Die Zinsbelastung spiele eine große Rolle für die weitere Kreditpolitik. "Auch die Frage der Rückzahlungsquoten kann dazu führen, daß manche politisch wichtigen Vorhaben von der Landesregierung und vom Parlament nicht realisiert werden können, weil die Zinsbelastung insgesamt zu hoch geworden ist." Ausdrücklich bemängelte der F.D.P.-Abgeordnete, daß kaum Vorstellungen der mittelfristigen Finanzplanung eingehalten worden seien. Die Haushaltsreste in Höhe von 2,28 Milliarden DM nannte Dorn "sehr problematisch". Sie bedeuteten in letzter Konsequenz eine Verschiebung des politischen Willens. Im Finanzausgleichsgesetz 1977 gebe es Haushaltsreste von 1,75 Milliarden DM, im Konjunkturprogramm des Vorjahres von 303 Millionen DM. Vielfach könnten Gemeinden zu spät beantragte Projekte nicht verwirklichen, weil es der Bürokratie an Flexibilität fehle.
    Bei der Personalpolitik des Landes begrüßte Dorn die seit Anfang 1977 vorgenommenen 21000 Neueinstellungen, warnte aber vor Ausuferungen. Dazu wörtlich: "Wir müssen die Grenzen, Möglichkeiten und Notwendigkeiten von Planstellenbewegungen überprüfen. Die Personalkosten sind entsprechend der Entwicklung in 1978 auch für das Jahr 1979 nach meiner Auffassung in eine Phase getreten, die uns zu großen Sorgen Anlaß gibt. Ich habe bereits in den vergangenen zwei Jahren in meinen Haushaltsreden darauf hingewiesen, daß es nicht möglich sein wird, alle Lehramtsanwärter in den Schuldienst zu übernehmen." Selbst bei einer erheblichen Verbesserung der Schüler/Lehrer- Relation müsse das Parlament davon ausgehen, daß nach Schätzungen des Kultusministeriums schon 1980 über 15300 Lehrer nicht mehr gebraucht würden. Das Land sei nicht in der Lage, das Arbeitslosenproblem zu lösen.

    Bildunterschriften:
    Dr. Theodor Schwefer (CDU): "Die außergewöhnlich hohe Neuverschuldung des Landes stellt einen traurigen Nachkriegsrekord auf." Foto: Tüsselmann

    Karl Josef Denzer (SPD): "Der Etat zeigt, daß die Landesregierung bereit ist, der wirtschaftlich angespannten Situation mit den erforderlichen Maßnahmen zu begegnen."

    Wolfram Dorn (F.D.P.): "Die wirtschaftspolitischen Programme der Landesregierung haben entscheidende Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung gegeben."

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt; 2000 Wirtschaft

    ID: LI782406

  • Poullain räumt Fehler ein - WestLB-Vorstandsmitglied Fischer: Ich fühlte mich nicht getäuscht, aber unzureichend informiert.
    Untersuchungsausschuß will Beweisaufnahme am 2. November abschließen.
    Ausschussbericht;

    S. 5-6 in Ausgabe 22 - 29.09.1978

    Möglicherweise schon am 2. November wird der Parlamentarische Untersuchungsausschuß II, der die Poullain-Affäre durchleuchtet, mit einer weiteren öffentlichen Vernehmung die Beweisaufnahme beenden. Der Abschlußbericht soll dann Anfang 1979 dem Landtag vorgelegt werden, wie bei der Sitzung am 25. September bekannt wurde. Der im Januar dieses Jahres fristlos entlassene frühere Chef der Westdeutschen Landesbank (WestLB), Dr. Ludwig Poullain, und WestLB-Vorstandsmitglied Dr. Norbert Fischer sagten zu vermuteten Widersprüchen ihrer ersten Vernehmung aus. Der Ausschuß konzentrierte sich im wesentlichen auf die Frage nach der Millionen-Kaution für den Ende 1976 verhafteten Konstanzer Finanzmakler Franz-Josef Schmidt, mit dem Poullain vier Jahre zuvor einen Beratervertrag abgeschlossen hatte. Um Schmidt wieder aus der Untersuchungshaft freizubekommen, überwies Poullain am 19. November 1976 nach übereinstimmender Darstellung von Münster aus - über ein in der Düsseldorfer WestLB-Zentrale auf den Namen Schmidt eingerichtetes Konto - eine Million DM an die Gerichtskasse. Für den zweiten Teil der Kaution, eine Bürgschaft in Höhe von zwei Millionen DM, ließ er Vorstandsmitglied Fischer gegenzeichnen. Poullain räumte ein, es sei möglich, daß er Fischer nicht sofort über die Herkunft der ersten Million unterrichtet habe.
    Dieses Verhalten erklärte Poullain vor dem Untersuchungsausschuß mit den Dimensionen seiner damaligen Tätigkeit. Zu dieser Zeit sei er "über die Ohren" mit der Hessischen Landesbank beschäftigt gewesen. Die eine Million DM sei für ihn "die Frage einer Minute" gewesen. "Ich hatte keinen Grund, Herrn Fischer irgend etwas zu verschweigen. Es war mir selbstverständlich, die Kaution zu geben." Im Interesse der WestLB, die kurz vorher einer Bauträgergesellschaft Schmidts einen 30,8-Millionen-DM-Kredit gewährt hatte, sei es ihm darum gegangen, "den Mann handlungsfähig zu erhalten, damit er verkaufen kann".
    Auf den 30,8-Millionen-DM-Kredit angesprochen, gab Poullain zu, er habe dem Kreditausschuß der Westdeutschen Landesbank bei der entscheidenden Sitzung am 22. November "absichtlich nichts gesagt" über die Verhaftung des Finanzmaklers. "Das mußte ich auf meine Kappe nehmen." Poullain: "Mir kam es darauf an, alles zu tun, um den Kredit zu retten. Der Kredit war bereits ausgezahlt. Ich wollte Ruhe in die Sache bringen." Es habe die Gefahr bestanden, daß der Kreditausschuß die Rückzahlung verlangt und damit einen Verlust von mehreren Millionen DM für die WestLB ausgelöst hätte. Nach wie vor sehe er in dem Kredit, "so wie er gebastelt ist, kein Problem". Das Engagement Schmidt sei für ihn ein Selbstgänger, die Prüfung der Sicherheiten ein "Wurmfortsatz".
    Poullain räumte ein, daß er 1972 mit dem Abschluß des Beratervertrages mit Schmidt einen Fehler begangen habe. "Damals konnte keiner voraussehen, daß er 1976 Kredite brauchen würde." Poullain vor dem Ausschuß: "Es wäre mir lieber gewesen, die kritischen Stimmen wären mir in meiner aktiven Dienstzeit um die Ohren geschlagen worden." Er wäre nach seinem Rücktritt im Dezember 1977 froh gewesen, "wenn ich das im Januar mit barem Geld hinter mich gebracht hätte. Mir lag an einer Einigung." Poullain bestritt aber, angesichts der drohenden fristlosen Kündigung einen Vergleichsvorschlag unterbreitet zu haben.
    Poullain, der zur Zeit in einem zivilrechtlichen Verfahren gegen seine fristlose Kündigung klagt, vertrat die Ansicht, daß das Gutachten der unabhängigen Prüfungsgesellschaft "Treuarbeit" seine Prozeßsituation nicht verändere. Aus dem Gutachten hatten die damals gemeinsam für die Staatsaufsicht der Bank zuständigen Minister Professor Halstenberg (SPD) und Dr. Riemer (F.D.P.) den Vorwurf abgeleitet, Poullain habe seinen Vorstandskollegen Fischer getäuscht, und die Kündigung Poullains im WestLB-Verwaltungsrat vorgeschlagen. Nach Bekanntwerden des Beratervertrages mit Schmidt war im Dezember 1977 zunächst ein Vergleich mit dem zurückgetretenen Bankchef geschlossen worden. Ausschußvorsitzender Dr. Theodor Schwefer (CDU) gab bei der Vernehmung Poullains zu erkennen, er könne aus dem "Treuarbeit"-Gutachten nicht herauslesen, daß die fristlose Kündigung gerechtfertigt sei. Der Kündigungsgrund werde dadurch "sehr schwach", daß Teile des Bankvorstandes schon eineinviertel Jahre genau über den Verlauf der Kautionsvergabe informiert gewesen seien.
    Fischer bestätigte im wesentlichen die Aussagen Poullains. Er habe sich von Poullain zwar nicht getäuscht, wohl aber unzureichend informiert gefühlt, da ihm dieser die Umstände der Kautionszahlung an Schmidt erst am 20. Dezember mitgeteilt habe. Über die Modalitäten der Kaution habe er, Fischer, der Staatsaufsicht und einige Tage später, am 16. Januar 1978, im WestLB-Verwaltungsrat, der in derselben Sitzung die fristlose Kündigung Poullains beschloß, einen exakten Bericht gegeben. Den Fragen, ob er sich getäuscht fühle, sei er damals "nachhaltig ausgewichen". "In der Rolle des nachträglich aufgebauten Kronzeugen", so Fischer vor dem Untersuchungsausschuß, "habe ich mich sehr unbehaglich gefühlt." Der 20. Dezember 1976 sei sehr wohl Gegenstand der Verhandlungen im Verwaltungsrat gewesen. Er habe versucht, den Formulierungen zu widersprechen, die von Halstenberg und Riemer als Motive der Kündigung vorgebracht worden seien. "Mir ist gesagt worden, ich könne Vorlagen der Staatsaufsicht nicht ändern." Daraufhin habe er seine Bedenken zu Protokoll gegeben.
    Nach den Worten Fischers ist es zwischen ihm und Poullain wegen der Schmidt-Kaution zu keiner Auseinandersetzung gekommen. Er habe Poullain keine Vorhaltungen gemacht, es "bedurfte keiner heftigen Insistierungen". Poullains Erklärung ("Das bringe ich in Ordnung") habe ihn vollständig zufriedengestellt.
    WestLB-Vorstandsmitglied Dr. Heinz Osthues, der anschließend aussagte, teilte dem Untersuchungsausschuß mit, der Bankvorstand habe im Januar 1977 bei einer Erörterung des Engagements Schmidt einen förmlichen Beschluß zu der Kautionsvergabe gefaßt. Vor der Unterrichtung des Kreditausschusses im Juni vorigen Jahres habe der Vorstand diese Entscheidung bekräftigt.
    Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses des WestLB-Verwaltungsrats, Dr. Karlheinz Gierden, bestätigte, daß der Fischer-Bericht und das Treuarbeit-Gutachten die Begründung für die fristlose Kündigung gewesen seien. Bei Fischers völlig wertfreier Darstellung habe sich zeitweise der Eindruck aufgedrängt, daß die Überweisung einer Million Mark für die Schmidt-Kaution "in der Nähe der Täuschung war".
    Die Tatsache, daß Poullain für den 30,8-Millionen-DM-Kredit das Privatvermögen von Schmidt selbst geprüft hat, bezeichnete Gierden als nicht ungewöhnlich. Kritisch zu bewerten sei aber, daß Poullain dem Kreditausschuß die Verhaftung des Finanzmaklers verschwiegen habe.

    Bildunterschriften:
    Vor der Vernehmung: Der frühere Vorstandsvorsitzende der Westdeutschen Landesbank Dr. Ludwig Poullain (links), und WestLB-Vorstandsmitglied Dr. Norbert Fischer.
    Der Untersuchungsausschuß will am 2. November die Beweisaufnahme abschließen. Unser Bild zeigt (v. l.) Ausschußvorsitzenden Dr. Schwefer (CDU), F.D.P.-Fraktionsvorsitzenden Koch und stellvertretenden Ausschußvorsitzenden Bäumer (SPD).
    Als Zeugen vor dem Untersuchungsausschuß: WestLB-Vorstandsmitglied Dr. Heinz Osthues (rechts) und der Vorsitzende des Prüfungsausschusses des Verwaltungsrats der WestLB, Dr. Karlheinz Gierden.
    Fotos: Tüsselmann (3)

    Systematik: 8400 Finanzmarkt

    ID: LI782205

  • Kühn, Riemer, Halstenberg, Schnoor als Zeugen - Warum Poullains Wiederwahl nicht verhindert wurde.
    Ausschussbericht;

    S. 9-10 in Ausgabe 18 - 04.07.1978

    Die Frage, wieso die Wiederwahl des eineinhalb Monate später fristlos gekündigten ehemaligen WestLB-Chefs Ludwig Poullain von der Landesregierung nicht verhindert wurde, stand im Mittelpunkt der Vernehmung prominenter Zeugen vor dem Untersuchungsausschuß des Landtags am 26. Juni. Ministerpräsident Kühn, sein Stellvertreter Dr. Riemer, der im Zusammenhang mit der Poullain-Affäre zurückgetretene ehemalige Finanzminister Prof. Dr. Halstenberg und der Chef der Staatskanzlei, Dr. Schnoor, sagten in der siebenstündigen Sitzung zu dem Fall aus, der um die Jahreswende 1977/78 großen politischen Wirbel ausgelöst hatte. Auch die Vorgeschichte der fristlosen Kündigung Poullains am 16. Januar 1978 spielte bei den Vernehmungen eine Rolle. - Der Ausschuß, der die Affäre untersucht, wird im September einzelne Zeugen gegenüberstellen und auch den Konstanzer Finanzmakler Franz-Josef Schmidt, mit dem Poullain einen Beratervertrag hatte, vernehmen.
    Als erster Zeuge nahm es Ministerpräsident Heinz Kühn auf seinen Eid, daß er vor dem 2. Dezember von der an diesem Tag erfolgten Wiederwahl Poullains nichts gewußt habe. Hätte er es gewußt, hätte er sich "aus Gründen der Vorsicht" dafür eingesetzt, über die Neubestellung Poullains erst nach Vorliegen des strafrechtlichen Ermittlungsergebnisses zu entscheiden. Ohne dieses Wissen habe jedoch die Tatsache, daß er die "Randinformation" durch Justizminister Diether Posser am 9. November im Landtag vergessen habe, kein Gewicht. Er habe dieser Information damals keine dramatische Bedeutung beigemessen, habe Posser aber gebeten, ihn sofort über das Ermittlungsergebnis zu informieren. Außerdem habe der damalige Justizminister ihm ja ausdrücklich gesagt, er solle die Information angesichts der Empfindlichkeit des Bankinstituts sofort wieder vergessen. "Dies ist mir gelungen", fügte Kühn hinzu.
    Das Verhalten seines damaligen Finanzministers Halstenberg erklärte sich Kühn so, daß dieser auch nicht mehr als die Tatsache des Ermittlungsverfahrens gewußt und dies nicht für so wichtig gehalten habe. Er selbst habe jedenfalls keine Veranlassung gehabt, die beiden für die Staatsaufsicht über die WestLB zuständigen Minister (Halstenberg und Riemer) über die Mitteilung Possers in Kenntnis zu setzen. "Ich habe keine Tatsache gekannt, die mich zu einer solchen Intervention hätte veranlassen können."
    Als im Laufe des Dezember Posser im Kabinett über den neuen Stand des Ermittlungsverfahrens berichtete, was zum Rücktritt Poullains im Rahmen eines Vergleichsvertrags führte, hat dieser Vertrag den Regierungschef "insoweit interessiert, als ich das allgemeine Gefühl der Empörung geteilt habe, daß Poullain trotz Beratervertrag eine so gewaltige Summe bekommen sollte".
    Was er damals über die Umstände des Beratervertrags (eine Million DM bar, angeblich im Koffer) erfahren habe, habe ihn "alles ein bißchen an Al Capone erinnert", meinte Kühn, allgemein bescheinigte er Poullain für dessen Verhalten gegenüber der Regierung einen Stil des "aufgeklärten Absolutismus".
    Zugleich bestätigte er Poullain ein außerordentlich hohes fachliches Ansehen bei den Mitgliedern der Landesregierung. Auf Fragen erwähnte Kühn, daß er etwa ein halbes Jahr vor diesen Ereignissen vom Bundeskanzler zweimal kritisch darauf angesprochen worden sei, daß Poullain "ärgerliche wirtschaftspolitische Erklärungen" abgegeben habe. Er, Kühn, habe immer die Auffassung vertreten, "daß man so etwas aushalten muß". Das Problem Wiederwahl habe man dabei gar nicht gesehen. "Das hatte mit diesen Ereignissen gar nichts zu tun." Wenn er, Kühn, mit der Wiederwahl überhaupt beschäftigt worden wäre, hätte das ihn vielleicht zu der Überlegung veranlassen können: "Gibt es da nicht irgendeinen anderen, der unseren wirtschaftspolitischen Vorstellungen nähersteht?" Er gehe davon aus, sagte der Regierungschef, daß die Mitglieder des Bank-Verwaltungsrats die Wiederwahl Poullains als eine einfache Routine-Angelegenheit genommen haben.
    Anfang Januar habe er, Kühn, dann nicht in besonderer Weise auf die fristlose Kündigung Poullains hingewirkt, sondern das Kabinett habe nach einem Bericht Halstenbergs über "neue Umstände" diesen Beschluß gefaßt. Auch sei es der erklärte Wille der SPD-Fraktion und des SPD-Landesvorstandes gewesen, die fristlose Kündigung anzustreben.
    Der Ministerpräsident setzte sich in seiner Vernehmung für eine Überprüfung der jetzigen Organisationsform der WestLB ein. Er habe schon frühzeitig vorgeschlagen, die "Mehrfachfunktionen" von Ministern bei der Staatsaufsicht, Mitgliedschaft im Verwaltungsrat und Vermögensverwaltung zu entzerren. "Keine glückliche Situation" nannte er es, wenn ein Minister (wie im Fall von Innenminister Hirsch) nur selten an Sitzungen des WestLB-Kreditausschusses teilnimmt. Er habe aber erst davon erfahren, als es bereits Auseinandersetzungen darüber gab, und deshalb vorher nicht eingreifen können.
    Minister Riemer sagte aus, er habe von den Ermittlungen des Staatsanwalts gegen Poullain zum ersten Mal in der Kabinettssitzung am 6. Dezember vier Tage nach der Wiederwahl - gehört und damals angenommen, daß diese Information für alle Kabinettsmitglieder neu sei. Deshalb habe er auch keine Veranlassung gehabt, "auf den Tisch zu hauen", meinte Riemer auf eine Frage. Erst eine Woche später habe er im Kabinett erfahren, daß Posser und Halstenberg schon vor der Wiederwahl Poullains "etwas wußten". Riemer sagte auf Fragen: "Ich hätte es für richtiger gehalten, ich wäre informiert worden." Angesichts der politischen Bedeutung des Falles hätte er diese Information schon auf Grund der Geschäftsordnung des Kabinetts erhalten müssen. Ob er sich dann für oder gegen die Wiederwahl entschieden hätte, könne er heute nicht sagen. Jedenfalls hätte er aber die Initiative ergriffen, um eine schnelle, für die Entscheidung ausreichende Aufklärung zu schaffen.
    Der Minister bezweifelte, ob das Diskretionsgebot der ermittelnden Staatsanwaltschaft gegenüber dem Finanzministerium auch für seine, Riemers, Unterrichtung gelten konnte. Hier sei es um die Verpflichtung der Landesregierung zum Handeln oder Nichthandeln gegangen. Allerdings sei es die Frage, ob die Rechtsaufsicht beim damaligen Stand des Ermittlungsverfahrens hätte eingreifen können.
    Unter den bis dahin bekannten Umständen habe er den beim Rücktritt Poullains geschlossenen Vergleich über 2,4 Millionen DM als die für die Bank und die Gewährträger beste Lösung angesehen, sagte Riemer weiter. Erst im Januar, als durch die Sonderprüfung "neue Tatsachen" bekannt wurden (Poullain zahlte eine Million DM aus Bankmitteln auf ein Konto einer Mitarbeiterin und ließ das Geld, als Eigenmittel des Finanzmaklers Schmidt deklariert, nach Süddeutschland transferieren, um dadurch eine Kautionsbürgschaft der Bank über weitere zwei Millionen DM zu ermöglichen), sei er für die fristlose Kündigung gewesen.
    Kritisch äußerte sich Riemer darüber, daß das WestLB-Vorstandsmitglied Fischer noch Anfang Januar verschwiegen habe, daß er diese Einzelheiten schon viel länger kannte. Fischer habe nur gesagt, er fühle sich von Poullain "hereingelegt und getäuscht". Für ihn, Riemer, sei es überraschend, daß zwei Vorstandsmitglieder schon lange vor der Wiederwahl Poullains von Einzelheiten der Kautionsgewährung gewußt haben.
    Wie Riemer aussagte, hat Poullain selbst vor seiner fristlosen Kündigung einen neuen Vergleichsvorschlag gemacht, wonach die Bank auf Schadensersatzansprüche verzichten und Poullain seine Pension auch bei gerichtlicher Verurteilung behalten sollte. Dies hätte für Poullain ein riesiges Geschäft werden sollen und sei unannehmbar gewesen, meinte der Minister.
    Sein Verhalten, daß er in Kenntnis der gegen Poullain laufenden Ermittlungen dessen Wiederwahl nicht verhindert habe, begründete Minister a.D. Halstenberg vor allem damit, daß es keine strafrechtliche Handhabe gegeben habe. "Strafrechtlich war das nichts, auch heute noch nicht." Politisch habe er allerdings die Lage falsch eingeschätzt und deswegen sei er schließlich auch zurückgetreten. "Es gab einen Augenblick, wo ich nicht mehr alle Stimmen der Koalition hatte". Nach seiner Aussage war, als der Staatsanwalt im Oktober das Finanzministerium über die Ermittlungen informierte, "uns vollkommen klar, daß dieses Ding lebensgefährlich war". Er habe keineswegs geraten, dies zu vergessen ("auf Vergeßlichkeit habe ich mich in meiner politischen Laufbahn noch nie berufen"), sondern entschieden, die Sache an den zuständigen Mann weiterzugeben, nämlich dem Verwaltungsratsvorsitzenden Hoffmann (Landesdirektor in Münster). Seinen Mitarbeitern habe er untersagt, etwas zu unternehmen, wozu die Staatsaufsicht keine Verpflichtung habe. Deswegen hätten er und seine Mitarbeiter auch nicht pflichtwidrig gehandelt. Eine strafrechtliche Verknüpfung hat Halstenberg nach seinen Worten nicht erkennen können, da er lediglich die kurze Bestätigung Poullains über den Empfang von einer Million DM (aus dem Beratervertrag mit Franz-Josef Schmidt) zu Gesicht bekommen und dies für einen rechtmäßigen Leistungsaustausch gehalten habe. Er habe Poullain damals nicht für fähig gehalten, ein unerlaubtes oder diskriminierendes Geschäft zu machen. Hätte sich überdies der Vorwurf gegen Poullain später als unberechtigt erwiesen, so wäre das für die Handelnden ebenso gefährlich gewesen wie im anderen Fall.
    Nach Halstenbergs Auffassung hätte aber die Wiederwahl verhindert werden können, wenn alle redlich miteinander umgegangen wären, und wenn es einen Vertrauensverbund gegeben hätte. Er habe im November Hoffmann, der das aber offenbar nicht gehört habe, und Poullain den Hinweis gegeben, eine Verschiebung der Wiederwahl zu erwägen. Und wenn Poullain das nicht begriffen habe, "liegt eine Reaktion außerhalb bürgerlicher Sensibilitäten vor".
    Nach Halstenbergs Angaben war bis Mitte Dezember der Verdacht gegen Poullain nicht "dicht" genug, um Minister Riemer oder Ministerpräsident Kühn informieren zu müssen. Im übrigen habe er mitgehört, wie Minister Posser im November während einer Landtagssitzung den Regierungschef unterrichtete. Seinen Ministerkollegen Riemer habe er vor dem gefährlichen Wissen schonen wollen, weil dieser damit in den Präsidialausschuß der Bank hätte gehen müssen und Indiskretionen dann nicht zu vermeiden gewesen wären. Es hätte kein Konsultationsverfahren gegeben, das nicht in den Gremien der Bank gelandet wäre und zu Indiskretionen geführt hätte.
    Ohne seine eigene politische Verantwortung zu verkleinern, wolle er erreichen, daß die "Tatbeiträge" auf den Tisch kommen. So sei es der Tatbeitrag Hoffmanns gewesen, daß er dem Staatsanwalt nicht den richtigen Termin für die bevorstehende Wiederwahl Poullains genannt habe. Poullain wiederum habe gewußt, wie er von Hoffmann verehrt wurde und hätte diesem gegenüber daher eine erhöhte Loyalitätspflicht gehabt. Hoffmann habe aber immer gesagt, an der Sache sei nichts dran, und die Sache werde im Sande verlaufen. Solange er, Halstenberg, aber nicht stark genug gewesen sei, Poullain von seinem Amt zu trennen, habe er diesen Versuch unterlassen müssen, um unberechenbaren Schaden von der Bank abzuwenden.
    Halstenberg beklagte sich auch, es störe ihn, daß einzelne Mitglieder höchster Staatsüberwachungs- und Bankorgane aus der Verantwortung aussteigen wollten, obwohl die entscheidenden Beschlüsse (fristlose Kündigung) ein Gemeinschaftswerk seien. Das gelte auch für die Kabinettsdirektion. Nun würden die Fehler "auf meinen Buckel geladen". Beim Bankvorstand rügte er "Fehlverhalten" im Kreditfall Schmidt und hinsichtlich der Information der Gremien über das Verhalten Poullains. Wenn er Anfang Januar gewußt hätte, daß Vorstandsmitglieder vorher über Einzelheiten im Fall Poullain informiert waren, "wäre ich noch am selben Tag zurückgetreten".
    Der ehemalige Finanzminister sprach sich dafür aus, die Staatsaufsicht über die WestLB unpolitisch zu führen, aber zu verstärken, und dafür zu sorgen, daß der überwiegende Teil der Verwaltungsratsmitglieder ebenfalls nicht in unmittelbarer politischer Verantwortung steht. Zuvor hatte der Chef der Staatskanzlei und Mitglied im Verwaltungsrat der Bank, Staatssekretär Dr. Schnoor, ausgesagt, er habe in Unkenntnis irgendwelcher Vorwürfe gegen Poullain dessen Wiederwahl für eine Selbstverständlichkeit gehalten. "Ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, daß der Mann einen Webfehler haben könnte." Deswegen habe er auch nicht mit dem Ministerpräsidenten über die bevorstehende Wiederwahl gesprochen. Nach dem späteren Vergleich habe sich die Situation dann noch einmal völlig verändert durch den Prüfungsbericht der "Treuearbeit". Im Verwaltungsrat sei die Frage zunächst unterschiedlich bewertet worden, ob man eine fristlose Kündigung aussprechen oder eine neue Vereinbarung abschließen sollte. Schnoor erinnerte daran, daß alle politischen Kräfte, auch im Landtag, für die Entlassung gewesen seien. Die Öffentlichkeit hätte auch nicht verstanden, wenn man in Kenntnis der neuen Tatsachen einen neuerlichen Vergleich geschlossen hätte.
    Zu dem Verhältnis der Landesregierung zum Bankvorstand unter Poullain sagte Schnoor, in der Frage des Auslandsgeschäfts (Grundstückskauf in London) habe man versucht, die Regierungsvertreter unter Druck zu setzen, und versäumt, eine Einigung mit dem Gewährträger Land zu finden. So sei es ungeheuerlich und völlig unakzeptabel gewesen, daß die WestLB einen Kabinettsbeschluß vorformuliert habe.
    Bildunterschrift:
    Bei der Vernehmung vor dem Poullain-Untersuchungsausschuß des Landtags: (von links nach rechts) Ministerpräsident Heinz Kühn, Wirtschaftsminister Dr. Horst-Ludwig Riemer, Staatssekretär Dr. Herbert Schnoor und Finanzminister a. D. Professor Dr. Friedrich Halstenberg.
    Fotos: Tüsselmann

    Systematik: 1220 Landesregierung; 8400 Finanzmarkt

    ID: LI78180F

  • Minister als Zeugen: Vertrauen zu Poullain war zerstört.
    Ausschussbericht
    S. 5 in Ausgabe 16 - 16.06.1978

    Vier Landesminister, von denen drei schon zum damaligen Zeitpunkt dem Verwaltungsrat der Westdeutschen Landesbank angehörten, sagten am 12. Juni als Zeugen vor dem Untersuchungsausschuß II aus, der die "Poullain-Affäre" durchleuchtet. Dabei wurde deutlich, daß die Vertreter des Landes in den Aufsichtsorganen der WestLB die im Januar 1978 ausgesprochene fristlose Kündigung des Bankchefs Ludwig Poullain für unausweichlich hielten, weil - so Innenminister Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.) - das Vertrauen zu Poullain zerstört war. Hirsch nannte dies "das Entscheidende". Es sei "ein ganz unglaublicher Vorgang", daß Poullain den Verwaltungsrat nicht in vollem Umfang darüber informierte, wie er das Kreditengagement der Bank im Fall des Konstanzer Finanzmaklers Schmidt abwickelte. Hirsch: "Ich wäre nicht bereit, mit einem solchen Herrn zusammenzuarbeiten." Auch Justizminister Inge Donnepp (SPD) stellte fest: "Das Vertrauen war weg. Für mich war der Gesamtkomplex nicht tragbar." Ebenso äußerte sich Ernährungsminister Dr. Diether Deneke (SPD).

    Frau Donnepp und Deneke kreideten Poullain an, daß er nicht einmal seine zuständigen Vorstandskollegen über seinen Alleingang bei der Bereitstellung von einer Million Mark Kaution unterrichtet habe, die von Poullain als Eigenmittel des Finanzmaklers ausgewiesen wurde und zu dessen Haftverschonung verwendet werden sollte. Ausschußvorsitzender Dr. Theodor Schwefer (CDU) wies demgegenüber darauf hin, daß die Vorstandsmitglieder Dr. Fischer und Osthues nach ihren Zeugenaussagen bereits lange vor der Wiederwahl Poullains von diesem Vorgang in Einzelheiten gewußt haben. Innenminister Hirsch, der dem für den 30-Millionen-Kredit an Poullains Beratungspartner Schmidt zuständigen Kreditausschuß angehört, wurde nach den Gründen gefragt, aus denen er an 15 von 16 Kreditausschußsitzungen nicht teilgenommen habe. Hirsch sagte, nach seiner Ansicht liege die entscheidende Mitwirkungsmöglichkeit nicht im Kreditausschuß, sondern im Verwaltungsrat. Deshalb habe er von Fall zu Fall nach seinem Terminkalender entschieden, welche Terminverpflichtung für ihn wichtiger sei. Es wäre wohl auch "keine Entscheidung anders gefallen, wenn ich dabei gewesen wäre". Als er auf das Protokoll einer Kreditausschußsitzung vom Juni 1977 hingewiesen wurde, in der über die Kreditgewährung an Schmidt und dessen Verhaftung berichtet wurde, sagte der Minister: "Ich habe heute keine Erinnerung mehr, was ich damals zu dem Protokoll gedacht habe."
    Frau Donnepp, die dem Kreditausschuß ebenfalls angehört, hatte gegen das Kreditengagement Schmidt zunächst interveniert, war dann aber in der nächsten Sitzung, in der Poullain darüber berichtete, von der Kreditwürdigkeit Schmidts überzeugt worden. Auf die Frage, warum sie Minister Hirsch nicht aufgefordert habe, an dieser Sitzung teilzunehmen, sagte sie, dazu habe sie keine Veranlassung gehabt, weil es sich nach damaliger Erkenntnis um keinen außergewöhnlichen Fall gehandelt habe. Die größte Zahl der Kreditfälle laufe glatt, allerdings gebe es auch Fälle ohne Übereinstimmung oder ohne Bewilligung. Minister Deneke berichtete, es sei schon wiederholt kritisiert worden, daß - wie im Fall Schmidt - ein Kreditengagement der Bank bereits begonnen hat, bevor der Fall zur Genehmigung vor den Kreditausschuß gelangte.
    Die drei Regierungsmitglieder haben nach übereinstimmenden Aussagen zum erstenmal in der Kabinettssitzung am 6. Dezember 1977, also vier Tage nach der Wiederwahl Poullains als Vorstandsvorsitzender, von dessen Beratervertrag gehört, der dann am 22/23. Dezember zunächst zum Rücktritt Poullains im Rahmen einer hochdotierten Vergleichsvereinbarung führte.
    Deneke sagte, er habe den Vergleichsvertrag mit Poullain zunächst für sehr gut gehalten, weil er die Möglichkeit der Trennung Poullain geboten habe. Spätestens Anfang Januar habe sich jedoch sein Eindruck verdichtet, daß dieser Vertrag nicht haltbar sei, weil Poullain möglicherweise im Sinn gehabt habe, mit seinem Rücktrittsangebot Maßnahmen des Verwaltungsrats zuvorzukommen.
    Zur Wiederwahl Poullains Anfang Dezember meinte Deneke, nach seinem Eindruck hätten die Kabinettsmitglieder, die von dem Ermittlungsverfahren gegen Poullain wußten - Kühn, Posser und Halstenberg - zu diesem Zeitpunkt keine Einzelheiten gekannt. Hätte er, Deneke, damals gewußt, was Mitte Dezember durch den Bericht der ermittelnden Staatsanwaltschaft bekannt wurde, hätte er alles versucht, die Wiederwahl zu verhindern. Auf Fragen sagte Deneke, er könne keine Gewissensforschung bei sich betreiben, ob er mit dem Wissen Halstenbergs anders gehandelt hätte als dieser.
    Finanzminister Dr. Posser, damals Justizminister, schilderte noch einmal, wie er am 9. November 1977 den Ministerpräsidenten während einer Landtagssitzung in der Regierungsbank von den Ermittlungen gegen Poullain kurz unterrichtet habe. "Ich habe ihm auch etwas in der Richtung gesagt: Das kannst Du wieder vergessen." Kühn habe damals dem Sinne nach geantwortet, wenn in der Sache etwas Wichtiges geschehe, wolle er informiert werden. Auf Fragen konnte Posser nicht ausschließen, daß ein Dritter dieses Gespräch mitgehört haben könnte.

    In der Kabinettssitzung am 6. Dezember, in der es um Unstimmigkeiten zwischen der Landesregierung und den übrigen WestLB-Gewährträgern wegen des Grundstückskaufs in London ging, habe er, Posser, sich zu Wort gemeldet und von dem Ermittlungsverfahren gegen Poullain berichtet. Dies habe er getan, weil er befürchtet habe, daß bei der öffentlichen Diskussion über das London-Geschäft die strafrechtlichen Ermittlungen als "Retourkutsche" der Landesregierung gegen die Bank ausgelegt werden könnte. Weil damals noch kein greifbares Ergebnis der strafrechtlichen Ermittlungen vorlag, habe er den damaligen Finanzminister Halstenberg nicht auf etwaige Konsequenzen angesprochen, sagte Posser auf Fragen. An Wirtschaftsminister Dr. Riemer, der mit dem Finanzminister die Staatsaufsicht über die WestLB führt, sei er nicht herangetreten, weil er ja gewußt habe, daß Halstenberg, für die Staatsaufsicht federführend, von der Staatsanwaltschaft direkt informiert war. Posser, der damals keinem Aufsichtsgremium der Bank angehörte, hat nach seinen Angaben von der Wiederwahl Poullains am 2. Dezember nicht vor dem 13. Dezember erfahren, als er dem Kabinett über den Sachstand der Ermittlungen gegen Poullain berichtete.

    Bildunterschrift:
    Zeugen vor dem Poullain-Untersuchungsausschuß des Landtags: (V. I.) Landwirtschaftsminister Dr. Diether Deneke, Finanzminister Dr. Diether Posser, Justizminister Inge Donnepp und Innenminister Dr. Burkhard Hirsch.
    Foto: Tüsselmann

    Systematik: 1220 Landesregierung; 8400 Finanzmarkt

    ID: LI781608

  • Bankchef Völling vor dem Parlamentarischen Untersuchungsasschuß: WestLB-Vorstand wollte fristlose Kündigung vermeiden.
    Ausschussbericht
    S. 4 in Ausgabe 14 - 30.05.1978

    Mit der Aussage, der ehemalige WestLB-Vorstandsvorsitzende Poullain sei wenige Tage vor seiner Entlassung bereit gewesen, in einer zweiten Vergleichsvereinbarung auf die Fortzahlung seiner Bezüge zu verzichten, während die Bank auf etwaige Schadensersatzansprüche gegen ihn verzichten wollte, überraschte das Vorstandsmitglied der Westdeutschen Landesbank, Wolfgang Kuhr, den Parlamentarischen Untersuchungsausschuß II, der am 22. Mai die Zeugenvernehmungen fortsetzte. Er, Kuhr, habe nach Bekanntwerden der Absicht, Poullain fristlos zu kündigen, für den Vorstand mit Poullain verhandelt. Der ehemalige WestLB-Chef habe dieser am 13. Januar vom Bankvorstand vorgeschlagenen Lösung, die seine sofortige Pensionierung vorsah, zugestimmt.

    Der Bankvorstand sei bemüht gewesen, "die Sache möglichst schnell aus der Welt zu kriegen", begründete Kuhr den Vergleichsvorschlag. Auch Poullain "wollte Ruhe für die Bank und für sich persönlich. Er wollte sehr schnell eine Abkoppelung von der Bank vollziehen". Doch sei im Präsidialausschuß der Landesbank dieser Vergleich nicht zur Verhandlung gekommen. Kuhr: "Die Dinge waren weiter gelaufen." Die Minister Halstenberg und Riemer als Staatsaufsicht hatten mitgeteilt, daß aufgrund "neuer Sachverhalte" die fristlose Kündigung Poullains unvermeidlich sei, die der Verwaltungsrat der Bank dann am 16./17. Januar beschloß. Der jetzige Vorstandsvorsitzende Dr. Johannes Völling sagte zu diesem Vorgang als Zeuge, die Veröffentlichung dieses Kündigungsvorschlags habe ihn aus der Interessenlage der Bank heraus "betrübt". Im Verwaltungsrat habe er selbst empfohlen, nicht die fristlose Kündigung auszusprechen, sondern zu einer abgeänderten Abfindungsvereinbarung zu kommen.

    "Zum Vergleich bereit"

    Völling äußerte vor dem Untersuchungsausschuß die Befürchtung, daß der anhängige Rechtsstreit Poullains gegen die WestLB immer schärfere Formen annehmen werde. Deshalb habe er vor einigen Wochen öffentlich im Interesse der Landesbank erneut die Bereitschaft zum Vergleich erklärt. Für weitere Vereinbarungen mit Poullain als ausgeschiedenem Vorstandsmitglied sei im übrigen der Bankvorstand zuständig.
    Der jetzige WestLB-Chef und frühere Stellvertreter Poullains unterrichtete den Untersuchungsausschuß, daß er am 21. November 1977 - elf Tage vor der Wiederwahl Poullains - zum ersten Male von dem Beratervertrag und dem Besuch eines Staatsanwalts bei Poullain erfahren habe. Er, Völling, habe damals nicht erwogen, die Zulässigkeit des Beratervertrages prüfen zu lassen, da WestLB-Verwaltungsratsvorsitzender Hoffmann besser informiert gewesen sei und auch Finanzminister Halstenberg von der Existenz des Beratervertrags gewußt habe. Zu dem Beratervertrag selbst wollte sich Völling vor dem Ausschuß einer Wertung enthalten, wies aber darauf hin, daß der WestLB-Vorstand ihn später mißbilligt habe. Indirekt kritisierte Völling seinen Vorgänger mit der Feststellung, wenn eine Liste aus dem Jahre 1977 mit Nebentätigkeiten von Vorstandsmitgliedern, die an den Präsidialausschuß ging, "vollständig gewesen wäre, hätte auch der Beratervertrag drinstehen müssen".
    Wie der Zeuge Kuhr berichtete, habe ihm Poullain am 18. November den Beratervertrag mit der Bitte zu lesen gegeben, die Frage des Beamtenstatus eines WestLB-Vorstandsmitgliedes zu untersuchen. Er habe Zweifel an der Auffassung Poullains gehabt und Poullain den Rat gegeben, möglichst schnell einen im Strafrecht erfahrenen Anwalt zuzuziehen. Kuhr offenbarte dem Untersuchungsausschuß, daß er das stenografische Landtagsprotokoll der Poullain-Vernehmung gelesen habe und sich eine Kopie bei seinen Unterlagen befinde. Weitere Kopien kursierten in den Vorstandsetagen der Landesbank. Dies bestätigte Dr. Völling, der angab, er kenne Auszüge aus dem Protokoll. Sie seien ihm "in einem Aktendeckel zugestellt" worden.
    Die Bonitätserklärung für den Konstanzer Finanzmakler Schmidt interessierte den Untersuchungsausschuß in erster Linie bei der Vernehmung des WestLB-Vorstandsmitgliedes Dr. Heinz Osthues. Er unterstrich, daß der Inhalt "aus damaliger Kenntnis" richtig gewesen sei. "Die Bonität war gewährleistet." In den letzten Jahren habe die Landesbank einige Kreditengagements mit Schmidt reibungslos abgewickelt. Osthues räumte ein, wenn er von dem Beratervertrag und von der Untersuchungshaft des Finanzmaklers gewußt hätte, "hätte man relativierter, distanzierter schreiben müssen". Von der Verhaftung Schmidts habe er, Osthues, im Dezember 1976 von Poullain erfahren.
    Anders ließ sich Dr. Jürgen Brockhausen, Ministerialrat im Finanzministerium, zu dem Schmidt-Kredit ein. Das Engagement sei "in gewisser Weise auffällig" gewesen. "Es schien mir nicht völlig risikolos zu sein", und er habe "ein ungutes Gefühl gehabt". Brockhausen berichtete, von einer Quittung über eine Million Mark und einer Verbindung zu dem Kreditengagement Schmidt habe er, für die Beteiligung des Landes an der WestLB zuständig, am 15. November 1977, einen Monat nach dem Anruf des Staatsanwalts im Finanzministerium, erfahren. Man habe den Kreis der Informierten offenbar möglichst klein halten wollen.
    Leitender Ministerialrat Dr. Karl Hermanns, ständiger Vertreter des Finanzministers in den Gremien der Bank, berichtete, er sei seit dem 24. Juni 1977 mit "dem Fall" befaßt. An diesem Tage habe WestLB-Vorstandsmitglied Fischer im Kreditausschuß einen "ersten Sachstandsbericht" gegeben. Dabei sei auch über die Kaution zur Haftverschonung Schmidts gesprochen worden, aber es sei nicht die Rede davon gewesen, daß die Bank die Kaution gestellt habe. Der im Finanzministerium für die Staatsaufsicht über die WestLB zuständige Ministerialdirigent Trübe habe ihn, Hermanns, sofort nach dem Telefongespräch am 10. Oktober mit dem Bielefelder Staatsanwalt Richter über das Ermittlungsverfahren gegen Poullain informiert. Mit der Staatsaufsicht im Wirtschaftsministerium habe er aber in dieser Sache bis Ende Dezember keinen Kontakt gehabt.

    Kritik an Finanzministerium

    Diese Angabe wiederholte anschließend auch der für die Staatsaufsicht im Wirtschaftsministerium zuständige Ministerialrat Klaus Heinevetter. Von dem gesamten Poullain-Komplex habe er am 21. Dezember von Hermanns erfahren. Deutliche Kritik übte Heinevetter vor dem Ausschuß in diesem Zusammenhang an dem Finanzministerium: "Ich halte es nicht für richtig, daß unser Haus erst so spät informiert worden ist."

    Bildunterschrift:
    Als Zeugen wurden im Parlamentarischen Untersuchungsausschuß vernommen (v. I.) WestLB-Chef Dr. Johannes Völling und seine Vorstandskollegen Dr. Heinz Osthues und Wolfgang Kuhr.
    Foto: Tüsselmann

    Systematik: 8400 Finanzmarkt

    ID: LI781406

  • Fischer: Poullain zahlte Millionen-Kaution im Alleingang.
    Weitere Zeugenvernehmung vor dem Untersuchungsausschuß II.
    Ausschussbericht;

    S. 7-8 in Ausgabe 12 - 12.05.1978

    Die Umstände, unter denen der frühere WestLB-Chef Ludwig Poullain dem Konstanzer Finanzmakler Franz-Josef Schmidt eine Million DM aus Bankmitteln als Kaution für dessen Haftverschonung zukommen ließ, standen im Mittelpunkt weiterer Zeugenvernehmungen vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß II des Landtags am 8. Mai. Nach Aussagen des WestLB-Vorstandsmitglieds Dr. Norbert Fischer zu diesem Punkt stellte Ausschußvorsitzender Dr. Theodor Schwefer (CDU) fest, es gebe nun völlig konträre Angaben darüber, ob Poullain, wie er behauptet habe, diese Transaktion in Absprache mit einem weiteren Vorstandsmitglied vorgenommen habe oder nicht. Fischer erklärte vor dem Ausschuß, Poullain habe ihm gesagt, Schmidt zahle die eine Million bar. Das sei zwar formal richtig gewesen, jedoch habe Poullain nicht gesagt, daß Schmidt die Million, die er zur Erlangung einer Kreditbürgschaft der Bank über weitere zwei Millionen als Eigenmittel benötigte, vorher von der Westdeutschen Landesbank erhalten habe. Das Geld sei von der WestLB in Münster überwiesen worden, so daß er, Fischer, dies in Düsseldorf nicht habe bemerken können. Diese Geldtransaktion, die im Januar 1978 bekannt wurde, führte zur Entlassung Poullains. Vier Wochen vorher war Poullain wegen eines Beratervertrags, für den er von Schmidt 1,1 Millionen DM erhalten hatte, im Wege einer Vergleichsvereinbarung mit erheblichen finanziellen Zusicherungen freiwillig zurückgetreten.
    Im Gegensatz zu Poullain bezeichnete Dr. Fischer bei seiner Vernehmung Beraterverträge als nicht zulässig. Es sei die übereinstimmende Meinung aller WestLB-Vorstandsmitglieder, daß nach einem ungeschriebenen Gesetz die heimliche Entgegennahme von Geld unzulässig sei. Solche Beraterverträge hätten mit banküblichen Nebentätigkeiten, die im übrigen eines einstimmigen Vorstandsbeschlusses bedürften und meldepflichtig seien gegenüber der Landeszentralbank und dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, nichts zu tun. Er, Fischer, glaube auch nicht, daß die beiden anderen Vorstandsmitglieder, wie von Poullain behauptet, den vollen Umfang von dessen Beraterverhältnis zu Schmidt gewußt hätten. Er wisse nur vom Hörensagen, daß Poullain, "als der Staatsanwalt ihm im Nacken saß", in der Bank abstrakt die Frage habe prüfen lassen, ob ein Vorstandsmitglied unter das Beamtenrecht falle.
    Das Engagement der Landesbank für den Konstanzer Finanzmakler beurteilte Fischer als "sehr schwierig", da die Sicherheiten für den von der Bank gewährten 30,8 Millionen-DM-Kredit nicht ausgereicht hätten. In "seiner unheimlich flotten Art" habe Poullain eine Reihe von Zusagen gegeben und gesagt, Schmidt sei für diese Größenordnung "unbedenklich gut". Er, Poullain, habe alles geprüft. Dies sei ungewöhnlich, aber keine Unregelmäßigkeit, räumte Fischer ein. Auch daß der Kredit bereits ausgezahlt war, bevor der Kreditausschuß der Bank darüber entschieden hatte, bezeichnete Fischer als "manchmal unvermeidlich" aus geschäftlichen Gründen. Die kurze Zeitspanne von einem Tag zwischen der Auszahlung dieses Kredits und der ersten Beratung darüber im Kreditausschuß (30. September beziehungsweise 1. Oktober 1976) konnte Fischer nur damit erklären, daß ein Mitarbeiter auf Weisung gehandelt habe. Als im Kreditausschuß Schwierigkeiten wegen dieses Engagements zu befürchten gewesen seien - die Entscheidung wurde dann auch auf einen späteren Termin vertagt -, habe Poullain entgegen seiner Zusage den Kreditfall Schmidt nicht selbst vorgetragen, sondern sei "entflogen". In der nächsten Kreditausschußsitzung habe Poullain dann einige Zahlen genannt und "binnen zwei oder drei Minuten" die Zustimmung erhalten. Er, Fischer, habe danach "an der Gerechtigkeit der Welt einige Zweifel gehabt".
    Dr. Fischer sagte weiter aus, Poullain müsse, wie sich bei der Sonderprüfung herausgestellt habe, von der Verhaftung Schmidts, der in Süddeutschland des Betrugs, der Anstiftung zur Untreue und der Bestechung angeschuldigt wurde, gewußt haben, bevor er im Kreditausschuß seine Bonitätserklärung für Schmidt abgegeben habe. Bereits am 19. November 1976, also drei Tage vor der Entscheidung des Kreditausschusses, habe Poullain die Millionen-Kaution aus Bankmitteln überwiesen. Er, Fischer, habe die Tatsache der Verhaftung Schmidts erst am 24. November erfahren. Zu dieser Zeit sei ihm bei Poullain eine "ungewohnte Lähmung" aufgefallen, weshalb er sich selbst intensiv um den Fall gekümmert habe. Bis Ende 1977, als der Beratervertrag Poullains bekannt wurde, habe er das Gefühl gehabt, daß der Kreditfall Schmidt trotz allem positiv "abgehakt" werden könne. Auf Befragen sagte Fischer, er selbst hätte die 1-Million-DM-Kaution aus Bankmitteln mindestens in die Entscheidung des Bankvorstands gestellt.
    Die Präsidenten des Rheinischen und des Westfälischen Sparkassen- und Giroverbandes, Friedel Neuberund Dr. Helmut Keßler, sagten als weitere Zeugen übereinstimmend aus, der Kreditausschuß sei nicht ausreichend über den Kreditfall Schmidt informiert gewesen. Für die Entscheidung hätten wichtige Hinweise über die Kreditwürdigkeit Schmidts gefehlt, so Keßler. Auch habe der Ausschuß nicht gewußt, daß die 30,8 Millionen Mark bereits einen Tag vor der Sitzung ausgezahlt worden sind. Zudem sei der Kreditausschuß erstmals am 24. Juni 1977 durch Fischer unterrichtet worden, daß sich Schmidt in Haft befunden habe.
    Alle Zeugen gaben übereinstimmend an, daß sie von dem Beratervertrag Poullains erst unmittelbar vor dessen Rücktritt drei Wochen nach seiner Wiederwahl zum Vorstandsvorsitzenden - erfahren hätten. Neuber sagte, vorher habe es lediglich Gerüchte gegeben, daß gegen Poullain etwas schwebe. Neuber bestätigte, daß in der Abfindungsvereinbarung mit Poullain vom 23. Dezember 1977 "expressis verbis" keine Geschäftsgrundlagenklausel enthalten gewesen sei. Bei der Formulierung des Vergleichs sei aber darüber gesprochen worden, daß der Bericht der Staatsanwaltschaft vom 16. Dezember die Grundlage sei. Er könne sich allerdings nicht erinnern, ob Poullain dabei zugegen gewesen sei.
    Nach den Worten Keßlers gab es für die Vertreter der Gewährträger, die den Vertrag mit Poullain aushandelten, keinen Zweifel, daß der Vergleich hinfällig würde, wenn weitere belastende Tatsachen, zum Beispiel infolge der inzwischen von der Staatsaufsicht veranlaßten Sonderprüfung, bekannt würden. Im Vertrag direkt genannt als "auflösende Bedingung" war lediglich eine strafrechtliche Verurteilung Poullains. Die Kritik an der juristischen Formulierung der Vereinbarung ist nach Ansicht Keßlers berechtigt. Auf die Frage, zu welchem Zweck plötzlich im Januar ausdrücklich vom Wegfall der Geschäftsgrundlage die Rede gewesen sei, sagte Keßler, dies habe in einem Vorlageentwurf gestanden, der auf Anregung der Staatsaufsicht entstanden sei. Auch der Direktor des Landschaftsver- bandes Rheinland, Dr. Helmut Czischke, betonte im Zeugenstand, die Vertreter der Gewährträger seien sich bei Abschluß der Vergleichsvereinbarung klar darüber gewesen, daß alle weiteren neuen Tatsachen den Wegfall der Geschäftsgrundlage bedeuten sollten. Er nehme mit ziemlicher Sicherheit an, daß dies auch Poullain bekannt gewesen sei. Die Frage, ob der Präsidialausschuß der Bank für die Rücktrittsvereinbarung mit Poullain überhaupt zuständig gewesen ist, wurde von Juristen offenbar unterschiedlich beurteilt. Erhebliche Zweifel daran seien, so Neuber, erst später aufgekommen und von den Juristen der Sparkassenorganisationen bestätigt worden.
    Keßler unterstrich, daß der Bank aus dem Kreditengagement Schmidt bisher kein Schaden entstanden sei. Die Kaution von einer Million Mark sei zurückgezahlt, die Kautionsbürgschaft von zwei Millionen Mark nicht in Anspruch genommen worden. Die Tatsache, daß eine Wertberichtigung in Höhe von 13 Millionen DM vorgenommen worden sei, bedeute nicht, daß dieses Geld verlorengegangen sei. Zur Frage etwaiger Schadensersatzansprüche sagte Neuber, das sei noch nicht geprüft worden, weil derartiges nicht anstehe.
    Zu der Doppelfunktion von Ministern als Staatsaufsicht und als Vertreter des Landes als Miteigentümer in den Gremien der Bank sagte WestLB-Vorstandsmitglied Dr. Fischer auf Befragen, nach seiner Ansicht bedürfe es keiner schnellen Änderung, um etwaiges Unheil zu verhüten. "Im Grunde sind die Dinge bei uns in Ordnung." Allerdings habe der damalige Finanzminister Halstenberg die Staatsaufsicht "zu sehr in den Vordergrund" gestellt. Auch Neuber berichtete, Poullain habe immer erklärt, daß er den Eindruck habe, der Druck der Staatsaufsicht auf die Bank werde ständig stärker.
    Auch die drei Arbeitnehmervertreter im Präsidialausschuß der WestLB wurden als Zeugen gehört. Ernst Urban von der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, Karl Piontkowski und Dr. Hans-Joachim Korves beklagten sich übereinstimmend darüber, daß sie von Halstenberg unzureichend informiert und stiefmütterlich behandelt worden seien. So habe ihnen Halstenberg mit dem Hinweis, daß er in seiner Funktion als Staatsaufsicht lediglich die Vertreter der Eigentümer zu den Vergleichsverhandlungen mit Poullain eingeladen habe, Informationen verweigert. Den Vermerk des ermittelnden Staatsanwalts, der die Grundlage für die Vereinbarung war, hätten sie erst Anfang Januar zu Gesicht bekommen. Sparkassenpräsident Keßler nannte die Klage der Arbeitnehmervertreter über die Nichtinformierung "sehr verständlich". Er selbst hat sich bei der Information über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft über den Beratervertrag Schmidt/Poullain "in Zeitnot gefühlt". Der 20 Seiten umfassende Text sei nur für 45 Minuten ausgehändigt und dann wieder eingezogen worden.

    Auch Kühn und Halstenberg als Zeugen

    Auch Ministerpräsident Kühn, der im Zusammenhang mit der Poullain-Affäre zurückgetretene ehemalige Finanzminister Professor Halstenberg, die Landesminister Dr. Riemer, Dr. Deneke, Donnepp, Dr. Hirsch und Dr. Posser sowie der Chef der Staatskanzlei, Staatssekretär Dr. Schnoor, müssen vor dem Untersuchungsausschuß aussagen. Sie sind für den 12. bzw. 26. Juni geladen. Bereits am 22. Mai wird WestLB-Vorstandsvorsitzender Dr. Völling, der frühere Stellvertreter von Poullain, vernommen.

    Bildunterschriften:
    Vorwürfe gegen Poullain: WestLB-Vorstandsmitglied Dr. Norbert Fischer.

    Sagten vor dem Untersuchungsausschuß aus: (v. I.) der Direktor des Landschaftsverbandes Rheinland, Dr. Helmut Czischke, die Präsidenten des Rheinischen und des Westfälischen Sparkassen- und Giroverbandes, Friedel Neuber und Dr. Helmut Keßler, sowie die Arbeitnehmervertreter im WestLB-Präsidialausschuß Karl Piontkowski, Dr. Hans-Joachim Korves und Ernst Urban.
    Fotos: Tüsselmann

    Systematik: 8400 Finanzmarkt

    ID: LI78120C

  • Poullain-Affäre: Hoffmann hielt "die Sache für harmlos".
    Ausschussbericht
    S. 8, 15 in Ausgabe 11 - 28.04.1978

    Die Frage, ob man die Wiederwahl Ludwig Poullains als Chef der Westdeutschen Landesbank (WestLB) wegen des gegen ihn laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nicht zumindest hätte verschieben können, beschäftigte den Parlamentarischen Untersuchungsausschuß bei einer fünfeinhalbstündigen Zeugenvernehmung am 24. April. Im Mittelpunkt standen die Aussagen des WestLB-Verwaltungsratsvorsitzenden, des westfälischen Landesdirektors Walter Hoffmann, und des für die Staatsaufsicht über die WestLB zuständigen Ministerialdirigenten im Finanzministerium, Günter Trube. Hoffmann ließ die Wiederwahl auf fünf Jahre am 2. Dezember 1977 in Kenntnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Poullain wegen passiver Bestechung und eines richterlichen Beschlagnahmebeschlusses zu, weil er nach seinen Angaben "die Sache für harmlos" gehalten hat. Zudem habe ihm Poullain versichert, "da ist nichts dran". Trube, der bereits bei der ersten telefonischen Unterrichtung durch die Staatsanwaltschaft am 10. Oktober vorigen Jahres die "politische Brisanz" erkannte, sagte aus, mit zwei Kollegen die bevorstehende Wiederwahl diskutiert zu haben. Er habe den damaligen Finanzminister Halstenberg informiert, jedoch keinen Anlaß gesehen, ihm eine Verschiebung vorzuschlagen.

    Als erster Zeuge teilte Ministerialdirigent Trube dem Untersuchungsausschuß mit, am 10. Oktober habe ihm der Staatsanwalt Richter von der Bielefelder Schwerpunktstaatsanwaltschaft von dem Ermittlungsverfahren gegen Poullain berichtet: In Süddeutschland sei im Zusammenhang mit einer anderen Strafsache eine 1-Million-DM-Quittung Poullains gefunden worden, die Angelegenheit sehe nach Bestechung aus. Minister Halstenberg habe dann "das Verfahren in der Hand" gehabt und sich alle weiteren Anweisungen persönlich vorbehalten.
    Trube gab an, er habe sich mit dem Minister mehrmals über die Ermittlungen unterhalten, allerdings nicht über die Wiederwahl Poullains am 2. Dezember, da er für die Staatsaufsicht, nicht aber für Personalfragen der Bank zuständig sei. Hinter dem Tagesordnungspunkt Vorstandsangelegenheiten für den Verwaltungsrat habe er die Wiederwahl vermutet und "auch in unserem Bereich überlegt, wie man das lösen könnte". Man sei sich einig gewesen, daß "wir schlecht etwas unternehmen konnten". Mit einem, ebenfalls für die Staatsaufsicht zuständigen Vertreter des Wirtschaftsministeriums hat Trube nach seinen Worten nicht über die Ermittlungen gesprochen.
    Der Beamte berichtete, die Bonitätserklärung des ehemaligen WestLB-Chefs für den Konstanzer Finanzmakler Schmidt, mit dem Poullain den Beratervertrag über eine Million Mark hatte, der später zu seiner fristlosen Kündigung führte, sei von Prüfern als Täuschung bezeichnet worden. Als die WestLB 1976 beim Württembergischen Kreditverein einen Schmidt-Kredit über 31 Millionen DM ablöste, habe Poullain den Kunden für "gut" erklärt, "obwohl er nicht so gut dastand, wie angegeben". Die wegen dieser Unregelmäßigkeit mit einer Sonderprüfung beauftragte "Treuarbeit" werde Anfang Mai ihren Bericht vorlegen.

    Der mit den Ermittlungen gegen Poullain beauftragte Staatsanwalt Ulf Richter erklärte vor dem Ausschuß, in dem Gespräch mit Trube am 10. Oktober sei, ohne daß er nähere Einzelheiten angeführt habe, überraschenderweise von Trube die Frage gekommen: "Hängt das zusammen mit einem Herrn Schmidt?" Nach dieser Einlassung Richters kam im Ausschuß die Vermutung auf, das Finanzministerium habe bereits früher als bisher bekannt von dem Beratervertrag zwischen Poullain und Schmidt gewußt. Dieser Verdacht wurde zum Schluß der Vernehmung durch eine Gegenüberstellung ausgeräumt. Dabei gab Richter an, Trube habe die Frage erst beim zweiten Gespräch, einen Tag später gestellt. Trube selbst sagte zur Erklärung, er sei bei der Suche nach Zusammenhängen auf das WestLB-Kreditengagement für Schmidt gestoßen, weil hierbei - was ungewöhnlich sei - eine Entscheidung des Kreditausschusses der Bank vertagt worden sei. Von Beziehungen Poullains zu Schmidt habe er damals nichts gewußt.
    Staatsanwalt Richter hatte nach übereinstimmenden Zeugenaussagen am 13. Oktober den WestLB-Verwaltungsratsvorsitzenden Hoffmann über das Ermittlungsverfahren gegen Poullain in Kenntnis gesetzt und ihn aus "ermittlungstaktischen Gründen" gebeten, auch gegenüber Poullain strengstes Stillschweigen zu bewahren. Jedoch bereits vier Tage später informierte Hoffmann, wie er selbst anschließend vor dem Untersuchungsausschuß aussagte, Poullain nach einer Veranstaltung in einem "Mitternachtsgespräch" spontan: "Bei mir war ein Mann, der ist Staatsanwalt, und der hat sich erkundigt, ob Sie Nebentätigkeiten ausüben dürfen und ob Sie Beamter im strafrechtlichen Sinne sind. Gibt es da etwas, was ich wissen müßte?"
    Staatsanwalt Richter wies den Ausschuß darauf hin, Trube habe ihm gesagt, daß Hoffmann der Landesbank "relativ unkritisch" gegenüberstehe und man nicht wisse, ob er Informationen weitergebe.
    Erstaunen löste Richter mit seiner Aussage aus, Trube habe ihm erklärt, Finanzminister Halstenberg wolle die Ermittlung vergessen und keinen Gebrauch davon machen.
    Von der Wiederwahl Poullains hat der Staatsanwalt, wie er vor dem Untersuchungsausschuß betonte, erst durch eine "kleine Notiz" in einer Lokalzeitung erfahren. Dabei hätte ihm Hoffmann noch kurz zuvor mitgeteilt, über die Vertragsverlängerung des Bankchefs werde erst im Jahre 1978 entschieden. Er habe geglaubt, daß man sich vor dieser Entscheidung bei ihm wenigstens nach dem neuesten Stand der Ermittlungen erkundigen würde.
    Nach Darstellung des Staatsanwalts hat Poullain bei einem von Hoffmann vermittelten Gespräch am 8. November die erforderlichen Unterlagen für die Ermittlungen zur Verfügung gestellt. Poullain sei überzeugt gewesen, im Recht zu sein, habe aber geäußert, sollte die Auffassung der Staatsanwaltschaft, er sei Beamter, richtig sein, werde er die Konsequenzen ziehen. Zu dieser juristischen Frage habe Poullain ihm inzwischen das Gutachten eines Münsteraner Rechtswissenschaftlers überreicht.

    Zentralfigur dieser zweiten öffentlichen Zeugenvernehmung war der Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Hoffmann. Von Anfang an habe er einen Beamtenstatus des Ex-Bankchefs verneint, ebenso Nebentätigkeiten entsprechend dem Anstellungsvertrag Poullain für zulässig gehalten.
    Hoffmann war in der damaligen Situation davon überzeugt gewesen, so jetzt vor dem Ausschuß, daß Poullain wegen des Beratervertrages keine Gefahr drohe. "Seien Sie unbesorgt", habe ihm Poullain gesagt. Aus dieser "Wunschantwort" habe er geschlossen: "Dies ist eine Sache, die im Sande verläuft." Auch sei er, Hoffmann, von dem Grundsatz ausgegangen: "Der Poullain macht so etwas nicht." Deshalb habe er auch Halstenberg in dem Sinne informiert, daß es nur um "einen vagen Verdacht" gehe. Im übrigen sei zuerst nur davon die Rede gewesen, daß in Süddeutschland eine Poullain-Quittung über einen sechsstelligen Betrag aufgetaucht sei. Von der Million habe er erst am 22. Dezember, dem Tag, an dem Poullain freiwillig seinen Rücktritt anbot, erfahren. Daß es sich um einen Beratervertrag handelt, habe ihm Poullain am 9. November selbst gesagt mit dem Zusatz: "Die Sache ist in Ordnung, dafür habe ich sehr viel Arbeit geleistet."

    "Niemand intervenierte gegen die Wiederwahl"

    Die bisher bekannte Version Halstenbergs, er habe in einem Dreiergespräch mit Hoffmann und Poullain am 14. November signalisiert, ob man die für den 2. Dezember datierte Wiederwahl des Bankchefs verschieben sollte, bestritt Hoffmann für seine Person. "Ich kann diese Äußerung nicht für mich bestätigen." Wenn Halstenberg einen solchen Vorschlag gemacht habe, dann könne das nur gegenüber Poullain gewesen sein. Außerdem habe er keine Hinderungsgründe gesehen, die Wiederwahl nicht wie vorgesehen stattfinden zu lassen. Am 2. Dezember sei dann Poullain mit 23 Ja-Stimmen bei drei Gegenstimmen bestätigt worden, ohne daß ein Mitglied des Verwaltungsrats gegen die Wiederwahl interveniert hätte.

    "Keine Geschäftsgrundlagenklausel expressis verbis"

    Zu der vom Präsidialausschuß der WestLB ausgehandelten Abfindungsvereinbarung mit Poullain vom 23. Dezember stellte Hoffmann fest, der Vertrag enthalte "expressis verbis" keine Geschäftsgrundlagenklausel. Die Gewährträger der Landesbank seien davon ausgegangen, daß der Beratervertrag "alles wäre, was es strafrechtlich zu klären gab". Poullains Täuschungshandlungen gegenüber seinen Vorstandskollegen seien damals nicht bekannt gewesen. Anschließend hätten die bankinternen Untersuchungen zum Kreditengagement für Schmidt zu der späteren fristlosen Kündigung Poullains geführt. Dazu Hoffmann: "Es war nicht das normale Verhalten in dieser Bank, das zu diesen bestürzenden Tatbeständen geführt hat."

    Bildunterschrift:
    Als Zeugen vor dem Poullain-Untersuchungsausschuß: (v.l.) WestLB-Verwaltungsratsvorsitzender Hoffmann, Ministerialdirigent Trube, WestLB-Vorstandsmitglied Fischer (dessen Vernehmung auf den 8. Mai verschoben wurde) und Staatsanwalt Richter.
    Foto: Tüsselmann

    Systematik: 8400 Finanzmarkt

    ID: LI781109

  • Halstenberg und Riemer später vor U-Ausschuß.
    Ausschussmeldungen
    S. 10 in Ausgabe 11 - 28.04.1978

    Die ursprünglich für den 8. Mai vor den Untersuchungsausschuß II (WestLB) geladenen Zeugen Minister Dr. Riemer und Minister a.D. Prof. Halstenberg werden erst zu späterem Zeitpunkt vernommen werden. Nach Mitteilung des Ausschußvorsitzenden Dr. Schwefer wird die öffentliche Beweisaufnahme am 8. Mai mit der Vernehmung des WestLB-Vorstandsmitglieds Dr. Fischer und mehrerer Mitglieder des Präsidialausschusses der Bank ausgefüllt sein. (Beginn der Sitzung: 14 Uhr in Raum 112.)

    ID: LI78110C

  • Zeugenvernehmung zur Poullain-Affäre.
    Ausschussmeldungen
    S. 5 in Ausgabe 10 - 21.04.1978

    Der Untersuchungsausschuß des Landtags, der die Vorgänge um die Wiederwahl, den Rücktritt und die fristlose Kündigung des früheren WestLB-Chefs Ludwig Poullain klären soll, wird am 24. April und am 8. Mai weitere Zeugen vernehmen. Für den 24. April werden der Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Hoffmann - in seiner Eigenschaft als Verwaltungsratsvorsitzender der WestLB -, der in der Strafsache Poullain ermittelnde Staatsanwalt Richter, der Abteilungsleiter im NRW-Finanzministerium, Ministerialdirigent Trübe, und das WestLB-Vorstandsmitglied Dr. Fischer geladen. Am 8. Mai soll der Präsidialausschuß der Landesbank vor dem Untersuchungsausschuß erscheinen. Dazu gehört Wirtschaftsminister Dr. Riemer und der - inzwischen aus diesem Gremium ausgeschiedene - frühere Finanzminister Prof. Dr. Halstenberg. Die Zeugenvernehmungen sind öffentlich und beginnen jeweils um 14 Uhr.

    Systematik: 8400 Finanzmarkt

    ID: LI781021

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