Bei der dritten Lesung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Jahr 1980 (Drs. 8/4950) zogen Oppositionsführer Heinrich Köppler (CDU), Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) und Sprecher der drei Fraktionen noch einmal Bilanz über die politische Arbeit der auslaufenden Legislaturperiode. Bei der Generaldebatte über das Handeln der Regierung äußerte Oppositionschef Köppler die Hoffnung, daß mit der Landtagswahl am 11. Mai eine dreizehneinhalbjährige Epoche zu Ende gehe, die dem Land wenig Nutzen gebracht habe und ihm "denkbar schlecht"bekommen sei. Regierungschef Rau vermutete, er werde bei der Wahl, die er auch als "schicksalhaft für die Bundesrepublik" bezeichnete, die größeren Chancen haben. Er lud die F.D.P. ein, bei der nächsten Regierung wieder mitzumachen. Finanz-, Wirtschafts- und Energiefragen, das Ruhrgebiet sowie Schul- und Wohnungsbauprobleme bestimmten weitgehend die parlamentarische Aussprache. Der Etat wurde von der Koalitionsmehrheit im Landtag gegen die Stimmen der CDU-Fraktion verabschiedet.
Heinrich Köppler (CDU) betonte: "Wir erwarten zuversichtlich, daß dies der letzte Haushalt ist, der von dieser Koalitionsregierung hier im Hause verabschiedet wird." Die Epoche habe mit dem Slogan angefangen "Wählt SPD, und wir sind über den Berg!" Bereits ein oder zwei Jahre später sei im Landtag "zu Recht von dem ehemaligen Kollegen Pütz" festgestellt worden, daß es von da an bergab gegangen sei. "Und es ist weiter bergab gegangen!" sagte der Oppositionsführer. Heute sitze die Landesregierung, was ihre Leistungsbilanz angehe, in weiten und wichtigen Bereichen der Landespolitik auf einer Talsohle und igele sich dort in einem Überlebensbunker ein. "Mit ihr ist das Land unten angekommen", sagte Köppler. Er griff den Vorwurf auf, bei einer CDU-Regierung würden Arbeitslose "neu entstehen". Der Oppositionschef unterstrich, die CDU-Regierung habe im Jahre 1966 eine Arbeitslosenquote von 0,7 Prozent hinterlassen. Mit 0,7 Prozent sei die Arbeitslosenquote im Land Nordrhein-Westfalen und im Bundesdurchschnitt damals noch identisch gewesen. Im Jahre 1979, nach einer Entlastung des Arbeitsmarktes gegenüber 1978, habe die durchschnittliche Arbeitslosenquote im Bundesgebiet immer noch 3,8, aber im Land Nordrhein-Westfalen 4,6 Prozent betragen.
Auch beim Wirtschaftswachstum hat nach seinen Angaben das Land seine Position im Bundesgebiet und im Vergleich zu anderen Bundesländern verschlechtert. "In den sechziger Jahren lag die Wachstumsrate in Nordrhein-Westfalen um 0,2 Prozent hinter dem Bundesdurchschnitt, in den siebziger Jahren bereits um 0,4 Prozent; das heißt, das Defizit gegenüber dem Bundesdurchschnitt hat sich unter Ihrer Regierungsverantwortung schlicht verdoppelt", meinte der Oppositionschef. Zur Staatsverschuldung erklärte er, 1966 habe die Nettoverschuldung des Landes 443 Millionen DM betragen. "Das waren 26 DM pro Kopf der Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen." 1980 belaufe sich die Nettoverschuldung auf 32,73 Milliarden DM und ihre Erwartung für 1983 auf 52,1 Milliarden DM, das bedeute rund 3000 DM Verschuldungsquote pro Kopf der Einwohnerschaft.
Die Epoche SPD-geführter und F.D.P.unterstützter Landespolitik bezeichnete er als "denkbar dürftig". Wörtlich stellte der Oppositionsführer fest: "Sie haben sich 1975 mit der Lüge vom Aufschwung noch einmal in die Regierungsverantwortung hineinstehlen können. Glauben Sie ja nicht, daß sie die Bürger zweimal belügen können." Zu den "Skandalen" zählte er das Klinikum Aachen, das nach heutigen Schätzungen dreimal soviel koste, als ursprünglich vorgesehen sei, und dessen Nutzungsmöglichkeiten mehr als nur einem Zweifel unterlägen. "Das war alles andere als ein Ruhmesblatt für das Land Nordrhein-Westfalen", meinte Köppler. Er erinnerte weiter an die "Affären im Zusammenhang mit der Tätigkeit dieser Landesregierung bei der Westdeutschen Landesbank", an "besonders eklatante Kunstfälle der Wirtschaftsförderung" (Fall Reichet) sowie an die Stützungsaktion des Landes für das Unternehmen Beton- und Monierbau. Auf die Regierung eingehend, meinte der Oppositionsführer, dementsprechend habe sich "die Truppe auch auf dem langen Marsch der hinter uns liegenden Jahre der Legislaturperiode" erheblich dezimiert. Er erwähnte den "erzwungenen Rücktritt" des Ministerpräsidenten Kühn, den "blamablen Rücktritt des Kollegen Halstenberg" und die "Niedermetzelung des Kollegen Riemer". "Dann ist Kollege Deneke von Bord des Regierungsschiffs gegangen; vom Rauswurf von Herrn Döring will ich gar nicht reden", sagte Köppler.
Zum "Berg von Schulden", den er mit dem Himalaja-Gebirge verglich, meinte er, von 1970 bis 1978 habe die Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts im Land 74 Prozent betragen. Das Haushaltsvolumen habe sich dagegen in diesem Zeitraum auf 155 Prozent gesteigert. Der Oppositionschef äußerte die Befürchtung, daß die Schulden-Politik der Regierung "über kurz oder lang" zur Vernichtung der politischen Gestaltungsspielräume in Nordrhein-Westfalen führen werde. Er forderte Konsolidierung der Haushaltspolitik. Sorge bereitete ihm auch die Entwicklung der Arbeitslosigkeit. Er erinnerte an den Arbeitslosenstand von 6 Prozent "im industriellen Kernland von Nordrhein-Westfalen", im Ruhrgebiet. "1980 müssen wir wieder damit rechnen, daß die Zahl der Arbeitslosen in Nordrhein-Westfalen weit über 300000 Personen betragen kann und betragen wird", erklärte Köppler. Er verwies auf Prognosen des Landesarbeitsamtes. Großen Wert maß er daher der Mittelstandsförderung bei. Zur Vergabe öffentlicher Darlehen an die Hoesch AG zur Schaffung eines neuen Stahlwerks stellte er die Frage, warum "eine solche richtige, vernünftige Investition" nicht aus Mitteln des Unternehmens finanziert werde.
Zur Energiepolitik sagte der Oppositionsführer: "Wir sind froh, daß schwere Sorgen im Bereich des heimischen Steinkohlebergbaus, die uns bekanntlich gemeinsam gedrückt und die wir auch gemeinsam getragen haben, ihrem Ende entgegengehen." Als möglicherweise größten Engpaß bei der Erreichung des energiepolitischen Ziels einer Förderung von 100 Millionen Tonnen Kohle gegen Ende des Jahrhunderts, bezeichnete er es, genügend geeignete und befähigte junge Menschen für den Bergbau zu finden. Neben der Kohle muß nach seinen Worten "gerade in Nordrhein-Westfalen" die Nutzung der Kernkraft stehen.
Zur Schulpolitik meinte Köppler, es gebe keine Landesregierung, die demoskopisch eine so miserable Einschätzung ihrer Leistungsbilanz in schulpolitischer Hinsicht bescheinigt bekomme wie diese Landesregierung. Zum Rundfunkproblem sagte der Oppositionsführer: "Staatsrundfunk sind in gewissem Sinne alle ARD-Anstalten und das ZDF. Staatsnaher Rundfunk, den wir alle nicht wollen, wird rechtlich am perfektionistischen im Land Nordrhein-Westfalen praktiziert."
Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) erklärte an die Opposition gewandt: "Sie möchten gern nach dem 11. Mai aus der mehr als 13jährigen und gewiß oft mühevollen Zeit der Opposition heraus. Sie möchten wieder regieren. Das ist ein aus ihrer Sicht legitimer Anspruch." Er empfahl der CDU Gelassenheit und meinte, er sei im Gegensatz zur Opposition zuversichtlich. "Denn ich glaube, nach 13 Jahren erfolgreicher Politik wird der Wähler diese Regierung am 11. Mai bestätigen." Rau warnte vor "falschen Propheten", die sogar eine erneute Währungsreform nicht ausgeschlossen hätten. "Wo ist die Währungsreform geblieben?" fragte er. "Die SPD und die F.D.P. haben 1976 gewonnen, so wie sie es am 5. Oktober wieder tun werden, und wir haben neben der Schweiz die stabilste Währung der Welt." Zu den von der Opposition angeschnittenen Fragen der Finanzpolitik, der Belastungsquoten und der mittelfristigen Finanzplanung meinte der Regierungschef, das sei "so eine Sache" mit den Zahlen. Er sagte: "Hätten Sie die Kreditmarktverschuldung der Länder am 30. September 1979 netto und, wie sie ist, pro Kopf gerechnet, dann hätten Sie diesem Landtag berichten müssen - und ich tue das nun stellvertretend für Sie -, daß Nordrhein-Westfalen mit 1199 DM je Einwohner unter den Flächenländern im ganzen Bundesgebiet an zweitbester Stelle steht." Vom Oppositionsführer wollte Rau wissen, ob dieser einmal dazugerechnet habe, wie hoch die Schulden wären, "wenn wir in den 13 Jahren auch noch alle CDU-Anträge angenommen und das alles zu bezahlen hätten". Der Ministerpräsident wies darauf hin, daß auch die Investitionsrate immer noch weit höher sei als in anderen Flächenländern. "Die Verschuldung, die wir betrieben haben, war nötig", sagte Rau. Er erinnerte daran, daß ein Teil der Kredite auch für die Gemeinden aufgenommen worden sei. "Denn nur so war es möglich, daß trotz höherer Steuerausfälle beim Land die Leistungen an die Gemeinden gesteigert wurden und daß deren Investitionskraft gesichert wurde."
Der Regierungschef räumte ein, daß es Probleme im Land gebe. Über diese Probleme werde nicht hinweggeredet. "Aber auch wenn wir Probleme haben, die tiefste Rezession der Nachkriegszeit haben wir gemeistert. Die Wirtschaft befindet sich heute trotz eines neuen Ölpreisschocks in einer insgesamt guten Verfassung. Die Zuversicht der Unternehmen wird in ihrer durchaus robusten Investitionsneigung deutlich." Es habe sich ausgezahlt, schloß Rau, daß Nordrhein-Westfalen in den Jahren des Booms eine antizyklische Haushaltspolitik betrieben habe. Zur Schuldenentwicklungen meinte er, die Opposition habe sich in allen Prognosen verschätzt. Zudem betrage der Schuldenstand des Jahres 1979 nicht 30 sondern nur 20 Milliarden DM. "Die Lage, in der wir uns jetzt befinden, erfordert einen Defizitablauf in diesem Jahr. Deshalb sieht der Entwurf zur dritten Lesung vor, daß die Neuverschuldung um rund eine halbe Milliarde DM zurückgeführt wird, und zwar trotz 2,8 Milliarden DM notwendiger Mehrausgaben", sagte der Ministerpräsident.
Auf Äußerungen des CDU-Politikers Professor Kurt Biedenkopf eingehend, meinte Rau: "Es hat keinen Sinn, dieses Land in die Krise zu reden. Denn dieses Land ist nicht in der Krise." Er räumte ein, es gebe seit 1975 "einen gewissen Wachstumsrückstand". Aber er beginne, sich zu verringern. 1979 habe er nur noch 0,3 Prozent-Punkte betragen. Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner sei im Bundesgebiet um 4,4 Prozent gestiegen, in Nordrhein-Westfalen um 4,1 Prozent. "Deshalb gilt für uns und sollte für die Opposition gelten: um Vertrauen werben, Zuversicht vermitteln, Angst abwehren, Besonnenheit beweisen - auch in der Wirtschaftspolitik des Landes!" Er erinnerte daran, dieses werde auch mit dem Aktionsprogramm Ruhr getan. "Wir glauben, daß wir mit diesem Ruhrprogramm das Herz unseres Landes, das Revier, so stärken können, daß der Kreislauf des ganzen Landes und der Bundesrepublik wiederbelebt wird und wieder in Gang kommt", bekräftigte der Regierungschef.
Zur Energiepolitik meinte er: "Wir haben den Vorrang der Kohle nicht nur behauptet, sondern wir haben ihn durchgesetzt." Rau erinnerte daran, daß 28 Kohlekraftwerke, davon 15 auf Steinkohle- und 13 auf Braunkohlebasis gebaut worden seien. 8000 Megawatt seien genehmigt, 8000 weitere Megawatt "kommen auf uns zu". Er erwähnte die Prototypen des Schnellen Brüters und des Hochtemperaturreaktors, die in Nordrhein-Westfalen ständen. "Mit Ahaus, mit Schmehausen, mit Jülich, mit Kalkar, mit Gronau, mit Würgassen trägt dieses Land gegenwärtig ein Kernkraftrisiko, das den Bürgern dieses Landes bei verantwortlicher Politik zuzumuten ist. Wir stehen zu diesem Risiko; aber wir stehen zuerst zum Vorrang der Kohle", betonte der Ministerpräsident. Er versprach, weiter eine besonnene, aber sichere Energieversorgung zu betreiben. Den Wohnungs-Vorwurf der Opposition suchte Rau mit dem Hinweis zu entkräften, von 1970 bis 1979 habe die Landesregierung 541969 Wohnungen im Land gefördert. Zur Bildungs- und Schulpolitik meinte der Regierungschef, auch in der nächsten Wahlperiode werde sichergestellt, daß der Elternwille im Blick auf die gewünschte Schulform optimal und gerecht erfüllt werden könne. Zu dem Problemkreis Rundfunkanstalten, erklärte Rau, die Privatisierungspläne im Norden seien ein Alarmzeichen. Nach seinen eigenen Angaben möchte er das Gegenüber von öffentlich-rechtlichem Rundfunksystem und privatwirtschaftlich organisierter Presse gerne erhalten wissen.
Dr. Dieter Haak (SPD) wandte sich entschieden gegen Köpplers "unwahre Behauptungen". Die seiner Ansicht nach erfolgreiche Bilanz der sozialliberalen Koalition "lassen wir uns auch durch eine noch so eifersüchtige Opposition nicht kaputtmachen", rief er aus. Haak wies ebenfalls die "Herummäkelei" an Rau zurück. "Ministerpräsident Rau hat die Regierungsführung in diesem Lande übernommen und führt sie sicher aus und wird sie auch in der nächsten Wahlperiode genauso sicher ausführen." Partei und Fraktion stünden geschlossen hinter dem Regierungschef.
In einem "Blick" zur Opposition meinte der SPD-Fraktionsvorsitzende, die programmatische Rolle sei Köppler von dem westfälisch-lippischen CDU-Vorsitzenden Biedenkopf "total abgenommen" worden, der aber nur im Falle eines Wahlsieges in die Landespolitik überwechseln wolle. Bei einer Niederlage der CDU "kommt er eben nicht. Dazu muß ich sagen: So etwas gäbe es bei uns in der SPD nicht."
Der Opposition bescheinigte Haak, "uns in der vergangenen Wahlperiode das Leben weiß Gott nicht schwergemacht" zu haben. Sie habe "den Löwenanteil unserer Maßnahmen" noch nicht einmal überzeugend kritisieren können, kaum verwertbare Vorschläge eingebracht und "wenige bis gar keine" konstruktiven Alternativen entwickelt, sondern sich in wichtigen landespolitischen Fragen "selbst demaskiert". Der "total unsinnigen" Äußerung Köpplers, ein baldiger Währungsschnitt sei aktueller als der Weltuntergang, habe Biedenkopf "die Krone aufgesetzt" mit der Feststellung die Staatsverschuldung zur Ankurbelung der Konjunktur erzeuge nur ein künstliches Wirtschaftswachstum und verhindere Arbeitslosigkeit nicht. Angesichts der arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen der 80er Jahre sei "dieser Mann" untragbar, erklärte Haak.
Die angeblich so hohe Staatsverschuldung Nordrhein-Westfalens nehme die SPD als angemessen hin. "Unsere Schulden sind, gemessen an anderen Ländern des In- und Auslandes, nicht übermäßig und das Wort vom Himalaja-Gebirge in diesem Bereich ist eine einfache Propagandaformel des Herrn Köppler."
Als Schwerpunkte künftiger Landespolitik nannte der SPD-Politiker die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, der Strukturwandel und die Energieversorgung ("Nutzung vor allem der heimischer Energieträger wie der Kohle"). Gleichfalls sollen nach Haaks Worten der Umweltschutz vorangetrieben und die Lebensbedingungen in den Städten und Dörfern verbessert werden. Auf die Schulpolitik eingehend, kündigte Haak an: "Wir wollen in den 80er Jahren wesentlich mehr Gesamtschulen anbieten, als Angebot neben Hauptschule, Realschule und Gymnasium, überall dort, wo die Eltern es wollen." Die Ergebnisse des Gesamtschulversuchs seien überwiegend positiv ausgefallen. Die Gesamtschule sei "eine freiheitliche soziale Schule, die auf die Eignung, die Begabung und die Neigung der Kinder Rücksicht nimmt."
Der kommenden Wahlauseinandersetzung sehe die SPD "mit großer Zuversicht" entgegen, betonte Haak. Köpplers Rechnung, ihm fehle nur noch ein Prozent, hielt Haak angesichts ihm vorliegender Meinungsumfragen für ein, wie er sagte, durchsichtiges Zweckgerücht.
Wolfgang Heinz (F.D.P.) qualifizierte die Oppositionspolitik in den letzten fünf Jahren als "alternativlos und zerfahren". Gute Ansätze zur sachlichen Zusammenarbeit, zur allseitigen Kompromißlosigkeit in den Ausschüssen habe die CDU oft im Plenum wieder zunichte gemacht. "Statt eigenständige Beiträge zu entwickeln, hat sie teilweise noch gar nicht ausgereifte Fremdarbeiten übernommen, wie beispielsweise den Polizeigesetzentwurf der Innenministerkonferenz aus einem frühen Stadium oder den Mittelstandsförderungsgesetzentwurf des Rheinisch-Westfälischen Handwerkerbundes", rügte der F.D.P.-Fraktionsvorsitzende. Mit dieser "armseligen" Opposition sei wahrhaftig kein Staat zu machen.
Den NRW-Haushalt 1980 wertete Heinz als erneuten Beweis für die Leistungsfähigkeit der sozialliberalen Koalition. Der Etat zeige deutlich, daß "wir uns den Problemen unseres Landes stellen, Lösungen anbieten und Entscheidungen fällen". Im Gegensatz zu früheren CDU-Regierungen habe sich die Koalition bei ihren haushaltspolitischen Überlegungen nicht von der bevorstehenden NRW-Wahl beeinflussen lassen. "Wir verteilen keine Geschenke", stellte Heinz fest, "um uns beim Wähler beliebt zu machen, sondern wir sagen dem Wähler die Wahrheit." Der Etatanstieg bleibe auch 1980 unter sechs Prozent, und die Nettokreditaufnahme werde um fast 500 Millionen DM geringer ausfallen als im letzten Jahr. "Damit schreiten wir trotz der Kassandrarufe der Opposition auf dem Pfad der Konsolidierung fort- so schwer das auch sein mag." Heinz räumte ein, der Schuldenstand sei seit 1973 von 2,7 Milliarden DM auf 22 Milliarden gestiegen. Als Gründe hierfür führte er die schwere Wirtschaftskrise der Jahre 1974/75 und den deutlichen Rückgang der Investitionen und der Nachfrage an. Die Erfolge bei der "Milderung" der Arbeitslosigkeit und bei der Erhöhung des Bruttosozialprodukts könnten auch von der Opposition ernstlich nicht bestritten werden. Mit dem 1979 um vier Prozent gestiegenen realen Sozialprodukt hat Nordrhein-Westfalen nach den Worten des F.D.P.-Politikers wieder Anschluß an das bundesdurchschnittliche Wirtschaftswachstum gefunden, "obwohl es erheblich schlechtere wirtschaftsstrukturelle Voraussetzungen dafür besaß". Die Wachstumsverluste des monostrukturierten Ruhrgebiets seien so groß gewesen, daß "wir flankierende Maßnahmen ergreifen müßten, die erst längerfristig wirken können, aber ja nun auch wirken", erinnerte Heinz.
Als "Beispiel für liberale Politik mit Vernunft und Augenmaß" bezeichnete Heinz die Gesamtschule, die von der F.D.P. unter den Vorbehalt eines breitangelegten Versuchs gestellt worden sei. Der "vorschnellen" Forderung von Kultusminister Girgensohn nach flächendeckender Einführung der Gesamtschule als Regelschule habe die F.D.P. noch Anfang 1979 dauerhaft einen Riegel vorgeschoben. Die Gesamtschule, die noch Schwächen zeige, "kann das bestehende Schulwesen nicht ersetzen, aber seine Vielfalt erweitern".
Dr. Theodor Schwefer (CDU) hielt der F.D.P. vor: "Die einzige Kunst, die Sie beherrschen, ist doch, mit rund fünf Prozent seit zig Jahren hier im Lande und im Bund zu regieren." Man könne nur staunen, mit welcher Leichtfertigkeit die F.D.P. über die zentralen und existentiellen Probleme Nordrhein-Westfalens hinweggehe. Zur Staatsverschuldung warf Schwefer der Koalition Versagen vor. Ihrer Ankündigung, spätestens 1980 eine Konsolidierung der Landesfinanzen herbeigeführt zu haben, stellte der finanzpolitische Sprecher der CDU als Situationsbeschreibung gegenüber: "Wir sind heute von der Konsolidierung weiter entfernt denn je." Statt eines Abbaus seien in der mittelfristigen Finanzplanung für 1981 weitere 7 Milliarden DM als Neuverschuldung vorgesehen.
Finanzminister Dr. Diether Posser (SPD) wies darauf hin, daß die zwischen 1975 und 1979 tatsächlich aufgenommenen Kredite um mehr als 10 Milliarden DM unter der Summe liege, "zu deren Aufnahme wir durch den Landtag ermächtigt waren". Die aktuelle Verschuldung betrage auch nicht 32 Milliarden DM, sondern 22 Milliarden DM, rechnete Posser der Opposition vor. Unter allen Bundesländern habe Nordrhein-Westfalen die niedrigste Pro-Kopf-Verschuldung.
Wirtschaftsminister Liselotte Funcke (F.D.P.) setzte sich mit der Frage auseinander, was Nordrhein-Westfalen "zu erwarten hat, denn Herr Köppler und Professor Biedenkopf die Wirtschaftspolitik in diesem Land zu verantworten haben". Die Forderungen aus den Reihen der CDU seien ganz anders als die recht theoretischen Analysen Biedenkopfs. Schwefer beispielsweise lobe das Aktionsprogramm Ruhr als Erfüllung einer CDU-Initiative, Biedenkopf dagegen kritisierte die Förderung mit dem Vorwurf, das Revier werde zum Kostgänger der Nation gemacht. Andere in der CDU wiederum hielten das Gesamtvolumen für nicht ausreichend, während Biedenkopf das Engagement des Staates für Wirtschaftswachstum einschränken wolle.
Innenminister Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.) wehrte sich gegen Köpplers Vorwurf, er wolle die ARD zerschlagen. "Das ist nicht richtig." Die Zerschlagung des Norddeutschen Rundfunks halte er für "medienpolitischen Rückschritt ersten Ranges". Hirsch: "Das Wesentliche ist aber, wenn es bei dieser Zweiländeranstalt bleiben sollte, die in der Tat ein zahlendes Mitglied der ARD sein kann, daß ein Sender Hamburg überhaupt nicht Partner des Finanzvertrags zwischen den Ländern ist, weil es diesen Sender zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages nicht gegeben hat. Das würde bedeuten, daß dieser Sender, der sicherlich kein zahlender, sondern ebenso wie andere kleinere Rundfunkanstalten ein Nehmersender wäre, überhaupt nicht existieren könnte." Deshalb müsse man zu einer, so der Minister, "angemessenen Regelung" kommen.
Albert Pürsten (CDU) meinte zu der Rede von Heinz: "Bei Ihnen hat die Galle die Funktion des Gehirns übernommen." Die CDU lasse sich "nichts von dem abzeichnen", daß die Landespolitik erst durch ihre Alternativen und konstruktiven Beiträge Farbe erhalten habe. Der Landtag wäre über weite Strecken arbeitslos geblieben, wenn er auf Initiativen der Regierung und der Koalition gewartet hätte, hielt Pürsten dem F.D. P.-Fraktionsvorsitzenden vor, Ironisch stellte er in einer Gesamtschau fest: "Unser Land hat eine feine Entwicklung genommen." Während die Arbeitslosenquote 1966 ein Prozent betragen habe ("Welchen Terror haben Sie damals gemacht!"), liege sie heute bei fünf und mehr Prozent. Gleiches gelte für Verschuldung und Investitionen, führte Pürsten aus. Die jetzige Regierung werde einmal in die Landesgeschichte als "die Regierung der Immobilität bei politischen Entscheidungen" eingehen, prophezeite er.
Bildunterschriften:
Oppositionsführer Heinrich Köppler: Die 13jährige SPD/F.D.P.-Epoche hat dem Land wenig Nutzen gebracht und ist ihm denkbar schlecht bekommen.
Ministerpräsident Johannes Rau: Die Landtagswahl ist entscheidend für NRW und schicksalhaft für die Bundesrepublik.
SPD-Fraktionsvorsitzender Dr. Dieter Haak: Erfolgreiche Bilanz der sozialliberalen Koalition.
F.D.P.-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Heinz: Die Opposition ist zerfahren und alternativlos.
Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt
ID: LI800604