Friedrich Holzapfel (1900-1969)

Friedrich Holzapfel war einer der Gründerväter der CDU. Als Protestant hatte er einen nicht unwesentlichen Anteil daran, dass die CDU einen überkonfessionellen Charakter entwickelte, der sie über das katholische Milieu hinweg für breite Wählerschichten attraktiv machte. Holzapfel galt zudem als integer, da er während des „Dritten Reichs“ als „Feind des Nationalsozialismus“1 bezichtigt wurde.

Friedrich Wilhelm Philipp Holzapfel wurde am 20. Juli 1900 in einer evangelisch-lutherischen Familie in Bielefeld geboren. Nach der Bürgerschule/Mittelschule in Bielefeld besuchte er von 1910 bis 1918 das humanistische Gymnasium in Bielefeld, wo er das Abitur ablegte. Im Jahr darauf begann er ein Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten Berlin und Münster. Am 6. Dezember 1923 wurde ihm der Doktortitel verliehen, für eine Dissertation über „Politische Propaganda“. Im gleichen Jahr war Holzapfel darüber hinaus stellvertretender Geschäftsführer der Handwerkskammer Bielefeld geworden. Später wurde er Hauptgeschäftsführer. Zudem war Holzapfel von 1927 bis 1933 Mitglied des Bezirksverwaltungsgerichts in Minden sowie Schriftleiter des „Ostwestfälischen Handelsblatts“. Während seiner Studienzeit war Holzapfel in der „christlich-sozialen“ Studentengruppe und der „christlich-sozialen Bewegung“ aktiv, die in Ostwestfalen besonders viel Zulauf erhielt. Die „Christlich-Sozialen“ waren zur deutschnationalen DNVP übergetreten und Holzapfel war ebenfalls Mitglied der Partei geworden, auch wenn er in der Bundesrepublik betonte, dass er die antidemokratische Politik der DNVP abgelehnt hätte und sich vor allem der christlich-sozialen Programmatik verbunden gefühlt hätte. Holzapfel nahm während der Weimarer Republik kein politisches Mandat wahr, trat aber auf DNVP-Versammlungen als Redner auf.2

Mit Beginn des „Dritten Reichs“ musste Holzapfel als Mitglied des Bezirksverwaltungsgericht Minden ausscheiden. Auch seine Schriftleiterposition verlor er. Als Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer wurde er jedoch nicht ersetzt,3 obwohl er „Nationalsozialisten ihrer politischen Überzeugung wegen schikaniert und gemassregelt“4 haben soll. Allerdings durfte er nur noch selten bei Handwerkerversammlungen sprechen. „[E]in vollständiges Redeverbot erfolgte im Herbst 1936.“5 Ende November des darauffolgenden Jahres wurde Friedrich Holzapfel dann in „Schutzhaft“ genommen. Der Grund für die Verhaftung war der Besitz und die Verbreitung einer „Denkschrift rheinisch-westfälischer Industrieller zum Vierjahresplan“, in der u.a. die wirtschaftlichen Autarkiebestrebungen sowie die Finanzpolitik des Reichs kritisiert wurden.6 Laut Gestapobericht untergräbt die Denkschrift „das Vertrauen zur wirtschaftspolitischen Führung des Reichs. Sie tauchte erstmalig Anfang Juni d. Js. als Zeitungsartikel in der ‚Deutschen Volkszeitung’ in Prag und anschließend in zahlreichen anderen Blättern der ausländischen Hetzpresse auf. Auch im Inlande ist sie in letzter Zeit von verschiedenen Seiten erfaßt worden. Sie wird offensichtlich in deutschen und österreichischen Wirtschaftskreisen als Flugblatt verbreitet.“7 Holzapfel gab während der Vernehmung zu, die Denkschrift erhalten, aufbewahrt und einzelnen Personen gezeigt zu haben. Vermutlich war er dann aufgrund einer Denunziation verhaftet worden; auf jeden Fall befand er sich bis zum 2. Februar in „Schutzhaft“. Sein Fall wurde vom Oberstaatsanwalt in Bielefeld zum Reichsanwalt beim Volksgerichtshof sowie schließlich zum Oberstaatsanwalt beim Sondergericht Dortmund weitergeleitet. Letzterer stellte das Verfahren mit einer Verwarnung ein,8 weil „ein strafbares Verhalten nicht nachzuweisen war.“9 Parallel wurde jedoch ein Dienststrafverfahren gegen ihn als Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer eingeleitet, da ihm Verletzungen seiner Dienstpflichten vorgeworfen wurden. Zwar wurde auch dieses Verfahren 1940 mit einer Verwarnung eingestellt, doch war er bereits 1938 seines Amtes als Hauptgeschäftsführer enthoben worden.10

Da man Holzapfel während des laufenden Dienststrafverfahrens die Auszahlung seiner Pension verweigert hatte, begann er 1938 als Betriebsleiter bei der Firma August Werth (Piassavabesen- und Bürstenfabrik) in Herford zu arbeiten. 1940, mit dem Erhalt seiner Pension, wurde er dann Teilhaber der Firma. Militärdienst leistete er im Zweiten Weltkrieg nicht, da er als „untauglich“ bzw. „zeitlich untauglich“ eingestuft wurde. Zudem war Holzapfel lediglich Mitglied im Reichsluftschutzbund und spendete ab 1935 monatlich zwei Reichsmark an die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV). Holzapfel gab an, während des „Dritten Reichs“ in Kontakt mit den gewerkschaftlichen Widerständlern Wilhelm Leuschner, Jakob Kaiser und Max Habermann gestanden zu haben. Habermann soll er sogar zeitweise vor der Gestapo versteckt haben. Selbst mit dem Widerstandkreis um Carl Friedrich Goerdeler soll er, nach eigener Aussage, in Verbindung gestanden haben. In einem Nach-Hitler-Deutschland mit einem Reichskanzler Goerdeler hätte Holzapfel das Amt des Staatssekretärs im Reichswirtschaftsministerium übernehmen sollen. Nachprüfen lassen sich seine Ausführungen zu seinen Widerstandsaktivitäten nicht. Nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 blieb Holzapfel von einer Verhaftung verschont. Er hatte lediglich im Mai desselben Jahres eine weitere Hausdurchsuchung über sich ergehen lassen müssen. Zudem wurde er aufgefordert, die Geschäftsführung der örtlichen Müllerinnung abzugeben. Zwar wurde er bereits 1938 von diesem Amt, das er nebenamtlich ausführte, abgesetzt, doch hatte er bis 1944 inoffiziell in dieser Funktion weitergearbeitet.11

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gehörte Holzapfel zu den Gründungsmitgliedern der CDU in Westfalen. Als Protestant in der von Katholiken dominierten CDU besaß er zwar einen Minderheitenstatus, aufgrund des überkonfessionellen Charakters der Partei wirkte sich seine Konfession aber auch positiv auf seinen politischen Aufstieg aus. So wurde er auf der Gründungsversammlung des westfälischen CDU-Landesverbandes im September 1945 in Bochum zum stellvertretenden Vorsitzenden und im Januar 1946 zum Zweiter Vorsitzenden der CDU in der britischen Zone gewählt – erster Vorsitzender wurde Konrad Adenauer. Als Spitzenpolitiker der CDU half Holzapfel dabei, die Vorbehalte der evangelischen Bevölkerung Westfalens gegenüber der Quasinachfolgepartei des katholischen Zentrums zu verringern. Auch innerhalb der CDU setzte sich Holzapfel für die Interessen der Protestanten ein. Um einem drohenden Einflussverlust zu begegnen, gründete er 1952 mit Gleichgesinnten den Evangelischen Arbeitskreis (EAK). Aber nicht nur als Protestant half Holzapfel der CDU ihren Charakter als Volkspartei zu schärfen. Als Unternehmer bildete er quasi ein Gegengewicht zu Gewerkschaftern wie Karl Arnold oder Johannes Albers, die in der Anfangszeit maßgeblichen die Programmatik der Partei mitbestimmten.12

1945 wurde Holzapfel von der britischen Militärregierung als Oberbürgermeister von Herford eingesetzt. In seiner Amtszeit lagen ihm u.a. die Belange der zahlreichen Flüchtlinge am Herzen, in deren Unterstützung er einen Akt christlicher Nächstenliebe sah. Nach den ersten Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen im Herbst 1946 musste er jedoch sein Amt niederlegen, da die SPD in Herford die absolute Mehrheit errang. Dafür wurde er Ende des Jahres Mitglied des zweiten ernannten Landtags von Nordrhein-Westfalen. Im Landtag, dem er bis zum 24. Februar 1947 angehörte, hatte er sich im Ältestenrat und im Hauptausschuss engagiert. Am 24. Juni 1947 übernahm er dann das prestigeträchtige Amt des Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion im Frankfurter Wirtschaftsrat. Zugleich entfremdeten sich Holzapfel und Adenauer voneinander, da beide aufgrund ihrer politischen Ambitionen mehr und mehr in ein Konkurrenzverhältnis zueinander gerieten. So wurde Holzapfel nach Gründung der Bundesrepublik kein Bundesminister, sondern „lediglich“ stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag sowie 1950 stellvertretender CDU-Vorsitzender auf Bundesebene. Im gleichen Jahr – nach dem Rücktritt Gustav Heinemanns als Bundesinnenminister – wies dann Holzapfel das Angebot Adenauers zurück, neuer Bundesinnenminister zu werden, was sein Verhältnis zu Adenauer weiter belastete. Stattdessen wurde Holzapfel bundesdeutscher Gesandter in der Schweiz, ohne jedoch sofort sein Bundestagsmandat sowie sein Parteiamt niederzulegen. 1957 erhielt er den Status als Botschafter. Ein Jahr später wurde er in den Ruhestand versetzt, jedoch versuchte er sein Ausscheiden aus dem Dienst zu verhindern, indem er gegen die Entscheidung des Auswärtigen Amtes klagte und sich weigerte, sein Domizil in Bern zu verlassen. Friedrich Holzapfel starb am 15. November 1969 während eines Aufenthalts in New York. Er wurde in seiner Heimatstadt Bielefeld beigesetzt. Holzapfel war verheiratet und Vater von fünf Kindern.13

Endnoten
1 Brief Herbert Upmann an die Gauleitung der N.S.D.A.P. Westfalen-Nord vom 23.0.4.1938, in: Stadtarchiv Bielefeld. Bestand Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (Sig.: 250,1/18).
2 Vgl. Holzapfel, Friedrich: Fragebogen der Militärregierung, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Entnazifizierungsakten (Sig.: NW 1063-1406); Gespräch Peter Hüttenberger mit Dr. Friedrich Holzapfel vom 14.04.1968, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Sammlung Hüttenberger (Sig.: RWN 0139-5); Brief Karl Heidemann an Gauwirtschaftsberater Christian Franke vom 06.11.1937, in: Stadtarchiv Bielefeld. Bestand Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (Sig.: 250,1/18); Beckmann, Christopher: Friedrich Holzapfel (1900-1969), in: Historisch-Politische Mitteilungen, 12 (2005), S. 129-155, hier S. 129-131; ders.: Friedrich Holzapfel (1900-1969). Stellvertretender Vorsitzender der CDU, in: Buchstab, Günter / Kaff, Brigitte / Kleinmann, Hans-Otto (Hrsg.): Christliche Demokraten gegen Hitler. Aus Verfolgung und Widerstand zur Union, Freiburg / Basel / Wien 2004, S. 286-294, hier S. 286-287; Ohnezeit, Maik: Zwischen „schärfster Opposition“ und dem „Willen zur Macht“. Die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) in der Weimarer Republik 1918-1928, Düsseldorf 2011, S. 32 sowie o.V.: Holzapfel, Friedrich, in: Munzinger Online/Personen - Internationales Biographisches Archiv, URL: http://www.munzinger.de/document/00000001751 (abgerufen am 5.10.2020).
3 Vgl. Holzapfel, Friedrich: Anlage 1 zum Fragebogen, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Entnazifizierungsakten (Sig.: NW 1063-1406); ders.: Anlage 2 zum Fragebogen, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Entnazifizierungsakten (Sig.: NW 1063-1406); Beckmann: Friedrich Holzapfel (1900-1969), S. 132 sowie ders.: Friedrich Holzapfel (1900-1969). Stellvertretender Vorsitzender der CDU, S. 287.
4 Brief Herbert Upmann an die Gauleitung der N.S.D.A.P. Westfalen-Nord vom 23.04.1938.
5 Holzapfel: Anlage 2 zum Fragebogen.
6 Vgl. Schutzhaftbefehl für Friedrich Holzapfel vom 27.11.1937, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Entnazifizierungsakten (Sig.: NW 1063-1406); Beckmann: Friedrich Holzapfel (1900-1969), S. 133 sowie ders.: Friedrich Holzapfel (1900-1969). Stellvertretender Vorsitzender der CDU, S. 287-288.
7 Brief Geheime Staatspolizei. Staatspolizeistelle Bielefeld an die NSDAP-Gauleitung Westfalen-Nord vom 04.12.1937, in: Stadtarchiv Bielefeld. Bestand Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (Sig.: 250,1/18).
8 Vgl. Brief Geheime Staatspolizei. Staatspolizeistelle Bielefeld an die NSDAP-Gauleitung Westfalen-Nord vom 10.02.1938, in: Stadtarchiv Bielefeld. Bestand Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (Sig.: 250,1/18); Brief Herbert Upmann an die Gauleitung der N.S.D.A.P. Westfalen-Nord vom 23.0.4.1938; Holzapfel: Anlage 1 zum Fragebogen; Antrag auf Einleitung eines Dienststrafverfahrens gegen den 1. Geschäftsführer der Handwerkskammer zu Bielefeld, Herrn Dr. Friedrich Holzapfel vom 05.03.1938, in: Stadtarchiv Bielefeld. Bestand Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (Sig.: 250,1/18); Beckmann: Friedrich Holzapfel (1900-1969), S. 134-135 sowie ders.: Friedrich Holzapfel (1900-1969). Stellvertretender Vorsitzender der CDU, S. 288.
9 Brief Geheime Staatspolizei. Staatspolizeistelle Bielefeld an die Gauleitung der NSDAP. Westfalen-Nord vom 23.11.1939, in: Stadtarchiv Bielefeld. Bestand Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (Sig.: 250,1/18).
10 Vgl. Brief Reichswirtschaftsminister an Friedrich Holzapfel vom 15.03.1940, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Entnazifizierungsakten (Sig.: NW 1063-1406); Holzapfel: Fragebogen der Militärregierung; ders.: Anlage 1 zum Fragebogen; Antrag auf Einleitung eines Dienststrafverfahrens gegen Friedrich Holzapfel sowie Beckmann: Friedrich Holzapfel (1900-1969), S. 135.
11 Vgl. Holzapfel: Fragebogen der Militärregierung; ders.: Anlage 1 zum Fragebogen; ders.: Anlage 2 zum Fragebogen; Gespräch Peter Hüttenberger mit Dr. Friedrich Holzapfel vom 14.04.1968; Brief Wirtschaftskammer Bielefeld an den Mühlenbesitzer Herr Stuchtey vom 20.01.1944, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Entnazifizierungsakten (Sig.: NW 1063-1406); Beckmann: Friedrich Holzapfel (1900-1969). Stellvertretender Vorsitzender der CDU, S. 289-290 sowie ders.: Friedrich Holzapfel (1900-1969), S. 135-138.
12 Vgl. Brief Arbeitergeberverband für Handel, Industrie und Gewerbe an Friedrich Holzapfel vom 28.06.1950, in: Bundesarchiv. Nachlass Friedrich Holzapfel (Sig.: N/1278/90); Holzapfel, Friedrich: Unsere Wirtschaftspolitik. Rede auf dem ersten Parteitag der CDU der britischen Zone am 14. und 15. August 1947 in Recklinghausen, in: Konrad-Adenauer-Stiftung (Hrsg.): Konrad Adenauer und die CDU der britischen Besatzungszone 1946-1949, Bonn 1975, S. 330-454, hier S. 373; Beckmann: Friedrich Holzapfel (1900-1969). Stellvertretender Vorsitzender der CDU, S. 290-291 sowie ders.: Friedrich Holzapfel (1900-1969), S. 140-148.
13 Vgl. o.V.: Lebenslauf Friedrich Holzapfel o.D., in: ACDP. Pressearchiv (Sig.: PA-P1-1988); Purwin, Hildegard: Holzapfel will nicht. Die Berner Auflehnung / So benahm sich noch keiner, in: Telegraf vom 20.04.1958; Haunfelder, Bernd: Nordrhein-Westfalen. Land und Leute 1946-2006. Ein biographisches Handbuch, Münster 2006, S. 220-221; Beckmann: Friedrich Holzapfel (1900-1969), S. 139-155 sowie ders.: Friedrich Holzapfel (1900-1969). Stellvertretender Vorsitzender der CDU, S. 290-294.

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