Gustav Krüger (1885-1967)

Gustav Krüger schloss sich als junger Mann der Sozialdemokratie und der Gewerkschaft an. In der Weimarer Republik wurde er sodann hauptamtlicher Gewerkschaftsfunktionär und Kommunalpolitiker. Für sein demokratisches Engagement zahlte er aber im „Dritten Reich“ einen hohen Preis: Während er als Selbständiger versuchte, ein zurückgezogenes und unpolitisches Leben zu führen, wurde er von den Nationalsozialisten insgesamt viermal verhaftet.

Gustav Hermann Dietrich Krüger wurde am 27. Oktober 1885 in Herford geboren. Er wuchs in einer überkonfessionellen „Patchworkfamilie“ mit 13 weiteren Kindern auf. Nachdem nämlich seine Mutter im Wochenbett gestorben war, hatte sein evangelischer Vater eine katholische Witwe geheiratet, die weitere Kinder mit in die Ehe brachte. Gustav, der zeitlebens der evangelischen Landeskirche angehörte, lernte so schon als Kind religiöse Toleranz zu praktizieren. Ab 1892 besuchte er die Volksschule, zuerst in Herford und dann, nachdem die Familie umgezogen war, in Warendorf. 1900 verließ er die Schule. Er begann im Anschluss eine Ausbildung im Eisenwarenhandel, doch erlitt er einen schweren Unfall, der ihn zu einem Berufswechsel zwang. Gustav Krüger arbeitete von nun an als Weber in westfälischen Textilbetrieben. 1906 trat er dem Deutschen Textilarbeiter-Verband (DTAV) und der SPD bei. 1907 zog er nach Bocholt und heiratete dort 1912. Von 1915 bis 1919 – während des Ersten Weltkriegs – war er als Lokheizer bei der Eisenbahn tätig.1

1919 – mit Beginn der Weimarer Republik – intensivierte sich Krügers gewerkschaftliches wie politisches Engagement. So wurde er hauptamtlicher Sekretär des Deutschen Textilarbeiter-Verbands und für die SPD Stadtverordneter in Bocholt. Ebenfalls 1919 hatte er erfolglos für die verfassungsbebende preußische Landesversammlung kandidiert. Außerdem war er in Bocholt Vorsitzender des Ortsausschuss des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds (ADGB) und für einige Jahre SPD-Vorsitzender des Bocholter Ortvereins. Während der Weimarer Zeit hat er zahlreiche öffentliche Reden gehalten, Sitzungen und Veranstaltung geleitet, Zeitungsartikel geschrieben sowie Flugblätter verfasst und herausgegeben.2

Am 2. Mai 1933 – nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und der Zerschlagung der Gewerkschaften – wurde Gustav Krüger von der SA in „Schutzhaft“ genommen und in das Bocholter Gerichtsgefängnis gebracht. Am 13. Mai wurde er wieder entlassen, allerdings verlor er sein Stadtverordnetenmandat sowie seine Stelle als Gewerkschaftssekretär. Im Sommer des gleichen Jahres wurde er abermals für einige Tage in Haft gehalten. Zudem musste er sich für einige Zeit täglich bei der Polizei melden. Nach einer längeren Phase der Arbeitslosigkeit eröffnete er 1934 einen Heißmangelbetrieb. Im gleichen Jahr wurde er einfaches Mitglied der Deutschen Arbeitsfront (DAF) und 1935 trat er der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) bei. Während des Zweiten Weltkriegs war er zudem Mitglied des Reichsluftschutzbunds. Doch bereits im November 1937 war er abermals verhaftet worden.3 Er wurde der „Annahme illegaler Flugschriften“4 beschuldigt. Zu einer Anklage kam es jedoch nicht – Krüger gab später an, alle Dokumente aus der Zeit „wegen der Gefahr der politischen Verfolgung vernichtet“5 zu haben. Am 27. Januar 1938 wurde er schließlich wieder entlassen. Nach dem gescheiterten Hitlerattentat vom 20. Juli 1944 war er erneut für 12 Tage in „Schutzhaft“.6

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs – in dem er zwei Söhne verloren hatte – engagierte er sich beim politischen wie gewerkschaftlichen Wiederaufbau. Er war von 1945 bis 1946 Mitglied des örtlichen Magistratskollegium, von 1945 bis 1961 abermals Stadtverordneter sowie auch Fraktionsvorsitzender und Vorsitzender der SPD in Bocholt. Zudem war er ab 1946 mit kurzen Unterbrechungen stellvertretender Oberbürgermeister der Stadt Bocholt. 1954 wurde er sogar in der Stadtverordnetenversammlung einstimmig gewählt. Auf Landesebene gehörte Krüger dem westfälischen Provinziallandtag sowie den beiden ernannten Landtagen von Nordrhein-Westfalen an. Dort engagierte er sich im Arbeitsausschuss. Ferner brachte er sich bei der Gründung der Gewerkschaft Textil, Bekleidung und Leder ein, die später in der Gewerkschaft Textil-Bekleidung (GTB) aufging. Bis zu seinem  Eintritt in den Ruhestand war er dort als Gewerkschaftssekretär aktiv. Darüber hinaus war er viele Jahre lang Mitglied des Sparkassenvorstands und des Sparkassenrats in Bocholt. 1954 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Gustav Krüger starb am 18. April 1967 in Bocholt. Der Gustav-Krüger-Weg sowie das Gustav-Krüger-Haus der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Bocholt tragen seinen Namen.7

Endnoten
1 Vgl. Personalbogen Gustav Krüger o.D., in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058 Nr. 62515); Krüger, Gustav: Fragebogen der britischen Militärregierung vom 23.03.1947, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Entnazifizierungsakten (Sig.: NW 1041 Nr. 1033); Brief Regierungspräsident Münster an den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen vom 26.02.1954, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Ordensakten (Sig.: NW O Nr. 4617); Krüger, Gustav: Lebenslauf o.D., in: AdsD. Bestand Sammlung Personalia (Sig.: 6/SAMP005744); ders.: Fragebogen für Bundestags-Kandidaten o.D., in: AdsD. Bestand Sammlung Personalia (Sig.: 6/SAMP005744); Sterbeurkunde Gustav Krüger vom 19.04.1967, in: Stadtarchiv Bocholt (Sig.: 134_1967_0001) sowie Göwert, August: Bürger der Stadt Bocholt. Gustav Krüger, in: Unser Bocholt. Zeitschrift für Kultur und Heimatpflege, 23 (1971), Heft 2, S. 19-22, hier S. 19.
2 Vgl. Bericht Polizei-Inspektor Bocholt vom 15.12.1919, in: Stadtarchiv Bocholt (Sig.: SBOH2 Nr. 1718); Krüger, Gustav: Fragebogen der britischen Militärregierung vom 07.11.1945, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Entnazifizierungsakten (Sig.: NW 1041 Nr. 1033); ders.: Fragebogen der britischen Militärregierung o.D., in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Entnazifizierungsakten (Sig.: NW 1041 Nr. 1033).; ders.: Anlage zum Fragebogen o.D., in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Entnazifizierungsakten (Sig.: NW 1041 Nr. 1033); ders.: Lebenslauf o.D.; Brief Regierungspräsident Münster an den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen vom 26.02.1954; Göwert: Bürger der Stadt Bocholt, S. 19-20 sowie Jaspers, Katrin / Reininghaus, Wilfried: Westfälisch-lippische Kandidaten der Januarwahlen 1919. Eine biographische Dokumentation, Münster 2020, S. 115.
3 Vgl. Krüger: Fragebogen der britischen Militärregierung vom 07.11.1945, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Entnazifizierungsakten (Sig.: NW 1041 Nr. 1033); ders.: Fragebogen der britischen Militärregierung vom 23.03.1947; ders.: Fragebogen der britischen Militärregierung o.D.; ders.: Anlage zum Fragebogen o.D.; ders.: Lebenslauf o.D.; Einlieferungsanzeige Gustav Krüger des Polizei-Präsidenten in Düsseldorf vom 28.01.1938, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058 Nr. 62515); Brief Oberbürgermeister Bocholt an die Geheime Staatspolizei. Staatspolizeistelle Münster vom 07.02.1938, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058 Nr. 62515); Brief Regierungspräsident Münster an den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen vom 26.02.1954: o.V.: Noch ein Stadtverordneter tut nicht mit, in: Bocholter-Borkener Volksblatt vom 28.03.1933 sowie Jaspers / Reininghaus: Westfälisch-lippische Kandidaten, S. 115.
4 Brief Preußische Geheime Staatspolizei. Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Düsseldorf an die Staatspolizeistelle in Münster vom 26.01.1938, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058 Nr. 62515).
5 Krüger: Fragebogen der britischen Militärregierung vom 23.03.1947.
6 Vgl. ebd. sowie ders.: Fragebogen der britischen Militärregierung vom 07.11.1945. 
7 Vgl. ders.: Lebenslauf o.D.; ders.: Fragebogen der britischen Militärregierung vom 23.03.1947; Brief Regierungspräsident Münster an den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen vom 26.02.1954; Brief Arbeits- und Sozialminister des Landes Nordrhein-Westfalen an den Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen vom 07.03.1961, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Ordensakten (Sig.: NW O Nr. 4617); Sterbeurkunde Gustav Krüger; Jaspers / Reininghaus: Westfälisch-lippische Kandidaten, S. 115; Göwert: Bürger der Stadt Bocholt, S. 21-22; o.V.: Bocholt hat zwei stellv. Oberbürgermeister, in: Bocholter-Borkener Volksblatt vom 11.02.1954; o.V.: Guter alter Brauch: „Einen Ehrenmann Ehre erweisen“. Stellv. Oberbürgermeister, Stadtverordneter Gustav Krüger wurde hoch geehrt, in: Bocholter-Borkener Volksblatt vom 15.07.1954; o.V.: In memoriam Gustav Krüger. Nachruf für einen um die Stadt und ihre Bürger verdienten Mann, in: Bocholter-Borkener Volksblatt vom 21.04.1967; o.V.: Stellv. Oberbürgermeister Krüger 70 Jahre. Ein hochverdienter Kommunalpolitiker – Er wird sich heute ins Goldene Buch der Stadt Bocholt eintragen, in: Bocholter-Borkener Volksblatt vom 27.10.1955 sowie o.V.: Sozialzentrum der Awo erhielt Namen „Gustav-Krüger-Haus“. Ehrung für verdienten Bocholter – OB Hochgartz: Eine einmalige Einrichtung im Lande, in: Bocholter-Borkener Volksblatt vom 06.10.1972.

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