Die Alliierten boten Elfes das Amt des Oberbürgermeisters von M.Gladbach an. Nach längerem Zögern stimmte er zu, unter der Bedingung, dass er von einer provisorischen Stadtverordnetenversammlung gewählt werden würde, was auch geschah. Anfang April 1945 trat Elfes sein Oberbürgermeisteramt an. Die Herausforderungen, vor denen er stand, waren immens. M.Gladbach war zum Teil schwer zerstört, zugleich zogen immer mehr Menschen zurück in die Stadt, die Obdach und Nahrung benötigten.21 Elfes warnte bei einer öffentlichen Versammlung vor übertriebenen Erwartungen der Bevölkerung: „Ernährungs-, Wirtschafts- und Wohnungsamt sind keine Produktionsstätten. Das Ernährungsamt erzeugt weder Mehl, noch Brot oder Kartoffel, das Wirtschaftsamt weder Hemden noch Schuhe oder Möbel, und das Wohnungsamt stellt keine Wohnungen her. Es mag banal klingen, so zu reden, doch es ist notwendig, damit es endlich als banal empfunden wird, diese Ämter für die bestehende Not verantwortlich zu machen. Sie haben diese Not nicht verursacht, sondern vorgefunden, und ihre schwere und undankbare Aufgabe besteht darin, die noch vorhandenen Lebensgüter und das, was hinzukommt, zu bewirtschaften und planmäßig auf die Bevölkerung zu verteilen.“22 Nach Einführung der neuen Gemeindeordnung wurde Elfes im März 1946 Oberstadtdirektor. Da er aber in diesem Amt zur politischen Neutralität gezwungen war und zudem bis zur Erschöpfung gearbeitet hatte, bat er die Militärregierung im September des gleichen Jahres ihn von dem Posten des Oberstadtdirektors zu entbinden. Er trat dann zu den Kommunalwahlen am 13. Oktober wieder als Oberbürgermeisterkandidat an und wurde in der Stadtverordnetenversammlung am 25. Oktober mit überragender Mehrheit wiedergewählt. Auch im ersten frei gewählten Landtag war Elfes vertreten. Ab 1947 engagierte er sich dort u.a. im Verfassungsausschuss und wirkte somit an der Schaffung der nordrhein-westfälischen Landesverfassung mit.23
Wilhelm Elfes hatte sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges der CDU angeschlossen, als sich seine Hoffnung auf eine deutsche Labour-Party endgültig zerschlagen hatten. Seine sozialistischen Überzeugungen hatte er damit jedoch nicht aufgeben. So stellte er auf seiner „Jungfernrede“ als Oberbürgermeisterkandidat folgende Forderungen:24 „Die großkapitalistischen Industrie-, Verkehrs- und Handelsunternehmungen müssen in Gemeineigentum überführt, der Großgrundbesitz muß aufgeteilt und mit lebensfähigen bäuerlichen Existenzen besiedelt, das Versicherungswesen und die Großbanken müssen verstaatlicht oder doch unter einer strengen staatlichen Aufsicht gehalten werden.“25 Elfes wirtschaftspolitische Positionen waren unmittelbar nach Ende des Krieg in der CDU durchaus mehrheitsfähig, bis Konrad Adenauer die CDU auf streng marktwirtschaftliche Positionen festlegte. Elfes und Adenauer hatten über die Jahre Briefkontakt gehalten. 1945 schrieb Adenauer ihm etwa: „Daß wir Leidensgenossen sind tröstet, betrübt und – erfreut mich […] gleichzeitig.“26 Innerhalb von wenigen Jahren entfremdeten sich jedoch beide voneinander. Bei einem Abendessen 1948 stellte Adenauer Elfes folgende Frage: „Was würden Sie sagen, Herr Elfes, wenn Sie jetzt vor die Frage eines Krieges gegen Rußland gestellt würden?“27 Dass Deutschland nach den Gräuel des Zweiten Weltkrieges abermals an einem neuen Krieg beteiligt sein könnte, verstörte den pazifistischen Elfes immens. Unmittelbar darauf schrieb er an Adenauer: „Das gestrige Tischgespräch beunruhigt mich sehr. Wie entsetzlich, so selbstverständlich von einem neuen Krieg zu sprechen! […] Ich flehe Sie an, Ihren ganzen Einfluss für den Frieden einzusetzen und für eine friedliche Entwicklung einer neuen Weltordnung.“28
Ebenfalls 1948 kam es zu einem weiteren Konflikt zwischen beiden Christdemokraten. Adenauer hatte nämlich die Berichterstattung der von Elfes gegründeten Westdeutschen Zeitung kritisiert. Elfes hätte sich parteischädigend verhalten, indem er positiv über den SPD-Parteitag berichtet und die CDU-Politik negativ bewertet hätte.29 Elfes solle „entweder aus der CDU, die seine Zeitung mit illoyalen und unwahren Mitteln bekämpft, ausscheiden oder mit aller Energie dafür sorgen, dass sein Blatt sich wirklich überparteilich hält.“30 Weiter schreibt Adenauer: „Es fällt mir nicht leicht, gegenüber einem alten Freund, mit dem mich auch während der Nazizeit immer enge Bande verbunden haben, eine solche Alternative stellen zu müssen. Aber es bleibt mir nichts anderes übrig, als es zu tun, da ich sonst die Pflichten, die ich als Vorsitzender der CDU von Nordrhein habe, verletzen würde.“31 Der Vorwurf, Elfes würde gegen die Parteiinteressen handeln, wurde bereits Anfang des gleichen Jahres von der CDU in M.Gladbach geäußert. Die CDU-Fraktion entschied sogar, ihn vorzeitig als Oberbürgermeister abzuwählen, was jedoch rechtlich nicht möglich war. Er schied nach der Kommunalwahl im Herbst 1948 aus, da die CDU ihn nicht noch einmal als Oberbürgermeisterkandidat aufgestellt hatte. Auch für den nordrhein-westfälischen Landtag durfte er nicht noch einmal kandidieren.32
1949 verstarb seine Frau Elisabeth. Ein Jahr später heiratete er die Realschuldirektorin Gertrud Lichtschlag. Ebenfalls 1950 verließ Elfes die Westdeutsche Zeitung. 1951 wurde er dann – nachdem er auf einer Friedenskundgebung zusammen mit dem kommunistischen Bundes- und Landtagsabgeordneten Max Reimann aufgetreten war – aus der CDU ausgeschlossen. Dies war jedoch nicht der Endpunkt seines politischen Engagements. So war er von 1951 bis 1964 Mitglied des kommunistisch dominierten Weltfriedensrats und gründete 1953 – zusammen mit dem ehemaligen Reichskanzler Joseph Wirth – den „Bund der Deutschen, Partei für Einheit, Frieden und Freiheit“ (BdD), der sich gegen die Wiederbewaffnung und atomare Aufrüstung wandte sowie für ein neutrales, wiedervereinigtes Deutschland eintrat. Wirth und Elfes wurden nach Gründung der Partei die gemeinsamen Vorsitzenden. Beide waren davon überzeugt, dass für die Erreichung der Wiedervereinigung gute Beziehungen zu der Sowjetunion und der DDR unerlässlich seien. Aus diesem Grund hatten Elfes und Wirth beispielsweise mehrmals Gespräche mit dem Ministerpräsidenten der DDR Otto Grotewohl geführt. Auch reiste Elfes in die Sowjetunion und versuchte, Vorbehalte auf beiden Seiten des „Eisernen Vorhangs“ abzubauen.33 So schrieb er etwa: „[I]ch habe genug gesehen und gehört, um zu wissen, daß das Bild, das die westliche Propaganda im allgemeinen von der Sowjetunion gibt, ein liebloses Zerrbild ist.“34
Im Dezember 1952 nahm Elfes an dem Völkerkongress für den Frieden in Wien teil, wo er eine „gesamtdeutsche Erklärung“ verlas, die noch weitreichende Konsequenzen haben sollte. Als Elfes nämlich im Jahr darauf bei der Stadtverwaltung M.Gladbach seinen Reisepass verlängern wollte, wurde ihm dies verweigert. Die Entscheidung hatte der damalige nordrhein-westfälische Innenminister Franz Meyers getroffen, der ebenfalls Oberbürgermeister von M.Gladbach war und Elfes CDU-Ausschluss 1950 mitforciert hatte. Elfes klagte vor dem Landesverwaltungsgericht gegen den Beschluss, verlor jedoch den Prozess, da das Gericht durch Elfes die innere und äußere Sicherheit des Landes gefährdet sah. Auch die Berufung beim Oberverwaltungsgericht sowie die Revision beim Bundesverwaltungsgericht scheiterten. Elfes erhob daraufhin eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht. Juristisch wurde er von dem späteren NRW-Landesminister Diether Posser sowie dem späteren Bundespräsidenten Gustav Heinemann vertreten. Doch auch das Bundesverfassungsgericht entschied nicht in ihrem Sinne. Stattdessen wurden über die Jahre mehrfach Ermittlungsverfahren wegen Staatsgefährdung gegen Elfes aufgenommen, die aber alle vorzeitig eingestellt wurden. 1957 wurde sein Reisepass schließlich doch noch verlängert, nachdem in der seit 1956 regierenden sozialliberalen Koalition der neue nordrhein-westfälische Innenminister Hubert Biernat seine Zustimmung gegeben hatte, unter der Voraussetzung, dass Elfes erkläre, die Belange der Bundesrepublik nicht zu gefährden. Hierzu war Elfes sofort bereit.35
1956 übernahm Elfes nach dem Tod Joseph Wirths den alleinigen Vorsitz des BdD. Der Bund der Deutschen blieb jedoch bei Wahlen erfolglos. So trat die Partei bei der Bundestagswahl 1953 mit der Gesamtdeutschen Volkspartei (GVP) zusammen an, konnte aber dennoch nur 1,2 % der Wählerstimmen gewinnen. Auch die Gründung der Deutschen Friedens-Union (DFU) 1960, die durch Zusammenschluss mehrerer linker Kleinparteien entstand, zahlte sich nicht aus. Zu seinem 80. Geburtstag wurde Elfes mit der Ehrendoktorwürde der Fakultät für Journalistik der Karl-Marx-Universität Leipzig, der Carl-von-Ossietzky-Medaille des Friedensrates der DDR sowie der Friedensmedaille des Weltfriedensrates in Gold ausgezeichnet. Fünf Jahre später erhielt er die Ernst-Moritz-Arndt-Medaille durch das Präsidium des Nationalrats der Nationalen Front des Demokratischen Deutschlands. Wilhelm Elfes starb nach schwerer Krankheit am 22. November 1969 in Mönchengladbach.36