19. März 2024 - Der russische Angriffskrieg in der Ukraine, der eskalierte Nahostkonflikt, der Kampf gegen den Klimawandel, das Erstarken von
Rechtspopulisten oder Hass und Hetze im Netz: Die Welt erlebt derzeit multiple Krisen und steht vor großen Herausforderungen, die auch bei Bürgerinnen
und Bürgern zu Verunsicherung führen. Aber welche Auswirkungen hat das alles auf unsere Demokratie?
Unter diese Leitfrage hatte der Präsident des
Landtags, André Kuper, das Parlamentsgespräch
im März gestellt. "Demokratie in unsicheren
Zeiten: Ausnahmezustand als Dauerzustand?" -
so lautete der Titel der Podiumsdiskussion,
zu der Kuper ZDF-Chefredakteurin Bettina
Schausten und den früheren Vizekanzler und
Bundesminister Franz Müntefering begrüßte.
"Unsere parlamentarische Demokratie ist
die unverzichtbare Grundlage für Frieden und
Freiheit, für Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung,
für soziale Marktwirtschaft und Wohlstand,
für ein Leben und Zusammenleben in
Vielfalt", betonte der Präsident in seinem Grußwort.
Er verwies darauf, dass das Grundgesetz,
die Grundlage der bundesdeutschen Demokratie,
in diesem Jahr 75 Jahre alt, wird und betonte:
"Umso mehr müssen uns die aktuellen Problemlagen,
mit denen demokratisches Handeln
und Entscheiden konfrontiert ist, besorgen."
Wichtig sei, dass man sich nicht die "Essenz"
der Demokratie kaputt machen lasse,
mahnte Franz Müntefering. Anders als in der
ersten deutschen Demokratie, der Weimarer
Republik (1918-1933), hätten die Mütter
und Väter des Grundgesetzes diese Essenz
als Grundrechte festgeschrieben. Diese demokratischen
Werte wie der Schutz der Menschenwürde
seien das Entscheidende. "Die
Würde des Menschen ist unantastbar", zitierte
Müntefering Artikel 1 des Grundgesetzes und
ergänzte: "Wenn wir diesen Satz ernst nehmen,
wissen wir, wo die Grenze sein muss, wenn wir über Demokratie sprechen, wenn wir mit
Menschen umgehen."
Der frühere Vizekanzler erinnerte daran,
dass die Demokratie nicht nur aus der politischen
Ebene bestehe. Sie sei auch eine Gesellschaftsform
und eine Lebensform und könne
nicht allein durch den Staat geregelt werden.
Auch im täglichen Umgang der Menschen werde
die Demokratie gestärkt.
"Stresstest für die Demokratie"
ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten warnte
vor "Alarmismus". Aber tatsächlich sei die
Demokratie einem "Stresstest" ausgesetzt. Dies
liege nicht nur an den derzeitigen Krisen, sondern
auch an der Digitalisierung, die zu großen
Veränderungen, zu einer Transformation der
Gesellschaft, führe. So stelle sich die Frage, wie
die Gesellschaft mit dem Thema Künstliche Intelligenz
umgehe. Diese Entwicklungen sorgten
für Unsicherheiten. Zugleich gebe es Grund
zur Zuversicht. "Was für eine Chance für uns
Zeitgenossinnen und Zeitgenossen, dass wir in
diesen Zeiten leben dürfen", so die Journalistin.
Die Herausforderungen seien groß. Jeder
habe die Chance, daran mitzuarbeiten, dass
die Demokratie stärker werde. Wichtig sei, die
Menschen mitzunehmen, komplizierte Sachverhalte
zu erklären, Meinungen auszutauschen
und in einer "zivilen Weise" miteinander zu
streiten. Schausten verwies auf die Sozialen Medien,
in denen ein Ton Einzug gehalten haben, bei dem man sich manchmal fürchte. Es gehe
zu oft nur darum, Recht zu behalten, und es
setzten sich in der Regel "die Lauten" durch.
Medienvertreterinnen und -vertreter würden
beschimpft, es gebe Gewaltandrohungen auch
gegen Politikerinnen und Politiker.
Auch Müntefering erinnerte an die Verantwortung
jedes Einzelnen in der Demokratie. Wer
wolle, habe die Möglichkeit, sich zu informieren
und sich eine Meinung zu bilden. Er kritisierte,
dass zu oft "alle eine Meinung" hätten, "aber keiner
Ahnung". Man müsse urteilsfähig sein in einer
Demokratie. Dafür müsse man auch etwas tun.
Schausten und Müntefering riefen die
Bürgerinnen und Bürger auch auf, an Wahlen
teilzunehmen. Und Müntefering mahnte: "Du
kannst nicht nicht handeln." Nicht handeln,
heiße: etwas zulassen.
wib
Bildunterschrift:
Unter der Moderation von Vivien Leue (l.) diskutierten ZDF-Chefredakteurin
Bettina Schausten und der frühere Vizekanzler Franz Müntefering
Zusatzinformationen:
Wenn Sie an einem Parlamentsgespräch teilnehmen
möchten, nutzen Sie bitte das Anmeldeformular auf der
Internetseite des Landtags: https://lt.nrw/anmeldung
Ein Video zum Parlamentsgespräch und den kompletten
Mitschnitt finden Sie im Internet und unter dem QR-Code auf der Originalseite.
Systematik: 1010 Staatsaufbau
ID: LI240227