Karl Küll (1891-1969)

„Er gilt heute noch als fanatischer Kommunist und Gegner des Staates. Nach einer hier vertraulich eingegangenen Mitteilung, soll er sogar bis in die letzte Zeit, auf der Fahrt zu seiner Arbeitsstelle, versucht haben, seine Arbeiterkameraden im kommunistischen Sinne zu beeinflussen. Er wurde […] erneut in Schutzhaft genommen und mittels Sammeltransport ins Konzentrationslager […] überführt.“1 – Dieser Auszug aus einem nationalsozialistischen Bericht lässt erahnen, welch immenser Verfolgung Karl Küll ausgesetzt war und wie sehr er sich dem Regime widersetzte.

Karl Küll wurde am 7. Dezember 1891 in Höhscheid (heute Solingen-Höhscheid) geboren und wuchs in einer Arbeiterfamilie auf. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte er eine Lehre als Galvaniseur und war danach in dem Beruf tätig. Im Ersten Weltkrieg wurde er als Soldat eingezogen. Ende 1915 heiratete er Johanna Enke, mit der er zusammen zwei Kinder bekam. Nach der Kriegsniederlage 1918 engagierte sich der konfessionslose Küll beim örtlichen Arbeiter- und Soldatenrat und trat der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) bei; 1920 wechselte er dann zur KPD. Im gleichen Jahr wurde er wegen Diebstahls zu zwei Wochen Gefängnis verurteilt. Küll wurde Leiter der KPD in Solingen sowie Mitglied der KPD-Unterbezirks- sowie Bezirksleitung. 1929 war für ihn ein entscheidendes Jahr, denn er wurde KPD-Stadtverordneter in Solingen und gab seine Stelle als Galvaniseur bei einer Solinger Firma für Schneiderwerkzeuge auf, um Gewerkschaftssekretär des kommunistischen Einheitsverbands der Metallarbeiter in Solingen zu werden. Der Einheitsverband gehörte zur kommunistischen „Revolutionären Gewerkschafts-Opposition“ (RGO). 1930 besuchte er zudem einen Kurs an der Reichsparteischule der KPD in Berlin und wurde im gleichen Jahr Leiter der RGO in Solingen. Küll war darüber hinaus Vorsitzender des Antifa-Schutzbundes in Solingen-Höhscheid sowie Mitglied der „Roten Hilfe Deutschlands“ (RHD) und der „Internationalen Arbeiterhilfe“ (IAH).2

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verlor Küll nicht nur sein Stadtverordnetenmandat, sondern auch seine Stelle beim nun verbotenen Einheitsverband. Er floh vor dem NS-Regime in den Untergrund und beteiligte sich am kommunistischen Widerstand, indem er illegale Schriften der RGO verteilte. Außerdem plante er, mit einem falschen Pass in die Niederlande zu reisen. Doch das kommunistische Untergrundnetzwerk wurde von der Gestapo enttarnt und Küll am 21. November in seiner Wohnung verhaftet und in „Schutzhaft“ genommen. Bei der Einlieferung ins Gefängnis und den darauffolgenden Vernehmungen wurde Küll misshandelt. Im Juni 1934 wurde er dann vor dem Oberlandesgericht Hamm wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu einer Zuchthausstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Die sechs vorangegangen Monate Haft wurden ihm angerechnet. Er verbüßte die Strafe im Zuchthaus Remscheid-Lüttringhausen und wurde am 6. September 1935 entlassen. Im April 1937 wurde er allerdings erneut verhaftet und in das KZ Sachsenhausen gebracht, wo er bis Anfang August blieb. Anschließend war er in Düsseldorf in Haft und wurde schließlich Ende Oktober entlassen. Aus Furcht vor einer erneuten Verhaftung floh Küll 1944 abermals in den Untergrund, da die Gestapo nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juni 1944 in der groß angelegten „Aktion Gitter“ massenhaft Regimegegner festnahm. Seine Sorge war berechtigt: Um seinen Aufenthalt ausfindig zu machen, wurde im August seine Frau Johanna für einige Tage eingesperrt und verhört. Auch 1933 – während seiner ersten Zeit in der Illegalität – war sie bereits verhaftet worden.3

Küll betätigte sich nach Ende des Zweiten Weltkrieges beim Wiederaufbau der KPD. 1946 wurde er ernannter Stadtverordneter in Solingen und von 1947 bis 1950 war er Mitglied des Landtags von Nordrhein-Westfalen. Dort war er zeitweise sogar Vorsitzender des Arbeitsausschusses. Parallel zu seinen politischen Ämtern engagierte er sich gewerkschaftlich. So wurde er Sekretär des Vorstands der IG Metall in der britischen Zone sowie der Bizone. Aufgrund des sich zuspitzenden Ost-Westkonflikts hatte er diese Position jedoch nur für kurze Zeit inne. Küll trat dann wahrscheinlich aus der KPD aus und wurde wohl deshalb nicht aus der Gewerkschaft ausgeschlossen, sondern Sachbearbeiter für Arbeits- und Unfallschutz beim IG Metall-Hauptvorstand in Frankfurt, wo er u.a. über Schutzmaßnahmen vor Hautkrankheiten oder Silikose-Erkrankung informierte. 1957 schied er offiziell aus seinem Dienst aus, arbeitete jedoch noch vorübergehend ehrenamtlich für die IG Metall weiter. Karl Küll starb am 11. August 1969 in Solingen.4

Endnoten
1 Politischer Lebenslauf Karl Küll, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058-14069).
2 Vgl. Anklageschrift des Generalstaatsanwalts vom 03.02.1934, in: Bundesarchiv. Akten des Oberreichsanwalts beim Reichsgericht (Sig.: R 3003/1444); Urteil Oberlandesgericht in Hamm vom 06.06.1934, in: Bundesarchiv. Akten des Oberreichsanwalts beim Reichsgericht (Sig.: R 3003/1444); Politischer Lebenslauf Karl Küll; Personalbogen Karl Küll, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058-14069); Brief Preußische Geheime Staatspolizei. Staatspolizeistelle Düsseldorf an die Außendienststelle der Staatspolizeistelle Wuppertal vom 01.10.1937, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058-14069); Personalkarte Karl Küll vom 05.05.1947, in: Landtagsarchiv NRW. Biografische Kompendien ((LT NRW 118/ A0208/0438); Erath, Marc: Küll, Karl (1891-1969), in: Mielke, Siegfried (Hrsg.): Gewerkschafter in den Konzentrationslagern Oranienburg und Sachsenhausen. Biographisches Handbuch, 4 Bde., Bd. 2, Berlin 2003, S. 282-285, hier S. 282-283 sowie Weber, Hermann / Herbst, Andreas: Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945, 2., überarbeitete und stark erweiterte Auflage, Berlin 2008, S. 511.
3 Vgl. Brief Oberstaatsanwalt an den Reichsjustizminister vom 06.11.1933, in: Bundesarchiv. Nicht klassifizierte Strafprozessakten (Sig.: R 3018/5510); Merkblatt des Reichsanwalts beim Volksgerichtshof in der Strafsache gegen den Galvaniseur Karl Küll o.D., in: Bundesarchiv. Akten des Oberreichsanwalts beim Volksgerichtshof (Sig.: R 3017/4205); Urteil Oberlandesgericht in Hamm vom 06.06.1934; Brief Oberstaatsanwalt an den Reichsanwalt beim Volksgerichtshof vom 19.10.1937, in: Bundesarchiv. Akten des Oberreichsanwalts beim Volksgerichtshof (Sig.: R 3017/4205); Anklageschrift des Generalstaatsanwalts vom 11.08.1938, in: Bundesarchiv. Akten des Oberreichsanwalts beim Volksgerichtshof (Sig.: R 3017/4205); Urteil Oberlandesgericht in Hamm vom 13.10.1938, in: Bundesarchiv. Akten des Oberreichsanwalts beim Volksgerichtshof (Sig.: R 3017/4205); Fragebogen Karl Küll für die ehemalig politisch, religiös und rassisch Inhaftierten, Verfolgten und deren Hinterbliebenen vom 24.10.1945, in: Bundesarchiv. Bestand VVN. Sekretariat der britischen Besatzungszone (Sig.: BY 5/154); Personalbogen Karl Küll; Politischer Lebenslauf Karl Küll; Bericht der Gestapo vom 23.11.1933, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058-14069); Bericht der Gestapo vom 24.11.1933, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058-14069); Küll, Karl: Wiedergutmachungsakte, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Westfalen). Bestand Wiedergutmachungsakten (Sig.: BR 3008-ZK 10500); Küll, Johanna: Wiedergutmachungsakte, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Westfalen). Bestand Wiedergutmachungsakten (Sig.: BR 3008-ZK 75813); Weber / Herbst: Deutsche Kommunisten, S. 511 sowie Erath: Küll, Karl (1891-1969), S. 283.
4 Vgl. Personalkarte Karl Küll vom 05.05.1947; Brief ders. an die Industriegewerkschaft Metall. Verwaltungsstelle vom 05.05.1952, in: AdsD. Bestand IG-Metall (Sig.: 5/IGMA130113); Brief ders. an den Deutschen Gewerkschaftsbund. Bundesvorstand. Abteilung Sozialpolitik vom 25.02.1953, in: AdsD. Bestand IG-Metall (Sig.: 5/IGMA130147); Brief ders. an die Hauptverwaltung der Industriegewerkschaft Bergbau vom 25.03.1954, in: AdsD. Bestand IG-Metall (Sig.: 5/IGMA130115); Brief ders. an Karl Deibicht vom 24.10.1957, in AdsD. Bestand IG-Metall. Nachlass Otto Brenner (Sig.: 5/IGMA45075034); Brief Karl Küll an die Industriegewerkschaft Metall für die Bundesrepublik Deutschland. Verwaltungsstelle vom 09.01.1958, in: AdsD. Bestand IG-Metall (Sig.: 5/IGMA130105); Brief ders. an Otto Brenner vom 22.01.1958, in: AdsD. Bestand IG-Metall. Nachlass Otto Brenner (Sig.: 5/IGMA45075034); Brenner, Otto u.a.: Urkunde Karl Küll zum 75. Geburtstag vom 7.12.1966, in: AdsD. Bestand IG-Metall (Sig.: 5/IGMA45240001); Küll, Karl: „Gewerkschaft und Unfallverhütung, in: IG-Metall (Hrsg.): Das Wichtigste aus einem Lehrgang der IG Metall über Unfallverhütung, Frankfurt am Main o.D.; ders.: Wiedergutmachungsakte; Weber / Herbst: Deutsche Kommunisten, S. 511 sowie Erath: Küll, Karl (1891-1969), S. 284-285.

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